The Project Gutenberg EBook of Der j�ngste Tag, by Leo Matthias

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Title: Der j�ngste Tag
       Ein groteskes Spiel

Author: Leo Matthias

Release Date: August 27, 2013 [EBook #43570]

Language: German

Character set encoding: ISO-8859-1

*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER J�NGSTE TAG ***




Produced by Jens Sadowski








LEO MATTHIAS


DER J�NGSTE TAG


EIN GROTESKES SPIEL


1914
KURT WOLFF VERLAG � LEIPZIG


Dies Buch wurde
gedruckt im Januar 1914 als
f�nfzehnter Band der B�cherei �Der j�ngste Tag�
bei Poeschel & Trepte in Leipzig


COPYRIGHT 1914 BY KURT WOLFF VERLAG IN LEIPZIG


F�R
FRANZ BLEI


PERSONEN:

RAINER
JEANNE
GONN
YGES






Das Zimmer der Schauspielerin Jeanne.

Es unterscheidet sich von dem bekannten Boudoir einer Frau durch den
Versuch, das Blinkende und Verwirrende der vielen kleinen
Toilettengegenst�nde durch die breite Ruhe einfarbiger Fl�chen zu mildern.

Jeanne sitzt in einem grauseidenen N�glig�, das orange gef�ttert ist, vor
dem Spiegel und beendet ihre Toilette. -- Sie ist 25 Jahre alt.

Das Telefon klingelt. Nachdem sie noch schnell etwas Rot aufgelegt hat,
nimmt sie den H�rer ab.

JEANNE:

Hallo -- Tag, Zaza! Schon zur�ck? -- Was hast du f�r Kritiken bekommen? --
Gratuliere -- Aber das ist ganz unm�glich -- �bermorgen f�hrt mein Schiff
-- Ja, schon einen Monat fr�her -- Nein! Das Gastspiel dauert trotzdem nur
sechs Monate. -- Ich wei� nicht -- Einsam? (Sie lacht.) Aber meine liebe
Zaza! In Amerika wird es doch auch Frauen geben! -- Yges bleibt hier. O, er
hat soviel Photographien von mir gemacht. -- Gott nein! Aber er findet mich
sehr sch�n -- (Sie lacht. Es klopft. Das M�dchen tritt herein.) Warte mal
einen Moment. (Zum M�dchen) Was ist?

DAS M�DCHEN:

Ein Herr w�nscht gn�dige Frau zu sprechen, weil der Herr Yges nicht da ist.

JEANNE:

Die Karte?

DAS M�DCHEN:

Der Herr hat mir keine gegeben.

JEANNE:

Hat er seinen Namen nicht genannt?

DAS M�DCHEN:

Nein, der Herr ist sehr aufgeregt und h�rte gar nicht.

JEANNE:

Sieht er sehr b�rgerlich aus?

DAS M�DCHEN:

Nein -- das eigentlich nicht . . .

JEANNE (lacht):

Also auf Ihre Verantwortung. Lassen Sie ihn hier eintreten. (Das M�dchen
ab.)

(Ins Telephon) Zaza! Ich bekomme Besuch. Ja -- ich wei� nicht. Aber es ist
doch immerhin sympathisch, da� er so aufgeregt ist. (Es klopft.) Er kommt
-- Auf Wiedersehen! -- Danke -- Addio! (Sie legt den H�rer in die Gabel und
ordnet vor dem Toilettenspiegel ihr Haar.) Herein!

JEANNE (springt auf):

Rainer! (Sie streckt ihm die Hand entgegen.) Wie geht's denn? Nun?

RAINER (erregt):

Lebt Ihr Mann?

JEANNE:

Das braucht uns gar nicht zu st�ren. Er ist nicht eifers�chtig. -- Setz'
dich.

RAINER:

Wissen Sie bestimmt, da� er nicht tot ist?

JEANNE (�ngstlich):

Du fragst ja, als ob du es erwartest.

RAINER:

Antworten Sie!

JEANNE:

Oho!

(Rainer sucht die Glocke und klingelt. Das M�dchen kommt sofort)

RAINER:

_Wo_ ist der Herr?

DAS M�DCHEN:

Der Herr ist vor 10 Minuten fortgegangen. Er wollte in einer Stunde wieder
zur�ck sein.

RAINER (schreit):

Ich habe gefragt, _wo_ er ist.

DAS M�DCHEN:

Das wei� ich doch nicht.

RAINER:

Danke. (Das M�dchen ab.)

RAINER (mit erzwungener Ruhe):

Gestatten Sie mir bitte, Ihren Mann hier zu erwarten. Ich mu� ihn sprechen.
-- Ich werde in den Salon gehn. -- (Jeanne geht zur T�r.) Bitte, bleiben
Sie nur hier. Ich m�chte Sie nicht st�ren.

JEANNE:

Ich glaube eher, da� ich dich st�re . . .

RAINER (zeigt Jeanne seine Unwilligkeit, setzt sich aber auf die
Chaiselongue).

JEANNE (setzt sich an den Spiegel, um sich zu pudern):

Nun -- was hast du erlebt?

RAINER:

Nichts. (Kleine Pause.)

JEANNE:

Ich freue mich, da� du mich mal besuchen kommst.

RAINER:

Seien Sie doch vern�nftig. Sie k�nnen sich doch denken, da� ich hier nur
herkomme, wenn ich es unbedingt mu�.

JEANNE:

Sso?!

RAINER:

Das ist doch selbstverst�ndlich.

JEANNE:

Ein Besuch bei einer alten Freundin ist allerdings nicht
selbstverst�ndlich.

RAINER:

Er ist nicht notwendig.

JEANNE:

_Die_ Antwort ist offen und h��lich.

RAINER:

Ich sage auch Frauen die Wahrheit.

JEANNE:

Unh�flichkeit bleibt aber trotzdem ungerechtfertigte Bereicherung.

RAINER:

Dann entschuldigen Sie.

JEANNE:

Das ist leicht gesagt: Entschuldigen Sie! Nach deiner Stimmung zu
schlie�en, darf ich nicht hoffen, da� du mich unterh�ltst, und ich kann's
jetzt nicht mehr, oder wollen wir vom Wetter sprechen? -- Du kommst also
her, um meinem Manne etwas zu sagen. Da mu� ich schon fragen: Was? (Rainer
schweigt.) Ja, du empfindest das als eine Indiskretion, aber ich hatte dir
ja die Gelegenheit gegeben, mir zu erz�hlen, warum du mich besuchst.
(Rainer schweigt.) Ich bin grausam, nicht wahr? Aber das ist deine Schuld.
Warum machst du dich zu meinem Opfer? Wenn du nicht mein Freund sein
kannst, warum bist du nicht mein Feind?

RAINER:

Aus demselben Grunde, aus dem ich Ihnen weder das eine noch das andere vor
drei Jahren sein konnte.

JEANNE:

Du _warst_ mein Freund -- bis ich Yges heiratete, und wenn du es leugnest,
kannst du h�chstens einen Grund haben, es zu verheimlichen. Stimmt's?

RAINER:

Ich kann �ber diese Gr�nde jetzt nicht sprechen.

JEANNE:

Deine Weigerung ist sehr ungeschickt, denn sie macht mich neugierig.

RAINER (�rgerlich):

Damit h�tte sie vielleicht ihren Zweck erreicht.

JEANNE:

Und noch mehr!

RAINER:

Ich habe kein Interesse daran, mehr zu sagen.

JEANNE:

Sch�mst du dich nicht, so zu sprechen? (Rainer schweigt.) Du hast mir
verraten, da� du gewohnt bist, mit uns zu verkehren.

RAINER:

Ich verkehre mit Frauen nicht h�ufiger als es notwendig ist!

JEANNE:

Dein Blick spricht besser. (Pl�tzlich) Wie gef�llt dir mein N�glig�? Sag'
mal, ganz ehrlich, Rainer, -- bin ich h��licher geworden? Yges kann das
nicht so gut beurteilen. Er sieht mich t�glich. Aber du! Wei�t du, wenn du
mir -- aber ganz ehrlich -- sagen k�nntest, da� ich nicht �lter geworden
bin, w�re ich damit ausges�hnt, da� wir uns 3 Jahre nicht gesehen haben.

RAINER:

Wenigstens sind Sie aufrichtig.

JEANNE:

Nicht mehr als ich es auch von anderen verlange.

RAINER:

Ist denn mein Urteil von einer solchen Bedeutung f�r Sie?

JEANNE:

O, ich wollte dir nicht schmeicheln.

RAINER:

Auch ich m�chte es gern vermeiden.

JEANNE:

(nimmt den Spiegel und lacht).

RAINER:

Drei Jahre sind ja auch keine lange Zeit f�r den, der keine Sorgen hat.

JEANNE:

Meinst du? Du h�ttest mich einmal sehen sollen, wie ich mich mit meinem
Fifi t�glich abgeplagt habe.

RAINER:

Warum behalten Sie denn das Tier, wenn es soviel Umst�nde macht?

JEANNE (lacht):

Fifi ist doch mein Liebhaber! Mit dem probe ich alle Rollen. Wei�t du, ich
liebe ihn n�mlich sehr, und wenn ich dann so zu ihm spreche und er so vor
mir sitzt und mich nicht anguckt, dann ist das gerad so, als wenn mich ein
Mann verschm�ht, den ich sehr lieb habe. Da gibt's gar keinen Unterschied!
Ich kann sogar dann weinen. Das kann ich noch nicht mal auf der B�hne.

RAINER:

Er ist aber ein bi�chen zu klein, um ihn zu umarmen.

JEANNE:

Das ist eben das Tieftragische, was mir soviel Sorgen macht. Jetzt zum
Beispiel mu� ich in einer Szene einen Liebhaber k�ssen, der halb ohnm�chtig
ist und mit dem Kopf �ber eine Stuhllehne h�ngt. Wie soll ich das nun
machen? Wenn ich von vorn komme, mu� ich mich auf ihn legen. Und wenn ich
von hinten komme, dann k�sse ich doch nur seinen Kopf, und ich mu� ihn mit
dem ganzen K�rper k�ssen, sagt der Dichter. Ich hab's mit Fifi probiert
(sie lacht), aber er ist eben zu klein, und wenn ich ihn da auf den Stuhl
setze, springt er auch immer herunter.

