Project Gutenberg's Madonna, by Elsa Bernstein and Ernst Rosmer [pseud.]

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Title: Madonna
       Novellen

Author: Elsa Bernstein
        Ernst Rosmer [pseud.]

Release Date: March 30, 2020 [EBook #61708]

Language: German

Character set encoding: ISO-8859-1

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  =ERNST ROSMER=

  Madonna

  Novellen


  Berlin
  S. Fischer, Verlag
  1894.




Inhalt.


  Madonna                    5

  =Corriger l'amour=        27

  Platonisch                95

  In der Mauernstra�e      115

  =Milost pan=             139




Madonna.


Er war allein mit ihr. Seit zwanzig Jahren zum ersten Mal. Sie war tot. Er
legte den Reisehut auf den alten Lehnstuhl und trat mit gefalteten H�nden
an die ungeschm�ckte Bahre. Das m�dchenzarte Angesicht eines stillen tiefen
Weibes ruhte auf dem schwarzen Totenkissen. In seinen Augen stieg ein altes
unendliches Leid auf. �Wenn Du mich geliebt h�ttest, wie ich Dich!�

Er ging langsam durch das gro�e, von lebendigem Sonnenlicht durchflutete
Zimmer. Ueber dem Fl�gel hing in schwarzem Ebenholzrahmen die Sixtina.
�Fr�ulein Maria von einem alten Freunde zum Andenken. 25.�Mai� -- stand in
der Ecke. Auf dem Fl�gel lag die schwere Partitur seines letzten Werkes.
=Missa solemnis.= Das =Agnus Dei= war aufgeschlagen. �So hat sie mich doch
nicht vergessen�. Mit wehmutvoller Freude bl�tterte er die bekannten
Seiten durch. Die Partitur mu�te viel gespielt worden sein. Verschiedene
Druckfehler waren auf kundige Weise ausgebessert. Am Rande standen
allenthalben musikalische Anmerkungen. Er las sie langsam durch. �Wie
richtig! Welch' vornehmes k�nstlerisches Gef�hl. ....�Freilich, hier w�re
die Mollterz besser�. Er schrieb sich die Stelle in sein Taschenbuch und
schlug die letzte Seite um. Da lag ein gro�es versiegeltes Couvert. In
festen klaren Z�gen stand sein Name und seine genaue Adresse darauf. �Nach
meinem Tode dem Adressaten zu �bergeben und nur von ihm zu �ffnen�. Sein
Eigentum. Sein ernstes altes Gesicht war von junger Glut �bergossen. Von
ihr! Er r�ckte einen Stuhl an die Bahre und brach langsam die Siegel
auf. Feine wei�e Papierb�gen mit blauer Seide zusammengeheftet fielen ihm
entgegen. Er nahm sie auf. Sie waren ganz mit schmalen festen Schriftz�gen
bedeckt, die einige Jahre alt sein mochten. Er las:�--

�Wenn ich tot bin, sollst Du wissen, wie's gekommen ist.

Ich hab' Dich immer lieb gehabt. Als kleines M�dchen schon, da Du mich
�Aennchen von Tharau� und �Jetzt geh' ich an's Br�nnele� singen lehrtest.
Aber ich wu�te es nicht. Ich fand Dich alt und strenge und gar nicht
h�bsch. Gleichwohl weinte ich heimlich, wenn Du einen Sonntag nicht kamst.
Halb aus unklarer Sehnsucht, halb aus sehr klarer Selbstsucht, denn Du
brachtest mir stets ein Buch, eine Spielerei, ein Naschwerk mit. An meinem
f�nfzehnten Geburtstag schenktest Du mir die Sixtina und nahmst Abschied.
Du wolltest nach Italien. �Werden Sie mir schreiben?� fragtest Du. Ich
lachte. �Nein, ich mache zu viele orthographische Fehler�. �Die werde ich
Ihnen korrigieren. Also schreiben Sie mir und w�re es nur, da� Sie etwas
lernen. Sie haben es n�tig, denn Sie sind sehr unwissend�. �Ich will aber
nichts lernen. Ich bin h�bsch und wenn mich einer heiraten will, geht's
auch so�. Du sahst mich mit einem ganz strengen b�sen Blicke an. �Ich finde
Sie gar nicht h�bsch�. Und Du gingst.

Meine gute nachsichtige Mutter nahm mich in die Arme und k��te mich. �Warum
bist Du so unfreundlich gegen ihn? Er hat Dich so gerne�.

Jawohl. Aber ich wollte Dich nicht. Ich wollte einen jungen, lustigen, der
meine orthographischen Fehler nicht korrigierte, und mir sagte, da� ich
h�bsch w�re.

Der junge Lustige kam. Unserem Hause gegen�ber in einer einst�ckigen Villa
wohnte eine kluge alte Dame. Die beste Freundin meiner Mutter seit dem Tode
des Vaters. Ich kam oft zu ihr hin�ber, bewunderte die vielen Bilder an
den W�nden, lauter ber�hmte Leute, wie die Vestvali, Daudet, die Goncourts,
Flaubert und viele andere. Ein einziges Oelbild war da, aber ohne ber�hmten
Namen. Ein sch�nes, fr�hliches J�nglingsgesicht mit tolllustigen Augen
und braunem dicklockigem Haar. Das war der Sohn der alten Dame. Ein
junger Schriftsteller, der in Berlin lebte und eine neue naturalistische
Zeitschrift herausgab. Diesen Sommer wollte er kommen und seine Mutter
besuchen. Ich war sehr neugierig auf ihn. Er kam in der Nacht an. Am
n�chsten Tage hatten wir ihn und seine Mutter zum Mittagsessen gebeten.
Ich hatte allein gekocht und den ganzen Tisch mit bl�henden Junirosen
geschm�ckt. Mein wei�es Battistkleid hatte ich mir ein wenig k�rzer
gemacht. Die schwarzen Lederschuhe mit dunkelblauen Stahlschnallen sahen so
h�bsch aus, und ich hatte sehr kleine F��e.

Er war sch�ner als das Bild, f�nfundzwanzig Jahre alt und von toller
lebenatmender Lustigkeit. Wir neckten uns am ersten Tage, schlugen uns
am zweiten auf die H�nde und nannten uns am dritten Du. Die beiden M�tter
wu�ten es, lachten und freuten sich. Wir waren den ganzen Tag beisammen und
den halben allein. Er las mir seine Geschichten vor, die mich entz�ckten.
Das war so leicht und unterhaltend, ich brauchte mir gar keine M�he zu
geben, um es zu verstehen. Manches fand ich ein wenig unanst�ndig und sagte
es ihm auch. Er lachte. Das w�re die realistische Schule, daran w�rde ich
mich schon gew�hnen. Ich mochte mich aber nicht daran gew�hnen. Zu
eitel und zu feig, es einzugestehen, log ich mich mit einem �wunderbar,
gro�artig, meisterhaft� dar�ber hinweg. Die kluge alte Dame k��te mich und
nannte mich ihr T�chterchen, wenn ich von dem Genie ihres Sohnes sprach,
und was f�r ein gro�er Dichter er w�re. Eines Tages sah sie mir mit ihren
sch�nen gro�en Augen fest ins Gesicht. �M�chtest Du ihn wohl heiraten?� Ich
wurde sehr rot und wu�te keine Antwort. Sie zog mich auf ihren Scho�. �Du
bist das einzige M�dchen, dem ich ihn g�nne. Ich habe Dich lieber als alle
anderen. Es w�re mein gr��tes Gl�ck�.

Ich hatte mich immer so gefreut auf das Heiraten. Da war's auf einmal.
�Ja�, sagte ich ganz leise. �Aber noch nicht gleich. Ich m�chte doch den
Winter erst tanzen�.

Sie lachte gl�cklich. �Du liebes kindisches Ding. Jawohl sollst Du
tanzen�.�--

Drei Tage sp�ter standen wir auf unserer gro�en Schaukel, rings die
d�mmernde Sommernacht. Wir hatten uns beide m�de gearbeitet und blickten
nach den Sternen. �Wie blau der Himmel ist!� �In Italien ist er noch tiefer
blau�, sagte er. In Italien! Ich dachte an Dich. Er wickelte meine langen
Locken um seine Finger und fl�sterte mir kaum h�rbar ins Ohr: �Du bist ein
liebes reizendes Gesch�pf. Ich m�chte Dich haben, ganz haben, so wie
Du bist, mit dem kleinen Muttermal am Kinn und all den s��en kindischen
Thorheiten. Willst Du mich?�

Ich war gar nicht verwirrt, f�hlte mich nur sehr geschmeichelt und gab ihm
mein �berm�tiges lachendes Ja. Dann liefen wir durch den Garten, k��ten die
Rosen und k��ten uns. Ganz tief innen sagte etwas, da� ich mir die Sache
doch anders vorgestellt h�tte. Das war ja gerade so, als wenn ich meine
wundersch�ne gro�e Schreipuppe k��te.

�M�ssen wir's nicht der Mama sagen?� fragte ich. ��Nicht n�tig. Die wei�
es von selbst��. Sie wu�ten's beide von selbst und lie�en uns noch mehr
gew�hren. Wir rannten stundenlang durch die stillen gr�nen Eichenw�lder,
plauderten von unserer k�nftigen Wohnung, zankten uns �ber die Tapeten, und
heimlich langweilte ich mich oft unaussprechlich. Anfangs Oktober mu�te er
nach Berlin zur�ckkehren. Er war trauriger als ich. �N�chstes Jahr im Mai
komme ich wieder, und dann ... Wirst Du mich nur nicht vergessen? Du bist
so jung!�

Schreiben sollten wir uns nicht, zu meiner gro�en Erleichterung. �Solch'
eine Correspondenz wird leicht langweilig�, sagte die kluge alte Dame.
�Er h�rt von mir �ber Dich, und Du h�rst von mir �ber ihn�. Ich war sehr
zufrieden. Am f�nften Oktober reiste er ab. Wir brachten ihn zur Bahn. Ich
hatte mein sch�nstes Taschentuch mitgenommen, um dem Zug nachzuwinken. Auf
dem Heimweg weinte ich ein wenig und kaufte mir drei gro�e Aepfel. Die a�
ich Abends auch auf.

In meinem Innern r�hrte und regte sich nichts. Ich langweilte mich in der
ersten Zeit, da ich des vielen Alleinseins entw�hnt war. Da war niemand
mehr, der viertelstundenlang vor mir auf den Knieen lag, mir die H�nde
k��te und mir erz�hlte, wie sch�n meine Augen und wie gl�nzend meine
Haare w�ren. Die klassischen B�cher aus der alten Bibliothek meines Vaters
verstand ich nicht. Meinen sehr mangelhaften Sprachkenntnissen durch
Studien nachzuhelfen, w�re mir schon gar nicht eingefallen. Ich spielte ein
wenig Klavier und arbeitete den ganzen Tag f�r meinen k�nftigen
Haushalt tausend unn�tze bunte S�chelchen: Zeitungshalter, Sofaschoner,
Tintenwischer, Wandk�rbchen und dergleichen. Am Weihnachtsabend traf ein
K�stchen aus Berlin ein und eine Kiste aus Rom. In dem K�stchen war ein
zierliches Armband aus gl�nzend farbigen Emailplatten. Von ihm. In der
Kiste war der Moses des Michelangelo und ein ruhiger freundlicher Brief,
der um kurze Nachricht �ber unser Befinden bat. Von Dir.

�Du mu�t antworten und Dich bedanken!� sagte meine Mutter. Ich that es
nicht. Ich war zu sehr mit meinem Armband und meinem neuen Ballkleid
besch�ftigt. Ich tanzte in diesem Winter zum ersten Mal, tanzte viel und
fand mich immer h�bscher und liebensw�rdiger. Es sagten's mir ja Alle. Die
kluge alte Dame schrieb von meinen Triumphen nach Berlin und las mir die
Antworten ihres Sohnes vor. Ich h�rte �u�erlich mit gro�er Aufmerksamkeit,
innerlich sehr zerstreut zu. Ich dachte immer weniger an den guten lustigen
Jungen, oder nur in Verbindung mit meinem Brautkleide und den niedlichen
kleinen Capoteh�ten, die ich als junge Frau tragen w�rde.

Meine Mutter hatte bei einem gro�en ausw�rtigen Gesch�fte meine Aussteuer
bestellt. Ich stickte mir W�schehalter mit verschlungenen Buchstaben und
dachte heimlich daran, die Hochzeit bis zum Herbst zu verschieben. Das
Heiraten kam mir jetzt nicht mehr so lustig vor. Ich durfte dann nicht mehr
tanzen, und das Tanzen war mir jetzt die Hauptsache.

Als die Ballsaison vor�ber war, sank ich in die fr�here trostlose
Langeweile zur�ck. Ich qu�lte meine Mutter, �rgerte mich �ber die kleine
Stadt, wo man so wenig Zerstreuung haben konnte, und wollte Reisen machen.
Die kluge alte Dame nahm meine Unruhe und Unlust zu jeglicher Besch�ftigung
f�r Sehnsucht. �Ich werde ihm schreiben; er soll schon im April kommen�.
Ich freute mich mit �bertriebenem Lachen und H�ndeklatschen, bestellte mir
zwei neue Kleider, und schrieb am Abend auf vieles Dr�ngen der Mutter einen
trockenen d�rren Brief an Dich. Das Schreiben verursachte mir M�he, die
Worte mu�te ich aus allen Winkeln meines Gehirns zusammensuchen, ich wurde
ungeduldig und namenlos �rgerlich auf Dich. Ich wollte Dich kr�nken, ich
wollte Dir wehthun, und von einem dunklen b�sartigen Instinkt getrieben,
schrieb ich ganz zum Schlu�, da� ich mit einem wundersch�nen jungen Manne
verlobt sei und ihn ungeheuer liebe. Mit dem unliebensw�rdigsten H�ndedruck
pre�te ich die Marke auf das Couvert und �bergab ihn dem M�dchen. Aber
der Gedanke an Dich lie� sich nicht so ohne weiteres fortschicken. Ich
erinnerte mich an so viel, was fr�her gewesen, anders als jetzt gewesen.
Ich dachte an mein lang vernachl�ssigtes Klavier. Ich versuchte zu spielen.
Meine Finger waren schwer und unbehilflich geworden. Das reizte mich. Ich
spielte -- was sehr selten geschah -- einige Tonleitern und langte mir
schlie�lich einen Band Sonaten her. Ich schlug auf -- das Adagio der
Path�tique. Ich hatte es als Kind oft von Dir geh�rt. Einmal hattest Du
mich bei der Hand genommen, mir lange in die Augen gesehen. Endlich sagtest
Du: �Wenn Du ein echtes gro�es Weib werden willst, dann kannst Du es von
diesen vier Seiten besser lernen, als durch alle Weisheit der Welt. In
diesen T�nen atmet das sch�nste und reinste Frauengem�t�. Das fiel mir
wieder ein. Ich spielte das Adagio. Es ging sehr schlecht, aber die
wunderbare Musik siegte �ber meine Ungeschicklichkeit. Es begann etwas
in mir zu zittern. Als ich zu Ende war, weinte ich. Ich weinte vor
Ergriffenheit und weil ich leise, aber schmerzhaft deutlich empfand, da�
ich nichts, gar nichts von dem Frauengem�t hatte, das in diesen T�nen
lebte. Aber seit diesem Abende spielte ich viel, wenn es auch kein
geregeltes und regelm��iges Ueben war.

Nach f�nf Tagen kam Dein Brief. Ich warf ihn damals ins Feuer. Weniger
zornig �ber den k�hlen traurigen Gl�ckwunsch als �ber den einen Satz, der
sich in mein Ged�chtni� bohrte: �Ich glaube nicht, da� Sie ihn heiraten,
denn Sie lieben ihn nicht. Sie sind noch ein Kind, kein Charakter�.

Ich sollte ihn nicht lieben, ich sollte kein Charakter sein! Jetzt wollte
ich erst recht beweisen, wie sehr ich ihn liebte, was f�r ein Charakter ich
war.

Er kam. Ich war liebensw�rdiger gegen ihn als fr�her, und w�rmer. Aber das
Adagio der Path�tique spielte ich nicht mehr. Was die Hochzeit betraf, so
hatte ich meinen Willen durchgesetzt. Erst im Herbst. Und noch war es mir
zu fr�h.

Der Mai brachte sommerhei�e Tage. Ich war seit dem letzten Jahre gr��er und
st�rker geworden, atmete tiefer und err�tete sehr oft, ohne da� ich wu�te
warum. Die unnat�rlich hei�e Fr�hlingssonne machte mich tags�ber m�de,
w�hrend ich nachts vor den lauten Schl�gen meines Herzens nicht schlafen
konnte. Ich sagte es der klugen alten Dame. Sie blickte mich mit einem
eigent�mlichen L�cheln an, das ich nicht verstand.

Drei Tage vor meinem sechzehnten Geburtstag sa� ich mit ihm allein auf
einem freien gr�nen Waldrain. Aus der Erde drang ein hei�er feuchter Duft
empor. Ich hatte den Kopf gesenkt. Pl�tzlich f�hlte ich seinen Blick
auf meinem Nacken ruhen. Eine brennende Empfindung und ein leichter
widerw�rtiger Schauer stieg in mir auf. Dennoch wandte ich mich, von einer
b�sen Neugier getrieben, zu ihm. Es war nur ein Moment, ein Blick -- aber
dieser Blick, der wie eine sinnlich zitternde Ber�hrung �ber meinen K�rper
glitt -- mir war's, als st�nde ich nackt, von unkeuscher Glut �bergossen,
in dieser freien, lichtvollen Natur -- o Gott!

In der Nacht brach die L�ge meines Innern zusammen. Ich wu�te, da� ich
ihn nicht liebte. Aber was hatte ich f�r die Wahrheit geben m�ssen! Die
Keuschheit meiner Seele, auf der jener Blick wie eine Entehrung brannte,
nicht Entehrung vor Menschen, Sitte und Religion, aber Entehrung vor dem
H�chsten, was es f�r ein Weib giebt, vor dem geheimnisvollen, gott�hnlichen
Gef�hl der Reinheit. Das f�hlte ich in jener Nacht. Ich lag da in stillem
irrsinnigem Weinen -- ich dachte an Dich. Und ich war noch feige. Drei
Tage. Drei endlose verzweifelte Tage schob ich den entscheidenden Schritt
hinaus. Da kam mein Geburtstag. Er brachte mir einen goldenen Ring, den
Verlobungsring. Ich nahm ihn nicht.

Er verstand mich nicht, und als er mich verstand, fiel er vor mir auf die
Knie. Er griff wie einst nach meinen H�nden, aber der grauenvolle Ekel, der
mein Gesicht erstarren machte, lie� ihn zur�ckfahren. Er ging, totenbleich,
in trostlosem Zorn.

Sie versuchten mich zu �berreden. Umsonst. Ich widerstand -- nicht aus
Charakterfestigkeit, denn -- nur zu wahr, ich hatte noch keinen Charakter,
sondern mit dem Eigensinne der Verzweiflung um ein ewig Verlorenes. O dies
ewig Verlorene, dies Ungreifbare, Unnennbare....

Nun lebten wir ganz allein. Aus dem H�uschen dr�ben waren sie fortgezogen
nach Berlin. Ich arbeitete. Ich hatte einen freundlichen alten Herrn zum
deutschen Lehrer, der mit kleinem Kopfsch�tteln und gro�er Geduld meine
unglaublichen Fehler verbesserte. Nach vier Monaten schrieb ich an Dich.
Nicht mehr auf buntem parf�miertem Papier, auf einem einfachen wei�en Bogen
einen einfachen, orthographisch richtigen Brief. Zuletzt sagte ich, da� ich
nicht mehr verlobt sei.

Seitdem schrieben wir uns regelm��ig. Du wurdest nicht m�de, mir gute und
treue Worte zu sagen. Meine Lebensanschauung habe ich aus Deinen H�nden
empfangen. Ich fing an zu verstehen, da� wir keinen Richter �ber uns
erkennen d�rfen, als das Ideal, das strenge, unerbittliche Ideal, nicht das
nach den Forderungen der Menschen zugeschnittene. Ich fing an zu verstehen,
warum ich ohne Schmerz und Vorwurf an jene th�richt-traurige Spielerei
denken konnte, bis zu dem Augenblicke, wo ich innerlich schuldig geworden
war. Das blieb. Das lie� sich nicht hinwegweinen oder hinwegarbeiten. Das
blieb.

Nach drei Jahren kamst Du wieder. Ich war nicht mehr h�bsch. Aber ich war
still und gut geworden. Eine kleine Freude machte es mir, Dich mit allem zu
�berraschen, was ich gelernt hatte. Franz�sisch, englisch und italienisch.
Ich hatte die Klassiker gelesen und konnte auch schwere Bach'sche Fugen
spielen. Du gabst mir Compositionslehre, um mir das Partiturlesen zu
erm�glichen und meinem instinktiven Verst�ndnis durch das theoretische
nachzuhelfen. Ich wei� noch sehr gut, was Du bei den falschen Quinten
und Oktaven sagtest: �Man h�rt sie oft nicht, sie d�rfen aber doch nicht
gemacht werden�. Ja .... man h�rt vieles nicht mit Menschenohren und sieht
vieles nicht mit Menschenaugen, und doch darf es nicht geschehen.

Dein vierzigster Geburtstag kam. Du verbrachtest ihn bei uns. Ich hatte
mittags in der K�che zu thun. Als ich etwas sp�t ins E�zimmer kam, h�rte
ich Dich und die Mutter im kleinen blauen Salon reden. Wie es schien,
ernsthaft. Ich wollte nicht st�ren. Ich nahm mir eine Arbeit. Durch die
offene Th�r klangen Eure Worte.

Die Mutter fragte: �Warum haben Sie nicht geheiratet?� --�--�-- Deine Worte
fielen wie schwere hei�e Thr�nen auf mein Herz. �Ich m�chte nur ein Weib
lieben, das ich hoch �ber alle andern stellen, das ich als ein einziges,
auserw�hltes ansehen kann. Zu diesem Weibe m��te ich beten k�nnen, wie zur
Madonna. Auf ihrer Stirne d�rfte kein Hauch und in ihrem Herzen kein
Fehler sein. Ich h�tte sie zu lieb, um es ihr vergeben zu k�nnen. Bei
dem Unendlichen darf es kein Begn�gen und keine Nachsicht geben. Ich mu�
fraglos anbeten und mich in den Staub niederwerfen k�nnen: �Ich verdiene
Dich nicht, aber ich kann Dich nur lieben, wenn Du bist wie das Licht
selbst�. Solch' ein Weib habe ich noch nicht gefunden -- ein Weib wie Ihre
Tochter�.

Ich starrte mit weiten Augen in die gro�e flammende Mittagssonne.

�Meine Tochter -- Wissen Sie, da� sie verlobt war?�

�Ich wei� es. Aber gn�dige Frau, halten Sie mich nicht f�r eine so kleine
Natur, da� ich solch' einer �u�erlichen Sache nur einen Gedanken schenken
w�rde. Diese empfindungslose Kinderthorheit hat die Seele Ihrer Tochter
nicht ber�hrt. Sie ist rein -- wie Madonna�.

Die Nacht! Ich sah Dich vor mir stehen und lag mit gefalteten H�nden vor
Dir auf den Knieen.

Ich liebe Dich -- und kann Dir's nicht sagen, denn ich kann nicht mehr
Madonna f�r Dich sein. Ich bin schuldig -- und wenn ich's Dir gestehen
k�nnte, so k�nnte ich mir's doch nicht von Dir vergeben lassen. Du darfst
mir nichts zu vergeben haben, Du bist zu hoch dazu und ich liebe Dich zu
sehr. Ich bin besser als die Anderen, aber nicht gut genug f�r Dich. Ich
bin stolzer als die Andern, und liege hier vor Dir auf den Knieen: ich
liebe Dich.

Ich habe Dir's nie gesagt. Ich konnte nicht, ich konnte nicht. Jener Blick
stand nachtdunkel zwischen diesem Wort und mir. Ich lie� Dich gehen und
sagte meiner weinenden Mutter: �Ich liebe ihn nicht. Nein. Nein�.

Mein lebendiges Leid hat sich nicht so leicht im toten Herzen begraben
lassen. Manchmal wachte es auf und schrie mir mein Elend in die Ohren. Ich
wurde �lter und sah, wie die Menschen l�gen und s�ndigen, ohne es f�r L�ge
und S�nde zu halten. Ihnen mu�te ich l�cherlich sein. Aber mein Ideal mit
den traurigen goldenen Augen sprach anders.

Die Mutter starb. Ich war ganz einsam. Ich h�rte durch die Zeitungen viel
von Dir. Dies und Deine Werke waren mein einziges Gl�ck. Ich wu�te auch,
da� Du nicht geheiratet hattest .... Du konntest keine Madonna finden.

Ich lebe still weiter, freue mich, armen Menschen helfen zu k�nnen, und
sterbe langsam. Ich liebe Dich zu sehr. Und nun, da lange f�nfzehn Jahre
vorbei sind, habe ich Dir diese meine Geschichte erz�hlt. Du sollst sie
lesen, wenn ich tot bin. Zu meinem Begr�bnis soll meine alte Pflegerin Dich
rufen lassen. Ich wei�, da� Du kommen wirst.

Du sollst wissen, da� ich Dich geliebt habe, und doch solltest Du mich
nicht Madonna nennen. Es w�re eine L�ge gewesen. Sage mir, da� ich recht
gethan habe.

Nun wei�t Du, wie's gekommen ist�.�--

Das Abendrot hauchte seine Lichter auf die Stirne der Sixtina. Ein Abglanz
fiel auf das Antlitz der toten Maria. Es war so ernst und herrlich rein,
wie das der Himmelsk�nigin.

Er lag auf den Knieen und neigte sein Haupt auf ihre bleichen H�nde. �Du
hast recht gethan -- Madonna�.




=Corriger l'amour=


Soll ichs? ... Es ist ein h�bscher Junge und ich ennuyiere mich. Mein
geliebter Gemahl ist den ganzen Tag in den Bergen. Er sitzt am See;
schreibt seinem Aussehen nach Gedichte. Ich? ... was thue ich? Brauche
m�glichst lang zu meiner Toilette; lasse mir von der K�chin das Menu
zeigen; sitze auf der Veranda und bilde mir ein, See, Wald und Berge zu
zu bewundern. =Voil� tout.= Ah, meine Gn�digste, in solcher Stimmung
ist's verzeihlich, ein Tagebuch zu beginnen! F�nfundzwanzig Jahre und
ein Tagebuch! L�cherlich! Aber die Langeweile ... Dazu �rgerten mich die
wei�en, �den Bl�tter. Ich fing an, Spinnen und Fliegen darauf zu zeichnen.
Und w�hrend ich es that, kamen mir die Gedanken ... Es ist wirklich ein
h�bscher Junge. Noch ein wenig bla� von seiner Krankheit. Und so gut
erzogen, so r�hrend ungalant�...

