The Project Gutenberg eBook, Frauen, by Kasimir Edschmid


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Title: Frauen
       Der Prinz--S�r�--Frauen--Der Zuschauer


Author: Kasimir Edschmid



Release Date: January 26, 2011  [eBook #35085]

Language: German

Character set encoding: ISO-8859-1


***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK FRAUEN***


E-text prepared by Jens Sadowski



KASIMIR EDSCHMID

FRAUEN







1922
Verlegt bei Paul Cassirer in Berlin

Au�er dieser Ausgabe erschien eine vom Verfasser
signierte und numerierte Vorzugsausgabe
in 110 Exemplaren

Alle Rechte vorbehalten
Copyright 1922 by Paul Cassirer
in Berlin

Drittes bis f�nftes Tausend

Druck von Oscar Brandstetter in Leipzig




Inhalt

   Der Prinz
   S�r�
   Frauen
   Der Zuschauer





   Aber ich bitte Sie . . . Ein Mensch,
   der sich zum sch�pferischen
   Leben bestimmt, hat nicht das Recht
   mehr, zu leben wie die andern.

      Flaubert an Maupassant









Der Prinz


Als Riny, gro��ugig, die Schenkel zart und bebend von Linien wie ein
Hirschkalb, einsam aufgewachsen, hei�erer Sonne hingegeben, verschwistert
dem Laut eines gro�en Meeres, das ihr Blut nie verga�, Vater und Heimat
auch aus der Ferne inbr�nstig liebend wie am ersten Tag, als sie auf M�nner
stie�, war es Saint-Loux. Er nahm die Sehnsucht von ihr, die sie dann
gr��er �bergo�. Er bedr�ngte sie lange und reizte sie jedesmal neu. Er war
schlank, ein Franzose, das Gesicht von Pocken zerrissen, die Augen scharf
von Klugheit. Er nahm sie hart und gl�hend wie ein r�mischer Ringer. Als er
sich zu sehr an sie verstrickte, da� sie ihm st�rker gegen�berstand, nahm
sie einen anderen Mann.

Doch zog sie es wieder zu Saint-Loux.

In Paris betrog sie ihn mit einem kleinen Dichter, der Bewegungen hatte wie
ein Aal. Sie reiste mit ihm ab, hob Wechsel ab und hielt ihn aus. Nach
einem halben Jahr schickte sie ihn fort. Sie reiste zu Saint-Loux. Nie war
sie gl�cklicher. Sie blieben auf dem Lande. Saint-Loux wuchs jedesmal
langsam. Durchbrach er die K�hle, die sie meisterte, verga� er sich und
sprach seine Geheimnisse aus. Dann kannte sie ihn, schaute ihm auf den
Grund und wurde schlaff.

Die H�ften eines Winzers rief sie zu sich, der den Geruch der woll�stigen
schwarzen Erde trug. Sie entf�hrte ihn, entwurzelte ihn in die Normandie,
bekam ihn langsam satt und fuhr nach Berlin. In einer peinlichen Sache
setzte sie ihren Ruf aufs Spiel und rettete Saint-Loux, dessen Leben in
vielen Str�mungen stand. Es zog sie zu ihm. Sie vereinigte sich mit ihm.

Sie blieb, wenn sie ihr Dasein nach der Welt zu drehte, Dame. Ihr Vater,
den sie liebte, war reich. In Paris wieder verlie� sie den Franzosen. Ein
feiner K�nstler gab ihr Stunden der Melancholie und des Schmerzes. Die
flammende Rede eines Schauspielers, sein ungest�mes Werben gab ihr andere
Richtung und Ersatz. Nach einem halben Jahr fuhr sie wieder zu Saint-Loux.
Nie gelang es ihr rasch ihn zu verlassen. Nach Wochen von K�mpfen zog es
sie von ihm. Ein Erkalten von ihm hielt sie von tausend Abtrieben entfernt.

Sie lebte drei Jahre mit ihm, l�chelnd auf jede Versuchung nun,
entschlossen, mehr sogar: nicht in der Lage, ihn zu verlassen. Sie zog, ihr
Leben innig dem seinen verkettend, mit ihm, wo er lebte und k�mpfte, denn
er nahm nichts von ihr. Sie schweiften zusammen. Ein Auftrag sandte ihn
nach Indien, wo er die Politik seiner Regierung wahrnahm. Ein wenig drin im
Lande, dem Flu� gegen�ber, empfing er Botschaft, nahm er sein Gesch�ft
wahr. Vier Monate, wie im Traum, lebte sie mit ihm, immer gl�cklicher an
ihm. Denn er besa� Muskel und Hirn.

In einer Nacht wachte sie auf, sah einen Stern am Himmel, es war als
schl�ge ein Mondfl�gel gegen sie, sie erhob sich, besah das Haus, den
Balkon, den Flu� und sah es schon nicht mehr.

In dieser Nacht verlie� sie Saint-Loux wie ein Blitz, ohne da� etwas in ihr
blieb von irgendeiner seiner Umschlingungen, die ihn in (wie sie glaubte)
unsterblichen N�chten ihr verschmolzen. Sie kleidete sich an und ging
hinaus. Von den mondhellen Blumen machte sie unterwegs einen Strau�.
Tr�umerisch schritt sie durch die blonden Maisfelder. Als der Morgen kam,
begann sie zu singen.

Zum erstenmal sah sie tausend Dinge genau. Das Gras erhielt Dasein. Grillen
zogen Laute um sie, der Duft der Bl�ten erschauerte sie. Der ge�ffnete
Himmel kam ihr nahe. Sie sah ihn wogen, da� es kein Ende nahm.

Sie hob die Arme in B�ume. Der Kern gepfl�ckter Fr�chte schmolz ihr auf der
Zunge und ein ungeheurer Trieb verband sie ungekannten Gef�hlen in der
summenden Weite.

Sie ging durch einen Tamarindenwald. Kupfern scho� Glanz eines Daches durch
die Zweige. Sie lauerte kurz, dann machte sie einen Bogen. Gegen Abend kam
sie an eine Wiese. Seitw�rts ein gro�es Kloster. Die Ebene lag ganz voll
Sonne. Menschen str�mten nach ihm zusammen, gleich Tieren, geschart, alle
trugen die K�pfe gesenkt. Rinys N�stern dehnten sich ein wenig. Sie blieb
sitzen.

Trupp auf Trupp, gelb gekleidet, immer die Nacken zum Boden gestellt, zogen
hinein. Sie hatten Lederriemen um den Leib und Rosenkr�nze in den H�nden.
In den blauen Abendfarben leuchtete das Gold von hundert kleinen T�rmen
unsinnig. In ihrer Mitte stand eine Pyramide mit einem Fortsatz gleich
einer umgest�lpten Trompete. Schatten st�rzte auf Schatten von oben �ber
die Terrassen.

Als der Mond aufging, schlug er wie der Fl�gel eines Engels durch ihr Herz.
Die Nacht schauerte noch von ferne, es war halb hell. Sie sah hinein und
das Licht drang durch sie wie eine S�ule. Dann fiel es auf die Pyramide,
die nach oben sich aufschlug und breiter wurde in den Himmel hinein.

Ihr L�cheln ging nicht nach ihrer vorgelebten Zeit, nun vor Wundern
stehend, wurde sie sicher und gro� und die lockende Stille verf�hrte sie
tief.

Sie wandte den Kopf.

Ein Mann kam auf sie zu, hielt und ging weiter.

Sie warf ihm einen Blick zu, den sein schr�ges Auge fa�te, das gew�lbt lag
unter den ungeschorenen Haaren. Die Kette hing um seinen Hals, er trug aus
Seide das gelbe Kleid der anderen Priester.

Sein Blick zerschnitt ihr Gesicht, als er sie streifte. Aber ihr graues
Auge hob sich ruhig gegen ihn.

Einen Augenblick zuckte der F�cher, mit dem seine Hand sich Wind zuschlug.
Einen Augenblick streifte gel�hmt sein Fu�. Dann trug sein Gang ihn weiter.
Noch in der fallenden D�mmerung sah sie ihn ungenau eintreten durch ein
Tor.

Noch aber war es nicht ganz dunkel, als er zur�ckkam. Ihre Pupillen sahen
ihn schon von weitem durch die Schatten. Sie l�chelte.

Er zog sie an der Hand, fl�sternd, hochm�tig, hinein in das Kloster.

Auf Treppen folgte sie seinem Schritt von Terrasse zu Terrasse. Viele
Priester begegneten ihnen. Aber keiner sah auf, kein Ohr gab acht auf sie.
Leise murmelnd, die Blicke gesenkt, gingen sie ihnen vor�ber. Durch eine
Allee des obersten Pyramidensockels erreichten sie den Gurt der T�rme.

Der F�hrer �ffnete die T�re an einem. Er zog sie hinein . . . . . �ber eine
Treppe, sie stand in einem Zimmer, von allen Seiten voll Licht. Farbene
Felle lagen darin, geschliffenes Glas hob die W�nde. Aus porzellanenen
Schalen wehte d�nn das Rosen�l.

�Bin ich gefangen?� fragte Riny gleich.

�Nein,� sagte er in einem Englisch, das sich auf seiner Zunge brach.

Aufatmend sog sie das s��e Licht des Abends aus den Fenstern:

�Warum sieht uns keiner?�

�Sie sind nicht blind. Sie dienen nur. Einer nur hebt f�r sie den Kopf.�

�Du . . .�

�Ich.�

Sie atmete heftig in der bet�ubenden Luft.

Er bewegte sich von der T�r her auf sie zu. Sie sah die Augen eines tief
erregten Mannes, dessen Gesicht die gro�e Welle schwer nur hielt. Sie lie�
das Auge weitergleiten. Durch die Fenster fuhr es auf die Landschaft. Sie
sah den dunklen Schatten eines Waldes. Dahinter lag das Haus Saint-Loux.

Sie drehte sich um und gab sich in seinen Arm.

Seine Liebe war ohne die Begierde, die sich ersch�pft in der Ber�hrung der
Haut. Aus seinen H�nden drang ein Strom in ihren Geist. Sein Mund erhob den
ihren in die H�he wie sein Auge. Sein Leib verschmolz dem ihren mit so
m�chtigem Drange, als zwinge er die Vereinigung �ber das Ber�hren der
K�rper hinaus. Seine Worte, die sie um Liebe fragten, waren kurz und
suchten wild in ihrem Blut. Ein Rausch �berkam sie unter seinen Armen, sie
sah sein Auge schwer �ber ihr verz�ckt.

Ihr erwachender Blick fiel auf die Spitze der obersten Pyramide. Die Sonne
tanzte mit kleinen Flammen auf einem eisernen Ring, der um sie genietet
war. An Seilen zwischen der Spitze und dem G�rtel hingen kleine Glocken und
erzitterten zu Tausenden in der erfrischten Luft. Unten zogen die Rahaans
aus den Toren.

Sie schlo� die Augen wieder und die Tr�ume der Nacht schaukelten �ber sie.

Nach zwei Stunden stand sie auf, unwillig �ber ihre Einsamkeit. Sie stieg
die Treppe hinunter. Als sie den Turm verlassen hatte, nahten Menschen. Sie
barg sich in einen Winkel. Weiter vorgehend, kam sie an die Allee. Sie war
leer. Als sie zur�ckschaute, verwirrten sie die hundert T�rme. Sie kannte
den ihren nicht mehr.

Tr�nen traten ihr in die Augen. Sie bog aus der Allee und stieg hinab.

�berrascht trat sie in eine Halle mit Reihen von S�ulen. Gesumm von Stimmen
�berfiel sie. Sie trat heraus aus dem Schatten und sah Hunderte Priester,
die in dem Raume wogten wie Bienen. Sie sprang zur�ck, erschreckt, aber vor
ihr standen drei andere, die eintraten. Erbleicht hielt sie.

Aber sie bogen um sie, ohne sie zu beachten. Da ergriff sie ein Schwindel,
dies Gehen wie im Traum erschreckte sie. Niemand beachtete ihren K�rper,
sie schwankte. Ihr Blick fiel in einen Spiegel, das gab ihr die Sicherheit
wieder, sie sah ihr wirkliches Gesicht.

Erregten Herzens, durch Hallen schleichend, traf sie den Abt. Er ging
allein hin und her zwischen den Blumen, manchmal eine erhebend,
hineinschauend in den Kelch und sie zur�cksenkend in ihre Lage. Er schritt
das kleine St�ck hinunter, das von den W�nden der Pyramide eingeengt war
und �ber der Gegend schwebte bis an den Rand. Eine Ruhe umgab diesen Ort,
die kein Vogel, keine Fliege unterbrach.

Er blickte auf und sah sie, verst�rt noch in ihrem Gesicht. Mit drei
Schritten ging er auf sie zu, die Arme ein wenig gebreitet. Tr�nen an allen
Wimpern st�rzte sie auf ihn wie ein Kind.

Als er den Garten verlie�, folgte sie ihm willenlos.

Aus jedem seiner Blicke, in jeder Umarmung traf sie eine Macht, die eine
Wolke um sie legte. Sie hing an ihm fest. Sie folgte seinem Schritt, seiner
Bewegung. Nie verlie� sie ihn. An jedem Morgen suchte sie ihn durch die
Hallen, jeden Morgen fand sie ihn atemlos wie ein Wunder an einem anderen
Ort. Sie schritt durch die Priester hin mit der nie endenden Bangnis. Wie
von ausschweifendsten Abenteuern erreichte sie seinen Arm. Mit ihm schritt
sie sicher durch die Menge, die ihrer nicht achtete.

Sie sah sie jeden Morgen das Kloster verlassen, hinaus zur Sammlung die
Ebene betreten. Sie sah sie heimkehren, beladen am Abend. Bebend ging sie
durch die R�ume ihrer Andacht, die nie eine Frau betreten. Keiner hob das
Auge nach ihr. Gel�bde folgend in Gebeten sammelten sie ihre Seele, deren
gro�e zusammengefa�te Erhebung der Abt weitergab, Auge und Mund frei.

Aber ihr kam nie die Sehnsucht, die Terrassen zu verlassen. Ihr Blick lag
ohne Lockung auf dem Horizont.

Monate hier lebend, �nderte sich ihr Wesen um. Seinem Dasein, das dies
alles in den H�nden hielt, ganz und ohne Besinnung hingegeben, fraglos
ausgeliefert, hatte sie nur Blick und Sinn f�r ihn. St�rker in jedem Schlaf
erfuhr sie die Inbrunst, die er an sie hingab, dies ging �ber jeden Rausch,
den sie erfahren.

Sie wohnte im Kreis die T�rme herum. Wind kam ihr von allen Seiten. Sie
kreiste um die Sonne, die t�glich aus anderer Richtung auf sie traf. Im
Wechsel der Monde sah sie andere Landschaft, andere Menschen, Feuer kamen
und gingen an den Toren, die Kr�hen schwebten um andere ausgesetzte Beute.
Ihr Blick nahm es ohne Teilnahme. Was sollte es ihr. Sie lebte nach innen,
suchte den Abt und war gl�cklich, wenn sie ihn sah.

Nachts an seinem Herzen frug sie:

�Wenn jene mich s�hen . . .�

�Sie tun es nicht.�

�Wenn jene mich s�hen, w�rden sie mich erschlagen, . . .�

Er legte die Hand auf ihren Mund.

�. . . . . . . w�rden sie mich zerrei�en aus Verzweiflung, �ber die Mauer
werfen . .�

Er gab nicht gleich Antwort.

�Ja.�

Sie zitterte.

�Du w�rdest sie wehren.�

�Du wei�t nicht, was jene verl�ren: den Glauben. Sie sind Jahre hindurch,
Jahrzehnte gewandert, wortlos, ohne die Welt zu sehen. Sie haben geflucht
fr�her. Nun weinten sie h�ufig, bis sie die Ruhe hatten.�

�Du w�rdest sie wehren . . . .�

Eine Falte umzog seinen Mund vor Weh:

�Ja.�

An seinem L�cheln erkannte sie: das war sein Tod.

�Ich will dich begleiten, wenn du das Kloster mit ihnen verl�ssest am Tage.
Ich will immer bei dir sein.�

Er hob sie auf zu sich. Sein Gesicht neben ihr vermischte sich in einem
sch�nen Rausch gleich einem Fieber mit ihrer Wange. Sie aber im Gef�hl,
wieviel er um sie spiele, zitterte klein und schwach in seinem Arm.

Noch Tr�nen in den Augen fand sie ihn am Morgen. Angeschmiegt an ihn, bat
sie ihn um Kleider, an sein Versprechen ihn erinnernd. Keine andere
Sehnsucht sprach in ihr, als bei ihm zu sein, mit ihm zu wandern, sich
anzuschmiegen an seine Knie. Das war alles. Es ging nichts dar�ber.

In dieser Woche zog er nicht mit den Rahaans. An einem Feiertage gab er ihr
die Kleidung: d�nnes gew�ssertes chinesisches Seidenzeug, Sandalen und die
Schere, mit der sie die Haare �ber den Schulterbl�ttern schnitt.

Als sie fertig war, sah sie ihn zur�ckfahren. Er gab ihr einen Spiegel. Nun
glich sie ihm ganz im Aussehn auch des Gesichts. Nur die Falten fehlten von
den Nasenfl�geln zu dem Munde, ihr Auge schwamm mehr in unbegrenztem Nebel,
w�hrend seines hochm�tig dunkel starrte. Es hatte den gleichen Ausdruck bei
ihm, nur an ihr erhielt es ein d�steres Flammen. Er sah sie an voll
Erregung.

Sie neigte sich und k��te ihm die H�nde, doch er legte sein Gesicht in die
Fl�chen ihrer Finger einen Augenblick.

An jedem dieser Tage ging der Abt mit einem anderen Trupp. Sie verlie�en
das Kloster durch die T�r, die Pf�rtner, Laien warfen sich hin vor ihnen.

In die D�rfer eintretend gingen sie von Haus zu Haus. In den St�dten
verga�en sie keine T�r. Die Augen gesenkt, in B�chsen aus Blech empfingen
sie die Gaben: Fr�chte, Reis, getrocknete Fische. Sie warfen es in einen
blauen Karren, der sie begleitete. Fremde Bettler erhielten an den Toren
ihren �berschu�.

Sie hielt sich neben dem Abt, sie tat keinen Schritt ohne ihn, wenn sein
Blick sie traf, err�tete sie in ihrem von der Sonne kupfern gewordenen
Gesicht.

Einmal sprang sie zur�ck. Sie sah Saint-Loux vor�berreiten. Seine Schenkel
hielten straff den Bauch seiner Stute. Der Fechterk�rper sa� gelassen im
Sattel. Nur sein Auge zeigte Tr�bung wie von Tr�nen. Seinem Pferde die
Sporen gebend ritt er rasch vor�ber. Freude �berkam sie, ihn so wohl zu
sehen. Aber schon schwand er aus ihr.

Das Gef�hl ihres kleinen Lebens gegen das gro�e des Abtes aber wuchs mit
jedem Tag in ihr. Sie besah ihn des Nachts. Auch sein K�rper war sch�n, er
hatte junge Jahre noch, schwankend zwischen den Drei�ig und der N�he der
Vierzig, seine Jugend war geschont. Daraus aber, aus dem, was er entsagte,
quoll die St�rke seiner Seele auf sie, da� sie vor Staunen oft sich selbst
verga�. Je mehr er aber in seinem Rausche auf sie vertraute, je ungest�mer
seine Inbrunst an ihr aufschlug, als suche sie durch ihren Leib erst die
Verbindung mit einem gr��eren Blut als dem ihren, um so tiefer schwankte
sie, seiner Liebe kaum w�rdig, es nicht ermessend, da� er sich so in sie
ergo�.

Er aber hob sie immer h�her, da� sie ihm mehr noch gleiche, hinter der er
die Vervollkommnung seines Wesens suchte.

Er brachte ihr, als er die Fahrten der M�nche nach den Festen nicht mehr
teilte, sein Kleid und die ziselierte Kette.

Sie sollte mit ihnen gehen -- -- f�r ihn. Er gab ihr alles in die Hand.

Sie aber wollte ihn nicht verlassen, immer mehr gebunden an seine Gestalt.
Sie sah seinen Mund an, seinen Fu�. Sie weinte. Sie wollte nicht getrennt
davon sein.

Er senkte den F�cher, den seine Hand nicht verlie�.

Sein Auge sah sie an mit der aufsaugenden Glut, die ihr Blut beherrschte.
Er wollte, da� sie alles mit ihm teile, hineinwachse in seinen Geist und
seine Aus�bung, wie sie ihm �hnlich war am K�rper.

Er zog sie an und brachte sie, unscheinbar gekleidet, selbst zum Tor. Das
Gesumm der M�nche trieb in ihr Ohr. Sie kamen auf die Ebene, die sich ihr
weiter wellte an diesem Tage wie je. Das Surren der Rosenkr�nze bet�ubte
ihr Ohr, das st�rker anwuchs, �ber die Ungew�hnlichkeit der Begleitung des
Abtes waren die Rahaans verwirrt, sie sahen es nicht, aber sie sp�rten
seine Gegenwart.

In gro�er Schleife zogen sie �ber die Gegend. Ihr wurde jede Sekunde zur
Ungeduld. Langsam erst gegen Mittag geno� sie die Zeit. Stillgl�henden
Gesichtes vor Sehnsucht ging sie unter den anderen.

Bei ihm die Nacht, erschreckt davor, da� er sein Schicksal wie im Spiel auf
sie setzte, frug sie:

�Wenn du irrtest.�

Er sagte schlicht:

�Ich irre mich nicht.�

Sein Gesicht war hochm�tig vor Glauben.

Sie lag bleich neben ihm, bedr�ckt von seiner Sicherheit, die sich �ber sie
legte so hoch, da� sie darunter verschwand. Der Mond spielte durch blaue
D�mmerung um den Turm und deckte ihre Gesichter. Lange lag sie.

Dann sagte sie leis:

�Ich liebe dich.�

Er sah ihr ersch�ttert in die Augen. Es wurde Morgen. Sie erhob sich.

�Wohin gehst du?� frug er.

Sie deutete auf die Ebene, auf alle Tore. Sie war aus Liebe st�rker als
ihre Sehnsucht. Sie zwang es nieder, da� ihr Gef�hl in seine N�he sie band
als sch�ne Erf�llung. Ihm sich preisgebend in seinem h�heren Sinne ging sie
f�r ihn hinaus nun Tag um Tag.

Nun zog die Landschaft sie auch an, die sie f�r ihn besuchte. Aus seinem
Herzen dankte sie f�r Gaben, die �berreich sie empfingen. Mit seinem Auge
sah sie voll Hingabe wieder das Licht sich sanft zerteilen auf B�schen und
Sand. Sie folgte im Wald dem Spiel der Sonnenkringel und hatte Freude
daran. Ein Bach wogte vor ihren Schritten, sprudelnd mit wei�en Wellen, die
sich springend �berspielten. Lange noch blieb ihr die Musik des leichten
Wassers im Ohr.

Ihre �rmel streiften �ber das feine Mehl der Bl�tenk�tzchen. Durch ihre
liebkosenden H�nde zog sie die schweren �hrenkronen des Weizens. Sie b�ckte
sich zu Blumen, die sie pfl�ckte. Sie unterschied genau die Farben, blau
. . . wei� . . . orange. Sie band sie zusammen und hatte Freude dar�ber im
Herzen.

Des Nachts spielte eine Melodie an ihr Ohr. Sie lauschte lange. Dann kam es
durch das wogende Gemach auf sie zu: das Wiegen des hellen Baches.

Die Musik aber stieg.

Sie lauschte lange: . . das Meer ihrer Jugend, dessen Ger�usch ihr Blut nie
verga�.

Ihre Brauen spannten sich lang, sie sah Figuren, Geruch ihrer Heimat, aber
die Liebe des Mannes umgab sie zu m�chtig, als da� die Erinnerung den Ring
durchstie�. Es hatte keinen Sinn in der Bedeutung ihres Lebens, das gef�llt
war.

Es schwand dahin, wohl begleitet von Tr�nen.

Aber die wuschen es nur ganz aus ihrer Seele dahin.

Sie empfand auch im h�chsten Rausch die untrennbare Zugeh�rigkeit ihres
Blutes zu ihrem Vater diese Nacht. Sie wu�te, da� ihr Leben tief verwurzelt
zu ihm geh�re. Aber an Saint-Loux dachte sie nicht.

Aber sie vermochte nicht, den Gestalten und Landschaften ihrer Jugend an
das Herz zu f�hlen. Sie sah sie, aber sie traten nicht auf sie zu,
heischend und verlangend. Langsam spielte um sie wieder das Singen des
Baches.

Auch es erlosch in dem Schlaf, der sie umfiel.

Aus den Armen des Abtes stieg sie in die Ebene. Aus der letzten Ecke des
Waldes hob sich das rote Segment der Sonne. Langsam wie zum Singen ging sie
hinein in das von s��em Licht anger�hrte Land.

Im Laufe der Wochen erreichte sie streifend eines Mittags eine Stadt, die
dunstig zwei Tage weit vor einer H�gelkette hinter dem Kloster lag.

Das gescharte Volk brach vor ihr auseinander. Sie stand vor dem Einzug
eines F�rsten, der abgesprungen war und gerade auf einem Teppich stand, als
sie vor�berzogen.

Der F�rst neigte sich weit zur�ck und hob die Hand �ber die Augen, ger�hrt
vor der Sch�nheit des jungen Abtes. Er gr��te tief.

Sie blieb stehen und erbleichte. Sie stammelte ein wenig, dann aber legte
sie rasch die Hand auf den Mund. Sie standen sich einen Augenblick
gegen�ber. Das weiche, milde Auge des F�rsten flackerte schwer auf ihrem
Gesicht.

Rasch bog sie zur Seite, mit einem Lockruf ihre Leute sammelnd. Ihr Gesicht
war ohne Stille.

Sie kehrten zur�ck und �berstiegen die H�gel. Sie sah das Kloster vor sich
wie am ersten Tage in einem pfaublauen Abend mit hellem Golde
hineinwachsend. Wieder stieg Terrasse deutlich abgezirkelt in Terrasse zum
Aufbau der geg�rteten Pyramide, die mit Alleen beschattet, vom Kreis der
T�rme funkelnd umdreht, fast unertr�glich glei�end stand.

Aber es war, als erreichte sie den Bau nicht an diesem Tag. Abendliche
Lichter wiesen ihr deutlich das Bild. Doch sie erreichte keine N�he, immer
blieben die T�rme wie Striche im Horizont. Und als sie die F��e beeilten,
�berspannten sie dennoch nicht den Raum, der zwischen ihnen lag.

Solange Helligkeit den Abend noch sichtbar f�llte, gingen sie darauf zu,
aber der Bau, der wundervoll leuchtete, ging immer vor ihnen her, bewegt
von den Strahlen der Luft.

Verzweifelt liefen sie mit keuchender Lunge.

Erst in der Nacht kamen sie an den Bau.

In der Nacht suchte in der Beleuchtung des Mondes sie des Abtes Gesicht. Er
schlief und sie sah nicht die dumpfe Glut seines Auges. Aber sie fand ihn
sch�n. Zufrieden erwachte sie am Morgen. Ihr Blick traf die Spitze der
Pyramide. Die Dr�hte mit den Glocken, die wie Vogelschw�rme daran hausten,
klangen erregt in der frischen anziehenden Luft.

Als sie die Alleen hinunterschritt zu einem der Tore, brausten sie �ber
ihr, mit einem geheimen Ton der Erregung, den sie nie hier vernahm. Der
Boden roch, da� ihre N�stern sich spannten, es war der schwere Duft der
Erde nach Regen. Als sie hinaustrat in die Ebene, sah sie sie mit einem
ganzen gro�en Blick. Ihr Auge fa�te alles Einzelne zusammen und blieb an
der Ferne h�ngen, an der die seidenweiche Luft als lange Bl�ue hing.

Sie f�hrte ihren Weg oft nun nicht nur nach den Gaben. Menschen reizten
sie, sie hatte Freude an unbekannter Gegend. Neue St�dte mit ihrem Schwarm,
der wechselte, ber�hrend, verga� sie in der Freude am Augenblick und der
Entdeckung alles, was �ber und um sie war.

Eines Tages �bersprang sie einen Bach, fiel auf das Knie, und als sie den
Boden schmerzhaft ber�hrte, empfand sie Sehnsucht nach Saint-Loux. Ihr Blut
schuf ihn ihr wieder, der die Sehnsucht zuerst von ihr nahm. Er stand in
einem Busch, den Arm entbl��t, wie fechtend. Sein Muskel tanzte. Die Augen
in dem zerrissenen Gesicht funkelten vor Geist. Sein Mund war k�hl
gefaltet. So sah sie ihn wieder zum ersten Male, der wie ein
Schicksalsrufer ihr seit jeher die Pausen ihres Daseins wies, der immer nur
kam: nach Vollendetem.

Ein wilder Schmerz brach in ihr aus. Sie blieb eine Weile liegen. Hob
stumpfe Augen und sah nur langsam die Erscheinung verschwinden und sich
ver�ndern in die Gestalt des Abtes. Tief erschrocken �ber sich ging sie
durch das Tor.

Die Nacht ging das Sonnenjahr zu Ende um die Mitte des April. Sie wohnte
schon zum zweiten Male �ber dem �stlichen Tor.

Da schob eine Armee von Lichtern �ber die Ebene gegen das Kloster.

Die Nacht war sternlos. Riny beugte sich weit aus ihrem Fenster. Um die
Mauer des Klosters brannten Holzst��e vor allen Toren.

Wie durch Nebel gespiegelt kam ein dunkler Zug aus dem Horizont herauf.
Eine leichte Musik ging vor ihm her in der hellen Nacht, durch die Scheine
irrten. Langsamer Gesang erstarb. Indische Gitarren und birmanische Harfen
sangen. �ber ihnen grollte das Rollen der Trommel und Gong. Pl�tzlich war
die ganze Nacht wie Gold.

In das hellere Licht der Tore tauchten gespenstisch die ersten Gesichte.

Wagen rollten heran in breiter Linie, vor jedem vier B�ffel gespannt, deren
wei�e Augen bl�nkerten in den Fackeln und Scheiterhaufen. Sie ebbten in
Wellen heran, die wilden Nacken gebeugt, haltlos, verschwindend gegen die
Mauer, immer neue Reihen aus dem Dunkel hinter sich in die Helligkeit
nachrei�end, es war kein Ende zu sehen des schwarzen Heeres und des
Deichselgedr�hns.

Da aber barst eine L�cke, Tiere schnaubten, ein Zelt entstand zauberhaft.

F�nf wei�e Fahnen kamen angetragen und erstarrten in der Luft. Zwei Neger
mit bunten Fahnen, bewimpelt den Schaft bis zum Ende, pflanzten sich davor.
M�nche hinter ihnen fielen in zwei Reihen ins Knie, eine Gasse, die K�pfe
zueinander.

In einer Scharlachweste und gespitztem Wollhut stand ein Geistlicher hinter
ihnen, sein Kopf leckte noch nach dem Licht. Hinter Bedienten schritt ein
Gouverneur, auf wei�en seidenen Hosen die goldgestickte Weste von blauem
Atlas.

Da hoben sich Speertr�ger, oben die Spitzen voll Gold, blutrote Troddeln
rauschten fallend herab, ihre F��e standen im Gegenrhythmus der ganzen
Bewegung, noch im Dunkeln halb befangen, eine Woge, die sich �berst�rzt.
Aus ihren Schatten schon formten sich die Elefanten. Sie t�rmten gewaltige
Leiber in die Flammenscheine, die wie eine Meute auf ihre Flanken st�rzten.

Es war eine Mauer. Aber ein Schrei durchbrach sie.

Ungeduldig dr�ngte ein anderer Elefant vor. Mit poliertem Haken ri� ein
schlanker Prinz seinen Hals, �ber dem ein Diener einen goldenen Schirm
hielt.

Noch einmal schrie er, da hielt der Elefant.

Von dunklem Samt sprang der Reiter, warf die Schuhe zur Seite, sprang,
allein, vor bis zum Tore und warf sich aufs linke Knie.

Vor ihm standen eingebaut in die Mauer gro� und gewachsen aus Stein zwei
Bilder: Thasiamis, mit der Feder in der Hand aufschreibend Gutes und die
Laster . . . . . neben ihm das kniende Weib Masumdera, deren hohle Hand,
die Welt schaukelnd, sie sch�tzt bis zum letzten Tag, wo sie sie aufhaut
wie eine Frucht.

Kaum aber ber�hrte des Prinzen Knie den Boden, schon fuhr es zur�ck.

Er verschwand.

Der Abt kam nicht die Nacht.

�ber dem Singen der Weiber auf der Ebene um die brennenden Sandelh�lzer
rauschten Raketen �ber den Himmel, zogen tiefe goldene Furchen und
zerstoben in gro�en traurigen Str�hnen, die sch�n wie Haar auf die D�cher
des Klosters sich senkten. Riny am Fenster die ganze Nacht, flog auf mit
jeder, sank mit jeder zur�ck. Am Morgen war ihr Herz unruhig, sie �ffnete
das Fenster und hielt ihre Brust und den Kopf in den leise wehenden Wind.

Durch die Allee ging sie hinunter, unruhiger noch, weil sie den Abt nicht
fand, der nie au�er der Woche ihrer Schmerzen bei ihr fehlte.

Sie trat um die Ecke der S�ulenhalle.

Da kam in dem Gang der Prinz auf sie zu.

Sein Auge ber�hrte sie, es war sch�ner wie das jenes F�rsten, der sie
streifend in einer Stadt anhielt vor Bewunderung. Es war s�� und grausam
wie eines Panthers. Er ging auf sie zu mit federndem Schritt, aber kurz vor
ihr drehte er ab.

Sie lief drei Schritte und sah um den anderen S�ulengang. Am Ende stand der
Abt, die Arme ge�ffnet. Der Prinz ging auf ihn zu. Sie waren beide pr�chtig
gekleidet und umarmten sich. Sie stand und sah, als die S�ulen sie schon
von ihr trennten.

Sie ging hinaus und sah in einen Spiegel, die H�nde an den Br�sten.

Sie nickte sich zu.

Sie kam an den kleinen Garten, ein Vogel sa� auf dem vorderen Busch. Er
hielt den Schwanz aufgerichtet und sang fein und frisch. Sie beugte sich in
den H�ften vor.

Ihr Mund spitzte sich.

Sie pfiff ihm zu. Der Vogel pfiff wieder. Die Sonne lag ganz jung auf dem
Land. Sie hob den Arm, die Augen abschattend. Sie sah soweit hinaus, wie
sie selten sah.

Ganz am Rand des Horizonts zogen sich zarte schwingende Linien Wolken, die
nun von Gold anfingen zu gl�nzen, dar�ber stand k�hl das Blau des Morgens.
Das Land begann zu leben. Die B�sche hoben sich ein wenig in die H�he. Der
Sand erhob ein Glei�en. Der erstarrte Wald zog ein Fl�stern durch die
Bl�tter, die sich bewegten. D�rfer brannten Rauch in die belebende Luft.

Nun kam von den schwingenden Pflanzen aufgetragen der Duft des Landes
langsam herauf gezogen.

Sie unterschied alle Bl�ten.

Der scharfe Geruch der Palmen, das �lige der Schlingpflanzen und die
befreiende Zartheit der wei�en Dolden.

Sie hielt an, die N�stern gespannt.

Wieder erhob sie den Mund und pfiff. Es wurde immer klarer. Helligkeit
�berschwemmte f�rstlich den Raum. Die Sonne kam in den Garten.

Sie machte einen Schritt, dann folgte der andere Fu�. Sie ging hinauf zum
Turm.

Dann kam sie zur�ck, ihre Fesseln sicher setzend.

Im Garten sah sie vor�bergehend den Prinz und den Abt. And�chtig sich
beugend sagte der Prinz:

�Dennoch hast du dich vertieft.�

Der Abt sa�, nicht aufstehend, l�chelnd sagte er zur�ck: �Du bist j�nger.
Wie ich dein Alter hatte, da tr�umte ich, von Wachen und Hungern sehr
vorbereitet, von einem H�gel aus. Ich sah G�tter wie B�ume aus der Erde
wachsen, unsichtbar dem wachenden Auge. Sie waren bald gr�n wie Laub, bald
vom rotesten Gold. Ich habe nun das Unendliche wiedergesehen. Ich vergebe
dir, aber du siehst es, wie ich mich erh�ht.�

Sie schritt vor�ber, rasch, keine Silbe drang mehr an ihr Ohr.

Sie sah nicht viel um sich. Blumen lockten sie wieder, gelbe �berall
ausges�t. Es war die Wiese, auf der sie zum erstenmal das Kloster sah.

Sie lie� sich nieder, tr�umend.

Dann nahm sie das gelbe Kleid der M�nche und schob es in eine Grabenrinne,
in einem seidenen Kleid stand sie da wie fr�her, flocht Perlen in ihr Haar,
das nur zu den Schultern reichte. Eine Str�hne fiel zwischen den Brauen ihr
in die Stirn.

Sie lie� sich nieder, dem Augenblick verwebt in wundersamem Verschmelzen.
Kein Gedanke durchbrach ihr Hirn. Ihr Herz saugte sich voll der Landschaft.
Sie h�rte das Ticken des Gel�ndes, den Jubel einer Amsel. Sie sah den
Himmel �ber sich wogen, da� es kein Ende nahm.

Dann begann der Boden unter ihr zu schwingen wie eine Welle. Ein dunkler
Fels warf Schatten �ber die Landschaft, t�rmte sich und nahm das Licht von
ihr. Ein Elefant in gro�en Spr�ngen durchscho� die Gegend und hielt bei
ihr.

Sie sah nicht auf.

Sie sah das Ganze des Tages um sich fluten und schwang mit ihm in einem
gleichen Strom. Die Ebene drang in sie ein, als ob sie sie bes��e, und
durchhallte ihr Blut mit einem warmen Geborgensein. Ihre Seele ging auf.
Sie wu�te ihren Namen nicht mehr, nicht ihre Heimat, schon verga� sie den
letzten Tag. Ihre Augen, die gr��er wurden, erschauten zum ersten Male
wieder die Welt.

Jede Blume um sie wuchs ein ungeheures Wunder in ihren Sinn. Eine Eidechse
lie� sie die H�nde schlagen vor Entz�cken. Der gro�e Himmel �ber ihr aber
sog sie auf in sein Wogen wie einen kleinen Klang in sein unsterbliches
Rauschen.

Als die Schatten �ber sie fielen, zogen ihre Brauen sich zusammen.

Der Prinz wartete eine Weile.

Dann kniete der Elefant, da� das Land unter ihm sich bewegte vom Andrang
seines warmen Bauches.

Dann hob sich ihr Kopf, ihr Blick kam und ri� ihn herunter.

Mit beiden Armen trug er sie in seinen Sattel, bewegt vor Zittern, die
hei�en Augen wie Samt, schreiend.

Der Elefant st�rmte gegen den Norden, das Kloster verlassend. Wind w�hlte
durch ihr Haar. Sie �ffnete die Augen. Wie lag der Horizont m�chtig vor
ihr!

Nach zwei Stunden kamen sie zum Flu�.

Das Wasser war tief gefallen, sie sah die Ebene nicht mehr, zwei gro�e
Schlangen w�lzten sich neben ihnen die Ufer, entgegenstr�mend mit gelben
Wellen kam der Strom. Sie sah auf.

Vor der Kaj�te verteilt lagen drei�ig Ruderer, angestemmt die Muskeln im
Fahren. �ber ihnen standen an den Flanken Pfauenfedern, gl�nzend rund, und
tibetanische Kuhschweife. Sie kam mit dem Auge an die Stange des
Vorderteils, sie strich hinauf: ein gro�er goldener Knopf wie die Sonne.
Dann glitt sie, ohne einzuhalten, in den Himmel, der �ber dem Flu�bett
hing, grenzenlos.

Ihr Gesicht f�rbte sich dunkler:

�Wie hei�t du?�

�Thengo-Tikien.�

Zu einer gro�en Katze die Glieder zusammengezogen lag er vor ihr:

�Du?�

Ihr Nacken senkte sich nach r�ckw�rts, ihr Auge nahm die Decke der Kaj�te
auf, ge�lt und voll Maserung:

�Germaine . . . . . . Ren�e . . . . . . Duse . . . . . .� riet er, der das
Franz�sische wundervoll beherrschte.

Sie sch�ttelte den Kopf:

�Nenne mich!�

�To,� sagte er.

Sie lachte leis.

Er, der jede ihrer Bewegungen gierig einsog, berauschte sich langsam an
ihrem Gesicht. Er badete darin, sie lie� es seinem bewundernden Blick, ohne
Verwirrung. Seine Verehrung war zu deutlich, zu unbefangen, als da� sie ihr
nicht gefiel als Frau.

W�hrend er sie geno� mit den Blicken, sprach er ihr von Europa, von G�rten
mit Musik und S�len, sein Auge war nicht ganz sicher diese Zeit. Ein Boy
servierte ihnen auf Porzellan und Silber gebackene Teebl�tter. Unmerklich
abschwenkend, kam er aufs Nahe, hob die Hand und zeigte die Landschaft, er
redete von B�chern und Elfenbein, seine Finger prahlten, damit ihr Auge
sich best�rze.

Sie g�hnte und sah ihn an.

Einen Augenblick wurde seine Pupille hart. Dann wurde er weich, sein
Tonfall kam zu ihr fragend, verehrend, aus gro�er Entfernung. Er sagte
verwunderliche Dinge, damit sie ihn belehre. Spielend mit seiner
Unkenntnis, gab er sich als Kind, den Mund umzogen von unbefangenen
Gef�hlen.

Indem er sich so preisgab, hielt er dem R�tselhaften stand, das ihn an
ihrem Gesicht verst�rte.

Allein sie gab nicht nach.

Er sprach von seinen jesuitischen Erziehern, deren frappierende Wirkung er
kannte. Ihre Seltsamkeiten ernst nehmend, wurde seine Lippe ganz kindlich.
Seine Sprache schmollte, derart spielend.

Sie folgte ihm mit einem L�cheln, das er eintrank.

Sie folgte ihm bis auf die H�he dieser Kindlichkeit.

�To,� sagte er schmeichelnd wie eine Katze und lehnte den Kopf an ihr Knie
und rieb leicht die Wange daran.

Rasch zog sie das Bein zur�ck.

Er schnellte auf, get�uscht. Aber ihr unbefangenes Gesicht, das sie mit
einem Ruck damenhaft unber�hrbar vor Sicherheit verwandelte, gab ihm die
Erinnerung seiner europ�ischen Tage, seine Hand fiel zur�ck. Er l�chelte
ebenfalls unbefangen zu ihr.

Seine Haut aber spannte sich vor Erregung, er war von g�ttlicher Sch�nheit
und hielt nur noch schwer.

Sie reizte ihn, da� er seine Haltung �nderte, sie lie� die Augen nicht von
ihm.

Am Mittag erreichten sie einen Platz, wo Stufen, in die Felswand gehauen,
zeigten, da� St�dte hier seien. Anhaltend, entstanden ihnen Bambush�user in
fliegender Eile. Ein Landschaftsgouverneur erschien, die Gegend bev�lkerte
sich. �ber ihnen w�lbte sich eine Ebene, auf deren Scheitel unbeweglich ein
Schwarm Tauben hing.

Der Abend war noch weit. Sie nahmen, faul vom Liegen, junge Pferde und
ritten. Je l�nger sie ritten, um so gr��er wurde die Geschwindigkeit der
Tiere. Die Pferde warfen Mais und Gras auf mit dem Huf, eine kleine Wolke
von Sand stand an jeden Fu� geheftet. Der Prinz wies ihr seinen Besitz,
sein Finger stie� in die Gegend. Seine Stimme war deutend, erkl�rend, mit
einfacher W�rde.

Er kam ihr mit Gleichmut, und sie l�chelte dar�ber.

Der Nagel seiner Hand gl�nzte. Dahinter standen Berge, die Rubin trugen und
Kupfer. Die Fl�che seiner Hand formte eine Quelle, die hei� lief, mit
Nymphen, blond die Haare. Sie gab ihm freundlich das Ohr.

Die Luft, in die sie tauchten, l�ste alles um sie auf, so dicht ward ihre
Strahlung.

In das Rot der unsichtbaren Sonne stieg ein blauer Dampf. Die Reiter hoben
sich mit scharfen R�ndern unwirklich aus der Landschaft.

Vor ihnen ballten sich Umrisse, der Luft seltsam verwoben, wie ein Kreis.

Die Hufe der Pferde waren in der weichen Wiese kaum h�rbar. Kein Ton lag in
der Luft.

Ein Tor schlug sich ihnen auf, dumpfer Schein von Metall darum, das
zerrissen daran hing. Hinter dem Bogen lag weich im dunklen und
goldfarbenen Raum eine Stra�e. Sie sahen keinen Menschen in der Einsamkeit
der Geb�ude. Es wogte eine samtene Luft, die sie fast fa�ten mit den
H�nden. Sie sprangen ab und banden die G�ule an Penaigob�ume.