RAINER:

Versuchen Sie es doch mit Ihrem Mann!

JEANNE:

So befreundet sind wir nicht! -- Das h�ttest du �brigens gleich sehen
k�nnen, als du hereinkamst.

RAINER:

_Sehen_ k�nnen?

JEANNE:

Ja, das Bett geh�rt doch gar nicht hier herein, -- wenn ich nur w��te, wo
ich's hinstellen k�nnte.

RAINER:

Das ist also die zweite Sorge.

JEANNE (ernst):

Rainer -- ich glaub' nicht an deine Ironie. Du verstehst mich sehr gut. (Es
klopft.)

DAS M�DCHEN (tritt ein):

Herr Gonn m�chte die gn�dige Frau sprechen.

JEANNE:

Ach, Gonn! -- Ich lasse bitten.

RAINER:

-- Es w�re mir unangenehm -- ich werde in das Nebenzimmer gehen. Ich bitte
Sie, nicht zu sagen, da� ich hier bin oder war . . .

JEANNE:

Aber warum denn?

GONN (tritt ein):

(Zu Rainer) Da bist du ja! -- N' Tag, Jeanne!

JEANNE:

'n Tag, L�stling!

GONN:

Schon wieder ein neues Etikett?

JEANNE (lacht):

Ja. Ich hab' n�mlich dein Buch gelesen. Wei�t du, wie? Ich hab' mich
ausgezogen und dann da auf das Fell gelegt. Am besten hat mir das gefallen,
wo der Held von seinem Feind einen Golem macht und ihn zu Tode qu�lt.
Lecker ist das!

GONN (zu Rainer):

Findest du das auch?

RAINER:

Noch nicht einmal das Mittelalter w�rde solche Handlungen entschuldigen.
Einem Menschen, der so etwas im Wahne getan h�tte und wieder gesundete,
bliebe nichts anderes �brig, als sich eine Kugel in den Kopf zu jagen.

JEANNE (lacht):

Aber die Geschichte _spielt_ doch im Mittelalter; gut, da� das Pulver
damals noch nicht erfunden war.

GONN (lacht):

Da kann man sehen, wie es heute mi�braucht wird.

RAINER:

Diese Dinge scheinen zu ernst zu sein, um von euch verstanden zu werden.

JEANNE:

Wei�t du, Rainer, ich nehme an, deine Grobheit ist nur ein Mangel an
Geschmack -- sonst w�rde ich sie dir nicht verzeihen.

GONN:

Du mu�t ihn entschuldigen. Er ist etwas (l�chelnd) -- nerv�s.

RAINER:

Ich verbitte mir dein Mitleid.

JEANNE (zu Gonn):

Woher wu�test du, da� Rainer hier ist? Oder wolltest du wirklich mich
besuchen? (Es klopft; das M�dchen tritt ein.)

DAS M�DCHEN:

Ein Herr w�nscht die gn�dige Frau zu sprechen --

JEANNE:

Was ist denn das heute? Ich bin nicht zu sprechen.

DAS M�DCHEN:

Der Herr ist ein Polizist.

JEANNE:

Warum sagen Sie mir das nicht gleich?

DAS M�DCHEN:

Ja, ich wu�te nicht . . .

JEANNE:

Entschuldigt mich bitte, ich bin gleich wieder zur�ck. (Jeanne und das
M�dchen ab.)

GONN:

Was wolltest du hier?

RAINER:

Nicht dich sprechen!

GONN:

Nicht so laut! -- Da� Yges lebt, daran zweifle ich nicht und du solltest es
auch nicht tun.

RAINER:

Vor zwei Stunden versprachst du mir seinen Tod, wenn ich das tun w�rde,
wozu du mich hypnotisiert hast. Du hast mich hypnotisiert, sonst h�tte ich
es nicht getan.

GONN:

Es gibt noch andere M�glichkeiten, diesen Fall zu erkl�ren.

RAINER:

Nein! Oder glaubst du, da� ich wahnsinnig bin? Aber ich sehe sehr gut, da�
du einen Browning in der Tasche tr�gst und da� du grinst, weil ich leide.
Du stehst so tief, da� du andere erniedrigen mu�t, um Gesellschaft zu
haben.

GONN:

Ich liebe eben Geselligkeit. W�re ich eine Frau, w�rde dir �brigens der
Abstieg leichter fallen.

RAINER:

Wenn ich eben mit Jeanne kokettiert habe, so erkl�rt sich das daraus, da�
ich mich in meiner Erregung nur mit den leichtesten Worten balancieren
konnte.

GONN:

Aber davon habe ich ja gar nichts gemerkt . . .

RAINER:

Was willst du mir sagen? Warum hast du mich verfolgt? Bis hierher?

GONN:

Ich will nicht, da� Yges von deiner Tat erf�hrt.

RAINER:

Tat!

GONN:

Ja, Tat! Zum wenigsten _war_ sie es. Deine Reue kann nie so tief werden,
als da� dieser Gipfel nicht noch aus dem Tr�nensee herausragte. Und wenn du
dich in den Tod weinst! -- Das ist meine einzige Genugtuung!

RAINER:

Da� ich den Versuch gemacht habe, ihn zu t�ten, daf�r bin ich
unverantwortlich. Ich stand unter deiner Suggestion. Aber da� ich �berhaupt
die Absicht hatte . . . Du wei�t nicht, da� Yges wie ein Schwert f�r die
Zeit kam, in der ich k�mpfte. Er hat mir die Hand gereicht, um mir zu
helfen, und ich -- ich wollte sie ihm abschlagen.

GONN:

Du scheinst immer noch den Zweck mit dem Mittel, den Apparat mit seinen
Funktionen zu verwechseln. Ich habe den Golem f�r dich nach dem Ebenbilde
Yges' geformt, nicht um Yges zu t�ten, sondern _du_ solltest frei werden
von der Fiktion, ihm verpflichtet zu sein.

RAINER:

Aber ich bin ihm verpflichtet. Ich _bin_ es!

GONN:

Wart' nur, bis er deine Unterwerfung mi�braucht und dich schl�gt.

RAINER:

Das wird er nie tun!

GONN:

Aber da du beabsichtigst, ihm zu dienen, gibst du ihm ein Recht dazu.

RAINER:

Das hat hiermit nichts zu tun. Wenn du doch verstehen k�nntest, Gonn, wie
wenig ich bin, wenn Yges nicht w�re. -- Ohne Yges bin ich ein Weg ohne
Ende.

GONN:

Und ich sage dir, da� dieses Ende nur ein Hindernis ist, das �berwunden
werden mu�. Er hat nat�rlich ein Interesse daran, dich zum Vollstrecker
seines Willens zu erziehen. Du hast das Geld, und ihm d�rfte es nach seinem
literarpolitischen Bruch mit der gesamten Presse schwer fallen, etwas zu
verdienen. Soviel ich wei�, wird er sogar von Jeanne unterhalten. -- Die
infame Kritik deiner Utopie ist aus diesen Motiven zu verstehen. Er will
dich nur zwingen, den �Prolog� wieder herauszugeben. Das ist es.

RAINER:

Nein. Er fand mein Buch schlecht. H�tte er l�gen sollen?

GONN:

Angenommen selbst, er ist aus letzten Gr�nden dein Gegner. Dann h�tte er
noch immer nicht aus der Minderwertigkeit des Buches auf eine
Minderwertigkeit deines Charakters schlie�en d�rfen. Da� er deinen Fu� bei
diesem Fehltritt festgenagelt hat, das ist eine solche Roheit! -- das
zeigt, da� er an deine Verlogenheit stets geglaubt und nur auf den Erweis
gewartet hat.

RAINER:

Erwiesen ist nichts; die Wette schwebt noch.

GONN:

Glaubst du wirklich, da� Menschen in solche Lebenslagen kommen k�nnen, da�
ihr Stand wie ein Aerometer unfehlbar ihr spezifisches Gewicht, ihr letztes
und besonderes Sein aufzeigt?

RAINER:

Aber diese theoretischen Fragen -- jetzt -- hier!

GONN:

Man bleibt ja nicht nur bei der Sache, wenn man von ihr spricht. Vergi�
nicht, zu _mir_ kamst du, als Yges dich bedr�ngte. Willst du den �Roten
Pfad� wieder aufgeben und statt dessen an _deinem Wege_, den andere gehen,
den �Prolog� verkaufen?

RAINER:

Aha! -- Der �Prolog� wird aber nicht wieder und der �Rote Pfad� nicht mehr
von mir herausgegeben werden.

GONN:

So --

RAINER:

Dies ist und kann ja schlie�lich auch nur dein Interesse an dieser ganzen
Angelegenheit sein. Mehr wolltest du doch nicht erfahren?! -- Ich ziehe
mich vom �ffentlichen Leben zur�ck. (In der Stellung eines Redners.) Die
Begeisterung f�r meine Utopie wird dir die Kraft geben, das Volk allein
jenen Hochzielen zuzuf�hren, die wir gemeinsam allen guten Europ�ern
gesteckt haben.

GONN (nach kurzer Pause):

Und warum das alles?

RAINER:

Ich f�hle mich nicht mehr berechtigt, als Pfeil auf einem Bogen zu liegen,
den andere spannen -- Bist du nun zufrieden?

GONN:

Du glaubst, da� ich an deinem Verh�ltnis zu Yges und Jeanne nur beteiligt
bin, weil ich Interessengemeinschaft mit dir habe -- _auch das_, aber nicht
nur! Ich bin das Risiko, mich mit dir zu entzweien, nur eingegangen, weil
die Chancen, dich zu gewinnen, g�nstiger waren. -- Wenn du dich doch
entschlie�en k�nntest, politisch zu leben und nicht nur Politik zu treiben.
Die Formen des Lebens sind andere als die der Literatur. Abrechnungen, wie
du sie mit Yges planst, sind gut, aber nicht erlaubt. Ihr Wert ist
h�chstens eine Wollust im Sieg -- und �ber wen? �ber eine Nebenperson des
Alltagsdramas. (Rainer schweigt.) Wenn dir der Mut fehlt, solltest du
wenigstens soviel Ehrlichkeit besitzen und zugeben, da� du ihn verachtest.

RAINER:

W�re ich dann hier?