Vor acht Tagen kam der Brief seines Vaters. Fritz las ihn. Ein-, zweimal.
Dann schob er die Cigarette in den rechten Mundwinkel. Ah! macht' ich
in Gedanken. Der will etwas. Die Cigarette wanderte wieder in den linken
Mundwinkel. Mich geht's auch an? So! Pause. Ich sah auf die Badestatuette
von Tabachi. Man sagt, ich sehe ihr �hnlich. Ich g�hnte.

Thea!

Fritzl?

Der Lobkowitz hat geschrieben.

So. Was?

Sein J�ngster, der Ossi, war krank. Nervenfieber. Hat sich beim Examen
�berarbeitet. Er m�chte ihn auf's Land schicken; zu uns. Willst Du?

Wie alt ist der -- Ossi?

Neunzehn oder zwanzig, wei� nicht recht. Also willst Du?

Neunzehn, zwanzig -- nein.

Aber Thea!

Fritzl, sei vern�nftig. Der Junge ist neunzehn, meinetwegen auch zwanzig.
Ich bin h�bsch. Wir leben hier sehr einsam. In acht Tagen ist er verliebt
in mich bis �ber die Ohren und wir haben den Skandal.

Fritz lachte.

Das ist Deine ganze Besorgnis? M�glich, da� er sich in Dich verliebt.
Sicher, da� ich einen Skandal verhindre. Ich lasse ihn kommen.

Und er kam. Ganz anders, als ich ihn erwartet hatte. Schlank, br�nett, mit
der zigeunerischen Noblesse des slavischen Adels, aber zugleich sch�chtern,
linkisch, wie ein b�rgerlicher Privatdozent. Keine Spur von =savoir-vivre=.
Und sein Vater ist Gesandter! Ich interpellierte Fritz.

Wo hat der Lobkowitz seinen Jungen erziehen lassen?

Wei� nicht. Keinenfalls in Paris. Der Fred hat ihn zu viel Geld gekostet.
Darum sollte der Ossi wohl desto solider werden. Ich glaube, er hat
Philosophie studiert. Bist Du nun ruhig, da� er sich nicht in Dich
verliebt?

Ganz ruhig, mein Herr Gemahl. Aber Sie h�tten das nicht so sp�ttisch zu
sagen brauchen.�--

Mein philosophischer Graf sitzt noch immer auf seinem Felsen, dichtend ...
Was gilts? Eine Spielerei von zwei Monaten -- =ce n'est que le premier pas
qui co�te=.

Soll ichs? -- Ich werds!


  _21. Juli._

Ich las, was ich gestern geschrieben. Es am�siert mich. Ich werde weiter
schreiben. Ich langweile mich noch immer. Die -- Affaire ist noch nicht im
Gang. ... Sentimental wird mein Tagebuch nicht. In dieser Richtung bin
ich ein Genie an Talentlosigkeit. Sentimental -- Affaire -- Genie --
wie unlogisch ich durcheinander schreibe. Ah, =laissons=! Logik ist die
schreckliche Begabung der gelehrten Frauen; ich kann sie nicht leiden; sie
verstehen nichts von Koketterie. Ich bin nicht gelehrt; kokett?�--

Ich spreche franz�sisch, nicht mit schwerf�llig-deutscher
Institutsrichtigkeit, sondern so anmutig und unordentlich, als k�me ich aus
dem tiefsten Paris; englisch wie eine Lady, deren Augenbrauen wei�er als
ihre Haut sind; italienisch -- man hat mich f�r eine Toskanerin gehalten.
Weiter kann ich nichts. Oder von allem ein wenig. Nat�rlich spiele ich
Klavier. Mit viel Technik und wenig =sentiment=. Manchmal phantasiere ich
auch, =cela veut dire=, ich spiele eine unm�gliche Melodie, dazu suche ich
mir noch unm�glichere Akkorde. Kurz, es sieht in meinem Kopf aus wie in
einem =bric-�-brac=-Laden. Ich wei� es ganz genau und mache mir gar nichts
daraus. Die Grisettenwirtschaft solch eines =bric-�-brac=-Ladens ist weit
interessanter als die anst�ndige Steifheit wohlgeordneter Wohnzimmer. Ich
habe mich in Paris mit Daudet, in London mit Gladstone, in Bayreuth mit
Wagner aufs beste unterhalten. Ohne jede Gelehrsamkeit. Ein wenig Esprit,
ein wenig Koketterie. Ich kenne all meine Fehler und finde sie alle
reizend. Z.�B. meinen Egoismus. Ich beweise ihn schon dadurch, da� ich nur
von mir rede. Da ist ja noch -- =monsieur mon mari=. Ich liebe ihn heute
ebenso wie vor f�nf Jahren an unsrem Hochzeitstage. Mittelm��ig. Warum
ich ihn geheiratet? Er war zweiunddrei�ig Jahre, die Perfektion eines
Kavaliers, sein Verm�gen gro� genug, um mir Toiletten =�la= Sarah
Bernhardt und Diamanten =�la= Judic zu gestatten; und in mich verliebt!
Sehr! Ich? ich wu�te recht gut, da� mein Ministerpapa eine gl�nzende
Einnahme, aber kein Verm�gen habe. Die gl�nzende Einnahme wurde durch
ein gl�nzendes Leben verbraucht. Meine Heirat mit Baron Gersewald war das
Vern�nftigste, was ich thun konnte. Ich that es.

Fritzl ist heute wie vor f�nf Jahren galant, liebensw�rdig, verliebt.
Wir leben in der gr��ten Harmonie. Wir sind beide nicht eifers�chtig. Wir
wissen beide, da� wir uns hie und da etwas vorl�gen. Was die gegenseitigen
W�nsche angeht, schicken wir uns ineinander. Vier Wintermonate in Paris,
reizendes Hotel Place Vend�me, das ist f�r mich. Drei Sommermonate Eibsee,
einsame Villa, das ist f�r ihn. Eine Laune meines seligen Schwiegervaters
hat diese Bonbonni�re in die Felsenein�de gestellt. Die Gegend entz�ckte
ihn, doch nicht genug, um sie ohne Comfort genie�en zu wollen. Fritz hat
seine ersten Lebensjahre fast ausschlie�lich hier verbracht; wahrscheinlich
ist seine Bergfexerei auf diesen Umstand zur�ckzuf�hren. Sie stimmt
keineswegs zu seinem �brigen Charakter. Vor einigen Tagen fand ich in einem
Winkel mehrere seiner Schulb�cher. Besonders am�sierte ich mich �ber ein
dickes Buch: Homer. Voller Tintenflecke und Eselsohren. Ich zeigte es
Fritz. Wei�t Du noch etwas davon? Er lachte: Kein Wort.

Mir ist der Aufenthalt hier nicht unbequem genug, um mich dagegen
aufzulehnen. Die Luft, die Ruhe die B�der sind der Gesundheit sehr
zutr�glich. Volle Gesundheit tr�gt wesentlich zur Verl�ngerung der Jugend
und Sch�nheit bei. Ich m�chte mir beides m�glichst lange erhalten. Aber es
ist schwer, hier zu leben, wenn man f�r sogenannte Natursch�nheiten keinen
Sinn hat. Fritzl ist tagelang in den Bergen. Ich glaube, er war schon ein
dutzend Mal auf der Zugspitze. Die l�ngste _meiner_ Fu�partieen erstreckte
sich nur bis nach Lermoos. Seitdem sitze ich lieber zu Hause oder mache
kurze Spazierg�nge an den Frillensee. Baadersee ist mir schon zu weit; dazu
der R�ckweg bergauf. Auch wohnen mir in dem kleinen Hotel zuviel Kaufleute
und Commerzienr�te. Ich befinde mich trotz der Langeweile immer noch am
besten -- =chez moi=.

Unser philosophischer Graf bleibt auch zu Hause. Das Bergsteigen ist ihm
noch verboten ... =L'affaire?= Ist noch nicht im Gang. Zum ersten Mal wei�
ich nicht, wie einem Menschen beikommen. Wir sehen uns Mittags und Abends.
Morgens ist er von f�nf Uhr ab im Wald; Fritz in den Bergen.

Punkt zw�lf kommt der Graf zur�ck. Rasch, erhitzt, zerzaust. Er mu� �ber
die Veranda, an mir vorbei. Drei Schritte entfernt bleibt er stehen. Sein
�berkorrektes Compliment ist steif und ungeschickt. Er dreht seinen weichen
Schlapphut in den H�nden und wird ganz unmotiviert rot.

Wie haben gn�dige Frau geruht?

Danke, Graf, gut. Sie?

Vortrefflich, gn�dige Frau. Erlauben Sie, da� ich jetzt meine Toilette in
Ordnung bringe.

Wieder ein eingelerntes Compliment. Er geht. So eilig als es mit der
H�flichkeit vereinbar ist.

Bei Tisch f�hren Fritz und ich die Conversation. Der Graf spricht nur, wenn
er gefragt wird. Wir fragen nicht mehr. Seine Antworten sind zu
einsilbig. Auch wird er immer bis an die Haarwurzeln rot. Ich habe eine
unwiderstehliche Lust, ihn durch boshafte Bemerkungen in Verlegenheit zu
bringen. Fritz verbot es mir. Er hat ein =faible= f�r den Grafen. Warum,
kann ich mir nicht erkl�ren. Vielleicht weil er ihn f�r gar so ungef�hrlich
h�lt. Er ist es auch. Und doch�...


  22.

=L'affaire s'en va= ... Fritz hat sich f�r f�nf Tage verabschiedet. Er
macht eine Tour nach Tirol. Gestern Abend teilte er es mir mit. Der Graf
stand dabei.

Ich hoffe, Ossi, da� Sie der Baronin w�hrend meiner Abwesenheit
Gesellschaft leisten.

Der Graf wurde rot -- und schwieg. Das aigrierte mich.

Ich werde den Herrn Grafen in keiner Weise bem�hen. -- Ich klingelte. --
Heinrich, Sie werden morgen dem Herrn Grafen hier, mir auf meinem Zimmer
servieren.

Ich machte ihm eine f�rmliche Verbeugung. Mit einem ganz kleinen Blick
bemerkte ich, wie er sich auf die Lippen bi�. Ich l�chelte innerlich. =�a
commence.=

Eine Stunde sp�ter trat Fritz in mein Boudoir.

Thea, Du warst unartig gegen den Grafen.

Nur Revanche.

Er ist sch�chtern.

Nein, ungezogen.

Ich zerdr�cke einen kleinen, roten Chenilleaffen, der an einer blassen
Chrysanthemenbl�te h�ngt. Fritz beobachtet mich. Ich f�hl's.

Thea -- ich werde meine Partie nicht machen.

Ich erschrak. Ich hatte mich unklug benommen. Das mu�te wieder gut gemacht
werden. Gleichgiltig, unbeweglich blickte ich vor mich hin.

Es ist nur Deine Pflicht, mich nicht allein zu lassen mit dem dummen
Jungen.

Ich accentuierte die �Pflicht� sehr scharf; den �dummen Jungen� lie� ich
fallen -- eben weil er mir die Hauptsache war. Er sah mich an, drehte
bed�chtig die feinen Spitzen seines blonden Schnurrbarts:

Ich werde meine Partie doch machen.

Ich spielte die Zornige:

Wirklich? Nun dann bitte ich, sie sofort anzutreten.

Er k��te mir langsam beide H�nde:

Sie sind reizend, Baronin.

Er ging.

Ich schlief sehr ruhig. Gegen vier Uhr weckte mich das Oeffnen der
Zimmerth�r. Fritz. Er beugt sich �ber mich. Ich stelle mich fest schlafend.

Madame -- Mylady -- Signora!

Ich r�hre mich nicht.

Thea -- h�bschester kleiner Satan, der je�--

Ich konnte das Lachen nicht mehr verbei�en, schlug die Augen auf. Er setzte
sich auf den Bettrand und nahm meinen Kopf in seine Arme.

Ich gehe fort, Kleine. Sei artig w�hrend meiner Abwesenheit. Qu�le den
Grafen nicht. Ich habe Befehl gegeben, da� ihr zusammen diniert. Das Souper
will ich Dir schenken.

Ich setze mich kerzengrade auf:

Ich werde nicht mit dem Grafen dinieren.

Die Erkl�rung nehme ich mit Vergn�gen an; doch nur die Erkl�rung. Im
�brigen wirst Du die Liebensw�rdigkeit haben, meine Anordnung anzuerkennen.

Nein.

Mein liebes Kind, dies �Nein� ist gleichbedeutend f�r mich mit einer
Blamage vor den Dienstboten. Und wenn ich auch duldsam wie ein Lamm bin --
darin nicht.

Ich zerrei�e die Picots an den Seidenb�ndern meines Nachtkleides.

Also ja?

J�... j�... ja.

Er will mich k�ssen. Ich vergrabe den Kopf in die Polster. Er k��t mich in
den Nacken und lacht leise:

Baronin, ich nehme mir ein Andenken mit.

Ich schaue rasch um. Er h�lt eines meiner Morgenpant�ffelchen in der Hand
und mi�t es mit Daumen und Zeigefinger.

Welche Nummer? Hm! 35!

Nein 33! rufe ich eifrigst. Er sieht mich komisch-ungl�ubig an: Wahr? Dann
neigt er sich dicht zu mir:

Ich mu� es doch wissen. Ich habe dies Cendrillonf��chcn oft genug in der
Hand gehabt. Adieu.�--

Jetzt sitze ich auf der Veranda. Schreibend. Der Graf wird kommen. Ich habe
eine Toilette gemacht, eine Toilette --�--! Er versteht nichts davon, ich
wei� es. Doch empfindet jeder Mann unwillk�rlich den Zauber eines guten
Ensembles.

Spitzen, nichts als Spitzen. Weich, wei�. Nachl�ssige Draperien von
reizender Unregelm��igkeit. Mein Gesicht habe ich nach meiner Toilette
eingerichtet. =L'air de petite fille.= Das steht mir. Und gr��en werde ich
ihn, gr��en --�-- so, da� er mich anreden mu�.

Da kommt er. Sehr langsam. Ist ihm unbequem, da� er an mir vorbei mu�.
Sehr gut, sehr gut. Ich vertiefe mich eifrigst ins Schreiben. Uebers Papier
hinweg sehe ich seinen schmalen Fuߠ...


  _Halbe Stunde sp�ter._

Die Philosophie? Ich lache! Ah Herr Graf, sie wird Sie nicht sch�tzen gegen
Ihre zwanzig Jahre. Soll ich schreiben? Das eben stattgehabte Gespr�ch?
Mir zuckt's und prickelt's in den Fingern. Also ... Der Graf kam die Treppe
herauf. Ich kratzte zwanzig i-Striche nacheinander. Ich mu�te ja schreiben.
�Guten Morgen, gn�dige Frau.� Mein Ohr seziert den Ton, in welchem er
die vier Worte spricht. Sch�chternheit und Trotz; so das Resultat meiner
raschen Analyse. Ich hob den Kopf, dankte ihm, ohne zu sprechen.

Gn�dige Frau�...

Ich sehe mit dem liebensw�rdigsten Gesichtsausdruck an ihm vorbei. Er ist
t�tlich verwirrt.

Gn�dige Frau, ich ... ich bin sehr ungeschickt.

Gewi�.

Er wird wei� bis in die Lippen. Noch siegt die Philosophie �ber seine
gekr�nkte Mannheit. Das ist mir nicht recht. Ich mu� ihn reizen, reizen,
bis er sich vergi�t und�....

Gn�dige Frau, ich habe Sie gestern beleidigt.

Graf, beleidigen k�nnen Sie -- mich nicht.

Einen Augenblick ist's sehr still. Dann macht er mir eine tiefe Verbeugung.
Sehr unkorrekt, aber zum ersten Mal frei und nat�rlich.

Gn�dige Frau, ich werde heute Abend abreisen.

Wenn Sie das f�r das Richtige halten�--

Das Richtige?

Es d�rfte zum mindesten ein sehr eigent�mliches Licht auf mich werfen, wenn
Sie nach dem ersten Tage des Alleinseins mit mir -- abreisen.

Das trifft.

Ich -- werde -- bleiben.

Ich schaue von unten zu ihm hinauf und fange an zu lachen.

Aufrichtig, Graf, wir sind doch wie zwei Kinder. Nur, da� es bei mir
verzeihlicher ist. Ich bin eine Frau. Sie, ein Mann, der Philosophie
studiert hat�....

Er, sehr bitter: Aber keine Lebensart.

Nein. Ich habe es Ihnen schon zu verstehen gegeben.

Sehr deutlich!!!

So? Das kann Ihnen doch nur gefallen. Ein Philosoph, ein Verehrer der
Wahrheit�...

Das bin ich.

Beweisen Sie es. Was unsere heutige Unterhaltung angeht -- =passons=. Von
heute an werden Sie ein wenig h�flicher, ich ein weniger nachsichtiger
sein.

Ja.

Mein Mann hat meinen gestrigen =faux pas= schon wieder gut gemacht. Wir
dinieren zusammen.

Ich wei�.

Er hat es Ihnen schon gesagt? Desto besser. Heute Morgen winkte mir die
angenehme Aussicht, in Ihrer Gegenwart keinen Bissen genie�en zu k�nnen.
Ich hoffe, es wird besser gehen, aber�--�--

Aber?

Appetitanregend sind Sie auch gerade nicht, Graf.

Ein schwaches, finstres L�cheln huscht um seine Mundwinkel.

Ich habe mich noch nie um diesen Ruhm bem�ht.

Und ich, um eine Nuance w�rmer als bisher: Wollen Sie es heute versuchen?

Nein!

Ah!

Gn�dige Frau --�-- Sie -- wollen -- mir gefallen.

Einen Moment bin ich starr. Nur einen Moment. =Vogue la gal�re.=

Ja.

Er blickt mich mit unverhohlener Entr�stung an. Ich habe keinen Spiegel.
Kann mich nicht sehen in diesem Augenblick. Doch wei� ich genau, wie ich
aussehe. Sonnig. Lieb. Kindlich.

Ich _will_ Ihnen gefallen. Ist das etwas Schlimmes? Ich will jedem Menschen
gefallen. Ich bin mit Allen liebensw�rdig, um Allen liebenswert zu sein.
Mein Mann hat Sie gerne, Graf. Er h�lt Sie f�r eine besondere Natur. Soll
ich mich da nicht bem�hen, Ihnen zu gefallen?

Ich wende den Kopf so, da� mir die Sonne gerade in die Augen scheint. Ich
habe sehr sch�ne Augen. Sie gl�nzen im Sonnenlicht wie Tautropfen. Und mit
diesen Augen sehe ich ihn an ... er ist eine Weile ganz stumm.

Ich habe Unrecht gethan, gn�dige Frau. Ich werde es gut machen.

Und langsam, langsam tritt er ins Haus.

Und jetzt! Ich bin lebhaft geworden; lebhaft vor Freude und Kampflust und
Bosheit. Dieser kleine Graf! �Sie wollen mir gefallen!�

Ja, ja, ja, das will ich -- und ich werd's.


  _Nachmittags._

Ich h�tte nicht gedacht, da� ein Tagebuch so anziehend werden k�nnte. Mir.

Unser Diner --�-- =C'est un dr�le d'homme.= Um was f�r Dinge er sich
gek�mmert hat. Ich wu�te nicht recht, was f�r ein Gespr�ch mit ihm
beginnen, und nahm darum den ersten besten Gegenstand auf.

Waren Sie schon in dem Gasthof zum Eibsee?

Ja.

Wohl alles sehr schlecht?

Nein, einfach.

Ich glaube auch von einem Pensionat Krinner geh�rt zu haben.

Ja, Pensionat und K�nstlerherberge.

K�nstlerherberge?

Es wohnen mehrere Maler dort. Au�erdem sind nur noch zwei Bauernh�user da.
Eines ist uralt. Zigeuner sollen darin gewohnt haben. Die fr�heren Besitzer
des Eibsees.

Und jetzt?

Wohnen ihre Nachkommen darin, derbe, dunkelk�pfige Bauern.

=Tiens=, wie romantisch. Sie sind sehr unterrichtet, Graf.

Ich spreche manchmal mit den Leuten.

K�nnen Sie sie denn verstehen?

Ich gebe mir M�he.

So. Und verlohnt es sich der M�he?

Ja. Diese einfachen sind die interessantesten Menschen.

Unter diesen �interessanten Menschen� sind wohl ein paar h�bsche,
schwarzhaarige Dirnen?

Die M�dchen sind sehr h�bsch.

Ah, nun verstehe ich die Anziehungskraft.

Sie irren, gn�dige Frau. Die M�dchen sind mir gleichgiltig. Aber es lebt in
dem Hause ein vierundsiebzigj�hriger Mann. Der Tonerl. Schwere Arbeit kann
er nicht mehr verrichten. Er sitzt im Wald, bindet Besen und raucht
seine Pfeife. Ich habe mich oft mit ihm unterhalten. Er sei schon weit
herumgekommen, erz�hlte er mir. Nach M�nchen? fragte ich. O nein, aber
bis T�lz! Werktags geht er bei gutem und schlechtem Wetter in Hemd�rmeln.
Sonntags h�ngt er sich den Lodenrock �ber die Schulter und steckt sich eine
Rose hinters Ohr. Das sieht zu seinem zusammengerunzelten Gesicht r�hrend
komisch aus.

Ist er verheiratet?

Nein.

Ah, er denkt wohl ins B�urische �bersetzt: =Marriage and hanging go by
destiny=?

Doch nicht. Das Heiraten sei nur f�r reiche Leute, erkl�rte er mir.

Sehr wahr. -- Aber Sie essen gar nicht, Graf.

Ich bin nicht hungrig.

Nachdem Sie den ganzen Morgen im Wald waren?

Ich habe mir im Bauernhaus ein Glas Milch und ein St�ck Brot geben lassen.

Das h�tten Sie bei uns nicht bekommen?

Nein. Die Milch nicht so frisch und das Brot nicht so schwarz.

=C'est un go�t extraordinaire.=

Wenigstens kein franz�sischer.

Sie dehnen Ihren Patriotismus auch auf Nahrungsmittel aus?

Hie und da.

Jedenfalls sind Sie kein Anh�nger Brillat-Savarins.

Wer ist das?

Sie kennen doch die �Physiologie des Geschmacks�?

Nein.

Brillat-Savarin ist der Verfasser. Ein franz�sischer Professor.

Ich habe von dem Buch geh�rt. Gelesen habe ich es nicht.

Ich kann es Ihnen geben.

Ich danke sehr. Ich habe keine Zeit, es zu lesen.

Aber mit Bauern zu plaudern?

Ja.

Ah, Graf, mit Ihnen werde ich nicht fertig. Unsere Ansichten gehen zu sehr
auseinander.

Es scheint.

Glauben Sie nicht, da� wir uns vereinigen k�nnten? Ich bin nicht
eigensinnig.

Ich auch nicht. Nur �berzeugungstreu.

Ueberzeugungstreu! Wie pathetisch! Diesen Trag�dienton goutiere ich nicht.
Gehen wir lieber zur Tagesordnung �ber -- zum Marasquin cr�me.

Das Diner ist vor�ber. Er w�nscht mir, echt kleinb�rgerlich: Gesegnete
Mahlzeit. Ich begebe mich in mein Toilettenzimmer. Wie kann er nur mit
einem Menschen plaudern, der nach Tisch weder Nagel- noch Zahnb�rste
gebraucht. Unbegreiflich.

Ich werde in den Wald gehen. Dann baden. Ob der Graf sich verpflichtet
f�hlt, mir sp�terhin noch Gesellschaft zu leisten -- Ja? Nein?


  23.

=Oui, madame la baronne!=


  _5� Nachmittag._

Er kam mit einem Strau� tiefblauer Enziane aus dem Wald. Ich wartete seinen
Gru� nicht ab.

Dieser Strau�! =Ravissant!= Wo haben Sie die Blumen gefunden?

Auf dem Weg nach den Th�rlen. Da wachsen sie in Menge.

Sie lieben die Blumen?

Ja.

Ich auch. Stellen Sie sie hier ins Glas. Ich glaube, sie welken sehr rasch.
Wollen Sie nicht Platz nehmen?

Wenn Sie gestatten�...

Er setzt sich. Sein Auge schweift mit einem vagen Ausdruck �ber
den sonnenbestrahlten See. Zwischen den Enzianbl�ten kriecht ein
Marienk�ferchen. Ich setze es auf meine Hand und beobachte seine
�ngstlichen Spazierg�nge. Auch er blickt auf das Tierchen. Die Sonne
schimmert durch meine geschlossenen Finger. Sie zeigt jede Blutwelle
in dieser kleinen schmalen Hand. Ich f�hle, wie sein Blick an meinen
Fingerspitzen haften bleibt.

Sind Sie schon lange von Wien fort, Graf?

Sechs Jahre, gn�dige Frau.

Ihr Vater hat Sie nie in M�nchen besucht?

Nein.

Sie waren in einem Institut?

Nein. In einer Familie.

Das wu�te ich gar nicht. Wohl bei Verwandten?

Bei Fremden.

Nun, ich bitte Sie, diejenigen, die einem Kreise angeh�ren, k�nnen sich nie
ganz fremd sein?

Es waren B�rgerliche.

B�rgerliche -- Graf Lobkowitz?

Ich habe mich nie gl�cklicher gef�hlt, als bei diesen B�rgerlichen. Ich
habe ihnen sehr viel zu verdanken. Ich habe noch keine besseren Menschen
kennen gelernt.

Nie habe ich einen Aristokraten in stolzerem Ton reden h�ren. Und dieser
Ton wurde f�r das Lob B�rgerlicher verschwendet.

-- Sie sind Demokrat?

Nein. Nur ein Mensch.

Wollen Sie mir nicht von diesen au�erordentlichen B�rgerlichen erz�hlen?

Er schwieg.

Sie k�nnen damit ein gutes Werk thun. Mich bekehren. Denn ich habe bis
heute keine gro�e Sympathie f�r die B�rgerlichen gehabt.