Ihr helles Wiehern scholl blendend wie etwas Helles in der weichen
Verlassenheit hinter ihnen.

Die Fenster der H�user gl�nzten wie Milch. Die glanzlose Sonne war lang
verschwunden, aber die Dunkelheit war fast wei� von Licht durchflimmert,
und Silber band sich in jeden Winkel.

Riny bog in einen Garten, dessen Mauer eingest�rzt lag, schon verwachsen,
gegen die Stra�e. Thengo glitt hinter ihr. In der Ruhe sprang ihr Herz. Sie
f�hlte ihn im R�cken, ihr Puls erstickte sie in der Kehle, die Brust
schn�rte sich zusammen. Sie sah um.

Sein Kopf war in dem Licht sehr schmal, mit zarter Haut und gerafften
wilden Brauen . . . . . erregend die T�nung der Lippen.

Sie nahm ihr Auge aus seinem und trat rasch in das Haus, ohne den Schritt
zu beschleunigen. Zu einem Fenster des verfallenen Hauses sah sie heraus.

Er stand unten, geduckt. Sein Kopf sah heraus, seine Kehle gab etwas frei,
einen Ton, dann sprang er nach.

Treppen vor sich aufget�rmt, schon �berwunden, S�le, Keller, ein plattes
Dach voll wei�er Disteln . . . . . �berall sp�rte sie seinen Atem,
pochender Schl�fe, nie fehlte ihr seine Gegenwart.

In einem Schatten duckend, sah sie seinen gespannten Schenkel, der ihn
vorbeitrug.

Sie stie� einen leichten Ruf aus, der ihn anhielt, weich und dunkel sich
verirrte weiter in den G�ngen.

Durch das Fenster, den Kopf noch nach seinem Ansprung gewandt, ergriff sie
einen Ast und schwang sich auf den Balkon.

Schon um die Biegung der Galerie, ger�tet, das Herz haltend, sah sie den
Schwung, der den bronzenen K�rper hinter ihr her�berwarf auf die Br�stung.

Von einer Schar Pilaster aufgehalten, verwirrte sich ihr alles. Verlassen,
allein suchte sie den Ausweg.

Je l�nger sie den Weg suchte, um so deutlicher suchte, rufend, sie nun ihn
selber. Von Marmor zu Marmor sich windend, kam ihr aus dem Schatten sein
Mund �berall entgegen. Unter einem Bogen sah sie Sterne. Sie wand sich
hindurch und trat durch ein zerfallenes Fenster auf eine Terrasse, dar�ber
den Himmel.

Sofort sp�rte sie ihn in der vibrierenden Luft.

Sie wandte sich die L�nge des Baus hinunter. Ohne da� ein Laut ging, f�hlte
sie ihn hinter sich.

Sie fieberte �ber die ganze Haut.

Sie lief die halbe Terrasse hinunter.

Dann fa�ten seine H�nde ihre Schultern.

Mit gleitenden unentrei�baren Bewegungen ri� er sie an sich, ihr Mund hei�
und quellend bog sich an seinen, unter feinen Liebkosungen kam sie wieder
zu sich. Sie waren sanft wie die der wilden Tiere.

Der Sand der Terrasse war warm von der Sonne noch wie am Meer.

Sie lehnte den R�cken gegen die Wand des Palastes, an der sich ihr Schatten
gro� und gelockert um sie formte. Er lag b�uchlings vor ihr, sein Gesicht
zu ihrem erhoben, die Z�hne frei, die Lippen befeuchtet. Seine Muskeln
lebten alle, auch in der Ruhe war er gespannt. Sie sah auf ihn, hingegeben
dem Bezwinger. Seine Gewalt und Wildheit, das Knirschen seiner Z�hne, die
Gl�tte seines K�rpers machten sie wanken mit den Lippen nach ihm. Ihr Kopf
war m�de, er blieb an die Mauer gelehnt, unsichtbar bebten nur die Lippen.

Wieder in einer Pause ihres Bewu�tseins lag er vor ihr. Sein Blick badete
immer noch in ihrem Gesicht und sog einen Rausch daraus, der langsam seine
Z�ge �berzog. Um seine Pupillen gingen im Wechsel die Gef�hle, die Augen
erstarrten in glasigem Email. Seine Lippen bewegten sich einige Male.

�To.�

Er wiederholte ihren Namen.

�To . . . . . . ich liebe dein Gesicht.�

Seine Stimme ward leis und singend:

�Es ist nackt,� sagte er.

Sie legte die H�nde unter den Nacken.

�Du hast es unverh�llt getragen. Nie sah ich Frauen, die so stolz waren in
ihrer Schamlosigleit.� Die Stimme versagte ihm heiser.

�To . . . wenn andere Frauen ihr Gesicht preisg�ben . . . To . . . deines
ist sch�n und hart. Hast du es durch viele L�nder getragen? Viele haben es
gesehen wohl an deinen Seen, in den St�dten, wo du fuhrst -- -- Tausende
M�nner haben ihre Augen darauf gehabt . . . haben es beschmutzt. Haben
Hunde es gesehen? Frauen haben wohl hei�e Blicke darauf gehabt? Aber -- ich
liebe es.�

Sein Blick flehte an ihr, er zog an jeder Falte ihres Gesichtes, und ihre
Augen stahl seine Glut in die seinen hinein.

Ihr Kopf stie� gegen die Wand hinter ihr. Sie empfand die Macht ihres
K�rpers ausgehen von sich eine Wolke voll Geruch. Noch war ihr Herz tief in
der Gewalt seiner Umarmung, da stieg sie schon, ohne da� sie es wu�te, weit
�ber ihn, der sich wand vor ihr in Wollust.

Er hob sich auf, schnellend mit allen Sehnen. L�chelnd bog sie den Mund zur
Seite. Sie sah das Fremde aufblitzen in seinen Augen, die gr�nlich aus dem
Ring um die schwarze Pupille heraustraten. Sie roch seinen K�rper, der
duftete nach st�rzendem Blut. S�� geschaukelt in der Gefahr seiner wilden
Entfesselung reizte ihr Mund ihn, bis er als Kind an ihren Knien vergehend
lag und sie, es schwer nur ertragend, den Mund hin�berbog an seinen und
klein und schwach unter seinem von Leidenschaften �berschwungenen Kopfe
hing.

Ihr L�cheln, bald hingegeben im Vergehen, lenkte seinen Blick, der sie
zerri�. Ihr erwachender Blick aus dem Taumel zog ihn zu sanften Worten,
hinter denen, die Fesseln gespannt, das Raubtier stand.

Noch halb in der hellen, aber von Morgenscheinen dunkel versilberten Nacht
trug er sie, mit der Kehle jauchzend, zu den Pferden.

Ihre Schatten fielen langsam auf die Erde, die fast rot war. Sie erreichten
die Schiffe, die G�ule ritten Kopf an Kopf, kein Zoll fehlte.

Der Morgen legte die weitaufgebrochene Landschaft vor sie. Mit Licht
ausgef�llt leuchtete sie still von allen Seiten in sich selbst. Wind packte
keiner ihr Haar und Gesicht. Sie l�chelte bla� und verz�ckt, die Ringe
sanft unter die Augen gezogen.

Die Welt stand eine Kuppel �ber sie d�nn und zart wie aus Glas.

Der Rhythmus des Fahrens wiegte sie gut. Die Sonne kam bis zu ihr herab und
senkte sich zwischen ihre Br�ste, mit mildem Licht von hier aus das Licht
ergie�end �ber die Welt, die sie sah und die sich um sie bewegte, in der
sie tausendf�ltig in der gro�en Ruhe war.

Am Ufer parierte ein Pferd gegen Mittag, die Vorderbeine stiegen in die
Luft, ein Zaum bog das Maul in die H�he. Sein roter Bauch strahlte auf.
Thengos Augen zogen sich zur Seite. Ein Schwimmer holte die Nachricht und
hob sie in das Boot. Sie mu�ten sich trennen, es war nur auf Stunden.
Dennoch erbleichte er. Rinys Blick sah ihn tief bewegt, doch sie blieb
k�hl. Sie gab ihm die Hand, der er tausendfach sein baldiges Wiederkommen
versicherte. Sie sagte nichts, auf was er lauerte.

Ruhig, unbefangen nahm sie Abschied von ihm, dessen Gesicht sich grausam
zusammenzog. Seine Augen bewegten sich nicht von ihr, solang als ihn sein
kleines Boot zum Ufer fuhr.

Weiterfahrend verglitten die D�mme der K�sten in die Landschaft. Vom Ufer
aus sah sie auf das Gel�nde, das im halben Bogen des Horizonts mit Mais
gef�llt war, und auf der Tiere still dahingingen bis an den Rand.

Gegen Abend tauchten sie in eine Bucht, Scho--Li--Rua, die Bai der gelben
Boote. Das Wasser stand wie Glas. In einem hohen Bogen hoben sich H�user
mit kleinen Fahnen und senkten sich wieder �ber einem H�gel, die Fronten
gegen den Flu� gelehnt. Hier nachteten sie.

Sie bewohnte das �u�erste Bambushaus des Kreises, halb schon an der Bai.
Keinen Augenblick empfand sie Ruhe. Schatten wogten drau�en. Durch die
Ritzen sp�rte sie, unsichtbar, den Glanz sp�hender Augen. Lautlos trug die
Luft ein erregendes Geschehen, das ihr den Schlaf nahm.

Sie trat, aufstehend, zur T�r. Davor sa�en zwei Wachen, hinter ihnen
glitten Schatten weg in die Nacht. Sie ging hinein und legte sich von
neuem. Lange konnte sie nicht schlafen, von der Hitze der Gegend und der
Bewegung um sie gest�rt. Auch ihr Hirn versagte. Sie konnte nichts denken.
Langsam fiel sie so in den Halbschlummer hinein.

Halbnackt, auf seinem Schwei� noch den eines Pferdes wie Schnee, stand
Thengo vor ihr. Sie fuhr auf, noch konnte er nicht reden, als er sie k��te.
Noch versagte sein Mund, als seine Lippen schon ihr Gesicht �berwanderten.

�Du . . . ,� fl�sterte er keuchend. Seine Augen wurden l�chelnd und klein
vor ihr, als ob sie b�ten . . . . . . �ich habe mich sehr geeilt.�

Tagelang noch fahrend, hielten sie eine Nacht dann nicht an. Mit
Windlichtern ruderten sie durch das Dunkel des immer mehr verengten Flusses
hinauf. Mit dem Morgen hob sich Dunst von der Gegend und in dem noch wirren
Ineinanderschieben des Nebels sah sie goldene Spitzen im schon manchmal
erscheinenden Blau.

Ein Palankin hielt, wo sie landeten.

Er, den Schwanenh�lse zierten, von zwei L�wen an der Spitze und am Ende
gleich einem Fl�gel breitenden Vogel �berbogen, die f�rstliche T�rmung gelb
dar�ber gereckt, empfing sie aus dem Atlas des Inneren mit Moschusgeruch.

Rasch getragen sah sie durch die flatternden Falten des vorgeschlagenen
Vorhangs, sanft gewiegt im Rhythmus der Laufenden, eine Stadt eine
H�gelkette hinan gelegt und an ihrem Fu� ansp�lend einen See.

Dann hielt sie in einem Garten und sah das Schlo� mit Galerien, achtst�ckig
unter dem chinesischen goldenen Dach, das den obersten Erker �berspielte.

Thengo-Tikien empfing sie im dritten Stock, er nahm gleich ihre Hand und
f�hrte sie durch die Zimmer. Als er neben ihr ging nun, war nichts mehr von
der W�rde des Armwinks an ihm, mit dem er vor einem Herzschlag noch die
Diener hinausgeschickt. Stets Neues aufkramend, wies er ihr das Alte
wieder. Er brachte ihr eifrig eine Tasse, an der sie vorbeiging. Kissen hob
er ins Licht, da� die Lamaseide bleicher scheine. Vasen r�ckte er ihr
zurecht. Seine H�nde boten ihr, w�hlend in kleinen geh�uften Dingen, von
Tischen Silber und Dosen.

Sein Auge stahl jeden Ausdruck aus ihrem Gesicht. Mit ihr wurde er
gleichg�ltig, sein Gesicht ward ausgelassen mit ihrem, verz�ckte sich wie
sie.

Die W�nde schienen blau herunter, mit in Seide gewebten Figuren durchzogen.
Vor den Fenstern lag der Westen und der gro�e See.

Sie wandte den Kopf zur�ck von den sch�nen geschwungenen Ufern, nahm seinen
Kopf in die H�nde, k��te mit langem Ku� seinen guten Mund.

Seinen Zahn sp�rend, gab sie sofort ihn aus dem Ku�.

Er zitterte vor ihrem gleichm�tigen L�cheln. Sein Fu� trat auf, doch sofort
wurde er sanft. Da warf sie sich in die Kissen, und nun fuhr die Flamme
wieder ungehemmt �ber ihn.

Oft sah sie ihn nun, ohne da� er bei ihr war. Durch das Fenster auf den Hof
schauend, erblickte sie ihn, der Soldaten vorbeiziehen lie�. Das
Laubgewinde des Fensters schnitt seine Figur in viele zarte Teile, in einem
runden Loch schwebte der Kopf. Durch das Gitter einer Galerie sah sie ihn
mit Gesandten verbindlich reden, Europ�er verbeugten sich ihm, er verbeugte
sich ihnen, das fl�ssige kalte Feuer seines Franz�sisch schwirrte zu ihr
herauf.

Sie verlor sein Gesicht nie aus den Augen �ber seine Haltung, die alles
ausdr�ckte.

Sein Gesicht war gleichm�tig, ihr war, sie h�tte es nicht gekannt. Es war
ohne Stolz und als h�tte es nie gewu�t um Demut. Ha� und Freude wies es nie
auf, nach innen gekehrt unter halb geschlossenen Lidern.

So beinahe noch kam er des Morgens zu ihr. Erwacht oben, wo er schlief, der
Sonne am n�chsten, empfing er die Masseure, nahm das Bad, w�hrenddem er las
eine halbe Stunde, dann stieg er hinunter.

Er fr�hst�ckte mit Riny, die ihn in heller Matinee, die Arme nackt aus
Tulpen�rmeln fallend, empfing. Er griff nach N�ssen und Mandeln, schenkte
Riny Milch ein und reichte ihr die Fr�chte. Immer stand sie t�glich vor dem
ihr unbekannten neuen Gesicht. Nur aus dem Eckschlitz des Auges kam
manchmal ein Blick der Unbeherrschtheit. Aber mit einigem L�cheln legte sie
sein Gesicht frei. Es schmolz hin unter ihrem Gesicht, das sich ihm
zuneigte. Kindlich ihren Augen vertieft lag er, wunschlos, verehrend vor
ihr in den Fellen. Sein Blick legte Andacht und g�tige Stille auf sie. Ein
gro�er Schmetterling summte in das noch sommerk�hle Morgenzimmer, vor dem
die Stille des weiten Sees sich breitete. Hin und wieder fl�sterte er ein
leises Wort, das ihr gut tat, hinauf, w�hrend ihre Augen ineinanderhingen
in einer klaren Vereinigung.

Widerwillig ging er von ihr den Morgen, noch aus der ge�ffneten T�r ihr
traurig winkend, zur�ckkehrend und sie noch einmal z�rtlich k�ssend, sein
Mund dann verzog sich schmollend. �Ch�ri,� l�chelte sie und zog ihn
z�rtlich an sich zur�ck, �bleib hier�.

Aber dann ging er trotz ihrem L�cheln, diktierte, lie� sich umkleiden,
empfing. Erst am Abend holte er sie, in die beruhigtere Landschaft mit den
Pferden hinauszureiten.

Am Morgen eines festlichen Tages bat sie ihn, eine Audienz sehen zu d�rfen,
aber er wich ihr aus, indem er sie vertr�stete, es ging gegen sein Gef�hl,
da� eine Frau so sehr eindringe in all seine m�nnlichen Dinge. Er sagte ihr
keine Unwahrheit, aber er belog sie mit jeder Bewegung. Sie sah ihn an und
ging an seinem zugeschlossenen Gesicht hinaus aus dem Zimmer, nahm ein Buch
in dem ansto�enden und pfiff eine leicht wiegende Melodie.

Er stand in der Rampe des Vorhangs, die Augen gr�n auf sie gerichtet.

Sie sah nicht auf, empfand Angst, wie jedesmal, wenn das r�uberische Tier
in seinem Blute aufstand.

Aber sie kannte die Gewalt ihres K�rpers. Sie gab nicht nach und spielte
mit ihrer Furcht. Er kam langsam herein und machte sich zu schaffen an
einer Falte des Teppichs. Zweimal ging er auf und ab am Zimmerrand.

Dann hingekniet neben ihr:

�To . . .�

Sie streichelte ihn �ber den Kopf. Seine Knabenlippe schaute voll Unschuld
zu ihr hinauf. Sie vergab. �Du bist sch�n,� sagte sie, tief in seine Augen
schauend. Er strahlte.

Am Mittag sah sie die Audienz, hinter einem gro�en Schirm aufgestellt. Die
Zeremonie ging rasch vor�ber. Als der Saal leer war, ging sie neben ihm
durch den Saal.

Sie sah ihn von der Seite an, dann stieg sie auf einen Thron und fuhr mit
der Hand �ber das Polster. Es lag auf einem springenden Jaguar aus Silber,
der nach oben br�llte, wo, abschlie�end, die Fl�gelbreitung eines Vogels
stand, aus dessen Schnabel ein Dolch herabfiel, schaukelnd im Gleichgewicht
mit Rubin und Karfunkel.

Er hielt ihre Hand sie zu st�tzen, sie f�hlte, da� er unmerklich zog. Rasch
sah sie in sein Gesicht. Es war verschlossen, ohne Ausdruck. Ihre Brauen
zogen sich zusammen. Da kam langsam ein heller Schimmer in sein Auge.

Sie zogen dann im langsamen Trab durch die Gegend den Flu� entlang, dessen
Schilf sacht aufrauschte. Ein Reiher hob sich in den Himmel in langen
sicheren Z�gen, die Luft war sehr klar, sie atmeten mit geweiteten Lungen
und sahen sich froh an, wenn sie sprachen.

Gegen Abend bemalte der Horizont sich rot und die Luft bekam Dichte, die
D�mmerung fiel mit Schw�le, ihre Haut wurde feucht unter den Kleidern, den
Worten benahm die Luft die Sicherheit. Von fern im Bogen anreitend sah Riny
die Lichter einer Niederlassung, zwei Meilen von der Stadt, die sie nicht
kannte, deren Kerzen sich sch�n im Flusse spiegelten.

Sie frug darauf deutend, er murmelte einen gleichg�ltigen Namen. Sie sah
die Lichter flimmern und erstaunte sich �ber das unbekannte Bild. Sie bat
ihn hindurchzureiten, er schien es nicht zu h�ren, so lenkte sie die Pferde
von selbst.

Er sah sie an mit einem unbeschreiblichen Blick. Seine Augen waren so voll
Sehnsucht und leuchtend in der Schw�le, da� er nicht wagte, sie zu reizen,
die ihn mit k�hler Miene ansah. Er suchte sie abzubringen vom Wege, er
hoffte, da� sie es verg��e, aber sie folgte seinem Pferd nicht, seines
vielmehr schlo� sich an das ihre dicht an.

Er konnte es nicht sagen.

Er hatte wenige Geheimnisse vor ihr, aber dies widerstand ihm. Er brachte
seine Zunge nicht dazu. Doch gab er sich Haltung und folgte in
Unab�nderliches, f�hrte es durch, schob den Turban ab und band im Reiten
ein Tuch um die Stirne, dann stieg er ab und half ihr herunter und band die
Tiere an einen Pfahl.

Zu Fu� gingen sie voran, alle H�tten waren erleuchtet, aus dem Stroh und
dem Bambus glitzerten die Kerzen still und and�chtig. Schatten bewegten
sich in der Stra�e.

Riny blieb l�chelnd, den Finger an der Lippe, an einem Fenster stehen und
schlich sich an, sp�hte hinein und kam wortlos zur�ck. Er nahm ihren Arm.
Aus den Fenstern schlichen stille lockende Rufe in die Nacht. Sie sah
Frauen herausgelehnt in verschwommenen Umrissen, ihr Herz klopfte mit einem
Male, als sie verstand, wo sie waren. Im Leuchten einer Laterne stand ein
Weib mit blo�en Br�sten auf dem Dach eines Hauses und zog an einer Glocke,
die zart und fl�sternd hinausflo� in die Dunkelheit, die immer weicher sich
um sie legte, beladen mit dem Geruch der K�rper und der Duftigkeit der
Blumen aus den G�rten.

Wortlos ging sie weiter, der Arm Thengos st�tzte sie, und sie empfand mit
Freude seine Haltung. Sie sah zu ihm auf. Sein Mund schwebte geschlossen in
der Luft. Er f�hrte sie bis an ein Haus, das im Schatten eines Gartens lag,
ihre Hand immer streichend, die w�rmer und feuchter wurde unter ihm. Sie
dr�ckte seinen Arm.

Er hob den Klopfer und schlug ihn gegen die T�r.

Zweimal gongte er durch die Dunkelheit, bis die Fl�geltore aufgingen, zwei
wei� gekleidete Frauen sie anstarrten. Er winkte ab. Fett kam ein Chinese,
schickte sie weg und schaute schielend von unten nach Thengos ziselierter
Kette. Sein Bauch knickte ein und schwabbte �ber die Knie, sein Gesicht
gl�nzte fett vor Ergebenheit, obwohl er nur den Rang, nicht den F�rsten
erkannte.

Thengo gab ihm einen Wink mit dem Finger.

Eilfertig schob er die Gardinen weg und sie traten ein, Riny nahm Thengos
Arm. Ein Zimmer sah sie, mit einer Veranda in den Garten hinausgeschoben.
Die T�r fiel zu. Eine zarte leise Stimme sang zu einer Harfe ein Lied und
von der anderen Seite schwoll ged�mpft ein erregtes Fl�stern herein.

�Endlich� . . . . . Thengo umarmte sie, mit beiden H�nden ihr Gesicht
streichend, unf�hig noch zu schweigen.

Den Ausschnitt des Fensters s�umten Blumen nach dem Garten, ihr Kopf lag
auf dem Binsendiwan und seufzte. Ihre Augen waren beide starr. Rot sank zu
rotgeschweiftem H�gel. Sein Mund tastete �ber ihren Leib, ihre Blicke lagen
bei den Pflanzen, die golden in dem Nachtausschnitt standen, sie schmolz
hin. Sie rief einmal seinen Namen. Er jubelte ihren dagegen. Dann lobte er
ihren K�rper, sein Mund hatte viele Vergleiche, die wild waren oder
dufteten wie Bl�ten. Er war so angef�llt von verhaltener Sehnsucht, da� er
sie nicht mehr sah, wie sie war. Blind hingegeben seiner Trunkenheit machte
er sie zur Andacht. Was ihn erf�llte, aufgetrieben noch durch den Reiz des
abenteuerlichen Hauses, str�mte zu ihr, er heiligte ihre Knie, er weinte
�ber ihr Auge, seiner unbewu�t koste er sie.

Nie besa� er sie so sehr.

Sie lag bla� auf dem Lager und gab ihm jedes ihrer Glieder mit einem
hinstr�menden Gef�hl. Sie gab jeder Stelle ihres K�rpers die Kraft, da� sie
jeden Ku� aufnahm und erwiderte und st�rkte.

Ersch�ttert von ihrem Geben lag er neben ihr und schon wieder verschmolzen
seine Augen mit ihren in einem unzerrei�baren Zusammenhang.

Er k�mpfte, sie in den Armen haltend, um den letzten Rest ihres Leibes mit
allem seinem Gef�hl, da�, �ber ihn gebeugt, sie sagte, was sie noch nie aus
Furcht zum Wort gegeben:

�Tiger.�

Sein Auge f�rbte sich einen Augenblick zarter.

�Du wirst dich t�ten,� sagte sie.

�Es ist besser als anders zu leben.�

Sp�t, als der Mond aufging und seine Lippe sich in seinem Licht beruhigte,
streichelte sie ihn.

Aber dies beruhigte ihn nicht. Sein Gehirn empfand sie anders wie jede
Frau, die er bisher gekannt, die in seinen Harems, ihn erwartend, ihm
hingegeben lagen, ohne Widerstand. Er sah sie, ersch�pft, in all ihrer
Freiheit, in allem, womit sie, ihm widerstehend aus ihrem Innersten, ihn
fesselte und erhob. Nie sah er sie anders, als ihr Gesicht auch allen
anderen weisend. Ihn zerschlug der Gedanke, da� sie wie in seinen, in
anderen Armen gelegen. Was er bei anderen Frauen nat�rlich nahm, ohne einen
Gedanken, verwuchs sich ihm zu Bildern, die sein Erleben in Tiefen trugen,
die ihn in allen Gliedern durchliefen. Sie lag, die Augen frei und sicher
auf ihn geheftet.

Sie fand ihn sch�n.

Allein er empfand die uns�gliche Trennung von Geschlecht zu Geschlecht an
ihr zum ersten Male und stand an dem Dunkel, das nicht sein Arm durchbrach,
das sein Herz nicht bebend �berbr�ckte.

Er k��te ihre Stirn und ihren Mund: �Nie sah ich Frauen wie dich . . . .
To.�

Sie streichelte ihn wieder. Aber er lie� ihren Mund nicht.

Noch in der Nacht bog sich sein Auge zur Seite, seine Schl�fe wurde braun,
der Mund �ffnete sich kurz.

Dann war er leblos.

Rinys Liebe brach in Weinen aus. Sie badete sein Gesicht mit dem ihren.
�Thengo,� rief sie, �wir gehen in den Garten, die Luft ist schlecht in dem
Zimmer. Drau�en stehen die Blumen und machen k�hl.�

Sie legt das Ohr an seine Brust und rieb die Schl�fen.

Ihr Blick sah verwirrt auf seinem Schenkel einen Tiger t�towiert, den sie
noch nie sah. Ihr feuchtes Gesicht lag an seiner Brust und schmeichelte.
Ihre Wange, gedr�ckt, hob sich von einem Amulett aus metallischer Substanz
in gebl�mtem Seidenzeug mit magischen Sentenzen. Sie legte es auf sein
Herz, ihr L�cheln glaubte, da� es half. Ihr Mund kam wieder an sein Ohr,
ihre Finger fuhren langsam z�rtlich �ber seine Schl�fe.

Nach Sekunden glomm Farbe wieder in seinen Mund, sie atmete tief auf, ein
Schluchzen war ihr nahe.

Sein erwachender Blick traf Riny nicht mehr.

Sie stand auf der Veranda, als k�me sie aus dem Garten, sie rief zu ihm
durch die Blumen:

�Thengo . . . . . . Schl�fer.�

Ihr Arm wischte die Tr�nen aus den Augen, die in einem Regenbogen �ber den
Kies fielen. Von der Nachtluft erfrischt, Blumengeruch noch im Haar, ganz
hingegeben seiner M�digkeit, schmiegte sie sich an ihn, er glaubte ihren
Augen, die gut �ber ihm standen, er wache aus dem Schlaf.

Sie gingen hinaus sp�ter in den Garten und legten sich in St�hle, die auf
dem Rasen standen, aus dem Hyazinthen herauswuchsen und sich mit dem
Nachtduft vermischten. Es war ganz still geworden in dem Haus, auch die
Harfe schwieg.

Sie hielt seine Hand auf ihrem Schenkel, und wie er sie hielt so in der
Stille ihres abgeebbten Blutes, �berkam sie eine Z�rtlichkeit zu ihm, die
ihn ihr ganz verband. Kein Wort fiel in dieser Stunde.

Aber die Stunde lag noch in ihnen, als sie vor Morgen zu ihren Pferden
gingen und hinausritten in die D�mmerung. Ihnen war alles vertraut, sie
streichelten ihre Hengste, lie�en sie laufen mit kurzem Steigb�gel und
losen Z�geln, sahen die purpurn mit goldnen Lasuren bemalten Satteltaschen
an mit vertrauten Blicken und empfanden es innig, wenn in den Reifen ihre
nackten F��e sich ber�hrten.

Am Abend erfuhr sie, da� er den Mittag sie verlassen hatte f�r eine
tagelange Reise. Er war vom Gef�hl der Nacht noch so sehr voll G�te, da� er
ihr den Abschied ersparte, indem er sich versagte, sie noch einmal zu
sehen.

Sie lag aber ger�hrt von solcher Liebe die Tage, die vor�berschwebten mit
langsamen gl�cklichen Tr�umen, auf ihren Veranden und sah in die Luft. Sie
sah sein Bild in jeder Stra�e, er schritt �berall sch�n und still und das
Funkeln seines Auges erlosch, sowie sie l�chelnd seinen Namen sagte.

Sie wandte sich in den Garten, schnitt und go� an den Blumen und spielte
stundenlang mit den Tauben, die samtzart in ihrer Hand lagen, sich mit
warmen stillen Leibern an ihre Wange schmiegten.

Die letzte Nacht vor seiner Ankunft war die Luft so hei� in den Zimmern,
da� sie im Freien schlief. D�nn bekleidet lag sie auf dem Balkon. Immer
noch h�llte der Mond die Landschaft in eine Glocke von Silber.

W�hrend sie lag in diesen Stunden, band sich das Land in dem Licht zu einer
bernsteinenen Masse, die sich dem Himmel n�herte mit jedem Atemzug. In dem
harzigen Licht aber, in dem die Gegend immer tiefer sich senkte, umw�lkten
sich ihre Augen und in den Tr�umen, die sie �berzogen, w�hrend sie wachte,
erhoben sich Gesichte und verschwanden wie hingeweht. Das Letzte kam, aus
ihrem Herzen herausgeholt:

Ihr Vater sah sie an, sie winkte herzlich mit beiden H�nden. �Was willst
du?� frug sie. Doch er schwieg. Sie erschrak ein wenig, doch seine Farbe
war braun und gesund und stolz. Sie zog ihr Gesicht zusammen zu Milde, die
sie �berstr�mte: �Du bist sehr fern,� sagte sie, �aber ich kann nicht mich
an dich wenden eben. Habe ich recht Pa . . . . .?� Er gab ihr keine
Antwort. �Pa . . . . . ich wei� nichts von Euch. Euer Haus ist mir ferner
wie etwas. Ich kann nicht zur�ckdenken an Euch. Aber ich wei�, da� ich Euch
liebe.� Da schien es ihr, sein Auge frage sie: . . . . warum . . . . Sie
erhob sich ein wenig und nun traten ihr Tr�nen wieder in das Gesicht: �Ich
liebe Thengo,� sagte sie und ihr L�cheln ward so g�tig, da� auf seinem
Gesicht ein L�cheln spielte, bis eine weiche Wolke ihn wegnahm aus dem
harzenen Licht.

Dann kamen andere Tr�ume:

Sie sah zwischen zwei rosa Wolken Saint-Loux, den Stundenzeiger ihres
Lebens, aber er kam nicht fordernd, kam mit einem Degen, den er hielt in
verschr�nkten Armen wie eine Bibel. Es schien ihr, er frage traurig in ihr
Gesicht. Aber sie sagte kein Wort, nur ihr Gesicht nahm das an, was ihr
Gef�hl bewegte, und in seinem g�tigen Glanze l�ste sich die Erscheinung
sofort zu zartem Dampf. Langsam erst streiften sich die Bilder wieder von
ihr und erst in den Stunden der fallenden Nacht wachte ihr Kopf aus dem
Halbschlaf heraus.

Da �ffneten sich die Lider ganz klar und hell.

Die gelbe Glocke des Mondes zerflatterte, sie sah Fackeln drau�en durch
graue schon r�tlich angelaufene D�mpfe qualmen.

Sie trat rasch hinein.

Sie schlug eine breite Seide um den Bauch und f�rbte die Augenlider mit
einem schmalen Strich einer seidigen Salbe. Sie go� Sandelholzpuder in den
Ausschnitt ihrer Brust und, ihn zerreibend, die Handfl�chen rosig davon,
trat sie hinaus.

Die Sonne kam gerade mit fr�hem sch�nem Licht. Der See lag in ruhigen
quecksilbernen Schatten.

Da aber lag unter den Rudern eine Flotte, vergoldet bis in die Kn�ufe der
Masten. Hunderte Boote sch�umten den See auf zu einem leichten Glanz, und
die Ruderer sangen, w�hrend sie die Schaufeln hoben, ein klares wiegendes
Lied.

Sie h�rte wie im Traum noch Elefanten von dem See herauf den Boden
stampfen, ihre Gl�ser in den R�umen tanzten. An den Rahmen des Balkons
gelehnt, schwach in den Knien, h�rte sie ganz von ferne:

�To.�

Sie machte eine kleine Bewegung, aber schon stand er vor ihr. Auch sein
Gesicht war von Liebe so gut, da� es still vor ihr hing. Sie sprachen
nicht. Die Sehnsucht gl�nzte nur von ihrem Mund, w�hrend sie still sich zu
der Landschaft wandten, die sich morgendlich auftat. Sie sa�en lange noch
zusammen, �berw�ltigt voneinander zu solcher Stille des Erlebens, und
schauten hinaus, ohne sich zu sehen, bis ihre Augen l�chelnd einander
trafen und ihre K�rper sich ber�hrten.

Sie waren sanft in ihren Liebkosungen, ihre K�rper vertauschten sich
miteinander, ein jedes wollte das andere begl�cken und f�r es leiden.

�Hattest du gro�e Sehnsucht?�

�Ich habe hier alle Tage gesessen und gewartet.� -- --

�Und du . . . . hast du dich gesehnt?�

�Ich habe einen Feind nicht t�ten lassen, weil ich dich so sehr liebte, To
. . . . .�

Als sie allein dann blieb, brach der Abend m�hlich an und eine angstvolle
Ruhe �berkam ihr Herz. Aber wie ein Trost kam die Landschaft �ber sie, die
mit H�geln sich nach dem Norden hin wellte.

Jede Erhebung trug eine Pagode, die sich rund erhob und dastand.

Immer unirdischer stieg das Licht, das Geringste verkl�rend. �berall
schritten gro� und still die B�ffel �ber die aufgelegten Felder, die in
schwarzer Seide gl�nzten, gegriffen von hellen Pfl�gen. Indigofelder wogten
schwach aus der Ferne heran, als k�men sie zu ihr wie eine sch�ne Herde.
Der Flu� bog sich schlicht, in eine Falte der Gegend eingeknittert, vorbei.
In einem nahen Garten mit rotsch�umenden Hecken sa�en auf Palmen gr�ne
Papageien und regten sich nicht. �ber allem lag das Gl�nzen wie ein Atem.

Sie bog die Brust nach vorne und lauschte mit dem Ohr an ihrem Leib.

Der Segen der Gegend reifte auf sie herein mit einer G�te, da� sie still
das Wunder in sich glaubte. Sie war von Liebe so sanft und klar, da� dies
Gef�hl, das ihr wie ein Traum in das Bewu�tsein schwebte, sie ruhig machte
und sicher vor Glauben. Noch nie war ihr der Gedanke, da� sie Kinder tr�ge,
nah gewesen ihrem Herzen. Sie empfing es, das ihr fr�her Schmerz und
unlieber Einfall nur gewesen und �ngstend ihr weibliches Gef�hl und ihre
Freiheit, nun mit der Aufnahme der selbstverst�ndlichen G�te, mit der die
Welt um sie voll stand. Ihr K�rper verfeinerte sich unter dem Glauben ihrer
Segnung.

Denn aus der unerkl�rlichen Stille der auf dem See schon dunkelnden
Fischerboote h�rte sie das kleinste Ger�usch. Sie unterschied jeden
einzelnen Fischzug. Ja, sie war bei jedem einzelnen Tier, das die Angel dem
See entri�. Bald konnte sie unterscheiden, welche Welle, von welchem Ufer
kommend, den Strand unter ihr traf, und die Schatten einer fernen
Abendwolke fielen wie ein Stoff auf ihr Gem�t.

Um sie wuchs die Welt aber unerkl�rlich in Sch�nheit.

Sie wurde gr��er, an der Stadt der gelben Boote wurde der Strom wie
durchsichtige Haut. Viele St�dte wuchsen aus der Ebene und gl�nzten.

Durch die Stein�lquellen erhielt die D�mmerung vom See her einen Schein von
Regenbogen, die sie ohne Pause �berzitterten. Unter ihnen �berall lagen die
Kl�ster ganz in mattem Golde badend und in stillen Kreisen umschritten die
Priester sie sacht.

Sie faltete die H�nde: ihr Mund dankte hingegeben an die Klarheit, ihre
Seele aber sog wie einen Atem die G�te ein, die ihre Liebe �ber dem Land
empfand.

Wie eine Verk�ndigung nahm sie den Tag mit in die folgenden.

In Stille lebend war sie voll Erwartung. Nachts lauschte sie oft auf ihren
Leib. Auch, als das Blut ihren K�rper verlie�, lie� sie nicht nach im
Glauben, denn die Verhei�ung nahm sie nicht auf einen einzigen Tag.

Sie lebte wartend, sanft und schmelzend in der Erwartung. Ihr Gesicht
gl�ttete sich zu mondhafter Weiche. Ihre Glieder formten sich zu
harmonischer Milde der Bewegung. Die Augenbrauen lagen fremd in ihrer
wilden Biegung auf solch den Dingen ergeben hingewandtem Gesicht.

Sie neigte sich in allen Dingen vor Thengo. Sie sah keine Fehler an ihm
jetzt mehr, l�chelnd verzieh sie und war nie voll Widerstand.

Aber unter dem aufnehmenden Erf�llen ihrer Liebe einte sich nicht mehr das
B�ndel widerstrebender Gef�hle, das sein Wesen ausmachte und das sie sonst
im Gleichgewicht hielt.

Einmal, endlich, gereizt, hob sie drohend das Gesicht gegen ihn.

Er l�chelte. Aber ihr Glaube, den sie unverbr�chlich gehalten, l�ste sich
langsam und schmerzlich seit diesem Augenblick. Wie ihre Hoffnung langsam
nachlie�, wichen die sanften m�tterlichen Gef�hle einer schmerzlichen Ruhe.

Sie entsagte. Aber sie war jeden Augenblick auf das Wunder bereit. Sie sah
Monat um Monat ihr Erwarten eitel, aber die Sicherheit des Glaubens verlie�
sie auch in dem sichtbaren Versagen nicht.

Thengos Leben hielt sie in ihrer Hand, ihn reizend und g�tig beruhigend.
Sein wildes zerspr�hendes Leben bedurfte ihres Gleichgewichts. Aber ein
Teil ihrer Seele war leer geworden im Warten und mit Hingeben an das �u�ere
trat sie, es zu f�llen, aus ihrer Stille heraus zu Reiten und Fahrten. Sie
spielte mit Hunden und befragte ihn um die F�hrung seiner Gesch�fte.

Am Tage des zweiten Geburtstages Thengos fuhren sie in die D�mmerung auf
den See mit wenigen Ruderern. Das Wasser war gefallen, Tausende Inseln
streckten sich mit langen Armen aus der Flut, die, mit Stein�l �berzogen,
gleich schillernden gro�en Tieren sich �ber sie b�umten.

Der Mond hob sich langsam und gro�.

Sie lagen still in der einh�llenden K�hle und rauchten wortlos in die
D�mmerung.

Pl�tzlich ganz langsam begann Rinys Gesicht sich in Tr�nen zu l�sen. Kleine
Tropfen hingen wie eine Schnur an ihren langen Adern, das Gesicht badete in
einer Feuchtigkeit, die es erf�llte wie ein Mondschein.

Er sah sie nicht an, klopfenden Herzens. Seine Hand schlich nur herauf und
pre�te ihr Knie: ich bin da.

�Thengo . . . .�

Er h�rte. Die blaue Dunkelheit um sie machte sie freier, die ihren Atem
aufnahm ganz weit und ihre Worte schl�rfte. Moskitos senkten sich auf sie
nieder. Sie sogen heftig an den Zigaretten und scheuchten sie mit Rauch.
Aber es war, als l�gen sie in einer S�ule, so dicht umwanden sie die Tiere.
Die Ruderer hatten die Netze vergessen, Thengo sagte kein Wort zu ihnen, er
schien ihr aufgel�st und gut.

Aber die s��e Schw�le der Luft, die sein Druck z�rtlich verst�rkte, lie�
ihr Gef�hl ganz hinrinnen. Zum erstenmal sprach sie Thengo von ihrer
Sehnsucht. Sie sah ihn erbleichen. Nun begriff sie, da� sie ihn tief damit
kr�nke, denn seine m�nnliche Eitelkeit trug daran im Glauben, sie m��e ihm
vielleicht die Schuld.

�Ich bin elend,� sagte sie leise. �Ich kann nicht geb�ren.�

Sein Gesicht arbeitete.

�Nein, To,� sagte er: �Ich trage die Schuld.�

Sie erschrak. Dann l�chelte sie:

�Thengo . . . . du Tor . . . . mein Narr.�

Er sch�ttelte den Kopf.

�Tiger,� sagte sie. Sein Blick str�mte �ber durch die Luft auf sie mit
einem wilden Jauchzen, das sich aus Liebe d�mpfte zu einem ber�ckenden
schw�rmerischen Band.

Sie blies den Rauch heftiger aus. Der Mond war noch gro� und lag genau auf
dem Spiegel des Wassers.

In den Schw�rmen der Moskitos tauchten gro�e gr�ne Fliegen auf, deren
saugende Stiche kleine H�gel an ihren Armen aufschwellen lie�en, da� sie
den Arm zum Munde f�hrte, um es zu lindern. Thengo rief, da� man rasch
rudere.

Sie steckten Zweige an, indem sie zur�ckfuhren.

Er aber kam her�ber und legte sich auf sie, da� er sie deckte mit seinem
ganzen K�rper, mit seinem die Stiche empfangend, sein Nacken war ganz
ger�tet.

Er k��te sie nicht. Sie lagen in einer stillen Vereinigung, wie geboren in
dieser Lage, sie tauschten die Sehnsucht und den Schmerz ihrer Leben aus in
einem Gef�hl der gro�en Harmonie, die sie trug.

�To . . . . es ist meine Schuld,� fl�sterte er.

Sie l�chelte ihm in das Gesicht hinauf: �Thengo . . . . . du Tor.�

Sie landeten und gingen hinauf auf die Balkone. Ein Feuerwerk entz�ndete
sich feierlich und getragen �ber dem See. In langen goldenen Schn�ren
hingen die Str�hnen zerspr�hter Kugeln hinab in das Wasser, �ber dem der
Mond noch rot sich brach.

Sie speisten auf Rinys Balkon.

Die Gardinen der Front bewegten sich alle in dem lauen Wind, der den Abend
k�stlich trug. Es lag eine Ruhe des Gleichgewichtes in der Luft, da� es
weiter nichts bedurfte wie da zu sein und sich zu sehen, den Atem zu
sp�ren, nichts zu reden -- -- um gl�cklich zu sein.

W�hrend sie speisten, hob Thengo mit einem raschen Schwung eine Kette
sch�nster orientalischer Perlen um ihren gerade geneigten Hals. M�de und
erregt k��te sie ihn z�rtlich �ber den Tisch.

Dann stand sie auf, ihm Blumen im Garten zu schneiden. Er hob, als sie
aufstand, sein Gesicht fragend, gest�rt, da� sie die wortlose Ruhe breche.
Aber sie empfand so tiefe Z�rtlichkeit, da� sie den Gegenstand suchte, sie
ihm darin darzugeben.

Sie hob geheimnisvoll die Hand.

Ihr Finger fuhr zum Mund, die Lippen zogen sich zusammen r�tselvoll und
l�chelnd. Sie sah sein Gesicht hei� werden, er nahm ihr die Hand herab und
dr�ckte seinen Mund auf den Ballen.

Sie lachte winkend schon und entlief.

Sie wollte allein sein. Wie vieles und welche H�he sie mit ihm durchlebt,
kam ihr, als sie in den Garten trat und beruhigter stand. Die weiche Luft
umh�llte sie, sie gab sich dankbar hin. Sie schnitt einen Strau� barbarisch
wilder Blumen. Ihr ganzer Arm lag voll davon und w�hrenddem ging ihr Blut
in einer Klarheit, die allen Dingen sich verband, mit jeder Zelle fa�te sie
jedes Ding der Welt.

Sie sp�rte die G�te, die von Thengos Wildheit ausging und in wunderbarer
Wage die Leidenschaft seines Atems mit ihrer Seele verband.

Das gab ihr Gl�ck.

Aber in tiefster Liebe stehend, empfand sie die innere Sicherheit weit �ber
den Zustand des Gl�ckes hinaus. Die tiefe innere Ruhe war aus der Kraft der
Entsagung in sie eingedrungen. Der Schmerz in der Liebe und die Trauer
hatten sich eingesogen in ihr Blut. Sie trug einen Besitz, der sie abschlo�
und vereinte. Sie war gewappnet gegen jedes Schicksal.