GONN:

Da� du hier bist, ist nur eine Reaktion auf den �berhitzten Ha�, mit dem du
ihn vor einer Stunde verfolgtest. Manche bereuen leichter ihre Reue als die
gr��ten Schlechtigkeiten. Du geh�rst zu denen. Ich bin nur hergekommen, um
dir das zu sagen. Solange du ihn nicht ha�t, l�gst du.

RAINER:

Ich habe nur Gr�nde, ihn zu lieben.

GONN:

Und du ha�t ihn nicht -- nur weil du keine findest, die dir die
�Berechtigung� geben k�nnten, es zu tun. (Er l�uft mit den H�nden in der
Tasche im Zimmer herum.) -- Wer glaubt mir das, wenn ich es ihm erz�hle!?

RAINER:

Aber was willst du denn? Ich kann Yges doch nicht sinnlos hassen. Du bist
ja ha�selig! -- Da� er meine Utopie schlecht findet, ist doch kein Grund,
ihn zu verachten.

GONN:

Was anders tat er denn?

RAINER:

Er hat es nicht getan. Ob er es in Zukunft _darf_, das wird die Wette
entscheiden. Er hat behauptet, da� die Utopie eine Posse ist, deren Ideen
ich nur aus Herrschsucht und Betrug im �Roten Pfad� verbreitet habe. Ich
werde ihm aber beweisen, da� die Politik, die ich treibe, von mir ethisch
verantwortet werden kann.

GONN:

Das ist wertlos. Er glaubt dir doch nicht. Friedrich der Gro�e bleibt
absoluter Herrscher, auch wenn er der erste Diener des Staates zu sein
beansprucht. Selbst sein Beweis k�nnte dich nicht vom Gegenteil �berzeugen.

RAINER:

_Ich_ w�rde mich von einem solchen Beweis �berzeugen lassen. Nur die
M�glichkeit dazu ist so schwer und selten, und deshalb mu� ich Yges danken,
da� er alle Schwierigkeiten durch die Wette �berwunden hat -- danken selbst
noch, wenn ich verliere.

GONN:

Vor einer Stunde warst du trotz alledem gescheiter. -- Ich h�tte fast Lust,
euch zu beweisen, da� ihr euch ha�t, und alle Liebesphrasen nur Br�cken
sind, von denen allein die Konstruktion real ist. Verwechsele doch nicht
Ursache und Anla�. Wenn du mir doch glauben wolltest, da� die Leidenschaft
sich des Anlasses bedient wie das Schicksal des Zufalls. Mu�t du denn wie
ein ungl�ubiger Thomas die Gr�nde ber�hren, um an sie zu glauben? Woher
wei� du, da� der Meeresgrund des Ozeans kein Loch hat? W�rde dein Ha� da
sein wie das Meer, wenn nicht ein festgef�gter Grund ihn tragen w�rde?

RAINER (schweigt ).

GONN:

Wenn _du_ dich nicht mehr verantwortest, dann kannst du es nicht. -- Es ist
eine Stunde her, da ha�test du ihn, so sehr, da� du seinen R�cken mit
Nadeln bestecktest wie ein Kl�ppelmuster. Eine Stunde ist das her, und
jetzt willst du wom�glich die L�cher, die du in seine Handflachen gebrannt
hast, als Stigmata des Gekreuzigten proklamieren.

RAINER:

Ich m�chte es!

GONN:

Du Christ! Stammle dein pater peccavi, aber du kannst mich nicht vergessen
machen, da� du vor einer Stunde �ber eine Kiste stolpertest und
hineinfielst und mir zuschriest: Mach' einen Deckel drauf und expedier'
mich in den Himmel! -- Ich wei�, wie gl�cklich du warst!

RAINER:

Ich war wahnsinnig. Du scheinst zu denen zu geh�ren, die den Wahnsinn f�r
heilig halten. Aber wenn ich nur _so_ gl�cklich werden kann, pfeif' ich
drauf. Trances, Nirwana, Opium und Haschisch -- ich danke! (Kleine Pause.)

GONN:

Was erhoffst du nun von der Wette? Der Vertrag, den ihr da geschlossen
habt, verr�t doch eine viel tiefere Verlogenheit Yges', als es ihm je
gelingen wird, sie dir nachzuweisen.

RAINER:

Warum?

GONN:

Weil es �bermenschlich und schlecht und pr�tenti�s ist, in eigenen Sachen
objektiv urteilen zu wollen.

RAINER:

Das will _ich_ auch -- und werde es k�nnen. Ich werde ihm beweisen, da� ich
den �Roten Pfad� statt des �Prologs� herausgegeben habe, nicht um einen
zureichenden Grund zu haben, ihm seine Stellung als Redakteur zu nehmen,
sondern nur, um die Forderungen meiner neuen Erkenntnis zu erf�llen. Ich
_mu�te_ meine Kapitalien in den Dienst politischer Aufgaben stellen. Da�
die politische Zeitschrift sich besser rentiert als die literarische, ist
ein ungewollter Vorteil.

GONN:

Konntest du denn eigentlich damals den �Prolog� nicht verkaufen?

RAINER:

Nein. -- Ja, wenn ich ihn h�tte verkaufen k�nnen, dann h�tte ich es zur
Bedingung gemacht, da� Yges seinen Posten beh�lt. Am �Roten Pfad� kann ich
ihn doch nicht mitarbeiten lassen. Ich kann es doch nicht dulden, da� man
mich in meiner eigenen Zeitschrift angreift.

GONN:

Hast du das alles Yges mit �hnlichen Worten gesagt wie mir?

RAINER:

Ja.

GONN:

Dann bleibt es mir unbegreiflich, wie er deine Handlungen noch verd�chtigen
kann, -- vor allem die Wette. Wie ist es m�glich . . .

RAINER:

Verstehst du denn noch nicht, welche Bedeutung sie f�r mich hat? Mein
soziales System fu�t auf der Behauptung, da� der Freiheitswille nur die
Wirkung einer Massensuggestion ist, da� 30 Prozent der Menschheit den
Sklaven freiwillig zu ihrem Beruf w�hlen w�rden, wenn man ihnen gerechte
Richter, Frieden und Sorgenfreiheit garantierte. Ich habe vorgeschlagen,
da� der Staat als Eigent�mer Menschenmaterial beschafft und kostenlos
verteilt, w�hrend der Kapitalist die Versorgung �bernimmt.

GONN:

Das wei� ich alles. Ich kenne das Buch auswendig.

RAINER:

Bitte, la� mich ausreden. _Mi�verst�ndnisse_ kann ich vermeiden. -- Ich
habe nachgewiesen, da� bei absoluter Handelsfreiheit der Kapitalist so viel
gewinnen kann, da� es ihm m�glich wird, den Sklaven einen eigenen
kommunistischen Staat zu bezahlen. Der eine ersehnt diese Wirtschaftsform,
der andere ihr Gegenteil. Ich habe gezeigt, wie man den W�nschen beider
gerecht werden kann, wenn man den psychologischen Dualismus des
Volksk�rpers zur Basis seines Aufbaus macht. Mit dem Ethos habe ich mich
daf�r eingesetzt, da� ich es verantworten kann, all den Menschen die
Fiktion der Freiheit zu zerst�ren, die sie sich zerst�ren lassen . . .
warum l�chelst du?

GONN:

Ich dachte an etwas anderes.

RAINER:

-- jetzt hast du mich gest�rt.

GONN:

Du willst darauf hinaus, da� --

RAINER:

Ich wei� schon. Der letzte Satz meines Buches lautet, da� ich selbst -- ich
kann ihn w�rtlich zitieren: �Schon die M�glichkeit einer Erkenntnis aber,
da� ich als Kapitalist und Herr diese L�sung des sozialen Problems f�r
meine _Interessen_ ersehne, w�rde mir den Mut nehmen, einem gereiften Volke
das Gegenteil zu versichern. Ich w�rde der Sklave dessen werden, der mir
einen Betrug beweist.�

GONN (z�ndet sich eine Zigarette an):

Das ist der d�mmste Satz aus dem ganzen Buch. Das geht niemanden etwas an.

RAINER:

Doch -- jeden, der in der Ehrlichkeit des Menschen eine Garantie f�r die
Ehrlichkeit seiner Politik sucht. (Gonn lacht.) Der Zweifel ist
aufrichtiger als der Glaube, und deshalb freue ich mich, da� Yges mir einen
Betrug beweisen will. Tausende von Menschen f�hre ich. Yges hat nicht nur
das pers�nliche Recht, sondern auch die soziale Pflicht, die Partei zu
retten, wenn ich sie verf�hre.

GONN:

Warum gehst du immer auf Kothurnen? Der Anblick ist unsch�n, und der Erfolg
ist nur, da� du deinen Gegner �bersiehst. Yges kennt gar kein soziales
Gewissen. Das wei�t du. Aber sonderbar, du findest immer bessere Gr�nde,
ihn zu rechtfertigen als dich. Das war schon damals so, als du auf Jeanne
verzichtetest und die Stellung eines Trauzeugen vorzogst. Die Reue �ber
diese Dummheit sollte dich eigentlich kl�ger gemacht haben.

RAINER:

Es ist nicht wahr, da� ich es bereut habe.

GONN:

Nun -- was ich sage, behauptet auch Yges. Du wirst mir zugestehen, da� es
einen schlechten Eindruck macht, wenn du ihm jetzt unrecht gibst, weil
_ich_ zuf�llig einmal seiner Ansicht bin.

RAINER (erregt):

Du verdrehst b�swillig meine Worte. Ich habe ihm nie in der Sache recht
gegeben. Sonst m��te ich ihm ja auch zugestehen, da� ich die Absicht habe,
ihn mit Jeanne zu betr�gen.

GONN:

So -- das hat er behauptet? Das wu�te ich gar nicht. Warum hast du mir das
nicht fr�her gesagt?

JEANNE (st�rmt herein):

Kann mir einer von euch schnell zwanzig Mark borgen? Da ist n�mlich der
Koffermensch -- ich fahre doch �bermorgen -- und der Polizist --

RAINER (gibt ihr zwanzig Mark).

JEANNE:

Danke. Wei�t du, ich hab' doch ein Ungl�ck gehabt mit dem Taxi -- hab' ich
dir davon noch nicht erz�hlt? -- also ich bin gleich wieder da. (Ab.)

GONN:

Ich schulde dir �brigens auch noch Geld. Gebrauchst du es sehr n�tig?