Warum?

Genau wei� ich das nicht. Sie verstehen nicht, sich zu benehmen. Die M�nner
haben keinen Takt, die Frauen keine Grazie.

Lauter �sthetische Fehler, die Sie ihnen vorwerfen. Keine moralischen,
keine Charakterfehler.

Aesthetische Fehler verletzen mein Sch�nheitsgef�hl.

Das Sch�nheitsgef�hl darf nicht richten, nur die Wahrheit.

Sie m�gen Recht haben. Ich werde dar�ber nachdenken -- was Sie mir
wahrscheinlich nicht zutrauen. Doch jetzt erz�hlen Sie mir von Ihren
b�rgerlichen Freunden. Wie kamen Sie �berhaupt gerade nach M�nchen?

Meine Mutter war tot. Mein Vater war nach Paris versetzt worden, wohin er
meinen �ltern Bruder mitnahm. Ich hatte gegen Wien eine un�berwindliche
Abneigung. Das M�nchner Gymnasium, die Universit�t, wurden meinem Vater
sehr ger�hmt, und ich freute mich, etwas Neues kennen zu lernen.

Und wie kamen Sie in jene Familie?

Durch die Empfehlung des F�rsten Kinsky. Professor Richter ist l�ngere Zeit
bei ihm gewesen.

Richter, Richter? Wenn ich mich recht erinnere, habe ich einen Professor
Richter in Bayreuth kennen gelernt. Im Jahre 82. Bei Wagners. Er war sehr
bekannt, geachtet und etwas gef�rchtet. Er soll sehr grob sein k�nnen.

Wenn man eine ganz ungew�hnliche Aufrichtigkeit daf�r nehmen will -- gewi�.
Professor Richter ist eben kein moderner Mensch.

Um das zu verstehen m��ten Sie mir erst erkl�ren, was ein moderner Mensch
ist ... und ich m�chte jetzt von jener Familie h�ren. Die Frau?

Ist eine echte Frau. Sie hat weniger Verstand als Gem�t.

Kinder?

Eine.

Ich horche auf. Diese seltsame kurze Antwort, der Ton�...

Eine Tochter? Sie hei�t?

Gabriele.

Wie ist sie?

Sein Auge wird gro� und licht:

Gut.

Das ist nicht viel, werfe ich �bereilt ein. Er mi�t mich mit einem
uns�glich mitleidigen Blick.

Bei einem Weibe -- alles.

Ist sie sch�n?�--

Ich glaube nicht, da� er spricht, um mir Antwort zu geben. Er tr�umt die
Worte.

Sie ist sechzehn Jahre und hat goldene Locken. Sie kann lachen und weinen.
Sie will nicht anders sein als sie ist.

Das halten Sie f�r einen gro�en Vorzug?

Ja.

Dessen kann ich mich freilich nicht r�hmen. Ich m�chte immer anders sein,
als ich bin. Denn ich bin mir lange nicht gut genug.

Das geh�rt nicht hierher. Ich habe mich falsch ausgedr�ckt. Man soll nicht
anders scheinen wollen, als man ist.

Thue ich das?

Ich glaube -- ja.

Diese Worte sind z�gernd und sein Auge ist traurig. Jetzt ist der
Augenblick. Wenn ich ihn jetzt nur ein wenig�...

Man darf nicht immer scheinen, was man ist. Am wenigsten in der Welt. Wenn
ich jedes L�cheln und jede Thr�ne zeigen wollte�--

Thr�ne?

O ja. Sie wiederholen das Wort in so fragendem Ton ... ich habe schon
bitter geweint. Nur durfte ich es nicht zeigen.

Er hat mir sein Antlitz voll und ernst zugewendet.

Ihrem Gatten?

Auch -- ihm -- nicht. Er w�rde mich nicht verstanden haben.

Ich zwinge mich zu einem L�cheln:

Ich lebe in einer menschenreichen W�ste.

Ich habe Sie f�r gl�cklicher gehalten.

Das thun Alle. Und das ist's, was mich oft so tief verletzt. Sie beneiden
mich um mein Elend.

Elend? Ist das nicht ein zu schweres Wort?

Vom allgemeinen Standpunkt aus gewi�. Was fehlt mir denn? Ich kann mir
mit Konfit�ren den Magen und mit franz�sischen St�ckeln die Gesundheit
verderben. Aber leider ist die Dame auch ein Weib. Und das Weib sehnt
sich nach Licht und Luft, die Brust verlangt nach einem freien kr�ftigen
Atemzug, nicht gehindert durch das seidene Corset der Convention.

Und doch, gn�dige Frau, habe ich gerade bei Ihnen die peinlichste
Beobachtung der �u�eren Form gesehen.

Gewi�, so lange sie eine R�cksicht, ja mehr, eine H�flichkeit gegen unsere
Mitmenschen ist. Convention nenne ich die Schranke, die meiner geistigen
Ausbildung von Jugend an gesetzt wurde. Was habe ich gelernt? Fast nichts.
Ich bekomme jetzt oft ein Buch in die Hand, das ich lesen und verstehen
m�chte. Dazu fehlt mir eine gewisse Vorbildung. Ich m�chte eine Treppe
hinaufsteigen, in der so und so viele Stufen fehlen.

Sollte sich das nicht gut machen, nachholen lassen?

Mein Mann hat zu viel andere Dinge im Kopf, um sich f�r diese zu
interessieren. Allein, das gestehe ich offen, ist es mir nicht m�glich.

Und wenn ich mich erbieten wollte, Ihnen zu helfen?

Sie sind sehr liebensw�rdig. Danke. Ich glaube, es ist zu sp�t. Von Ihrem
Standpunkt aus sind all meine Versuche doch nur Kindereien. Ein so ernster
Mann darf sich nicht mit dergleichen abgeben.

Darf nicht? Es ist des Mannes w�rdigste Besch�ftigung, dem nach Wahrheit
Strebenden zu helfen.

Aber ich bin ungeschickt.

Desto mehr Freude wird Ihnen das Errungene machen.

Ich bereite Ihnen eine Plage�...

Sie machen mir eine Freude.

=Bon.= Ich nehme Sie an als Lehrer.

Womit m�chten Sie beginnen?

Ich habe soviel von der Iliade geh�rt. Wollen wir sie morgen lesen, oder
ist das noch zu schwer f�r mich?

Sie verraten einen vortrefflichen Geschmack. Wir k�nnen ohne alle Bedenken
damit beginnen. Ich habe eine sehr gute Uebersetzung mit.

Und ich habe die von Fritz, denke ich im Stillen. Denn sonst h�tte ich
weder von Homer noch von der Iliade etwas gewu�t.

Und wo soll die erste Stunde abgehalten werden? Hier?

Ich sehe ihn an.

Hier? Nein. Es w�re kaum der geeignete Ort. ... Die anmutige Neugier meiner
Dienstboten --�-- Sie gehen jeden Morgen in den Wald. Kann ich Sie um zehn
Uhr am Frillensee treffen?

Ich werde p�nktlich sein.

Ich auch. Ich w�rde gerne fr�her kommen, aber meine Leute sind nicht
gewohnt, mich vor zehn Uhr fortgehen zu sehen. Ah, �ber die Convention.�--

=Enfin= -- wir plauderten noch ein wenig. Das Abendrot �berschimmerte meine
wei�en H�nde. Sein Auge haftet auf ihnen -- immer wieder.

Gute Nacht, gn�dige Frau.

=Felicissima notte.=�--

Sie ist sechzehn Jahre und hat goldene Locken ... seine erste =amourette=.
Nat�rlich. Jetzt _mu�_ ich�.... ah, Ihre Augen sollen nicht mehr gl�nzen,
wenn Sie an jene denken. Sie sollen blitzen, flammen -- f�r mich.

Ich bin sehr m�de. Doch werde ich noch lernen. F�r morgen. Die Iliade
durchlesen. Er soll �berrascht sein durch mein rasches Fassungsverm�gen.

       *       *       *       *       *

Diese Iliade! =Affreux!= Langweilig, geistlos. Kein Bonmot, keine pikante
Bemerkung. Ich werde M�he haben, das G�hnen zu maskieren. Meine Kenntnis
der griechischen Geschichte erstreckte sich nur bis zur sch�nen Helena
und Orpheus in der Unterwelt. =A demain, mon ma�tre; apr�s-demain, mon
esclave!=


  24.

Morgens im Wald. Er war schon da. Ich stieg langsam den schmalen, steilen
Weg hinab. Er l�chelte -- zum ersten Mal.

Wie sch�n es hier ist!

Nicht wahr, gn�dige Frau?

Ich setzte mich auf die niedrige Holzbank. Er blieb stehen.

Es ist nur _eine_ Bank da. Wir m�ssen uns schon vertragen.

Er nahm am �u�ersten Ende Platz.

Sie werden aus lauter R�cksicht so r�cksichtslos sein, hinunterzufallen.
Kommen Sie nur n�her. Mir ist es peinlich, Sie in einer so unbehaglichen
Situation zu wissen. =Commen�ons!=

Er zog ein geschmacklos gebundenes Buch aus der Tasche. Der gr�nblau
marmorierte Einband allein h�tte gen�gt, um mir eine Antipathie gegen den
Inhalt einzufl��en. Der Graf schien verlegen.

Was haben Sie? Sind Sie Ihres Lehramtes m�de, ehe Sie es angetreten?

Nein, doch �berlegte ich, da� die Iliade eine gewisse Kenntnis der
griechischen G�tterlehre voraussetzt�--

Die ich nicht habe, fiel ich ihm lachend ins Wort. Wollen Sie mir vor
Beginn unserer Lekt�re einen kleinen Vortrag halten?

Und er sprach. Gr�ndlich, ernst, langweilig. Ich gab meinem Blick den
Ausdruck der gespanntesten Aufmerksamkeit. Hie und da warf ich eine
Frage ein, stellte sie absichtlich kindlich, ja kindisch. Er gab mir
bereitwilligst Auskunft. Erst erstaunt �ber meine Naivet�t, dann l�chelnd.
Schlie�lich mit der frohen Heiterkeit, die jeder Mann beim Geltendmachen
seiner Ueberlegenheit empfindet. Und ich sah ihm in die Augen --�-- --
fortw�hrend ... mit weichem, tr�umend l�chelndem Blick ... o, ich habe ihn
nicht umsonst vor dem Spiegel gepr�ft ... er sprach stockender, verwirrt,
schwieg pl�tzlich.

Eine Minute lang sa�en wir stumm einander gegen�ber. Ich weltvergessen,
traumumfangen -- innerlich jede Geberde berechnend. Verlegen, err�tend fuhr
ich empor.

Sind -- Sie nicht wohl?

Doch -- doch.

Er stammelt und beugt sein flammendes Gesicht auf den blaugr�nen Homer.
Ich streife mit dem Zeigefinger auf der Tischplatte hin und her und sehe zu
Boden.

Ich mache mir Vorw�rfe. Ich habe Sie zu lange reden lassen. Mein Egoismus.
Aber ich will mich bessern. Heute wird nichts mehr gelesen. Schauen wir uns
den Wald an. Er ist so sch�n. Und da� Sie nicht ganz aus Ihrer Lehrerrolle
fallen -- was ist das f�r ein Baum?

Ein Ahorn.

Sehen Sie, das habe ich gar nicht gewu�t. Und wie hei�t die pr�chtige rote
Blume dort?

Das ist ein T�rkenbund. Soll ich sie Ihnen holen?

Nein, nein. Das ist zu stolz. Das pa�t nicht f�r mich. Wenn Sie etwas
Kleines, Feines sehen, das k�nnen Sie mir bringen.

Und ich lasse mir von ihm alle Baum- und Blumenarten erkl�ren. Ich baue aus
Tannenzapfen H�uschen und sp�he atemlos einem schwarzen Eichh�rnchen nach.
Grazi�s, kindlich, mit unterdr�cktem Lachen und halblautem Jubel.
Ich f�hle, da� er mich unverwandt betrachtet. Ich f�hle, da� er sich
unwillk�rlich immer dahin wendet, wohin ich gehe ... o ... o�...!

Ich sehe auf meine Uhr und erschrecke. Auch er.

Adieu, Graf. Auf Wiedersehen. Morgen. O es ist sch�n hier.

Ich springe davon. Ohne mich umzusehen, wei� ich, da� er mir nachschaut.

Bei Tische sahen wir uns wieder. Er war bla�. Ich blasiert und steif. Nicht
seine Worte, der angstvolle Ton seiner Stimme fragte mich: Bist du denn
wirklich das Kind, das heute Morgen mit mir im Walde war? Ich beachtete es
nicht; sprach �ber Rennsport und Tanagrafiguren, �ber alte Spitzen und die
Rhapsodien von Liszt.

Sie spielen Klavier, gn�dige Frau?

Schlecht.

Ah -- darf man Sie nicht einmal h�ren?

Einmal -- vielleicht. Heute nicht. Spielen Sie?

Ja.

Ich fordre ihn absichtlich nicht auf. Es ist noch nicht an der Zeit.

Ich sitze in dem amerikanischen Schaukelstuhl, rauchend, ein Knie �ber dem
andern. Er zerknittert zornig seine Serviette. Ich sehe ihn an und werfe
die Cigarette fort.

�Oh -- gn�dige Frau!�

Der dumme Junge wird feuerrot vor Erregung. Dann l�uft er davon.


  25.

Andre Frauen w�rden heute erregt sein. Ich bin so ruhig. Ich spiele meine
Partie vortrefflich. Schach dem K�nig .... matt? Noch nicht. Das w�re auch
schade. Wenn das Spiel zu Ende ist, werde ich g�hnen. =Mon petit comte= --
er ist so recht, was man einen idealen Menschen nennt, und darum w�rde
er mich langweilen, wenn nicht .... Er ha�t die Slaven und nennt sich von
ganzem Herzen einen Deutschen. Aber sein Blut fragt nichts nach seiner
politischen Ueberzeugung. Das ist so hei�, so wild, so echt slavisch ...
ich hielt seine Hand eine Sekunde lang in der meinen. Seine Fingerspitzen
brannten, pochten�--

Wir haben im Homer gelesen, und ich war so begeistert. Wie er sich freute
dar�ber! Ich habe auch eine Aufgabe: den gelesenen Abschnitt aus dem
Ged�chtnis schriftlich wiederzugeben. Ich bat darum. Er meinte, es sei zu
schwer. Ganz recht. Er wei� ja nicht, da� ich weniger aus dem Ged�chtnis
als abschreiben werde.

Ja heute morgen�...

Dichten Sie? fragte ich.

Nein, nein, nein.

Ich lachte hell auf. So heftig sagen Sie das? Und dreimal? Nun wei� ich,
da� Sie dichten. Darf man nichts sehen?

Er sch�ttelt stumm den Kopf.

Wie Sie wollen. Ich bin nicht neugierig.

Sie sind doch nicht b�se, gn�dige Frau?

Nein. Oder doch. Aber nicht der vorenthaltenen Gedichte wegen, sondern
... warum sagen Sie mir immer so steif, so kleinb�rgerlich �gn�dige Frau�?
Warum nicht kurzweg �Baronin�, wie es in unseren Kreisen gebr�uchlich? Sage
ich denn �gn�diger Herr�?

Er sah mit einem sch�chtern bittenden Blick zu mir auf.

Ich wei� es nicht anders.

=C'est �a.= Sie wissen es nicht anders. Sie haben zu lange in einer
beschr�nkten, kleinb�rgerlichen Umgebung gelebt. Sie haben dort mit den
besten Grunds�tzen das steifste Benehmen bekommen. Wenn Sie einmal Ihr
Compliment sehen k�nnten!

Ich machte es ihm vor. Ein wenig karrikiert, die F��e ausw�rts wie zwei
Windm�hlenfl�gel, die Arme steif an den K�rper gepre�t. Ich glaubte, er
w�rde lachen. Er sah mich fest und ernsthaft an.

So mache ich es? Das ist wirklich nicht sch�n.

Wollen Sie es besser lernen?

Ja.

Gut. Ich werde es Ihnen zeigen; aber vorher machen Sie ein anderes Gesicht.
Ich w�rde fragen, ob Sie beleidigt sind, wenn das nicht zu albern w�re.

Ich bin jedem dankbar, der mich auf einen Fehler aufmerksam macht.

Ah, so will ich es auch nicht. Dankbar -- Fehler. Sie nehmen alles gleich
=au grand tragique=. Ihr Compliment ist eine Ungeschicklichkeit, kein
Fehler, da� ich es Ihnen sage, ist eine Pflicht und verdient keinen Dank.
Oder wenn Sie mir danken wollen, revanchieren Sie sich. Ich wei� ja, da�
Ihnen vieles an mir nicht gef�llt.

Das ist wahr. Sie haben sehr viele Fehler.

Gesamtsumme?

Kann ich noch nicht feststellen.

Details?

Darf ich offen sein?

Welche Frage! =Vite!=

Ihr erster und gr��ter: Sie k�nnen nicht deutsch.

Nicht -- deutsch?

Nein. Fast jeder ihrer S�tze enth�lt ein unn�tiges franz�sisches Wort.
Sogar jedes ihrer Worte hat einen franz�sierten Klang. Ich habe immer die
Empfindung, als setzten Sie Accents �ber die Vokale.

Und das gef�llt Ihnen nicht?

Nein. Unsre deutsche Sprache ist so sch�n. Der fremde Aufputz steht ihr
ungef�hr so, wie der griechischen Chlamys eine moderne Schleifengarnitur.

Ich kann Ihnen nicht ganz Recht geben. Es giebt tausend franz�sische Worte,
f�r die der Deutsche gar keine Begriffe hat. Die franz�sische Sprache
tanzt, die deutsche geht. Doch werde ich Ihren W�nschen entgegenkommen.
Machen Sie mich aufmerksam, wenn ich wieder -- tanze.

Ich werde so frei sein.

Wie steif er das sagt. Es klingt sehr komisch und sein bleiches Gesicht hat
sich ein wenig ger�tet vor Freude.

Der Wind rauscht st�rker durch die B�ume und wirft mir Bl�tter und kleine
Zweige ins Haar. Das pa�t mir. Ich sch�ttle sie rasch und energisch ab.
Dabei fallen mir die Locken auf die Schultern. Ich wei� es sehr gut, aber
ich sehe es nicht.

Jetzt beginnt Ihre Stunde. Stellen Sie sich mir gegen�ber. So. Und nun
geben Sie Acht. Vor allem zeige ich Ihnen die vier Positionen.

Ich hebe das Kleid ein wenig in die H�he, um ihn meine F��e sehen zu
lassen, und mache es ihm vor. Er macht es m�glichst korrekt und m�glichst
ungeschickt nach.

Ja, ja, so ist es schon recht. Aber Sie m�ssen mehr auf Kleinigkeiten
achten. Sie setzen die F��e viel zu viel ausw�rts -- noch immer zu viel --
ach warten Sie!

Ich trete rasch an ihn heran und bringe mit der Spitze meines Fu�es den
seinigen in die richtige Lage.

Nun treten Sie rechts in die zweite Position, ziehen den linken Fu� an,
neigen den Kopf -- nicht so tief, nicht so tief! -- stehen wieder gerade
und treten links einen Schritt zur�ck. Das w�re die Hauptsache. Jetzt mu�
aber erst die Leichtigkeit, der gewisse Elan�--

Elan?

Pardon! Bitte noch einmal .... Gut -- sehr gut. Nur Ihr Gesicht schaut so
unliebensw�rdig drein, l�cheln Sie ein wenig, noch ein wenig�...

Er macht das Compliment zwei-, dreimal, er l�chelt.

Nun werde ich Ihnen zur Belohnung ein sch�nes Damencompliment machen.

W�hrend ich den Kopf neige, blicke ich zu ihm herauf ... o �ber seine
erbleichenden Lippen, seine stockende Stimme.

Es ist schon sp�t, gn�dige Frau.

Gn�dige Frau?

Nun denn, Baro --�-- nein, ich kanns nicht!

Das war ein Schrei. Eine Minute lang -- so still. Aug' in Auge.

So -- nennen Sie mich -- Thea.

Er wendet sich ab und birgt sein Gesicht an einem Baumstamm. Ich gehe
langsam fort.

Er kam nicht zu Tische. Das war mir sehr angenehm. In seiner Gegenwart
h�tte ich zum mindesten einige Appetitlosigkeit zeigen m�ssen. Nach dem
Diner schlief ich eine Stunde. Die unertr�gliche Schw�le weckte mich. Ein
Gewitter steht am Himmel; und in meinem Tagebuch. Ich werde in den Salon
hinuntergehen.


  _Nachts._

Wie ich lache! Wie ich vor Vergn�gen mein Taschentuch mit den Z�hnen
zerrei�e. Das Gewitter ist vorbei. Drau�en die nasse, funkelnde Erde -- und
w�hrend der rauschende Regen niederstr�mte, hat er ... Geduld, Geduld.

Im Salon. Er war da. Wir gr��en uns stumm. Ich setze mich an den
Schreibtisch. Er blickt zum Fenster hinaus. Ich nehme ein Buch und
beobachte ihn. Seine schwarzumr�nderten glutigen Augen, seine trockenen,
zersprungenen Lippen�....

Drau�en wetterleuchtets; die Berge sind verschwunden in dem br�unlichgrauen
qualmenden Wolkendunst, �ber ein Kurzes wird der Sturm daherfegen. Ich
klingle dem Diener, erteile den Befehl, Th�ren und Fenster sorgf�ltig
zu schlie�en. Er geht. Ich dr�cke einen Augenblick die Stirn an die
Glasscheiben und mit einem leisen Seufzer:

Das wird ein b�ses Wetter.

Er wendet sich zu mir. Um seine Nasenfl�gel zuckt es wie gezwungener Spott:

Sie f�rchten?

Nicht den Ausbruch des Gewitters. Nur sein Herannahen bedr�ckt mich
unwillk�rlich.

Ich gehe ein paarmal unruhig auf und ab.

M�chten Sie mir nicht etwas vorspielen? Ich w�re Ihnen sehr dankbar.

Er verneigt sich und tritt an den Fl�gel.

Was soll ich spielen?

Das �berlasse ich Ihnen.

Er sitzt einen Augenblick still mit tiefgesenktem Kopf. Dann f�llt seine
Hand wuchtig auf die Tasten ... die ersten Akkorde der Path�tique. Er kann
spielen ... aber ich habe die Sonate zu oft geh�rt, selbst zu oft gespielt,
als da� sie mich noch interessierte. Er kann mich nicht sehen. Eben beginnt
er das Adagio. Sehr sch�n. Nur f�r mein Gef�hl zu langsam, zu zart. Ich
bin gespannt, ob er dem Presto die n�tige Sch�rfe, ich m�chte sagen ein
gewisses sarkastisches Weh geben wird. Der erste Blitz -- ein Krachen und
Prasseln -- mein Graf l��t sich in seinem Adagio nicht st�ren. Da� ihm
nicht einf�llt, ich k�nnte ohnm�chtig geworden sein�...

Er ist zu Ende.

Wollen Sie mir nicht auch etwas vorspielen, gn�dige -- Frau?�--�--�--

Ein paar �berm��ige Akkorde, und weiter, weiter -- sehns�chtig tr�umende,
wild erregte Volksmelodien, slavische! Und das trotzige Verlangen in
mir, diesen Knaben zu zwingen, giebt meinem Spiele eine nie besessene
Leidenschaftlichkeit, gesteigert durch alle Tollheiten moderner
Virtuosit�t. Er steht neben mir; sein trockner hei�er Atem fliegt mir
�ber die Stirne. Ohne ihn zu sehen, f�hle ich, wie er mit sich k�mpft. Das
schw�le, gewitterd�mmrige Zimmer, die verh�llte Sinnlichkeit der T�ne ...
mit emporgehobenen Armen f�llt er vor mir auf die Knie:

Thea!

Sein Herz sieht mich an und spricht zu mir. Ohne Worte. Und ich sitze still
und traurig mit m�den Augen vor ihm, bis er nach meiner Hand greift. Da
stehe ich auf. Meine zitternden Finger dr�cken wie unversehens die Tasten
nieder: =E=-Moll-Akkord.

Gute Nacht!

Er liegt noch immer auf den Knien. Sie -- kommen doch morgen?

Nat�rlich, sagte ich innerlich, laut: Nein.

Oh! -- Er fa�t nach dem Herzen. Thea!

Ich erbebe und mache rasch einige Schritte.

Bitte -- bitte!

Ich bin an der Th�r. Ein Blick, ein Neigen des Kopfes, ein Hauch der
Lippen:

Ja.

Er jauchzt auf und wirft sich vorn�ber, das Gesicht in den Teppich
vergrabend.�--

Vor zehn Minuten sah ich ihn im Mondschein im Garten herumrennen. Er hob
eine Hand voll Rosenbl�tter vom Boden auf und pre�te sie an seine Lippen.
Ach diese Romantik!

Ich mu� noch meine Toilette f�r morgen ausw�hlen. Sie mu� vorsichtig
gew�hlt werden. Ich will morgen sehr bla� sein. Dazu brauche ich meine
dunkelsten Korallen�...


  _26. Nachmittag._

Das war ein Tag�--�--�--

Der Saum meines wei�en Battistkleides ward na�, als ich durch den Wald
ging. Unz�hlige schwarze Molche krochen vor meinen F��en hin und her. Aus
dem Waldboden stieg eine bet�ubende w�rzige und feuchte W�rme. Der See
lag da wie ein dunkelgr�ner Stein, auf welchem tausend boshafte
Sonnenteufelchen Cancan tanzten.

Ich bin erstaunt. Er ist nicht da. Ich setze mich und warte. Minute auf
Minute -- was soll das bedeuten? Ich werde unruhig. Und zornig. Diese
Ungezogenheit. Immer noch nichts. Endlich -- da ist er. In einem Zustand --
das Haar h�ngt ihm rauh und wirr um die Stirne. Die Gesichtshaut spr�de und
fleckig. Die schlaffen, zersprungenen Lippen lassen die untere Zahnreihe
frei. Mit beiden H�nden in eine Dornhecke greifend bleibt er stehen. Ein
schauerndes Schluchzen rinnt durch seinen K�rper. Und wie von brutalem
Jammer erw�rgt, grollt es aus seiner Brust: Ich will nicht -- ich will
nicht!

Ich springe auf, will zu ihm. Er streckt beide H�nde gegen mich aus.

Bleib -- nicht zu mir -- sonst -- alles verloren. Ich wollt' nicht kommen.
Dich nicht mehr sehen. Nur fort, nur fort. Deine Ehre, meine -- und doch,
und doch�...