Und damit brach sie zum ersten Male den Ring von Saint-Loux und die
mystische Kraft, mit der er ihr Leben umlagerte, mit dem sie zum ersten
Male schlief, und die seither ihren Weg bestimmte, dessen Lauf sie
zur�ckri� in das Abenteuer seiner Umarmung jedesmal. Sie l�chelte. Sein
Bild schwand und verbla�te.

Aber in diesen Gef�hlen der inneren Ruhe str�mte Thengos Liebe auf sie zu.
Sie war ihr ein Sinnbild. Ihr Herz war weit und klar wie nie. Ihr mildes
Herz dachte nur an ihn, da es beruhigt war in sich selbst. Sie ging, fast
eine Erscheinung, k�rperlos und doch gl�hend, hingegeben und verzichtend,
gro�en Schwingungen der Erde im Pulsschlag hemmungslos vereinigt, durch die
D�mmerung der Beete, hob die Arme nach den B�schen, seinen Namen sagend,
bei jeder Blume, die sie f�r ihn schnitt.




S�r�


Es ist der dreiundzwanzigste April, St. Georgstag. Gunnaris sagt, heut
stellten in Nyland und in Karelen bis gegen die Grenze nach Petersburg hin
die Frommen Milch unter die heiligen B�ume und speisten Kuhzungen mit
geschenktem Mehl in den St�llen.

Es schl�gt Acht von der H�he Liding�s.

Gegen�ber der ersten Stockholmer Sch�re gehen wir an Bord. Sirola und
Vehkam�ki rudern von der anderen Fjordseite her�ber.

Wir gingen hundem�de gleich in die Kabinen, es ward sehr dunkel.

Ich kann nicht schlafen, horche auf das Flauschen der gro�en Segel und bin
voll Unruhe, aber ich begreife nicht, was mich durchzieht. Nach r�ckw�rts
ist alles klar, nach dem Zuk�nftigen der Weg gerichtet. Ich habe vier
Wochen Zeit, bis ich mit abgelaufenem Pa� nach dem Balkan mu�. Was kann es
mir n�tzen, da� ich es �berlege?

Ich habe auf der Brust einen Brief meines Bruders, der mir eine
Dankesschuld f�r ihn abzutragen auftr�gt und der durch viele
Zensurstationen mich nach zwei Jahren in Schweden erreicht hat; ich habe
eine Mission in meinem Beruf au�erdem noch und liebe sodann noch Siv. Ich
habe vier Wochen Zeit, bin in Eile und mache doch unbedenklich trotzdem
diese riskante Exkursion. Ich wei� also genau, was ich will, wie ich immer
es wu�te.

In der Pupille, dem Spiegel gegen�ber, ist kein Nachlassen der Energie, nur
hin und wieder scheint heut zum erstenmal hinter dem hellen und
herausfordernden Ton der Netzhaut ein noch tiefer im Silber des Glases
liegendes Gesicht heraufzutauchen.

Doch sehe ich hart danach, bleicht es erschrocken zur�ck.

Es gibt nichts, was mich verwirren k�nnte im Umkreis, Gefahr erschreckt
mich nicht. Ich h�re auf zu denken und sp�re, wie es irgendwo in mir bebt.
Ich laufe auf und ab. Es ist hei�, ich gehe im Schlafanzug hinauf, h�re die
Matrosen, die an ihre Weiber denken, summen. Der Seewind macht m�de, ich
schlief am Gel�nder, bis die M�ven kamen. Sirola stand schon vorne und
f�tterte sie und lachte, wenn sie, sausend herabgeschossen, vor ihm mit
nach oben gestreckten Beinen erschreckt und gierig am selben Fleck
flatterten.

Abends sahen wir Leuchtfeuer �ber der Ostsee und kreuzten, h�rten ein
Motorboot einmal, glitten durch ein Gitter von Scheinwerfern, die uns nicht
ganz erreichten und kamen s�dlich von Abo auf das finnl�ndische Ufer.

Das Schiff fuhr nach Helsingfors weiter.

An der St. Heinrichsquelle trafen wir Svinhufvund. Er nahm die drei anderen
Finnen gleich beiseite, Gunnaris winkte mir entschuldigend mit den Augen,
ich blieb eine Weile allein. Mittags erst erfuhr ich, da� deutsche
Battaillone in Hang� und Lovisa gelandet seien, Helsingfors genommen und
die Arbeitertruppen in Haufen erschossen h�tten.

Sirola zog einen Kreis mit dem Finger.

Die Roten waren zwischen der Linie des General Mannerheim mit der wei�en
Garde zwischen dem bottnischen Meerbusen �ber Tammerfors bis zum Ladogasee
und den Deutschen im S�den eingeklemmt und gegen Ru�land zu im Sack.

Svinhufvund erkl�rte, die Luft sei rein und unschwedisch, wir bummelten in
Abo, sa�en im Caf�. Pl�tzlich wandte sich Gunnaris um, zog uns mit ins
Innere und durch den Garten heraus. Durch die Mauer an der Ecke sahen wir
schwedische b�rgerliche Freisch�rler mit den Schafpelzuniformen in das
Lokal st�rzen. Wir verbargen uns.

Abends ritten wir, da die Finnen auf jeden Fall in Verbindung mit Tokoi und
Haapalainen kommen wollten und ich diesen ein Papier mitgeben wollte,
strammen Schritt s�dlich gegen die russische Grenze zu. Die Finnen hatten
viel Ernst in ihren unbek�mmerten Gesichtern. Die G�ule waren b�s, aber wir
kamen bis zu dem Gut Mommila, wo wir am Vorwerk abschnallten, im Heuhaufen
etwas ruhten und in der Dunkelheit noch weiterritten.

Gegen Morgen sahen wir die P�rtten eines Dorfes. Sirola r�hrte an den
Donnerkeil �ber dem Eingang und stie� mit dem Absatz die T�r auf. Dreckige
Leute lagen �ber den Boden hin. Die W�nde schwarz vor Rauch. Ein
schwitzender Finne rieb sich die Augen, und als er sah, da� wir den Keil
ber�hrten, stand er, einladend, auf. Sie plauschten mit ihm, hielten die
Finger auf den Mund und nickten ihm zu. Er bejahte und b�rgte mit einer
Bewegung f�r die anderen. Wir hielten uns, da die schwedischen Freisch�rler
Gunnaris erkannt hatten, versteckt, denn wir waren ohne Zweifel
signalisiert. Unser Aufenthaltsraum in der H�tte war abgesperrt, es stank
entsetzlich.

Mittags kamen mit Gebr�ll Wagen und Reiter, schrieen: �langen Hanf, langen
Flachs�. Wir sahen durch einen Schlitz der H�tte.

Sie packten aus, hatten Schellen und tanzten und machten Ringelspiele aus
Freude, da� die Roten zur�ckgeschlagen und in den Mausfallen abgeschossen
wurden. Sie trugen, da es fast Mai, Pluderhosen, keine R�cke mehr und
Str�mpfe �ber den Schuhen.

Mit der D�mmerung r�ckten wir ab, trotteten in der Dunkelheit wieder hinter
Svinhufvund, um Mitternacht nahm uns ein Wagen auf, der aus einem Waldpark
herausgepfiffen wurde. Wir kamen bis zu einem gro�en Geh�ft. Der Besitzer
streichelte den Menschenknochen an unserem Bock. Wir kamen in die
Badestube, die aus Ziegelsteinen erhitzt wurde, man sperrte uns wieder ab,
ich konnte nur kurz in der Hitze bleiben, im Nebenraum waren die Weiber
nackt, die zwei M�nner in Hemden.

Wir fuhren im Auto weiter.

Am Kymmeneflu�, nun auf den Spuren der beiden Armeen, sahen wir Hinrichtung
und Brand �berall. Hinter Wiborg hatten wir den Bogen um die beiden
irregul�ren Fronten durchfahren, kamen zweimal in versprengte Rotten der
Roten. Die Finnen orientierten sich, sprachen mit den F�hrern, wir fuhren
auch bei Tag. Das Kreideland dehnte sich in Fichtenschonungen. In der N�he
einer der letzten Biegungen hielten wir und gingen, gef�hrt von dem Lehrer
Hannes Uksila, �ber eine Sumpfwiese, auf der einige Weiber heuten.

Andere hingen Vogelsprenkel auf. Aus dem Geb�sch trat ein Lachsh�ndler, der
auch Felle f�hrte. Uksila rief ihn an, er schielte und knurrte.

�Beim Wort den Mann, am Horn den Ochsen�, schrie Gunnaris, der als
Nordl�nder die feigen und erb�rmlichen Tavastal�nder des S�dens verachtete
und schlug ihm den Hut vom Kopf.

Die Per�cke fiel mit, es stand ein Nordl�nder mit gelblichen Haaren vor
uns, und die Heuerinnen und Vogelf�nger hatten Gewehre auf uns gerichtet.

Vehkam�ki und Sirola hatten seine H�nde gefa�t und sch�ttelten sie mit
einem Singsang des Vergn�gens hin und her. Es war Oskari Tokoi, der, fr�her
Arbeiter in Amerika, den Frontabschnitt der roten Truppen befehligt hatte.
Sie traten beiseite, Gunnaris gab ihm alle Papiere, die er bei sich trug,
auch die meinen.

Nachts ging Tokoi auf russische Erde �ber die Grenze. Wir a�en Speck,
Erbsen und Aal in Essig, fuhren bis Lill Ablorfors, wurden an einer
Wegscheide umringt und verhaftet.

Die Finnen Sirola, Gunnaris, Vehkam�ki hatten keine Papiere, ich setzte
durch meine sehr guten deutschen durch, da� der B�rgeroffizier uns in das
Hauptquartier des General Mannerheim fuhr. Er schlief, als wir ankamen.
Posten mit Gewehren waren in unserem Zimmer. Die Finnen schwiegen, es war
mathematisch ausgemacht, was sie protokollieren lassen w�rden, falsche
Namen, falsche Route, den Zweck.

In der Nacht wurde ich siebenundzwanzig Jahre, und jene Unruhe, die ich auf
dem Schiff zuerst gesp�rt, stieg unbegreiflich. Ich war gewohnt, mir �ber
jeden Zustand Klarheit zu verschaffen, ich versuchte auf und ab zu gehn,
�berlegte, schied aus, �berging die Situation haarscharf. Aber meine Lage
wiederum st�rte mich gar nicht und es war nichts aus dem Augenblick heraus
Gewordenes, was mich an die R�nder eines unbekannten Bezirkes anstie�. Es
kam wie von einer fernen, uneinziehbaren, schicksalhaften Beziehung, die
st�rker wurde und reifte, ohne da� ich auch nur einen Hauch zu fassen
vermochte.

Was machte mir der Augenblick . . . Dieser General, der in Oesterb�tten die
Gegenrevolution gesammelt, die Bourgeoisie eingekleidet, der nach Wasa
geflohenen Senatorenregierung den krummen R�cken gest�hlt und das
Proletariat mit Hilfe deutscher Truppen aufgerieben hatte, war er nicht
machtlos, ein Sklave des Kaiserreichs, mu�te sich beugen vor meinem
Passepartout der Stockholmer Gesandtschaft . . . Dies alles reizte mich
nur, ich war gespannt, ihn zu sehen, das Lauern seiner Augenbrauen, das
w�lfische Nagen der Z�hne, die �bermenschlich lange, d�rre, vorgebeugte
Figur.

Ich ging dar�ber weg. Ich dachte an Siv und sp�rte ein gl�ckliches Ziehen
meines Blutes. Auch das konnte es nicht sein.

Aber es stieg in der Nacht in mir mit einer verzweifelten dunklen Flut und
wogte in mir, als ob hinter dem Bewu�tsein sich K�mpfe abspielten und
Entscheidungen, die mein Leben angingen. Ich lauschte und horchte
stundenlang, ganz still, aber ich fa�te es nicht.

Gegen Morgen wurde ich ruhiger. Ein Offizier rief meinen Namen, ich folgte,
schlenkernd, aber doch gespannt. Ich wartete zwei Stunden. Eine hohe
Gestalt trat ein, ich sp�rte, eh ich mich umdrehte am Schatten, der �ber
mich fiel, schon, da� es Mannerheim nicht war.

�Warum haben Sie kein Visum?� Ich hob die Handfl�chen ein wenig, lie� sie
auf den Schenkel langsam zur�ckfallen. Es war nicht n�tig, die Frage
idiotisch, ich sah mich im Kreis um. �Die Namen der Finnen.� Ich gab die
ausgemachten Schlagworte.

Er z�gerte.

Dann wies er rasch auf die Zeitung Ty�mies: �Waren Sie nicht mit Eero
Haapalainen und Kullervo Manner als Studenten befreundet?�

Ich zuckte die Achseln.

�Zweck?�, rief er barsch, verzweifelt.

Ich war k�hl und ruhig wie selten und freute mich eine Sekunde an der
Klarheit und Harmonie, die mich zum erstenmal wieder erf�llte.

Ich ging bis an den Tisch und wies langsam mit dem Finger auf die Stelle,
wo auf dem Passepartout in Berlin von einer gewissen Stelle gefertigt eine
Passage stand. Drei Sekunden blieb es still.

Dann hoben sich seine Lider, er warf mir den Raubtierblick entgegen voll
Ha�, durchschaute wohl unser Spiel, war machtlos, murmelte: �Der Herr
General ersucht.� Ich trat durch eine T�r. Aber er empfing mich nicht, fuhr
drau�en im Auto ab.

Uns brachte man mit zwei Studentensoldaten im Auto nach Helsingfors.

Wir durften unser Schiff nicht nehmen, wurden eingeschifft, kamen bei
schlechter See an den sieben Inseln Sweaborgs vorbei nach den Aalandschen
Sch�ren, hatten zwei Tage Gegenwind, kreuzten mit dem Lotsen von Eker� zwei
Tage an den Markzeigen entlang und waren am neunten Tag der Ausfahrt vor
dem gro�en Stockholmer Hafen. Die Finnen lie�en sich an den Sch�ren
aussetzen. Gunnaris schenkte mir einen Ring.

Ich schrie ihnen nach ins Boot noch einmal �Te--le--fon� und deutete. Sie
winkten, standen nickend am Ufer, sangen eine Weile, bis man sie nicht mehr
sah. Gegen zehn Uhr ward die Ostsee golden. Der Hafen ein einziger
M�venschrei. Ich badete. An einem Kriegsschiff vorbei in den inneren Hafen,
das leuchtende Eingeweide Stockholms.

Siv stand eine Stunde schon am Gel�nder, stahlschlank, nickte immerzu leise
her�ber. �War die �berfahrt gut?�

Ich sp�re fast wie an der Haut ihres Gesichts, die sich langsam rosa f�rbt
pl�tzlich, wie Finnland sich entfernt �ber dem Rudel der Schiffe. Selbst
wie ich mich umdrehe und die Kielfahrt des Schiffes noch �lig und gl�nzend
im Silberschaum sehe, h�rt alles auf, wo der Blick endet.

Wir drehen uns um, gehen Strandv�gen hinauf.

Ich bin merkw�rdigerweise mit einem Mal ausgelassen, wir lachen. Ich nehme
Sivs Arm. Vor der Br�cke stehen wir und lassen die Wachtparade passieren,
hechtgraue Soldaten sehen wir mit gelben Troddeln um die Taille und Musik
und den F�hrer, der in erhobenen Armen zwischen den Fingern einen silbernen
Stab h�lt. Wir schauen und kommen h�her auf den Skansen, wir riechen die
wilden Tiere und Siv sieht mit angezogenen N�stern die See. Ich schenke ihr
die wei�en Korallen, die ich mitgebracht. Siv hat den Rhythmus der Musik
noch in den Knien. Wir besuchen die Renntiere, die unter Weidentroddeln ihr
flaumiges Geweih blutig reiben, die Polarw�lfe, die Silberf�chse, pl�tzlich
schweift unser Blick �ber die vielen Fjorde bis dahin, wo die
schw�rmerische Luft des s��esten Fr�hlings mit der Herbe und dem nackten
Granit der Felsen zusammenprallt.

Ich verweile eine Sekunde.

Als ich mich abwende, bin ich voll Trauer und Verzweiflung. In Djurg�rden
schimmert dunkelgr�n der Tau. �ppig schwillt �ber mir die blaue Fahne mit
dem gelben Kreuz. In Kungstr�dg�rden ist Musik, aus den Fischnetzen des
M�lar fallen langsam die kristallenen Tropfen.

�Willst du zu Blanche?�

Ein Orchester sitzt hinter den Cr�megardinen.

�Nein.�

Wir gehen auf und ab zwischen den B�umen und den Matrosen in der Dunkelheit
und h�ren lang auf die Geigen, dann enden wir auf einer Bank.

Nachts wache ich auf im Hotel. Siv ist sch�n, bezaubernd die federnde Gr��e
ihrer Beine, die Linien, die im Bogen wei� von den H�ftans�tzen �ber die
Br�ste laufen. Ich liebe sie und sie ist mir fern.

Ich f�hle nur: Auf der Ostsee f�hrt irgendwo ein Dampfer. Der Expre� saust
durch Sm�land. Die Nordsee steht dunkel gegen Christiania gespannt. Der B�r
im Skansen tr�umt durch die Gitter und die Sterne flirren dar�ber kalt. Ich
f�hle mich in der Gewalt einer Bestimmung, die mein gewohntes Erleben
abl�st, unempfindlich macht mit Auge und Seele gegen die sonst geliebten
Reize. Nun kommt der Morgen. Sivs Feiertag ist zu Ende.

Als sie sich erhebt, fallen die hellen Haare ihr �bers Gesicht, die Fr�he
lehnt sich kaum vom M�lar herauf und ist fast nur Duft. Der schmale
biegsame K�rper bebt auf den Gardinen.

�Zwei Tage . . .�

�Siv, sch�ne Tage, weil ich an dich denke.�

Kopfsch�ttelnd: �Es wird nichts sein, denn du bist nicht da.�

Ich bleibe zur�ck.

Ich f�hle, da� mein Leben sich �ndert. Aber ich wei� nicht, warum und wie.
Wie zerborsten bin ich und doch wie klar.

                                * * *

Am Morgen sp�ter kamen Reporter, ein Photograph. Ich empfing nicht,
leugnete ab. Beim Fr�hst�ck las ich, da� die konservativen Bl�tter aus
Liebe zu Deutschland mich deckten, �Sozialdemokraten� griff mich und
zugleich auch Mannerheim an. Um zehn Uhr rief die Gesandtschaft an. Ich
dementierte. Um halb elf kam der Pressechef. Mannerheim hatte sich
beschwert, ich beruhigte den Beamten, konnte es in der unbestimmten Lage,
die meine Mission umzirkelte. Ich gab ihm eine gute Darstellung des
Lachsfangs in einer n�rdlichen Sch�re. Mannerheim und die Stockholmer
Presse erhielten das Dementi. �Dagens Nyheter� erlaubte sich den Scherz
meiner Vielseitigkeit sp�ter. Als ich ausging, hielt vor dem Hotel ein
Bursche ein t�nzelndes Pferd. In der Glashalle erhob sich der Reiter,
Erzbischof Sahlstr�m, schlug mir athletenhaft auf die Schulter, ritt neben
mir den Quai entlang, kreiste von Literatur zu den G�ulen in die Politik.

Ich f�hrte den blau�ugigen Fuchs noch verschlungener in die Irre.

Am Gesicht des Gesandten beim Fr�hst�ck empfand ich seinen �rger: �Wenn wir
auch keineswegs die milit�rischen Narren im Amt in Berlin st�tzen . . .
m�ssen Sie, Herr, sich gerade fangen lassen?� Ich hatte eine kleine gr�ne
Bronze in der Hand, die Rodin dem Minister geschenkt hatte, ich setzte sie
hin und verbeugte mich: �Die Karambolage mit dem mongolischen
Ludendorffimitator, ach Gott, Exzellenz . . .� ich erz�hlte ihm leis
einiges, aber nicht alles, denn unser Weg ging nur ein St�ck zusammen, und
meiner weit �ber seinen hinaus. �Ich habe dem Minister des Innern zwei
Lachse senden lassen, die ich offiziell vor drei Tagen im Binnenwasser fing
mit einem Kompliment auf den Reichtum der schwedischen Gew�sser.� �Nach dem
Dementi?� Nicken. Die runden Augen sahen fragend aus. Ich sagte:
�angenommen.� Exzellenz trommelte mit den Fingern auf die Kniescheibe, wir
gingen zu anderem �ber.

Es gab franz�sische K�che, der Gesandte fing seinen �bervollen Geist in den
entz�ckendsten Anekdoten und f�hrte die Probleme mit anziehendem Geist in
die Form. Es scho� dauernd aus ihm von Aper�us, denen das Fr�hst�ck an
Eleganz und Zusammenstellung entsprach. Ich hatte manchmal an dem Mittag
das Gef�hl, von einem Parterre meines Inneren aufs andere zu st�rzen und
sah andere Ebenen gleichfalls bereit. Bei Schnaps und Zigarren entwickelte
ich den Plan der n�chsten Woche, die Beziehungen, die ich anschneiden
wollte und wie ich es zusammenzuf�hren gedachte.

Der Marineattach� kam dazu. Exzellenz gab ihm ein in rotes Leder elegant
gebundenes Buch, das er in franz�sischer Sprache fr�her �ber deutsche
innere Politik in Paris ver�ffentlicht hatte, schleuderte die Augen
anklagend gegen den Plafond und begleitete mich durch den Vorraum.

Ich fuhr in einer F�hre nach dem Saltsj�badenbahnhof, wechselte die Oere in
ein Kupferblech, warf die Marke in die Messingb�chse, nahm den Motor und
fuhr durch die Sch�ren nach Gunnaris. Wir verhandelten den Mittag, ich
konnte ihm nur die Umrisse erkl�ren, er dachte lange nach, gr�belte und
hatte pl�tzlich einen k�hnen Plan.

Er telefonierte.

Am Abend kam Almqvist. Mit wundervollen Beinen, elegant, der beste Mann
Schwedens. Er war sehr zur�ckhaltend. Gunnaris sprach lange auf ihn ein,
Almqvist schien sehr ungehalten, da� Gunnaris ihn kompromittiert habe und
Gunnaris ward verlegen, denn er glaubte nun auch, wenn auch aus Dankbarkeit
und gro�er Freundschaft zu mir, zu weit gegangen zu sein.

Ich nahm an, da� Almqvist, der sehr viel zu verlieren hatte (ich wu�te
nicht, wie es damals schon in ihm aussah), mi�trauisch auf mich sei als auf
einen Deutschen, wie jedermann damals in der Welt. Doch war es dies nicht.
Er war zornig, da� Gunnaris einer Sache wegen, die nur entfernt ihre
eigenen Ziele ber�hrte, ihn in eine Situation warf, die den Unterschied
zwischen seinem Leben und seiner T�tigkeit leicht verwischen konnte.

Ich sagte ihm daher frei und offen drei Dinge, die ihn an mich binden
mu�ten, die ich von ihm wu�te. Auch ich hatte einmal in dem Hospiz gewohnt,
in dem er seine vielseitige Rolle spielte.

Wir fuhren, eifrig redend, in der D�mmerung zur�ck. Ich kannte sein nach
der Gesellschaft hin gekehrtes Dasein, leicht begeistert, Freund der
Frauen, anst�ndig, mit starkem Aufwand lebend. Ich suchte dies zu
durchbrechen, ihn anzusaugen nach seinem Kern hin, beroch, bespielte jede
Pore, es war ein stilles, langes Sichmessen. In einem kleinen franz�sischen
Restaurant neben dem Hotel Exzelsior sprachen wir, etwas zog uns unbedingt
gegen alle Widerst�nde zueinander. Wir redeten mit einer halsbrecherischen
Offenheit, in einer Stadt und einer Zeit, wo Geliebte gegeneinander stumm
blieben, aus Furcht vor der verr�terischen Atmosph�re. Unsere Ziele
ber�hrten sich, wir wurden, indem wir sie besprachen, ernst und
niedergeschlagen. Wir speisten in der Wohnung seiner Freundin. Almqvist war
bestrickend, sang, spielte zur Laute und umgab die sch�ne Frau mit einer
hinrei�enden Liebensw�rdigkeit.

Den folgenden Morgen berieten wir ganz durch, mittags arbeitete ich
angestrengt, zog mich in der D�mmerung um und ging zu dem
Portefeuilletr�ger des Inneren speisen, mit dessen Schwager ich freund war.
Seit der Ausbootung der Konservativen waren sie erst seit vier Wochen aus
Lund heraufgekommen, waren noch ungen�gend installiert, aber bereit, mir
den Abend so zu beweisen, da� ich kein St�ck eines gew�hlten schwedischen
Mahles auch nur vermissen k�nnte. Man hielt bei den Staatsm�nnern
Elsa�-Lothringen f�r die Achse der Probleme, mein Plan war anders, ich
sprach nicht davon, ich zog mich um elf zur�ck und gab vor, sehr m�d zu
sein.

Ich ging �ber zwei Pl�tze. Der Mond ist tief �ber Stockholm geflogen, er
geht �ber meinen Tisch am Fenster der Glasveranda im Grandhotel. Ich schaue
in die Nacht und jeder Klang, jedes Instrument und jeder Gedanke kommt aus
ihr verschw�rmt und feuriger zur�ck. Aber ich denke nicht daran, sp�re es
kaum.

Um halb zw�lf tritt an den Tisch der T�rken ein bulgarisches Sujet, das
irgendwie Beziehungen zur Gesandtschaft hat, aber als T�rke gilt, kurz
darauf der Franzose Boissont. Ich sehe nicht hin. Sie sitzen auff�llig
gerade, fast entfernt voneinander auf den St�hlen, reden aber mit gesenkten
Kinnen, sicher fast lautlos.

Um dreiviertel zw�lf kommt Siv.

Sie legt die gro�en, schlanken und harten Beine (wie die der
Stadionsl�ufer) �bereinander und schlie�t die Augen zum Gru�. Das Haar ist
wei�blond, mit �l �ber den Kopf gescheitelt und tief in einer Schlinge in
die Stirn hineingezogen, an den Ohren quillt es in kleinen Trauben
herunter.

Ich bin begeistert, ich f�hle �ber den Tisch die Frische der Haut, das
Belebende dieser Gegenwart. Ich rede viel, denn ich beobachte gut. Ich
schweige keine Sekunde, der Hummer ist von klarem Rot, das Fleisch gut an
der Schale angesetzt, viel Saft in den Scheren. Siv neigt den Kopf zur�ck,
saugt sie aus. Der Aufschlag ihrer Lider macht das Blau frei wie einen
Strahl. Sie steckt den Kopf auf beide H�nde, zieht den Mund kraus: �Was
tatest du?� Ich kann erz�hlen. Ich finde Siv reizend wie nie mit dem
gescheitelten Haar.

Ich sehe Almqvist in der Portiere, ich f�hle jeden Muskel sich spannen in
meinem K�rper, ich rede seit Monaten zum erstenmal laut in der
Spionagezentrale des brennenden Europa. Wie leicht f�llt mir zu reden: �Ich
will dich an Hedin erinnern, Siv, an Sven Hedin, von dem du viele Bilder
gesehen, und gelesen hast, da� er ein Land in China gefunden hat, Tibet,
Siv. Mit diesem Mann war ich in Upsala, er ist ein Trottel. Die Studenten
tranken die Nacht Punsch, tanzten mit eleganten Damen auf den Schultern. Um
zw�lf steckten sie Feuer an vor allen K�sten.�

Es interessiert Siv nicht, was ich da erz�hle, sie hat die Speisekarte und
liest, ich winke mit den Augen den Kellner neben sie. Siv bestellt, sch�ne,
viele Sachen, die sie nascht und bei�t: Sekt, Lachs und Mayonnaise . . . .
Roti . . . . Backelse . . . . Punsch.

Nun geht Almqvist hochm�tig um alle Tische herum, n�hert sich dem der
Bulgaren, er beginnt eine Verbeugung, ich mu� wegsehn, das dunkle Auge
Boissonts leuchtete gegen meines.

Ich kann mich totlachen, ich bin von einer Heiterkeit, die mich
durchzittert, wenn ich mit Siv rede. Man hat die geschlossenen Fenster
heruntergelassen, wir sind umhaucht von den letzten Wellen der Geierschreie
der Bahnen, die aus den Fjords l�ngs der Salzk�ste noch in der Mainacht
schwimmen. Mir fallen L�cherlichkeiten ein, so, da�, als ich Siv zum
erstenmal sah, nicht in der Nordischen Schuhkompagnie, sondern im
Humleg�rden, wo sie aus dem Break mir hinterm R�cken des Staatsrats winkte,
da� ich das Laub des Busches, an dem ich stand, mitnahm und beh�tete und
abends beim Umsteigen verlor. Ich neige mich �ber den Teller, ich k�sse ihr
die Hand, ja ich wei� mich vor Narrheit nicht zu fassen, ich k�sse Siv die
Hand mitten im Lokal.

Da f�llt mein Blick auf die Ministerin, und im Spiegel sehe ich
gleichzeitig Almqvist bei dem t�rkisch-bulgarischen Tisch, sie sitzen weit
auseinander und reden mit dem Kinn auf der Brust, also lautlos.

Die Minister sind also, statt in die B�ros, zur Nacht dem Mond und blauen
Kan�len nachgegangen. Der Burgunder hat ihnen die Politik aus dem Hirn
gejagt, sie halten nicht mehr in der Bewegung der H�nde das bi�chen
Schweden, um es trocken durch die europ�ischen Wasserspiele zu tragen. Nun
sieht mich der Blick der Frau, zieht sich abgek�hlt zur�ck, weil ich m�d zu
sein log, bleibt an Sivs Gesicht h�ngen und l�chelt.

Ich stehe auf, ich verbeuge mich, ich bin gl�cklich, ich setze mich wieder,
ich habe im Spiegel gesehen, da� das bulgarische Sujet aufsteht. Ich mache
aus der Serviette Figuren, ich scheine betrunken, denn ich bohre einen
Papierpfeil in Sivs Eis; da� sie mit der Gabel versucht mich zu stechen,
das macht mich fast bersten vor Vergn�gen. �Gott m�ge den Deutschen tausend
Gefangene am Tage geben�, sagt es am Nebentisch. Ich zeige Siv den Mann, es
ist ein Dichter, der Knut Hamsun den B�ren schalt. Er wohnt in einem
Landhaus in Stur�ngen, wo die M�dchen abends am Kamin singen: kom hj�rtans
frojd. Er ha�t den Strindberg, der die Theaterst�cke schrieb und die sch�ne
Tochter hat.

Doch g�hnt Siv, sie kennt die M�nner nicht, der Gehrock nebenan ist ihr zu
d�rr. Wie kann ich Siv erheitern, wo auch die T�rken durch das Vestib�l
vor�berwandern?

Da f�llt mir eine gute Sache ein, ich habe einen Ton mit der Zunge gemacht,
Siv starrt mich an, ich blinzle nach der Seite, sage ihr was ins Ohr. Da
sitzt Rolf, der gro�e Kabarettist, der S�nger des �mit sw�rmeri . . . i
. . .� Siv ist voll Neugier, wir starren den gro�en Mann an und vertiefen
uns in ihn.

Dann l�chle ich sanft und sage kokett, ich habe mich geirrt. Siv ist
w�tend, st��t den Teller �ber den Tisch, sie ist sehr sch�n in dem
Augenblick, und ich kann mich nicht halten vor Vergn�gen.

Pl�tzlich verl��t mich die Laune, ich werde k�hl, gemessen. Ich hebe den
H�rer ab, der Tischapparat hat gesurrt. Der Portier meldet, Tisch
siebenundachtzig will mich sprechen. Almqvist sitzt allein, den R�cken zu
mir, ich sehe es in dem Nickel des H�rers, es ist seine Stimme.

Schon unterbrochen.

Ich sehe auf. An seinem Tisch steht ein Fremder. Ich h�nge ein. Wir sind
bei Aqvavit wieder, Punsch, Kaffee und Zigaretten, Siv hat sich
zur�ckgesetzt und betrachtet mich durch halbgeschlossene Augen, zeigt die
Zahnschnur. Almqvist ist pl�tzlich an seinem Tisch nicht mehr da.

Der Boy bringt Telegramme, ein Billett. Ich falte es auseinander. Ich setze
mich hoch, ich lasse mich einen Augenblick gehen, hineinfallen in jene Form
der Bewegung, die mir frei und klar aus dem Gef�hl kommt. Ich wei�, wir
werden haben, was wir suchen, wir sind auf dem Weg. Da ist es. Endlich. Wir
werden die Generale dr�cken, Zusammenh�nge beweisen. Ich denke es klar und
k�hl und f�hle mich vorn stehen, wo die Dinge sich entscheiden.

Ich bringe Siv nach Hause.

Die Lichter sind im Ausgehn und scheinen rosa aus dem blauen Wasser, das
lautlos Stockholm durchstr�mt. Wei�e Wolken ballen sich h�her �ber
Schl�ssern und Inseln. Sivs Arm in meinem, ihre Hand. Ich f�hle den Tau der
Morgend�mmerung, das abenteuerliche Schwinden des Nachtwindes.

Ich liebe Siv und habe sie zehnmal belogen den Abend. Ich kenne die
Menschen und habe recht gehabt.

Aber ich sp�re irgendwo, welche Kl�fte mich trennen, wie ich ausgesperrt
bin von einer Verbindung, die, anders und tiefer als ich es fasse, die
Menschen zusammenbindet. Ich denke lange dar�ber nach, doch es verschwimmt,
w�hrend Sivs Gang und ihre leidenschaftlich k�hlen Bewegungen und die
herrlichen Ausfahrten unseres Rausches goldener vor mich treten.

In der Fr�he fahre ich durch Schweden. Zwischen Teichen und Felsen und
dunkelroten Holzh�usern zur Nordsee. Ich fahre zw�lf Stunden mit vielen
Menschen. Ich esse Sm�rg�sbord, wenn der Zug h�lt, an den Stationen, gehe
auf der Holzdiele langsam, den Reisehut in der Stirn, zur�ck. Ich lese die
Verlobungen Stockholms, ich kaufe das Blatt �Saisonen� und beschaue die
eleganten Frauen, d�se in die Landschaft, schlafe einmal ein. Ich sehe den
Kondukteur eine Fahne an der Lokomotive heraush�ngen: f�nfundzwanzig
Minuten Pause. Ich schlendre auf und ab, die Arme teils in den Taschen,
teils auf dem R�cken, ich bin ein Passagier wie alle anderen, ich langweile
mich mit Ma� und Ruhe, ich kaufe keine Lakritzer, die man mir anbietet, ich
sehe einmal, als wir wieder fahren, verw�hlte Kissen, Sivs hohes reines
Bein ganz ohne Flaum. Ich beginne in einem schlechten Roman zu lesen, es
ist kein guter Geschmack, da� ich ihn ziehe, aber er am�siert mich
k�stlich, ich versinke ganz darin. Mir gegen�ber sitzt der Au�enminister.

Der Zug ist gef�llt mit internationalen Raben, Hy�nen, W�lfen. Ich bin sehr
in der Lekt�re, wende langsam Blatt um Blatt, ich sehe jeden, der am
Kupeefenster durch den Korridor schleicht, ich sehe jeden Gedanken.

Ich bade mich in G�teborg, ich ziehe mich um, ich gehe ins Variet�. Ich
gehe an einer holl�ndischen Gracht hinauf, das Wasser riecht faulig, Jasmin
ist dazwischen aufgegangen. Ich nehme in der Holzbaracke die Loge, die
Almqvist mir bezeichnet hat.

Neben mir sitzt ein Kommis mit goldenem Armband, den steifen Hut im Genick
starrt er offenen Mundes zur B�hne. Neben mir links ist frei. Ein
Riesenorchester hat um die Beine einer T�nzerin geknallt, nun schwenkt ein
gepudertes Schweinsgesicht ententistische Fahnen mit Zauberei dazwischen.
Ein Feuerwerk geht hinterher los und Amerikaner kakewalken auf langen
Bretterstelzen, die Musik hat ein Delirium und schmei�t das Publikum in
einen Rausch. Der Kommis f�hlt sich als Achse des Erdballs und gr�hlt,
bekommt rote Schl�fen und kann kaum mehr sitzen.

Da zieht links neben mir jemand den Hut, setzt sich an die Br�stung, sieht
gerade aus, nun liegt das Bild Almqvists vor ihm. �Gut�, sage ich.

Der Agent Krassin mit gelbem Gesicht und runden Augen! Er hat von Gunnaris
und Almqvist Telephongespr�che. Almqvist kommt in vier Tagen. Ich bin ein
wenig ungeduldig. Wild riecht die Mainacht drau�en. Mit einer Kapelle
kommen tausend Hafenarbeiter vorbei, die rote Nelke der Jungsozialisten im
Knopfloch, mit Schildern: �Friede, Klassenkampf, Brot�. Krassin zittert.
Auf dem Meer Segel wie Glas. Der Marschtritt der Proletarier donnert fern
schon aber deutlich. Im knallwei�en Licht der Laternen stehen kleine Huren
mit Zigaretten im Mund, pfeifen mit blutroten Lippen durch die Z�hne.

Das Tor des Variet�s klafft mit einem Tusch und Trommeln und speit den
Kommis heraus, er geht steif und schwankend mit einer dicken Sau und schaut
hochm�tig um sich. Krassin hat den Hals eingezogen, denkt nach und geht
neben mir, bescheiden, vieles wissend, ein wenig hinkend, bis zu meinem
Hotel.

Am Morgen kommen drei Schweden, Ek rauh, Lilljeqvist mit faunischem
Adlerkopf und Glatze, Davidson sch�n. Krassin kommt nicht.

Wir fahren zwei Stunden, es kommen Wiesen. Am Wald liegen sechs Villen. In
der ersten Wiesenh�rde �ben Hindus, r�sten Kaffee und rauchen. Am dritten
Tor an der dritten Umz�unung legen Ek und Davidson die Oberkleidung ab,
verschwinden in der Villa, kommen in einem knappen Nationalkost�m zur�ck
und �ben mit Geren und Steinen, w�hrend Lilljeqvist auf dem Buckel liegt
und raucht.

Ich gehe beiseite, ziehe einen Brief und lese. Ich err�te, es wird mir warm
pl�tzlich, ich atme rascher, schaue mich aufnehmend um. Ich schlendre
weiter, Chinesen und Amerikaner rufen sich einen Slang zu, weichen mir aus,
wie ich mit H�nden in der Tasche herankomme. Ich gehe durch die M�dchen,
die einen Reigen hin und zur�ck sich werfen, melodisch, mit einem
Schwedisch, das ich nicht verstand, auf einen Mann zu, der vor der sechsten
Villa stand.

Er war athletisch, ein Vierziger, und, wie er sich bewegte, zog er die
H�fte mit herunter. Ich ging auf ihn zu, gab ihm die Hand. �Gr��e meines
Bruders�, sage ich. Er hob den Kopf, der ein wenig zitterte beim H�ren,
nahm den Namen auf und nickte, dr�ckte mir noch einmal die Hand.

Nach zwei Stunden, wo wir zusammen waren, wo er mir alles gezeigt, was die
Sportschule seit dreihundert Jahren geleistet, erw�hnte er ihn einmal, wies
einen Stab, mit dem er den bekanntesten Chikagoer besiegt. Dann gingen wir
hin�ber, wo schwarzwei�es Rindvieh mit praller, gl�nzender Haut uns dicht
umdr�ngte; wir fahren mit den H�nden dar�ber, es scheint die Sonne immerzu.

Am Abend lagen wir bei Feuern am Waldrand, tranken Kallskol aus Zitronen,
Wein und Saft.

Ich mu� vielerlei denken, w�hrend die Tanzenden zwischen den Lichtflammen
zucken. Ich sehe die d�nne Linie des frischen Monds an einer Pappel und ich
mu� denken, da� an diesen B�umen die Trag�die des Bruders begann, hier sich
sein Hirn wund rieb an den B�schen. Ich mu� denken, da� Floda nahe liegt,
da� vom Herrenhaus ihm die Rettung kommt, als er mit dem Pferd in den Wald
reitet, da� der Wechsel bezahlt wird, da� alles gut scheint, aber sehr
schlecht ist.

Ich liege weit zur�ck und sehe ersch�ttert und traurig, und doch davon
wieder gehoben, die Nachtscheibe des Himmels sich immer weiter und tiefer
�ber das Meer hinausschwingen.

Ich habe seit Jahren wenig gedacht an meinen Bruder, ich habe vieles zu
tun, ich bin besch�ftigt gewesen mit mir und tausend Dingen, ich habe nie
begriffen oder versucht es zu fassen, warum er sich selbst, nachdem die
Bagatelle beigelegt, hinausstie�.

Ich denke dar�ber nach und fasse es nicht ganz, aber es arbeitet in mir
weiter, auch wenn ich nicht nachdenke, ich f�hle es genau. Der Boden, den
er betrat, das Laub fr�herer Sommer, das er ber�hrte, verbindet mich eng
mit seinem Schicksal.

Ob er barfu� durch Kalifornien l�uft, auf Akkord in Steinbr�chen der
Kordilleren arbeitet, wieder ohne landen zu k�nnen als Boy vorm
genuesischen Hafen immerzu liegt, ich sp�re sein Leben hier, ich kann ihm
nicht helfen, ich bin ungl�cklich dar�ber. Ich habe manches Unrecht an ihm
getan, f�llt mir ein.

Am Morgen holt mich Davidson. Ich fahre froh nach Floda, ich will, kann ich
nichts anderes, wenigstens diese Kleinigkeit des Dankes dem Bruder sch�n
vollenden. Ich habe die Unruhe zur�ckgelassen, die die erzwungene Pause mir
auferlegt. Ich f�hle mich nur wohl, wenn ich in die Bogen, die ich selbst
gerichtet, von Handlung zu Handlung mich spanne. Aber ich habe diesen Tag
keine Unruhe, ich bin vergn�gt fast, ich sitze in der Equipage und schaue
auf den Buchenwald, als sei er mein.

An einer Bachecke umringen uns Damen, ich springe raus, ich wei� sofort,
wohin ich mich zu wenden habe. Ich gr��e die Herrin. Sie geht anmutig �ber
den Wiesenpfad, steht vor den wei�en S�ulen des Herrenhauses, hebt die
Hand: �V�lkommen�.

Ich verneige mich.

Das Land liegt unten mit pastellener Idylle, weichem Teich und Birken. Sie
sagt ein Wort: �Ebba�.

Es ist die Schw�gerin. Der Gang einer Reiterin. Ich sehe ein blaues Kleid.
Ich sage: �Ich freue mich. Ich bin zufrieden, Sie zu sehen.� Die Herrin
winkt, sich entschuldigend, zieht sich zur�ck, das Souper wird ger�stet.

Ich gehe mit Ebba weiter, immer im Kreis. Welch ein sch�ner Tag. Sie tr�gt
ein blaues Kleid, geht wie eine Reiterin. Ein Kiesweg. Ein Hund. Da steht
die Herrin wieder, als sei sie eine Sekunde nur weg. Sie ist in gro�er
Toilette. Neben ihr der Gatte: �V�lkommen�.

�God dag, Sir Johnson.� Seine Hand, bescheiden bewegt, sagt
Gastfreundschaft an der Pforte des Schlosses bis zum letzten. Ich danke.

Ich gehe mit Ebba weiter, immer den Kiesweg, jetzt erst bricht etwas von
dem Duft um mein Hirn, jetzt h�re ich ihre Stimme deutlich. Dann ist sie
wieder im Nebel. Warum l�hmt mich ein Schicksal, nimmt mir den Mut, m�helos
k�hne Sachen zu sagen. Es ist nichts von Angriff in mir. Ich senke den
Kopf. Ich sage: �Als Kind hatten wir denselben Hund.� Ich deute auf das
Gras und mache mich l�cherlich mit dieser Bewegung. Mein Blut kocht aus
Zorn �ber meine Schlappheit in meinem Kopf, ich siede, es w�hlt grausam in
mir. Was kann ich machen, was kann ich machen? Ich wei� nichts mehr von
mir. Sie schaut mich an, die Augen sind hart, die Stimme s�� und weich.

Drei Minuten gehen wir wortlos. Immer den Kiesweg. Einmal gelang es mir,
ich sagte leis ihren Namen vor mich hin, es ist ausgeschlossen, da� sie es
h�ren konnte. Welche Macht das Wort Ebba, es scheint st�rker als ich! Eine
Wolke brach vor ihr Auge. Das Gong t�nte. Ich f�hle, als risse sich die
Seite wund bei mir, an der sie ging, als wir umdrehten.