RAINER:

Nein. (Pause.) Ich glaube, du bef�rchtest, da� ich sie liebe.

GONN:

Ich bef�rchte, da� du sie zu sehr liebst.

RAINER:

Was w�re denn das Kriterium einer solchen Leidenschaft?

GONN (lacht):

Kriterium! -- Du verwechselst mich mit Yges. Oder wolltest du mich
beleidigen?

RAINER (geht auf ihn zu):

Glaubst du mir oder ihm?

GONN:

Ich m�chte dir glauben. Aber soweit ich den pathologischen Verlauf dieser
Affekte kenne, ist es ausgeschlossen, da� die Liebe zu einer Frau vor dem
Ehebette wacht, wenn der Gatte mit ihr schl�ft.

RAINER:

Aber wenn ich dir nur sage, da� ich mit ihm erst dadurch befreundet wurde,
da� ich mich ihr verweigerte und sie so zwang, ihm treu zu bleiben.

GONN (lacht):

Darin besteht sein Ehrgeiz? -- �brigens wird sie sich entsch�digt haben.

RAINER:

Nein -- aus anderen Gr�nden.

GONN:

Aber die Kardinalfrage -- warum ist er _jetzt_ eifers�chtig?

RAINER:

Weil er behauptet, da� ich zum Schaden auch noch den Spott f�gen w�rde.

GONN (begeistert):

Aber das solltest du tun! Das solltest du tun! Gerade das! Die Dummheit
allein, dir seine Achillesferse zu zeigen, berechtigt dich schon, ihn an
dieser Stelle zu kitzeln. Warum hast du mir das alles nicht fr�her gesagt?

RAINER (angewidert):

Gonn, das bist _du_, ganz _du!_

GONN:

Nun -- dann hab' ich dir meinen besten Rat gegeben.

RAINER:

Nein! -- Ich werde das nie tun, wenn er auch mein Gegner ist. -- Ich
sch�tze jede ehrliche �berzeugung und . . .

GONN:

L�ge! Da� seine �berzeugung ehrlich ist, ist Voraussetzung. Auf den Wert
kommt es an. Aber du willst seine Minderwertigkeit wieder einmal
entschuldigen. Ich verstehe.

RAINER:

Ich will nichts anderes als die Taktik beibehalten und ihm zeigen, da�
meine Achtung vor ihm --

GONN:

L�ge!

RAINER:

-- so stark bleibt, da� sie mich hemmt, eine Politik der Nadelstiche gegen
ihn zu treiben. Ich liebe Jeanne, aber ich betr�ge ihn nicht -- wie ich es
auch nicht zur Zeit unserer Freundschaft getan habe. W�rde ich es jetzt
tun, so w�re das nur ein Beweis der unanst�ndigsten Gesinnung, denn damals
habe ich sie auch geliebt und mich trotzdem bezwungen. Ich habe ihm
gestattet, mich zu verachten und an meinem Willen und Wort zu zweifeln,
wenn ich jemals Jeanne gegen�ber seine pers�nlichen Rechte weniger
respektieren sollte, als zu der Zeit, wo es noch in meinem Interesse lag,
es zu tun.

GONN:

Die Rede ist besser als ihr Zweck.

RAINER:

Ich habe nicht die Absicht, dich zu �berzeugen. Ich wei�, da� es dich
langweilt, mir zuzuh�ren. Ich soll etwas �unternehmen�, aber ich unternehme
nichts mehr. Ich will wieder der werden, der ich war. Eine Stunde stand ich
unter deiner Suggestion. Es wird nur wenige dauern, mich von ihr zu
befreien. -- Das ist alles, was ich dir zu sagen habe.

GONN:

Noch eine Frage, Rainer! -- Hat Yges etwa mit dir _gewettet_, da� du ihn
mit Jeanne betr�gen wirst?

RAINER (widerwillig):

Ja.

GONN (lacht laut auf).

RAINER:

Ich habe dir keinen Witz erz�hlt.

GONN:

G�ttlich!

RAINER (versucht, seine Erregung zu bezwingen).

GONN:

Was ist dein Einsatz? (Rainer schweigt.) (Bef�rchtend) F�llt etwa diese
Wette im Einsatz mit der anderen zusammen? (Rainer schweigt.) Ja? (Rainer
schweigt.) Aber ich finde nicht den Knoten, in den sich beide verschlingen.
Was hat die Politik mit der Liebe zu tun?

RAINER:

Es handelt sich nicht um die Politik, und nicht um die Liebe, sondern
darum, ob ich der bin, f�r den ich mich halte. (Schreiend) Ich will mir
meine Selbstachtung nicht stehlen!!

GONN:

Wenn du verlierst, bist du also entschlossen, ihm als Knecht zu dienen?

RAINER:

Ja!

GONN:

Und die Utopie? Der �Rote Pfad�? -- Die Partei?!

RAINER:

Ich geh�re ihr, bis es sich entscheidet, ob ich das Recht habe, der erste
Diener meiner Ideen zu bleiben.

GONN:

Das Recht hast du.

RAINER:

Yges behauptet, da� ich nur der Diener meiner Launen bin, da� mein soziales
Gewissen f�r mich nur den seltenen Reiz der Neuheit hat -- da� . . . ich
euch bel�ge. Wenn es so ist, mu� ich mich meinen eigenen Gesetzen
unterwerfen. Ich stehe zu meinem Wort.

GONN:

Aber du lebst nicht mehr allein, du bist Volksmann . . . -- (Jeanne tritt
ein.)

JEANNE:

Also das ist eine Geschichte!

GONN:

Jeanne, kann Yges vor einer halben Stunde zur�ck sein?

JEANNE (sieht nach der Uhr):

Das ist nicht wahrscheinlich. Warum?

GONN:

Du mu�t mich entschuldigen. Ich komme noch einmal her. Es ist schon 3/4 7,
ich wollte nur wissen . . .

JEANNE:

Bleib' doch. Ich mu� dir noch was erz�hlen. Du hast doch von meinem Ungl�ck
geh�rt, nicht?

GONN:

Nein.

JEANNE:

Aber es stand doch in der Zeitung?

GONN:

Ach so, diese Geschichte!

JEANNE:

Ja. Der Polizist war eben hier. Dumm ist der Mensch! Dabei habe ich es
selbst gesehen! Mein Kutscher hat gar keine Schuld! (Zu Rainer) Was glaubst
du denn eigentlich?

RAINER:

Ich wei� gar nicht, um was es sich handelt.

JEANNE:

Hast du denn das nicht gelesen? -- Also denk' dir, am Donnerstag -- nein,
Freitag abend, als ich vom Theater nach Hause fahren will, sag' ich dem
Kutscher, er soll noch so einen kleinen Umweg machen, wei�t du, es war
gerad' der Tag, an dem so himmelblaues Wetter war -- ja, am Freitag war's,
den Tag kann ich gar nicht vergessen -- -- und da f�hrt er �ber die Wiese,
und als er in die Hauptstra�e einbiegen will, da kommt ein Taxi und wirft
meinen Wagen um --

RAINER:

Und nun handelt es sich darum, wer den Schaden bezahlt?

JEANNE:

Und die Kosten f�r die Operation. Meinem armen Kutscher ist ein Bein
zerquetscht worden.

GONN (sehr ungeduldig):

Ich habe keine Zeit, Jeanne. Ich wei� das ja alles. Es ist sehr traurig,
aber --

JEANNE:

So. Woher wei�t du, da� mein Kutscher seit gestern behauptet, da� _er_ der
Schuldige ist? (Zu Rainer) Ich wei� n�mlich ganz bestimmt, da� er es nicht
ist. (Zu Gonn) Er sagt, an allem Ungl�ck auf der Welt ist er schuld. -- Ist
das nicht interessant?

GONN:

Der Mann leidet wahrscheinlich an einer fixen Idee.

JEANNE:

Aber das _ist_ doch interessant.

GONN:

Das ist etwas ganz Allt�gliches -- auf Wiedersehen, Jeanne! (Er geht
hinaus, ohne Rainer zu gr��en.)

JEANNE:

Hat er dir eben nicht Adieu gesagt?

RAINER:

Nein.

JEANNE (ruft zur T�r hinaus):

Gonn!

GONN (hinter der Szene):

Ja?

JEANNE:

Du hast etwas vergessen!

GONN (kommt zur�ck):

Was denn?

JEANNE:

Rainer zu gr��en.

GONN (zeigt Jeanne seine Verachtung. Zu Rainer):

Wenn ich dich nicht mehr sprechen sollte, erwarte mich im Caf�! (Ab.)

JEANNE:

Was wollte er denn eigentlich hier? -- Was ist denn schon wieder geschehen
-- du?!

RAINER (schweigt).

JEANNE:

Soll ich dir einen Tee machen? Wir m�ssen uns doch die Zeit vertreiben, bis
Yges kommt?

RAINER (setzt sich):

Bitte.

JEANNE (bereitet den Tee zu):

Wie du das sagst! So m�de! -- Wei�t du, Rainer, ich glaub' gar nicht mehr,
da� du mich noch einmal �berraschen wirst -- mit irgend etwas.

RAINER:

M��te ich das -- als Kavalier?

JEANNE:

Ach -- ich meine das anders.

RAINER:

So wie Sie es meinten, empfand ich es als Beleidigung.

JEANNE:

Warum? Bist du selbst nie stolz auf dich gewesen, wenn du etwas getan
hattest, was so gro� war, da� es dich selbst �berraschte?

RAINER:

Nein.

JEANNE:

Aber man tut doch manchmal etwas, was man nicht gewollt hat.

RAINER:

Ja, aber man bereut es.

JEANNE:

Pfui!

RAINER:

Ich bin nicht hergekommen, um zu philosophieren. Au�erdem ist der
�sthetische Tee unmodern geworden. Das m��ten Sie doch wissen!

JEANNE:

Um diese Zeit spricht es sich nur so gut!

RAINER:

Nur keine Sentimentalit�ten!

JEANNE (hat den Tee zubereitet):

Aber -- das Gegenteil?

RAINER:

Noch weniger.

JEANNE:

(stellt die Kanne mit einem h�rbaren Ruck auf den Tisch): O du dummer
Mensch! (Sie setzt sich und schenkt ein.) Nimmst du etwas Rum?

RAINER:

Danke, nein.

JEANNE:

Aber eine Zigarette rauchst du mit mir.