Wie der Strom �ber die Felswand, so st�rzt sein Blick an meiner Gestalt
nieder. Ich halte die Wimpern tief gesenkt. Der l�chelnde Triumph meiner
Augen ist nichts f�r seine Qual. Und ich �berlege auch. Soll ich ihn
lassen? Gehen lassen? =Le jeu est fait.= Schach matt. Allein noch am�siert
mich seine Tollheit. Gef�hrlich? Ah bah! Ich bin meiner sicher.

Und er ringt mit sich wie ein Sterbender. Ein gro�es Schluchzen steigt ihm
in die Kehle.

Leb wohl -- leb wohl!

Und er geht, hat wirklich die Kraft -- Das soll nicht! Leise, leise, mehr
Klang als Wort:

Ossi!�--

Doch er h�rt's. Mit einem Sprung ist er bei mir. Und ich schlage meine
schimmernden Augen zu ihm auf:

Du!

Vergraben das Gesicht in die Falten meines Kleides, wortlos, nur s��e
wilde gebrochene Laute murmelnd; dann mit einem tolljauchzenden Schrei
aufspringend, mich mit seinen Armen hoch emporhebend -- dieser Knabe! Er
pre�t mich an seine Brust, k��t mich mit entsetzlicher Glut, mit taumelnder
Innigkeit. Aber mein K�rper bleibt kalt wie meine Seele. Ich empfinde keine
andre Wollust, als da� seine atmende Trunkenheit an mir abrinnt, wie das
Wasser vom glatten Leib einer Schlange. Er setzt sich auf einen Baumstumpf
und h�lt mich auf seinen Knieen.

Wie sch�n du bist, wie sch�n! Ich habe nicht gewu�t, da� ein Weib so sch�n
... ich habe ja keines gekannt. Nur ein Kind ... ach wie das vorbei ist, so
vorbei. Nur du! Nur du!

Dann sieht er mich eine Weile stumm an. Wie ein Kind mit vorsichtiger
Neugier sein Spielzeug, so ber�hrt er meine Haare, meine Stirn, meine
Wangen mit seinen Fingern. Dann mit seinen Lippen. Minutenlang ruhen sie
auf den meinen, da� mir der Atem zu vergehen droht.

Wei�t du, da� ich Gedichte an dich gemacht habe? Willst du sie h�ren?

Ich schlinge meinen Arm um seinen Nacken und er fl�stert mir ins Ohr.
Ueberschw�ngliche Poesie, f�r die mir jedes Verst�ndnis abgeht. Aber meine
Arme zittern und mein Mund haucht ihm zu:

Wie sch�n! wie gro�!

Seine liebende Eitelkeit jauchzt auf, und wie einen farbigen Regen
sch�ttet er mir r�ckhaltlos seine innersten Gedanken in den Scho�. Er hat
Philosophie studiert. Aber er will ein Dichter werden. Ein echter Dichter.
Nur das Gro�e, Herrliche, Gewaltige will er den Menschen vorf�hren. Nun, da
er mich gefunden, nun wird er das H�chste erreichen. Die Liebe, die Liebe!
Die gro�e, einzige, g�ttliche Liebe, sie ist ihm alles, Leben und Sterben.

So schw�rmt und rast seine Phantasie. Aber in seiner Tollheit ist eine
d�monische Kraft, eine Naturkraft, die meine Nerven unangenehm ber�hrt. Ich
winde mich aus seinen Armen. Unb�ndiges Flehen, zornige Thr�nen, ma�lose
K�sse ergie�en sich �ber mich. Er l��t mich nicht eher fort, als bis ich
verspreche, mich heute Abend im Dunkel noch einmal herzuschleichen.

Das letzte Mal. Denn morgen Nachmittag kommt Fritz. Er denkt freilich nicht
daran.

Gegenw�rtig f�hle ich mich ordentlich m�de von dem heute Morgen erlebten
Sturm. Ich langweile mich nicht. Aber die Sache f�ngt an, mir unbequem zu
werden. Es wird Zeit, da� ich die Karten zusammenwerfe. Der Spiegel zeigt
mir mein fatiguiertes Gesicht. =Dieu=, wenn ein F�ltchen zur�ckbliebe!
Ich w�re untr�stlich. Warum ist dieser Narr auch so unb�ndig in seiner
Leidenschaft.


  _Nachts ein Uhr._

Ah -- =cette b�tise, cette b�tise=! Ruhe, Ruhe! Schreib, �berleg. Jetzt
gilt nur eins --�--�--�--�-- ich kann nicht.


  _Morgens acht Uhr._

Kein Schlaf. Nur die Gedanken wie flatternde Flederm�use. Rastlos. Planlos.
Ich m�chte schreien vor Zorn. Da� dies geschehen konnte. Mir! Ich mu� mich
zwingen, klar zu �berdenken -- sonst komme ich zu keinem Ende.

Gestern Abend zehn Uhr schlich ich fort. Unbemerkt. Die Nacht war tr�b. Er
kam mir auf dem steilen Weg entgegen. Er trug mich weiter, immer weiter in
den Wald.

Ich bat, flehte.

Vergeblich. Die Lippen fest in meine Locken gedr�ckt, schritt er fort. Bis
zu einer Schlucht. Unten st�rzte das Wasser. Er breitete meinen Mantel auf
das Moos und legte mich behutsam nieder. Sein Haupt ruht an meiner Brust.

Dumpfes Wasserrauschen, Nachtd�mmer und eine Leidenschaft, die sich wie
alle Sonnen des Weltalls �ber mich ergie�t. Ich f�hle die Erregung meiner
Nerven, das Fiebern meiner Pulse, f�hle, wie mein Atem zu fliegen beginnt,
f�hle es in Zorn und Angst, und dennoch unf�hig, mich zu beherrschen,
unf�hig, mich zu regen. =C'est plus fort que moi.= Und er! Er f�hlt das
Beben meines K�rpers, das Nachgeben meiner Glieder, meine Schw�che ist
seine Kraft -- die Perlen meiner zerrissenen Korallenkette rieseln mir kalt
�ber den Nacken�--


  _Zwei Stunden sp�ter._

Ich mu�te vorhin aufh�ren. Die innere Wut erstickt mich. Auch mu�te ich
meine feuchten, zerdr�ckten, vom Waldboden beschmutzten Kleider verbergen.
Und ein wenig =rouge= auf meine bleifahlen Wangen.

Louison bringt eine Empfehlung des Herrn Grafen: Ob die Frau Baronin nicht
Lust zu einer Partie nach Garmisch h�tten, im Hotel w�re ein bequemer Wagen
zu haben.

Was soll das bedeuten? Ich habe bitten lassen. Ich mu� ja doch mit ihm
sprechen. Nur jetzt keine Sentimentalit�t. R�cksichtslose Klugheit.


  _Mittags._

=C'est fait.= Die Affaire beendigt. Ich bin wieder ruhig -- bin ich. Aber
ich habe mir geschworen, mich nie mehr mit diesen sogenannten idealen
Naturen einzulassen, die nichts sind als �berspannt und gesellschaftlich
schlecht erzogen. Die Trag�dienszene von heute Morgen hat mir ihre
L�cherlichkeit im hellsten Lichte gezeigt.

Louison meldete den Grafen. Er trat ein. Im schwarzen Anzug. Ungew�hnlich
korrekt gekleidet, mit ungew�hnlich tiefer Verbeugung. Als das M�dchen die
Th�re wieder geschlossen hatte, warf er sich vor mir nieder. Ein wahrer
Thr�nenstrom und dazwischen Jubel- und Schmerzenslaute: Mein Lieb, mein
einziges Lieb, verzeih mir, verzeih mir! Ich konnte sein Gesicht nicht
sehen. Nur seine wei�e Stirn. Das unnat�rliche, blendende und doch bleiche
Wei� echter Perlen, durchzogen von feinen, blauen Adern. Diese Stirn ist
sehr sch�n, sagte ich mir. Es bestimmte mich, ein wenig mitleidig mit ihm
zu verfahren. Ich lie� ihn sich ausweinen. Doch es w�hrte nicht lange.
Mit einem Ruck sprang er auf. Ich gewahrte erstaunt in seinem Gesicht eine
sieghafte Entschlossenheit, einen starken hellen Willen. Er setzte sich und
ergriff meine H�nde. Er sprach, und auch seine Stimme klang tiefer.

Vergieb mir die Thr�nen. Es sollen die letzten sein. Der Knabe ist tot. Ich
habe Dich, ich habe Dich durch die Welt zu tragen -- dazu bedarf es eines
Mannes. Und der Mann soll Dir mit der Kraft seines ganzen Lebens vergelten,
was Du in dieser Nacht f�r den Knaben gethan hast.

Ich starrte ihn diesmal in Wahrheit v�llig verst�ndnislos an.

Was -- was?

Und in steigender Hast, fl�sternd, fast atemlos:

Du mu�t fort, so rasch wie m�glich. Ich bringe Dich nach M�nchen. Oder
weiter. Leite die Scheidung ein, und dann, dann -- Thea -- unsere Hochzeit!

Ich entrei�e ihm meine H�nde:

Hochzeit?!

Sein zum Tod erschrockener Blick gab mir meine Fassung wieder.

Ossi! Was f�llt Dir ein! Ein solcher Streich! Ohne Stellung, ohne Geld eine
Frau heiraten, die �lter ist als Du!

Seine gro�en irren Augen bohren sich in mein Gesicht.

Thea -- ich liebe Dich! Ich werde arbeiten.

Dein Vater, der Eclat�--

Ich vertrete mein Recht!

=Vous �tes fou!=

Er hebt sich halb vom Sessel empor.

Nein. Aber -- Thea, was sind das f�r Worte? F�hlst Du denn nicht, da� ich
thun mu�, was ich thun will?

Ich sehe nur, da� Du Dich ruinieren willst.

Thea, wenn ich nicht an Dir zweifeln soll, mu� ich Deine Worte f�r Edelmut
nehmen. Aber das ist ein falscher, ein schlechter Edelmut.

Und mit wei�en, bebenden Lippen raunt er mir ins Ohr:

Was ich in dieser Nacht gethan, ist ein Verbrechen. Kann nur ges�hnt werden
durch die h�chste Liebe, die den Menschen �ber alle irdischen Schranken,
�ber sich selbst hinaushebt. Und diese Liebe mu� den Mut zum Licht haben.
Sie darf vor keiner ihrer Consequenzen zur�cktreten -- sonst, Thea,
merk wohl, bin ich ein Schurke, ein gemeiner, erb�rmlicher Schurke, ein
Ehrloser.

Ich bin ganz kalt, gelassen.

Was Du da sagst, ist Unsinn. Du hast kein Verbrechen begangen, sondern
nur eine Dummheit, die am besten durch Schweigen gut gemacht wird. Uns
aneinander ketten, hei�t, uns beide ungl�cklich machen. In zwei Jahren
bist Du meiner �berdr�ssig, oder ich Deiner. Ich bin nicht gew�hnt, mich
einzuschr�nken. Die Ertr�gnisse Deiner Liebesgedichte w�rden wohl kaum f�r
das Parfum ausreichen, welches ich gebrauche. Unter solchen Umst�nden ist
die h�chste Liebe etwas durchaus Unhaltbares.

Sein K�rper bricht zusammen. Er scheint tot zu sein. Nur die Augen leben
noch. Endlich murmelt er:

Wer bist Du denn? Wer bist Du denn?

Und dann mit drohender Geberde und flehender Stimme:

Geh mit mir!

Nein.

--�--�-- hast Du mich nie geliebt?

Nie.

Ich atme erl�st auf. Nun ists vorbei. Ich trete an den Toilettentisch
und sch�tte mir ein wenig =eau de Cologne= aufs Taschentuch. Er sieht
unangenehm gr�n aus; es ist ihm wohl sehr schlecht. Ich reiche ihm mein
Tuch hin. Er st��t mich zur�ck. Sein Antlitz flammt.

Nie geliebt!! Aber meine Ehre zerbrochen. Wei�t Du, da� ich nicht
leben kann, so -- so�--. Was ich von je als das Schm�hlichste, das
Niedertr�chtigste angesehen, ich hab's gethan. Und dann verkriechen?
Feig verkriechen? Nein, nein! Er soll mich niederschie�en wie einen Hund,
wehrlos, ich gestehe alles�--

Und verr�tst eine Frau. Wie edel!

Einen Moment ist mir doch bange. Ich glaube, er stirbt. Auf seinen Lippen
stehen zwei Blutstropfen. Ich f�hle sehend, wie eisig seine H�nde werden.
Da l�sen sich seine zusammengeklebten Finger. �Meine Ehre, meine Ehre!� Und
in j�hem Umschlag, rauh, brutal:

Wohl, wenn Sie den Mut haben, eine Dirne zu zu sein, so werde ich den Mut
finden -- ein ehrlicher Mann zu bleiben. =A -- Dieu=, Baronin!

Welch infame Ironie! Sie trifft mich mehr als die rohe Beleidigung. Er
schreitet wei� und kalt zur Th�re hinaus. Die schwere Porti�re f�llt wie
ein Grabtuch hinter ihm zu.


  _9. August._

=Life is a comedy to those who think, a tragedy to those who feel.= Ich
denke. Das geschriebene Lebenskapitel mu� doch einen Schlu� bekommen.

Diese vierzehn Tage waren -- =d�go�tants=. Und noch liegt's in der Luft wie
Leichengeruch�...

Fritzl traf an dem verh�ngnisvollen Tag einige Stunden fr�her ein, als ich
erwartet. Sehr braun und verwildert, besten Humors, und galanter gegen mich
als je. Daraus schlo� ich, da� er mit irgend einem h�bschen Gebirgskind ein
kleines Abenteuer gehabt. Er ist vern�nftig genug, es nicht einzugestehen,
sondern durch doppelte Liebensw�rdigkeit gut zu machen. Ganz mein
Grundsatz. Eine seiner ersten Fragen galt dem Grafen. �Wie vertragen?� Ich
zuckte die Achseln:

Nicht gut, nicht schlecht. Heute ist er beleidigt. Er lud mich zu einer
Tour nach Garmisch ein. Ich schlug nat�rlich aus, da ich Dich erwartete. Er
mu� �brigens bald zur�ckkommen.

Heinrich, der eben eintritt, bemerkt:

Entschuldigen Frau Baronin, aber der Herr Graf sind nicht nach Garmisch
gefahren, sondern haben den Wagen abbestellt und sind in den Wald gegangen.

Fritz schaut verwundert auf:

Und nicht zum Mittagessen gekommen?

Ach, das thun der Herr Graf manchmal.

So -- so�--, dehnt Fritz vor sich hin. Als der Diener hinaus ist, meint er
ein wenig mi�trauisch pr�fend:

Ihr m��t Euch doch nicht gl�nzend vertragen haben.

Die Zeit vergeht im am�santesten Geplauder. Es thut mir wohl. Fritzl
gef�llt mir besser als je. Da ist doch Chic, Raffinement. Ich bin ein
wenig verliebt, lasse es ihn merken, und er ist entz�ckt. Die Rokokopendule
schl�gt mit ihrem hellen zitternden Stimmchen neun Uhr. Fritz f�hrt
erschrocken empor.

Neun Uhr! Und Ossi noch nicht zu Hause! Es wird dem Jungen doch nichts
geschehen sein?

Ich wehre ab:

Bitte Dich, was sollte denn -- unartig ist er, weiter nichts.

Aber Fritz ist nicht zu beruhigen. Meine Gleichgiltigkeit beleidigt ihn
fast.

Nat�rlich! Du kannst ihn nicht leiden. Aber ich habe den Jungen gern, sehr
gern, und werde darum sogleich�...

Er ist schon hinaus. Ich h�re Befehle, Anordnungen. Eine Viertelstunde
sp�ter flammen am Rande des Sees Pechfackeln auf, die sich im Walde
verlieren. Der Herr Baron haben auch aus dem Hotel und aus den
Bauernh�usern Leute mitgenommen, erz�hlt Louison, w�hrend sie mich
entkleidet. Ich schl�pfe in mein Neglig� und bl�ttere, auf der Chaiselongue
liegend, im neuesten von Malot. M�digkeit und Nervenabspannung lassen mich
in einen tiefen unruhigen Halbschlaf versinken. Verworrnes Stimmengemurmel,
dazwischen laute Commandorufe wecken mich. Ich fahre empor. Ans Fenster.
Ein Menschenkn�uel. Der Fackelrauch l��t mich nichts erkennen. Was ist
geschehen? schreie ich hinunter. Eine breite b�urische Stimme antwortet:
Tot.

Eine Minute sp�ter tritt Fritz ins Zimmer. Mit Erde beschmutzt, die Kleider
in Fetzen gerissen, das Gesicht bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Er wirft
sich in einen Stuhl.

--�-- Wir haben ihn gefunden. In einer Schlucht oberhalb des Frillensees.
Mit zerschmetterten Gliedern. Halb im Wasser liegend. Er ist verungl�ckt,
oder�...

Er springt auf und packt mich mit einer schrecklichen Geberde am
Handgelenk, unbarmherzig:

Thea, als ich mit der Fackel suchend am Rande der Schlucht hinging, blinkte
mir aus dem Moos etwas Rotes entgegen. Ich b�cke mich. Eine rote Perle,
zwei, drei -- da!

Er schleudert sie auf den Boden.

Deine Korallen! Wenn es -- oh, oh, Deine Korallen!

Ich schaue starr zur Erde, fieberhaft �berlegend, was ich sagen, am
kl�gsten sagen�...

Thea, was hast Du mit dem ungl�ckseligen Jungen gemacht? Wenn Du -- ah,
es w�re zu sch�ndlich, zu schrecklich. Sag, sag Du's: Ist er
verungl�ckt?�--�--�--

Nein! -- Heute Morgen gestand er mir seine tolle Leidenschaft, flehte mich
an, ihm in die Welt zu folgen. Ich wies ihn zur�ck. Die Kette nahm er mit
sich -- als letztes Andenken.

Und das w�rdest Du mir verschwiegen haben, wenn ich nicht fragte?!

Ja. H�tte ich Dirs immer sagen wollen, wenn mir ein Andrer seine Liebe
gestand�...! Wer tr�gt die Schuld? Ich? Ich habe Dich gewarnt am ersten
Tag. Aber Du warst ja so sicher.�--

Er bedeckt sein Gesicht mit den H�nden: Es ist ja wahr, wahr. Dann dumpf
und gewaltsam:

Komm mit.

Er pre�t mir die Kn�chel zusammen und will mich fortziehen. Ich mache mich
k�hl und gelassen los:

Keine Beleidigung. Ich gehe allein.

Sein Zimmer. Er liegt auf dem Bett. Der zerschmetterte Unterk�rper mit der
seidenen Steppdecke verh�llt. Der Kopf ist unversehrt. Die nassen Haare
weit von der Stirne zur�ckgestrichen. Und �ber diese wundersch�ne Stirn
l�uft ein schmaler roter Streif. Das Gesicht ist finster schmerzlich. Auf
den Lippen klebt ein wenig Blut. Ich stehe da und empfinde nicht viel mehr
als den unangenehmen Eindruck des Leichenhaften. Fritz beobachtet mich:

Und kein Augenzucken, keine Thr�ne des Mitleids!

Thr�nen? Ich habe ihn geha�t.

Und er ist f�r Dich gestorben! Geh, geh!

Boten werden mit Telegrammen nach Baadersee hinuntergeschickt; das Haus
ist die ganze Nacht in Unruhe. Fritz weicht nicht von dem Toten. Einmal
schleiche ich an die Th�r. Sie ist halb ge�ffnet. Er geht ruhelos auf und
ab. Mein armer Junge, fl�stert er, und dann wieder: Und meine Schuld, meine
Schuld.

Am n�chsten Tage Telegramme aus Paris und M�nchen. Der alte Graf kann nicht
kommen. Fritz m�chte das Begr�bnis �bernehmen. Wo, sei gleich. Fritz lachte
bitter: Der mu� seinen Jungen ja recht lieb gehabt haben. -- Anders der
Bescheid des Professors. Er wird kommen.

Noch ein Tag und noch einer. Das Begr�bnis. Auf einem tannenumrauschten
H�gel am See. Eine Menge Menschen sind aus der Umgegend gekommen. Bauern
aus Baadersee, Krainau, Garmisch und Partenkirchen. Und die Fremden, die
sich gerade dort aufhalten. Ein Zeitungsreporter macht sich Notizen ins
Taschenbuch. Alle sind sehr neugierig und sehr wenig betr�bt, bis auf die
Professorsfamilie. Ich war nicht wenig gespannt, meine =ci-devant= Rivalin
zu sehen. Ein gescheit-h�bsches, pikanterieloses Gesicht. Die Figur nicht
�bel, doch zu wenig geschn�rt. Nur das Haar sehr sch�n und reich. Die
Mutter gutm�tig, nat�rlich, ein Muster von Anst�ndigkeit, mit breiter
Taille und Doppelkinn. Der Vater schweigsam und unh�flich. Nach der
schrecklichen Grabrede des Dechanten von Oberkrainau gingen wir zur�ck in
unsre Villa. Fritz hatte die Professorsfamilie zu Tisch gebeten. Man
sa� unbehaglich und appetitlos beisammen. Die Frau Professor konnte
ihre Thr�nen nicht zur�ckhalten. Die Kleine weinte nicht. Das gefiel mir
eigentlich. Fritz und der Professor sprachen zusammen.

Es war ein so begabter Junge. Ich setzte gro�e Hoffnungen auf ihn. Noch zu
leidenschaftlich und �berspannt, aber ich dachte immer: La� sich den Most
auch noch so toll geberden, es giebt zuletzt doch noch 'nen Wein. Im Herbst
wollte er seine Gedichte herausgeben, und nun�...

Ich habe alles, was sich in seinem Schreibtisch fand, zusammenpacken
lassen, sagte Fritz. Und hier das Notizbuch, welches er in der Tasche trug
-- Ich erschrecke -- man kann aber nichts mehr erkennen, das Wasser hat es
vollst�ndig ruiniert.

Ich atmete auf.

Das M�dchen fl�sterte mit ihrer Mutter. Diese schien abzuwehren:

Warum denn, Jella, warum!

Ich bog mich hin�ber.

Was m�chte denn das Fr�ulein?

Ach -- sie hat ihren Rosenstock, den Ossi so sehr liebte, mitgeschleppt --
f�r sein Grab.

Ich hielt mich mit Gewalt ernsthaft.

Unser G�rtner soll es sogleich besorgen.

Nein, ich will es selbst thun.

Leise, aber sehr bestimmt kam es aus dem kleinen Mund. Sie stand auf. Eine
gewisse Neugier ergriff mich.

Ich gehe mit Ihnen, liebes Fr�ulein.

Sie schien nicht sehr erfreut, machte aber ihren sch�chtern anmutigen
Fr�uleinknix und lie� mich vorantreten. Wir kamen auf die Veranda.

Wo haben Sie denn die Blumen?

Ich mu� sie aus dem Hotel holen.

Das kann ja der Diener.

Aber sie sch�ttelte das K�pfchen und flog davon. Ich schritt unterdessen
zu dem frischen, ungeschminkten Grabh�gel hinunter. Das Kreuz wird erst
in einigen Tagen eintreffen. Die Kleine kam wieder. Mit einem unf�rmlichen
weidengeflochtenen Marktkorb am Arm.

Den haben Sie von M�nchen hergeschleppt?

Ja.

Vorsichtig hebt sie einen gro�en, sch�nen Rosenstock heraus. =Gloire de
Dijon.= Dann w�hlt sie mit ihren H�nden die Erde auf.

=Mais, ma petite=, Sie machen sich schmutzig.

Sie sieht mich erstaunt an: Was thut das?

Ich begebe mich jedes weiteren Einwandes. Und sie dr�ckt die Erde wieder
fest; sch�pft in ein Blechgef�� Wasser, um die Pflanze zu begie�en; w�scht
am Strand ihre H�nde rein. Nun steht sie am Grab. Die scharfe, hei�e
Nachmittagssonne huscht �ber ihr schwarzes Cachemirekleidchen, dessen
Einfachheit von der Eile der Herstellung zeugt. Es sieht trostlos d�rftig
aus im Gegensatz zu den funkelnden Perlenagr�ments meiner schweren
Atlasrobe. Pl�tzlich f�llt die Kleine mit einem tiefen Schluchzen auf
das Grab hin. Erschrocken will ich ihr emporhelfen. Aber sie krallt sich
f�rmlich in die Erde. Ich mu� sie gew�hren lassen. Endlich richtet sie sich
halb empor und schluchzt wie entschuldigend:

Ich habe ihn so lieb gehabt, so lieb! Und nun soll ich nicht einmal sein
Grab in der N�he haben, nicht manchmal zu ihm gehen und ihm Blumen bringen
k�nnen.

Aber liebes Fr�ulein, Ihr Herr Papa hat meinem Mann auf seine Anfrage doch
geantwortet, er sei daf�r, den Grafen hier zu beerdigen. H�tte da nicht ein
Wort von Ihnen�...

O, Papa hat mich gefragt. Und da habe ich gesagt -- sie sollen ihn hier
begraben. Nicht auf dem gro�en �den Friedhof mit den vielen andern. Er hat
die Berge so lieb gehabt. Es ist auch recht selbsts�chtig da� ich dar�ber
weine, aber�--

Sie macht in schmerzlichem Heroismus einen kleinen harten Ballen aus ihrem
Taschentuch und steht auf. Sie ist pl�tzlich wieder sanft und sch�chtern.

Ich -- m�chte -- zu Mama.

Wir gehen zur Villa hinauf, und sie sieht sich um, sieht sich fortw�hrend
um mit den schmerzensgro�en Kinderaugen -- =c'est dr�le=!

Einf�rmig gehen die Tage weiter. Fritz ist h�flich, eiskalt h�flich gegen
mich. Ich bin gleichm��ig ruhig mit glatter Stirn und klaren Augen. Ich
lasse ihn v�llig gew�hren. In ein paar Monaten habe ich ihn so gewi�
zur�ckerobert, als ich noch jung und sch�n bin. Ich bin ganz froh, da� ich
etwas zu thun haben werde, und lege mir jetzt schon die Karten zurecht.

Fritz war �fters wieder fort. Aber keine Gebirgstouren. In M�nchen. Vor
drei Tagen k�ndigte er mir den Verkauf der Villa an:

Ich kann nicht mehr hier bleiben. Das Grab da unten ist mir ein ewiger
Vorwurf�...