Ein Gesicht, ein M�nnergesicht steht vor mir auf: �Der Lunch.�

Sie ist ganz wei�, ihre Augen gl�nzen wei�, glasig, sie hebt die Hand,
deutet, ich verneige mich tief: �Mein Verlobter.�

Ich verneige mich noch einmal vor Sir Johnsons Sohn. Ich denke, dies Haus
ist heilig. So hatte ich vom Morgen an gedacht. Aber ich f�hle, es schl�gt
mir die Knochen entzwei, es macht mich kaput, ganz klein.

Vor mir, an meinem Arm die Herrin, defiliert die Gesellschaft. Ich benutze
die Minute f�r meinen Bruder, ich fl�stere: �Ich bringe den Dank eines,
dessen Leben Sie gut getan.� Sie winkt g�tig mit den Augen ab, ich werde
ihr das n�chste Mal allein erz�hlen, sie l�chelt.

Dann geht das Essen wie ein Rad vor�ber. Ich sehe das blaue Kleid nicht. Er
sitzt auf derselben Reihe wie ich. Was ist aus mir geworden? Ich kenne mich
nicht.

Der Kaffee wird auf der Terrasse genommen, da sitzt sie mir gegen�ber, das
macht mich frisch, ich rede viel und nicht zerstreut. Es ist eine halbe
Stunde nur noch, man mu� sie nehmen und ausf�llen so gut man kann.
Vogelschreie der Bahnen �chzen aus der D�mmerung. Das Auge Ebbas geht nicht
von meinem, ich f�hle es, wo ich kaum mehr etwas sehe.

Ihre Pupille und meine Pupille sind aufeinander gestellt.

Havannas werden gereicht. Das Glas f�rbt sich dunkel. Ich bin berauscht,
als ob ich Wein in mir h�tte, ich habe einen guten Tag pl�tzlich, ich wende
mich nach allen Seiten, und wie ein Karussell windet sich alles um mich.
Ich habe so leicht zu reden, �Dozent Lilljeqvist� sage ich, �Sie tun
unrecht, Baron Prittwitz, der die Ehre hat, uns zu vertreten, ist Pazifist,
wenn auch aus bon sens, und hat gegen den Willen Wilhelm II. gearbeitet,
der Ihr Land in den Krieg kommandierte. Als er zu Ihrem fr�heren
konservativen Premier kam, Wallenberg, dem schlausten Kr�mer . . . nein�,
ich wende mich ganz herum, �nein, Sir Johnson, ein erschossener Steuermann
ist ein Zufall, aber Sie haben recht: die T�tung jedes Menschen ist ein
ungeheuerliches Verbrechen. Aber kalkulieren Sie damit nicht in Politik.
Tod ist nicht Z�hler, nicht Nenner. Was tat Ihre Regierung denn, die keine
andere sch�ne Wendung sah, als da� sie zwei Tage die ganze schwedische
Presse mit Geheul gegen Deutschland vorlie� und dann zur�ckpfiff. Und
Wallenberg, die Augen schmunzelnd, errechnete, da� mit hunderttausend
Kronen Entsch�digung und dreitausend Pension die Steuermannswitwe eine
gl�nzende Lotterienummer gezogen und etwas ver�ndert die ganze Presse der
gleichen Meinung war. Das ist Verbrechen, Sir . . . Dank f�r das Feuer
Sverker Ek . . . .�

Ich setze mich tiefer zur�ck, mache mich breit, ich habe im Feuer vieles
gesehen, ich rede immerzu: �H�ren Sie, wie anekdotisch dieses Regime
arbeitet, bei uns und bei Ihnen, es ist das gleiche furchtbare System: Als
der Gesandte frug, als Ludendorff ihn zwang: ob wir Munition bringen
d�rften nach Finnland durch die schwedische Sperrzone, sagte da Wallenberg
nicht, k�hl und kaufm�nnisch in den Bart -- da� einmal ein Mann gekommen
sei und gefragt habe, ob er rauchen d�rfe und man habe gesagt: nein. Der
aber wies auf Reste von Zigarren, worauf er die Antwort h�rt: das taten
solche, die _nicht_ frugen. Man verst�ndigte sich unter Lachen. Stellte ein
schwedisches Torpedo zurecht, lie� die Munitionskolonne beschie�en, drei
Tage die Presse heulen, dann war es vor�ber.

Deutschland gab eine Million Wei�wein daf�r frei. -- -- -- O Malte
Davidson, drei�igtausend Tonnen Schmalz f�r den Hunger in Deutschland, das
kam, weil eben der Gesandte Euch und sich elastisch hielt im Zusammenprall
solchen Schicksals. Ohne ihn s��en Sie in Sibirien, ich wei�, er wand Ihrem
K�nig manchmal den Entschlu� zu den Kanonen aus dem Hirn. Nicht, weil er es
verfluchte, da� Menschen sich t�ten, aber weil er aus dem neutralen Lande
Essen wollte f�r die skrophul�sen Kinder . . .

�Nein Sir�, ich l�chle, �der Wutschrei des Polizisten am Brandenburger Tor
�ber Ihren Chauffeur ohne M�tze, das ist nicht das Deutschland unserer
Gesinnung. Aber trotzdem, ich neide Sie nicht, nicht Ihre jungen M�nner, so
sehr ich den Frieden begeistert gr��e, der Ihr Land begl�ckt. Sir Johnson�,
sage ich und ich spreche mehr aus, als ich sonst je wage, �Sir Johnson�,
sage ich betont und staune �ber den Klang, denn ich h�tte nie selbst zu Siv
so offen und frei in diesem Lande gesprochen, ich, der ich nie von Pl�nen
spreche und mit ihnen die anderen anfalle wie ein Weih mit dem Vorsto�
. . . �was ist Krieg Ihrer Jugend, Sir Johnson? Ein Trog, an dem sie fra�
und fett ward. Gulasch nennen sie selbst den neuen Reichtum, der in
falschen Konservenb�chsen kam. F�hlt sie sich nicht krank, ihre Jugend, Ek
und Davidson, vor dem kochenden Gold, das ihre Leidenschaften, ihre
Begeisterungen fri�t? Wo habt Ihr jenes Stolzeste, das manche andere und
mehr gequ�lte Jugend mit einem siegreichen L�cheln als Trotz und Auflehnung
entgegentr�gt? Eure Besten leiden daran, Weiber, Pelze, reiche Schiffe zu
haben, aber kein anklagendes Echo Eurer Seele im Ohr der Menschheit. Sie
haben in Schweden keine gro�e Politik getrieben. Blieb Ihr Land neutral,
Sir, war es Vorsicht von uns und von Euren Aktion�ren, nicht Ha� gegen die
Gewalt. Zweitausend Kilometer Etappenstra�e nach Ru�land, das wog Euch
Erschreckten mehr als humane �berlegung . . . . Im Museum liegt Euer
Imperialismus, Karls Standarten, Wasas Helm, ungef�hrlich als Rausch f�r
Eure romantischen J�nglinge. Aber Ihr lerntet nur Vorsicht, noch nicht das
letzte. Eure Gelehrten sinnen und rechnen, machen ballistische Kurven, um
auszurechnen, wer Euren gr��ten Krieger, Karl XII. schmale Abenteurerstirn,
erscho�, die Feinde drau�en, die kriegsm�den Schweden innen? Die Narren.
Der Friede erscho� ihn. Verstehen Sie mich wohl gut, Sir Johnson?�

Ich breche ab. Bis an den Rand der letzten Minute habe ich geredet, es ist
mir frei geworden, ich habe einen Zweck gehabt zu reden. Nichts ging
verloren, es ist, als kenne ich das Dunkel, als verst�nde ich es besser mit
den Sinnen pl�tzlich wie den Tag.

Schw�tzend, wie ein Seilt�nzer bebend, die letzte Sekunde.

Ich erbleiche pl�tzlich.

Sie kann nicht gehen. Sie l�uft schon hin, rei�t ab, ich stehe auf.

Auf strahlender Diele stehen alle im Halbkreis. �Es lebe das Deutschland
Ihrer Gesinnung.� Ich verbeuge mich ein wenig vor Sir Johnson, ich verbeuge
mich noch einmal tief. Ich bin mir nicht ganz im klaren, was ich tun soll,
wo ich bin, ich verliere alles aus dem Auge, ich wei� nichts anderes, mich
zu retten, da� ich mich noch einmal verbeuge.

Die Herrin hat den Arm auf Ebbas Schultern.

Die anderen G�ste verneigen sich.

�Gn�dige Frau, ich werde den Tag nicht vergessen.� �Farv�l,� sagt sie und
nickt mit den Augen.

Nun wage ich Ebba anzusehen, ganz kurz.

Meine Augen beginnen zu brennen vor Schmerz. Die Z�hne in den Lippen. Ich
verbeuge mich, schaue nicht wieder auf, ich erreiche nur ihren Mund mit dem
Blick, er ist wei�, zuckt einmal.

Ich folge dem Diener zum Wagen. Im Spiegel der Bahn sehe ich mein Gesicht.
Welch ein fremdes Gesicht. St�rbe ich jetzt, wie sch�n diese Wollust.

                                * * *

Ich gehe gleich zu Bett im Hotel. Ich wei� noch: morgen fahre ich zu
Almqvists Schwester. Nach S�r�. Dann schlafe ich ein. Ich wei� nicht, wie
ich schlief, ich schlief wohl sehr fest.

Das Telephon weckte mich, ich lief ins Badezimmer vor Verwirrung, dann
legte ich mich nieder.

Ich nahm den H�rer vom Tisch, ich hebe ihn an mein Gesicht. �How do you
do?�

�Falsch verbunden.�

Ich h�nge ein. Es schellt von neuem.

�C'est le portier qui parle.�

Ich fluche, ich rufe ins Telefon, er m�ge verplatzen.

Eine andere Stimme kommt, aus Nebel s�� und weich: �Kan jag f� tala med Nr.
417?� Ich streckte mich lang aus im Bett. Ich zitterte am K�rper. Ich bin
Nr. 417.

Ich will die Stimme noch einmal h�ren, ehe ich sie f�r immer verliere.

Sie wiederholt. Ich genie�e es lange. Dann antworte ich; wie klanglos meine
Stimme. Ich antworte nur, was sie sagt: �Ja, Fr�ken Ebba, ich vergesse die
B�cher nicht zu senden, ich k�sse die H�nde.� Da geht die Leere ins
Telefon. Doch sie ist noch da, ich wei�, ich sp�re es. Ich sehe sie dastehn
mit dem wei�en Gesicht, erfroren am Mund, und lauschen.

Doch ich darf nichts anderes sagen, ich mu� es fallen lassen, wenn es mich
auch vernichtet. Ich habe stets gedacht, dies sei ein heiliges Haus. Ich
will keine Verwirrung in diesem Haus.

Wie ungl�cklich bin ich und schwach. Und doch wie getr�stet. �Ich k�sse die
H�nde, auf Wiedersehen!� rufe ich steif und h�nge ein. Ich kann es nicht
h�ren, wenn sie den Gru� wiederholt. Ich richte mich auf unter der
Badedusche, hebe die Arme, die Muskeln wiegend im Strahl -- und breche
zusammen: welches Gl�ck, diese Stimme.

Erst nach dem Mittagessen kam ich in S�r� an.

Vor dem hellen Sandstrand stand die Nordsee. Dann machte der Basalt eine
Welle, die H�user trug. Davor brannten mit schmalem Rasen die tausend
Obstb�ume. Ich ging durch den verschneiten Geruch.

Auf der Terrasse kam Almqvists Schwester auf mich zu. Ich trat betreten
einen Schritt zur�ck. Sie l�chelte mit einer sich nicht ent�u�ernden
Bewegung, ihre Sch�nheit streng bei sich behaltend. Ich sa� auf der
Klippenbalustrade vor dem kleinen Schlo�. Ich frug nach ihrem Bruder, sie
wu�te keinen genauen Termin, noch ohne Nachricht. Sie hob die Schultern ein
wenig, ich mu�te warten. Ich unterlie� nicht, ihr meine Bewunderung f�r
solche Sch�nheit schweigend zu bezeugen.

Aber es war ein Raum zwischen uns, ich durchbrach ihn nicht, ich hatte
einen Schmerz in der Brust, der mich peinigte bei jedem Wort und mich
wegzog, wenn ich die schmetternde S��e der Apfelb�ume vor dem aufgest�hlten
Dunkel der Nordsee empfand. �Sie haben recht,� sage ich hin, �Ihre B�rger
sind Hunde wie alle, gn�dige Frau� und ich l�chle schief und trotzig, aber
ich will es nicht wissen, was geht es mich an, was liegt mir daran, da� ich
ihren Vornamen gern w��te.

Aber ich frage nicht danach. Da� sie in Norwegen skiert mit Meir Elisha,
meinem Partner. O, was liegt mir daran. Ich bin da, um auf Nachricht von
Almqvist zu lauern, es ist keine da. Ich sitze und rede und h�re nichts wie
ein phantastisch Knirschen eines Rockes immer im Ohr.

Auf der Klippe gegen�ber stehen Kinder, rufen �Mur�.

Sie steht auf, nimmt die gr�n-wei�-orange-schwarze Decke von dem Teetisch,
winkt hoch damit. Die Kinder jauchzen, kriechen wie Ziegen weiter mit den
kleinen Spitzenhosen.

Auf der geschorenen Steppe ins Land hinein spielen Engl�nder Golf. Wei�e
M�nner liegen unten in den Segelyachten. Ich stehe auf, lege die Hand �ber
die Augen und sehe lang in die gl�serne Bl�ue. Ich vergesse, wo ich bin,
ich drehe mich um: �Ich sah Ihr Stadthaus, gn�dige Frau; darf ich es sagen,
die holl�ndische Backsteinrenaissance hat eine asketische Linie, die ich
wenig ertr�ge, nie eine Frau damit umg�be.� Ihr kristallenes blaues Auge
umf�hrt mich ohne Ironie, sieht �ber mich weg.

Ich empfinde, da� alle l�gen, da� sie nicht die marmorne sch�nste Frau
Bohusl�ns ist; welche Narrheit, sondern, da� sie noch nicht gelebt hat und
ihre Gef�hle lawinenhaft hinter dem Herzschlag liegen.

Aber im Augenblick darauf schon sehe ich das Meer wieder, sie ist
aufgestanden, an die Mauer getreten, was k�mmert mich diese Frau, die Ruhe
macht mich gl�cklich, �berempfindsam, die Segel meiner Seele sind gro� und
weit gebauscht. Welcher Friede, ich will es sagen, es gelingt mir, fast
werde ich mitteilsam, ein Schw�tzer, ich sch�ttle mich und lache in mich
hinein.

Die Obstb�ume brennen ihr Wei� gegen die besonnte Felswand und schwingen
sich selig �ber das im Kreis gerundete Meer. In der abgeebbten Seitenbucht
liegen V�lker von M�ven mit ausgebreiteten Fl�geln im Sand. Wir sitzen und
reden und warten auf Almqvist, ich erschrecke, mu� lachen, die Teetasse
fiel zu Boden.

Ich mu� lachen, ohne es zu zeigen (wie k�hl und h�flich ist mein Gesicht),
ich sitze mit der sch�nsten Frau Westschwedens �ber den wiegenden Rahen
ihrer drei Segelboote, und ich sehe �ber ihr hinter den Schaumriffen genau
von den in der Brise schaukelnden Kirsch�sten bis zu der Spitze des
Granitbergs immer eine Reiterin durch die Luft hinschreiten.

Die Kinder kommen rufend, werfen sich ihr an die Brust. Wie sch�n ich mit
Kindern spielen kann, die ich sonst nie sah. Bin ich sechzehn Jahre? O, wie
f�hle ich mich von mir selbst verlassen. Sogar den B�rentanz vermag ich auf
der Mauer ihnen vorzuzeigen; wie sie heulen vor Wonne. In welchen Korridor
entfernter Jugendlichkeit habe ich mich mit Geschw�rm und Verlieben und
Spielerei schrecklich zur�ckverirrt? Wie weit lag das hinter mir.

Ich balle die Faust in der Tasche, ich kann ja doch nichts tun gegen die
s��e Gewalt, die mich von allem rei�t, mich hier einen Fremden und Kranken
und Unbeteiligten sein l��t, o Gott, wie sch�n ist die Gewalt dieses
Schmerzes, den ich hasse.

Ich balle die Faust in der Tasche und greife das farbige Tuch, mit dem sie
den Kindern winkte, das die Kleinen mir hineinbugsierten. Nun gut, es soll
drinnen bleiben, wir lachen, ich k�sse die Hand, die es mir schenkt.

Vom Bahnhof herauf l�uft ein Auto.

Almqvist.

Ich gebe ihm die Hand.

Ich stehe mitten in den Dingen, dressiere die Dr�hte von Pl�nen und
Absichten und Zielen bewu�t und klar.

Ich schlafe traumlos und gut. Ich habe mich v�llig, nichts irrt ab.

Wir fahren in der Fr�he nach G�teborg, nehmen den Russen auf, steigen in
den Dampfer.

Der Hafen ist stundenlang, die Schiffe haben sich in Herden hineingelagert.
Als wir den �u�ersten Ring am Mittag passieren, zeigt Krassin auf eine der
vielen flachen Granitinseln. Aus Stollen sausen elektrische Fahrst�hle mit
Batterien hoch, schie�en, sausen tief unter das Meer zur�ck.

Ich lache: �Entwickelt die Erde sich weiter in explosive Kurven, wird man
in zwei Jahren dies von Withe Chapel oder vom Grunewald aus beschie�en.�

Da werde ich verhaftet.

In der Kaj�te verh�rt mich der Kapit�n. Er ist zu dumm, die Vorz�glichkeit
meiner Papiere zu kapieren. Ich k�mmre mich nicht um den Ochsen, stehe
w�tend an der Wand. Die ganze Mission steht auf der Wippe. In diesem
Augenblick finde ich mich klar zur�ck, abgeschnitten liegt das Nebelhafte
von mir, ich strecke mich, bin wieder ein Kerl, k�hn am Kopf, f�hle die
Muskeln um den Rumpf herum sich dehnen, ich trete vor.

Da klopft es, herein mit der L�ssigkeit des Befehlenden kommt Almqvist. Der
Kapit�n erhebt sich sofort, das feige Schwein. Der Zwischenfall wird wie
eine Kartenpartie erledigt. Zur Entschuldigung wird Kaffeefr�hkost auf dem
Kapit�nsverdeck aufgetragen.

Im Kreis der Offiziere, fettem Fisch und Aquavit fliegen die nackten
Ursteine vorbei, manche haben H�user blau und rot, andere fahren vorbei mit
singenden trocknen Fischen an Drahtseilen klappernd. Das Nackte der Steine
verbla�t in gespenstische Blasen, das Panische st�tzt von ihnen gegen den
von Wasserzartgr�n und Segel musikalisch tief gef�llten Horizont. Die
Eidern stehen mit Geschrei darin. Aus einem Kessel von Granit, der sich
�ffnet, schie�t schr�g zwischen den moosgr�nen glatten Felsen ein dicker,
geschw�ngerter Segler mit viereckig braunem Tuch, die Metallh�rner tuten.

Um f�nf Uhr legen wir an bei Marstrand.

Von unserem Hotel sehen wir vier Seiten Himmel, �berall See. Zwei Tage
studieren wir mit den Gl�sern die Gruppen, die Gewohnheiten, die
Lagermulden, die Badepl�tze, Frauenbeine, M�nnerkost�me. Almqvist spricht
mit vielerlei Menschen, l�uft in den Garten, macht lange G�nge, schreit zum
Fenster hinaus: �Halo . . . s� ni s�ger,� schickt den Hausburschen in die
kegelhaft gestellte Spielzeugstadt unter uns, l��t Zigaretten holen, setzt
den Panama auf, geht zum westlichen Strand. Manchmal mit Damen, oft allein,
einmal in einem Rudel M�nner. Ich sehe, die Arme zum Fenster hinaush�ngend,
wie Damen ihm zuwinken, wie er vor sich hinschaut, gr��t, in H�user
hineinblickt, kleine G�rten durchquert.

Er erf�hrt sicher vieles, wenn er sich so bek�mmert, er erz�hlt nichts,
bringt Blumen mit, empf�ngt allerlei Subjekte.

Im Osten sehen wir einen gro�en Kl�ngel immer am Meer, der seltsame Formen
annimmt. Trennen sich Teile davon ab, verlieren die andern nie die
Verbindung mit ihnen, die Figur der Ansammlung l�uft aus wie Tinte,
verzogen wie Rosagummi.

Oft schaue ich nach Norden. Nicht, als ob ich da etwas s�he. Es ist die
Richtung nur, in die ich mich wende. Ich liebe es nicht, wenn ich mich
dabei erwische, ich bin sehr verschlossen dann sicher im Gesicht.

Auch sehe ich gar nichts wie Netze und Sch�ren. An der gr�nen Wildheit der
Riffe aber, wenn mein Blick damit zusammenprallt, k�nnte ein Herz wohl
aufschrein. Ich glaube es bestimmt.

Mittwochs kamen die Schweden, h�rnerschlank, blondgescheitelt. Almqvist
besprach lange jedes Detail mit ihnen. Ich r�hrte mich nicht sonderlich bei
den Vorbereitungen, pr�fte die Klaviatur nur manchmal, ich hatte das Ganze
zu �berschauen, ich ma� meinen Puls nicht wie Sverker Ek, ich war wie immer
in den dr�ngenden Stunden der Gefahr fast unbeteiligt, als st�nde nicht ein
Ruhm ungekannter Gr��e und Bedeutung auf dem Spiel.

Ich sprach mit Almqvist lange �ber diese Frage, die endlose L�ge der
Geschichte, die uns idiotische F�hrer und geschickte Taktiker als Helden
ewig exerzierte, wo wir aus der Gegenwart im Einblick in alle Verh�ltnisse
dies Prisma von kleinster Menschlichkeit und Kohl und L�ge und d�mmster
Brutalit�t zu jeden Vergleichen an der Hand hatten und an den M�rtyrern und
Tapferen eigenwilligerer Ziele ganz anderes Heldentum beobachten konnten.

�Es ist Zeit, es ist Zeit,� sagte Almqvist, als er die Fernrohre vom
Hausdach richtete, �mit einem Stiersto� das Epaulettengenie aus der
Historie zu st�rzen und die Heiligenscheine steigen zu lassen.� Er lachte
h�hnisch, wir hatten am Ostufer den Bienenschwarm M�nner in den Gl�sern.
Wir kannten jeden einzelnen, die Beziehung jedes einzelnen zu irgend einer
Gesandtschaft und am�sierten uns �ber das Schachspiel, das sie miteinander
auff�hrten.

Um elf Uhr gingen die wei�en Hosen des Au�enministers vor�ber. In
Badekost�m und Tenniskleidern begann die B�rse. Alle heben die Nasen nach
seinen politischen Vapeurs, die nach seiner Entfernung bis zu seinem
Abendbummel, wie Rauchschwaden der U-Boote nach dem Tauchen, den ganzen Tag
geballt zur�ckbleiben. Die Spionagezentrale des Stockholmer Grand-Hotel,
die ihm hierher gefolgt ist, schwitzt, nachrichtgeil, vermanscht die
Atmosph�re zu Meldung, sie langweilen sich und spielen sich weiter die seit
zwei Jahren vorgespielte Rolle vor, der eine Davoser, der andere
staatenlos, der andere Neutraler, refrakt�r, krank, desertiert. Sie fluchen
auf den Au�enminister, da� er die Klippe als Bad nahm, sehnen sich nach den
Bars Stockholms, nach Royal, Hasselbacken, Rosenbad, nach Autos, Kokotten,
Telefonen.

Sie haben die Nordsee peinlich in den N�stern, es spielt sich schlechter
vor der wilden Kulisse. Sie kennen jeder einander genau, jeden Atemzug,
alle Vergangenheit, sie l�gen sich t�glich an und glauben sich t�glich neu,
sie sterben vor G�hnen dar�ber. H�tten sie wenigstens Frauen, es sind keine
Mond�nen da.

Die Schweden klatschen in die H�nde vor Vergn�gen, wenn das Spiel im Sand,
von uns vorhergesagt, nach den jeweiligen Berichten der Zeitungen,
mechanischer als ein Flohzirkus funktioniert.

Das Eigentliche vollzieht sich allerdings nur deutlich f�r den Kenner: wie
zwei sich bewegen oder beobachten, am Lauern, am Ansprechen. Oben in der
Wirklichkeit sind alles nur Ausl�nder, die sich sonnen. Alles elegante
Gentlemans, die baden und h�flich sind und die Formen der Welt
respektieren, im Kopf ein Nichts an Hirn, im Bauch Hunger und Trieb.

Unter dieser Oberfl�che geschieht das eigentliche Techtelmechtel:

Ein portugiesischer Gestus trifft einen wienerischen, sie feilschen
zusammen: Zigaretten am Balkan, Orangenladungen in Lissabon, die Finger
spreizen sich. Da sagt ein amerikanischer Mund, steif gezogen, H�fliches,
reicht ein Streichholz und ist verbindlich . . . w�hrend im Untergrund das
Herz anschreit: �Du Sau der tyska legatione . . . Amerikahund.� Beider
Augen messen sich: wieviel Ladungen Munition im Monat der eine Blick
. . . wieweit die Ern�hrungsfrage im Herbst der andere. In beiden
Brusttaschen Banknotenb�schel! Ein bulgarischer Kalk�l stellt einem
englischen ein Bein, lockt ihn in die Falle, bekommt steife Pr�gel, saust
heraus, blamiert . . . oben sind die K�pfe der beiden unber�hrt, der eine
�berschl�gt, da� er durch die Blamage tausend Pfund verloren, der andere,
wie er den abgeblitzten sich zu Diensten f�ngt.

Alle K�pfe haben einen Zug Gier nach Geld, das ist das Gemeinsame.

Eine t�rkische Stellung wird beim Zeitunglesen verschachert gegen eine
Nachricht vom Zentrum Lenins. Am Telegraphenamt sind alle bestochen.
Abschriften s�mtlicher Telegramme zirkulieren jeden Tag, alle Chiffern sind
bekannt, harmlose Telegramme sind die beliebtesten, da sie drei Deutungen
haben. Zwischendurch Poker, Bar . . . bac . . . ma tante . . . vingt et un
. . . die Karten fluschen.

Abends ist mancher pl�tzlich reich, nicht an der Roulette, das Spiel von
Ehrgeiz und Bedeutung geht �ber dem gesellschaftlichen. Da klotzen die
K�pfe brutaler, stierer sich ins Wei�e: Kanonenpr�zisionen, Abordnung von
F�hrern, ein auslaufendes Kriegsschiff, Flammenwerfermodelle, Atmosph�re
des E�drucks gehn als Tip.

Da sitzen die bluffigsten Karten. Zwei Jahre noch Kriegsgewi�heit (wie
stehn die Nerven dr�ben, Freund?) und Industrien schnellen g�ttlich hoch.
Zusammenbruch pleite, aber welche Chance bei Voraussicht. Eine
Offensivm�glichkeit wird einem schwarzblauen eleganten Conte abgekn�pft,
auf zehntausend Tote kalkuliert, Zur�ckschrecken, auf siebentausend falsch
frisiert, das zieht, in den Kabel gegeben, den Toten zu einer Mark, am
Abend als Gewi�heit weiterverkauft gegen Fettrationsnachweis,
Kupferl�sungstabellen, Salvarsanschmuggel.

�u�erlich schlenkern sie die Arme, schleichen sich gegenseitig unauff�llig
nach, w�nschen sich die Pest in den Schlund, l�cheln s��, duellieren sich
selten, innerlich lauern sie, sind angespannt, aufgezogen, Federn,
Pistolendr�cker, Minenexplodeure.

Am Abend gehen die wei�en Hosen des Au�enministers am Strand zur�ck. Die
Blutb�rse reguliert sich neu. Die Spionagezentrale sucht die
Telegrammzellen auf. �ber Lissabon, London, Berlin, Washington, Wien,
Paris, Mailand, Pest geht ein Nachrichtregen nieder. Sieben Armeen k�mpfen
weiter, Tag um Tag, gut informiert, aufs beste bedient. -- -- --

Wir scherzen, lachen, zeigen uns dies und jenes, der Tag ist hell, wird
immer weicher. Die Fernrohre kreuzen sich, sehen aus wie Maschinengewehre,
wir trainieren unser Handwerk, wir sind sehr vergn�gt, machen Skizzen und
Notizen. �Siebentausend Moslemin,� knirscht Ek ironisch. �Viva el Peru�
rufen wir und machen sie nach. Wir singen, weil es so sch�n ist: �Happy
day, ha--a--a--ppy day -- --. When Jesus washed my sins away.�

Lilljeqvist hat eine Segelm�tze auf der Glatze, wir sind in bester
Stimmung, unter Scherzen geht der Morgen hin. Ein heller Tag. Auf der
westlichen Klippe gehen wir ins Meer, zweihundert Meter weiter schie�t der
Halbbogen der Fjords wieder heraus, da gehen die Frauen ins Meer, kupfern
gew�lbte Schatten liegen vor einer Sch�re, der Wind hat nachgelassen,
traumhaft abgebogen stehen Segel vor dem sinkenden Kreis des Horizonts.

Almqvist hat die Unterredung durchbrochen, das Genie�ende und Sch�ne ist
aus seinem Gesicht verschwunden, er ist verzweifelt, er geht auf und ab,
die Frauen schauen her�ber, er wendet sich an uns alle, das Meer, die
atemblaue Seligkeit der Luft:

�Ha,� sagt Almqvist, �was Jaur�s, was P�tain, was das ganze Schachspiel
. . . Bagatellen f�r Affen. Die Erde ist in den �quator der Abrechnung
eingelaufen, was? Die Fahrt in das Dunkel hat begonnen, die Kugel knallt in
das Chaos. Ha . . . wie h�ngen die Dummen noch ungel�st an ihren
Bettw�rmern, ihren Seelenkitzeln, ihren Kompromissen. Der Bruch geht
verflucht durchs Ganze. Sch�ner Tag, Ek, s��e Bl�ue, Krassin!

Aus f�r uns.

Die Lichter sind ins Dunkle geflaggt. Ha . . . und keiner sieht in
verlogenen R�uschen von heute schon den Schlu�. Unerbittlichkeit, i . . .
i, Nachdenken Ek. Nichts wird hin�bergerettet. Die Weiber mit kostbaren
Dessous, die lachend vor Spiegeln stehen, von Steinen voll gepflegte H�nde,
Salbenhaut, die in Kissen feucht wird. Autofahren, sanfter Luxus, der
reizvoll die zarte Erdoberfl�che malt . . . betr�gt Euch nicht. Der
Zeitbulle rennt sich seit vier Jahren die H�rner ein, auch die Gazellen
werden damit verrecken m�ssen. Putzt die Lampen auf f�r andere Jagd. Ob die
Zeith�rner blasen oder Frauenbeine spielen, ersch�pft f�r diesmal die Frage
f�r das S�kulum. Im Katastrophenschacht der Sternbilder, in den wir
einfahren, ist der Ernst und die Grausamkeit verdammt en vogue.

Ha . . . s��er Tag, Ek, milchwei�e Silberr�nder in der Luft, man wird den
Sch�nheitszauber mit Keulen zerschlagen. Ob ich ihn geliebt? Wie habe ich
ihn genossen. Einmal wird Sch�nheit die zackige, rohe Erde erl�sen. Nichts
ist das aber vorderhand f�r uns.

Wir werden keine Freudelagerfeuer des Sommers an dunklen Julifjorden
entflammen. St�dte werden zum Osiris gefeuert und der Mond auf Leichenh�gel
geknallt. Schwelgerische Sternn�chte werden ohne Regatten rauschen, Ebenen
nicht mehr verz�cken, Meere nicht zu Begeisterung schlagen, Seen zu keinen
Frauenr�uschen treiben, dampfende Schneefelder unter flamingoner R�te nur
im Traum noch schweben . . . aufgespreizt dagegen, mit gu�eisernen Kolben
wird dem Zeitauge das Plasma ausgeschlagen. Tritt in den Brustkorb dem
schloddrigen Gerippe. Knackt die Schulterbl�tter der duftenden, innen
verwesten Kokotte. Ab mit dem Geschrei der greisen �ffin Europa. Die Erde
hat . . . hat ein elefantisches Toben angenommen.

�Nach uns erst, Ek, werden die Nymphen wieder steigen, wir sind leider bei
der Reinigung und der apokalyptischen Dusche.�

Er h�rt nicht auf zu lachen, seine eleganten H�nde pressen sich immer
wieder auf die Knie, der Oberk�rper sch�ttelt sich, er kann sich nicht
fassen. Er bekommt langsam sein Gesicht wieder, die Maske w�chst ihm vom
Kinn zu den Augen.

Ich sehe durch sein Lachen den Krampf, wie sein wundervolles Leben sich
abl�st von dem Leichten der Zeit, dem es anhing mit allen bei diesen Gaben
und solchen Fasern lebenden Gef�hlen. Ich f�hle den schicksalshaften Tenor
seines Blutes, etwas steigt, begreift in mir eine Sekunde das Ganze, dann
vergesse ich es wieder, sehe nur das Nahe, sp�re mich feig und kneifend,
aber hell und voll Ehrgeiz zusammen, ich kann es nicht �ndern, ich kann ja
nicht tauschen, ich h�re nichts als immer in jeder Sekunde durch den Granit
den Herzschlag des Meeres herauf mit einem einzigen Klang: Ebba.

Alles erf�llt es, alles begl�ckt.

Ich habe die B�cher nicht einmal gesandt, ich kann ihren Namen nicht nennen
beim H�ndler, ich kann ihn nicht aussprechen, es ist schon so fast zu viel.
Sie wird am Fenster stehn irgendwo, ich sehe es deutlich, sie wird am
Fenster stehen und warten. Keine, keine Verwirrung in diesem Haus.

Ich wende mich ab, ich wende mich von ihr, was soll ich mit diesen
Gedanken? Ich schelte mich feig, ich strenge mich an, Almqvist zu
erreichen, ich will seine Klarheit, ich winde mich darum, sie zu fassen,
aber, ach Gott, warum sehe ich immer die Frau da am Fenster?

Ich kann noch nicht. Ich bin noch nicht so weit.

Wir gehen �ber den Steinh�gel der Insel. Kanonendonner gespenstisch im
Kattegatt. Ein Fischerboot saust unter englischer Mine vor den Sch�ren in
die Luft. Die Bojen l�uten. Leuchtfeuer taumeln durch die mit wei�en
Sternen durchzischte Luft. Der Mittag wellt dunkler gegen das Moos, die
M�ven rennen tief nach dem Wasser zu.

Almqvist legt den Finger an den Mund.

Die Schweden schwenken ab, mit den H�nden deuten sie noch einmal nach
verschiedenen Stellen, beschreiben einen Bogen, verziehen den Mund, lachen,
entfernen sich, Steine nach V�geln werfend.

Ich liege auf dem Hausdach.

Mit dem sch�rfsten Rohr beschaue ich die Sammlung am Ostufer, dann
schleiche ich nach, ich komme hinter einem Felsen her, erwische den R�cken
einer alten Badekabine, deren Dach schr�g auff�hrt, ich dr�cke mich platt
an. Unter mir bewegt sich das Gekribbel, alle starren ins Land hinein.

Ich sehe Almqvist kommen, er schlenkert mit den Knien, bewegt die Schultern
l�ssig, den Mund gespitzt, der Panama schaukelt in seiner Hand.

Unter mir macht Boissant zwei Winke, in der allgemeinen Verwirrung
entfernen sich die T�rken mit dem Bulgaren. Boissant bleibt breitspurig
stehen, die H�nde in den Hosentaschen, die pomadisierten Haare in die Stirn
geb�rstet. Pl�tzlich, je n�her Almqvist kommt, begr��t er ihn zuerst mit
einigen Schritten auf ihn zu, und als die anderen nachdr�ngen, wird er
immer kleiner, unansehnlicher, das brutale Gesicht wird s�uerlich weich,
die verdellerte Stirn mit den schr�gen Augen versinkt in Falten und einen
weinerlichen Buckel, er benutzt die erste M�glichkeit, mit den beiden
Alliierten ganz allein zu sein, versucht aus dem Nadelkissen der
Spionenschw�rme herauszuglitschen, verschwindet nach der Klippe zu . . . .
geht in unsere Falle.

Ich bekomme Klopfen im Hals, seine Entfernung wird bemerkt, Blicke kreuzen
vieldeutig in der Richtung, der Wiener Beauftragte murmelt �ja schaugts�,
schon heben sich die Beine, manche springen auf.

Da nimmt Almqvist die Sekunde, gestaltete sie mit seiner Verf�hrerischkeit,
es erweckt keinen Trotz, mit dem ganzen Zauber seines Wesens zieht er
unwiderstehlich die Geliebte eines englischen Gesch�ftstr�gers gegen seine
H�fte:

�Frauen�, sagt er erstaunt. Sein R�cken lehnte gegen einen Strandkorb: �Sie
haben wenig Frauen, meine Herren�, sagt er spielerisch und zieht sie in
seinen Tonfall und ich zittere unter seinem Tonfall, weil ich darunter sein
anderes Gesicht immer erblicke. �Sie haben die kleinen Hasen mit Recht
vergessen, die kurzbeinigen, mit denen man spielt, die man nicht liebt.
Welch allers��estes Kompott von anderen Frauen k�nnten Sie auf der Klippe
servieren.�

�Dinieren Sie�, ruft mit steifem Blick der Engl�nder.

�Frauen�, sagt Almqvist. �Franz�sinnen, da geht eine Welle von der Gosse
bis zu den royalistischen Dessous. Ich diniere voll Vergn�gen. Gekr�mmter
Bizeps: man hat sie alle. Sapristi. Sch�nes Gefl�gel, doch man f�ngts nur
vom Blut aus. Nimmt man sie als Weib, vom Weibsenhaften her, hat man jede.
Dann k�nnen Sie vornehmen, was Sie wollen, und jede Acad�mie des Dames bei
jedem Essen mit ihnen vollf�hren. Die Wege sind egal, solang sie so
erfochten werden. Verlieren Sie die Luftschicht, arbeiten Sie mit Gedanken
und Tricks, ist es aus. Narren glauben nur, Liebe sei nicht Talent, weil
Frauen manchmal auf Idioten reagieren. Verh�ngnisvoller Irrtum, die Idioten
waren einfach die Begabteren. W��ten die Schreiber sehr erlauchter B�cher,
die oft mit unm�glichen Weibern leben, wieviel tr�chtige Instinkte es
bedarf, welche Wollustbarometer, welches Training und welche Disziplin, wie
man f�hren, folgen, verlocken, zur�ckbleiben, lange z�gern mu�, dabei immer
in Sieden�he der Seelenatmosph�re der Frau, wie man vorsto�en, mit Ma�
�berw�ltigen, g�ttlich disponieren mu� . . . . . . um nur das anonyme
Stra�enm�dchen Chichette, die kleine B�rgerstochter Anna zu verf�hren
. . ha . . . . . . . diese Schreiber, deren ich das gr��te Am�sement bei
ihren B�chern habe, stiegen von ihrem Hochmut sehr rasch zu den
Sansculotten und f�hlten sich den dem Blute viel n�heren Abenteurern
wahrhaft gegen�ber als Nichts und Null. Franz�sinnen. Ich diniere als Hors
d'oevre, Dessert und Entremet. Diese Frau ist ein Meer, der begabte Mann
kann sich Legion der Vielfalt aus ihnen machen, ein gutes Material des
Weiblichen, wo aus der Stimmung der Sekunde das Entsprechende grilliert
wird. Doch man mu� gestalterische Phantasie und viel Einflu� haben, Rezepte
aus dem Augenblick saugen und die So�en genial verr�hren k�nnen. Der
Unbegabte nur, meine Herren, geht an die Frau wie an ein Schiff, liest den
Namen, betritt es, und es ist ihm gleich, oder er nimmt es f�r seinen
Verdienst zufrieden, hei�t es nun Lutetia 4, ist's Demut, ist's Gl�ckliche
Meerfahrt. Beschr�nktheit und Trottelei. Casanova beherrschte als letzter
Souver�n das weibliche Alphabet, gab seinen Frauen den Namen, den er
beliebte und den Charakter, den er vorzog. Er verstand auch, was aus der
Franz�sin leicht, bei anderen sehr schwer, aus H�llen von Schmutz und
Silberfuchspelzen, aus Palais und Hafen und Kulisse, Gesellschaft und Gosse
jenes Blasse, ein wenig St�hnende herauszuholen, immer wohl das Gleiche,
aber jedes anders �berspielt, anders gestaltet: das Weibliche, la femmelle,
was man l�chelnd, aber nie ohne zu erbleichen, auf dem Grunde des
Frauenhaften suchte.�

Er hat den Blick fest in dem des Engl�nders.

�Dinieren Sie,� sagte der Engl�nder mit steifem Blick.

�Ich diniere voll Vergn�gen�, sagt Almqvist. �Ich ziehe es vor,
Norwegerinnen mir zu dispensieren, schlimme Kn�chel. D�ninnen Austern,
feine H�ften, keine gro�e Sache, oft grau im Teint, Salzwasser, man mu�
Zitrone hinzutun. Schwedinnen haben Rasse und Charme wie die Franz�sinnen,
sie kommen ihnen am n�chsten, sind sogar besser gepflegt, nicht mit Puder
und Rotstift, sondern von Gymnastik, mit ganz famosen Beinen und
Aprikosenteint. Es geht nur ein paar Jahre, dann erkaltet ihr Arom.
Immerhin werden sie komplizierter, weil sie ohne die franz�sischen
Retuschen, Parf�me und Toilettek�nste arbeiten. Denn ihr
Falschheitsattribut ist also mehr im Inneren, sozusagen Seele, w�hrend bei
den Weibern der Boulevards und Impasse, ungreifbar jedoch zu dressieren,
auf Busenwarze, Fu�zehe, Bauchlinie das Seelenhafte sich herrlich
vollzieht. Der Liebhaber und Amateur kann der Skandinavin daher nicht in
Reinkultur der prallen M�nnlichkeit kommen, es braucht etwas Hirn, ein
wenig Intellekt. Schon braucht es grobe Mittel, dem Amateur wahrlich
Ver�chtliches: Logik, Strafe, Z�chtigung. W��ten die Frauen, die, statt
gro� und frei sich zu geben, dumme Seelenkulissen dazwischen bauen, wie der
seelenvolle Mann gleich Mondschein ihre pr�den Bewegungen widerlich findet,
sie kaprizierten sich weniger auf �Werben�, �Sicherringenlassen�, auf
Seelenpflaumen als �berraschendes Zwischengericht und Intellektkrebse
zwischen Salat und Huhn. W�hrend sie glauben, raffiniert zu sein, machen
sie nur abscheuliche Rezepte, r�hren Ei und �l und Prei�elbeeren an einen
und denselben Fisch. Das fabelhafteste Menu ist das nat�rlichste, ohne
Hemmungen, aber mit der Lust am Speisen. Seele kommt dann von selbst nicht
als Eis, aber als Atmosph�re, denn wo w�re Seele nicht, wo Harmonie sich
l�st. Rutscht der Frau unseres Jahrhunderts und unserer irrsinnigen
Erziehung, meine Herren, die Welt ins Hirn, so k�nnen nur Dressuren sie
sanft machen zu Beefsteaks der Liebe. Ich kenne die europ�ischen K�chen
allesamt, die Art des Klopfens ist �berall dieselbe, (lediglich die Nomaden
Ungarns belieben Fleisch manchmal noch unter den Sattel zu legen). Man
treibt das Hirn ihnen so aus, sie erkennen unter Schmerzen das
Sch�pferische des Mannes, werden seltsam anschmiegbar f�r ein paar Stunden.
In Esprit sich und die Liebe verwickelnd, sind sie von Stimme und Geb�rden
Hy�nen, aber mit welcher Grazie spielt nach der Prozedur des Dressierens
man mit s��en Katzen. Dabei sind die Intellektuellen ohne jede von ihnen so
erstrebte D�monie, sie sind nur komisch, meistens b�s, nie gef�hrlich. Dazu
sind sie zu dumm, weil ihr ganzer Apparat ja m�nnliche Kopie ist, ihr
Bestreben m�nnlichen Geist mit maskulinen Mitteln zu imitieren, und sie
dabei die typische m�nnliche Dummheit gegen die verstrickendere ihrer
reinen Weiblichkeit eintauschen. Arme Dinger, sie w�rden nie Schnaps
trinken und Pfeifen rauchen, weil die M�nner in Scharen Wettlauf von ihnen
weg beg�nnen, aber in den Regionen des sogenannten Geistes sind sie
instinktlos wie kein Tier. Was Sie dumme Ziege nennen, kann mir Kosmos und
Schicksal sein, Bestimmung und Verh�ngnis, kann in manchen Momenten mich um
den Finger wickeln, wie einen Wurm. Ich fliehe, weil ich gebildet bin und
Frauenn�he brauche, geistvolle Frauen. Die Dame mit Literatur verr�uchert,
Kunst weich kauend, geht trotz bestem Magen auf die Darmnerven, macht
totkrank bei halbst�ndigem Tee. Mit einem Barm�dchen Lilly fuhr ich bis
Kairo. Daher sind die Asiaten und Afrikaner so herrlich. Haben Sie schon
einmal mit Abessinierinnen gefr�hst�ckt, Palaum�dchen zwischen den Wellen
der Brandung nachts Melonen essen sehen? Das ist pikanteste K�che: Milch,
Honig, Traube und Kokos und Ziegenlende. Haben Sie Negerinnen auf G�ulen
durchs Gras reiten sehen, das sind die sch�nsten Frauen, gelehrig wie
Papageien fahren schnatternd den Flu� mit einem herunter, w�hrend im Wald
es schreit und dr�hnt. Auch ist ihr Odeur extravagant, wenn man nicht den
Schlag von Kapstadt nimmt, der ist Bruch. Aber nicht jeder vertr�gt diese
Atmosph�re, man ist bei uns zu festgelegt auf gebadetes Fleisch, statt das
Wechselspiel von Haut und Luft zu bewundern. Doch mu� ich eine Warnung
hinzuf�gen, sich nicht zu sehr der Biskuitsch�nheit der Javanerinnen
hinzugeben, deren Talmianmut verderbter europ�ischer Grazie nahekommt.
Beine und Br�ste sind lange nicht so gut wie bei Schwarzen. Das andere ist
Bluff. Sie drehen gro�e Augen auf, das ist alles. Man stirbt vor Langeweile
oder wird Buddhist. Die Spanierinnen sind von �hnlichem Filet, man kann
sich mehr Vollendetes auch in den seltsamsten K�hnheitsstunden der
Phantasie schwer denken, die Caballeros stehen an den Gittern und erregen
sich an den Damen hinter dem Fenster, sodann z�nden sie Zigaretten an und
gehen ins Bordell. Haben sie endlich eine Dame durch Heirat, sind sie nach
zwei Monaten wieder dort. Mondaugen und ideale B�ste, braune Marmorschenkel
und s��e H�ftlinien gen�gen doch nicht ganz, wenn das Blut stickig
geworden. Wo ist in Europa sonst noch ein Typ? Russinnen verstehe ich
nicht, davon rede ich nicht, hier gar nicht. Italien weich und s�chtig wie
Gelee und dunkle Marmelade. Am Balkan Gehetz. Die Cuisinen duften Paprika,
Knobloch und gr�nen Pfeffer. Sonst wie mit Hunden gebalgt ist alles,
Bei�en, ein Kn�uel, man l�uft auseinander, schimpft. Sch�ne Spielerei und
immer Get�s, man wendet sich bald ab, zieht Fu�ballspiel und Hockey vor,
welcher Sport auch reinlicher erh�lt das Gem�t.�

�Dinieren Sie,� sagte der Engl�nder mit geh�rtetem Stimmuskel. Er sa� zum
Sprung. Almqvist hatte seinen Blick in dem seinen wie in einer Fessel. Er
zog das eine Auge herunter. Wie furchtbar spielt er die Kom�die!