RAINER:

Es ist eigentlich mein Prinzip, in Gesellschaft einer Frau nicht zu
rauchen.

JEANNE:

Sonderbar bist du doch. Warum denn nicht?

RAINER:

Weil die Zigarette ein Hilfsmittel ist, das Ihr entbehren k�nnt.

JEANNE:

Und deshalb soll eine Frau nicht rauchen?

RAINER:

Sie soll es deshalb nicht tun, weil sie es aus Instinkt bis jetzt nicht
getan hat.

JEANNE (lacht):

Wie ernst du alles nimmst!

RAINER (�rgerlich):

Weil ich euch verachten mu�, wenn der Mann euer Ideal ist. Seid Ihr es f�r
uns? F�r Schwachk�pfige vielleicht! K�nnt Ihr euch langweilen? Wi�t Ihr
manchmal nicht, wo Ihr eure H�nde lassen sollt? -- Also warum raucht Ihr?

JEANNE (l�chelnd):

Du bist wohl auf die neuen Ideen nicht gut zu sprechen?

RAINER:

Wie du siehst. F�r mich ist die Frauenemanzipation der umgekehrte
S�ndenfall. Damals a� Adam vom Apfel der Eva, heute i�t Eva vom Apfel des
Adam. -- Ich stehe vom Tisch auf, wenn ein Blaustrumpf sich zu mir setzt.

JEANNE:

Bourgeois!

RAINER:

Denk' daran: Die Geusen schrieben das Schimpfwort auf ihre Fahnen!
(Dozierend) �brigens ist es auffallend, da� dieser Proze� sich immer
wiederholt. Ich habe in meiner Utopie gesagt, da� Bourgeoisie, Judentum und
Sozialdemokratie --

JEANNE:

Aber Rainer! Ich habe deine Utopie angefangen zu lesen und das Buch
zuklappen m�ssen, weil mir sonst die Lust vergangen w�re, je wieder mit dir
zu plaudern.

RAINER (w�tend):

Ich bin nicht interessanter als mein Buch!

JEANNE:

Unsinn! Du und dein Buch, das sind zweierlei.

RAINER:

Wenn du mein Buch verachtest, verachtest du mich.

JEANNE:

Ich glaub' nur, du bist zu was ganz anderem berufen, als B�cher zu
schreiben.

RAINER:

Zu was?

JEANNE:

Tja, du m��test so einen Beruf haben -- wie mein Prinz.

RAINER:

Wer ist denn das?

JEANNE:

Tja -- das ist ein ganz geheimnisvoller Prinz.

RAINER (trinkt Tee):

Wohl eine B�hnenbekanntschaft?

JEANNE:

O nein. Der lebt ganz einsam, ganz weit drau�en und kommt gar nicht in die
Stadt.

RAINER:

Und was tut er?

JEANNE:

Er liebt mich.

RAINER:

Weiter nichts?

JEANNE (schweigt).

RAINER:

Versteh' mich nicht falsch. Ich schlie�e von mir auf andere. Ich w�rde mich
verachten, wenn ich nur das Bestreben h�tte, einer Frau zu gefallen. Aber
vielleicht haben schon seine Ahnen die �brigen Lebensprobleme gel�st und
ihm die erworbene Seelenruhe vererbt; au�erdem -- pflegen Prinzen ja keinen
Beruf zu haben. Von welchem Gebl�t ist er denn?

JEANNE:

Das darf ich nicht verraten, sonst ist er mir b�se.

RAINER:

Aber ich werde ihn nicht besuchen.

JEANNE:

Du w�rdest ihn auch gar nicht finden. Er lebt unter einem andern Namen.

RAINER:

Nun?

JEANNE:

Nein. Wenn ich es sage, dann meldet sich n�mlich mein Gewissen, und mit dem
will ich gar nichts zu tun haben.

RAINER:

Aber es erlaubt dir, deinen Mann zu betr�gen?

JEANNE:

Frag' doch nicht so dumm.

RAINER:

Ich habe Yges nie gefragt, aber ich dachte, Ihr lebtet gl�cklicher.

RAINER:

Er ist ein bi�chen roh, wei�t du.

RAINER:

Schl�gt er dich?

JEANNE (lacht belustigt):

Aber wie kommst du denn darauf? Wei�t du denn gar nicht mehr, da� du _das
da_ von mir hast? (Sie zeigt auf eine Narbe an seiner Stirn.) Erinnerst du
dich? Ich hatte dich mal besucht, noch damals, als ich frei war, und da
hatte ich beim Spiel gemogelt, und du versuchtest mich zu schlagen --

RAINER:

Ich _habe_ es sogar getan, und es war auch berechtigt.

JEANNE:

Nein, das war es nicht -- f�r so eine Kleinigkeit, und deshalb habe ich es
dir auch wiedergegeben; aber da� eine Schere auf dem Tisch lag, daf�r
konnte ich doch nicht -- (sie streichelt die Narbe) Tut's noch weh? --
Gott, was hast du f�r eine weiche Haut! (pl�tzlich) Nein, da� du mich nicht
verstanden hast, wo du mich so gut kennst!

RAINER (erschrickt):

Was?

JEANNE:

Wenn ich �roh� sage, meine ich das doch nicht so k�rperlich. Im Gegenteil,
Yges ber�hrt mich sogar sehr zart; er sieht mich n�mlich nur an oder macht
photographische Aufnahmen, und zwar wirklich sehr sch�ne, das mu� ich ihm
lassen.

RAINER (tr�ume):

So so -- warum tut er denn das?

JEANNE:

Gott, es gibt Menschen, die nicht lieben k�nnen.

RAINER (spricht vor sich hin):

Und andere, die jeden Hund lieben und von ihm geliebt sein wollen.

JEANNE:

Wie kommst du denn darauf?

RAINER:

Ach, nur so --

JEANNE:

Mit dem Prinzen lebe ich aber desto gl�cklicher! Und denk' dir, er hat mich
noch nie ber�hrt! -- Ja ja, so ist's, und trotzdem -- wei�t du, ich nenne
das . . . unbefleckte Empf�ngnis.

RAINER:

Diese Kunst m�chte ich gern von dem Prinzen lernen.

JEANNE:

Du untersch�tzt dich.

RAINER:

Ich kenne doch aber sonst meine F�higkeiten --

JEANNE:

Man zieht nur seinen F�higkeiten Grenzen, um sich wundern zu k�nnen, da�
man sie �berschreitet -- das hat mir mal der Prinz gesagt.

RAINER:

Liebt es Seine Hoheit, solche Aphorismen zu fabrizieren?

JEANNE:

Ja, das ist seine Leidenschaft.

RAINER:

Die kann aber nicht sehr tief sein. -- Ich glaube doch, da� Yges w�rdiger
ist, um von dir geliebt zu werden.

JEANNE:

Ach, dieser -- Geistesbeamte.

RAINER (erregt):

Wie kannst du eine scherzhafte Bemerkung ernst nehmen!

JEANNE:

Woher wei�t du denn, da� der Prinz das gesagt hat?

RAINER:

_Ich_ habe es gesagt, sogar in Yges' Gegenwart. Das Wort ist mir
entschl�pft, weil es so -- glatt war.

JEANNE:

Ach, du warst es? Wei�t du, ich bring' die M�nner immer alle durcheinander.
Ihr verwechselt uns, wenn zwei Freundinnen einmal den Hut tauschen, und wir
verwechseln euch, wenn einer mal sagt, was der andere gesagt haben k�nnte.
Ich glaube, dadurch ist schon manche ungl�ckliche Liebe geheilt worden
. . .

RAINER:

Und manche unerwartete zustande gekommen.

JEANNE:

So ist es mir mit Yges und dir ergangen. -- Wir verstehen uns eigentlich
recht gut. Findest du nicht?

RAINER (versteht jetzt erst, was er gesagt hat, und sucht seine
Verlegenheit zu verbergen):

Wir waren doch auch sehr befreundet.

JEANNE:

Warum sind wir es nicht _mehr?_

RAINER:

Wie soll ich das verstehen?

JEANNE:

Beichte mir mal -- soll ich da hinter den Schirm gehen?

RAINER:

Warum qu�lst du mich? -- Willst du dich von Yges scheiden lassen?

JEANNE:

Vielleicht . . .

RAINER:

Aber wenn ich dir nun sage, da� das nichts an unseren Beziehungen �ndern
w�rde?

JEANNE:

Es w�rde sie �ndern.

RAINER:

Du bist so zuversichtlich . . .

JEANNE:

Warum sch�mst du dich sch�ner zu sein als Yges? Warum nimmst du dir nicht
die Rechte, auf die dir die Natur einen Anspruch gab? -- Du bist ja
unw�rdig, so sch�n zu sein.

RAINER:

Ich bin dem Zufall nicht verpflichtet.

JEANNE:

Wenn du als Mann so leicht denken darfst, dann habe ich es als Frau
schwerer.

RAINER:

Wenn du in der Koketterie eine Pflicht siehst -- vielleicht w�re damals
alles anders geworden, wenn du diese Pflicht weniger gut erf�llt h�ttest.

JEANNE:

Ich wei�, da� ich dir gefallen habe.

RAINER:

Das w�re nur m�glich, wenn ich ein Laffe oder du eine Kokotte w�rst.

JEANNE:

Da ich _auch_ eine Kokotte bin, bist du vielleicht _auch_ ein Laffe.
(Pl�tzlich) Mu� man dich denn an s�mtlichen Zipfeln deiner Seele packen, um
dich �ber einen Abgrund zu schleppen, der gar nicht da ist?

RAINER:

F�r dich nicht da ist.

JEANNE:

Wenn du nun all das moralische Gep�ck abwirfst, und ich dir helfe . . . was
hat dich denn damals gehindert? Du wei�t, ich mu�te heiraten. Das sahst du
selbst ein. Also warum? Leben die Gr�nde denn immer noch?

RAINER:

Ja . . .

JEANNE (l�chelnd):

Kann ich sie nicht beseitigen?

RAINER (schweigt).

JEANNE:

Du h�ttest mich aber doch zum wenigsten besuchen k�nnen, wenn du Gr�nde
hattest, mich nicht zu heiraten. Oder hattest du Furcht -- hattest du
Furcht? Sag' einmal die Wahrheit --

RAINER:

Nein.