Allein auf meinem Zimmer klatsche ich vor Freude in die H�nde. Die Villa
verkauft! Mein sehnlichster Wunsch erf�llt, nicht mehr in diese Ein�de zu
m�ssen.

Die M�bel sind teilweise schon fortgeschafft. In den Zimmern ist's jetzt
in Wahrheit -- =bric-�-brac=. Die Vorh�nge sind herabgenommen. Ungehindert
str�mt das Sonnenlicht herein. Ich kann das gro�e vergoldete Kreuz auf dem
Grab dort unten sehen. Es ist ein Geschenk von Fritz. Er hat sich das
nicht nehmen lassen. Und der Rosenstock hat eine Menge Bl�ten. Ich habe
den zur�ckbleibenden G�rtner beauftragt, ihn zu pflegen. Warum sollt' ich
nicht? Daf�r bin ich gerade gutm�tig genug.

Auf dem Boden liegt ein Haufen zusammengekehrter Papierschnitzel, Spitzen,
Schleifen, Haarnadeln, Stecknadeln, Seidenf�den, eine Puderschachtel mit
versch�ttetem Inhalt -- es sieht h��lich aus im vollen Sonnenlicht.

Was schimmert denn so?

Eine rote Perle�....




Platonisch.


�Sie lassen sich also nicht von mir lieben, kleine Eigensinnige?�

Sie streifte die weichen d�nischen Handschuhe noch ein wenig �ber den
Ellenbogen und schaute mit suchendem Blick auf den Requisitentisch.

�O ja, aber�--�

�Aber?�

�Platonisch.� -- Er lachte aufdringlich. Die Coulissenelegance seiner
Haltung f�r einen Augenblick vergessend, steckte er die H�nde in die
Hosentaschen.

�Platonisch? Das ist ein weiter Begriff. Was verstehen Sie darunter?�

Die schmalen abfallenden Schultern des jungen M�dchens schienen noch tiefer
zu sinken. Sie musterte mit melancholischer Bosheit die von der Schminke
stark por�s gewordene dunkle Gesichtshaut des Bonvivant.

�Etwas, was Sie nicht verstehen. Stumme Liebe.�

Der Schauspieler brach in ein rohes schmetterndes Gel�chter aus und warf
wie im Ueberma�e der Lustigkeit seine Rolle zu Boden.

�Teufel noch einmal! Sie verlangen h�bsch viel�--�.

�Weil ich nichts verlange.�

Der Inspizient eilte erschrocken herbei. �Aber meine Herrschaften! So laut!
Eben hat der Regisseur geklingelt. Uebrigens kommen Sie in der n�chsten
Scene, Herr Possanski. Und Sie auch, Fr�ulein!� Der Schauspieler hob die
schmutzige stark zerlesene Rolle wieder auf, ohne den Staub abzuklopfen.
Seiner Kollegin noch ein liebensw�rdiges L�cheln und einen b�sen Blick
zuwerfend ging er nach dem Vordergrunde der B�hne.

�Kr�te!� murmelte er vor sich hin. Die junge Dame war zur�ckgeblieben.

�Ich habe keine Requisiten,� wandte sie sich an den in seinem
Buche bl�tternden Inspizienten. �Ich kann doch nicht selbst in die
Requisitenkammer gehen.�

Der Inspizient sah sich um. �Wo sind denn all' die Kerls.... Aha, Klaus!�

Der baumlange Theaterarbeiter lie� die Versatzst�cke stehen. Schon eine
ganze Weile hatte er sie ger�uschlos aus dem Wege ger�umt, ohne in dem
tr�gerischen D�mmer von Gas- und Taglicht bemerkt zu werden.

�Verlangen Sie in der Requisitenkammer einen Brief und eine Zeichenmappe.
Aber rasch.�

Die anmutig herbe Stimme der Schauspielerin f�gte hinzu: �Ich bitte.�

Ich bitte! Wie zwei kleine silberne Perlen fielen diese Worte in die gro�en
abstehenden Ohren des ungeschlachten Burschen, und diese Ohren hatten
vorher schon einiges aufgefangen von �platonisch� und �stummer Liebe�.

Der schweigsame Theaterarbeiter hatte das Gespr�ch wohl geh�rt. F�r
gew�hnlich besa� er gar keine Beobachtungskraft. Wenn nur die Kleine nicht
gewesen w�re. Anfangs hatte er sie gar nicht bemerkt. Sie war ja so sehr
klein; gegen ihn. Er hatte �ber sie hinweggesehen wie der gemalte Mont
Blanc im Manfred �ber die cachierten Felsst�cke zu seinen F��en. Aber
geh�rt hatte er sie. Diese eigent�mlich regungslose Stimme, die immer so
unendlich viel zu verbergen schien. Er glaubte sie zu sehen, wenn er die
Augen schlo�, glaubte eine weite sonnenbeschienene Haide zu sehen. Das war
seine Heimat. Von dorther hatte er die riesigen Glieder mitgebracht, gelbe
Haare und tote tagklare Augen. Aber jene Stimme hatte sie lebendig gemacht.
Er fing an, zu sehen. Das kleine Gesch�pf mit dem weichen blassen Gesicht.
W�hrend der Proben machte er sich in ihrer N�he etwas zu schaffen. Er
schleppte die schwersten Dekorationsst�cke zehnmal allein hin und her, nur
um vom Theatermeister an keine andere Arbeit geschickt zu werden. Auf
der letzten Galerie des Schn�rbodens oder im dritten Versenkungsstockwerk
horchte er mit Anstrengung auf ihre Stimme, auf ihre kleinen ruhigen
Schritte. Die eint�nige Musik derselben verfolgte ihn den ganzen Tag.

Abends bem�chtigte sich seiner eine schwerf�llige Unruhe, bis sie aus
der Garderobe kam. Das sammtartige Wei� und Rot der Schminke, die feinen
schwarzen Striche an Brauen und Wimpern machten ihr Gesicht lebhafter,
leuchtender. Seine kritiklose Bewunderung fand sie so am sch�nsten. Er
hatte sich ihre Photographie gekauft; ein schlechtes Bild in der beliebten
Tischkantenposition. Das �berm��ig retouchierte Gesicht l�chelte wie die
Vignette eines Cigarrenkastens. Wenn der Arbeiter sp�t Abends nach
Hause kam, war es seine liebste Besch�ftigung, bei einem qualmenden
Lichtst�mpfchen den Platz des Bildes hundertmal zu ver�ndern. Im geleimten
Muschelrahmen aus dem F�nfzig-Pfennig-Bazar sah es mit hochm�tiger
Gew�hnlichkeit auf die rauhen, zersprungenen Zimmerw�nde.

Morgens wickelte er es in einen blauen Papierbogen. In gro�en
schwerf�lligen Buchstaben war ein Wort darauf gemalt. Das einmal geh�rte
und halb verstandene Wort mit dem fremdartigen Klang. Es hatte in seinem
Ged�chtnis Wurzel gefa�t wie die Haidebl�ten im rauhen dunklen Boden seiner
Heimat. Farb- und duftlos, aber mit hundert z�hen kleinen Wurzeln, mit
schmerzlicher Eigensinnigkeit. Dieselbe Eigensinnigkeit machte den langen
Haideburschen verschlossen und einsilbig. Er lebte ganz in der Phantasie,
ohne Phantasie zu haben. Im Theater verspotteten die andern Arbeiter
seine Dummheit und beneideten seine Kraft. Die Schauspieler �rgerten sich
heimlich �ber die unbewu�te stolze Unverdorbenheit seines Wesens. Den
Vorgesetzten war er nicht h�flich und diensteifrig genug. Alle nannten ihn
den Haidel�mmel. Er wu�te es nicht. Es h�tte ihn auch wenig gek�mmert. Aber
seine Augen waren dunkler geworden und sein Schritt schwerer.

Es war eine Woche vor Weihnachten. Eine gro�artige Feerie sollte als
Festvorstellung am f�nfundzwanzigsten Dezember zum ersten Mal gegeben
werden. Dornr�schen. Nach den Vorstellungen mu�te oft bis vier Uhr Morgens
gearbeitet werden, um die neuen Dekorationen und Maschinerien fertig zu
stellen. Die doppelt bezahlte Nachtarbeit ging schwerf�llig und langsam von
statten. Die �berm�deten Arbeiter schwatzten viel und tranken noch mehr,
um sich wach zu erhalten. Beleuchtungseffekte sollten probiert werden.
Zwei Arbeiter setzten neue farbige Gl�ser vor die Rampe. Die g�hnende
Unterhaltung klang abgebrochen ins zweite Versenkungsstockwerk hinab,
wo Klaus unter Aufsicht des Maschinenmeisters ein Netzwerk von eisernen
Stangen anbrachte.

�Warum geht sie denn Neujahr?�

�Wer's w��te! Sie hat ihre Entlassung verlangt. Ich denk' mir, der Schwarze
setzt ihr stark zu. Das ist ihre letzte Rolle. Dornr�schen.�

Im Versenkungsstockwerk krachte etwas zu Boden. Die Ersch�tterung war so
stark, da� den H�nden des �lteren Arbeiters eine rote Glastafel entfiel.
Sie zersplitterte in tausend St�cke.

�Was ist denn los?� schrie er zornig hinunter.

�Nichts, nichts,� t�nte es zur�ck.

Nach einigen Minuten kam der Maschinenmeister herauf. �Aergerlich!
Der Klaus mu� sich �berarbeitet haben. Er scheint krank. Ich mu� ihn
fortschicken. Kommt ihr beide hinunter.�

Er war wirklich krank. Sie geht fort. Diese drei Worte hatten ihn aus dem
d�mmernden Zustand, in dem er dahinlebte, herausgerissen. Sie geht fort.
Eine stille traurige Wut lie� ihn ruhelos in seinem Zimmer auf und
ab rennen bis es d�mmerte. Er wurde so m�de. Ein innerliches Weinen
durchsch�tterte ihn. Aber seine Augen blieben trocken. Ohne eine Minute
geruht zu haben, ging er morgens ins Theater. Es war die erste Probe
von Dornr�schen. Sie ging in ihrer lautlosen verschleierten Weise an ihm
vor�ber. Einen Augenblick h�tte er sie am liebsten vor Zorn geschlagen.
Dann versank die rohe Gewaltsamkeit seiner Natur in dem st�rkeren Gef�hl
eines gro�en Leids. Sie geht fort. Sie geht fort.

�Ich gehe auch fort,� sagte er, sp�t abends in seine Kammer zur�ckkehrend.
�Auf den Haidhof. Da ist's still.�

Er sah sie jetzt t�glich. Auf den Proben. Er h�rte, wie die Kollegen
ihr jedesmal auf's neue ihr unendliches Bedauern �ber ihren Fortgang
ausdr�ckten. Mit einem Aufwand von Herzlichkeit, dem man die L�ge anmerken
mu�te, w�re er auch weniger b�hnenhaft gewesen.

�Lassen Sie sich an dem Abend nur ja einen Heuwagen kommen, sonst
k�nnen Sie all' die Blumen und Kr�nze nicht fortschaffen,� sagte mit
schiefgezogenen Mundwinkeln der Bonvivant. Die l�chelnde Impertinenz seines
Gesichts zeigte nur zu deutlich, da� er mindestens die H�lfte dieser Blumen
und Kr�nze auf selbstgekauft taxiere. Und mit einem Wiederschein dieser
Impertinenz, der sich je nach dem Rollenfach naiv oder intriguant �u�erte,
stimmten die Uebrigen bei. �Ja, die Blumen und Kr�nze!�

W�hrend der Mittagspause �berz�hlte Klaus sein Geld. Sie soll auch von mir
einen Kranz haben. Den allersch�nsten. Er hatte die gr�nen Dinger nach
den Aktschl�ssen oft auf die B�hne fliegen sehen, wenn die Leute im
Zuschauerraum so erschrecklichen L�rm machten. Er hatte nie begriffen, was
an diesen farbentoten Bl�tterkr�nzen sch�n sein sollte. Sie vertrockneten
in wenigen Tagen. Dann mu�te man sie fortwerfen. Sein Kranz sollte ganz
anders werden. Gro�, ungeheuer gro�. Er wollte ihn selbst binden. Als
Knabe hatte er beim Einzug der Gutsherrschaft an den langen Blumenketten
mitgeholfen, die �ber der Schlo�th�r befestigt wurden. Er erinnerte sich
noch an die bunten Schleifen, die zwischenhinein geflochten waren. So
wollte er's auch machen.

Erst kaufte er bei einem Fa�binder einen elastischen Holzreifen. Gro�
wie ein Wagenrad. In einem Eisenmagazin Draht und eine feine Zange. Mit
Herzklopfen �ffnete er zuletzt die spiegelnde Glasth�re eines gro�en
Gesch�fts. Lauter ausgezeichnete Ware zu fabelhaft billigen Preisen.
Eine blondgef�rbte Ladnerin mit gro�en Nasenl�chern und falschen
Korallenohrringen fragte ihn, was er w�nsche. Blumen. Sie brachte mehrere
Kartons herbei. Moderne Ballgarnituren in fahlen Farben und raffinierten
Zusammenstellungen. Er sch�ttelte den Kopf. So nicht. So welche zum Kranz
binden. Die Ladnerin sah ihn an. Es mochte ihr wohl einfallen, da� dieser
bl�de Riese im schmutzigen Leinwandkittel keine mit Glastropfen �bers�ten
Ballgarnituren kaufen werde. Mit einem leichten ver�chtlichen Achselzucken,
soweit es die �berm��ig spannende Trikottaille gestattete, trug sie
andere Kasten herbei. Das war das Richtige. Haufenweis zusammengebundene
Papierblumen in schreienden Farben. Lauter naturgeschichtliche
Unm�glichkeiten. Daneben gl�nzende, gr�nlackierte Bl�tter mit langen
Drahtstielen und starkem Leimgeruch. Er w�hlte sich einen Berg von Blumen
und Bl�ttern aus. Zuletzt forderte er farbige B�nder. Die Ladnerin, jetzt
mit dem Geschmack des K�ufers schon besser vertraut, legte ihm ordin�res
raschelndes Knitterband vor. Blau, rot, gelb, gr�n. Er lie� sich von jeder
Farbe mehrere Meter abschneiden. Die Ladnerin sah ihm mit einem gemeinen
pr�fenden Blick nach, als er das Gesch�ft verlie�, das gro�e Packet
vorsichtig im Arm haltend.

Am Weihnachtsabend band er den Kranz. Es war eine schwere Arbeit f�r seine
harten gro�en Finger. Viele Papierblumen wurden zerdr�ckt oder zerrissen.
Der fertige Kranz war von einer ungeheuerlichen Gr��e und Unregelm��igkeit.
Zw�lf Schleifen mit lang flatternden Enden prangten in der Runde. Nach
vielem Ueberlegen befestigte er r�ckw�rts eine steife wei�e Karte. Mit
unendlicher M�he hatte er wenige ungelenke Buchstaben darauf gemalt. Das
Ganze ein Werk l�cherlicher Geschmacklosigkeit. Er wu�te es nicht. Mit
dunkelgl�nzenden Augen betrachtete er den Kranz wieder und wieder. Sein
wirkliches Leid verschwand in der naiven Selbstbefriedigung. Er dachte
nicht mehr daran, da� sie fortgehe, sondern nur, da� sie sich mit diesem
Kranze freuen w�rde. Er war getr�stet.

Am n�chsten Tag holte er seine Sonntagskleider hervor. Er wusch und k�mmte
sich so sauber, wie er's nur einmal in seinem Leben gethan hatte. Bei dem
Begr�bnis seines Vaters. Um vier Uhr nachmittags ging er ins Theater. Den
Kranz trug er in ein gro�es Tuch eingeschlagen. Es dunkelte bereits stark.
Er war froh dar�ber. Beim Portier gab er den Kranz ab. Erst ganz zum Schlu�
sollte er geworfen werden. Ein Herr habe ihn damit beauftragt. Er log
zum ersten Mal. Er war feuerrot, stotterte und h�tte in seiner Verwirrung
beinahe vergessen, dem Portier den bereitgehaltenen Thaler zu geben.

Auf der B�hne l�rmten die Arbeiter. Hinauf und hinunter schallten durch's
Sprachrohr die Kommandorufe der Maschinisten. Der Theatermeister pr�fte
noch einmal die verschiedenen Versenkungen und las die im Buch des
Inspizienten notierten Klingelzeichen nach. Der Abend war f�r ihn von
gro�er Bedeutung. Er hatte eine ganz neue Mechanik erfunden, um die
Dornenhecke aus der Erde wachsen und sie wieder versinken zu lassen. Aus
dem farbduftigen Feenm�rchen war eine geschminkte Feerie geworden. In acht
Bildern, mit einem ungeheuern Aufwand von Farben und Beleuchtung, und eben
darum ohne Duft und Licht. Dornr�schen selbst kam erst im dritten Bilde.
In den ersten beiden wurde ihre Geburt und Verw�nschung mit
Dekorationseffekten, Ballet und Musik gefeiert. Nachdem der Vorhang zum
zweiten Male gefallen und das pr�chtige K�nigsschlo� aufgestellt war,
erschien Dornr�schen auf der B�hne.

Alles dr�ngte sich um sie. Die �berschlanke Gestalt im Schleppkleid
aus lichtrosigem Atlas, mit silbernem G�rtel gesch�rzt, einen schmalen
Heckenrosenzweig wie ein Kr�nlein durch's Haar geflochten. Das fiel wie
ein goldseidener Mantel �ber die Schultern bis hinab auf die Schleppe.
Das Licht versank in der weichen gl�nzenden F�lle. Es war eine echte
M�rchenk�nigstochter.

Sie stand in der Seitencoulisse und wartete auf ihr Stichwort. Ein wenig
bleich und erregt, fr�stelnd im scharfen B�hnenzug. Der Inspizient trat an
sie heran. �Gleich, Fr�ulein.� Sie wendete sich zu Klaus, der dicht
neben ihr stand. �Bitte, wollen Sie mir das Taschentuch halten, bis ich
wiederkomme?� Er hatte keine Zeit, Ja oder Nein zu sagen. Das feine weiche
Ding lag schon in seiner Hand, und Dornr�schen trat aus dem Halbdunkel der
Coulisse in den blendenden B�hnentag hinaus. Klaus h�rte nichts von dem
l�rmenden Beifallsget�n, mit dem sie empfangen wurde. Er sah nicht,
wie viele Kr�nze und Blumen zu ihren kleinen rosa beschuhten F��en
niederflogen. Er betrachtete nur das winzige wei�e Spitzent�chlein. Er
f�hlte es nicht auf seiner hartgearbeiteten Hand. Der leiseste Hauch konnte
es fortwehen und dennoch wagte er nicht, es fest zu fassen. Er h�tte es
zerdr�cken k�nnen. Das machte seine Freude �ngstlich. Er blickte nicht
auf die B�hne, wo Dornr�schen arme Kinder mit ihren Perlen und Edelsteinen
beschenkte. Er atmete erst wieder auf, als sie in die Coulisse abging
und das Tuch mit einem �Danke� entgegennahm. Jetzt besann er sich, da� er
eigentlich zusehen wollte. Aber ein Schwarm von Kindern, Balleteusen und
m��igen Zuschauern dr�ngte ihn aus der Coulisse fort. Der Theatermeister
rief ihn in die Versenkung. M�hselig kletterte er die dunkle gewundene
Treppe hinunter. Die andern Arbeiter in ihren schmutzgetr�nkten
Leinwandkitteln lachten �ber seinen Sonntagsrock. Zum ersten Mal ekelten
ihn die vom Coulissenstaub fahlgrauen Gesichter. Er horchte nach oben. Wie
ein unendliches jubelndes Lachen t�nte es herunter: �Prinze� Dornr�schen
spinnt, kann spinnen, spinnen.� Gleichzeitig das erste Klingelzeichen.
Die Arbeiter packten die eisernen Hebel fester. Man h�rte die gemachten
Entsetzensrufe der Choristen, bis ein kleiner m�der gebrochener Schrei
mitten hinein klang. Die K�nigstochter hatte sich mit der verwunschenen
Spindel gestochen. Dann wurde es still, totenstill. Ein zweites
Klingelzeichen, und langsam durch die Kraft vieler schwer arbeitender H�nde
stieg die Dornhecke aus dem Boden vor den Augen der Zuschauer bis in den
gemalten Himmel hineinwachsend.

Nun durfte Klaus wieder auf die B�hne. Er sah, wie das schlafende
Dornr�schen auf der Marmorbank in �blicher elektrischer Beleuchtung dem
blausammtnen Prinzen als Traumbild erschien. Er sah, wie die Dornhecke zu
bl�hen begann und der Theaterprinz sich in herrlicher Tapferkeit einen
Weg durch die leinwandnen Dornen bahnte. Er sah, wie er mit dem erl�sten
Dornr�schen auf goldenem Thron bis in die Soffiten hinaufschwebte, von
bengalischen Flammen rot und gr�n beleuchtet, begleitet vom rasenden
Klatschen des Publikums.

Der Applaus wurde auf j�he Weise unterbrochen. Es polterte etwas wie
ein eisernes Gewicht auf die B�hne. Durch den Zuschauerraum ging ein
schallendes Gel�chter. Der Regisseur st�rzte aus der ersten Coulisse an die
elektrische Klingel: �Vorhang herunter!� Der Vorhang fiel. Alles rannte auf
die B�hne. Klaus mit. Da lag sein Kranz.

Dornr�schen war von ihrem Thron heruntergestiegen. Mit wei�en starren
Lippen betrachtete sie das Unget�m. Die Meisten lachten. Die Damen trugen
eine �berm��ige Entr�stung zur Schau. Es sei unerh�rt, jemandem auf solche
Weise den Abend zu verderben, ihn vor dem ganzen Publikum zu blamieren. Der
Bonvivant hob den Kranz ein wenig in die H�he. �Da ist ja auch ein Zettel.
Ah -- ah -- ah!� Er sch�ttelte sich vor Lachen. �Meine Herrschaften
lesen Sie doch: >Blathonisch<!� Ein tief ver�chtlicher Blick aus den
schlafdunkeln Dornr�schenaugen traf ihn. Sie wandte ihm den R�cken und
ging. Zwei Kolleginnen folgten ihr, mit einander fl�sternd. �Du, was
glaubst Du, von wem der Kranz ist? Von dem Schwarzen?� �Pst! Freilich�.

Armer Klaus! Er war allein auf der verdunkelten leerger�umten B�hne. Nur
der phantastische, goldene Thron stand noch in der Mitte und die Coulissen
zeigten die Bruchst�cke der Dornhecke. Ganz im Hintergrund schliefen
auf Holzb�nken die Feuerwehrm�nner. Die Schauspielerinnen kamen aus der
Damengarderobe. Sie mu�ten �ber die B�hne gehen, um durch den Korridor zur
Ausgangstreppe zu gelangen. Jetzt waren alle fort. Sie war die letzte. Sie
ging gew�hnlich durch die vordere B�hnenth�r. Da wartete er, an die
gro�e Donnerpauke gelehnt. Sie kam. In einen grauen Radmantel mit gro�em
Pelztragen eingewickelt, das K�pfchen in einem wei�en Tuch versteckt. Sie
ging rasch und geradeaus blickend, so da� sie ihn nicht bemerkte, obwohl
er eben unter der herabgeschraubten Gasflamme stand. Er mu�te sie anreden.
�Fr�ulein.� Sie wandte sich um, erstaunt, aber nicht erschrocken. �Wer
ist�...? Was wollen Sie?� Er schwieg. In seinem Leben war ihm das Weinen
nicht so nahe gewesen. Sie wartete einen Augenblick auf Antwort. Dann zog
sie mit einer kleinen ungeduldigen Bewegung den Mantel fester um sich. Das
brachte ihn zum Reden. Stotternd, halb erstickt klemmte es sich zwischen
seinen Lippen hervor: �Der Kranz.� Mit einer tiefinnerlichen Heftigkeit
trat sie rasch auf ihn zu. �Sie wissen, von wem er ist?�

Er sah in ihre hei�en zorntraurigen Augen und das Bekenntnis seiner Schuld
st�rzte in wirrem Durcheinander aus seiner Seele hervor. Er wu�te nicht
mehr, was er sprach. Es war eine Wohlthat, eine Bu�e, sich anzuklagen. Und
doch h�tte er sich nicht besser verteidigen k�nnen. Das schienen die
zwei Augen ihm gegen�ber auch zu glauben. Sie waren wieder still und klar
geworden. Als er schwieg und die gro�e Erregung noch wie eine rote Welle
auf seiner Stirn auf- und abwogte, reichte sie ihm die Hand. �Wenn ich all'
dies fr�her gewu�t h�tte, w�rde ich mich nicht gekr�nkt haben. Ihr Kranz
ist mir jetzt der liebste von allen.� Er sah sie traurig ungl�ubig an. Es
war ganz still geworden. Sie wu�ten nichts zu sagen und doch h�tte keines
gehen m�gen. Endlich fragte sie: �K�nnte ich Ihnen gar keinen Gefallen
thun? Haben Sie keinen Wunsch?� Er sch�ttelte den Kopf und blickte sie
unverwandt an. Es wurde immer stiller. War auf der totengrauen B�hne ein
M�rchenhauch zur�ckgeblieben, der einen unf�hlbaren Zauber aus�bte?

Sie hob sich ein wenig auf die Zehen. �Wie gro� Sie sind�, sagte sie mit
einem bewundernden Kinderl�cheln. �Bitte, b�cken Sie sich ein wenig -- noch
ein wenig -- so�....�

Ueber die steinerne Treppe hastete ein kleiner herzklopfender Schritt
hinunter. Wie er lauschte, der arme Gl�ckliche, mit geschlossenen Augen,
unbeweglich. Dornr�schen hatte ihn gek��t. Das Licht huschte wie mit
Elfenf��en �ber den einsamen goldenen Thron. Dicht vor ihm lag eine
zertretene blaue Papierblume ... platonisch.




In der Mauernstra�e.


Armer Junge! Er sa� auf der ausgetretenen Schwelle und weinte gro�e stille
Thr�nen. Sie hatten seine Mutter begraben und ihn aus der kleinen sauberen
Dachstubenwohnung fortgef�hrt. Zu entfernten Verwandten. Die wollten f�r
ihn sorgen. Was sie eben sorgen nannten. Sie waren sehr arm. Er konnte mit
ihnen hungern.