�Nur die deutschen Aristokratinnen sind appetissant. Da ist Zucht, zwar
geistlos, aber heftig in Rasse, schmale H�ften, Tennisbeine, d�nn und z�h,
ovale K�pfe. Etwas vom elegantesten Tier, der Giraffe, und einiges von
d�nnem Stahl. Soviel Federndes ist darin, da� man sehr hohe Ereignisse mit
ihnen erreicht, da� man bis an die Mondh�gel und die Milchstra�e schwebt,
verz�ckt. Doch das ist Z�chtung, man erreicht es nur im auserw�hlten Fall,
meine Herren, das Landl�ufige schl�gt Sie mit Entsetzen, ein Schreck
zwischen Sentimentalit�t und zu kurzen dicken Beinen. Der Schick geht nicht
bis auf die Dessous, wo er erst beginnen sollte. Ein fatales Souper an der
Spree, ein nur durch s�dlichen Himmel gemildertes in M�nchen. Nur
D�sseldorf oder Mainz sind geprickelt, dort mischt sichs mit Niersteiner,
franz�sischen Rotis und Rheinwind. Die anderen verstehen die So�en nicht zu
pr�parieren, es klebt aus Wasser und Schmalz und Mehl. Sie wissen nicht
aufzuduften herrlich zugleich nach Apfelblust, Meer, Houbigant, Kirsche,
Roquefort, Chablis. Sie haben nicht Reizsinn, das macht, da� die pikanten
Entremets fehlen. Das Souper ist ohne W�rze. International leider als
Kapitalanlage verwandt. Da von Genu� nicht die Rede mehr ist, geht bei der
Dirne daher schon der Zynismus um, daher ist diese Atmosph�re auch jedem,
selbst �belsten Ansinnen offen. Dies Essen allein verl��t jeder ohne Dank,
ohne Erinnerungshauch, der k�stlich noch nachschwebt aus der Morgenr�te,
dem samtnen Gestammel, kalt wird es verlassen, was selbst den Japanerinnen,
die qu�len, nicht passiert. Auf dem D�ngerhaufen der Welt modert dies
�berbleibsel, getreten in London, in Bordellen S�dfrankreichs, roh, heiser,
in den Anlagen Buenos Aires, auf den Boulevards. Hin und wieder steigert
das M�tterliche hingegen sich zu G�te und Brille. Man steht erschrocken vor
Sympathien, die einem unertr�glich sind. Auch gibt's spielerische Abarten,
Blutmischung von Polen, Prag, Elsa�. Da liegen Kegel Luftschicht fl�sternd
um die Leiber, was wichtiger wie Frou Frou, Pelz und Seide. Da geht ein
Kampf immer mit Stummheiten, Abwehr, Hieb und Einsinken zwischen W�nschen,
M�nnerblicken und dem Weib, Lustf�cherspiel aus Luft. Besonders aus dem
�sterreichischen her, Genies der Haut, Hasen, an denen die Lust sich reibt,
riechen wie Klee, schnuppern. Schwierig, die mit Seele, man will sie nicht,
aber sie m�chten auf diesem Umweg bezwungen sein, man hat ein Lazo um den
Hals, ich wage nicht, Sie mit den tollen Einzelheiten der Flucht hiervor zu
langweilen, Sie ziehen eindeutigere Einzelheiten vor. Man speist nicht
Strau�eneier, weil sie selten, sondern man speist Kibitzeier, weil sie
selten und dazu sehr gut�.

�Dinieren Sie,� sagte der Engl�nder.

�Asiatische W�rze in europ�ischer Flaconnierung, ich setze mich gern zur
Tafel�, er zog die Engl�nderin her�ber, spielte mit ihrem Haar und �bersah
den Rufer. �Hei�t das Essen Adler, hat das Exemplar leicht kurze Beine, ist
j�disch, wird dick. Da hat sich Vorderasien schon ganz an das b�rgerliche
Europa angeschlossen, aufgegangene Kaprizen in Sackfett bourgeoiser Ideale.
Hei�t's aber etwa Guzman, kommt es aus Spanien �ber Saloniki, ist schmal,
hat kein Ghetto gehabt, z�h, geistig und voll Charme. Vielleicht das
H�chste, was es gibt: Hirn plus Blut. Aber in der hinrei�endsten Grazie
serviert. Internationale Aristokratie. Ihrer Tradition Chefs waren, als
unsere Vorfahren in Pelz und Barett noch schwitzten, gepflegte, untadelige
Gelehrte und K�nstler in Katalonien. Serviert man Frauenkompott, darf die
herrlichste Jerichospeise nicht fehlen. Man wird immer wieder zu den
J�dinnen zur�ckkehren, zu dem Hafen, den Intellektuellen der Freude.
Erotische der Ideen, Gl�hende nach Ziel und Triumph. Dasselbe, was
Anarchistinnen treibt, ist ihre Umstrickung. Dazu sind sie einf�ltig, fast
primitiv, im intimsten Moment. Lasterhaftes und Wille, sich f�r einen t�ten
zu lassen, Adel und Ausschweifung, K�nigin und Dirnengeschw�tz,
dolchscharfes Hirn und Akkumulator der Gasseninstinkte -- -- das flie�t
fabelhaft ineinander, man vergi�t diese Frauen nicht. Sie sind wenig
entdeckt, man degoutiert ihre M�nner und sieht sie nicht. Wer sie aber
erfahren hat, l��t nicht die Lieblingsmarke. Sie halten einen nicht. Ihr
Trieb ist, Freiheit geben �berallhin und dadurch erst recht zu fesseln. Man
schl�gt das Auto, etwas betrunken, mit ihr v�llig in Fetzen, im Abfahren
ruft sie �S�ufer, du Protz�, man steht eine halbe Stunde auf der Stra�e,
beschlie�t, irgendwie anders nun von dieser Nacht ab zu leben, geht zu ihr,
sagt ihr's, und findet keinen Zug, keine Falte, die den Triumph bei ihr
anzeigt. Es soll sogar, so vielf�ltig ist der Typ geschichtet, chinesische
und negerische J�dinnen geben. Man hat die Auswahl: runde, ovale,
Suahelik�pfe, Schlitzaugen, mandelgebogene, abbessinische Formung,
�berwei�e Arme und sehr dunkle Haut, es ist von den klassischen Ragouts bis
zu den bourbonischen Chateaubriands jede N�ance vertreten. Asien wird uns
als Mission in die Adern getragen, Steppen, Jahrhunderte Gold des Jericho
und Euphrat, Schmutz und Begeisterung und Landstra�e und Silberhimmel sind
in ihrer Neigung zusammen, es bet�ubt und man ist immer wieder da zu Hause.
Hier ist das intimste Diner gerichtet, man langweilt sich nicht mit den
Suppen, man will endlich einmal �ber die Hors d'oevres hinaus, zu Forelle
und Fleisch. Sei es auch � la tatare. Auch wird man Paprika, portugiesische
Sardellen, Anchovis als W�rze, persische Pflaumen, Pfirsich und Br�sseler
Trauben als Fr�chte dazu haben. Man f�hrt auf solchen Gedanken wie auf
�roplanen durch den Ozean von Rausch und Erregung. Ein ungemeines Potpourri
von Erlesenheit der Speise ist zu den Kompotten geschichtet. Wer nach
Blutstromwanderung, nach Sehnsuchtsfjorden aus ist, hat hier die
wundervolle Yacht. Auf welcher Regatta es sei, f�hrt der Liebhaber die
pal�stinensische G�ttin, gro�h�ftig und braun, am Fock.�

�Dinieren Sie. Dinieren Sie,� schrie der Engl�nder.

Da zog Almqvist die Frau auf das Knie: �Ich verga� die Gem�se Ihrer Insel,
ich bin bestrebt, ihre Lendenst�cke nicht au�er acht zu lassen.�

Der K�rper des Engl�nders scho� an ihm vorbei, Almqvist hatte die Frau mit
dem rechten Arm an sich gezogen, hochgehoben, war dem Springenden
ausgewichen.

In der D�mmerung lief er drei S�tze.

Jagte auf der Galerie des Landungsstegs als Schatten. Eine kleine
Segelyacht kreuzte gegen den Wind, legte sich leew�rts an das Gel�nder, sie
sprangen beide hinein.

Der Abendwind ri� mit einer schaumigen Brise das Boot ins Graue. Am
Gel�nder fiel der Engl�nder stumm um, h�mmerte die Faust auf das Knie, tac
. . tac. Ich sah ihn noch aufstehn, wanken vor Wut, dann schlich ich in der
Verwirrung der anderen zur�ck.

Hinter dem Fels begann ich zu laufen. In dem Spielzeuggarten war eine
Jasminwolke aufgebrochen, Kometenst�cke fielen dauernd �ber die
Granitfelsen der Ostseite tief in die weich flutenden Fjorde. Ich sa�
stundenlang am Fenster, wartete, sah m�hlich die Nacht �ber den Silberglanz
hingehen, die D�fte immer st�rker auf der schweigenden Insel nach oben sich
w�lben, die Uhren fielen schwer und flaumig in die dichte Stille.

Um zwei Uhr kam Krassin.

Um zehn hatten sie den endlich ungest�rten Boissant nach seiner Unterredung
mit den t�rkischen und bulgarischen Subjekten abgefangen, bet�ubt, in einen
hollunderzerwachsenen Felshafen getragen, in die kleine Segelyacht gesetzt.
Krassin blieb zur�ck, �ffnete, kopierte die Abmachung, lie� die Kopie
zur�ck auf dem Holztisch Boissants, genau so verfertigt, gesiegelt,
unterschrieben, wie das Original.

Er gab mir das Original, verschwand lautlos. Ich ging mit ihm hin�ber, las
es, ging zu Bett, schlief ein.

Die Schweden kreuzten inzwischen mit Boissant bis zum Morgen zwischen der
K�ste und der Insel, er hatte sogar die M�glichkeit, sich mit der
Engl�nderin zu unterhalten, �Englishman?� frug sie mi�trauisch, die Hand in
Almqvists Genick.

�Allright.�

Sie setzte sich etwas h�her, weil sie schr�g lagen, sah ihm ins Gesicht.
�By Jove,� sie erschrak zu Tode �ber das Affengesicht.

�Hallo cap, hallo cap,� murmelte der Franzose und stierte ins Wasser.
Morgens setzten sie ihn lachend ans Land. Davidson erz�hlte ihm, als es
ganz hell ward, man habe ihn mit Krassin verwechselt und bat um
Entschuldigung, indem sie ihn tats�chlich wider Willen beim Wenden am Land
noch durch eine Ruderwelle bespritzten.

Um elf morgens kam Krassin. Almqvist war in Gefahr, der Text der
Konventionskopie, die Krassin hergestellt, war als F�lschung stark schon in
Verdacht, alles stellte sich im Arrangement nat�rlich auf Almqvist.

Ich suchte ihn, irrte mich im Zimmer, trat in ein falsches, da schliefen,
von der Sonne beleuchtet, tiefatmend zwei nackte Menschen. Almqvists T�r
war verschlossen. Ich klopfte, er antwortete nicht, schlief noch. Ich ging
zur�ck.

Ich k�mpfte den ganzen Vormittag. Ich nahm das Papier, sah es an, legte es
wieder beiseite. Das Papier war von einer Bedeutung, die weit �ber meine
Verantwortung als Mensch hinausging. Wie hatte ich danach gehetzt und
gejagt.

Eine Abschrift war f�r den mi�trauischen Ludendorff nur Gel�chter. Das
Original hatte Beweiskraft. Zeigte, wie die Au�enposten seiner Politik im
Wind lagen, Konstantinopel nach der Trikolore lauerte, bulgarische Ohren
nach London sich spitzten. Ich hatte f�r das Schicksal der Monate das
wichtigste Papier, hielt es in der Hand.

Was war Almqvist dagegen? Das Papier brannte in mein Blut sich ein.
Schicksale, Menschen, Entscheidungen w�lbten sich aus ihm heraus, das
Papier ging in die Zukunft. Mein Ehrgeiz �ffnete die Akte der folgenden
Wochen. Meine Handlung!

Ich schwieg, stellte mich vor den Spiegel. Wie k�hl, entschlossen bin ich.
Ich schwanke nicht, als es sich regt im Zimmer neben mir. Die Bedeutung des
Momentes schneidet alles ab, es geht weit �ber die R�cksicht auf einen
Menschen.

Ich opfere Almqvist. Ich kann ihm das Papier nicht geben. So geht der Weg.
Ich lege die Lippen aufeinander. Ich bin am Schlu�.

Gegen Mittag sah ich pl�tzlich deutlich, da� ich nur von mir aus empfand
und beschlo�. Die Einstellung war zu klein. Ich sch�mte mich trotz dem
Stolz, der mich f�llte. Ich fand mich h��lich, wenig unterschieden von den
Schweinen der Spionagezentrale.

Dennoch lag meine Hand sicher und freudig auf dem Blatt Papier. Triumph.

Ich �berlegte dann: wenn die Heeresleitung nicht glauben wollte, oder aus
Schicksalszug nicht glauben sollte, half dann das Original, war dann nicht
hinf�llig, klein und d�nn der Streit zwischen Papier und Papier? Der
Zweifel fra� mich an, ich hielt ihm lange stand, er warf mich auch nicht
um.

Aber ich verstand mit einem Male, da� gegen alle meine Klugheit und
Entschlossenheit M�chte aufschossen, die eine andere tragische Macht als
die helle Sicherheit meiner kleinen Pl�ne beherrschte, und wie weggeblasen
und ausgespien diese oder jene Wendung mich machen konnte.

Ich sah aus dem Fenster. Stundenlang.

Dann ging ich hin�ber, Almqvist das Original zu bringen.

Er war nicht mehr da.

Ich fahre nach Stockholm. �ber mir schl�ft ein wei�haariger Priester. Ich
habe die Hand auf dem Brief auf meiner Brust. Am Bahnhof steht Siv. Wolken
steigen wie Ballone rund und dick und porzellanen �ber den M�lar und das
k�nigliche Schlo�. Der Gesandte f�hrt mit dem Finger �ber die Tinte des
Schreibens und trommelt am�siert �ber die entz�ckend zugezogene Falle an
seinen verb�ndeten Kollegen auf dem gro�en Karo seiner Hose, das das Knie
bedeckt. Er hat den wichtigsten Trumpf, Rechtfertigung seiner in Berlin
geschm�hten Politik in der Hand. Seine rasche Zunge hat ein gesalbtes �l,
in dem sein scharfer Vorsto� seltsam glitzert.

Wir speisen gut. Ist der schwedische Diener mit den dicken H�nden und den
Zwirnhandschuhen, der serviert, drau�en, klopft er mir jedesmal auf den
Arm, auch wenn er anders spricht. Ich sage: �Ich trinke auf Ihr Wohl, Herr
Minister, ich trinke gerne auf Ihr Wohl.� Die Gl�ser sto�en an. Er macht
mit Finger und Sprache das Parkett in Kreuznach, wenn der Brief �bergeben
ist, wir l�cheln. Noch vor dem Dessert pr�sentiert sich der beste Kurier,
er f�hrt sofort nach Deutschland. Im selben Zug sitzt eine Frau, die hat
den Brief.

Exzellenz erz�hlt, wie die alte King verwechselt abends, da� er von Pyjamas
sprach und Bananen versteht und das die unanst�ndigsten Folgen in der
Geschichte hat, zerlegt die N�ancen wie den Apfel, springt begeistert nach
Mokka und Schn�psen zum Rauchzimmer hinauf. Er schenkt mir sein
franz�sisches Buch �ber innere Politik in rotem Leder.

Ich habe es dreimal.

Ich schlafe den Mittag, sitze den Abend mit Siv im Grand-Hotel. Ich sitze
am gleichen Tisch, am selben heruntergelassenen Fenster wie das letztemal.
Der Geierschrei der Fjordbahnen pufft wie damals durch die Luft.

Es ist eine unheimliche Ruhe in mir. Weiter wei� ich nichts. Bis zur
Be�ngstigung ist alles klar gezeichnet, still und gut. Ich bin bereit, mich
�ber alles zu freuen. Vielleicht gef�llt mir die Gegenwart so sehr, weil
ich so wenig in ihr bin.

Ich freue mich, wenn Siv kokett die Spitze ihres Schuhs unter dem Tisch
meine Wade hinauff�hrt. Ich nehme herzlich auf, wie sch�n ihr herrliches
pomadisiertes Haar im halben Bogen tief die Stirne ausschneidet. Ich f�ge
ihr den Stolz an, zu err�ten, indem ich frage, ob ein Mann ihr Bein
bewundert, w�hrend ich weg war, irgendeiner tags oder abends. Ich weiche
der Gabel aus, die sie nach meinem Handgelenk sticht. �Willst du Rolf sehen
im Variet�, Naima Wifstrand, die Katze, die Hasselqvist tanzen, die Bosse
schreien, Musik, Siv, ich br�chte dich gern zu Musik, du mu�t mir das
glauben, Siv, wie gerne ginge ich mit dir zu Musik.� Ich will ihr Gutes
sagen, ich verwechsle alles, ich sage das Gegenteil ihr immer von dem, was
auf sie pa�t.

Ich sage ihr pl�tzlich und nun kann ich wieder lachen, da� es ihr gef�llt,
nun sage ich ihr l�chelnd, da� wir vor Hof�s mit �ronautischen Karten
gesegelt sind und alle Klippen getauft haben, eine so, diese anders, eine
aber, ich sage es ganz ernst, eine wie der Bauch einer Stute, die springt,
einer wei�en Stute, versteht sich, eine: Siv.

Ich f�ge hinzu, ich kann es ruhig ihr sagen, ich f�ge hinzu, in den
Kniekehlen habe ich gezittert nach ihr beim Baden, denn wer ist sch�ner wie
Siv?

Ihre Augen flattern vor blauer Nacht.

Ich f�ge sofort hinzu, ich kann es ruhig tun, ich spreche nicht die
Unwahrheit: �Nein, ich sah keine sonst, nein, keine Frau habe ich gesehen,
Siv . . . inte . . . inte . . . .�

Wir sitzen lange am Fenster meines Zimmers oben. Wir wohnen im dritten
Stock. Siv ist halb entkleidet, in sch�nen plissierten Hosen und d�nnem
Leibchen sitzt sie auf dem Fensterbrett und streckt die Beine nach der
Stra�e hinaus. Es ist gar nicht dunkel, wir h�ren das weiche, flutende
Wasser.

Manchmal erz�hle ich Siv. Dann sage ich manchmal: �Mittags sprach Per Geyer
vom Schnee im Lappland, Didring schenkte mir ein Messer von seiner
Expedition. In Saltsj�baden die bronzene T�r m��test du sehen, Siv, die
Heiligen sind verr�ckt geworden darauf, du w�rdest lachen. Im Schlafwagen
fuhr ein Engl�nder mit mir, ein alter Herr mit guter W�sche. Wir waren
beide aufeinander auf der Lauer. Doch eine Frau traf ich, Siv. In S�r�. Ich
wei� ihren Vornamen nicht. Ja. Die einzige Frau, die ich traf. Deine Haare
riechen, Siv.�

Ich schlie�e die Jalousie.

Mir ist, ich tr�ge die fremde und stille Welt, die ich in mir sp�re,
irgendwie �ber diese Nacht in mich hinein, als ich Siv hin�berhebe in die
wei�en, d�mmernden Kissen. Die Nacht ist lang und zwielichtig. Ich sehe
alles vor�berrauschen, Tage und Wochen und Erinnerungen.

Ich bin nicht undankbar in meinem Blut. Ich stehe auf. Ihre gro�en Beine
gl�nzen. Sterne �berall �ber Stockholm. Unaufh�rlicher M�venschrei auch die
Nacht. Ich ziehe den orangenen Schild der Jalousie auf. H�re
Kungstr�dg�rden brausen.

Ich schlie�e die Augen: Ist M�laren nicht blau, Himmel nicht ersch�ttert
von noch s��erer Bl�ue, ist nicht Fanfare das L�uten vom Turm des
S�dermalm? Ihre Haare sind wei�blond, wie habe ich sie umarmt, Siv. Wie
tr�gt mein K�rper noch auf Jahre das Gl�ck des ihren beruhigt im Blut. Auch
dies verliert man nicht.

Ich wende den Kopf, ich lege ihn schief und fast bis zum Boden, da� ich
ihren Kopf noch einmal sehe, die Wimpern, da� ich sie noch einmal ganz
sehe, wie sie daliegt auf der Decke, Tochter im Namen Tors, so sch�n
gestaltet der Leib, da� der Schlag meiner Sehnsucht sie umwarf. Ich bewege
mich lange vor ihr, ich kann mich schwer davon trennen, sie anzusehen.

Es ist Unsinn, ich habe dumm getr�umt, da� sie an Werktagen Schuhe verkauft
in der Nordisca Companiet, es ist eine Farce, eine L�ge gewesen, die ich
betrieb, ein affenhafter Witz. Ihr Vater ist Staatsrat. O wie sie in
Humleg�rden mir zum erstenmal winkte aus dem Break, ein gelber Handschuh
mit schwarzen Schn�ren. Ich wei� es genau noch, ich bel�ge mich sicher
nicht mit diesem Bilde, ein gelber Handschuh, Siv, ich trenne mich schwer
von deinem Anblick.

�Ich liebe Ebba, Siv,� sage ich pl�tzlich, �ich sage es nur, wenn du
schl�fst. Ich w�rde dich nie verlassen, Siv, nie ein Unrecht tun im
Gedanken an dich. Du begl�ckst mich.

Jene ist Pein.

Ich wei�, Siv, ich besa� dich nie ganz, meine Freundin, auch in der
tiefsten Umschlingung . . . wie keine Frau, die ich sehr geliebt, und bei
denen das Unentwirrbare mich anzog und verstrickte. Darum liebe ich das
Dasein, es gibt mir keine Grenze: St�dte mit Wolken, Schiffe in Gefahr,
Hauch der Obstb�ume, die langen Chausseen, Jagd nach den Tieren, die
unteilbare Wucht des ersch�tterten Himmels. Was willst du mehr, ich bin
voll Sorge und Liebe f�r dich, Siv . . . lebe, Siv, da� Geliebtes dir fremd
bleibt, du lebst dann gut . . .

Aber Ebba, Siv, ich sage es, wenn du schl�fst nur, das ruft in der Nacht.
Das pre�t die H�nde vor Zorn, das bringt zur Verzweiflung, man ringt
lautlos die H�nde. Das rei�t tiefer hinab zu den Quellen des Bluts als dein
leiser Aufschrei, dein dunkles Erstarren im jagenden Herzschlag. Ich habe
sie nicht einmal umarmt. Nicht einmal dies Geringe.

Du bist sch�ner wie Ebba, Siv, ich gab dir mehr Beweise der Liebe wie
vielen. Ich rede nicht laut von der Stimme, die kommt, die fordert. Aber
sie kommt, Siv, sie kommt aus jedem Ger�usch; dein Atem bringt sie, das
Auto, das auf Engelbrechtsgatan st�hnt, der Mond, der Stockholm �berfliegt,
das silberne Tuten des Fischerhorns nahe Norrstr�m . . . deine Haut selbst,
die atmet -- -- -- alles, besinnungslos dasselbe.

Schlafe weiter, Siv, h�re nicht mein Aufstehn. Dank, Siv.�

Ich rede noch auf der Treppe, ich w�rde tagelang reden, wenn Siv so lange
schliefe. Aber ich kann ihre wachen Augen nicht sehen. Ich habe sie zu sehr
gehabt. Ich habe sie zu sehr gehabt, Siv.

Schon bin ich Stunden entfernt. �sterg�tland . . . Sm�land mit W�ldern
. . . Sk�ne voll Wasserduft und Wiesen. Immer noch Siv. Ob sie lasterhaft
war einmal, in Kaschemmen mit Matrosen geschlafen, Schuhe verkaufte oder
als Ministerstochter auf rosanen R�dern durch die Parks gefahren, wie ist
das eine so gleichg�ltig als das andere, aber wie ist alles gesammelt in
einen Hauch, kaum Wort, kaum Bild, aber r�hrend und vollendet weggewandelt
aus dem hellen Leib mit der stolzen Bewegung und unergr�ndlicher
Herrlichkeit und aus ihrer geheimnisvollen Bl�sse schon unbedingter dann
hin�bergewandelt und zum Bild dieser Stadt verwoben, verf�hrerisch und bis
zur letzten Sekunde im Griff lautloser Sehnsucht, spielerisch am Meer jene
unergr�ndlichen Pas tanzend, die unverge�lich bet�uben.

Ich steige in Lund aus, es ist Nacht. Die Stra�en voll betrunkener
Studenten. Ich dr�cke im Hotelzimmer gegen die Seitent�r, sechs Koffer
fallen um, ich lerne den kaukasischen Baron Uxkull kennen, der aus dem Bett
springt, er hat einen Kopf, poliert und oval wie ein Strau�enei, die
kleinen �berlegenen Elefantenaugen unter der bedeutenden Stirn. Sein
esthnischer Diener macht Tee, wir trinken ihn mit Himbeer.

Mir ist, als schwebe alles zart und gef�gig wie in einem gl�sernen
Kugelbauch, die ganze Welt. Ich bem�he mich lange, mich zu entschuldigen um
die St�rung, um das Mi�verst�ndnis. Die selbstverst�ndlichsten Dinge
bed�rfen eines Eingehens heute.

Ich ziehe mich langsam zur�ck.

Fahre in der Fr�he nach Barseb�ck.

                                * * *

Ich wohne Barseb�ckby. Es liegt eine halbe Stunde im Land. Eine halbe
Stunde vom Hafen Barseb�ckham und dem Bad Barseb�cksaltsj�baden. Ich wohne
bei J�ns Holgerson.

Ich bin allein, habe vierzehn Tage Zeit noch in Schweden. Ich wei� nicht,
warum ich mich hier verkrieche, nachdem meine gr��te Sehnsucht gelungen
ist. Ich trete oft vor den Spiegel, da steigt etwas aus meinem Auge aus der
Tiefe und ich kann es kaum zur�ckwerfen, so tief und reif ist es. Ich
f�rchte mich vor mir.

Nun, wo ich nichts will, nichts tue, nichts unternehme, ist wundervolle und
ahnungshafte Flaute in mir. Ich wei�. nicht, wann Ebbe kommt, wann Flut
steigt. Ich sehe den Mond, die Sterne; die Sonne ist immer �ber mir.

Nachts kommt J�ns Holgerson, seine Frau ist krank. Ich ziehe ihre �lhosen
an, er hupft auf einem Bein vor Vergn�gen und schl�gt die Faust auf die
flache Hand. Wir fahren in der Dunkelheit hinaus, �berall paddeln die
Ruder.

In der D�mmerung ist J�ns verst�rt, ich bem�he mich, ihn zu tr�sten wegen
der Frau, allein er gr�belt nicht um die Krankheit, sondern nur um den
Grund. J�ns ist viel gefahren auf Kuttern, er hat nachgedacht �ber die
Wurzeln der Ereignisse.

In Indien ist rote Ruhr nur zu bekommen von Obst, in Holland bei
wochenlangem Nichtregnen von Pflaumen, in Ungarn vom Liegen auf freiem Feld
nachts. Er wei� dies alles und findet keine Veranlassung; sein Wissen
b�rdet ihn schwer, er sch�ttelt den Kopf.

Wir ziehen alle aus allen Kr�ften hoch, stemmen uns nach r�ckw�rts und
winden die Garne auf.

Nun ist die Bucht eine Silberlawine von Heringen, die in den Netzen
schlagen. Der stille abseitige Strand wird pl�tzlich in Licht getaucht, ein
Horn tutet dreimal leis her�ber.

Zelte von K�ufern werden aufgeschlagen, die Stille wird verkn�ppelt mit
Radau und Gefeilsch, heulenden Kindern, dem Trott der mit Fischen
abziehenden Wagen.

Am f�nften Tage kommt von Barseb�cksaltsj�baden der Bote herauf mit meiner
Post. Ich gehe unter der Sonnenuhr hin, der der Blitz in der Nacht die
Zahlen 3 -- 5 ausgeschlagen, in das saftige fette Riedgras.

Der Gesandte schreibt, da� der Kurier gedrahtet, Ludendorff habe gelacht
trotz aller Beweise, der Balkan sei von ihm schon eingesch�chtert. Gut.
Dies war umsonst.

Ber�hrt es mich noch? Es ist schemenhaft vorbei, ich fasse es gar nicht
mehr. Die Jagd der letzten Wochen ist abgefallen von mir. Ich wei�, auf
diese Weise kommen wir nicht weiter. Ein anderer Weg ohne Diplomatie,
�berzeugungsk�nste, ein anderer Weg wird es sein, wir werden ihn gehen,
auch ich werde ihn gehen, wer kann uns helfen aus dieser Not, wir m�ssen
uns finden, es ist nicht anders, die Welt kracht in Tragik und wir sind
dumm und klein.

Gunnaris und Vehkam�ki sind nach Finnland gefahren, schlagen nach Karelen
via Moskau sich durch. In Finnland ist keine Hoffnung auf Freiheit mehr,
seit und solang in Potsdam ein preu�ischer Prinz auf die singenden Vokale
dieses Landes gedrillt wird.

Almqvist ist mit den beiden verschwunden. Ich zweifle nicht daran nach dem
Tag von Marstrand, sein eines Leben l�ste sich mit einer arithmetischen
Pr�zision von dem andern, in einer sehr schmerzhaften harten Sekunde aber
mit einem Aufflug ohne Gleichen in dem Schmerz.

Ich gehe nun auf und ab am Strand, ich gehe auf und ab und lese, da� man
mich nicht ausweist, da� man mir aber ein Agr�ment verweigern wird in
Zukunft, Schweden wird nicht mehr w�nschen, da� ich einreise.

Das ist der Schlu�.

Ich l�chle, ich werfe den Fischen Krabben zu und sehe aufs Meer. Das alles
schl�gt mich nicht, das macht mich nur fester.

Eine Nacht segle ich mit Axel Ahlmann, dem Dichter, der von Lund
her�bergekommen ist. Er f�hrt dann weiter nach Christiania durch die
Sch�ren. Ich winke ihm nach. Er ist ein strammer Bursche, angenehm und
zuverl�ssig, ein guter Segler. Ich sehe ihm nach ohne Bedauern.

Von Schlo� Borgeby kommt einen Tag Ernst Cederstr�m hinter Bjerred her, wir
singen mit den M�cken, liegen im Sand, trinken den ganzen Tag Meth,
Kallskol, Punsch.

Er f�hrt acht Tage vor mir nach Deutschland, �fahren Sie wohl�, sage ich
und drehe mich in die Bl�ue, ich drehe mich tief in die Bl�ue und vergesse
zu singen, er st��t mir in die Rippen.

Ich sehe ihn genau an, er hat einen langen Bart und eine Glatze und den
Atem und die leuchtende Freudigkeit eines Gottes.

Sonst bin ich einsam. Ich gehe im Badetrikot immer der schl�ngelnden Welle
nach. Den ganzen Morgen gehe ich am Meer, ich sehe es nicht gro�, nicht
st�rmisch, ich liebe es nur.

Gehe ich tief in die Ebbe, komme ich manchmal nahe bis an das dunkle
Dampfersignal. Ich starre auf den Grund, da hat das Meer sich Steine
zurechtgeschliffen: Fasangold gespritzt auf Schwarz, rosa Klammern auf
Dunkelblau, Basalt mit einem wei�en ovalen Ring, purpurviolett schraffiert,
gek�rnt, Taubengrau mit himmlischer Spiegelung, Ocker und Safran mit
Ziegelrot, Feuerstein, Schnee und Flamme, Hechtblau mit hellen B�ndern.

Alle sind rund, gehen in die Hand, am liebsten hat das Meer sie sich wie
die Muscheln gemacht, oval und handgro�. Nehme ich sie heraus, erl�schen
sie. Ich lerne sehr bald, sie nicht zu ber�hren. Ich schaue sie nur durch
das Wasser an, das mir manchmal fast bis zur Brust geht. Unter den Knien
ist ein fabelhaftes Gegl�nz.

Ich sehe hinein und bin zufrieden. Es wird Mittag manchmal, manchmal Abend.
Wie liebe ich die Steine, wie besch�ftige ich mich lange und heftig mit
ihnen.

Oft kommt mit braunem Segel die Schifferbarke abends zur�ck, w�hrend ich
noch schaue; ich wandere immer weiter, der Leuchtturm funkt, dahinter f�llt
die D�mmerung herunter, es verliert sich jeder Umri�, man kann nicht einmal
rufen, so allein ist es.

Der einzige Kirschfink der Gegend wohnt in unserem Garten. Cuno Adelkranz
legt D�mme an mit kleinen Weiden, setzt dann Berberitzen, Schlehen und
Brombeer. Ich schaue lange zu, er f�hrt den Spaten l�ssig und fest, seine
Hand ist weniger braun wie die meine.

Die Bl�ue �ber dem Meer steigt immer h�her und s��er. Ich fange an zu
blasen; ich habe ein kleines Horn, das an beiden Enden geblasen wird, es
ist der Kuckucksruf.

Auf einer Erle hinter Barseb�ckham ist ein Storchnest, ich schleiche mich
sp�ter langsam an, vom Meer am besten her, da gl�nzt der Baum wie ein
Signal, wenn die Bl�tter sich drehen von der Brise und die zinnwei�en
Unterseiten wirbeln. Die St�rchin sieht gro�m�tig zu, wenn eine Wolke
Sperlinge aus dem unteren Nestteil auffliegt, mir wirft sie �berreste
herunter und schnattert b�sartig, sie liebt mich nicht.

Ich fahre langsam wieder hinaus.

J�ns Holgerson erz�hlt, hier habe einer seiner Vorfahren einen fetten Abt
vom Bauch erl�st, indem er ihn in Ketten legen und das Faultier mit Hammer
und Esse arbeiten lie�. Es ist sehr lang, dieser Erz�hlung zu folgen, sie
hatten einen Vertrag gemacht und es war unm�glich, diesen Holgerson zu
strafen; aber sie straften ihn doch und das ergrimmt Holgerson, der es
erz�hlt.

Am Abend ist Get�s, weil Marye Eyllenkrok die K�he dreimal gemolken hat,
wie sie soll, aber die Schafe zweimal, statt einmal. Adelkranz hat Tabak im
Mund und spuckt aus Zorn, sie schleicht an den Mauern herum und brummt vor
Wut.

Als er au�er Sichtweite ist, hebt sie die Arme: �Sakramentskade fan�.
Sofort sinkt sie wieder zusammen, h�rt auf zu fluchen, steckt die Hand in
den Mund vor Schreck.

Adelkranz n�mlich steht im Fenster, h�rt nicht auf zu donnern, wirft einen
Blumenstock her�ber: �J�drans . . . karibel . . . . . . f�rbannade dj�rne
. . . .�

Sie hebt die R�cke hoch �ber die Schenkel und l�uft vor Schreck so an den
Strand. Sie ist bald verschwunden, wir nicken einander zu, Adelkranz und
ich, wir rauchen beide, ich �ffne ihm meine Zigarettentasche, er nimmt, ich
z�nde an.

Wir wechseln kein Wort.

Ich bin zum erstenmal in meinem Leben einsam. Zum erstenmal habe ich Zeit,
ich wei� nun, was Ruhe ist, mein Schuh, mein Hemd, wir haben es nie gewu�t.
Ich sehe, ich staune, welches Wunder kommt aus jeder Ritze, jedem Tang,
jedem Fleck. Um mich blaue Ma�liebchen, wilde Petersilien und Sternkraut
und das Riedgras.

Ich sehe immer auf das Meer, nur selten schaue ich zur Seite, da entdecke
ich neue Sachen, ich entdecke neue Sachen, ganz rund, ganz erf�llte Sachen,
ich erblicke sie nicht nur, ich erlebe sie mit ihrem ganzen unbedingten
Sein.

Ich sehe auf das Meer und denke an meinen Bruder.

An diesem Tage verstehe ich meinen Bruder, ich habe ihn fr�her nie gekannt,
ich begreife meinen Bruder, es fehlt kein kleines St�ck an meinem
Verst�ndnis, ich begreife nun auch, warum er, obwohl die Gefahr beiseite
gelegt mit dem Wechsel, obwohl er mit Anstand und freier Brustschwenkung
leben konnte, warum er abbog, warum er beiseite geht und immer sein Gesicht
von den Menschen wendet und es gegen sie verh�llt.

Wie liebe, wie kenne ich seine Einsamkeit.

Ich schaue auf das Meer, ich denke an meinen Bruder, ich kenne ihn so
genau, ich liebe ihn so deutlich, es ist kein Unterschied mehr, ich mache
sein Leben mir zu eigen, ich erlebe _sein_ Leben:

Ich gehe trottelnd den Tippelmarsch der internationalen Kunden, ausgesengt
von Sonne auf der Bahnspur zwischen Kalifornien und Texas, Boston und
Florida, ich sehe nichts als Steppe um mich, sie hebt sich mit jedem Tag,
ich gehe auch in der Nacht. Ich gehe vierzehn Tage, ich erblicke nichts wie
Kaninchen, es ist nicht leicht, sich zu n�hren, obwohl das Fleisch sehr
billig, allein die Cents, allein die Centavos sind selten, ich will sie
nicht verdienen, aber ich mu� es manchmal; so habe ich nicht viele und ich
habe sie nicht immer.

Da sehe ich am vierzehnten Tag durch die Steppe auf dem Bahndamm einen
entgegenkommen, er ruft schon von ferne, er ist wie ich gewandert von der
anderen Seite, er freut sich, einen Menschen zu sehen, er hat einen Papyrus
im Mund und schreit: �Hast du ein Streichholz, John?�

Ich gehe wortlos an ihm vor�ber, ich sehe ihn nicht an, ich wei� nicht, ob
er ein Gringo, ob ein Eingeborener, ich wei� nichts von ihm, er ist schon
vergessen, ich sehe nur die Schienen, die sich blutig in den Horizont
schneiden.

Ich stehe auf, setzt sich aus dem Dunkel heraus an mein Campfeuer einer,
f�ngt an, sein Fleisch an meinem Feuer zu braten, ich gehe weiter unter der
Nacht; ich suche mir Mist, ich suche B�ffelmist und mache mir ein neues
Feuer.

Ich wickle mich fest in die Lingera, ich gehe, da der Wind stark und rauh,
und mich ein Husten gefa�t hat, da� ich nachts wenig Atem habe, ich gehe in
die Lingera gewickelt, nach den warmen Savannen des Gran Chaco, ich treffe
viele meiner Sorte, ich treffe auf den wochenlang gew�lzten grauen Steppen
Strizzis und Kunden und Rowdys und Schiffsk�che und Vagabunden und
Abenteurer und jeder fragt, wenn wir aufeinander zuschlendern und einen
Augenblick stehen bleiben zwischen den Schienen, jeder fragt: �Y tu
compagnero?�

Aber ich habe keinen Gef�hrten: Ich sch�ttle den Kopf. Sie starren mich an:
�Verr�ckt.� Ich gehe weiter.

Ich liebe es so -- -- --

Wie liebe ich meinen Bruder, ich sehe auf das Meer, wie kenne ich ihn
jetzt, keine Falte seiner Seele, die mir fremd ist. Tr�fe ich ihn wieder,
ich k�nnte ihm alles sagen von ihm.

Wenn das Meer steigt, bringt es mir alles.

F�llt es, bekomme ich Distanz zu meinem Leben. Ich �bersehe.

Das Gras ist fett und milchig, es riecht nach Sand und Torf und Wasser und
den Kr�utern. Ich lerne die purpurne Steinhummel anlocken, spiele mit
Eidechsen und Grillen.

Wenn die kleinen Zangenk�fer die Schnecken angreifen, laure ich
stundenlang. Ich sehe den Schaum, hinter dem die Klebrige sich durch
Rundung und Rundung in die letzte Spirale ihres Hauses zur�ckzieht, die
w�tende Attacke des Millimeterwolfs, der ihr nicht folgen kann. Ich sehe
ihn die Zangen einbei�en in den Kalk des Geh�uses, ich sehe ihn ermatten
und abtrollen. Ich sehe einmal, wie er in der Achse des Geh�uses eine
L�dierung entdeckt, das Loch durch seine Zangen erweitert und die Nackte
�berrascht und zers�belt.

Ich reibe mich an den Natterwurzeln, ich sehe im Postkraut die Hasen
sitzen, ich scheuche sie nicht, wir sehen uns an und bleiben, ich geh�re
dazu, das ist kein Geheimnis, ich verstehe das um mich so gewaltig, ich
erfahre es so seltsam, ich geh�re dazu.

Ich sehe auch einmal die Windhunde vor den von blitzenden Wassern umringten
G�tern hinlaufen, das mag eine Jagd sein, ich drehe mich herum, was k�mmert
es mich.

Ich lerne nach den Blumen die Zeit angeben: wie sie sich �ffnen, wie sie
sich schlie�en, wann die Krabben ans Land kriechen, wann die Meerdrachen
die giftigen R�ckenflossen aus der Flut heben.

Ich wei� dann jede Stunde. Ich brauche keine Uhr.

Am achten Tage erwache ich mit der Unruhe, die zum erstenmal bei der
Abreise nach Abo mich �berfallen. Sie kommt jedesmal st�rker, ich ertrage
sie kaum mehr. Ich gehe wieder hin und her, ich verehre alles, ich liebe
alles genau so innig, aber ich will fahren, es hilft nichts, ich reise ab.

Ich gehe hinunter nach Barseb�cksaltsj�baden, es ist keine Pause, kein Halt
in mir, ich h�tte noch acht Tage Zeit, Segelfahrten, o sch�ne spektrale
Quallen in den Fjorden, wie gern h�tte ich mich ihnen noch gewidmet, h�tte
Heringe gefangen, h�tte mit den Steinen mich eingelassen.

Mein Pa� ist noch nicht abgelaufen, es ist aus mit meiner Zufriedenheit,
ich mu� zum Balkan, sofort, ich wei� nicht warum.