JEANNE:

Du l�gst!

RAINER (apathisch):

Ich l�ge nicht.

JEANNE:

Schau mich einmal an. (Rainer sieht auf.) In die Augen! (Er tut es.) So --
fest -- ganz fest -- (sie steht langsam auf) ganz fest -- ganz -- ganz
fest. (Sie ist auf ihn zugegangen. Als sie ihn k�ssen will, l��t die
Spannung in seinem K�rper pl�tzlich nach und sein Kopf f�llt �ber die
Stuhllehne.) Du -- du, Rainer! (Sie k��t ihn. Rainer l��t es geschehen.)
Lieber! Solange habe ich gewartet -- solange! (Sie k��t ihn oft
hintereinander, pl�tzlich) Gott, das ist ja -- Rainer, wie gl�cklich du
mich machst!!

RAINER (richtet sich auf):

Was, -- was denn?

JEANNE:

Ich hab' die Stellung f�r den 4. Akt! Bleib' doch so liegen -- so nach
hinten mit dem Kopf �ber die Lehne. (Sie nimmt seinen Kopf in ihre H�nde.)
Mein Rainer!

RAINER (springt pl�tzlich auf und w�rgt sie):

Du -- du probst mit mir?! -- Jeanne! Eigne ich mich besser dazu als dein
Hund? Du?!

JEANNE:

Hilfe! Hilfe! (Das M�dchen st�rzt herein.)

RAINER (l��t Jeanne frei):

Sie k�nnen wieder gehen.

DAS M�DCHEN (sieht fragend auf Jeanne).

JEANNE:

Es ist nichts.

DAS M�DCHEN (ab).

RAINER (will gehen).

JEANNE (umarmt ihn von hinten und wirft ihn auf die Chaiselongue):

JEANNE:

Rainer! Rainer! Glaub' mir. Ich habe nicht gespielt!

RAINER:

Doch!

JEANNE:

Ich rei� dich auseinander! Ich k�� dich tot! Du mu�t mich lieben! Bleib'
bei mir! Du mu�t! Du mu�t!

RAINER

(kann nicht antworten, da sie sich an seinem Munde festgesaugt hat).

JEANNE:

Sag', da� du mich liebst!

(Man h�rt eine T�r klappen und eine m�nnliche Stimme. Jeanne springt auf,
rennt zum Toilettentisch, ordnet ihre Haare und l�uft zur T�r.)

Yges, bist du es?

YGES (hinter der Szene):

'n Tag, Jeanne!

JEANNE:

Komm hier herein, es erwartet dich jemand!

YGES (tritt ein).

(Als er Rainer bemerkt, fragt er hastig): Habe ich die Wette gewonnen?

RAINER:

Nein.

YGES:

F�r andere Mitteilungen bin ich nicht zu sprechen.

RAINER:

Mein Gewissen gestattet es mir nicht, in diesem Tone zu antworten, trotzdem
wir -- bis jetzt -- gleiche Rechte haben.

YGES (zu Jeanne):

Es ist wohl besser, Jeanne, wenn du uns allein l��t.

RAINER:

Mich st�rt die Gegenwart Ihrer Gemahlin nicht. Vielleicht �berlassen wir
Frau Jeanne die Entscheidung.

JEANNE:

Ich bleibe. Ich setz' mich in die Ecke.

YGES:

Ich hoffe, da� Ihnen die unparteiliche Ehrlichkeit jedes Kontrahenten als
Richter gen�gt.

RAINER:

Davon werden Sie sich gleich selbst �berzeugen k�nnen.

YGES:

Bitte, nehmen Sie Platz. -- Es ist auffallend, da� Sie _mich_ in meiner
_Wohnung_ besuchen?

RAINER:

Im Caf� h�tte ich Sie vielleicht nicht getroffen, und ich _mu�te_ Sie
sprechen. Ihre Gemahlin hat mich unterhalten, w�hrend ich auf Sie wartete.
Ich finde keinen Grund zum Verdacht. Ich sagte Ihnen schon einmal: Sie
haben nicht gewonnen.

JEANNE:

Aber wenn Ihr in diesem Tone fortfahrt, gehe ich hinaus.

YGES:

Das war mein Wunsch.

RAINER:

Frau Jeanne hat recht; ich h�tte die Pflicht, bescheidener zu reden.

YGES:

Das verlange ich nur, wenn Sie die Wette verlieren.

RAINER:

Sie brauchten es nicht zu verlangen, ich w�re gedem�tigt schon dadurch, da�
ich sie verliere.

YGES:

Ich glaube, da� unser Vertrag eines psychologischen Kommentars nicht mehr
bedarf. Um was handelt es sich?

RAINER:

Nicht um die Wette. Wenigstens nicht unmittelbar.

YGES:

Sondern . . .

RAINER (nach kleiner Pause):

Um meinen Tod.

JEANNE (unfreiwillig):

Rainer!

RAINER:

Ich komme zu Ihnen, Yges, um Sie zu bitten, den Vertrag zu l�sen, den wir
geschlossen haben. Trotzdem ich mein Recht auf den eigenen Tod nicht
verkauft habe . . . ich f�hle mich unfrei. Verstehen Sie mich, ich will Sie
nicht betr�gen, da ich Ihnen einen Anspruch auf mein Leben gegeben habe.

YGES:

Ich habe kein gr��eres Interesse an Ihrem Leben, als Sie es selbst haben
m��ten.

RAINER:

Yges -- ich habe Ihnen w�hrend der vielen Jahre unserer Freundschaft den
Einblick in meine Seele wie ein Kaufmann in seine Gesch�ftsb�cher
gestattet. Ich hatte den Ehrgeiz Ihnen �ber meine Einnahmen und Ausgaben
Rechenschaft ablegen zu k�nnen. Sie sollten das Recht haben zu urteilen, ob
ich mit meinem menschlichen Verm�gen gut gewirtschaftet habe oder nicht.
Ich wollte nicht an meine Ehrlichkeit glauben, wenn Sie sie nicht
best�tigen konnten. Sie konnten es nicht. Ich habe mich erboten Ihnen Ihren
Irrtum nachzuweisen. Aber ich erkannte vor einer Stunde, da� es zwecklos
ist. Was ich nur verwickelt glaubte, ist -- ist wirr.

YGES:

Das w�rde also meine Vermutung best�tigen.

RAINER:

Ja und nein. Richtungslos habe ich nicht gelebt. Ich kenne mein Ziel, aber
ich kenne mich selbst nicht mehr.

YGES:

Hm -- also Sie kennen Ihren Beruf, aber Sie wissen, da� Sie sich dazu nicht
eignen. (Er lacht.)

RAINER:

Das habe ich nicht gesagt. Sie k�nnen mich verstehen, Yges!

YGES:

Nein. Sie sind lebens�berdr�ssig. Weiter nichts. Sie haben kein Recht auf
den Tod. Sichtbare Gr�nde, die Ihr Verlangen rechtfertigen, kann ich nicht
finden. Ich habe nichts anderes behauptet, als da� Sie Ihren Beruf nicht
kennen. W�rde ich die Wette r�ckg�ngig machen, so w�rde der Verzicht
zugleich mein Gewinn sein. (L�chelnd) Ich will Sie nicht betr�gen.

RAINER (leise):

Dann verachten Sie mich.

YGES:

Ich habe kein Recht dazu.

RAINER:

Wenn -- ich Ihnen aber nun -- das Recht gebe?

YGES:

Dann habe ich die Wette gewonnen.

RAINER:

Nein. Ich habe nicht aus unsauberen Motiven Anarchie gepredigt. Ich kann
die Verantwortung f�r meine Politik tragen. Ich habe keine Gelegenheit
gesucht . . . (er sieht auf Jeanne und schweigt) Yges, warum g�nnen Sie mir
nicht meinen Tod? Verstehen Sie doch! Es ist niemand auf der Welt, der
meine Leiche waschen k�nnte. Ich mu� es selbst tun, bevor ich sterbe.
Verstehen Sie doch, ich kann nicht dulden, da� Sie mir Feigheit nachrufen.

YGES:

Verwischen Sie die Klarheit der Situation nicht durch Sentimentalit�t!
Warum wollen Sie sich und die Politik an den Nagel h�ngen, -- etwas tun,
was ich nur verlangt haben w�rde, wenn Sie die Wette verlieren?

RAINER (schweigt).

YGES:

Ich wollte niemals etwas anderes als Ihren Hochmut niederrei�en und Ihre
Armseligkeit Ihnen und Ihrer Glaubensgemeinde dokumentieren! -- Wollen Sie
mir zuvorkommen?

RAINER:

Ich habe noch nicht erkannt, da� meine Ideale falsch sind.

YGES:

Der �Rote Pfad� wird also auch nach Ihrem Tode erscheinen?

RAINER (nach kurzer �berlegung):

Ja.

YGES:

Und warum wollen Sie nicht mehr als Herausgeber verantwortlich zeichnen?

RAINER:

Ich f�hle mich nicht mehr berechtigt, als Pfeil auf einem Bogen zu liegen,
den andere spannen.

YGES:

Und warum �untersch�tzen� Sie sich? Der Glaube an Ihr Unrecht berechtigt
Sie ebensowenig wie mich, diese Vermutung als Tatsache zu behandeln. Wenn
ich das getan h�tte, w�re die Wette unn�tig gewesen.

RAINER (schweigt).

YGES:

�Ich sch�tze Ihre �berzeugung�, -- doch ich suche die Wahrheit! Geben Sie
mir Tatsachen! Ich mu� Sie gegen Sie selbst in Schutz nehmen, denn ich wei�
nicht, warum Sie sich verachten m��ten.

RAINER (sieht ihn dankbar an).

YGES:

Ich kenne keine Sympathien oder Antipathien, mein Urteil �ber Sie mache ich
allein abh�ngig von einer wissenschaftlich begr�ndeten Erkenntnis -- wenn
sie mir m�glich ist.

RAINER:

Ich danke Ihnen, Yges.

YGES:

Da die Wette noch unentschieden ist, ist es nur notwendig, da� ich auf Ihre
Selbstanklagen weder mit Achtung noch mit Verachtung reagiere. -- Geben Sie
mir Tatsachen!

RAINER (stockend):

Ich habe Sie verachtet und geha�t . . .