Seine Mutter war auch arm gewesen. Aber sie hatte ihn nicht hungern lassen.
Sie hatte sehr viel gearbeitet und sehr wenig gegessen, um ihr blasses
verkr�ppeltes Kind mit einem Schimmer von Wohlbehagen zu umgeben. Fr�h
morgens sa� sie an ihrem zerbrochenen alten N�htischchen und stickte mit
feinem Leinenfaden Blumen und Arabesken in durchsichtige Batistt�cher.
Die schickte man ihr aus dem gro�en Wei�waarengesch�ft. Das Gesch�ft war
ber�hmt wegen seiner billigen Preise. Darum wurde die arme Stickerin sehr
schlecht bezahlt. Abends, wenn ihre Augen zu brennen anfingen, nahm sie ihr
stilles geduldiges Kind auf den Schoo�. Sie erz�hlte ihm von seinem Vater.
Der war Lehrer an der Antonyschule gewesen. So brav und so gescheit. Und so
stolz. Er hatte nie eine Unterst�tzung angenommen. Er hatte gearbeitet
-- bis er sich zu Tode gearbeitet. Seine Frau dachte wie er. Am letzten
Weihnachtsabend war die Versuchung freilich gro� gewesen. Sie hatte kein
B�umchen f�r ihr Kind. Im ersten Stock wohnte eine vornehme alte Dame.
Sollte sie bitten .... Sie stand mit thr�nenzitternden Augen vor dem
kleinen Jungen. �Friedel, -- soll ich hinuntergehen -- soll ich --
betteln?� Und mit sonderbar wildem Aufschrei hatte er sich vor ihr auf die
Kniee geworfen: �Nein, Mutter, nein!� Im Fr�hjahr war sie gestorben.
Mit der Arbeit in der Hand und einem Seufzer auf den Lippen: �Nur nicht
betteln.�

Und ihr Kind sa� auf der Schwelle und weinte.

Es war ein anderes Leben im Hinterhause der Mauernstra�e als in der kleinen
Dachstube. Der Oheim kaufte und verkaufte alle alten Gegenst�nde, vom
rostigen Eisen bis zur gebrauchten Balltoilette. Er sprach heiser, von
best�ndigem Husten unterbrochen. Auf den Versteigerungen hatte er sich die
Stimme verschrieen. Er trug Leinwandhosen und einen Bedientenfrack.
Dinge, die er nicht mehr hatte anbringen k�nnen. Seine Frau war klein und
zusammengerunzelt, best�ndig in Demut versinkend wie ein verpr�gelter Hund.
Und die Tochter .... ein h�bsches braunes Ding mit runden Armen und hei�en
Augen. Sie hatte gelacht, als der kleine Friedel zum ersten Mal mit seinen
Kr�cken die steile Treppe heraufgestolpert kam. Sie hatte gelacht und
sein verweintes Gesicht in ihre H�nde genommen. �Er ist h��lich wie ein
Maulwurf, aber ich werde ihn �ber die Treppe tragen.�

Sie trug ihn hinunter. Jeden Morgen, ehe sie in die Schule ging. Er sa�
auf der Schwelle und sah, wie das schleimige Moos in den Rinnsteinen wuchs.
Schmutzige Kinder mit ungesunden blauroten Gesichtern spielten um ihn
herum. Sie schrieen und zankten sich mit h��lichen gemeinen Worten. Das
machte ihnen dieselbe tierische Freude, wie das W�hlen im Stra�enkot. Auf
die zersprungenen Asphaltplatten zeichneten die Gr��eren mit Kreide oder
Kohle scheu�liche K�pfe. Das seien die reichen Leute, sagten sie, spieen
darauf und trampelten mit den F��en auf ihnen herum. Sie waren b�se, und
schlimmer, sie wu�ten das B�se. Mit den �bergro�en Augen des jungen Lasters
sahen sie alles und bemerkten alles. Dann schl�pften sie in die dunkelsten
Ecken zwischen den schiefen alten H�usern und erz�hlten sich mit
innerlich fiebernder Stimme schlimme Dinge, oft durch schrilles Gel�chter
unterbrochen. Das Leben in der Mauernstra�e war so faul und �belriechend,
wie das Pf�tzenwasser in den L�chern der ausgebrochenen Pflastersteine.
Tags�ber schillerte das Sonnenlicht in blau und gr�nen Spiegeln dar�ber
hin. Nachts versanken die bleichen trostlosen Sternstrahlen in dem tr�ben
T�mpel. Es war sehr traurig.

So dachte auch der lahme Junge auf der Th�rschwelle. Er konnte nicht mit
den anderen spielen und h�tte auch keine Freude daran gefunden. Er w�re
lieber in die Schule gegangen. Seine Mutter hatte ihn aus einem gro�en
alten Buche schon Buchstaben und Zahlen gelehrt. Aber man hatte ihn nicht
genommen. �Zu schw�chlich�, sagte der Lehrer. �Noch ein Jahr warten.� Und
er wartete. Er suchte aus den Lumpens�cken, welche der Oheim nach Hause
brachte, die Seidenfleckchen heraus und packte sie in Cigarrenkisten.
Er kehrte die dunkle dunstige Stube zusammen und sch�lte die Kartoffeln
m�glichst d�nn ab. Er stopfte dem wilden lustigen M�dchen die L�cher im
Rock und wichste ihr Sonntags mit gro�er Kraftanstrengung die Schuhe. Er
wollte das Brot doch nicht ganz umsonst essen. Und noch ein Anderes war's.

Mit dem leidenschaftlichen Liebesbed�rfnis eines kr�nklichen fr�hreifen
Kindes hing er an dem sch�nen, b�sartigen Gesch�pfe, das ihn schlug oder
liebkoste, je nachdem seine Laune war. Jeden Abend sp�hte er fiebernd vor
Erwartung die von einer einzigen Gaslaterne erleuchtete Stra�e hinunter,
bis er sie kommen sah. Einen gemeinen Walzer singend, sich l�ssig und
herausfordernd in den H�ften wiegend, an jedem Arme eine �ltere Freundin.
Sie hatten alle drei die belebtesten Stra�en der Stadt abgelaufen. Weniger
um die strahlenden Schaufenster der gro�en Gesch�fte zu betrachten, als um
mit innerlichem Vergn�gen die zweideutigen schmeichelhaften Scherze
eines Vor�bergehenden zu h�ren. Mit heimlicher unbefriedigter Erregung
schlenderten sie langsam nach Hause. Die beiden Aelteren schl�pften scheu
und geduckt in die Hausth�ren, nachdem sie sich f�r den n�chsten Abend
verabredet hatten. Die J�ngste f�rchtete sich nicht. Der Vater kam erst
sp�ter, und die Mutter ... lieber Gott! Mit �berlautem Singen tastete sie
die steinernen Stufen hinauf, bis ihr Fu� an den wartenden Knaben stie�. Er
fa�te mit den von der Nachtluft starren H�nden in den Saum ihres Kleides.
�Ich hab' auf Dich gewartet.� �Dummer Junge! W�re auch gescheiter gewesen,
Du h�ttest Dich schlafen gelegt.� Aber sie nahm ihn doch auf den Arm,
um ihn hinaufzutragen. Sie mu�te �ber den finsteren Hof. Wenn sie �ber
Kohlstrunken oder einen Haufen Kartoffelschalen stolperte, puffte sie den
Kleinen. In einem Anfalle von Reue k��te sie ihn nachher mit unheimlicher
Leidenschaftlichkeit. Keuchend unter ihrer Last langte sie in der
moderdumpfen Stube an. Eine leise schwinds�chtige Stimme klagte aus den
schweren Federkissen des Bettes hervor: �So sp�t, Kinder.� Das M�dchen gab
keine Antwort. Sie g�hnte und begann sich auszuziehen. Die Kleider warf
sie auf den Boden. Der kleine Friedel legte erst die ihren sorgf�ltig glatt
gestrichen auf den Schemel, dann auch seine eigenen. Sie hielt ihm die F��e
hin. �Zieh mir die Schuhe aus. Die Str�mpfe auch.� Und mit einer elastisch
katzenartigen Bewegung sich in das Bett schwingend, suchte sie sich die
bequemste Stelle dicht an der Wand aus. Sie w�hlte sich mit Wollust in
die dicken Kissen. Ihrem Schlafkameraden g�nnte sie nur ein notd�rftiges
Pl�tzchen. Gut, da� er nicht viel brauchte. Sein magerer kleiner K�rper
dr�ckte sich geduldig an die �u�erste Kante. Sie versank nach wenigen
Augenblicken in den tiefen Schlaf einer urgesunden, r�cksichtslosen Natur.
Der Knabe lag oft bis Mitternacht wach. Er betrachtete die vom Mondlicht
versilberten Zahnreihen der Schl�ferin, und brachte sie vorsichtig in eine
andere Lage, wenn sie mit dem Kopfe auf dem Arme ruhte. Das mache b�se
Tr�ume, hatte seine Mutter einst gesagt. Seinen Schlaf bewachte Niemand.

Morgens weckte er sie. Ein unangenehmes Amt. Sie war kaum aus dem Schlaf
zu bekommen und dann in sehr ungn�diger Stimmung. �Es ist noch eine halbe
Stunde zu fr�h. Kannst Du keine Ruhe geben, boshafter Junge.� W�hrend sie
sich ankleidete, suchte er die verstreuten Schulhefte zusammen. Sie wusch
und putzte sich wie ein K�tzchen, weniger aus Reinlichkeitsbed�rfnis als
aus Eitelkeit. Teilweise erstreckten sich ihre Bem�hungen auch auf den
kleinen Jungen. Sie rieb ihm das geduldige Gesichtchen, bis es von der
schwarzen Pechseife feuerrot brannte. Mit dem zerbrochenen Kamme scheitelte
sie seine d�nnen weichen Haare. �Das steht Dir besser, als wenn Du sie ganz
aus der Stirne gek�mmt hast.� Und er schielte mit tr�bseligem L�cheln in
die quecksilberarme Spiegelscherbe. Er wu�te recht gut, wie h��lich er war.

Von seinem Fr�hst�cksbrot gab er ihr die H�lfte. Die Mutter sah es manchmal
und schalt. Dann lachte sie ihr halb b�ses, halb �berm�tiges Lachen. �Er
darf nicht viel essen; er mu� klein bleiben. Sonst kann ich ich ihn nicht
mehr �ber die Treppe tragen.�

Manchmal traf sich's, da� die Kinder einen Nachmittag allein zu Hause
waren. Dann schlichen sie hinauf ins Magazin. Ein langer, schmaler Raum mit
halbrunden, dicht am Boden angebrachten Fenstern. Da befanden sich all die
tausend Dinge, welche der Vater gekauft hatte, um sie wieder zu verkaufen.
�Ich wei�, er hat gestern ein Ballkleid nach Haus gebracht�, sagte das
M�dchen. Und sie suchten so lange, bis sie es in einer Kiste oder in einem
Schrank entdeckt hatten. Sie jubelte. �Das zieh ich an. Friedel, Du mu�t
mir's zuschn�ren. Schuhe sind auch dabei, schau nur!� Sie konnte nicht
rasch genug in die zerknitterte Pracht schl�pfen. Das tief ausgeschnittene
Kleid, zu weit f�r ihre kindliche Gestalt, fiel fast von den Schultern
herunter. Die Aermel ihres grobleinenen Hemdchens sahen hervor. Die Schuhe
mit den schiefgetretenen Holzabs�tzen waren zu gro�. Ins Haar hatte sie
sich eine bl�tterarme Rose mit deutlich sichtbarem Wattekern gesteckt. Um
den Hals eine Kette aus gro�en zersprungenen Wachsperlen geschlungen. Mit
beiden H�nden nahm sie das Kleid vorn in die H�he, um gehen zu k�nnen.
Sie war sch�n in dem j�mmerlichen zigeunerhaften Aufputz. Das ungesunde
reizende Sch�ne der schlechtverh�llten k�rperlichen und seelischen
Nacktheit. �Trag mir die Schleppe�, befahl sie. Und er humpelte ihr nach,
in der einen Hand die Schleppe, in der andern seine Kr�cke haltend. So
zogen beide durch den staubd�mmernden Raum, sie singend, er in stummer
Bewunderung. Bis sie m�de waren. Sie setzten sich auf eine der rissigen
Kisten. Sie stemmte die Ellenbogen auf die Kniee und lie� den gr�nen
Atlasschuh auf der Spitze ihres Fu�es tanzen. Ihr kleiner Finger wies dem
Knaben einen roten fettigen Fleck am Taillenausschnitt. �Das ist Schminke�.
Er wu�te nicht, was das war. �Damit macht man sich h�bsch. Rote Wangen und
rote Lippen.� �Wer hat's Dir gesagt?� �Die von Nummer�8. Das ist eine von's
Theater.� �Was macht sie denn?� �Sie tanzt.� Sie spannte beide H�nde �ber
das Knie und beugte sich zur�ck. �Ob ich's auch k�nnte? H�bsch w�r's.� Sie
stand auf. Ein leiser versteckter Zug spielte um ihre Mundwinkel, w�hrend
sie langsam das Kleid ablegte. �Pack's wieder ein.� Er legte sorgf�ltig ein
St�ck nach dem andern in die gro�e Schachtel. Ohne Schuhe, im sehr kurzen
zerflickten Unterr�ckchen, die Blume noch im Haar und die Perlen um den
Hals, stand sie mit halb gehobenen Armen da, halblaut, aber scharf im Takte
eine Tanzweise summend. Z�gernd, versuchend folgten ihre F��e der Melodie.
Erst vor, dann zur�ck, immer vereint mit der leicht gleitenden Bewegung des
Oberk�rpers. Nach wenigen Sekunden waren die Schritte rascher, sicherer,
die F��e l�sten sich vom Boden. Das atemlose Lachen, das von den
weitge�ffneten Lippen klang, war nur die Einleitung zu einem Wirbel wilder
Bewegungen. Feurig, sinnlich sch�n, aber ohne Weichheit, ohne Reinheit. Sie
tanzte, bis sie sprachlos, schwindelnd niederst�rzte. Der kleine Friedel
kniete erschrocken neben ihr. Sie richtete sich atemringend in die H�he.
�Weine nicht.� Sie schlug ihn auf die Finger. �Ich kann das Weinen nicht
leiden.� Langsam, liebkosend streichelte sie ihre Arme und k��te sich mit
einem seltsamen Ausdruck auf die Schultern. �Ich bin doch sch�n. Wenn ich
nur schon st�rker w�re�--�

Drei Tage sp�ter war in der engen Stube gro�er L�rm. Die Mutter weinte, die
heisere r�chelnde Stimme des Vaters schalt und fluchte, der Knabe dr�ckte
sich krampfhaft �ngstlich in eine Ecke. Das M�dchen stand ein wenig bla�,
mit �bereinander gebissenen Z�hnen in der Mitte des Zimmers. Aber nicht die
leiseste Erregung zitterte in ihrer Stimme. �N�chsten Monat komme ich doch
aus der Schule�....� Der Vater lie� sie nicht ausreden. �Dann steck' ich
Dich in ein Gesch�ft, wo man Dir aufpa�t.� �Das Fr�ulein wird im Theater
schon auf mich Acht geben.� �Die soll erst selber auf sich Acht geben,
die Person die�....� �Und im Theater bekomme ich jeden Monat f�nf Mark. Im
Gesch�ft geben sie mir im ersten Jahr gar nichts.� F�nf Mark! Das wirkte.
Der Vater dachte daran, wie viel er sich plagen mu�te, um f�nf Mark zu
verdienen. Wenn das dumme M�del es f�r ein bi�chen Springen und H�pfen
bekommen konnte -- gut. Und er wollte ihr schon die Knochen entzwei
schlagen, wenn sie sich unterstehen sollte�....

Sie unterstand sich gar Vieles. Aber er wu�te nichts davon. Denn sie war
klug. Sie ging jetzt t�glich ins Theater. �Balletratte� schrieen ihr die
Kinder in der Stra�e nach. Dem kleinen Friedel wurde es bei dem Worte immer
so sonderbar hei� und schwindlich. Er wu�te nicht warum. Er hatte sich
schon an so viele h��liche Worte gew�hnt. Er gebrauchte sie selbst. Er war
ja ein Kind. Er hatte der Verdorbenheit nichts entgegenzusetzen. Nicht die
bessere Erkenntnis, nicht die Kraft des Willens. Aus seinem Wesen war die
unbewu�te Feinheit gewichen, die sein h��liches Gesichtchen angenehm und
r�hrend gemacht hatte. Um die Mundwinkel lagerte schon ein leiser Strich
der Gew�hnlichkeit. Nur die Augen waren noch klar und sanft wie einst.
Denn in ihnen schimmerte die Rettung des einsamen Kindes. Die gro�e stille
Liebe, ob auch f�r ein unwertes Gesch�pf. Er ahnte es dunkel -- und liebte
sie. Er mu�te jetzt noch mehr leiden als fr�her. Er konnte sie abends nicht
mehr erwarten. Sie kam oft erst um zehn oder um elf Uhr nach Hause. Sie
hatte �zu thun�.

War sie tags zu Hause, so achtete sie nicht auf ihn, sondern arbeitete. Sie
machte stundenlang mit Armen und F��en ein und dieselbe Bewegung. Der Knabe
sah ihr sch�chtern und geduldig zu. �Was machst Du da?� fragte er manchmal.
Und sie erkl�rte herablassend: �Das ist ein Steh-Gliss� und das ist ein
Balanc� und das ist ein Chass�.� Des �fteren wurde sie �rgerlich auf sich.
�Ob ich mich nicht mehr in die H�fte legen kann!� Dann arbeitete sie mit
solcher Heftigkeit und Ausdauer, bis sie, mit wei�en eisigen Lippen, auf
einen Stuhl sank. Sie sah auch sonst nicht mehr so frisch aus. Unter den
Augen schwammen mattblaue Schatten und die Lider waren von gelbbr�unlicher
F�rbung. Sie fing an, sich zu pudern. Ihr Anzug war ein Durcheinander
von Putz und Armseligkeit. Sie stahl ihrem Vater alle Augenblicke eine
Schleife, eine zerknitterte Blume, ein unechtes zerbrochenes Schmuckst�ck.
Sie k�mmte sich die Locken tief in die Stirne, und verl�ngerte mit
angebrannten Schwefelh�lzchen ihre Augenbrauen. Sie wurde unzufrieden und
verbittert. Die f�r die Uebungsstunden notwendigen Gegenst�nde mu�te sie
sich selbst beschaffen. Dazu reichten die f�nf Mark monatlich gerade hin.
Leinwandschuhe ohne feste Sohlen, bis weit �bers Knie reichende Str�mpfe,
Gazer�cke und kurze weite Pumph�schen. Der kleine Friedel stopfte mit
grober Wolle die rasch durchgetanzten Schuhe. Er n�hte die abgerissenen
Kn�pfe ans Mieder, und die B�nder an die H�schen. �Genierh�schen�, sagte
sie mit zusammengekniffenen Augen. Was er sich heimlich gr�mte. Er h�tte
das kleine Bild seiner Mutter darum gegeben, sie einmal wieder l�cheln
zu sehen. Sie l�chelte nicht mehr. Den zeitweiligen Vorw�rfen des Vaters
setzte sie so herausfordernden Trotz entgegen, da� er anfing zu schweigen.
Langsam verlor er die Gewalt �ber sie. Sie f�rchtete ihn nicht mehr.

Eines Tages zeigte er seiner Frau ein feines Schmuckk�stchen. �Da habe
ich was billig gekauft. Schau her.� Er hielt ihr ein h�bsches Armband aus
doppelreihigen Granaten hin. Das M�dchen stand daneben. �Schenk mir's.�
-- �Bist Du verr�ckt? Das wird nochmal so teuer verkauft. Freilich, Dir
schenken!� Er packte den Schmuck wieder ein und ging. Sie sah ihm starr
nach. In ihrem Antlitz d�mmerte der drohende Entschlu� der S�nde. Der Junge
fa�te angstvoll ihre Hand. �Das Armband -- ist das so teuer?� �Teuer! Wenn
man's im Laden kauft -- f�nfzehn Mark. Ein Lumpengeld. O wenn ich wollte
-- nicht heimkommen, nur eine Nacht�--� Sie bi� sich erschrocken auf die
Lippen. Aber der Knabe hatte begriffen. Die Kinder in der Mauernstra�e
begreifen so schnell. Er f�llt vor ihr nieder. �O, Du, Du -- das thust Du
nicht. Ich versprech' Dir's -- bis Weihnachten schenk' ich Dir das Armband
-- aber Du kommst heim, gewi�, Du kommst heim.� Sie versteht seine Worte,
aber nicht den rasenden Schmerz, der seine Stimme entzweibricht. Ein
letztes menschliches Empfinden, das Mitleid, regt sich in ihr. �Dummer
Junge -- was f�llt Dir denn ein? Freilich komme ich nach Haus. Sei nur
still!�

Er ist still. Sehr still. Er atmet kaum. Es thut ihm weh. Am n�chsten
Morgen steht er fr�stelnd im nassen Novemberwind vor der Hausth�re. Sein
wei�es blutloses Kindergesicht ganz starr, ganz farblos. Er schleppt sich
m�hselig die schmutzige schwarze Stra�e entlang. An der Ecke bleibt er
nochmals stehen. Sein K�rper zittert vor innerlichem Schluchzen. Aber er
geht weiter, biegt in die gro�e l�rmende Stra�e ein. Er geht betteln.

Tag f�r Tag. Die Vor�bergehenden wissen nicht, welch' wehevolle
Ueberwindung jede Bitte aus diesem kleinen schmerzverzerrten Munde ist. Es
schaut ihm ja Keiner in die Augen. Sie blicken aus dem m�den Gesichtchen
wie zwei aus dem Herzen emporgewachsene Todesblumen. Denn er stirbt
langsam. Er stirbt an der Schande.

Jeden Abend wechselt er seine kleinen M�nzen in einem B�ckerladen. Die
dicke gutm�tige Frau hat so gro�es Mitleid mit ihm. Sie hat auch noch nie
solch' seltsames Bettelkind gesehen. Als er am zweiten Abend kam, wollte
sie ihm ein St�ckchen Kuchen zustecken. Er dankte mit unverst�ndlicher
Heftigkeit. Und als sie es ihm mit Gewalt in die Tasche schieben wollte,
fing er an zu weinen. �Nein, nein.� �Warum nicht?� �Ich will nichts f�r
mich.� �Ist denn das Geld nicht f�r Dich?� �Nein.� �F�r wen denn?� Er
bleibt stumm. Auf dem Heimweg schleicht er sich regelm��ig an einem gro�en
Juweliergesch�ft vorbei. Da hat er im Schaufenster genau so ein Armband
entdeckt wie jenes. Zwei Reihen Granaten mit schmalem goldenem Schlo�.
Auf einem Zettelchen steht der Preis notiert. Vierzehn Mark und f�nfzig
Pfennige. Soviel Geld!

Daheim fragt ihn Niemand, was er den ganzen Tag auf der Stra�e macht. Oft
kommt er sp�t nach Hause. Sie wissen's gar nicht. Ob der kleine Junge im
Bette liegt oder nicht, es k�mmert sich Keiner darum. Und wenn er kommt,
schleicht er so leise durch das Zimmer, da� sie ihn nicht h�ren.

Der Weihnachtstag. Er steht an der Sta�enecke, frierend, in Todesangst.
Er hat noch nicht genug. Wie flehend er seine von gro�en roten Frostbeulen
bedeckten H�nde den Vor�bergehenden entgegenstreckt. Aber die haben's heute
so eilig. Wer sieht solche kleinen Betteljungen. Der Weihnachtstag wird
f�r ihn der schlimmste. Er hat nichts, gar nichts bekommen. Es ist dunkel
geworden. Er h�lt sich an der schneeverwehten Mauer. Er geht nicht nach
Hause, wenn er sein Versprechen nicht erf�llen kann. Ihm gerade gegen�ber
blitzt's und funkelt's im Schaufenster des Juweliers, sein Verlangen und
seine Hoffnungslosigkeit nur vergr��ernd. Das Menschengew�hl hat l�ngst
nachgelassen. Die wenigen noch Vor�bereilenden wagt er nicht mehr
anzureden. Er f�llt auf die Kniee und weint. Pl�tzlich f�hlt er, da� Jemand
neben ihm stehen bleibt. �Lieber Gott, Kind -- warum weinst Du denn?�

Ein junges M�dchen steht neben ihm. Das rote Licht der Gaslaternen glitzert
auf den Stahlkn�pfen ihres dunkelblauen Tuchmantels. Er kann vor Schluchzen
nicht reden. Sie hebt ihn mitleidig in die H�he �Willst Du etwas? Kann ich
Dir etwas helfen?� Er blickt auf, in ein schmales, freundliches Gesicht mit
ruhigen, grauen Augen. Er faltet die H�nde. �Das Armband -- da dr�ben. Ich
mu� es haben. Und ich habe nicht genug.�

Sie stutzt. �Wof�r brauchst Du denn ein Armband?� Er giebt keine Antwort,
murmelt nur eint�nig, herzzerrei�end vor sich hin: �Das Armband -- das
Armband.� Sie fa�t ihn bei der Hand. �Komm' mit.� Sie f�hrt ihn �ber die
Stra�e, gerade vor das Schaufenster. �Welches willst Du?� Er weist hin.
�Da, da.� �Wie viel Geld hast Du?� Er giebt ihr ein schmutziges Papier.
Darin hat er's aufbewahrt. Sie z�hlt es nicht, sieht ihn nur nochmals an.
�Warte hier. Ich werde Dir das Armband kaufen�...� Ihm ist, als fiele der
ganze gro�e Sternenhimmel zu seinen F��en nieder. Er sucht und ringt nach
einem Worte. �Mutter, Mutter!� Er findet kein anderes. Das junge M�dchen
kommt aus dem Laden zur�ck und steckt ihm ein feines buntes Sch�chtelchen
in die H�nde. �Da -- das ist Dein Christkindchen. Nun weine nicht mehr.
Gute Nacht.�

Nach Hause! Nur nach Hause! Durch die stillen, eisigen Stra�en stolpert
er atemlos dahin, nicht einen Blick nach den weihnachtshellen Fenstern
hinaufwerfend. In der Mauernstra�e ist's dunkel. Die Gaslaterne brennt
noch. Er steht vor der Th�re und dr�ckt angestrengt auf den rostigen
eisernen Knopf. Er giebt nicht nach. Die Th�re ist verschlossen. Es schl�gt
neun Uhr. Was soll er thun? Klopfen? Rufen? Man wird ihn nicht h�ren. Und
er f�rchtet sich auch. Er will warten. Um zehn Uhr mu� sie heimkommen. Sie
hat sich heute morgen den Hausschl�ssel von der Mutter geben lassen. Es sei
abends noch eine gro�e Probe, aber um zehn Uhr sei sie gewi� zu Hause.
Er wartet. In die Ecke zwischen Th�re und Mauer gedr�ckt, in der Hand
das Armband. Er hat es aus dem Sch�chtelchen herausgenommen, um es zu
betrachten. Wie's funkelt! Er denkt an ihre Freude. Nur daran. Nicht an
seine Schmerzen. Auch nicht an die Geberin. Nur an sie.