Der Tag, wo dies passiert, ist herrlich, er �bertrifft die anderen, er ist
aus Blau und Gr�n und Silber in einen Sturm gewoben. Ich gehe durch ihn hin
nach Barseb�cksaltsj�baden, ich telephoniere von der Post mit Ernst
Cederstr�m, er ist bereit, es pa�t gerade, er kommt am n�chsten Morgen.

Wir lassen am n�chsten Morgen den Aalkutter mit den Segelnetzen auftakeln,
eine Kiste verstauen und fahren gegen den Wind, wir trinken drau�en mit
Adelkranz und J�ns Holgerson. Wir trinken lange, aber wir sind in der
wei�esten Fr�he schon losgefahren; als die Glocken zur Arbeit l�uten, sind
wir schon tief im Gesang.

Ich umfasse alles und trinke nicht wenig. �Es lebe Mannerheim, es lebe
. . . der General Mannerheim,� rufe ich, und Holgerson ruft mit, denn er
kennt den Namen nicht.

Aber Adelkranz speit aus und Cederstr�m kann sich nicht halten vor Lachen.
Wir haben wenig Wind, aber trotzdem f�llt Holgerson und zerrei�t im Wasser
Adelkranz' Netz.

Wir kehren zur�ck und begr��en aufgerichtet im Kutter die K�ste, indem wir
die Deckel der Bowlengef��e aneinanderschlagen, wir �ben uns ein und kommen
in einen sch�nen Takt.

Am Strand geben wir einer von J�ns K�hen Kallskol zu trinken und spannen
sie vor einen kleinen Schiebewagen, hui, wie fahren wir durch Barseb�ckby,
Cederstr�m liegt auf dem Bauch in dem niederen Bretterwagen und pfeift und
skandiert mit den H�nden, und alle Kinder hinter uns her.

Gegen Mittag kamen wir nach Borgeby in den Park.

Wir sind ein wenig aus der Richtung gekommen, wir haben auch unterwegs
nicht nur trocken gelegen und gepfiffen, wir sind ein wenig verwirrt, aber
ich suche es auszugleichen, Cederstr�m will, nachdem wir ein Rondell
umfahren haben, mit aller Macht zu dem Tor wieder hinausfahren, durch das
wir hereinkamen.

Ich pfeife einem G�rtner, und er nimmt die Kuh am Horn und f�hrt uns an die
Hintertreppe des Schlosses.

Wir baden gemeinsam oben, kommen zusammen herunter, wir sprechen sehr viel,
stehen mitten in der Halle und machen Sermons, wir betrachten die Bilder
Cederstr�ms, fein geschmiedetes Silber, er zitiert seine Verse, aber wir
sind nicht sehr gut auf den F��en. Nicht, da� wir es sp�ren oder f�rchten,
es s�he jemand, das ist unm�glich, wir haben uns zu sehr in der Hand.

Wir kommen nur im Reden in immer gr��ere Erregung, wir treten ans Fenster,
da r�ckt von Bjerred her eine Equipage an. Wir sehen den kaukasischen Baron
Uxkull und zwei junge Schweden darin; ich kenne sie nicht.

Wir stehen auf der Terrasse und begr��en sie, machen tiefe Verbeugungen,
ersch�pfen uns in Verbeugungen, die Diener machen sie wie Chinesen nach.

�God dag,� rufe ich und schwenke den Hut, laufe in die Halle zur�ck, hole
ein Schallrohr und rufe, w�hrend sie die gro�e Freitreppe heraufsteigen:
�V�lkommen.� Ich denke, ich bin in Floda, ich mache Verbeugungen, wie nie
in meinem Leben, ich l�chle innerlich, ich wei� sehr gut, da� ich in
Borgeby bin, aber wer wei�, vielleicht bin ich doch in Floda und gr��e
Ebbas Br�utigam, gr��e ihn nochmals.

Cederstr�m schl�gt mir in den R�cken, sein Bart steilt sich vor Lachen im
Wind. Ich lasse nichts mehr aus, ich schlage meinerseits dem Baron Uxkull
auf die Schultern, �Sie haben einen Kopf wie ein Strau�enei,� sage ich ihm.

Er kann sich nicht beruhigen, die Elefantenaugen laufen im Kreis, er
beginnt auf der Treppe zu erz�hlen, wir bleiben alle stehen, er erz�hlt,
da� ein Kanarienvogel auf einem esthnischen Gut ihm beim Besuche einer
Freundin �ber die Glatze geschliffen, der es gewohnt war, t�glich �ber
einen Marmortisch im Flug zu schliddern, es war eine offensichtliche
Verwechselung und am Schlu� der Geschichte sa� Uxkull nach Jahren das Vieh
gelegentlich tot, es war nicht unam�sant, aber wir verbrachten eine
Viertelstunde dar�ber auf der Treppe und b�ckten uns vor Vergn�gen, und
Cederstr�ms Diener b�ckten sich mit.

Die Herrin naht, ich sehe sie zuerst auf den oberen Stufen, ich wei� genau,
da� ich in Borgeby bin, auch wenn ich Dunst vor allen Dingen sehe, ich gehe
ihr rasch entgegen, ich neige mich vor ihr:

�God dag, sch�ne Frau, gl�cklich Cederstr�ms Gattin zu sein, ich gr��e Sie
ehrfurchtsvoll.�

�V�lkommen i Borgeby.�

Wir drehen uns alle herum, Uxkull hat ihre Hand ergriffen: �Auf solchem
Schlo� zu wohnen, welches Gl�ck, gute Frau, ich sah in Lund den Sarkophag
des Bischofs, der es baute, ein strenger Priester. Sah er vom Turm, lie� er
Erde erobern, soweit H�rner bliesen. Lagen nicht D�nen einmal davor,
steckten Schw�nze der Sperlinge an, setzten zwei Fl�gel in Brand . . . ,�
wir k�nnen nicht mehr lange das anh�ren, wir m�ssen unterbrechen, wir sind
sehr hungrig geworden.

Ich f�hre die Herrin zum E�saal, riesengro�. Sie weist auf den Tisch in der
Ecke.

Ich verbeuge mich, ich �bersehe ihn, ich bin erstaunt und l�chle: der beste
Sm�rg�sbord in ganz Schweden: Frischer gebratener Aal, ger�ucherter Aal,
f�nf B�chsen Fische, verschieden gew�rzt, Krabben, gebackene Wurst,
Krebsschw�nze in Mayonnaise, ger�ucherte Saucissons, Omelette mit Spinat in
Terrine, Hummer, B�renschinken, �lsardinen, junge Kr�hen als Ragout,
gebackene Klops, ger�ucherte Fische, Renntierfilets, Wildschnepfen, Salate,
kaltes Fleisch, Aquavit . . . , wir essen stehend, dann erst f�hre ich die
Herrin zu Tisch.

Ich sehe viele Weine, ich sehe jetzt erst Lilian, Cederstr�ms Nichte, wie
ein Tautropfen zart, ich gr��e sie.

Nun erst beginnt der Lunch, er dauert zwei Stunden. Cederstr�m h�lt vier
Reden, ich antworte zwei, Uxkull redet lange ein M�rchen von Andersen
herunter, ich unterbreche ihn nicht, es w�re nicht h�flich, aber ich frage
nachher, warum er von Baku nicht spricht, nicht vom Ila von Tapau.

Da spricht er wieder, und nun m�ssen Cederstr�m und ich ihn unterbrechen,
nun redet er von den abgeschnittenen Br�sten der Ehebrecherinnen und ich
sehe Lilians Gesicht wie zersprungenes Glas.

�Sie m�ssen,� sage ich, �Baron, Sie m�ssen Ihren esthnischen Diener, der
uns im Hotel den Himbeer in den Tee go�, beauftragen, mir ein Tuch zum
Schuhsack zu n�hen, ich bringe es sonst nicht �ber die Grenze, es f�llt mir
ein unwillk�rlich, ich erinnerte mich seit Wochen nicht daran, eine sch�ne
Frau schenkte es mir in Bohusl�n.�

Ich nicke, ich vergesse es wieder, ich erhebe mich und trinke Br�derschaft
mit Cederstr�m.

�Ja, ich will Br�derschaft mit dir trinken, Ernst Cederstr�m, denn du
liebst das Leben halb wie ein Held und halb wie ein Kind.�

Wir sind bei Reh schon wieder ein wenig betrunken, wir halten immer l�ngere
Reden, die Fenster sind herrlich hoch in dem Rittersaal mit dem
Cederstr�mschen Silber.

Lilian schwebt als ewiges L�cheln zwischen den kreuzenden Gl�sern, wir sind
bei Burgunder, wir hatten schon vieles vorher.

Der junge Mann aus Helsingborg f�hlt, da� es an ihm ist, aus Schweigen und
Jugendlichkeit ein wenig herauszutreten: Musik.

Wir machen ein Konzert von zwei Stunden. Cederstr�m tr�umt. Ich denke an
Angermanland, mir f�llt ein, ich liebe Lappland, ich m�chte in Erdh�tten
den Winter verbringen, dalarnische T�chter bestaunen, den gl�henden Mond,
kaffeegelb zwischen den Skitouren brennen, mir f�llt sehr viel ein, ich
denke nicht daran, da� ich nicht mehr erw�nscht bin als Einreisender in
Schweden, ich �berschlage es rasch, warum daran denken.

Ich schaukle im Stuhl nach der Musik, von beiden Seiten schaukelt der hohe
Park mit den Fenstern der Halle, genau wie ich schaukle.

Chopin schwingt ab.

Eine Pause, ein Diener l�uft.

Lilian gibt jedem von uns Blumen mit einer Verneigung und fl�stert uns zu.
Die Saalt�ren �ffnen sich weit, die P�chter Cederstr�ms erscheinen mit dem
Pfarrer, schlanke M�nner f�llen die S�le, sie haben die blonden Haare aus
dem Genick scharf geschnitten, sie haben blaue Anz�ge und ihre Frauen sind
blond, anst�ndig und adlig in der Haltung gleich ihrer Erde. Sie setzen
sich rasch zu Zwanzig in die hohen gotischen St�hle der Halle an die W�nde.

Das Konzert f�hrt fort, wieder spielt Musik in breiten Wogen.

Der Kupfersch�del des Pfarrers im Gehrock erhebt sich, tritt heran an den
Spieler, sagt ihm den Dank, er h�lt uns f�r einen deutschen Zirkus und
spricht mit dem Landsmann radegebrechtes Deutsch, aber wir kichern nicht,
um ihn nicht zu kr�nken.

Wir stehen vielmehr auf, indem wir in der Reihe herantreten und geben die
Blumen dem Generalp�chter, der Geburtstag hat.

Wieder Konzert.

Lilian schwimmt in der Musik, die aufbricht mit einer tr�umerischen Flamme.
Jedes Fenster, jede Vase klingt sie aus sich mit. Selbst der Abend nimmt
ihre T�nung.

Lange bleibt Ruhe dieses Gleitens, dann kommen Rufe, schwedische
Wanderv�gel rufen Cederstr�ms Namen. Man tut sie in die Seitenfl�gel, man
zeige ihnen sp�ter das Schlo�.

Der Abend steht noch rotbla� mit der Pfirsichbl�te unserer Et�de. Wir gehen
die Treppe langsam und majest�tisch hinunter in den Park.

Perlmutten stirbt die Elegie der Konzerte mit dem Abend.

Was will Lilian mit ihrer Stimme? Bald wird Nacht sein, sind Fackeln
bereit?

Fest in Borgeby.

Immer dieser Wind. Immer schaukeln die Parkwipfel tief vor blaustem Himmel,
der k�hl steht in klassischer Ruhe. Immer Geschw�rme schreiender Raben in
der Luft. Noch liegt die Sonne auf den gewellten Ebenen mit klatschsch�nem
Vieh in schwarz und wei�. Wir wandern auf und ab durch den Apfelgarten, wo
manches noch bl�ht.

Ich bleibe zur�ck einmal, es war nicht viel, was mich anzog, es war ein
Spruch, auf dem es schon mooste. Da stand �ber dem Rasen: �Du kalter
Marmor, bewahre die Erinnerung an ein warmes Herz.�

Wir gehen auf gepflegten Wegen, wir kommen immer wieder in Borgebys
jahrhundertalten Apfelgarten, die St�mme sind nicht sehr hoch, aber die
Zweige haben ein Streben, sich sanft nach unten schwebend aufzul�sen, das
mich besch�ftigt, immer dies auf und ein wenig ab und immer diese Ruhe.

Die D�mmerung schwebt durch die Eichen. �Zeigt den Wanderv�geln das
Schlo߫, ruft Cederstr�m von der Mauer. �Lilian, gib ihnen ein Schreiben
mit f�r alle Schl�sser bis Christiania, schreib, ihr Gesang machte einen
Abend heiter.� Wir gehen mit, man zeigt ihnen die Verliese, die Hitze des
Tags gl�ht noch von ihren Wangen. Hurras auf Cederstr�m bringen sie aus,
dann schauen sie in die H�he.

Lilian sch�ttet vom Turm K�rbe Veilchen auf sie aus. Sie huldigen ihr
sch�n.

Aufgang des Mondes. Immer noch Rabenschrei. Ich f�hle den Sturm in mir wie
Reinigung, �Sk�l� rufe ich, �Cederstr�m, wie frei ich atme, ich liebe die
ozeanische Luft�.

Wir haben nur eine Frau, Lilian, aber sie wird zwanzig ersetzen.

Nun f�llt der Tanz.

Lilian schwimmt madonnig geneigt in gro�en von ihrer Sanftheit erf�llten
Bogen aus Arm in Arm. Wir legen den Rhythmus solch traumhaften Gleitens
mitten durch die Ebene der Nacht.

Nun flackern alle Lichter, nun �ber dem Strahl der P�an, der Sturm am
Klavier: nun tanzt Ernst Cederstr�m allein, in lederner �rmelweste, den
Bart bis zum Magen, dionysisch selbst die Glatze, fast Faun, halb Verf�hrer
. . . er macht eine gro�e Wendung, er springt durch das Fenster, er gr��t
herein aus dem Schatten, zwei Diener mit Kerzen springen durch das Fenster,
wir folgen alle, wir jauchzen, der Musiker aus Helsingborg hat Lilian unter
dem Arm im Sprung heruntergebracht.

Zwei Fackeln nahen, die Schweden folgen dem winkenden Cederstr�m, sie gehen
mit den Dienern, holen Wein herauf und Champagner aus dem Gew�lbe.

Ich habe Lilian neben mir, allein, ich sp�re es pl�tzlich mit einem
z�rtlichen Schlagen des Blutes, wir gehen zur K�hlung durch die Boskette.
Wind haust mit zornigen Sternen im Park, keine Wolke schwebt, irgendwo
hinter Windm�hlen, die die Nacht stumm zerschlagen, dumpf schweigend die
Ostsee.

Ich gehe mit Lilian auf und ab, wir reden keine Silbe, was sollen wir uns
sagen, ich wei�, was Lilian denkt und ich sage in meinem Herzen, ohne da�
sie es h�rt:

�Nein Lilian, es ist so sinnlos, Sie sind so weich, so tr�umerisch. Ein
Knabe ist Sinn Ihrer Sehnsucht, irgendeiner, aus dessen K�rper Musik kommt.
Meine siebenundzwanzig Jahre, o Lilian, meine siebenundzwanzig Jahre sind
schon viel zu schwer geworden f�r Ihre gl�serne Sanftheit.�

Ich wei� nicht wie, aber der Schmerz, der alte Schmerz, der mich selig
macht, haust wie ein Wolf in meinem Herzen, ich habe t�chtig getrunken,
vielleicht ist auch mein Schmerz berauscht und liegt in Verz�ckung, ich
steige alle Treppen bis zur Halle hinauf, ich gebe dem Helsingborger
Lilian, damit er sie betanze, ich falle Cederstr�m um den Hals und ziehe
ihn in eine Nische, ich bin vertrauensselig und liebe ihn und renommiere.

Ich fange an, ihm von Siv zu erz�hlen:

�Ich hatte all Eure schwedischen Frauen in ihr, Cederstr�m. Strandv�gen,
leuchtend vor Musikkapellen, die Rotunde des Stadion, die weiche Wei�nacht,
das granitne Meergebi� erscheint, wenn ich daran denke, in ihrem L�cheln.
S�hst du ihre Beine, Cederstr�m, du w�rdest zittern wie ein Hund in deinem
Saal. Sieh dir diese Kurve an, diese verdammte Kurve des Mondes an deinem
Fenster. Nein, Cederstr�m, sonst wollte ich dir nichts erz�hlen, dies ist
alles, dir vielleicht wenig. Dies ist alles, was mich peinigt.�

Es ist zwei Uhr nachts, nun stellen wir uns nicht mehr in die Nische, nun
unterbrechen wir den Tanz und machen eine neue Aufstellung. Wir stellen uns
in einer langen Reihe auf, zuerst kommt Cederstr�m.

Dann marschieren wir �ber die Terrasse, die Treppe, durch den Hof zu den
Geb�uden des Generalp�chters, es ist zwei Uhr nachts, die Generalp�chterin
hat um diese Stunde geladen, wir sitzen allesamt nun wieder wie beim
Konzert am Mittag um einen Tisch.

Ich lasse mir die festeste Magd mit dicken blonden Z�pfen geben, sie ist
meine Nachbarin, ich trinke ihr zu. Mein Herz schmerzt mich selig immer
tiefer, man hat ein gro�es Mahl uns bereitet mit gro�en Zeremonien.

Ich trinke ihr zu, der Frau Verwalterin, ich mache meine Komplimente; es
ist nicht richtig, da� ich ihr zutrinke, ich versto�e gegen die Sitte, aber
ich zeige ihr mein Wohlwollen, ich sage ihr das alles auch.

Ich wende mich meiner Nachbarin zu, Jungfrau Sara, sie ist ein sch�nes,
festes Weib; sie hat ein Kind, sie hat einen Mann sehr geliebt, im Sommer,
im Stroh, sie sagt es mir ohne Scham, als ich frage, ich tr�ste sie.

Ich sage, es sei nicht schlimm, Jungfrau Sara, ich h�tte einmal versuchen
wollen, eine Bremse in die europ�ische Politik zu legen, ich h�tte sie fest
in der Hand gehabt, dies alles sei eitel, sei schw�rmerisch, es sei nicht
soviel wert wie eine R�be, sie solle froh sein, niemand gebe ihr Vers�umtes
zur�ck.

Ich wende mich zu Uxkull, ich rufe ihn gell an: �Baron, Sie fallen von der
Stange�, da tut er die Augen verwirrt auf wie Vogelgeflatter. Da lache ich
h�misch und laut. Wir danken sodann, verbeugen uns.

T�cher liegen bis hin�ber zum Schlo�.

Polon�se.

Vor uns tanzt lautlos Ernst Cederstr�m. Kerzenschein umgibt uns durch den
Park �ber den Hof. Tanz braust dann in der Halle noch einmal, unverl�schbar
auf.

Borgeby flammt durch die Nacht wie eine Kirche, ich h�re einmal, es schl�gt
vier Uhr, aber es schl�gt an mir vorbei und rollt weiter durch die B�ume,
was gehen mich die Kl�nge an, sie laufen wie der Teufel irgendwohin.

In sanftem Schleier schwindet die Nacht, die Fr�he kommt mit Gartenduft und
Rosa aus den B�schen hoch in die Fenster, wir durchkurven nur winkend
danach die flaumenweiche Morgenluft.

Pl�tzlich steht eine S�ule im Zimmer, steife Gehaltenheit durchschl�gt die
Schleifen: Der Diener Cederstr�ms.

Er meldet die Equipage.

Er hat blanke Kn�pfe bis zum Fu�, den Zylinder in der Hand. Er meldet noch
einmal die Equipage.

Das rei�t uns wie an den Haaren, wir gehen ans Fenster, da scharren
dampfende Pferde vor dem Portal. Es ist f�nf Uhr des Morgens, ich
vergleiche es mit meiner Uhr, wir haben keine Sekunde zu vers�umen, wir
steigen in den Wagen, die Koffer kommen langsam heran.

Morgen prallt auf die Terrasse stark und wild. Sk�ne im Morgen, dunkelgr�ne
Verlockung. Wir sitzen im Wagen, die G�ule scharren. Immer noch
Kr�henschlacht �ber den brausenden Wipfeln, bei uns unten kein Hauch, keine
Luft.

Ich sehe mich um, ich denke daran, was Lilian mir sagte, am Rand des Parks
ziehen Seeadler hin, wenn es herbstet, Abenteurer aus Finnland, die mit
Nordwind zum Kaukasus fahren. Ich gebe Lilian die Hand:

�Heute, Lilian, kommen die ersten Schwalben nach Sk�ne, sie zischen um
Borgeby�, sage ich. �Denken Sie daran, wenn mein Name vor Ihnen auftaucht.�

Ich wende mich noch einmal um. Zu Uxkull wende ich mich:

�Baron, heute f�hrt seit Jahren der erste Dampfer zwischen Stockholm und
Petersburg, ich las es in Dagens Nyheter heute nacht, welches Leben,
welches Leben, Baron.�

Wir haben nicht lange auf die Koffer zu warten. Nun ist die Ebene weit um
uns getaut.

Fl�dje taucht auf, die Schienen sind wie Schnee.

Malm�, Trelleborg, wir betreten den Steg, das Schiff.

Wir schwimmen auf der Ostsee, deutsche Ufer unsichtbar vor uns, wir sind
noch recht betrunken, es legt sich langsam, w�hrend das Schiff schon f�hrt.

                                * * *

Wir werden langsam n�chtern auf dem Schiff. Das Schiff f�hrt mitten in den
Wind hinein, ich glaube, da� das uns k�hlt.

Trelleborg ist verschwunden, die schwedische K�ste verbla�t immer mehr, ein
Bogen von flimmerndem Licht liegt das Meer zwischen den beiden K�sten, der
Horizont w�lbt sich uns entgegen auf dem Wasser und wir stehen, wir stehen
mit dem Schiff auf der obersten W�lbung wie ein Knauf.

Wir blicken uns um, ein Schiff steht am Himmel auf dem Kopf, ein Flieger
surrt nach ihm, wir gehen fr�hst�cken, wir sind sehr hungrig mit einem Mal,
wir sind aber keineswegs m�de, Cederstr�m hat schwere Augen, es hat einen
anderen Grund, wir trinken wieder Aquavit, es ist das letztemal, man kann
so rasch nicht enden.

Wir gehen auf und ab mit eiligen Schritten auf dem Verdeck, uns entgegen
immer ein Ungar, katzenhaft um eine Frau.

Da schie�en Hagelwolken herauf, der Fr�hling klatscht ins Wasser, wo ist
unser fr�her Sommer mit einem Male? Es wird st�rmisch und spritzt herauf
bis zur Takelung.

In traumhaften Schleifen kommt manchmal die Kurve von Lilians Tanz und der
Mondbewegung �ber Borgeby vor�ber, man kann es nicht mehr aushalten, es ist
zu kalt, es hagelt in Schlo�en, die Wolken binden sich in die Schorne und
beschie�en uns mit Mitrailleusen, was sollen wir mit Lilian und den
Schw�nen und dem sk�nischen Sommer? Wir laufen und frieren und halten das
Gesicht in die Schlo�en.

Das Schiff schlingert, der Himmel wird schw�rzer, Cederstr�m bleibt zur�ck,
er schaut wie ein Vieh und will in die Kaj�te, ich halte ihn nicht, soll er
ruhig schlafen oder speien, er kann tun, was er will.

Ich laufe weiter, immer auf und ab das Verdeck, ich halte nie an, ich sehe
die K�mme der Wogen an, sehe die M�ven zur�ckschie�en �berall von dem Meer
zu der schwedischen K�ste, sie schreien und schweben stolz auf dem Sturm.
Ich sehe deutlich nach allem, beobachte, wie aus der Mulde sich die
schwarze Welle hebt, aufsteilt und in sich selbst die wei�e Krone
aufbricht, die sich heraufschmei�t.

Ich gehe immer noch hin und her, nun bin ich allein auf Verdeck, ich sehe
oben nur manchmal das Auge des Kapit�ns, es ist grau und ironisch.

Mir ist sehr wohl in der Unruhe, das geht so Stunden, ich rauche immerzu,
ich f�hle mich immer wohler, ich erinnere mich nicht, in den letzten Tagen
so gl�cklich gewesen zu sein wie jetzt, wo ich elend verhagelt auf dem
Schiffsdeck hin und her laufe und lavieren mu�, da� mich das Schiff nicht
abkippt.

Ich schaue auf, an der Gaffel ist ein interessantes Schauspiel, sie ziehen
einen B�ndel hoch, er fliegt immer beiseite in dem Wind, wie er oben ist,
entfaltet er sich m�chtig, die blaue Fahne mit dem gelben Kreuz weht
knatternd.

In diesem Augenblick sticht die Sonne durch, die Kreidefelsen R�gens stehen
vor uns, sie stehen so dicht und wei�, da� sie zuerst blenden; als ich die
Augen wieder �ffne, schreit jemand:

�Die Grenze.�

Ich l�chle, die �berfahrt ist zu Ende, die Wolken verzogen, ein guter
Mittag taucht mit R�gen auf, ich z�nde eine Zigarette an, und l�chle in
mich hinein.

Pl�tzlich rei�t es mich auf, ich zerfetze vor Schmerz, ich will die H�nde
irgendwohin pressen, ich wei� nicht wohin.

Da macht sich der Mund auf, weit.

Ich schreie.

Ich sehe in dem Schrei.

Ich liebe nicht Ebba, ich liebe nicht Siv. Die Grenze kommt n�her, die
Grenze lockt und schlingt. Ich suche Cederstr�m, wo bist du, mein Bruder?
Ich kann nichts mehr sehen, verh�ngnisvoller Irrtum mein Bruder Cederstr�m,
ich habe umsonst gelebt.

Ich bin elend, allein, ich halte mich an dem Gel�nder, meine Lippe h�ngt
herunter, ich starre auf das Meer.

Aus dem Meer w�chst immer das eine, ich kann es nicht ansehen, es t�tet
mich, ich rei�e die Augen gierig trotzdem danach, ich kann ja nicht anders,
o wie ich verblute.

Aus dem Meer w�chst S�r�, die Obstb�ume schmettern das Bl�hen gegen den
Basalt, zur Terrasse des Schlosses schreien von der Klippe Kinder: �Mur�.
Die Frau erhebt sich, sie winkt, ich sp�re jede Linie, ich rieche ihren
Geruch, ich empfinde es jetzt erst, ich will etwas sagen, ich wei� ihren
Vornamen nicht, immer noch nicht.

Meine H�nde gleiten herunter, ich habe keine Macht mehr �ber den K�rper.
Ich laufe weg, ich suche Cederstr�m. Ich finde die Kabine nicht, ich wei�
gar nicht, wohin er sich zur�ckzog, ich gehe auf Verdeck hin und her, immer
allein, niemand geht sonst auf dem Verdeck, ich rede immerzu. Ich sehe das
Meer nicht, was soll ich das Meer beschauen?

Ich sehe die geschorene Steppe, ich sehe Engl�nder, die Golf spielen, es
gibt keine andere Welt, in der ich lebe. In Segelyachten liegen
wei�gekleidete M�nner, das Blau der Nordsee wiegt die wei�e st�hlerne
Melodie der Bl�ten.

�Ich will nicht wissen, da� Ihre B�rger Elende sind wie alle, sch�ne Frau,�
sage ich l�chelnd, jetzt verstehe ich erst meine Stimme, jetzt kommt es mit
einem gro�en Durchbruch aus der Tiefe, wie woge ich, wie bin ich m�chtig
und wundervoll gespannt, aber wie elend geschieht mir, was habe ich von dem
allem, die Grenze liegt vor mir, die Tatze ist schon gegen meine Stirn
gebeugt.

Ich Armer, wie war ich geblendet, wie war ich geschlagen.

Wie liebte ich diese Frau und wu�te es nicht.

Die Grenze r�ckt n�her, ich kann mich nicht bewegen, am Reeling steht ganz
unten am Heck Cederstr�m. Ich bin ganz schwach, ich kann mich nicht
bewegen, ich schaue nur immer hin, ob er mich h�re, ich stammele: keine
Hilfe von dir, mein Bruder?, nimm meinen Pa�, Cederstr�m, la� mir den
deinen, la� mir die R�ckkehr.

Ich mu� nach Bohusl�n, ich kann dir nicht sagen, warum dies so pl�tzlich,
es geht um mein Leben.

Du kommst mit meinem Pa� auch nach Deutschland, du bekommst einen anderen
auf Eurer Gesandtschaft, aber ich, aber ich komme so zur�ck nach Schweden,
h�r mich, mein Bruder, o Gott, du kannst mich nicht verstehn.

Ich hatte Siv, Cederstr�m, ich sagte es dir heute nacht, ich liebte Ebba,
welche Masken machte mein Herz, um sich zu verbergen, wie durchschaue ich
alles, es ist zu sp�t. Ich hatte noch eine Frau, ich h�tte es nie gesagt,
ich sage es in der Verzweiflung, ich schmerze dich damit, Cederstr�m, ich
bin heute ehrlich wie nie, ich will sie nicht nennen, dies alles ist
nichts, ist ohne Bedeutung, aber dies alles hat mich zugedeckt, ich kannte
mich nicht.

Ich kam l�chelnd nach S�r�, mein Bruder, ich sa� einen Tag vor dem
marmornen L�cheln, ich sah nicht die Tragik, und jetzt kommt sie aus mir
gebrochen, nun kommt sie wie ein Tiger, nun schl�gt sie mich entzwei.

O, du kannst sagen, du kannst fragen, was du willst, Ernst Cederstr�m, die
t�dlichen Gr��e beim Abschied in S�r�, ich sah sie nicht, es ist zu sp�t
jetzt.

Aber, wie habe ich diese Frau geliebt und habe es nicht gewu�t . . . . . .

Ich gehe allein auf dem Verdeck, ich sehe Cederstr�m nicht mehr, vielleicht
hat er nie am Gel�nder gestanden, wie kann ich das jetzt unterscheiden, es
schiebt sich zuviel ineinander.

Die Sonne f�ngt an zu scheinen. Ich gehe immer, auf ab, auf ab. Die Sonne
brennt, da ist wieder Sommer und Silber, das Meer beginnt zu riechen.

Ich ringe die H�nde.

Es kommen Passagiere. Die Grenze r�ckt n�her, ich bin am Zerspringen, im
Hals ist eine Starre, h�tte ich nur wenigstens Atem.

Die Adern der Augen tun mir so weh, da� ich zu weinen beginne, ohne da� ich
es will.

Da kommt eine Ruhe mit einem Mal, was ist es, was mich so klar macht, ich
schaue mich um, ich sehe nur neugierige Gesichter, ich schere mich gar
nicht darum, ich schwebe, ich bin so selig, ich wei� nicht, warum.

Nun hat es sich entschieden. Die Frucht ist gefallen.

Das andere Gesicht ist herausgetreten aus der Tiefe, es be�ngstigt mich
nicht mehr, es hat sich frei gemacht, ich habe keinen Spiegel, ich kann es
nicht sehen, aber ich wei� es, ich f�hle es, es ist da.

Das andere Gesicht wird verschwinden, das helle, das mich zu Ehrgeiz trieb,
zu Erfolg gepeitscht hat, es wird verschwinden, es wird das neue nicht mehr
besiegen, eine Schlacht ist geschlagen, es hat gesiegt in mir, aber ich,
mein Himmel, aber ich bin kaput.

Doch bin ich fr�hlich, es ist nichts da, was mich verwirrt, ich bin nun
eins seit Wochen zum ersten Male, ich bin eins (aber schaut nicht auf das,
was blieb).

Wenn ich nach Menschen jagte, nach Handlungen hei� griff, immer war mir,
ich m�chte lieber r�cklings in Wiesen liegen gleichzeitig und Wolken
wandern sehen mit ihren sch�nen fliegenden Schatten. Ich sp�re das genau,
ich habe das immer empfunden, in jedem Tag der Gesch�fte, im Traum, im
Schlaf.

Das wird mich nun nicht mehr zerteilen, ich werde nicht mehr mit mir im
Streit sein, aber mu�te ich es so bezahlen, ist es zuviel nicht, was mich
das kostet?

Ich habe eine Schlacht in mir gewonnen, aber was habe ich geopfert? Ich
habe mich selbst zur Strecke gebracht. Ich sehe mich um.

Wie bitter ist mir unter den Menschen.

Sie schauen mich alle an. Bin ich verwandelt? Ich recke die Schultern
zurecht, ich streiche die locker gewordenen Haare nach hinten zurecht, ich
setze das Bein, da� die Hose gut gekantet darum schwingt.

Ich l�chle vor mich hin, ich bin wirklich nicht verwandelt, ich verlor nur
ein wenig die Balance, es sollte auch das nicht sein.

Ich l�chle vor mich hin, ich werde in keine W�ste gehen, ich habe mich
nicht ver�ndert, ich fahre mit Auftr�gen zum Balkan, ich f�hre sie aus. Ich
werde mich keinen Folgerungen entziehen, meine Wege waren gut, die Ziele
verst�ndig, nur meine Einstellung, nur mein Herz war falsch gerichtet, das
konnte ich nicht wissen, ich konnte es nicht �ndern, das �nderte sich gar
sehr von selbst.

Ich liebte die Schwierigkeiten wohl, o wie fliegt mein Leben vor�ber, wie
leer, wie rasch ist das abgewickelt, worum ich mich so sehr bem�ht, ich
liebte Gefahren, war anst�ndig, auch ohne mich innerlich darum zu m�hen.

Wie sehr bin ich gedem�tigt. Wie eitel und gering st�rzt das meiste von
fr�her.

Wie deutlich sehe ich in dem Schmerz, der mir nichts verd�stert, der alles
wundervoll erhellt. Wie weniges hat heute mehr Macht �ber mich.

Bojen schellen, die Schorne pfeifen, die Kreidefelsen sind zum Greifen, da
werde ich noch einmal schwach.

Ich sehe Cederstr�m nun deutlich, er ist es wahrhaftig, ich gehe zuerst
langsam, dann st�rze ich auf ihn zu, ich falle auf die Knie am Verdeck vor
allen Passagieren:

�Dein Pa�, Cederstr�m, Dein Pa�, mein Bruder.�

Ich sehe auf, mein Bruder Cederstr�m wankt, ich sehe sein Auge, er ist
betrunken, er erkennt mich kaum. Ich l�chle wieder. So soll es sein.

Ich gehe ruhig weiter, es war ein Ausgleiten, kann man denken, ein Mi�fall
war es. Ich werde nicht mehr schwach sein, ich bin ganz sicher nur auf der
Orangenschale ausgeglitscht.

Ich werde die Frau nicht mehr sehen. Ich nehme es auf mich, wer sieht es
mir an?

Ich zahle alles damit ab.

Ich b��e jeden Tau, der mich in Barseb�ck erfreute. Ich b��e die V�gel, die
mir eine Lust sind zu h�ren. Ich b��e meine graden Glieder. Und da�, wenn
Menschen in meiner Macht waren, ich meistens sauber und verantwortungsvoll
war. Ich b��e alle Tage mit Frauen und meine sch�nen Jugendjahre. Auch da�
ich gl�ubig bin im Grunde und ungern unrecht tat. Ich b��e mich selbst, wer
kann es mir wehren, ich zahle das Schicksal, es nahm sich gutes Honorar.

Es gibt so viele Dinge noch, auch die schlechten, wenn ich mich besinne,
die ich zahle, es gibt so vieles, was ich alles b��en kann.

O Gott, wie vieles mu� ich heute �ber mich denken, ich bin es nicht
gewohnt, ein Stein ist in mich gefallen, ich kann es kaum ertragen, was
sich anschwemmt an den Ufern. Ich fasse an die Schl�fe, ich ertrage es
kaum.

Ich sch�ttle Cederstr�m, f�hre ihn bis ans Heck, setze ihn neben mich auf
die Bank und halte ihn gerade. Ich schreie ihm ins Ohr:

�Habe ich keine Z�hne mehr, Hochstapler, haarlos, kein Geld, keine Frauen,
verrecke irgendwo, o wie denke ich, glaub mir, verdammt, wie denke ich:
waren diese Tage blau, Borgeby hatte viel Sturm, Bjerred ein gelbes Segel
im Mittag drin, Sivs Schultern, welch hinrei�end sch�ner Gedanke in solcher
Aufmachung gedacht, lache nicht, Cederstr�m: die Pomade ihres Haares.

Wenn ich sterbe aber, Cederstr�m, gibt es nur einen Gedanken von heut ab:
wie habe ich diese Frau geliebt und wu�te es nicht.�

Ich sehe hinaus auf das Meer, wie glatt, wie zahm. Ich kann Cederstr�m
nicht halten, er hat verglaste Augen, er ist betrunken wie ein Norweger, er
stammelt: �Pomade�; er hat mich nicht verstanden, es soll so sein.

Ich lasse ihn fallen, er f�llt auf die Rolle, er schl�gt sich den Kopf auf,
ich kann es nicht �ndern, ich schaue immer nach dem Meer.

Ich fange aber pl�tzlich an, atemlos zu laufen.

Der Kapit�n kommandiert laut auf seinem Steg, Matrosen huschen barfu� mit
Seilen und Tauen. Die Pf�hle starren schwarz aus dem Wasser, wir haben
Gegendampf und drehen uns.

Ich unterscheide im Laufen jedermann am Land, selbst den �sterreichischen
Offizier erkenne ich mit dem schiefen C�ppi. Ich h�re die Fahne �ber mir
knattern im Gegenwind. Nun tuten alle H�rner, die Ventile �ffnen sich, das
Schiff knirscht und st�hnt.

Ich komme �ber Verdeck gelaufen, schleudre die Passagiere beiseite. Ich
sehe Cederstr�m fest wie einen Schlafwandler auf den Ausgang zugehen, renne
vorbei.

Ich erreiche die Koffer, ich erkenne meine Zeichen. Ich schlie�e den gelben
Koffer auf, rei�e die Sachen auseinander, erwische einen Schuhsack, Baron
Uxkulls Diener hat ihn gut gepackt, der Schuh f�llt heraus, ich achte es
nicht. Ich schlie�e zu, ich hebe mich schwerf�llig am Gel�nder.

Ich habe ein buntes vielfarbenes Tuch in der Hand, ich rei�e die N�hte auf,
ich hebe mich breit in der H�he, ich winke zweimal mit frischen Rufen,
immer in die Luft.

Dann f�hre ich das Tuch �ber mein Gesicht, mein Gesicht formt sich hinein.
Mein Herz klopft mir aus dem Tuch in mein Gesicht.

Ich drehe mich langsam ab von der schwedischen K�ste.




Frauen


Man stirbt nicht vor Trauer. Man hat das Meer zum Anstarrn, m�de der
Herzen, die verf�hren und peinigen. Die gro�en Nebelwolken, die mit Sausen
wie Batterien angefahren, haben die K�ste ver�det. Man hat die Nebel
zwischen sich und den Leidenschaften, das ist Einsamkeit.

Man leidet an den stumpfen bleiernen Gurten, die das Meer gegen den Himmel
spannt, mit unaufh�rlicher gl�cklicher Monotonie. Die Dunkelheit des
Herbstes hat sich gepaart mit den Gedanken, die die Ruhe durchdringen und
in den Wolken ausbluten, wenn der Abend sie entflammt. Die Sicherheit,
jenseits der Eitelkeit, der Siege, Wunden, Triumphe, all des Geschichteten,
Reibenden, all der Unrast der Menschen, verfallen zu sein einer
Traurigkeit, die man grundlos erleidet, aber die man liebt, das hat einen
unbeschreiblichen Glanz der Melancholie entfacht.

Da gehen perlmutten graue Nebel und ballen sich starrauf vor den Mond wie
eine Armee. Das Meer blinkt ausgetrocknet, metallen und hart. Die D�nen
haben den Atem der Traurigkeit aufgenommen und tragen sie mit dem Reichtum
einer dunklen Melodie davon. Das ist, wie man lebt, den Kopf in den H�nden.

Da sprengt Kerstin quer durch einen Traum auf ihrem wei�en Grey Lad. Man
birgt die Augen in der Einsamkeit. Man kapituliert nicht in der schmerzlich
dampfenden Landschaft vor dem nackten Blitz. Das hohle Schweigen des Windes
hat die Erscheinung an den silberstarren Horizont getrieben. Die Nacht hat
sich mit einem verhaltenen Ton dunkel ausgebreitet, die Ruhe hat sich an
das Fenster geschmiegt. Das herbstliche Klirren der Brandung d�mpft das
erl�schende Fieber: fort von den Leidenschaften, die leer machen und
verzehren.

Da tritt Kerstin aus dem Geruch des Bodens, ihr Bild steigt �ber die
schr�gen Gl�ser der T�ren und, hinaustretend, �berf�llt ihr Wesen einem,
wie ein Nebel durchdringt sie das Blut, unersch�pflich. Es saugt einem
voll, grenzenlos, wie einen Schwamm voll ihrer Gegenwart. Das Meer ist bla�
geworden. Die D�nen zittern fl�tenhaft erregt: man geht von neuem aus der
Einsamkeit hinaus.

Man l��t den Tiefsinn zur�ck. Tage, Stunden, Wochen, fallen ab gegen den
kristallenen Himmel, die in Traurigkeit sich tief erf�llten. Was war es?:
Gl�ck.

Man hat das Meer nun nicht mehr zum Anstarrn. Doch man stirbt nicht vor
Trauer. Man stirbt auch nicht vor Freude.

Aber Kerstin zu sehen nur, welch sch�ne und bittere Verf�hrung!

                                * * *

In Schwetzingen fand ich ihre Spur. Den Sommer war sie in Schachen. Die
schweizerischen Berge kamen am Abend mit Lichtern �ber den Bodensee
geflogen. Sie hatte gegen den Herbst in Bocklet gewohnt, das wies in seiner
Verborgenheit auf M�nner um sie. Die Barockfiguren des alten Parks begannen
lang und z�rtlich mir nachzuschreiten, als ich im Wagen nach Kissingen
hin�berfuhr. In Bamberg sah ich durch jedes Mittelalter sie kommen, von den
Portalen und Kirchen herunter sich neigen. In einem Landhaus bei Bayreuth
kreuzte ihr Name sich mit dem eines Mannes. Obwohl unsere Leben sich
voneinander gel�st und entfernt voneinander trieben, traf es mein Herz
mitten auf die Brust.

Ich qu�lte mich weiter. Von nun ab gingen die beiden Spuren zusammen, ihre
Gestalt zog immer tiefer in den Ausdruck des Mannes hinein, der ihr Leben
teilte. Ich begann zu leiden. Zur�ck? Wozu in die Traurigkeiten, die
verbittern mit Einsamkeit?

Ich beginne im Gegenteil zu leben an dem Widerstand, mich zu entz�nden mit
einer melancholischen unerregten Leidenschaft, die nur sehen will und
�berschauen kann. Man stirbt auch nicht aus Leidenschaft.

Ich habe die Tagbezeichnungen vergessen, werktags abends kam ich ins
Gebirge, fuhr an das Schlo�, sie war verreist f�r eine Tour. Man erwartete
sie. In der D�mmerung lie� ich lenken und besuchte Lil Pax. Ich lie� den
Schlitten angespannt, denn sie war im Begriff in ein Sporting-House zu
fahren, die Glocken schellten.

Lil Pax fuhr in meinem Wagen. Der Tod hatte Quartier in ihr aufgeschlagen.
Die �bersch�ne Schlankheit der H�nde und das fiebrige Feuer der gro�en
ruhelosen Augen schienen den Knabenk�rper mehr in den Ruf des Erl�schens zu
ziehen als in das Muskelgekrach.

Als wir eintraten, ging der schwarze Boxer Bambula oben an den Ring und
nickte uns zu. Man massierte ihn darauf, der auf den Seilen lag, und f�hrte
ihm Luft zu, w�hrend der Saal in Erwartung der Schl�ge �chzte. W�hrend der
Time-Keeper schellte, der Unparteiische pfiff, Bambula sich aufblies, der
kleine Ukrainer mit Ballettschritten ihn angriff, der Neger ihn Uper Cut
nahm und niederhieb, sah ich dahinter das Meer, aufgeb�umt. Grey Lad
preschte davor mit Kerstin.

Das zweite Matsch erst brachte den Saal in Verwirrung. Aber w�hrend Frauen
auf den St�hlen dem Neger zuschrien, die M�nner w�teten, Bauernburschen die
Tirolerh�te schwangen, Bambula gleich einer Schnake den Gegner Clinch nahm,
lachend Sawate erhielt und mit grandiosem Bak Spring ihn in die Herzgrube
erledigte, war ich schon tief ergriffen von der K�hle der Frau neben mir.