YGES:

Auch meine Selbsterziehung hat es noch nicht vermocht, da� meine rechtlosen
Gef�hle ihre Anspr�che aufgegeben haben. Sie m�gen mich hassen, wenn Sie
nur nicht handeln. Was Sie tun, untersteht Ihrer Verantwortung, nicht, was
Sie f�hlen. Erinnern Sie sich an den zweiten Teil unserer Wette, Sie werden
vielleicht jetzt die Bedeutung verstehen, die _ich_ ihm gebe.

RAINER:

Ich _habe_ gehandelt.

YGES (triumphierend):

Jetzt verstehe ich, warum Sie die Anwesenheit meiner Frau w�nschten.

RAINER:

Sie verd�chtigen mich zum dritten Male. Mein Verh�ltnis zu Frau Jeanne ist
dasselbe geblieben wie zur Zeit unserer Freundschaft. Ich wiederhole es.

YGES:

Dann haben Sie wohl noch eine feinere Rache gefunden.

RAINER (leise und bestimmt):

Ich hatte die Absicht, Sie zu t�ten.

YGES (erregt):

Mich?

RAINER:

Ich hatte einen Golem nach Ihrem Bilde geknetet.

JEANNE:

Rainer! Du?!

YGES (sieht fl�chtig, aber scharf auf Jeanne):

(Zu Rainer) Was ist das?

RAINER (z�gernd):

Eine Wachsfigur . . .

YGES:

Was macht man mit einem solchen Menschen aus Wachs?

RAINER:

Man setzt ihn auf einen gl�henden Ofen . . .

YGES:

Und?

RAINER:

Und blickt ihn starr an und denkt nur an seinen Ha� . . .

YGES:

Und?

RAINER:

Und qu�lt ihn mit Nadeln und schneidet ihm die Glieder vom Rumpf.

YGES:

Und dann?

RAINER (erregt):

Dann -- dann stirbt er! (Pause.)

YGES (steht auf und lehnt sich mit dem R�cken gegen die T�r).

RAINER (bittend):

Yges!

YGES:

Das Gl�ck klebt ja noch in Ihren Augen. Sie bereuen nicht!

RAINER:

W�rde ich Sie sonst darum gebeten haben, unsern Vertrag zu l�sen, damit ich
tun kann, was ich jetzt tun mu�? (Yges schweigt.) Gonn hat mir einmal
erz�hlt, da� der Wahnsinn bei vielen Menschen nur in besonderen
Augenblicken durchbricht. Zu anderen Zeiten ist es unm�glich, den Kranken
von einem gesunden Menschen zu unterscheiden --

YGES (unterbricht ihn):

Plaidieren Sie f�r mildernde Umst�nde?

RAINER (verzweifelt):

Wie soll ich es mir erkl�ren, da� ich Sie foltern konnte?!

YGES:

Ich habe also doch recht gehabt! Ihr _Ha�_ auf _mich_ ist die Feder Ihrer
Unternehmungen. Keine �neue Erkenntnis� hat Sie gezwungen, die Tendenzen
des �Prologs� fallen zu lassen. Nur einer Laune -- Ihrem ganz unbegr�ndeten
Ha� auf mich -- haben Sie alles geopfert. Oder hatten Sie Gr�nde? Mir
_danken_ m��ten Sie, _Ihre_ Sehnsucht war es, den j�ngsten Tag zu erleben,
an dem gerichtet wird. _Ich_ habe ihn verwirklicht. Gr�nde, mich zu hassen,
gibt es nicht, und nur, wer unrein ist, hat Grund, mich zu f�rchten. Das
haben Sie mir bewiesen.

RAINER:

Ich habe nicht aus pers�nlichen Motiven Sie und Ihre Richtung gesch�digt.
Ich bin nur nicht Literat geblieben und mu�te die Forderungen erf�llen, zu
denen mich mein neuer Beruf als Volksmann verpflichtet. Ich gebrauche mein
Verm�gen f�r meine Zwecke -- man hat mich als Kandidaten f�r das Parlament
aufgestellt -- und ich k�nnte es auch sonst nicht verantworten, Ihre
Literatur -- nicht zu bek�mpfen.

YGES:

Was hat die Literatur mit der Politik zu tun?

RAINER:

Die Sache mit der Sache -- nichts. Aber sehr wohl dadurch, da� _ich_ bin.
Sie feiern im Literaten die Wiederkunft des Heiligen, der allein mit den
Problemen der Ewigkeit lebt -- unbek�mmert um die sozialen Probleme der
Zeit. F�r mich aber ist die Zeit das Bergwerk, in dem ich Kohlen schlage,
um f�r den Tag zu sorgen.

YGES:

Sind Sie davon ��berzeugt�?

RAINER:

Ja, deshalb mu�te ich mich von Ihnen trennen.

YGES (martert Rainer mit jedem Wort):

Tatsache ist aber, da� Sie durch die Annahme meiner Wette schon bewiesen
haben, da� es f�r Sie wie f�r einen Heiligen nichts Wichtigeres gibt als
das Wunder seines zeitlosen Ichs.

RAINER (sieht mit einem unbegreiflichen Entsetzen auf Yges).

YGES:

Ihr soziales Gewissen mu� sehr schwach sein, wenn es Ihnen gestattet, Ihre
Pflichten der �Zeit� gegen�ber zu vernachl�ssigen. Die �Zeit� hat nur ein
Interesse an Ihrem Arbeitswert, und den Anspruch darauf gestehen Sie ihr
zu. Wie wollen Sie es begr�nden, da� Sie ihn ihr nehmen? (Rainer schweigt.)
Sie wollen nicht mein Sch�ler sein. Aber zu meinem Gegner sind Sie noch
nicht geworden. Sie haben mich um den Genu� einer Laune verkauft. Ein
Abtr�nniger sind Sie, der seinen Verrat legitimieren will. Aber eine
Genugtuung habe ich, da� Sie jetzt zerplatzen an M�glichkeiten! -- Wollen
Sie den Tag von heute durchstreichen und sich selbst bel�gen, da� nichts
geschehen sei? Es wird Ihnen nicht schwer fallen. Oder wollen Sie unwahr
ehrlich sein und sich erschie�en? Aber ihre Freunde werden Sie verachten,
da� Sie �ber Ihren Arbeitswert den ethischen setzen. Oder wollen Sie den
�Prolog� wieder herausgeben? Aber Sie werden keine Mitarbeiter finden. Oder
wollen Sie mein Sklave werden? -- Wollen Sie das? -- Sie haben die Wette
nicht verloren -- wenigstens nicht juristisch, wenn auch dem Sinn nach.
Meine Behauptung, da� Sie unsere Ehe brechen w�rden, sollte ja nur ein
Beispiel daf�r sein, da� Sie es nicht unterlassen werden, mich, wo es nur
dankbar ist, zu �rgern, zu sch�digen, zu verleumden und zu bespotten. Ich
habe vergessen, da� Sie mich auch t�ten k�nnten. Um Ihrer Verpflichtung zu
entschl�pfen, haben Sie eine Hintert�r gefunden. Ich �berlasse es Ihnen,
sie zu benutzen.

JEANNE (steht auf):

Komm, Rainer, wir gehen!

YGES (beherrscht sich durch ein L�cheln):

Wie gut, da� Sie es sich erst dreimal verbeten haben, da� ich Sie
verd�chtige! Beim vierten Male behalte ich desto sicherer recht!

RAINER (tonlos):

Ihre Frau hat mich gek��t, und dann sprach sie von einem Prinzen . . .

JEANNE (zeigt Rainer ihre Verachtung).

YGES (sehr ruhig):

Nicht nur verlogen sind Sie, sondern auch dumm. Jetzt haben Sie sich sogar
Jeannes Hilfe verscherzt. (Boshaft) Was werden Sie nun tun?

RAINER:

Das -- zu dem ich mich verpflichtet habe -- wenn ich die Wette verliere.

YGES (l�uft mit gro�er Schnelligkeit zum Schrank und entnimmt ihm ein
Livree):

Hier ist die Livree, die du als mein Sklave tragen wirst. Du erh�ltst ein
eigenes Zimmer und i�t mit dem M�dchen. Sonstige Anspr�che zu stellen, hast
du nach unserer Vereinbarung nicht das Recht. -- Kleide dich um, sofort und
schnell!

RAINER (nimmt die Kleider, die Yges auf die Chaiselongue geworfen hat, und
geht in das Nebenzimmer).

JEANNE:

W�rdest du auch ihm gedient haben, wenn du verloren h�ttest?

YGES:

So lautete nicht die Abmachung.

JEANNE:

Wie lautete sie denn?

YGES (schweigt).

JEANNE:

Ich verstehe ja noch nicht ganz, um was es sich handelt. Aber so viel wei�
ich, da� bei einer solchen Wette vorher bestimmt wird, was jeder zu leisten
hat, wenn er verliert.

YGES:

Ich habe mich verpflichtet, ihm 2000 Stimmen f�r seine Kandidatur zu
gewinnen.

JEANNE (lacht).

RAINER (tritt ein).

YGES (setzt sich in einen Fauteuil im Erker):

Gew�hn' dich daran zu klopfen, wenn du eintrittst. -- Jeanne, mach bitte
Licht! Ich m�chte sehen, ob es wahr ist, da� Kleider Leute machen. (Jeanne
geht zum Erkerfenster, um die Rouleaux: herunter zu lassen.) Ach so, die
Leute! Wenn du doch auch solch Mitleid mit mir haben wolltest, Jeanne, wie
mit deinem -- Diener!

JEANNE (hat, w�hrend Yges dies sagt, die Gardienenschnur zu einer Schlinge
gelegt und wirft sie ihm schnell um den Hals. Yges will aufspringen, f�llt
aber zur�ck und stirbt. Rainer will hinzuspringen, wendet sich aber dann
pl�tzlich ab).

JEANNE (umarmt ihn):

Rainer! Mein armer Rainer! (Sie k��t ihn.) K�� mich wieder!

RAINER (hastig):

Mach doch Licht!

JEANNE:

K�� mich!

RAINER:

Warum hast du das getan?

JEANNE (k��t ihn).

RAINER:

Er bewegt sich noch!

JEANNE:

Ach, das ist die Gardine. -- Siehst du?

RAINER:

Mach doch Licht, es ist hier so dunkel.

JEANNE:

Ich kenne mein Zimmer, ich werde dich f�hren. Komm!