Zehn Uhr. Nun wird sie gleich kommen. Wirklich Schritte ... Er beugt sich
weit vor. Es ist nur der Mann, der die Laternen ausl�scht. Sie nicht. Die
Probe kann l�nger gedauert haben. Sie hat sich vielleicht versp�tet. Sie
wird schon kommen. Gewi�. Es wird immer k�lter. Er steckt die H�nde in die
Hosentaschen und zieht abwechselnd die F��e empor. Ist das ein trauriges
Warten in der schneehellen, todesstillen Winternacht. Von Viertelstunde zu
Viertelstunde verfolgt er die dr�hnenden Schl�ge der Turmglocke. Elf
Uhr. Sie ist nicht da. Er weint nicht. Er dr�ckt die H�nde in die kleinen
spitzigen Eiszapfen an den Mauervorspr�ngen. Wem er umsonst gebettelt
h�tte, umsonst�...! Ihm ist, als m��te das Blut zu seinen entz�ndeten Augen
herausspritzen. Und warten, warten, warten! Er kann vor K�lte nicht
mehr ruhig stehen. Er humpelt die Stufen herunter und wankt hin und her.
Mechanisch drei Schritte vor und drei zur�ck, den Kopf weit zur�ckgeworfen,
zum silberschimmernden Weihnachtshimmel aufstierend.

Mitternacht. -- Er wirft sich zu Boden, heult und bei�t mit den Z�hnen in
die gefrorene Erde. Seine Kr�cken hat er weit von sich geworfen. Auf allen
Vieren kriecht er zur Th�re zur�ck. Und liegt da -- �chzend, wimmernd,
sterbend. Er verliert das Bewu�tsein. Eine rote, glitzernde Schlange mit
goldenem Kr�nchen ringelt sich um seinen Hals. Sie erw�rgt ihn. Er regt
sich nicht einmal. Da knarrt's �ber den Schnee her. Er richtet sich
krampfhaft wild empor. Seine flimmernden Augen sehen zwei dunkle,
aneinandergepre�te Gestalten. Mehr kann er nicht erkennen. Er h�rt nur,
h�rt -- Worte, die ihm alles Blut in Thr�nen verwandeln. Umsonst!

M�de, schwankend kommt sie die Stufen herauf. Ihre tastende Hand st��t an
den Knaben. Sie f�hrt zur�ck. Er streckt ihr die erstarrte Hand mit dem
funkelnden Reif entgegen. �Da -- Dein Armband. Wei�t Du, ich -- habe --
gebettelt.� Er f�llt schwer und steif vor ihren F��en zu Boden. Er ist tot.




=Milost pan.=


_Personen_:

  William Stoneberg.
  Katya Stanyek.
  Ein Diener.


Ein gro�es Zimmer. Im Hintergrund rechts eine Th�re. Vorn rechts ein
ge�ffneter Fl�gel mit Notenheften und Partituren bedeckt. In der Mitte des
Zimmers ein gro�er, runder Tisch. Darauf ein Schreibzeug. Rechts und links
St�hle. Links vorn in einer Gruppe von Zierpflanzen eine schwarze S�ule
mit gro�er Beethovenb�ste. Dicht davor ein kleiner Tisch mit zwei niedrigen
Fauteuils. Weiter zur�ck links ein Fenster mit schweren Vorh�ngen. In der
Mitte des Hintergrundes ein hohes Regal mit Partituren. Rechts und links
davon Luftheizungsklappen. Die ganze Einrichtung schwer und dunkel. Es ist
vollkommen Nacht.


Scene 1.

Die Th�re wird von au�en aufgeschlossen. Stoneberg in Winterrock und
Cylinder. Der Diener tr�gt eine Lampe und einen Violinkasten. Die Th�r
bleibt offen. Man sieht in ein kleines Vorzimmer mit einigen Rohrst�hlen,
Kleiderhaken und Schirmst�ndern. Von ferne h�rt man ganz leise die
spanischen Weisen von Sarasate mit Orchesterbegleitung.

_Stoneberg_ (auf den Mitteltisch deutend): Hierher.

(Der Diener stellt den Kasten und die Lampe nieder, hilft dann Stoneberg
den Ueberrock ablegen. Stoneberg ist in Frack und wei�er Kravatte.)

_Stoneberg_: Ich kann hier bleiben, ungest�rt?

_Diener_: Ganz ungest�rt. Das Zimmer wird nur vor- oder nachmittags zu den
Einzelproben ben�tzt. Abends nie.

_Stoneberg_: Gut. Z�nden Sie das Gas an. (Zieht die Handschuhe aus, reibt
sich die H�nde.) Unertr�gliche K�lte.

_Diener_: Ich werde sogleich die Heizungsklappen �ffnen.

_Stoneberg_ (geht an eine der ge�ffneten Klappen, die H�nde in die
ausstr�mende warme Luft haltend, spricht mit r�ckw�rts gewendetem Kopf
zu dem Diener, der die Fenstervorh�nge zuzieht und das Gas anz�ndet): Wie
lange bleibt der Portier auf?

_Diener_: Nach Schlu� des Konzertes noch eine Stunde. Aber wenn Herr
Stoneberg w�nschen, da� er l�nger�....

_Stoneberg_: Nein; so lange bleibe ich nicht. (Geht im Zimmer umher, bleibt
vor dem Fl�gel stehen): Ah, ein Stoneberg. (Schl�gt ein paar Tasten an
und geht dann an den Mitteltisch, sucht einen Briefbogen und ein Couvert
heraus, schreibt. Der Diener ist unterdessen mit dem Anz�nden fertig
geworden.)

_Diener_: W�nschen Herr Stoneberg noch etwas?

_Stoneberg_ (schreibend): Warten Sie. (Der Diener geht ins Vorzimmer.)

_Stoneberg_ (schreibend): Sie haben auch den Dienstmann bezahlt, welcher
den Violinkasten aus meinem Hotel holte?

_Diener_: Ja.

_Stoneberg_ (steht auf, wirft einen pr�fenden Blick nach dem Diener, geht
langsam im Vordergrund des Zimmers auf und ab, halblaut das Geschriebene
lesend): �Gn�digste! Heute Abend habe ich mich �berzeugt, da� Ihr
Instrument der K�nstlerin nicht w�rdig ist. Sie haben das Adagio des
Beethovenkonzertes nicht gespielt, wie Sie es spielen k�nnen. Das Publikum
hat es nicht bemerkt, wohl aber das Ohr eines Musikers. Ich habe mich daher
entschlossen, Ihnen die in meinem Besitz befindliche Amati zu �berlassen.
Ich mu� so unh�flich sein, Sie noch heute Abend zu bem�hen. Ein vor wenigen
Stunden erhaltenes Telegramm zwingt mich morgen fr�h f�nf Uhr zur Abreise
nach New-York. Darf ich Sie f�r wenige Minuten auf das neutrale Gebiet des
Probezimmers bitten? Ich habe das Instrument holen lassen, Sie k�nnen es
genau pr�fen. Ihr bewundernder Verehrer William Stoneberg.� (Geht an den
Tisch, schlie�t den Brief in ein Couvert, schreibt die Adresse, winkt dem
Diener.) Gehen Sie ins K�nstlerzimmer und warten Sie bis zum Schlu� des
Konzertes. Wenn Fr�ulein Stanyek kommt, �bergeben Sie ihr diesen Brief und
bitten um Antwort. Sollte sie es verlangen, so f�hren Sie die Dame her. Nun
-- (zieht seine B�rse heraus) f�r den Dienstmann und Ihre Bem�hungen.

_Diener_: Danke, gn�diger Herr. (Geht, schlie�t hinter sich die Th�re.)


Scene 2.

_Stoneberg_ (allein. Klappt seinen Cylinder zusammen, tr�gt den Ueberrock
auf einen Stuhl im Hintergrund, �ffnet den Violinkasten). Wird sie
kommen? Glaube wohl. Anstandsr�cksichten kommen bei ihr nicht allzuviel
in Betracht. Und wo sich's um eine Amati handelt, um diese Amati! -- Aber
warum _lass'_ ich sie kommen? Um ihr die Amati zu �berlassen? Ich denke
nicht daran. Es w�re denn, da� sie einen Preis daf�r zahlt, einen Preis ...
ich glaube nicht, da� sie ihn zahlt. Aber versuchen. Und einmal will ich
mit ihr allein gesprochen haben. Ganz allein. -- Dies Gesch�pf! Was zwingt
mich zu ihr? Ihr Lachen, ihr gro�es tolles Lachen -- und ihre schwerm�tigen
Augen. Ich verstehe sie nicht. Geh�rt sie zu den Frauen, die nur deshalb
reizend sind, weil sie sich an der �u�ersten Grenze bewegen? Ich habe viel
Unpassendes von ihr gesehen, tausend Sonderbarkeiten wie die r�tselhafte
G�rtelkette, nie etwas Unschickliches. Bin ich noch deutsch-sentimental
genug, da� ihre Begabung auf mein Gef�hl wirkt? Zwanzig Jahre in Amerika
und noch sentimental. (Pause.) Ob ich mir nicht Unrecht thue? Sentimental?
Es k�nnte noch eine andre Regung dabei sein. Ich w�rde sie mir leichter
verzeihen. (Die Musik verstummt. Man h�rt lange anhaltenden Applaus.) Zu
Ende. Nun werde ich ja gleich wissen .... (Geht mit kurzen Schritten auf
und ab, f�hrt sich ein paarmal erregt �ber die Stirne. Aergerlich):
Da� mich so etwas noch nerv�s machen kann! Was ist's denn? Ein
kleines Slavenm�dchen von m�glichst dunkler Herkunft. Aufgewachsen im
k�nstlerischen Vagabundentum. Darin liegt meine Hoffnung. Und in der Amati.
(Er nimmt die Violine aus dem Kasten, betrachtet sie. Es klopft.)

_Stoneberg_: Herein.


Scene 3.

_Katya Stanyek_ (tritt ein, l��t die Th�re halb offen. Man sieht den Diener
und eine �ltere, einfach gekleidete Person. Katya ist in vollst�ndig wei�er
Konzerttoilette. Nur an der Schulter und im Haar dunkle Rosen. Um die
Taille eine feine, goldene G�rtelkette, deren Enden sich in einer Falte des
Kleides verlieren. Lose um die Schultern geschlungen ein wei�es Seidentuch.
In der linken Hand h�lt sie Stonebergs offenen Brief und ein kleines
Taschentuch. Sie ist etwas ersch�pft, in starker aber verhaltener Erregung,
spricht mit durchaus czechischem Accent, aber ohne Gew�hnlichkeit, mit
weicher, ein wenig gebrochener Stimme.)

_Katya_: Bin ich da. (Tritt an den Tisch.) Also?

_Stoneberg_ (verletzt, macht ihr eine ostentative Verbeugung): Ich habe die
Ehre, meine Gn�digste, Sie zu begr��en.

_Katya_ (ohne darauf zu achten): Wie viele Geld verlangen Sie? Bitte --
rasch.

_Stoneberg_: Gn�diges Fr�ulein, Sie nehmen die Sache sehr gesch�ftlich.
Ich halte die Hergabe einer Amati f�r mehr als einen blo�en Handel.
Zum mindesten ist dabei ein oder das andere Wort zu reden, welches die
Dienerschaft nicht zu h�ren braucht. (Geht an die Th�re, schlie�t sie.)

_Katya_ (folgt ihm mit den Augen): Ah -- so! (Geht.)

_Stoneberg_ (f�r sich): Was?! (Laut, mit halbem Lachen): Das h�tte ich von
Fr�ulein Stanyek nicht erwartet. Sie f�rchten sich?

_Katya_ (schon an der Th�re, wendet sich rasch um, mi�t ihn von oben
bis unten, greift einen Moment an die G�rtelkette): Nein. (Geht an den
Mitteltisch, fest sich auf den Stuhl rechts, nimmt ihr Tuch ab.)

_Stoneberg_ (nimmt den Stuhl links): Gestatten�... ...�(setzt sich.)
Gn�diges Fr�ulein, Sie befinden sich in einer ungew�hnlichen -- bei Ihnen
ganz ungew�hnlichen Aufregung. Ich halte mich f�r berechtigt, nach der
Ursache zu fragen.

_Katya_ (schweigt).

_Stoneberg_: Wenn Sie meiner Neugierde die Erkl�rung verweigern, so
gew�hren Sie dieselbe meiner Teilnahme. Ich helfe gerne -- Ihnen. Was haben
Sie?

_Katya_ (in Thr�nen ausbrechend, wirft sich vorn�ber auf die Tischplatte):
Hab' ich gespielt schlecht.

_Stoneberg_: Schlecht gespielt?! Heute? Sie haben mit einem Feuer, mit
einer Leidenschaft gespielt, das Publikum�--

_Katya_: Feuer, Leidenschaft, Publikum! Adagio habe ich gespielt schlecht.
Und Narren da unten haben geschrieen Bravo. O, h�tten ausgezischt mich, mir
w�re nicht so ungl�cklich. Aber nehmen Lob und haben nicht verdient. Ist
mir in Herzen, als h�tte ich beschimpft Mutter Gottes.

_Stoneberg_: Ach, lassen Sie doch die Mutter Gottes aus dem Spiel. Sie thun
dem Publikum Unrecht und sich. Haben Sie Ihre Ansicht vielleicht meinen
Zeilen entnommen? Sie haben das Adagio ausgezeichnet gespielt. Nur meine
hohe Meinung von Ihrer Begabung veranla�t mich zu dem Glauben, da� Sie's
noch besser k�nnen.

_Katya_: Sie sind Narr wie Andere. Wissen nicht, da� man spielt Beethoven
schlecht, wenn man nicht spielt Beethoven vollendet.

_Stoneberg_: Demzufolge m��ten freilich s�mtliche moderne Virtuosen das
Beethovenspielen aufgeben.

_Katya_: Ich nicht geh�re zu Ihre moderne Virtuose. Hexerei von gro�e
Technik haben keine Wert f�r mich, seit ich kann Hexerei. Wei� ich sehr
gut, da� ich kann mehr als die Andere. Und hab' ich gesehen heute, da� ich
kann gar nichts.

_Stoneberg_: Auf die Gefahr hin, mich wieder von Ihnen den -- Narren
beigez�hlt zu h�ren, erlaube ich mir nochmal die Bemerkung, da� Sie sich
Unrecht thun. Sie haben den ersten und letzten Satz des Beethovenkonzertes
gespielt wie -- wie eben nur Sie es k�nnen. Wenn das Adagio Sie nicht ganz
befriedigen konnte, so liegt die Schuld an dem Ton Ihres Instruments.
Er ist gro�, kr�ftig, aber ohne jene h�chste Weichheit, jene innere
Verkl�rung, wie sie einer -- Amati innewohnt.

_Katya_ (leise): Wei� ich lange wohl. Aber will ich nicht geben zu mir. Ist
so j�mmerlich, suchen Entschuldigen f�r Nichtk�nnen von sich selbst.

_Stoneberg_: Also diese weibliche Schw�che haben Sie nicht. Nur thun Sie
auf der anderen Seite zuviel. Und wenn Sie wirklich schlecht gespielt
h�tten, so verstehe ich noch immer nicht, warum Sie die Sache so tragisch
behandeln, als ein solches Ungl�ck.

_Katya_: F�r mich -- ist es Ungl�ck.

_Stoneberg_ (zuckt die Achseln).

_Katya_ (mit tiefgesenktem Haupt, sehr leise beginnend.) Seit erstemal habe
ich geh�rt einer Melodie von Beethoven, ist Herz geworden taub f�r andere
Ton. Hab' ich gespielt viel andre Ton, weil ich wollte lernen. Wollt' ich
warten, bis ich konnte ganz viel, um es zu machen recht f�r Beethoven. Aber
wenn ich habe gespielt andre Ton, war es immer so leise in mir: =Kde je
-- milost Pan?= Wo ist -- gn�diger Herr? O mein gn�diger Herr, hab' ich es
gemacht schlecht!

_Stoneberg_ (f�r sich): Interessante Kom�die. Gut gespielt. Nur ihre Augen
-- ich darf nicht hineinschauen. Sonst fange ich an, ihr zu glauben�....

_Katya_: Ist ungeschickt von meine Mund, Ihnen sagen solche Worte. Aber bin
ich so gro�e Trauer.

_Stoneberg_: Und in solchen F�llen thut es den Damen wohl, sich
auszusprechen. Bitte, sprechen Sie nur weiter. Einem Freund gegen�ber�--

_Katya_ (sehr rasch): Sie nicht sind Freund von mir.

_Stoneberg_: Warum nicht?

_Katya_: Wei� nicht so deutlich. Und Sie kennen gar nicht mich.

_Stoneberg_: Sie kennen mich auch nicht.

_Katya_: O ja.

_Stoneberg_: So?

_Katya_: Sie haben gewesen arm in Deutschland und haben verdient viele
Geld in Amerika. Nun Sie haben gemacht Ihre Namen bis in die H�lfte
amerikanisch. Stone-berg. Ihre deutsche Name ist Steinberg. Das ist nicht
gefallen mir. W�rde ich nie nehmen eine andere Nam' als die von meiner
Vaterland.

_Stoneberg_: Mehr haben Sie mir nicht vorzuwerfen?

_Katya_: Doch. Ist mehr noch. Aber kann man nicht sagen es.

_Stoneberg_: Sagen Sie's nur. Meinen Ohren wirds nicht weher thun es zu
h�ren, als Ihren Lippen es auszusprechen. Die Schellenkappe haben Sie mir
vorhin schon aufgesetzt. Ich nehm's Ihnen nicht �bel, wenn Sie mir auch
noch die Pritsche in die Hand geben.

_Katya_: An die Uebelnehmen -- die Uebelnehmen ist mir gleich. Werd' ich
Ihnen sagen ganze Wahrheit. In Ihre Herz ist geblieben noch eine
kleine St�ck von deutsche Wald und so klare Blum'. Doch �ber sie stehen
amerikanische Verstand, der ist so klug und haben eine gro�e Sack mit Geld.
Und �ber Wald und Blume und Verstand und Sack mit Geld ist gebreitet eine
lange Teppich von H�flichkeit und ganz feiner Benehmen. Seit ich bin hier
vier Wochen habe ich gesehen Sie vieler Abend in gro�er Gesellschaft. Haben
Sie nie gemacht eine Fehler und haben nie gesagt besseres Wort als andre
feine Herrn.

_Stoneberg_: Wissen Sie denn, Fr�ulein Stanyek, da� Ihre Worte eine gro�e
Schmeichelei f�r mich sind? Sie haben mich ja beobachtet, als ob ich Ihnen
interessant w�re.

_Katya_: Hat man gesagt zu mir, Sie sind gewesen arm als kleine Junge. Sie
sind gegangen ganz mit sich allein �ber Meer und haben gemacht Arbeit so
viel und so gut, bis Sie waren reiche Mann, vor dem Leute haben Achtung. So
hab' ich gehabt Aufmerken f�r Sie -- weil ich war auch arm.

_Stoneberg_: Sie waren arm? Davon hab' ich nichts geh�rt. Aber sonderbare
Dinge von Ihrer Herkunft. Eine sehr romantische junge Dame erkl�rte mir
mit gro�er Bestimmtheit, Sie stammten von echt indischen Zigeunern ab.
Der franz�sische Gesandtschafts-Attach� �u�erte sich mit liebensw�rdigem
L�cheln dahin, er hielte Sie f�r die Tochter eines ungarischen Magnaten;
ein Dritter�--

_Katya_: Haben Unrecht alle. Wahrheit wei� nur eine Mensch. Ich.

_Stoneberg_: Wollen Sie auch mir ein Geheimnis daraus machen?

_Katya_: Ja.

_Stoneberg_ (erregt): Was haben Sie f�r einen Grund? M�ssen Sie sich
vielleicht der Wahrheit sch�men?

_Katya_ (schweigt).

_Stoneberg_: Reden Sie, ich bitte, reden Sie.

_Katya_: Habe ich keine Grund zu sch�men mich, aber Grund Wahrheit nicht
zu sagen. Sage ich ihr jetzt, so schreiben Sie morgen gro�er Artikel in
Zeitung �ber Leben von Katya Stanyek.

_Stoneberg_: Ich werde schweigen. Mein Ehrenwort.

_Katya_: Ehrenwort? Habe ich geh�rt schon oft geben Ehrenwort und dann
(macht die Bewegung des Entzweibrechens) -- mitten entzwei. Nein. Ist
nichts Ehrenwort.

_Stoneberg_: Sie m�gen an manchen Menschen solche Erfahrungen gemacht
haben. Ich halte denjenigen, der sein Wort bricht, f�r einen Schurken, dem
nur eins �brig bleibt: sich eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Nochmals:
mein Ehrenwort.

_Katya_ (sieht ihn eine Weile stumm an): Sehen wohl, jetzt haben wieder
gerauscht deutsche Wald in Ihre Herz. -- Haben Sie geh�rt, was macht B�hme,
wenn wird geboren eine Kind?

_Stoneberg_: Nein.

_Katya_: Rechts von Kind legt man Geige, links von Kind Beutel mit Geld.
Greift Kind nach Geige, wird es Musikant. Greift Kind nach Geld, wird es
Dieb.

_Stoneberg_: Es war schon kl�ger von Ihnen, nach der Geige zu greifen.

_Katya_: Habe ich m�ssen thun. Hat mir nur hingelegt Geige. Vater hatte
keine Beutel mit Geld. War b�hmische Musikante, wo ziehen hinauf hinunter
an gro�e Flu� Moldau. Hatte junges Weib mit Augen von Nacht und kleine Fu�.
War nachgelaufen arme b�hmische Musikante und geworden sein Weib ohne Ring
an Finger und ohne Segen in Kirche. Ohne Segen! Auf Landstra�e war geboren
kleine Katya, auf Landstra�e junge Weib war tot.

_Stoneberg_ (ist ein wenig n�her ger�ckt, beobachtet Katya mit wachsender
Teilnahme): Und dann?

_Katya_: Dann hat Vater getragen kleine M�dchen auf der R�cken durch ganze
Land. Waren Leute viel mitleidig, weil er war immer so traurig und hatte
nur lieb kleine Katya. Hab' ich gelernt eher Singen wie Gehen. Und spielen
auf Geige. Hat so geweint Vater als erstemal spielte ich ohne Helfen: =Kde
domov muj=�--

_Stoneberg_: Was hei�t das?

_Katya_: Das ist sch�nste b�hmische Volkslied und hei�en: Wo ist meiner
Heimat? Hab' ich es gesungen oft mit so hei�er Gef�hl und habe gehabt
in Heimat so gro�e Weh. Hab' ich gef�rchtet mich, wenn kam wei�e stille
Schnee. War viel kalte Nacht und haben wir gehabt oft keine Bett zu
schlafen. Aber bei H�user, wo wird gemacht bunte Glas, liegt gro�e Berg von
Asche. Wird gefahren aus Ofen f�r Glas und ist warm. Haben wir uns gew�hlt
in warme Asche und geschlafen. Nach eine Nacht ist Vater geschlafen sehr
lange. Hab' ich genommen Geige, gespielt =Kde domov muj=. Vater haben
geschlafen weiter. Hab' ich gewu�t, er war tot. Leute haben gesagt, Asche
war zu hei�, haben gehabt in sich b�se Dampf, arme Vater ist erstickt.
Arme, arme Vater.

_Stoneberg_: Armes Kind.

_Katya_: Hab' ich wollen springen hinein in Grab zu meine Vater. Aber Leute
haben gehalten mich. Hab' ich geschrieen wie wilde Tier und gebissen mit
Z�hnen vor meine Jammer. Ist gekommen alte Herr von Haus mit buntes Glas,
haben gesagt, er will geben viele Geld, weil ist geschehen mir so gro�e
Ungl�ck auf seiner Eigentum. Haben mich schon geh�rt spielen Geige seine
Arbeiter. Haben gesagt zu alte Herr, er soll schicken mich in Praha und
geben zu gute Lehrer von Geige. Haben er gethan. War ich noch so kleine
Kind von sechs Jahre, haben er mich lassen bringen in Praha durch eine von
seine Arbeiter. Eine junge Mensch mit guter Gesicht. Haben mich gebracht zu
seine Mutter. Alte Frau mit Schnee auf Haar. Alte Frau war gut mit traurige
Kind. Haben gef�hrt zu ber�hmte Lehrer von Geige. Hab' ich nicht wollen
spielen vor. Habe wollen spielen nie wieder, nie wieder. Alle Rede von alte
Frau und ber�hmte Mann waren keiner Hilfe. Ist geschehen eine Wunder. Im
Zimmer neben haben gespielt eine Hand einer Melodie .... oh .... bin ich
gefallen auf Knie, habe gebeten ber�hmte Mann, mir geben Lehre, da� ich
k�nnte spielen eine Mal in meiner Leben solcher Melodie. War Beethoven.

_Stoneberg_: Was ist das f�r eine Melodie?

_Katya_: Opus�90, zweite Satz. Nicht f�r Geige, nur f�r der Klavier. Aber
war meiner Sehnsucht von dieser Tag zu spielen ihn auf Geige. Wollte ich
spielen jeder Melodie von Beethoven auf Geige. Habe ich immer gehabt
Zorn, da� er haben gedichtet so vieler Melodie f�r Klavier. Ist eine tote
Instrument --�-- Aber glaube ich meine Erz�hlen gehen lange, zu lange,
werden haben Langeweile.

_Stoneberg_: Nein. Ich m�chte Ihnen zuh�ren -- tausend und eine Nacht.