Lil Pax war unerregt geblieben. Wir fuhren im Galopp �ber die Felder
zur�ck. Mit erschreckender Deutlichkeit kam ihr Wesen aus der schw�len
Ekstase des Saales mit einer �berlegenen Deutlichkeit und einem gewissen
hochm�tigen L�cheln auf mich zu. Sie hatte die geheimnisvollen Beziehungen
des Verzichtes fr�her als alle durchsto�en und von der in ihr reisenden
N�he des Todes eine Ironie um den Mund erhalten, der sie allem entfernte,
obwohl sie nichts floh.

Das Verz�ckte war hinter ihr in schw�rmerischen B�gen abgeschnitten. Sie
hatte jene Gr��e, die sich nicht entschied und weder das Gesicht weg von
dem Dasein wandte und es verfluchte, noch in Bet�ubung st�rzte. Sondern sie
lie�, allem hingegeben und allem entfernt, das Dasein, geliebt und
unbegehrt, vor�berflie�en, w�hrend ihr Mund in schmerzhafter Bl�sse nicht
zuckte. Welches Blut lag dahinter abged�mpft, wenn sie g�tig nickte!
Welcher Sprung, im Ha�, federte und ward nicht getan!

Ich neige mich �ber ihre Hand.

Sie erkrankt, heftiger. Ich werde nicht reisen. Ich richte mein Gesicht
nach dieser Frau. Sie beginnt ihren schicksalhaften Zug, tief und weit
entfernt, �ber mein Zugewandtsein.

Ihr Leben beginnt �ber meinen Horizont zu laufen, ruhig und g�tig, ohne
deutliche Spur, eine Sonne von Westen her immer der gelben und roten Sonne
entgegen, dunkler und unsichtbar, aber im selben Kreislauf.

Damit ist mein Leben eingezeichnet.

Was folgt an Dingen, die Blut, Tag, Rausch bestimmten, ist anders, diesem
Abgewandtes, vielleicht nicht wenig, aber nicht dies. Welche Bedeutung es
hat in meinem Dasein: ob diese Frau das Entscheidende ob das andere, wer
durchschaut das Schicksal? Vielleicht wei� ich es, wenn mein Blut langsam
rinnt und meine blonden Haare so hell geworden sind, da� das Urteil bis an
die Grausamkeit vordringt. Wer kennt sein Herz? Man mu� sich unterwerfen.
Stolz ist ein Spielzeug. Bebauen wir unseren Garten. Man lebt sich schon
hinein in sein Schicksal.

Ich habe die Fahrt nach Kerstin angetreten. Da liegt nun das Leben zum
Anstarrn. Der Kreis �ffnet sich. Da sind nun die Tage, Wochen, die
Leidenschaften, die hineinrei�en in ihren Bann und entz�nden und verzehren.
Haben sie mich erreicht einmal, schwinge ich sie schw�rmerisch wie V�gel
auf. Ich bin dabei. Das ist eine Freude. Hallo. Ich lebe in Begeisterung.
Welche Woche!

Habe ich in dieser Woche nicht zwischen blaugespannten Bergz�gen Venus und
Jupiter in bengalischer Konstellation gesehen? In die flamingone Abendr�te
den Hausberg aufgereckt wie die Begehrlichkeit einer wilden Sau? Ist die
Natur nicht mit Lawinen und sausenden Gletschern aufgezuckt mit meiner
Bewegung? Hat eine sizilianische Frau nicht unter den Kronleuchtern ihre
Rasse aufgezaubert? Habe ich nicht das Blut der silberblonden Ritterstad
auf der Lippe gesp�rt, der eine Katze die Schneehaut aufgerissen? Haben die
seidenen Fahnen, als wir im Bob passierten, sich nicht gegen den Wind alle
huldigend auf diese sch�ne Frau mit dem lachsfarbnen Mund gerichtet?
Schossen wir nicht aus dem Nickelglanz des Starts herunter auf dem Bauch im
Rodel, durch die Kurven auf den H�ften hinunter uns wiegend wie im
Liebesspiel?

Welche Woche, Lil Pax, w�hrend Sie lagen! prall, festgef�llt, aufgest�ubt.
Wie bunt. Doch was ist es am Ende?

Es bewegte sich nur. Aber . . . . alles Getane, alles Erlebte kreiste um
Sie, Lil Pax. Das ist nunmehr von allem die Richtung.

Ich sehe Margit, Ihren Liebling. Aber ich erblicke sie nur in der
Verbundenheit auf Ihr Wesen hin, gleichwie mit der unentziehbaren Bewegung
der Sonnenblumen, die dem Gestirn mit ihren M�hnen folgen. Es gibt keine
Frage dar�ber. Das ist Bestimmung.

Ich sehe Margit. Ihr Hund hei�t Lorm. Ihr Lied �O Dolly.� Ihr Herz ist voll
von sch�nen Schauspielern, von Coquelin, Cyrano, Rolla, von melancholischen
Pianisten, im Lyon reitenden schwarzgeschn�rten Offizieren, von Pr�-Catlan,
von Speisen bei Spiegeln mit Kerzen, von Bootfahren am Abend, von Lido, von
Sand und Hitze, von einem Mann mit Namen Claessens, von irgendeinem sch�nen
Capitaine Ettore Cosomati, von einem kriegerischen Colonel Ugolino, von
Melonen, Zirkus, Schokolade mit Zitronen.

Ich fahre mit Margit, w�hrend Sie krank liegen, zwei Tage s�dlich. Ich
kaufe ihr gelbe Calvils, ich zeige ihr Innsbruck. Ich trinke mit ihr den
serbischen Slivovicza. Ich teile mit ihr den Abend, der mit den schon
s�dlichen Springbrunnen verzaubert, und die Honigd�mmerung unter den
Schneeb�gen der H�gel und die lauen Schatten der Madonnenlauben unter dem
Golddach. Ich lasse sie Preise verteilen in der Franziskanerkirche an die
Statuen, sie teilt es dem provenzalischen K�nig zu, dessen Erzbrust hundert
Amouretten �berspielen, der den Visierschnabel frech, gigantisch, der
Unersch�tterliche, Gott ins milde Zinnoberlicht seines Auges hinaufhebt. Es
ist ein rotseidenes Strumpfband, was sie als Preis austeilt, und gibt ihm
ein gl�ckliches Aussehn.

Ich jage sie durch die Begeisterung bis in die M�digkeit. Nun laufen die
Berge der Bahn wieder bei unserer R�ckfahrt entgegen. Ich sehe sie an
gegen�ber, wie sie schl�ft. Mit zerfleischten R�cken sinken die Berge in
schwarze Seide. Flammend mit Stierblut kreist der Geier des Gestirns noch
einmal �ber die Grate.

Sie tr�umt von Pesaro, von einem Teich und ihrem Lackhut als Kind. Ein
R�ntgenologe versichert, sie habe das kleinste Herz. B�te ich nur, sie
vermachte es mir. Es st�nde auf meinem Tisch, kleiner als die Zunge des
Gordon-Setter. Sie wacht pl�tzlich auf, hinein in Begeisterung. Ich sp�re
ihren Atem, sehe sie her�bergleiten. Ein sch�nes Geschenk der Stunde. Ich
versage sie mir ohne Bem�hung. Warum?

Ihr Dasein ist zu nah und zu dicht auf das Ihre gerichtet, Lil Pax. Sie ist
nur etwas wie eine z�rtliche sekundenlange Laune, die Sie verloren. Die
Bewegung dieses M�dchens umkreist Sie zu nahe. Was ist ihre H�fte gegen das
Ma�lose Ihres Todes.

                                * * *

Das Dasein hat zwei Seiten f�r mich nunmehr. Von einer brennt es hell, das
sind die Leidenschaften, die erheben, und die Gen�sse, die man erobert. Ich
erhebe mich und erobere, je weiter von Ihnen, um so voller das Ergebnis.
Ich ziehe das Dasein herein aus seinem �u�ersten Kreis. Ich warte noch
immer auf Kerstin.

Die andere Seite ist das, was sich an Ihr unaufhaltsames Schicksal bindet.
Man schlie�t die Augen. Man soll sich nicht ausbrennen vor Schmerz. Aber,
Liebe, kein L�cheln auch nur vergeht, ohne da� seine Deutung sich bezieht
auf Sie, irgendwie.

Als Rassignac, der in schlechter Zeit mein Freund war, die
Maschinengewehrladung der Polizisten im Bauch, in St. Sulpice lag, spie er
dem Pr�sidenten der Republik, der das Monstrum des gro�en Apachen
beschaute, ein St�ck Lippe ins Gesicht. Dann sagte er ruhig: �Mon corps est
foutu . . . . h� . . . . non pas mon orgueil.� In der Stille seines
Gesichts lag unterdr�ckt derselbe Claironklang, der hinter Ihrem Leben
gellt.

Auch liegt dieselbe K�hnheit der Ideen an der Kurve Ihrer Nase wie bei ihm
eingezeichnet, und daran wei� ich ebenso, wie an der �bergro�en L�ssigkeit
Ihrer H�nde, welch ganz anderes irrsinniges Leben Sie ausf�llt im Grunde.

H�tte der Verderber sich nicht in Ihr Blut begeben und Sie hingef�hrt zu
der Harmonie Ihres Geistes mit jener G�te und Milde, . . . . Sie h�tten auf
der anderen Seite der Seele ein anderes klirrendes Dasein gelebt:

W�ren unter Scipionen mit ehrgeizigem Herzen in Aulen gewandert. H�tten die
pompejanische Seeschlacht geleitet am Bug. Man h�tte zwischen Karlisten und
Rosenroten auf der Barrikade Sie mit der rauchenden Flinte gesehen. Sie
h�tten P�pste mit der glatten Stirn beunruhigt. Als Kreuzzugfanatische
h�tte ein Pferd �ber Singenden Sie auf die Mauer Jeruschalaims getragen. Im
Reifrock h�tte das Gift Ihres Geistes Politik zerschlissen. Schwertscharf
w�ren Sie vor Ihren Leuten unter die Elephantenb�uche gerannt, makkab�ische
K�nigin. Ihr Ha� h�tte geschlagen. Ihre Liebe grausam geflackert.

Am Ende erst, vielleicht, auss�tzig, alternd, verlassen, einen Dolch im
R�cken, w�ren Sie der liebenden Gr��e nahgekommen, mit der Sie heut
�berschauen, was sich heranw�lzt auf dem Schicksal.

O Sie haben mit Ihrem Finger manche Nacht, Lil Pax, an den Tapetenmustern
von Davos und Arosa jede Zuckung Ihres zur�ckgeworfenen Blutes
nachgewandert mit den gepflegten N�geln:

Sind in afrikanischem Aufstand verschleift, haben als M�rtyrin, sich
verschenkend, Weg geebnet, standen hinter den Getto-Feiglingen als
Peitsche, gingen unter Spaniolen steil, die Stolze, hatten Hochmut,
Verachtung. Ach und schwangen in der Inbrunst der Fiebern�chte, Steine,
Schmuck, L�cheln um den Mund, da und da und dort, in die Leidenschaften
hinein bis an den bittersten Ehrgeiz.

Jeden Morgen aber waren Sie zur�ckgeworfen in den K�rper, der, verseucht,
aus allem vertrieb. Sie haben mit einer �bermenschlichen Bewegung der Seele
langsam gut gel�chelt mit dem Partner Tod.

Dies L�cheln ist die Lebensrichtung geworden f�r den, der Ihr Dasein
streift. Man st�rbe gern f�r Sie. Was an Versagtem in das Gef�� Ihres
K�rpers zur�ckfiel, geht in zarter Helle und Herrschaft des Geistes wieder
von Ihnen aus.

Selbst wie Sie den wilden Regenb�gen, die �ber den Hausberg flattern,
nachsehn, ist eine Leidenschaft, die Sie den N�chten abgerungen. S�� mu�
der Tod sein, der im Nahen schon so sch�n verwandelt.

Aber zum Erbleichen furchtbar der Abstand zwischen dem Ziel, dem feurig
Ihre Bestimmung einstmals ehrgeizig zugeflogen, und dem Ausdruck, mit dem
Sie nun entsagend l�cheln.

In der Mitte das Leid. Aber welch ein Ausgleich! Als Sie der Bonne Ihre
Tibetgarnitur schenkten, war es dasselbe, als wenn Sie, ohne dies
Schicksal, auf der anderen Seite des Schweifens, Kunstreiterin, dem
englischen Gesch�ftstr�ger Vitriol aus dem Sattel in die Loge aufs Gesicht
geschleudert. Ihr unterdr�ckter Husten bei dem Besuch des alten russischen
Admirals gleicht aus, was Sie an Triumph, T�nzerin, auf die Spitze des
bolognesischen Balletts unter Blumenw�rfen gehoben. Der Charme der
Teestunde, der an Ihren Geist anbindet, w�re nichts andres gewesen, als da�
Sie, Dompteuse, das Panthermaul schl�ssen, mit der Pistole einen
etruskischen D�rfler get�tet. Entgleiste Lokomotiven, fliehende Ballone,
aufbrennende Opern haben den Anla�, aus Ihrem anderen verhinderten Leben zu
springen, wenn Sie mit gleicher Milde, als s�hen Sie die sieben Freuden
Mari�, in den Schlaf Ihrer M�digkeit hin�bergleiten.

Aber, was an Macht �ber Menschen in Ihnen ruht, wie wenigen der Epoche, was
an Zauber Ihrem K�rper, an hingebender Grazie Ihrem Hirn, an
unaussprechlicher S��igkeit Ihrem Geist gegeben ist und allsamt Sie in eine
Bedeutung erh�ht hat, deren �berlegenheit Sie am deutlichsten sp�ren
. . . ich wei�, Sie g�ben es mit eisigem Gesicht, stellten es beiseite mit
dem Madonnigen, dem Zauber, dem Wissen, Sie w�rfen als Hundebissen in die
Gosse das Milde und Gute, Sie spien aus das Dulden . . ., wenn Ihnen, schon
Jauchzende, daf�r getauscht sei: prall, st�hlern an Leib, vogelhaft atmend
mit den Lungen, eine Woche nur noch einmal in H�lle und Seligkeit, mit
einem Mann, den Sie lieben, durch die Helligkeit Kopenhagens, durch die
Schiffe, den warmen Prater, einen vernarrten Fr�hling Merans zu toben.

Doch man soll die W�nsche nicht wecken. Man stirbt an den W�nschen.

Sie tragen jedoch Ihr Ausgesto�ensein mit solchem Gleichmut, da� ich
manchmal in der Gewi�heit nicht zweifle, da� Sie zu gleicher Zeit wohl auf
einem anderen Gestirn in einer behenderen muskul�sen Figur alle
Leidenschaften, die hinter Ihrem hier abgegrenzten Dasein st�rmen, mit
selbstverst�ndlichem Frohsinn und einer gewissen Leichtigkeit in der Gr��e
des Ausma�es durchfahren.

Hier aber sehe ich wie keiner die schmerzliche Zusammengezogenheit Ihres
Lebens.

Und ich kann sie nicht vergessen.

Die Leidenschaften haben sich umgedreht. Was mich aus allen Betten und
Fiebern und L�ngegraden meiner Erde zu Ihnen gerissen, hat sich unter
diesem Schicksal ver�ndert. Das ist zu einer wohltuenden Fremdheit
geworden, die in schwesterlicher Inbrunst meinen Herzschlag begleitet in
einer meinem Blut nicht zug�nglichen, sch�n �bergl�henden Welt, h�her als
jene dieser Dinge, die mich hier hart verz�cken und in Begeisterung fangen.
Das ist unser Leben.

Die Lawinen br�llen durch die Woche und gr��en Sie aus der Mondsteppe wie
wilde Tiere. Der Himmel hat eine amethystene Schaukel um Ihr Haus gelegt.
Morgens stehen mosaische Signale, S�ulen feuriger Wolken auf den Spitzen
des Gebirgs. Die Natur bereitet Ihnen Verehrung.

Auch die Abschiedspolon�se auf Skiern f�r Marga Ritterstad und Margit,
Ihren Liebling, hat sich als Huldigung gerade Ihrem Haus gegen�ber hoch im
Gebirge geeint. Die Midussi hat ihr sizilianisches Gesicht zur Kom�die mit
einem roten Turban geschm�ckt. Alle schauen auf das Zeichen. Der Riemen
Margits l�st die Schleife: �Azt a kutja faj�t.� Die Schn�bel der Skier
haben sich auf Ihr Talhaus gerichtet. Da quillt wei�er Wolkenschaum um die
Gipfel des Kessels, die Sonne, aufrauschend dunkel schmei�t ihn zur�ck.
Schmetternd wie eine Posaune kreuzt sie �ber dem Tal.

Mit einem verderbten Schrei wirft die Midussi die Fahne zur Abfahrt und
gibt den Start. Nach Ihrem Haus zu verzischt Ihre Linie im Geb�sch. Die
Ritterstad f�hrt wie ein stolzer Fasan. Man soll die Diva nicht tadeln,
weil alles sie liebt. Heller Strich auf Strich saust eins nach dem anderen
ab nach Ihrer Villa auf dem bl�ulichen Schnee. Mit Hagebutten in der Hand
macht Margit noch Telemark und schaut herauf, dann saust sie hinunter zu
Ihnen durch die Latschen. Alle schreien Ihren Namen, die Sie, auf dem
S�dbalkon Ihres Hauses, das Glas �ber den Augen, diesen Herabflug aus den
H�ngen auf sich zukommen lassen, beherrschten Mundes wohl, wie jede Ihnen
unaufhaltsam nicht mehr zugeh�rige Bewegung.

Ich st�rzte, �ber Heidekraut, sechs Meter ein Hecht durch die Luft, eine
Parade der Arme, ich fiel auf die Erde zur�ck, der Bergkreis gl�hte, blau,
dann schwarz. Als ich aus der Ohnmacht aufwachte, sah ich Ihr Haus, Lil
Pax.

Ich habe mich aufgerichtet, die Stirn ist zwar verdellert, die Knochen aber
sind heil. Ich habe den Fahrtrausch noch im Blut, das Risiko der St�rze
noch im Hirn, der Tod hat mich nicht ged�mpft. Ich bin voll K�hnheit und
Begeisterung. Verdoppelt empfinde ich Erregung in mir laufen und Begl�ckung
aufquellen satt und voll. Das br�llende Tier des Gestirns braust gierig
durch das Blau. Ich f�hle mich umschwungen von den Menschen und der F�lle
ihres Atems und der Farbe der starken Empfindung, mit der diese alle ihre
Leben hier gelebt.

In dieser Sekunde der H�he aber rei�en die Menschen ab aus der Melodie. Die
Woche, die sie f�llten, gleitet zur�ck zu Ihnen, wie zum Mundst�ck eines
Instrumentes.

Sie nehmen es, schlank, und scharf aufgerichtet in die Hand, f�hren es an
die Lippen: da st�rzt sich alles in Sie hinein, begierig, da� Ihr Atem ihm
erst Gesicht gibt und es brennend hinauswirft. Was ist um mich all das
Get�mmel? Ein Teil von Ihnen. Ich sehne mich in Ihre Einsamkeit aus aller
meiner F�lle.

Ich sp�re Sie in meinem Leben als die Bringerin. Im Seedorf der Vogesen, in
der Entferntheit der Blumeng�rten Immenstads, in Norrbr�, im fensterlosen
Gemach meiner Heimatjahre sp�re ich Sie als die gr��ere Vielfalt. Denn wenn
Sie wollen, werden Figuren und Reihen der Menschen auf der Ebene der Wand
mit der Musik ihres Blutes erscheinen, beherrschter und gl�nzender als die
meines Erlebens, so als bliesen Sie sie in Wahrheit auf kleinem goldenem
Instrument zart her�ber aus der Einsamkeit der �berwindung in meine
Einsamkeit der F�lle.

Ist dies der Abschied?

Ich kann, begl�ckt von dem wilden bronzenen Schild, das die Sonne �ber die
Steppen sch�ttelt, sportiv, kr�ftig, Strapazen �berlegen, ich kann meine
barbarische St�rke nicht mehr dem Zauber entgegensetzen, der, aus
Verh�ngnis und Versagtem gebildet, Ihr L�cheln ist. Es ist zu schwer, wenn
man so Gro�es durchschaut, an sich zu glauben.

Sie winken ab mit der Hand: Sie lieben mein Leben. Sie glauben an den
Reichtum selbst meiner Melancholien und sind erf�llt von dem Aufgerichteten
meiner Phantasie. Sie haben Leidenschaft f�r meine Welt. Sie sind neidlos
entz�ckt, wenn ich diese Welt in die H�nde nehme, mit Fingern und Z�hnen
den Saft auspresse, Sie lieben das Bunte, verehren die St�rke, Sie glauben
an die Sch�nheit des wilden Bildes und die Gr��e des erregten Blutes.

Was aber ist es gegen Ihre Welt? Man kann sich nicht finden. Welche Tragik,
da�, was Ihr Elend ist, ich liebe, da�, was mir ein Nichts ist, Ihnen
erhaben scheint. Man soll sich nicht bel�gen. Wie kann man genie�en, was
den anderen qu�lt? Es ist bitter genug, mit Verantwortung zu leben. Bebauen
wir unseren Acker und entfernen wir uns von den Qualen, die wir nicht
mindern k�nnen.

Ich habe mich aufgestellt. Die Augen brennen aus der Ohnmacht noch auf dem
Schnee.

Als mich die Bretter in weitge�ffneten Schw�ngen ins Tal hinunterziehen,
sehe ich keine andere Bewegung als die aus diesem Zustand in den der
Entfernung.

Ich bin ein t�richter Mensch und z�chte mir Qualen, statt sie leicht zu
nehmen und mit Selbstverst�ndlichkeit zu bezwingen. Ich mache sie gro�,
weil ich sorglos bin. Man k�nnte leichter leben.

Wie ich die Skier unten l�se, hindert mich nichts mehr am Abschied.

Am Abend kam Kerstin.

                                * * *

Am Abend kam Kerstin in mein Haus. Musik ging vor ihr her, und die Berge
schimmerten n�her von ihrer Bl�sse. Die Sarabande des Sturzbachs formte
�ber ihrer Schulter etwas wie undurchsichtigen silbernen Regen.

Sie griff einen Stuhl bei der Lehne.

Ich dachte:

         Man solle vor wilde Tiere sie f�hren und
in Versammlungen, wo der alte Fanatismus der Menschheit ins B�se bricht,
damit das Gleichma� vom Ineinanderflie�en der Beine und des Bauches und die
r�hrende Sch�nheit des ersch�tternd schlanken Gesichts die Stille ausl�se.
Br�llende w�rden l�cheln, Tobende dem�tig werden an diesem K�rper.

Keine der Frauen, deren H�fte mein Fr�hling, deren Brust mein Weglager
waren, die ich Jahre hindurch schmerzlich durchwandert, hatten soviel Macht
als dies ledigliche Dastehn.

Sie hatte, wenn sie l�chelte, etwas, was schon zerflo�, und das
orchideenhafte Rosa der Bluse schien aufgel�st �ber der alabasternen H�he
der Brust.

Sie nickte, als sie aufstand.

Sie ging.

Und entzog mich mit dieser Bewegung jedem Gedanken und Koffern, die den
Abschied erdr�ngten, und mit einer m�rchenhaften Hebung der Achseln beweist
sie, da� ich ihr Haus sehen soll, nicht allein das ihre mehr, und die Luft
beh�lt diese Rundung der Schulter wie einen Abdruck.

O Sommer, den wir gl�cklich waren, die Hindin und jener, der mit ihr �ber
den Rasen lief:

Als jener See damals nichts war als ein Spiegel f�r ihre Schlankheit, der
manchmal selbst in seiner blausten Verj�ngung zu schwer schien, soviel
Anmut zu tragen, aber mit schwingenden Uferfacetten sie von neuem fa�te in
einer Demut und Geduld, die uns �berraschte . . . .

Als Lella neben ihr ging, die �gyptische K�nigstochter, und von der braunen
Vierzehnj�hrigkeit ihrer Knie und der H�ngelocken �ber den Ohren die Reiter
hingezogen hielten, und deren Beine so hoch und �berlegen standen wie das
schwarzseidene Trikot um ihre engen H�ften -- -- und als ein Rascheln
deines Kleides uns mehr schien als Lellas ganzer Leib, um den zu sehen
selbst die f�nfzigj�hrigen Landr�te und Rennstallbesitzer L�cher in das
Damenbad bohrten, und deren Besitz uns doch die tragische Unerreichbarkeit
ihrer Jugend erh�hte . . . .

Als sie im Stern von Gudrun sa�, und wie eine Weiberbrust unser Segel im
Mondschein flauschte und sie pl�tzlich das Wasser k��te mit einer j�hen
Bewegung �ber Lee und ich tagelang dachte: sie hat den See gek��t, meine
Freundin, was soll nun das Leben, es ist so silbern geworden. Wir ertragen
die D�mmerung nicht mehr . . . .

Als durch die Dorfstra�e auf dem geschm�ckten Narzissenmotor die Hochzeit
kam mit vielen Offizieren und Orden, und in der Dorfkirche der S�nger im
Requiem stecken blieb, wie er sie an der S�ule sah . . . und pl�tzlich alle
von dem Priester sich umwandten, sie anzustarren, als sei sie aus der S�ule
gehauen und fl�ge mit ihr auf abgesenkten Fl�geln in die H�he, nachdem eine
Sekunde ihnen unwiederbringlich die H�ften des Paradieses gezeigt.

. . . und als nach einer Woche alle Skil�ufer, Dirigenten, Spieler,
Arbeiter, Segler, Fischer, Bauern, Bankiers nichts wollten, als da� ihr
Blick auf kurze Zeit auf ihnen ruhe -- -- und wir den Berg in der Fr�he
erstiegen, die Alpen ausgebreitet lagen tief wie die Kolonnen der Engel
. . . und sie gegen die siebenfache blaue Staffel des Horizonts vorging,
die Hand hob und nun kein Blut, kein Fleck der Haut es anders wu�te, als
da� ihr L�cheln nur, ihre Hand allein sie weich und schwebend erst formte,
Amaranth hingab und seidige H�rte -- -- und als sie bei mir war unter dem
Park und aufschrie, und am Morgen im Pyjama durch den Taugarten ging, und
die vier Nachtigallen wie ein Gewitter rasten zu einer Stunde, wo
bedingungslos sie sonst schwiegen . . . . .

         aber das Trommeln
und Steigen ihres Gesangs so zerschmetternd war, so sehr nahe der H�he der
Lust, da� ich den Scheitel des Sommers erbebend unter mir f�hlte und wu�te,
nach so ungeheurem Erf�llen k�me nur ein hinab . . . . . . -- -- --

Was ist geworden in den Jahren, die ich im S�den ein Hund war und Suchender
und W�stling und nicht gedachte an deine gro�e Sch�nheit -- und zwischen
Segelfahrt und hellenischem Fr�hling nichts die Zeit �berbr�ckte zwischen
mir und unseren zartesten Sekunden -- -- und was hat dich in anderen Armen
verwandelt und hinter welchen Mannes Gef�hl ist dein Gesicht verborgen, da�
nicht einmal der irrsinnige Hochmut deiner M�dchenhaftigkeit mir vertraut
und nah ist, mit dem dein Blick mich ans Kreuz schlug, als ich am Ufer dich
ansprach mit dem Wort zu scharf und leicht f�r deine frauenhafte Bedeutung
. . . . . und da� nun, wenn du fremd in deinen Kleidern hinausgingst, die
Sehnsucht nach deiner Entferntheit und die weite K�hle deines L�chelns mich
tot machen, meine Freundin?

                                * * *

Zwei Tage mied ich Kerstin, zwei Tage lief ich mit der Midussi.

Wenn sie die Locken sch�ttelt und feig vor der Schu�fahrt in die Knie geht,
und die prinzessinhaft im Nacken geschnittenen Haare ihr in die Z�hne
flattern, h�ren selbst die erregtesten Weiber auf, sie mit Steinen zu
werfen und zu begeifern, ihrer engen Skihosen halber, sie selbst aber ist
nie abgeneigt, mit dem Schrei loszufahren, zu kratzen und die angesammelte
Meute sechs- und achtj�hriger Knaben, Eiszapfen schwingend, zu sprengen.
Zehn M�nner, die den Kranz ihrer Kali-Syndikat-Millionen anzubeten
lediglich nicht m�de zu werden hofften, fiebern nachts nur noch von ihren
spielerischen, lesbischen Beinen.

Sie hat eine Locke zwischen den Augen in der kleinen Stirn, und das
achtzehnj�hrige sizilische Gesicht ist krank, b�s, sch�n gespannt in der
aufregenden, von ihren Blicken verdorbenen Luft um sie.

Sie qu�lt, l�chelt und ist k�hn genug, im verruchtesten Loch mit der gro�en
wei�en Perlenkette dem Schwarm der Bauernmasken sich zu mischen, die, durch
ihre Holzmasken wie Hunde heulend, im Kilometerradius einen Zirkus von Tanz
um die Gebirgskette schlagen, und aus deren Weiberr�cken und wilden F�usten
sie heiser lachend entgleitet, den Saal hinter sich zur�cklassend,
aufgepeitscht bis ans Geheul.

Ich wei� nicht, ob sie mich ha�t, aber es mag sein, da� dies ihre Liebe
ist.

Die Syrakusanerin l��t den Schlitten voraus fahren, Schellen klirren sacht,
hell. Wir kommen auf den Pfad, wo die Angeh�rigen eines religi�sen Hotels,
mond�ne Nonnen, an uns vor�berstreichen. Es geschieht, da� die Midussi, die
Z�hne im verbrauchten Gesicht, sagt, da� Picard zum drittenmal ihr an den
Hals gedroht, f�hre sie nicht nach M�nchen -- -- f�rchtet sich, schaut
schr�g auf.

Wir lachen. Da es auf diesem Weg ist, erf�llt sich unser Gel�chter zu einer
Schleife, die am Hausberg sich hinaufsingt, oben fast donnert.

                                * * *

Samstag kam ein Brief von der gro�en Diva.

Marga Ritterstad.

Lil Pax las ihn. Als gespenstische Schaukel schwingt der
Wachsensteinobelisk sich aus Geschleier und zur�ck. Unsere Augen treffen
sich dazwischen.

Die ihren meinen: auch der metallene und schmale Stolz der Spaniolin k�nne
soviel Blondes liebend anerkennen, denn es sei gut und von gewisser
Bedeutung, und, wenn man vieles leide, sei manchmal auch das Zweckloseste
sehr viel.

Ich sage:

         �Hat man je den Mut gehabt, das Spiel auf
das Strenge zu richten. Man verzeiht. Man l�chelt. Niemand klagt an. O,
wenn ich die Kinos alle h�tt in meiner Hand!

Als ich einmal jene drei Tage mit ihr durch alle Caf�s und Theater und
einen unverge�lich perlmuttenen Fr�hlingstag geglitten, und aus einer Loge
sie durch pl�tzliches Schneegest�ber in die Bahn gebracht, blieb etwas wie
Verzauberung �ber den Stra�en h�ngen . . . . denn soviel Liebe sie
empf�ngt, strahlt sie zur�ck.

Man kann ihrer Spur folgen durch die W�ste. Morgens kam ich nach N�rnberg,
lag im Bette, telefonierte dazwischen, durchschlief den leeren Tag. Am
Abend �berwogte mein Auto aber die Br�cken und H�gel der Stadt, ich fuhr
von Kino zu Kino in der von der D�mmerung entz�ndeten Sehnsucht, die Blonde
zu suchen, und ich erregte am Egidienplatz einen Auflauf des Volkes, das
dort noch nie einen Wagen gesehen, wo ich in der Baracke sie fand.

Wie lieben die Menschen die Kostbarkeit ihrer Haut und die erlesene Haltung
ihrer Augen!

Piccolos zittern knabenhaft und ohne Frechheit, denn ihre Tr�ume haben nie
geglaubt, da� so Herrliches wahrhaft an Restaurationstischen atme und
speise.

Kellner verbeugen sich gleich vor der selbstgeschaffenen K�nigin ihrer
Liebe.

K�che, vom Ger�cht im Betrieb elektrisch erreicht, garnieren nur ihren
Fisch mit hingebender Kunst, Portiers eilen, Chauffeure, von anderen
gemietet, unbestechbar, brechen auf unter dem Schlag ihres Namens, rasen
und schmeicheln sich, mit gro�er Bewegung sie gr��end, keinen Lohn zu
empfangen.

Nie h�tte ich gewagt, zu glauben, da� dies Volk der Sklaven, das vor
verrunzelten Wittelsbachern und leberleidenden Hohenzollernfrauen
erbleichte, so viel Gr��e habe, sich eine F�rstin ihrer Liebe zu schaffen.

Sie ist die wei�e G�ttin der Masse.

Sie lieben diese Frau um ihres Auges, ihrer Hand, ihres L�chelns willen.
Nichts weiter. Man neigt sich vor der Wahrheit einer Legende.

�berall, wo ein W. C., eine Kirche, eine Kaserne sich findet, flimmern die
Lichtspiele, durchdringen die Rinde des Erdballs, stehn auf Schiffen, in
Klostern, auf Inseln, in Lazaretten, Bordells, Villegiaturen, Steinbr�chen,
Sanatorien, Irrenh�usern, Ausw�rtigen �mtern, Polizeib�ros,
Landwirtschaftskammern, Redaktionen, Expeditionen, Luftschiffen und
V�lkerkriegen.

Ihr, die ihr wach seid, die Freiheit fordert, Gerechtigkeit liebt und gegen
den pfaffenhaften Schwindel eurer Volksbildung l�chelnd und, moderne
Berserker, anr�ckt und feuert, die ihr den Erdball aus infamen Achseln
klappt und nicht verge�t, dabei die Marseillaise eurer sch�nen Herzen zu
singen, euch, die ihr euch hingebt, duldet und tapfer seid im Blut, schreie
ich hinaus: Nehmt die Waffe. La�t die Theater, die Intellektuellen nur
spielen und bourgeoisem Geist, der verfettet ist wie ein Alkoholikerherz,
treibt diesen Kreisel durch alle Niveaus, Kreise und Staffeln.

Schiebt die Ersch�tterungen auf die Leinwand, von ihr hinein in die Adern,
f�llt durch sie den Pulsschlag, schafft einen Riesenkreis der Wirkung.
Treibt die Besitzer der Saust�lle aus, baut Kinohallen. Enteignet diese
Gesellschaft.

Vertreibt das Gesindel aus den Tempeln, denen diese Frau nichts darstellt
als ein Kapital von hundert Millionen, eine Tantieme, und sehr zu
pflegendes Tier.

Dann wird die wei�e Blonde in der Stille kommen. Der Moment der Erf�llung
wird ein Blitz sein.

Auf da� sie nicht mehr der wei�e Vampir sei, die goldene Schlange, das
helle Marderspiel, sondern da� sie eine gewisse Demut ertrage und, von
zehntausend Leinw�nden in der gleichen Sekunde herunterwandelnd, von
Rosenheim bis Chikago, Djursholm und Kapstadt, als unsere gute Frau von den
sieben Schwertern und blutroten Rosen die Armen und Geschlagenen in
Wahrheit herauff�hre bis zu der sanften H�he ihres L�chelns aus dem Rausch
der romantikverstunkenen L�cher, in denen selbst die Verw�stetsten, um
ihren Glanz anzubeten, nie erlahmen werden, ihre kargen Abende und die
D�mmerungen des Fr�hlings hinzugeben.

Und, die heute t�glich suhlt � la boche in den Lachen der von Kocherls und
Ladnerinnen umjauchzten Geschw�tze, wird vor ihnen hergehen, wahrhaftig,
Instrument der Gesinnung, Jungfrau von Orleans mit der blonden Krone und
dem liebenden Beispiel, Entfacherin echter Tr�nen, guter Handlung -- -- --
.�

Lil Pax hat die Hand gesenkt, die mit den Haaren Margits spielt, die diesen
Augenblick mit vor innerer Spannung erfrorenen Augen empfindet, und sagt:
�Silberner Vampir�.

Die Wolke ihrer Augenlider hat einen sehr entfernten Glanz. -- -- --

Am vierten Tage kommen Kerstins Pferde, schellen im Garten, treten,
stampfen, werfen auf eine S�ule Dampf. Ich trete ans Fenster, fasse den
Laden fest. Nehme die Skier.

Folge Kerstin in ihr Haus.

Staune nicht.

                                * * *

Es scheint, als gebe das Klavier Kerstin eine bewundernsw�rdige Maske von
Kraft und Zorn, und die Vollendung ihrer H�nde erreiche in der Ber�hrung
der Tasten eine Erh�hung der T�ne, die sich dichter immer zwischen sie und
mein H�ren stellte . . . und die langsame Verdunklung ihrer riesigen Diele
sammle aus der florentinischen Seide der W�nde und den aus Feuer gef�rbten
Bildern Mar�es eine St�rke, die sie mir wehm�tiger und ferner entzog.

Sie sprang zu Chopin.

Ihr R�cken bog sich wie ein Coli im Sprung, und jene S��igkeit der
Weidengerten war dazugegeben, die den M�rz zum schmiegsamsten und
verf�hrerischsten aller Monate macht.

Ich verstand die Musik nicht, die sie davontrug, und ich fand, man verm�ge
wenig Sinn zu finden f�r dieses, wo die Natur uns t�glich s�ugt und wir
verliebt sind in sie mit unsterblichen G�sten.

Ich sage:

         �Wei�t du, wie Lia von Florenz sprach und
jener Sonne Eures Ateliers und Speyer und Lucius und jener Sinfonie, die
mit Gold und Musik Ihr morgens �ber die H�gel st�rztet -- und ich schwarz,
zerschlagen, gepeinigt vom Bild jener Stadt, in der ich diese Zeit damals
verbrachte (Stadt best�rzender Enge, niederen Behagens, wohlgen�hrt, aber
ohne Wollust, Stadt, der ein Schicksal Pr�fungen nie gab, feist, faul und
b�rgerlich und selbst zu feig zur S�nde) -- -- da� ich gepeinigt nicht
sagte: Dulden ist mein Los -- -- sondern ins Gewitterblau der Pflaumenb�ume
hinausging, am Bach Gott bat, mich hochzurei�en an den R�ndern des Gef�hls,
mit Zorn mich anzuschwellen, zu tr�nken und zu st�rken, da� ich, unser
dichterisches Schicksal erf�llend, blutigen Mundes den Ha� der Vaterst�dte
ausrufe . . . . .

         und da� ich, wei�t du noch, am gleichen
Abend, als der Berg rot flammte, Vollmond aufsprang zwischen den Ufern,
H�gel violett und bebend sich malten auf die sie kaum ertragende
himmlisch-japanische Seide, da� ich in Eurem Boot dennoch nichts anderes
tat, als dein Gesicht zu preisen. Es war mir nah wie mein Herz, und wie es
heraufstieg aus der illustren Kette der gro�en Revolution�re und Helden
Deiner Familie und das Unvereinbare trug der Hingebung _und_ des
grenzenlosen Hochmuts (�ber den schwarzen Brauen und unter dem rauhen Helm
der roten Haare), traf es mich in einer unbeschreiblichen Erl�sung:

         nie habe gemischtes Blut von Franzosen,
Juden, Aristokraten, Dichtern und Deutschen soviel wilde Schlankheit der
H�ften und schmerzliche Verhaltenheit der sch�nen Nase in eine l�ckenlosere
Harmonie des guten Weltbildes getragen . . . . . und der See hielt deinen
Leib wie ein Schild mit inbr�nstiger Entsagung gegen den von Schw�rmen
�bersternten Himmel.

Wei�t du . . . . . als an dem Tage, wo drau�en an der Notbucht einer
umschlug, und die Kreuzb� uns �berfiel, zu dritt wir uns �ber Backbord
warfen, es dr�ckten, den Gesandten Teherans von zwei Meter L�nge im Lee
durch das schwarze Wasser zogen, und Maria, als es ums Sterben ging, das
Focktau in die letzte Messingpumpe sog . . . . . wie dein Gesicht allein
mir lohte.

         . . . . . wie von dem Turm,
wo nach dem Wasser einer wie ein Croupier, einer zum Land wie ein Rabe
malte, jener Reiter, von Entz�ckung Illuminierter, dir die ganze Nacht
Feuer �ber die Seezunge brannte.

         . . . . . wie wir durch die Sturmnacht auf
den R�dern um die Seeb�gen heimw�rts rannten, und das Aleppogetr�um des
Prinzen und Bagdad und Pera unsere Herzen verband, als l�gen wir Gesicht an
Gesicht in deinem Haus zu Fiesole.

         . . . . wie der gro�e Gel�ndel�ufer,
in Davos und Edinburgh gefeiert, dich schlafend morgens im Boot entf�hrte
und abends abreiste mit eingesunkener Schl�fe

         . . . . . wie der Ritter von Harty, dem die hohen
kriegerischen Medaillen die Brust �berschwammen, die Regatta unter deinen
Augen verlor, am Strand sa� und heulte

         . . . . . und wie der Arm der Diseuse, die nach dem
Gewitter gedeutet, magnetisch angezogen dem Blitz nachjagte und auf ihn
noch wies nach zwei Stunden auf deinem Balkon und dich ein wenig verwirrte.

         . . . . . wei�t du, wie
ich die flachen Hechtspr�nge machte, um dir zu gefallen, obwohl die Narbe
mich feurig schmerzte, und deine H�nde, die gemacht sind, da�, wenn man
dich liebt, man sie sp�ren mu� oder krepieren, sie s�nftigte und meine
Eitelkeit linder tadelten als dein Wort.

         . . . . . wei�t du, wie, als wir am
Bach lagen, und die Idylle des Himmels und der H�user uns verzauberte im
gl�sernen Mittagssturz, jene fremde augenmalayische Frau mit dem sch�nen
Mund und den vielen Steinen, die wir als gro�e Freundin von der
Freundschaft sp�ter so sehr noch lieben sollten, das Auto anhalten lie� und
ausstieg und zu dir einfach sagte: �Wie sch�n sind Sie�, als seiest du eine
Wiese.

Aber eins, wei�t du, kann ich nicht ertragen:

         Du hast
zwischen Tau, Flieder und V�geln mit deinem K�rper getanzt in unserem Park
am Morgen, und nichts blieb uns fremd von deinem Bein und deinem Hals und
den Br�sten -- -- und ich habe jeden Teil durch die Luft genossen und
geliebkost wie ein Irrer . . . . .

         und kein Teil deines K�rpers,
Kerstin, verga� mich (wenn ich anders sprach, log ich) und jeder hielt an
sich, blieb bei mir und besa� mich toll in den Jahren, die sich, w�hrend
ich uneingedenk deines Schicksals durch viele Leben dahintrieb,
geheimnisvoll zwischen dein Leben damals und dein heut verh�lltes Leben
spannen, meine Freundin.�

Sie stand auf.

Die zwei d�nischen Doggen gehen vor ihr her.

                                * * *

Ich folge. Ihrem R�cken nach. Ein Fischer, Kerstin, hat mich einer Frau mit
wei�en Beinen aufgeladen, hielt mit der einen Hand ihren Hals, mit der
andern die Knie. Ich wurde in einem Boot gemacht. Flog mit St�rchen, blies
Fr�sche auf, verga� nie, da� der schlagende Horizont einziger Freund.

Kam, als das Geheimnis der aufgebauten K�rper mir noch Erlebnis schien,
wert nachzusp�ren dem g�ttlichen Zusammenhang Eileiter, Sonne, Hoden, Niere
und Leidenschaft, mit der Syphilisexpedition, mit Reagenzen,
Spiritusblasen, Zeichnungen, Wassermann, Abnormit�ten, nach Sumatra.
�tiopinnen liebten mich, wenn wir auf den Schilfbarken fuhren. Tja--ka
. . i l�rmten die Papageitaucher hinter Trontje.

Mein blondes Haar band die schmale Luxemburgerin im September vor ihrer
gro�en Heirat um ihre Zehen. Habe an H�fen gelungert, war Photomodell,
Araber im Sketsch des Od�on, verkaufte Zeitungen vor der Op�ra und quer
�ber die Boulevards. Wie gro� war der Sandwind selbst der Passy-Kloaken!

Wie st�hlern flog der Himmel auffeuernd hinter dem Ru�schwanz der
Seineschlepper. Ich habe Tierschmalz in den Knochen. Wohne in einem
Bauernhaus, Kerstin, das in der Sonne schaukelt auf einem Bergpfeil. Mit
dem Pfiff auf zwei Fingern hole ich den Himmel runter wie einen Hund.

Was soll mir hier um dich der Plunder?

Sag, Antilope, blaugelber Ara, Perlreiher, kleinpupilliger Puma, zahmer
S�dleopard . . . . . was soll mein Blut mit dem Angeh�uften, Verfaulten,
hinf�lligen Zauber, der dich verkapselt, und den, eh die fremden H�nde in
diesem Haus ihn um dich zogen wie einen Keuschheitsg�rtel um deine Schenkel
und Augen, Jahrhunderte nur blutlos h�uften, verehrten, bewunderten, um
allein dich abzuschn�ren von mir, von dir. Niemand kann lachen in dieser
Feierlichkeit hier. Doggen erfrieren und g�hnen. Mir ist im Hals, als ��e
ich Waldkirschen, Gall�pfel, Holzbirnen.