RAINER:

Warum hast du das getan? (Jeanne k��t ihn.)

JEANNE:

K�� mich! (Rainer tut es) -- -- noch einmal! -- auch dahin -- und dahin --

RAINER:

Da steht jemand, da!

JEANNE:

Das ist doch der Ofen!

RAINER:

Der Ofen . . .?

JEANNE:

Fa� ihn doch an!

RAINER:

JEANNE:

Bleib' mal so stehen -- so -- wie bla� und krank du aussiehst!

RAINER (schreit):

Ich habe zugesehen -- _ich_ habe ihn get�tet!

JEANNE (k��t ihn):

Ganz ruhig -- so -- ganz, ganz ruhig bleiben -- sei lieb -- komm!

RAINER:

Warum hast du denn das getan?

JEANNE:

Komm! komm! (sie zieht ihn hinter den Bettschirm; man h�rt die Betten)
Lieber! Lieber!

RAINER:

Nein!!

JEANNE:

Komm, komm -- mein Prinz!

RAINER (befreit):

Jeanne! Jeanne! Jeanne!

JEANNE:

Du! Warum hast du mich nicht geheiratet?

RAINER:

Frag' nicht mehr nach der Vergangenheit! (Es klopft.)

JEANNE (schreit auf):

Mein Mann! (Sie lacht nerv�s �ber ihren Irrtum.)

RAINER (leise):

Ist der Riegel vor?

JEANNE:

Nein, wo ist denn das M�dchen?

RAINER (springt auf und l�uft zur T�r):

Wer ist da?

STIMME:

Ich! Gonn! Ich mu� dich sprechen!

RAINER:

Warte! (Zu Jeanne) Es ist besser, wenn wir ihn herein lassen.

JEANNE:

Aber mach schnell. (Sie springt auf und l�uft aus dem Zimmer. Rainer z�ndet
Licht an und versteckt die Livree.) (Gonn tritt ein und dr�ckt Rainer ein
Paket in die Hand.)

GONN:

Ich konnte es nicht lassen, dir noch einmal zu helfen. Aber diesmal
garantiere ich f�r den Erfolg.

RAINER:

Wem geh�rt das Geld?

GONN:

Dir.

RAINER:

Ich habe dir nur 1000 Mark geborgt.

RAINER:

Die habe ich f�r dich gesetzt. Um 7 Uhr habe ich die Renndepeschen gelesen,
um 1/2 8 war ich beim Buchmacher. -- Ich schenke dir nat�rlich nicht das
Geld.

RAINER:

Ich gehe keine Verpflichtungen mehr ein.

GONN:

Wenn nun aber dadurch der Wette die Voraussetzung genommen wird?

RAINER:

Ich verstehe dich nicht. --

GONN:

Die Wette ist eine geschickte Spekulation Yges'. Nicht wahr? Er hat sie
nicht aus denselben Gr�nden vorgeschlagen, aus denen du sie angenommen
hast. Er wollte sich daf�r r�chen, da� du ihn zwangst, als Phonograph ohne
Trichter, als Ausrufer ohne Klingel zu leben. Wenn ich dir nun dieses Geld
zur Verf�gung stelle, damit er eine neue Zeitschrift gr�ndet, vielleicht
unter dem alten Namen?

RAINER:

Aber damit w�re doch nichts gebessert.

GONN:

Glaubst du wirklich, da� er deine �Verlogenheit� entdeckt h�tte, wenn er
seinen Scharfsinn weiter dazu h�tte verwenden d�rfen, Literaturpolitik zu
treiben? Damals fehlte dir Geld, um ihm den �Prolog� zu schenken. Das hast
du mir selbst gesagt. Heute habe ich es dir verschafft, und s�mtliche
Konflikte und Wetten sind nun, hoffe ich, ebenso nichtig und wertlos wie
das Mittel, durch das ich sie beseitigt habe. (Er streckt ihm die Hand
entgegen.) Aber -- wie siehst du denn aus?

RAINER:

Ich habe im Dunkeln gesessen -- Jeanne mu�te sich anziehen -- zum Theater.
Das Licht blendet mich noch.

GONN:

Wo hast du denn deinen Rock?

RAINER (l�chelnd):

Ach, -- Jeanne �rgerte es, da� mir ein Knopf am Jackett fehlte. Sie wird
gleich kommen. Yges wird auch bald kommen. Jaa -- was ich dir sagen wollte
--

GONN:

Was verwirrt dich? Mein Vorschlag ist gut und diesmal ohne Gefahr f�r dich.

RAINER:

Er nimmt kein Geld. Der Gewinn w�re auch nicht selten genug.

GONN:

Er nimmt es.

RAINER (schweigt).

GONN:

Rainer, es gibt nur zwei M�chte auf dieser Erde: die Seele und das Geld.
Wer beide verachtet, ist verloren.

RAINER (z�gernd):

Ich m�chte mich -- chemischer von ihm scheiden.

GONN:

Das wolltest du schon vor zwei Stunden, und ich half dir es zu tun; aber da
du ihm scheinbar trotz alledem diese Absicht beichten willst, mu� ich
annehmen, da� deine Wahlverwandtschaft zu ihm st�rker ist als dein Wille.

RAINER (entschlossen):

Nein! -- W�rdest du mir noch einmal helfen, wenn ich es -- endg�ltiger tue?

GONN (nach kurzer �berlegung):

Wenn du mich nicht noch einmal im Stich l��t --

RAINER (schiebt den Sessel beiseite, hinter dem Yges liegt). (Gonn schweigt
lange.)

GONN:

War das die einzige M�glichkeit?

RAINER:

Ja. Ich hatte die Wette verloren.

GONN:

Dann allerdings. . . (Er dr�ckt Rainer die Hand.)

JEANNE (tritt ein. Sie tr�gt ein Stra�enkost�m).

GONN (erschrickt, als er Jeanne bemerkt).

JEANNE (ruhig):

Du wirst uns behilflich sein?

GONN:

Nur dir! Rainer wird nicht fliehen!

RAINER:

Soll Jeanne steckbrieflich verfolgt werden und ich mich zum Abgeordneten
w�hlen lassen?

GONN:

Ja.

JEANNE:

Komm, Rainer.

GONN (erregt):

Ich denunziere dich lieber, als da� ich dulde, da� du uns Bettgen�ssen
opferst!

RAINER:

Ich habe der Bewegung die Richtung gegeben. Ich bin �berfl�ssig.

GONN (gesch�ftlich):

Ich werde der Partei davon Mitteilung machen. (Er will gehen.)

RAINER (zu Jeanne):

Ich bitte dich, -- auf wenige Minuten! (Jeanne geht hinaus.)

GONN:

Wenn du fliehst, kann mich nichts mehr davon �berzeugen, da� die Utopie f�r
dich mehr als eine Laune war. -- Tust du es, ja oder nein? Alles �brige
interessiert mich nicht.

RAINER:

Ich liebe diese Frau.

GONN:

Ja oder nein?

RAINER:

Ich liebe Jeanne . . .

GONN:

Warum?

RAINER (�berrascht):

Gr�nde gibt es daf�r nicht.

GONN:

Du kannst Jeanne doch nicht -- sinnlos lieben.

RAINER (l�chelnd):

Woher wei�t du, da� der Meeresgrund des Ozeans kein Loch hat? W�rde die
Liebe da sein wie das Meer, wenn nicht ein festgef�gter Grund sie tragen
w�rde?

GONN (�berrascht):

Das ist -- falsch.

RAINER:

Damals, wie heute, finde ich keine tieferen Gr�nde, sie nicht zu heiraten.
Damals habe ich es nicht getan. Heute tue ich es. Und beide Male bin ich
mit mir zufrieden.

GONN (geh�ssig):

Nur mit dem Unterschied, da� es dich damals befriedigte, stolz zu sein, und
heute nicht.

RAINER:

Das wei� ich nicht. Ich wei� nur, -- da� ich Jeanne liebe . . .

GONN:

Du glaubst wohl, da� dieses W�rtchen gen�gt, um der Sache eine Bedeutung zu
geben. Liebe! Etwas, was seine Bedeutung seiner Popularit�t verdankt!

RAINER:

Vielleicht. Aber die Popularit�t mindert nicht ihren Wert.

GONN:

Wert!

RAINER:

Ja, Wert! Das versteht deine Armut nicht!

GONN (ver�chtlich):

Vielleicht lernst _du_ mich ihn sch�tzen.

RAINER:

Gern. H�r' gut zu, Gonn! Ich brauchte nicht zu fliehen und auch nicht zu
dulden, da� Jeanne den Verdacht auf sich lenkt! _Sie_ hat es getan! Ich bin
unschuldig! Und _trotzdem_ -- (Jeanne st�rmt herein).

JEANNE:

Das ist nicht wahr -- das ist nicht wahr -- _er_ hat es getan! Glaub' ihm
nicht, Gonn! Er _mu�te_ es ja tun! Yges hat ihn gemartert und in seine
Seele geschlagen, da� es klatschte! Und dann mu�te er eine Livree anziehen,
die Yges f�r ihn schon gekauft hatte! Denk' dir, die hatte er schon gekauft
. . .

GONN (zu Rainer):

Und diese Erniedrigung war noch nicht tief genug, um dich hochzuschnellen?
Du bist ja noch weniger, als ein Gummi!

JEANNE:

Aber Rainer hat es getan! Ich schw�re, da� er es getan hat!

GONN (blickt auf Rainer, w�hrend er zu Jeanne sagt):

Ich glaube dir nicht, du hast schon mal einen Meineid geleistet!

JEANNE (zu Rainer, mit einem ver�chtlichen Blick auf Gonn):

Er will dich moralisch erpressen! Du sollst mich verachten lernen!

GONN (versucht sich zu beherrschen).

JEANNE:

Komm, Rainer!

RAINER (zu Gonn):

Willst du mir deinen Pa� geben -- f�r den Notfall? (Gonn gibt ihm das
Schriftst�ck.) Danke. (Jeanne geht zur T�r.)

GONN:

Sage mir nur noch das: Verachtest du dich nicht selbst? (Rainer sieht
fl�chtig zu Gonn auf, dann verl��t er mit Jeanne das Zimmer.)







End of the Project Gutenberg EBook of Der j�ngste Tag, by Leo Matthias

*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER J�NGSTE TAG ***

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