_Katya_: Ist nicht mehr zu sagen vieles. Habe ich gespielt Geige ganze Tag
und halbe Nacht. Nicht gethan andres, nicht gelernt andres. Haben keine
Mensch mich erzogen. Als kam ich in gro�e Welt war b�se Gesellschaft. War
ich oft in Gefahr, zu thun nicht gute Sache. Aber war dann in meine Ohr
eine Zittern von Melodie von Beethoven und habe nicht gethan Unrecht. Ist
meine Glauben, da� ich kann nicht mehr spielen Beethoven, wenn ich thue
S�nde. Habe ich oft nicht rechte Benehmen, wei� ich wohl gut. Aber hab' ich
in Herz Rechtes, weil bete ich zu gro�e Genius. Er ist meine Heiland.

_Stoneberg_: Und dieser Heiland hat Sie bewahrt -- in jeder Versuchung?

_Katya_: Ja. Denn hab' ich gelernt bewahren mich selbst. Sehen hier
(zieht die Kette ein wenig empor. Am Ende derselben ist ein kleiner Dolch
befestigt) kleine spitze Ding. Trag' ich seit lange Jahre. Ist Gef�hl von
Sicherheit. Habe ich geglaubt heute Abend Sie haben b�se Sinn. W�re nicht
geblieben mit Ihnen ohne kleine Messer. Aber habe ich gehabt Unrecht. Sehe
wohl, Sie sind nicht b�se Sinn.

_Stoneberg_ (ruhig, aber mit tiefer, innerer Bewegung): Sie irren sich,
Fr�ulein Stanyek. Ich habe sehr b�sen Sinn gehabt. Ich wollte Ihnen
keineswegs die Amati geben�--

_Katya_: Die Amati? Nicht die Amati? O wie k�nnen sagen Sie so harte Wort.
Will ich Ihnen geben, was Sie verlangen, will ich Ihnen geben alles, was
werde ich verdienen noch in viele Jahre, will ich lieber hungern, aber
geben Sie mir der Amati, geben Sie mir!

_Stoneberg_: Ich werde sie Ihnen geben. Aber lassen Sie mich jetzt reden.
Ich werde es schlechter machen als Sie, wenn ich auch die rechten Worte
habe. Sie haben den rechten Ton. Der geht in die Seele tief hinein. Ich
wu�te nicht mehr, da� ich eine Seele habe. Durch Sie, durch Ihr Wesen,
durch Ihr�.... ja, sehen Sie, ich wei� wirklich nicht weiter -- ich liebe
Sie.

_Katya_ (steht langsam auf, die Augen starr auf ihn geheftet).

_Stoneberg_ (leidenschaftlich werdend): Ich will vor Ihnen nicht mehr
l�gen. Ich liebe Sie -- seit dieser Stunde. Aber ich verlangte nach Ihnen,
leidenschaftlich, ehrlos, schon viele N�chte. Ich hatte nur eine Begierde:
Sie zu k�ssen. Jetzt habe ich nur einen Wunsch: vor Ihnen zu knieen.

_Katya_: Ihre Worte klingen gut, aber kann ich nicht geben Glauben. Lassen
mich gehen mit Amati und geben mir Hand als gute Freund.

_Stoneberg_: Nein.

_Katya_: Dann Sie haben nicht Liebe f�r mich. Nur Leidenschaft.

_Stoneberg_: Ich habe die wahre Liebe f�r Sie. Nehmen Sie die Amati -- als
Brautgeschenk. Werden Sie mein Weib.

_Katya_: Ah -- die Amati�--

_Stoneberg_ (leise): Werden Sie mein Weib.

_Katya_: Nein. Lieb' ich Sie nicht.

_Stoneberg_: Sie haben Vertrauen zu mir. Sie werden's lernen mir gut sein.

_Katya_: Lernt man nicht.

_Stoneberg_: Ich liebe Sie so unendlich�--

_Katya_: Glauben Sie -- aber ist nicht Wahrheit. Haben mir jetzt gesagt
viel Worte mit sch�ner Klang, nicht eine Mal meiner Nam', weil steht
meiner Nam' nicht in Ihre Herz. Er haben mir nur gesagt meiner Nam', haben
geschrien meiner Nam' im Tod�....

_Stoneberg_: Wer? wer?

_Katya_ (eint�nig): War arme Junge. Sohn von alte Frau, wo ich haben
gewohnt in Praha. Haben mich sehr geliebt. Und ich -- war ich jung und
war er sch�ne Bursch, w�r' ich vielleicht gelaufen mit ihm betteln auf
Landstra�e ohne Ring an Finger und ohne Segen in Kirche. Aber der gn�dige
Herr -- haben er verlangt gro�e Opfer und hab' ich gegeben ihm. Habe gesagt
nein zu armer Junge. Bin gefahren hinaus in Welt und er haben geworfen
sich vor der Pferde und geschrien meiner Nam': Katya, Katya! -- Oh er haben
geliebt mich recht.

_Stoneberg_: Aber begreifen Sie denn nicht, da� die Natur eines jeden
Menschen sich anders �u�ert?

_Katya_: Ist nur eine Liebe. Liebe immer gleich.

_Stoneberg_: Ich mag's glauben, da� jener Ihnen seine Liebe anders
gestanden hat. Ich glaub's nicht, da� er Sie mehr geliebt hat als ich. Ich
mache Sie zu meinem Weib. Ich trete mit meinem Namen, mit meiner Ehre f�r
das Weib ein. Das ist nicht wenig vor der Welt, denn die Welt kennt Sie
nicht, wie ich. Und dennoch bin ich bereit, Sie auf meinen Armen wie eine
K�nigin durchs Leben zu tragen, Allen zum Trotz.

_Katya_ (leise): Ist Wahrheit, was er sagen. Sehr Wahrheit. Aber w�rde er
nicht sagen mir, wenn er liebte mich.

_Stoneberg_: Glauben Sie mir nun?

_Katya_: Glaube ich, da� Sie w�rden haben wahre Liebe, wenn m��ten leiden
eine gro�e, gro�e Weh um mich. Jetzt -- nein.

_Stoneberg_ (wendet sich von ihr): Gute Nacht.

_Katya_ (geht ein paar Schritte, wendet sich z�gernd um) Und -- der Amati
-- darf ich nicht nehmen ihr mit?

_Stoneberg_: Nein.

_Katya_ (steht, mit sich k�mpfend, an der Th�re): Der Amati -- o der Amati
-- (Kehrt um). Bitte, schauen Sie mir in Gesicht. Habe ich Ihnen gesagt,
da� ich nicht liebe Sie. Wollen Sie meiner dennoch?

_Stoneberg_: Ich will, ich will! Denn ich wei�, da� Sie mich lieben werden.

_Katya_: Wollen Sie helfen mir werden immer besser in meine Kunst?

_Stoneberg_: Ich werde ehrgeiziger sein als Sie.

_Katya_: Wollen Sie nicht haben Zorn, wenn ich mache Fehler in Leben und
mit gute Wort mir sagen wie ich soll machen anders?

_Stoneberg_ (neigt sein Haupt auf ihre H�nde): Ich habe Ihnen nichts zu
sagen.

_Katya_: So -- so werd' ich sein Ihre Weib.

_Stoneberg_ (f�llt in wortloser Bewegung vor ihr auf die Knie): -- Dank.

_Katya_: O nein. Wissen nicht, ob Sie haben Dank mir.

_Stoneberg_: Sie werden's nicht bereuen, Sie werden Ihr Wort nicht
zur�cknehmen?

_Katya_: Nein.

_Stoneberg_: Ich f�rchte mich -- ich f�rchte mich, Sie zu verlieren. Sie --
Sie werden mein Weib?

_Katya_ (langsam): Meine Ehrenwort.

_Stoneberg_: Ihr Ehrenwort? Wissen Sie, was das bedeutet? Wissen Sie's?

_Katya_: O ja. Hab' ich jetzt Ring an Finger. Meine Ehrenwort.

_Stoneberg_ (h�lt einen Moment stumm ihre Hand. Nimmt dann die Amati, giebt
sie Katya): Ihr Brautgeschenk.

_Katya_ (schreit auf, pre�t die Geige in die Arme, k��t sie. In namenlosem
Jubel): Mein, mein!

_Stoneberg_ (f�r sich, auf Katya blickend): Mein.

_Katya_: O -- o die kleine, braune Ding, wie ich ihr liebe. Wird sie helfen
mir, wenn ich suche rechte Ton f�r gn�dige Herr. Werd' ich k�nnen spielen,
wie ich habe getr�umt seit Jahre. Werd' ich finden eine Mal, eine Mal in
meiner Leben Gl�ck.

_Stoneberg_ (f�r sich): Welche Sch�nheit, welche Kraft! Ich liebe -- ich
f�rchte sie. Aber ich lasse sie nicht. Und m��te ich um sie ringen -- mit
ihr selbst.

_Katya_: Hab' ich einer gro�en Bitte an Sie. Kann nicht erwarten zu h�ren
Amati. M�chte spielen Melodie, erste, die habe ich geh�rt von Beethoven als
kleine Kind. Wollen begleiten mich auf Klavier. Bitte, bitte!

_Stoneberg_: Kind, gro�es Kind! Wenns Dir Freude macht -- (Katya zuckt
leicht zusammen). Aber ich kann den Satz nicht auswendig.

_Katya_: Wird sein hier unter Noten. Sehen wohl -- hier Beethoven.

_Stoneberg_ (nimmt den Band, setzt sich ans Klavier, schl�gt auf. Katya
beh�lt von jetzt bis zum Schlu� die linke Seite, zwar so, da� sie sich
immer mehr der Beethovenb�ste n�hert).

_Stoneberg_: Ja, hier stehts.

_Katya_: Spielen immer zu. Geh' schon mit. Aber Tempo zu schnell nicht. So.
(Taktiert mit dem Bogen.)

_Stoneberg_ (spielt pr�fend die ersten Takte): So recht?

_Katya_: Ja. Eins, zwei�--

(Katya und Stoneberg spielen den Satz durch. Nach dem Schlu� l��t Katya
Bogen und Geige sinken, unbeweglich vor sich hinstarrend.)

_Stoneberg_ (steht auf, sehr ersch�ttert): Heute habe ich die Melodie zum
ersten Mal geh�rt. Sind Sie zufrieden mit sich -- und der Amati?

_Katya_ (reicht ihm die Geige hin): Da.

_Stoneberg_: Was soll das? Sie geben sie mir wieder?

_Katya_ (wie in einer Vision unbeweglich): Habe ich geh�rt reden zu mir
seine Stimme aus kleine, braune Ding und sagen gewaltige Wort. Von S�nde,
die tr�gt nicht Namen von S�nde, von Verbrechen, die tr�gt nicht Namen von
Verbrechen, von Schande, die tr�gt nicht Namen von Schande. Und will ich
thun S�nde, will ich thun Verbrechen, will ich thun Schande.

_Stoneberg_: Was geht in Ihnen vor? Um Gotteswillen, sehen Sie mich an,
einmal�--

_Katya_: Will ich werden seine Weib! Und habe nicht Gef�hl zu gehen mit ihm
auf Landstra�e betteln, hungern, sterben. Ah, ah, will ich rei�en von mir
meiner Ehre -- denn keine Ring an Finger und keine Segen in Kirche kann
machen mich zu seine ehrliche Weib!

_Stoneberg_ (sehr bleich, atemringend): Sie -- steigern sich mit aller
Gewalt in eine Einbildung hinein. W�ren Sie nur einen Moment ruhig, Sie
w�rden f�hlen, da� es vor allem S�nde ist, das Gl�ck eines Menschenlebens
zu zertreten.

_Katya_: Ueber Gl�ck stehen Ehre und meiner Ehre sein mehr wert als
Menschenleben tausend! Haben es gesagt gn�diger Herr zu mir, und sollen er
haben nicht gesprochen f�r nichts.

_Stoneberg_: Und hat er Ihnen auch von Ihrem -- Ehrenwort gesprochen?

_Katya_ (aufschreiend): Meine Ehrenwort! (Sehr leise): Bitte.

_Stoneberg_: Reden Sie nicht! Bitten Sie nicht! Jeder Laut von Ihren Lippen
macht mich unf�higer, Sie zu lassen. Ich k�nnte Sie sterben sehen, ehe ich
Sie freigebe!

_Katya_ (ganz gebrochen, f�llt vor ihm auf die Knie): Seien Sie Erbarmen!
Geben Sie mir wieder meine Ehrenwort!

_Stoneberg_: Nein.

_Katya_ (hebt die gerungenen H�nde zu ihm empor): Geben Sie mir wieder�--

_Stoneberg_: Nie, ich schw�r' Dir's, nie!

_Katya_ (springt auf): So mu� ich brechen meine Ehrenwort -- mitten
entzwei. (St��t sich mit einer raschen kleinen Bewegung den Dolch in die
Brust.)

_Stoneberg_: Nicht -- nicht -- o Gott!

_Katya_ (steht noch einen Augenblick aufrecht): Meine gn�dige Herr werden
verzeihen mir. (Sinkt langsam an der Beethovenb�ste nieder.)

_Stoneberg_ (hat unterdessen die Th�r aufgerissen): Rennen Sie zu
einem Arzt, schnell, aber erst Wasser, es ist ein Ungl�ck -- (zu Katya
zur�ckkehrend) -- und mu�te das geschehen -- o Du, Du!

_Katya_: Lassen doch! Ist Bestes f�r mich, sterben f�r meine Glauben. Hab'
ich gespielt deiner Melodie doch gut. Nicht wahr -- =milost pane?= (Sie
sinkt tot zur�ck.)

_Stoneberg_ (beugt sich �ber sie, f�llt dann vor ihr nieder): Katya, Katya!


Ende.




Druck von Leistner & Drewfs, Magdeburg.




Von Ernst Rosmer sind erschienen:


  #Wir Drei.# Schauspiel, Verlag von =Dr.= _Albert_ & Co.
          Separatconto in M�nchen.

  #D�mmerung.# Schauspiel, Verlag von _S. Fischer_ in Berlin.




=S. Fischer, Verlag, Hofbuchhandlung, Berlin W.=


Moderne Dramen.

  #Herm. Bahr#, Die h�usliche Frau. Lustspiel.                Geh.�M.�1.50.

  #Edvard Brandes#, Ein Besuch. Schauspiel.                   Geh.�M.�1.--.

  #Max Dreyer#, Drei. Drama.                                  Geh.�M.�1.50.

  #Edmond# und #Jules de Goncourt#, #Henriette Mar�chal#.
          Uebers. v.�Fritz Mauthner. Schauspiel in 3�Akten.   Geh.�M.�1.--.

  #Max Halbe#, Eisgang. Ein modernes Schauspiel.
                                               Geh.�M.�1.50, gebd.�M.�2.50.

  #Max Halbe#, Jugend. 2.�Aufl. Ein Liebesdrama.              Geh.�M.�2.--.

  #Max Halbe#, Der Amerikafahrer. Ein Scherzspiel.            Geh.�M.�2.--.

  #Gerhart Hauptmann#, Vor Sonnenaufgang. Soziales Drama. 6.�Aufl.

  #Gerhart Hauptmann#, Das Friedensfest. Eine Familienkatastrophe.
          B�hnendichtung. 2.�Auflage.

  #Gerhart Hauptmann#, Einsame Menschen. Drama. 3.�Auflage.

  #Gerhart Hauptmann#, Die Weber. Schauspiel aus den vierziger Jahren.
          Uebertragung. 6.�Auflage.

  #Gerhart Hauptmann#, College Crampton. Kom�die i.�5�Akten. 2.�Aufl.

  #Gerhart Hauptmann#, Der Biberpelz. Eine Diebskom�die. 2.�Aufl.
          Jeder Band                           geh.�M.�2.--, gebd.�M.�3.--.

  #Gerhart Hauptmann#, Hannele. Eine Traumdichtung. Reich illustrirt.
                                  Geh.�M.�5.--, in Prachtband geb.�M.�7.50.

  #Otto Erich Hartleben#, Hanna Jagert. Com�die.              Geh.�M.�2.--.

  -- Angele. Com�die.                                         Geh.�M.�0.75.

  -- Henrik Ipse, Der Frosch. Familiendrama.                     Geh.�1.--.

  -- Die Erziehung zur Ehe. Satire.                                M.�2.--.

  -- Ein Ehrenwort. Schauspiel.                               Geh.�M.�2.--.

  #Hollaender-Land#, Die heilige Ehe. Schauspiel.             Geh.�M.�2.--.

  #Maurice Maeterlinck#, Prinze� Maleine. Drama.                 Geh.�2.--.

  #Ernst Rosmer#, D�mmerung. Schauspiel.                           M.�2.--.

  #Johs. Schlaf#, Meister Oelze. Drama.            Geh.�M.�2.--, geb.�3.--.

  #Graf Leo Tolstoi#, Macht der Finsterni�.                   Geh.�M.�1.--.

  #Graf Leo Tolstoi#, Fr�chte der Aufkl�rung.                 Geh.�M.�1.--.

  #Emile Zola#, Naturalistische Dramen. Inhalt: Therese Raquin. -- Ren�e.
                                                              Geh.�M.�1.50.


Werke von John Henry Mackay.

  #Kinder des Hochlands.# Dichtung.                           Geh.�M.�1.--.

  #Dichtungen.#                                Geh.�M.�2.--, gebd.�M.�3.--.

  #Fortgang.# Der �Dichtungen� 1.�Folge.        Geh.�M.�2.--, gbd. M.�3.--.

  #Im Th�ringer Wald.# Lieder.                                Geh.�M.�-.50.

  #Moderne Stoffe.# 2�Berl. Novellen.          Geh.�M.�2.--, gebd.�M.�3.--.

  #Schatten.# Novellistische Studien.          Geh.�M.�2.--, gebd.�M.�3.--.

  #Anna Hermsdorff.# Trauerspiel.                             Geh.�M.�1.--.

  #Die Menschen der Ehe.#                      Geh.�M.�1.50, gebd.�M.�2.50.

  #Die letzte Pflicht.# Eine Geschichte ohne Handlung. 1893.
                                                    M.�2.--, gebd.�M.�3.--.


Moderne Romane, Novellen.

  #Herm. Bahr#, Die gute Schule. Ein moderner Roman.
                                                Geh.�M.�3.--, geb.�M.�4.--.

  #Herm. Bahr#, Dora. Wiener Geschichten.                     Geh.�M.�2.--.

  #Herm. Bahr#, Neben der Liebe. Sittenroman.                 Geh.�M.�3.--.

  #Herm. Bahr#, Antisemitismus. Ein internationales Interview.
                                                              Geh.�M.�2.--.

  #G. v.�Beaulieu#, Das weibliche Berlin.      Geh.�M.�1.50, gebd.�M.�2.50.

  #Ed. Bellamy#, Fr�ulein Ludingtons Schwester. Roman �ber die
          Unsterblichkeit der Seele.            Geh.�M.�1.--, geb.�M.�2.--.

  #Fedor Dostojewski#, Der Gatte.               Geh.�M.�3.50, geb.�M.�4.50.

  -- Der Idiot. Roman in 3�B�nden.       Geh.�M.�6.--, eleg. gebd.�M.�9.--.

  -- Der Spieler. Roman aus dem Badeleben.                    Geh.�M.�3.--.

  #Gust. Falke#, Aus dem Durchschnitt. Roman aus dem Hamburger Leben.
                                                Geh.�M.�2.--, geb.�M.�3.--.

  #Arne Garborg#, Bei Mama. Roman eines M�dchens.
                                               Geh.�M.�3.50, gebd.�M.�4.50.

  #Arne Garborg#, M�de Seelen. Roman.          Geh.�M.�3.50, gebd.�M.�4.50.

  #Arne Garborg#, Frieden. Roman.              Geh.�M.�3.50, gebd.�M.�4.50.

  #Edmond de Concourt#, Die Br�der Zemganno. Roman aus dem Circusleben.
                                               Geh.�M.�3.50, gebd.�M.�4.50.

  #Gerhart Hauptmann#, Der Apostel. Novellistische Studien.
                                               Geh.�M.�1.50, gebd.�M.�2.50.

  #Knut Hamsun#, Hunger. Natur. Roman.         Geh.�M.�2.--, gebd.�M.�3.--.

  #Jul. Hart#, Sehnsucht. Eine Liebesgeschichte.    M.�2.--, gebd.�M.�3.--.

  #Otto Erich Hartleben#, Die Serenyi. Zwei verschiedene Geschichten.
                                                              Geh.�M.�1.50.

  #Otto Erich Hartleben#, Die Geschichte vom abgerissenen Knopfe.
          4.�Auflage.                                         Geh.�M.�2.--.

  #Felix Hollaender#, Jesus und Judas. Ein moderner Roman. 3.�Auflage.
                                               Geh.�M.�3.50, gebd.�M.�4.50.

  #Felix Hollaender#, Magdalene Dornis. Ein moderner Roman. 2.�Auflage.
                                               Geh.�M.�3.50, gebd.�M.�4.50.

  #Felix Hollaender#, Frau Ellin R�te. Aus dem Leben einer jungen Frau.
          4.�Auflage.                          Geh.�M.�3.50, gebd.�M.�4.50.

  #J. P. Jacobsen#, Novellen.                  Geh.�M.�1.50, gebd.�M.�2.25.

  #Alexander L. Kielland#, Johannisfest.       Geh.�M.�2.--, gebd.�M.�3.--.

  #Hans Land#, Mutterrecht. Eine Novelle.                     Geh.�M.�1.--.

  #John Henry Mackay#, Die Menschen der Ehe.                  Geh.�M.�1.50.

  #John Henry Mackay#, Die letzte Pflicht.                    Geh.�M.�2.--.

  #Meier-Graefe#, Nach Norden. Roman.             Geh.�M.�3.50, gebd.�4.50.

  #Ernst Rosmer#, Madonna. Novellen.              Geh.�M.�3.--, gebd.�4.--.

  #Rudolph Schmidt#, Novellen.                    Geh.�M.�3.--, gebd.�4.--.

  #Johs. Schlaf#, In Dingsda.                     Geh.�M.�2.--, gebd.�3.--.


A. Seydel & Cie., Berlin�C., Neue Friedrichstr.�48.




[ Hinweise zur Transkription


Der Zweittitel wurde entfernt.

Das Originalbuch ist in Frakturschrift gedruckt.

Darstellung abweichender Schriftarten: _gesperrt_, =Antiqua=, #fett#.

Der Text des Originalbuches wurde grunds�tzlich beibehalten, mit folgenden
Ausnahmen,

  Seite 14:
  ":" eingef�gt
  (tausend unn�tze bunte S�chelchen: Zeitungshalter, Sofaschoner)

  Seite 29:
  ".." ge�ndert in "..."
  (Und so gut erzogen, so r�hrend ungalant�...)

  Seite 30:
  "." eingef�gt
  (Nervenfieber. Hat sich beim Examen �berarbeitet)

  Seite 35:
  "." eingef�gt
  (Unser philosophischer Graf bleibt auch zu Hause.)

  Seite 39:
  "j�.. ja" ge�ndert in "j�... ja"
  (J�... j�... ja.)

  Seite 43:
  "." eingef�gt
  (Ich habe mich noch nie um diesen Ruhm bem�ht.)

  Seite 48:
  Absatz eingef�gt hinter "lesen."
  (Ich habe keine Zeit, es zu lesen.)

  Seite 57:
  "sechszehn" ge�ndert in "sechzehn"
  (Sie ist sechzehn Jahre und hat goldene Locken)

  Seite 62:
  "." eingef�gt
  (Ich spiele meine Partie vortrefflich.)

  Seite 69:
  ".." ge�ndert in "..."
  (Er kann spielen ... aber ich habe die Sonate)

  Seite 70:
  "," entfernt hinter "diesen"
  (Verlangen in mir, diesen Knaben zu zwingen)

  Seite 71:
  "vosichtig" ge�ndert in "vorsichtig"
  (Sie mu� vorsichtig gew�hlt werden.)

  Seite 78:
  "," eingef�gt
  (zerdr�ckten, vom Waldboden beschmutzten Kleider verbergen)

  Seite 79:
  "." eingef�gt
  (Mit einem Ruck sprang er auf.)

  Seite 82:
  "nnd" ge�ndert in "und"
  (trete an den Toilettentisch und sch�tte mir)

  Seite 82:
  "." eingef�gt
  (ein wenig =eau de Cologne= aufs Taschentuch.)

  Seite 103:
  "mindenstes" ge�ndert in "mindestens"
  (zeigte nur zu deutlich, da� er mindestens)

  Seite 105:
  "Korallenohringen" ge�ndert in "Korallenohrringen"
  (mit gro�en Nasenl�chern und falschen Korallenohrringen)

  Seite 112:
  "vereidigen" ge�ndert in "verteidigen"
  (Und doch h�tte er sich nicht besser verteidigen k�nnen.)

  Seite 118:
  "," eingef�gt
  (Dinge, die er nicht mehr hatte anbringen k�nnen.)

  Seite 124:
  "j�mmerlicheu" ge�ndert in "j�mmerlichen"
  (Sie war sch�n in dem j�mmerlichen zigeunerhaften Aufputz.)

  Seite 125:
  "." eingef�gt
  (Rote Wangen und rote Lippen.)

  Seite 126:
  "Ausruck" ge�ndert in "Ausdruck"
  (k��te sich mit einem seltsamen Ausdruck auf die Schultern)

  Seite 149:
  "," eingef�gt
  (Klappt seinen Cylinder zusammen, tr�gt den Ueberrock)

  Seite 149:
  "nm" ge�ndert in "um"
  (eine Amati handelt, um diese Amati!)

  Seite 155:
  "." eingef�gt
  (Sie nicht sind Freund von mir.)

  Seite 157:
  "hab" ge�ndert in "hab'"
  (So hab' ich gehabt Aufmerken f�r Sie)

  Seite 160:
  "." entfernt hinter "sein"
  (geworden sein Weib ohne Ring an Finger)

  Seite 163:
  "hab" ge�ndert in "hab'"
  (Aber hab' ich in Herz Rechtes)

  Seite 164:
  "Tief" ge�ndert in "tief"
  (Der geht in die Seele tief hinein.)

  Seite 165:
  "Nam" ge�ndert in "Nam'"
  (haben geschrien meiner Nam' im Tod)

  Seite 172:
  ":" eingef�gt
  (_Stoneberg_ (hat unterdessen die Th�r aufgerissen):) ]







End of the Project Gutenberg EBook of Madonna, by 
Elsa Bernstein and Ernst Rosmer [pseud.]

*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK MADONNA ***

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To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
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and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.


Section 3.  Information about the Project Gutenberg Literary Archive
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