Der R�mer aus Bronze gl�nzt ab auf deinem R�cken. Die sieben Knaben
Donatellos werfen den Marmor auf dich und verk�hlen dich zu Ferne. Die
frechen, schmalen Stiele der Orchideen �berwuchern dich mit solcher
Geilheit, da� sie der K�stlichkeit des Halses noch verzaubertere Linien
hinzuf�gen.

Und die Luft der Gobelins, gebogener Kassetten, der geschlechtlosen Figuren
des marmornen Klassizisten Hildebrandt . . . . saugen dich auf in ein Ma�
der Entzogenheit, da� selbst der weiche Staub des Wassernebels vor dir
zur�ckf�llt.

Was geschieht, bezaubert, besitzt dich so stark, da� selbst die sechs
Sekunden, die ich dir �ber die Veranda langsam folge, dich, um die unsere
Statuetten gierig gl�hten am See, Schmetterlinge und T�cher brannten,
Str�uche wie Wind wehten, da� selbst die sechs Sekunden dich verh�llen und
vermoosen und hineintauchen in dies deinem Wesen Un-Nahe, Verha�te, langsam
Entfremdende? -- -- --

Sie bleibt stehen.

Ich schaue auf.

Die Brust des Schlosses st�rzt vor meinem Blick mit einer Glaswelle �ber
den Abgrund.

Da steigt und b�umt das Gebirge drau�en auf hinter dem Glassturz, flammt im
Saublut des Mittag, steigt und br�llt und saust und sinkt hinter die
glitzernde Scheibe wie eine geblasene Spiegelung.

Eine Sekunde schwebt auf den Wagbalken.

Welches ist die Welt, die eigentlich mich explodierende, aufschwingende:
drau�en das? Hier? Ist drau�en das ein Phantom, was ich liebe zum
Verr�cktsein, die Brust der Alpen, an denen selbst die Schweine gut wurden,
das Hochkar, das gleich machte, das Menschliche aufsch�lte wie eine Orange,
Lawinen, dressierte Sturmflocken, die Mutterbr�ste der Schneehimmel, an
denen wir hingen, an ihrem fahlen Zinnglanz schmatzend, saufend, mit vollen
M�ulern? Ist das nichts, nicht ein Winterinhalt, ein Leben? Verzuckt es
hinter dem Glas? H�lt nicht stand dem Leben hier drinnen, dem wilden Geruch
aus dem Jahrhundert, der Geb�rde schrankenlos aufsteigenden Daseins,
verwirrenden Gobelinspr�chen, Waffen, dem Bauch des Michelangelos Tritonen?
Wird es schon Blase. Zerplatzt, abgenutzt, bla�, ein Nichts? Bl�hung, die
mir ins Gesicht f�hrt? Spiegelung, die mein Blut betrog. War mein Leben
umsonst?

Da dreht Kerstin ihre H�fte in die bebende Sekunde mit einer Bewegung der
Achsel, wie, mit Kristianiaschwung brausend, sie gestern bremste, als neben
mir, in Hosen die sch�nste Statue, sie in den flamingonen Abend mit mir vom
Gletscher scho�. Die Wagzunge bebt.

Die Wage schwankt, geht hoch.

Ich sehe endlich ihr wahres Gesicht, ihr Gesicht.

Mit leidenschaftlicher Durchdringung durchs��en die Bogen der Schneefelder,
wie her�bergeschienen, ihre Haare, die Brauen. Sie spiegeln sich ineinander
in tiefem Hingegebensein, bis sie, sich vertauschend, vergehen.

Es war, als mische in einer unl�sbaren Sekunde die Landschaft und das Weib
sich, die wir beide nur durcheinander ganz zusammen und vereinigt unendlich
lieben und erfassen k�nnen bis zum Tode, auf ihrem Gesicht zu einer
Vollendung, in der die Glut keines Sommers, das Zucken keiner Umarmung,
nicht die Ausschweifung der Mondnacht, keine Gefahr, Demut und Riskieren,
und die blutige Wut keines Eistages fehlte.

Wie strudeln die Weidenb�ume m�rzlich herein! Suchen Schneeflammen sich an
dir zu zerst�ren. Tost der Kessel vom Signal des Bobs und ersch�ttert der
Himmel sich mit S��e!

Die Wagschale saust in die H�he. Dein wahrer Kopf kommt herauf. Ich sprenge
die Zeit von deinem Mund, deinem Auge. Breche es auf bis ins Blut. Dein
Gesicht kommt herauf. Ist da. Ist da. Ich sehe jede Spur deines K�rpers,
wie an dem Tag, da du tanztest.

                                * * *

Zwei Tage werde ich dein von innen mir zugewandtes Gesicht sehen wie den
segelnden Mond. Ich will dir den Abgesang bereiten, meine Freundin.

Du wirst die sch�nste sein auf dem Wege von der Geliebten zu der Kameradin,
und das Geheimnis wird sich in dir best�tigen von der sp�ten Freundschaft
mit den Frauen, an deren Brust wir von der Pilgerfahrt wie an der
Mondflamme uns golden ausgeruht.

Dein Schritt wird als ein Echo irgendwo lauschend stehen. Aus jedem Spiegel
wird unserem eigenen dein tragischer Stolz entgegenschnellen und
verschwimmen. In gro�er Brandung wird dein Gedanke mich treffen.

Selbst unsere seltene Ruhe wird durch dich schwebender und gleich einer
Ballonfahrtschleife, deren Klarheit die Ger�usche des Bodens in der Ahnung
nur steigert, aufgl�nzt, hebt.

Jedermann wei�, was das Summen einer Goldfliege an Ungeheurem ist in einer
Sommerkuppel. So warst du.

Als du kamst, sangen die Hunde dir zu in ihren Tr�umen. Die Sarabande der
Sturzb�che machte eine silberne Wolke hinter dir, und dein jungfr�uliches
Herz verlangte nichts andres, als guten Saft deines Lebens meinem
Eindringen entgegenzutreiben.

Und siehe:

         Dennoch . . . . . bringst du Unheil �ber mich
und alles, was ich tue.

Schon im Sommer barst der Riemen, verlor ich die Wette, kenterten wir beim
Halsen, mi�lang eine Arbeit von drei Jahren. Heute nacht sprang meine Uhr,
raste ein Wecker, kam ein Todtelegramm. So vieles schon treiben die wenigen
Stunden herauf, seit ich deinen Geruch wieder sp�re. Wird morgen der Sprung
vom Skih�gel meine Knochen zerknacken, wird mein Schlaf mir entzogen,
erkrankt meine Niere, wird der Geliebte der Midussi, weil sie noch bleibt,
der Locke inmitten ihrer Stirne halber, am Bahnhof mit dem Revolver mir
auflauern, mich erschie�en?

Dann bist du entfernt, und die Geschicke knallen aus den Federn.

Aber ich lache.

Siehe den Sinn herauf der Kraft und weiche nicht eine Minute. Gerne hielte
ich, verzaubert von solchem Schicksal-Gegner, die Hand in deinem sch�nen
Fleisch, entz�ckte Parade, und mein trommelndes Herz w�re jede Sekunde
bereit, durch die Tranches, die Fahnen, Tanks und die Marne des Schicksals
hindurch sich zu schlagen. Denn siehe: ich kann nicht leben, wenn nicht
mein Ehrgeiz Flamme speit gegen Widerst�nde, Schicksale abdonnert, sich
riskiert -- und der Condottieri meiner Adern aufbricht, steigt, str�mt vor
Stolz.

Aber du.

Du hast deine Sch�nheit in wechselndem Spiele ausgeliehen an die Dinge, die
um dich sind. Es liebt dich jeder Baum, jede Wiese und jeder Himmel. Zu
festes Halten ist Tod aber f�r die gro�en Liebenden. Deine blumenhafte
Zartheit abzulenken vom sanften Gleiten deiner fatalen gl�ckhaften Bewegung
in die anderen Zust�nde deines Verweilens, zerst�rte nur deine kostbare
Form. Es hei�t zur�ckgeben dich an das Viele, dem du geh�rst, Entzogene den
Leberblumen, dem Kiesweg, dem Hochkar, den Matten des Forellentals und
Weidentroddeln der B�che, den D�rfern, Geh�ften. Sie lieben dich alle,
warten in Sehnsucht. Ich kann sie nicht ersetzen, nicht immer um dich sein,
dich nicht mit tausend Vertauschungen sehns�chtig halten.

Wie sollte ich leben?

Nur auf der H�he der weit und wie Pfauenr�der verwirrend geschwungenen
Gef�hle uns begegnen, durchdringen und kulminierend besitzen -- -- wie
sch�n unser Schicksal.

Du wirst nicht weinen.

Der Abendgesang der Berge ist wie Glas. Regenbogen des Mondes spielen
darauf. Die Schweife der Pferde sirren dir nach: Geliebtes.

Selbst Lil Pax wird in den guten Stunden ihrer Krankheit beten, da� du
sanft durch den Abschied entgleitest und gut es hast, bis idiotische
Schaffner den Morgen aufgellen: Fiume . . . Buccari . . . Czirqueniza
. . . und milde See dein florentinisches L�cheln spiegelnd tragen.

                                * * *

Die Leidenschaften haben sich erf�llt. Selbst die Trennung ist da eine
heitere Bewegung. Man mu� zu leben wissen und sich einrichten. Man tr�gt
den Kopf nicht zwischen den Schultern nach hinten. Hinter Gewesenem
seufzen? Die Sentimentalen haben nie eine Frucht aus der Leidenschaft
gezogen. Da� etwas so war, ist eine Herrlichkeit. Schied es in Harmonie,
welch ein Besitz!

Als ich mit Lil Pax am Abend um den See fuhr, hatte Uga, die Bronzenymphe
des Grundes, ihre Lage verlassen und es schien, da� sie sich mit Bauch und
Gesicht ein wenig gegen den Wagen hin unter der grassilbernen Oberfl�che
bewege.

Das Gr�n kam aus der Tiefe um ihre Glieder mit einer Stille herauf, da�
dieser wundervollen Bewegung nur der Mond noch jene gewisse Starre
hinzuzuf�gen vermochte, mit der er riesenhaft die Fahne der Schneefelder
entrollte.

Der Mund neben mir l�chelte voll Zur�ckhaltung.

Es gab nichts mehr in der D�mmerung als die selbstverst�ndliche Bewegung
der Nymphe. Um Baum und Eis und Pferde schwankte ihre Erinnerung. Dem Lauf
der mondmagischen Berge gab sie das Ma� ihrer Gegenwart. Wir fuhren durch
die Fichten wie durch ein Spalier dieser Anmut, wenn sie sich in dem Reif
bewegten.

�Kann man�, sage ich, �jetzt noch den Mut finden zu glauben -- und sei es
nur der Sportlichkeit der Vergleichung halber -- da� eine unter der Masse
j�discher Rodlerinnen, Danziger Offiziersfrauen, der Filmerinnen, bebuster
Antiquariatsweiber, w�rttembergischer Reichsgr�finnen, der
Pilules-Orientales-Breeches, der Dichterinnen, der A. E. G.-Direktricen
. . . . . da� eine nur verm�chte, dieser g�ttlichen Bewegung sich
anzugleichen und auch nur ann�hernd dieser �berlegenheit nahezukommen
. . . .

         da� eine verm�chte,
zwischen dem zarten Rosa der hochgeschwungenen Wade und den breiten dunklen
Schenkeln, Kniescheiben von dieser Kleine und Rundung zu wiegen und die
st�hlerne Wucht der J�gerin auf so verengten H�ften zu heben, da� Kerstin
selbst diese Linien der G�ttin nur in ihren besten Stunden ertr�ge . . . .
. .

         da� zwischen hirnlosen gelben Husaren im
Schlitten solch unirdische Geste irgendwo hier aufzustehen verm�chte, und
da� unter der Verbr�mung der Pelze der Blick einer solcher Anmut
gleichkommenden Frau den Horizont absuchen k�nne bei den idiotischen
Foxtrottphrasen der bayrischen Flachstirnen . . . . . .

         da� am Tisch in der Nase bohrender
Tanzdivision�re, korsettierter Hochstapler, kastrierter Erlauchte, gemalter
Perlenweiber eine so gestaltete Frau die Angst der rasenden
Gro�kapitalisten umschwirre . . . . .

         da�
sie eintrete in von j�dischem Kommerzienrat mit dunkelbrauner Glatze und
schlechten Knickerbokkers ihr ge�ffneten ausgehaltenen Appartements . . . .
. .

         da� vielleicht auf dem
Eliteball der gefl�chteten Aristokratie sie heimlich ihren F�cher tr�ge,
und, in wei�en Handschuhen und Hofballpantomime in sch�bigem Restaurant die
verfallene Zeit in den kleinsten Symbolen aus Trotz betonend, vor
Spartakiden jede Minute erzitternd, zwischen schlecht geratenen f�rstlichen
Kuriosit�ten und vermiesten Exzellenzen in steifen T�nzen st�nde . . . . .
. und vielleicht sogar in einer unheilvollen Sekunde dem fehlenden Kinn und
der Grande-Bouche-Chevalerie des hohenzollernschen Reichspinguins
entsetzlich verfiele . . . . . .

         und da� in der pl�tzlich ausgel�schten
und ohne diese Erinnerung freudlos gewordenen Schneesteppe �berhaupt
irgendwo, da� in Hotels, auf Bobs, bei Sonnenaufg�ngen, in gescheiterten
Schlitten, bei Skistarts sich die grenzenlose �berraschung solch g�ttlichen
L�chelns zu entfalten verm�chte, an dessen Entz�ndung die Leidenschaften
erst sich zu entwickeln verm�chten in die m�rchenhafte H�he . . . . . . --
-- --

         Aber alles in mir wird
nun trotzdem die entsetzliche Bem�hung antreten, dennoch ein lebendes
Ebenbild zu finden, das, ebenso erlesen und dieser Geb�rde an Sch�nheit
vergleichbar, der frauenhaften Adligkeit Kerstins auch noch das
Unbegreifliche der G�ttin hinzuf�gte. Suchen wir. Es gibt keine
Phantasien.�

Aber es kam scharf aus den Pelzen, die einer Wolke gleich �ber dem
Wagenbord flauschten:

         sie verm�ge in Wunsch
und Absicht dieses Planes schon nichts anderes zu sehen als jene ma�lose
�berhebung unserer Rasse, die, ohne �bergang der Kulturen, das Herrliche
sofort f�r sich requiriere . . . . . und die wir glaubten, pathologische
Athleten, neben der Dummheit den Mut der Stiere als Erbschaft tragend, auch
das Gez�chtetste und �berirdische neige ohne Bem�hung schon sich unsrer
Ungestalt als nat�rliche Beute . . . . . .

         und da� das kindische Haschen (und nicht begehrenlos
Ertragenk�nnen) nach der g�ttlichen Spiegelung mit seiner rohen und nur auf
Gewalt gestellten �u�erung in seiner naiven Zufriedenheit schon jener
unendlichen R�hrung nahekomme, mit der der Glaube unsres Volkes, Gott habe
vor anderen es auserw�hlt zur Herrlichkeit (obwohl er es mehr wie irgendein
anderes als Sklaven gestempelt und t�glich vor die Tiere warf) seine
schwarz-wei�-roten Patrioten als so besonders arme Akkoucheure des Gl�ckes
erscheinen lasse . . . . . .

         und da� schlie�lich doch nur Besessene
und Wilde das Unm�gliche nicht zur�ckschrecke, die wir auch nach der
tragischen L�cherlichkeit unserer Revolten seit der Reformation bis zu den
Bolschewiken das Bittre unserer menschlichen Unvollkommenheit immer noch
nicht als Verworfenes erkennten . . . . . und unserer Rasse tiefste
Mischung von Roheit und Sentimentalit�t auch in den �berlegensten Minuten
nicht verleugneten . . . . .: Barbaren der Sehnsucht. -- -- --

Wieder �berflog ihr Auge und den Mund der Charme, der an ihr Leben
bedingungslos band, und der auch in der Anklage dem Gez�chtigten
Bewunderung nicht entzog: �Immer�, klagte sie, �sind die erstaunlichen
V�gel seew�rts gezogen und ins Meer gest�rzt. Man kann sie nicht hindern.�

Ich wende mich den Pferden zu vor Lachen.

In ihre Kosakenpupillen ist pl�tzlich das Gr�n getreten. Auf dem Bach zur
Linken flimmert es in Kreiseln. Der Hohlspiegel der Gletscher wirft es mit
Scheinwerfern herauf �ber die Schneepr�rien. Die Erinnerung der Nymphe ist
aus dem Spalier der bereiften B�ume heraus bis vor den Himmel gedrungen.
Alle Entgegenkommenden haben Seefarbe �ber den Brauen. -- -- --

Da liegt nun das Leben zum Suchen. Die Leidenschaften sind in die gr��te
Spannung getreten. Man sollte das Unvergleichliche nie erblicken. Man t�tet
sich aus Sehnsucht.

Wann hat das G�ttliche je sich heruntergeneigt?

Ich finde es trotzdem.

Das Gl�ck ist eine Hure f�r junge Leute und bereit f�r die zwischen Zwanzig
und Drei�ig den Traum einer Taille zu best�tigen.

Uga!

Ich finde deine Bewegung wieder, mit der du das Wasser deines Sees ein
wenig erregtest und ich zittre, du seist es selber, so sehr hat die Frau,
die auf Skiern nun steht und gegen das Gebi� der Gebirgsz�ge hineinschwebt,
deine Kraft und deine K�hnheit. Sie hat die H�nde in den Taschen und f�hrt
mit karierten Breeches, die die Bluse wie einen Kelch heben. Man mu� sie
auf Skiern erreichen. Es ist eine wahrhaftige Jagd.

Uga!

Ich hole sie ein. Es ist unm�glich ihr einen anderen Namen zu geben. Ihre
Haltung hat nur etwas Durchbebteres wie von einer Gazelle in den H�ften und
von einem Schwan etwas K�hle um die Schultern. Sie erstaunt. Sie stellt
sich. Ich sehe ihre H�nde, ihr Gesicht. Selbst der Unmut ihrer Braue hat
eine Richtung, als verm�ge er sich aufzul�sen und wegzuschwinden mit ihr in
andere Gegenwart. Ich wische mit leisen Worten ihn weg.

Wir fahren zugleich ab, ich lasse ihr jeden Vorsprung, bem�he mich, da� sie
auf mich, die Gewandtere, wartet. Aber auch ihr stolzes L�cheln hat keine
festere Begr�ndung als ihr Z�rnen. Kein Horizont hinter ihr. Wenn ich ihr
Leben wei�, bin ich soweit wie am Anfang. Um dies L�cheln zu sehen, tausche
ich die Qual es nicht ertragen zu k�nnen? Welches Scheitern!

Mit gro�en Schw�ngen nehme ich die F�hrung pl�tzlich.

G�ttinnen lieben zu entgleiten. Aber sie gleiten mit Skiern nicht den Berg
hinauf. Sie folgt geschlagen ins Tal. Eine Woche bleibt vor uns: bebauen
wir unseren Garten! Ball, Pferde, Schlitten, Spieltisch, Bobs, Skij�ring,
Musik hinein in die Woche. Heran nun Tag auf Tag!

                                * * *

Wir n�hern am dritten Tag uns dem Kloster. Dem Wagen tritt in Parade St�ck
auf St�ck der Landschaft entgegen. Der Kamelberg mit dem Tagmond schmal
gezeichnet kniet vor das Tal. Die Madonna sieht, mit der gro�en Zehe den
Zeiger der Sonnenuhr weisend, her�ber zu Uga.

Sie zeigt das Raubtiergebi�, das Lachen der jagenden Diana.

Wir n�hern uns dem Kloster.

Gold, blau und z�rtlich im Wei� summt die barockene Kuppel in das flie�ende
Hell, im Schweben von dem Aufstieg des Korbinian, Katharinas, Benedikts,
Sebastians und der Heiligen Familie begleitet.

In der schwelgerischen Bl�ue steht die lateinische Stimme des Pr�zeptors
rund und hoch, eine Lobpreisung.

Der Chor der Pagen, die ciceronische Perioden reiten, geht im Kreis in
sanfter Herde die welligen Raine hinauf �ber die Zacken bis ins Licht.

Selbst die G�ule haben die Stille erfahren und traben an der Bergschlucht
zum Brunnen mit einer �bereinstimmung der Hufe, als liefen sie in den St.
Leonhardstag, an dessen D�mmerung die Pferde eintreten in ihre eigne lange
und einsame Prozessuale.

Aber wo die bayrischen Aristokraten mit Fl�chen auf die Revolten, falschen
P�ssen und in M�nchssoutanen durch den Hohlweg nach �sterreich flohen,
haben die Fahnen der Weidenb�ume �ber dem Schnee sich so gesenkt, da� das
seidene Rot von Ugas Mantel pl�tzlich von gelben bl�henden Fransen umweht
liegt, und selbst der Duft der Seidelbaste heruntersteigt und sich mischt
in die Huldigung, die der fr�he Fr�hling mit Himmelschl�sseln und Krokus um
sie entfacht.

Selbst die N�sse, die vom Humus den Geruch des Fr�hjahrs zu der Bewegung
der springenden Knospen hinauftr�gt, scheint sich an ihr mit allen D�ften,
von denen die Luft sich sch�ttelt, zu entz�nden, und jedes Element und
jedes Ding scheint bereit sie an sich anzugleichen.

Wenn sie kein Fohlen w�re im Mutwillen ihrer Gelenke, in jedem Traumzustand
der W�nsche w�rde sie als Forelle mit mir schwimmen in allen B�chen, die
Abfahrt der H�gelfl�che zum Haus Chrystophorus mit mir fliegen als mein
Hikory, als mein Motor jubelnd mit mir schweifen �ber die P�sse. Welch
sichere Gegenwart! Und w�rde nicht, der ungewissen schattenhaften Wildheit
eines Tieres gleich, das mein Gef�hrt nur wie auf Sekunden begleitet, erst
durch die scheue Ber�hrung ihres Blickes die Sicherheit eines Lebens und
einer gl�henderen Gegenwart mir geben, deren K�hnheit mich erst v�llig in
den Rausch des Tages hinein begeistert:

         O ein Holzhacker sein zwischen der Chaussee
und dem Wildbach! Brieftr�ger zwischen den Leberblumen und Gletschern!
Biene �ber den K�tzchen! Pferd nach dem Bergsee! Die rote Weste des
Postillons, der die Kurven zum Pisaner Gnadenbild f�hrt, vor dessen
elfenbeinerner Sch�nheit die Bauernm�nche des Klosters t�glich erschrecken.

Da sp�re ich den Druck ihres Knies.

Von nun ab hat sich der Atem des Tages um sie zu einer S��e erhoben, um die
nun alles ohne Abwehr kreist und fliegt.

Und w�hrend wir, in den Schleifen der Stra�e h�ngend, herauf und herab uns
bewegen an der Seite des Gebirgs zum Tal, sehen wir, wie die Eisberge
spielerisch sich neigen und heben und, sausend auf der Schaukel der
Seligkeit gewiegt, aus dem Fasanrot der Ebene sich hineinbegeben in den
gleichen Takt.

Mit gewechselten Pferden geht's in den Abend weiter. F�nf Fackelwagen
liegen �ber uns in der Spirale. Die Feuerscheine huschen flackernd �ber
Ugas Gesicht, ich sehe sie nicht deutlich.

Ich kann jedoch, mit klopfendem Herzen die Pferde nicht in den Umwegkreis
zum See verleiten, wo durch die Konfrontierung mit der bronzenen Schwester
ich den Zweifel, sie sei es selber, verlieren m��te, und, spiegelnd, das
sch�ne Bild sich vollzogen h�tte:

         da� der k�hnen Bewegung der
�ber das Gr�n des Wassers gebeugten Diana das schwerm�tige und wilde
L�cheln der Nymphe vom Grund herauf entgegengetaucht w�re in einer
beispiellosen Vollendung.

Doch unter dem Eindruck ihres lautlos ge�ffneten Mundes, wie vom Feuer
aufgesprengt, heben die G�ule die Hufe und die wei�en B�uche senkrecht auf
und biegen gegen die Kandare herum in den Lauf der anderen Wagen ein, den
beschwerlicheren Weg mit hingebender Geduld hartn�ckig w�hlend, den
Terrassen zu, um �ber dem eisern und grau vor das Bergmassiv genieteten See
den Morgen mit der Brandlawine zu erwarten.

Als das Bankett uns dann trennte, hatte die sch�ne gipsern gewei�te Frau
des Amerikaners neben mir nicht so viel F�higkeit mich abzulenken, da� mir
auch keine Zuckung an Ugas Arm unter dem �rmel entging.

Meine Vermutung wei�, ohne da� ich es sehe, vom Ansatz der Kn�chel aus
deutlich, wie braun sie ist bis in die verschwiegensten Falten der
�berg�nge des Leibes, und die Haut, die f�hnig den K�rper �berfliegt, hat
nur die eine pr�chtige Stauung, wo sie den dunklen H�gel der Brust
heraussprengt.

An ihren Beinen sieht selbst der nur nach schlanken J�nglingen hingewandte
Flieger Sofias, da�, mit solch verschlungen gest�hlten Sehnen, sie, auf
einer Kugel stehend, Tage verbringt, im Gras �ber H�gel und Raine
hinspielend. Denn die erlesenen Muskeln, die gro� und gedehnt geworden sind
im Streifen durch die Sonnenkringel der Buchw�lder und des Jagdparks, gehen
in der Verwegenheit der Spannung so weit, als sei jeder ein junges Tier.

Aber mein Herz erhebt sich nicht. Von dumpfem und angstvollem Pochen
gef�llt h�lt es an. Denn wenn das L�cheln ihr Profil erhellt, f�llt sie so
sehr �ber die anderen weg in eine Sph�re, die mich erbleicht, da� auch das
wei�e Gl�nzen ihrer spitzen Z�hne nicht die hei�e Furcht zu bannen vermag,
da� unter den Kanten des Tischs ihr Leib in einer kristallenen Flosse sich
manchmal vollende.

Ich sehe, die Nacht steigt herab. Der Mond hat im Zenith den Schnee blau
geflaumt. Ich sehe das Kap des Bergmassivs immer wieder, wenn der
Schlitten, der mit den anderen im Kreis jagt, es umbiegt. Mit tragischer
Maske h�lt das Gletschergesicht sich monden verh�llt. Dunkel br�llt unter
dem Hufschlag das Wasser gegen das Eis. Ich sehe noch durch den Traum des
Jagens die M�nner mit Dolchen und Lampions rufend auf die Leitpferde
springen. Da beginnen die Blaumeisen aus dem Fr�hlingswald im Tal
unsichtbar die Fr�hhelle s�� zu durchsingen. Ich hole den Wagen Ugas ein,
es f�llt mir von den Augen: weg die Bet�ubung, welche Klarheit!

Die Sonne zuckt eine Minute, dann schwillt sie vor riesenhafter Bewegung.
Als sie den Gipfel des Gletschers erreicht, verrauscht das Seidene der
Luft. Der Himmel zerbricht, die Lawine gleitet, welche fl�tenhafte
zerbrechende Musik!

Ich sehe Ugas Auge zittern. Ich habe Verachtung pl�tzlich auf meine
Unsicherheit um das Verfl�chtigende ihres Wesens. Ich durchdringe ihr Auge,
w�hrend die Brandlawine m�rzgro� im Donner herankommt. Als die Felsen sich
bewegen, hat sich das Dunkel ihrer Pupille geweitet. Wie ich eindringe,
sicher, morgenlich, sch�n umsungen aus nun erhellten Fr�hlingsw�ldern, das
bis zum Weinen verengte Herz von den V�geln golden erhoben, wei� ich eine
Sekunde lang sicher, da� ich sie nie mehr, die Fl�chtende, verfolge,
sondern da� ihr Lauf immer mir entgegen sein wird, und da� eine andre mit
achatnen Augen den See bewohne.

                                * * *

Sie wird nicht �ber den Strich eines Gedankens, nicht �ber die L�nge der
brodelnden Wiese entweichen. Nachts wird sie manchmal nur schreien. Sie
wird sich der M�nnlichkeit, die sie einmal besa�, nicht mehr entrei�en. Man
flieht nur, was man nicht kennt. Das Blut vers�hnt. Man gab den Amazonen
kein Vorrecht.

Als ich im Schneegest�ber sie kommen sah, den Mittag zu durchstreifen, in
Breeches, wie irgendeine sch�ne Frau, durchfuhr mich R�hrung, sie nicht
mehr so sehr hingegeben zu sehen an die M�chte, denen sie mit einer
gewissen Bl�sse des Auges, wenn ich heftig nach ihr Sehnsucht trug,
bisweilen geh�rte.

Sie trug die Gelenke des untersetzten J�gerinnen-K�rpers in einer dunklen
und erl�sten Herbe, und langsam, w�hrend sie die lange Stra�e heraufkam,
schlossen mit h�ngenden Zungen und nach ihr gerichteten Augen an sie, die
den Kn�uel leicht nur mit den Fingern wehrte, die Hunde von T�r zu T�r in
Meute sich an.

Uga!

An den Riedh�ngen entging es sogar der knurrenden Gefolgschaft deiner Tiere
nicht, da�, tief gr��end, der Reichspinguin einen Bogen um deinen l�rmenden
Einzug schlug und nicht in die N�he der gl�henden Lefzen gel�stete, �ber
denen deine kleinen H�nde spielten.

Du lachtest noch, als wir auf der H�gelkuppe in das Haus des Matrosen
traten, der, f�nfzig Jahre die Welt �berwandernd, immer neu hingerissen
nach �quator und Pol und Wendekreisen seiner b�uerlichen Sehnsucht, das
Seltsame der Erdteile in seine H�hle stapelte . . . . . . und du in einem
Regen dich umschwingender birmanischer Harfen und Phalloswurzeln, Haimaulen
und Palaumasken so im Schatten standest, da� nur das Wei� deiner Iris im
Samtdunkel wie ein Dolch sich bewegte.

Ich sage:

         �Deine Gefolgschaft . . . . .


                  Graf Cantacuzene
umschleicht dich nur noch fern und Wrede w�chst ein Geweih vor Eifersucht,
wenn du, zur Meute gewendet, einem Anderen deutlicher das Gesicht zuneigst.
Dein Park von Edelgetier schwei�t gegeneinander und stampft vor Zorn, Bohan
zerschmettert am Meilenzeiger bebend seinen Stock, den seinem Gro�vater ein
dicker Kurf�rst dedizierte aus Gnade und Dank f�r die Errettung vor einer
Sau, wenn er dich nicht antrifft . . . . und Sailern vermag (oben L�nau,
unten Mikosch) nicht einmal mit seinen gewonnenen Schlachten und der
Zartheit seines von Frauen sehr ger�hmten Schulterknochens �ber seine
Niederlage bei dir sich zu tr�sten.

Der rosend�nne Morgendiskant Uwaroffs ist unter deinem Zimmer verstummt.
Saluzifsky hat den Zirkel um den Spieltisch in resignierte Enge gezogen.
Und der seltsamerweise deinem Gang geneigte knabenliebende Ski-Dioskure hat
nicht unterlassen, in rotem Sweater und gelben Gamaschen den Falsett seiner
schneidenden Kindlichkeit auf seine Nebenbuhler zu hetzen.

Aber wie kann selbst die Kl�glichkeit solch halbseidener Haltung und die
Kretinerie dieser Drohnen nicht die W�rde verletzen, die den wahrhaften
Kern einer gez�chteten Rasse so hoch in die Jahrhunderte begleitet hat, und
wo Hohn und Spott nur immer noch sehr kleine Korrekturen bedeuten k�nnen
einer Bedeutsamkeit tiefsten Sinnes!

Und die zu bek�mpfen heute nur die weltfremde Idiotie deutscher
Dichterknaben und orgiastischer Revolution�re erm�glichen kann, die, trotz
Umsturz und Revolte um hundert Jahre versp�tet, durch ihre Ahnungslosigkeit
der Vorg�nge die allein feindliche Widerlichkeit arrivierter B�rgers�hne
und Kopisten adliger Geb�rden noch nicht zu erfassen die geistlose
Dreistigkeit besa�en.

L�cherliche Blague! -- -- -- --

         Wo niemand begreift, mit
welch ahnungsloser und erlauchter Sch�nheit die wirklich adlige Rasse der
Staufer und Kreuzz�ge neben der ihnen unverst�ndlichen Zeit her in den
Abgrund hineingeht, und wo selbst die besten und raffiniertesten Exemplare
nicht einmal soviel Barriere-Mut aufzubringen verm�gen, da� (was ihre Sache
immer wieder gerettet) nicht einmal Deserteure zeitweilig ins feindliche
Lager �bergingen . . . . . .

         wo zwar
das Gemecker eines ehemaligen K�nigs �ber seine eignen Stiefelspitzen in
seiner namenlosen Albernheit von derselben Widerlichkeit ber�hrt wie die
Brillantenschiebungen des s�ddeutschen Prinzen und die Massierung der
Grenze im amerikanischen Auto (und Diplomatenpa�) voll Antiquit�ten . . . .
. .

         wo zwar die Kavallerieattacken des w�rttembergischen
Generals am Bakkarattisch des Kurhauses zwischen Schiebern und
aufgekommenen Zuh�ltern in ihrer Wurstigkeit um den Brand des ringsum
angez�ndeten Europas noch gl�nzender ber�hren als das schwachsinnige Gekeif
gegen die Republik der ehemaligen popogescheitelten Beamten . . . . . .

         und wo erst recht die theoretische Hingabe
an den neuen Zustand vereinzelter Freunde in seiner Ehrlichkeit, Z�gerung,
Bedingtheit nur die ungeheure innere Befremdung und lediglich von adliger
Geb�rde �bergl�ttete Hilfslosigkeit anzeigt.

         . . . . . . Wo sie bei Eisners Ermordung
zwar Faschingsb�lle abhielten, w�hrend in M�nchen Hunderttausend eine
Blutwolke wie nie seit den Hugenotten zu beschw�ren nah waren . . . und bei
der Baltikumer und Kapps ungenialer Harlekinade foxtrottend wahrlich
hinl�nglich bewiesen ihr D�sinteressement an Deutschland, das freilich ihre
Herrschaft nicht nach der franz�sischen Revolution geknickt, sondern nur in
seiner bubenhaften politischen Nachl�ssigkeit es unter dem zweiten Wilhelm
zu so falscher und maskeradenhafter Herrlichkeit der siebentklassischen
Leute hatte werden lassen.

         . . . . . . Wo die Entfernungen zwischen
den geistigen Tr�gern der Rasse und den Aristokraten so irrsinnig sich
verzogen haben, da� den meisten adligen Exemplaren in Deutschland sogar der
K�nstler, mit dem sie gern fr�her sich mischten und den sie trugen in die
H�he der wundervollen Epochen . . . . da� er ihnen ein Wesen geworden,
bestaunbar wie ein Papagei in seiner Fremdheit, ein Pudel, halb blau und
halb gr�n, und den sie nur f�rchten oder hassen oder sich ihm unterwerfen,
wenn seine Breeches besseren Schwung besitzen und seine Ledersachen und
Reitzeug eine noch k�hnere Diskretion verraten wie die ihren.

         . . . . . . Und wo schlie�lich die falsch angesetzte
antisemitische Parole, von rotgemalter alternder Duchesse mit den Pistons
ihrer Zahnplomben aber auch den Pauken ihrer H�ften angegeben, zwar weder
�ber die Unasiatischkeit ihres Stammbaums noch �ber die Fragw�rdigkeit
ihrer Vergangenheit hinl�nglich beruhigen kann . . . . . . wo die Ohnmacht
der ungarischen Gr�fin, die alle M�dchen verf�hrte, beim Namen eines der
geha�testen revolution�ren F�hrer . . . . . . ebenso wie das goldene
Kettenarmband um den Skistrumpf der Hessin . . . . . . und der meskine
B�rgerwehrschwindel und Antibolschewistenpathos �lterer b�urischer
Offiziere in seiner falschen und bourgeoisen Verplamperung

         nichts zwar als unser breites und vollendetstes
Gel�chter bereit findet,

         . . . . . . . die wir, auf h�rteren
Seiten des Sternbogens stehend, aber auch mit Wollust alle H�hen
�berschweifend, keine Sekunde unterlassen werden, die Albernheit der
menschlichen Figurinen unerbittlich aufzuzeigen . . . . . . und die wir,
bereit jede S�nde gegen Welt und Freiheit bis auf das Blut zu bek�mpfen,
auf keinen Reiz und selbst gegen das Herz hin irgend einen Pakt der
Gemeinsamkeit mit irgendwelchen Obskuren (von welcher Seite auch immer)
schlie�en w�rden.

. . . . . . die wir aber dennoch nie umhin k�nnen, hinter den besonders
publiken kleinhirnigen Ausnahmen den gro�en Blutgeruch der Z�chtung und
Erlesenheit triumphal zu sp�ren und, bejohlt von den Polizisten von links
aber eisk�hl bis auf die N�gel dar�ber, gerade in diesem Versagen das
Erl�schen der Rasse wie langsam gewordene Scheinwerfer auf die tragische
Epoche zu empfinden und zu lieben . . . . . . und bei den Frauen diesen
bewundernswert schlanken Hineinritt in die R�te des Sturms.

Wie ungew�hnlich unbetr�chtlich sind in der Aus�bung ihrer Mission und der
Handhabung ihrer Berufung die aristokratischen W�lfe geworden, aber wie
gl�nzend und liebenswert blitzt noch das Gebi� dieser Feinde der Freiheit!

Denn auch du, die du zwischen den D�rfern die Schneeobeliske der H�gel, den
Stock mit dem Seidentuch daran in der Hand, gest�rmt hast, und in deren
Kehle der Blutruf der Kriegsg�tter neben den der gro�en J�gerin trat, auch
du hast nichts in deiner g�ttlichen Entferntheit als Unverstehendes und
Gleichg�ltiges zu Zeit und Qual dieses armen und geschundenen Volkes
. . . . . . denn du bist so sehr von durch die Jahrhunderte erlesenen
Instinkten geleitet, da� du, Zeitlose, die Gesellschaft der Hunde deiner
Wahl jener der nicht gut gez�chteten Menschen unbedenklich vorziehst.

Und ich liebe dich auch daf�r.

Auch wenn du an einem Fenster einmal st�ndest, unter dem ich f�siliert
w�rde oder erschlagen, und von dem Fenster in naiver Laune und unwissend,
in wen der Donner einschlug, dem Sieger mit einem Tuch zuwinktest, das ich
dir einmal schenkte.

Denn ich liebe dich um deiner F�lle von R�tseln, um deiner Widerspr�che und
deiner Entferntheit und nicht zum wenigsten darum, da� du selbst sogar
vielleicht bereit bist die mykenische Lanze gegen meine Brust zu
schleudern. Ich bin ein Kind der Erde und freigiebig auch in der Preisgabe,
aber voll von Lust auch, sie ganz zu umfassen und in der entlegensten
�u�erung zu begehren. Ich bin nicht ihr Affe, nicht ihr Sergeant, sondern
ihr Geliebter, auch im Kampf. -- -- --�

Sie hat einen Bogen der westlichen Papuas in der Hand, und es ist kein
Unterschied zwischen ihrem Schenkel, dem Bauch, dem Nacken und der Spannung
des Instrumentes. Hinter ihr ist rotes Glas, dar�ber weicher aufgeri�ner
Himmel.

Und w�hrend sie den lautlos den Garten durchjagenden Tieren zuwinkt, steht
ihr Gesicht mit der seltsamen kurzen arischen Nase wie eine metallene Maske
in dem Rubin . . . . . . ohne R�hrung, als sie der Feinheit der Glieder die
bedeutende Kraft der Lenden zu solcher Bewegung hinzuf�gt.

Der alte Matrose hat den dressierten Affen gel�st und ist mit ihm in die
Beete gegangen, wo er, mit Schneeglocken winkend, aus den halslosen breiten
Schultern den eisgrauen Trollkopf erhebt.

Denn auch er kann nicht ruhig neben ihr bleiben ohne Huldigung, ihr nicht
wie irgend einer anderen um Geld Schlangen aus Peru, Eier vom Sudan,
Mumien, zirkassische Amulette der Liebe und andere Symbole seiner
schweifenden Sehnsucht zeigen, w�hrend neben ihm zwischen der wei�en Wolle
des Koptiabaums pl�tzlich sie die Schultern aufzieht und in der Veranda wie
in einem Tigerwagen steht.

Du willst Lil Pax sehen, Uga.

Aber ich sch�ttle den Kopf.

�Nein.�

Denn ich kann dieser schr�gen Richtung deines Blickes nicht folgen, Uga,
die bl�hende Sicherheit deines Atems Lil Pax entgegenzuf�hren, denn ich
wei� nicht, ob sie geneigt ist, soviel tierischer Anmut sich hinzugeben.
Die sie entf�hrende Wolke ihres Schicksals schiebt sich immer tiefer und
geballter unter ihre F��e. Und ich will nicht, da�, von soviel
un�bertrefflicher Geschmeidigkeit deines Lebens getroffen die j�dische
Madonna einen Augenblick nur erstarrt vor der kugelbr�stigen Diana.

Denn du bist von ihr getrennt durch alle Zonen des Blutes und in deiner
f�rchterlichen Mischung, die von der Grausamkeit der G�ttin bis zur
elastischen St�rke der irdischen H�ften sich wundervoll ausdehnt, zu weit
entfernt von ihrem Pol des Entsagens, als da� du nicht ohne Gefahr der
Zerst�rung zu pl�tzlich mit ihr zusammenstie�est.

Ich liebe dich, Uga. Ich habe mit einem Zittern des Herzens und nicht ohne
dem�tigen Eifer meine Sehnsucht der deinen gen�hert. Du begrenzest in einer
unnat�rlichen H�he alles, was nur W�nschbares bis zum Unm�glichen mein Blut
durchf�hrt.

Aber Uga, wenn du die weitesten Kreise, die von dieser Frau zu dir gespannt
sind, durchjagst, auch durch die Kreise deiner Vollkommenheit, Uga,
empfinde ich nichts als ihr Schicksal.

                                * * *

Wir fahren nach einer Schneeh�tte am Gletscher. Die Woche senkt sich. Die
Einsamkeit steht zwischen uns und den Menschen, das ist Gl�ck.

Br�chten Bauern auf ihren Ochsenschlitten Flieder statt Heu auf unsere
H�he, w�hrend sie schl�ft, in der Sonne vor der H�tte, ich d�chte, der
Himmel, der herabkommt auf ihren Busen, habe ihn abgeschneit. Die Lichter
der Tald�rfer, der Bergh�nge unten sind am Hintergrund unserer Einsamkeit
aufgezogene Zeichen der Menschen, die wir geheim verlachen in unserer Ruhe.

Nur einmal, als dumme Passanten, halb get�tet vom Aufstieg aber ihre
Niedrigkeit mit s�chsischem Geschrei schamlos preisgebend, uns nahten,
hatte sie Gelegenheit, mild und im Erkl�ren sich neigend, eine Gr��e zu
beweisen, die weit das mitleidlos sp�ttische Lachen der G�ttin �bertraf.

Die R�hrung �ber das Gl�ck hat die Grenze erreicht, wo das Alberne ein
Geschenk wird, wenn man es gibt. Der Himmel wogt unerbittlich durchblaut.
Hinter dem Gebirg ber�hrt er meine Kindheit:

         �Als ich klein war, Uga,
ward ich krank und bekam den Pudel Fosko. Mein Bruder stahl ihn in einem
Zirkus. Wie lag ich im Bett und verzehrte mich, aufzustehen, um das
Gartenviereck mit ihm zu rennen und ihn zu hetzen, da� er Wildkatzen
zerbei�e. Zehnj�hrig habe ich auf dem gro�en Gut Tivolis im Bett meines
Cousins Zigaretten versteckt und in den Matratzen vergessen und erwartete
Monate die Entdeckung, und da� man mich als Verworfenen an den Pranger
schlug.

Die Neubauten unseres Villenviertels habe ich alle gekannt, die M�dchen
liefen mir nach hinein, wo die Labyrinthe von Keller und Dachstiege
geheimnisvoll sich begegneten.

Unterm Damm durch den Teich vor unserem Haus beerdigten wir Eichh�rner und
bissen die Z�hne aufeinander, so bedr�ckte es uns, da� wir mit Quarzsteinen
sie aus den L�rchenwipfeln geschmissen, aber zum Fest der Vollendung haben
wir eine Dogge, den Feind, in den Maulbeerbaum gehi�t. Einem Dobscher, der
von Rennfahren tr�umte, fuhr ich im Rollwagen des Steinbruchs die
Kniescheibe durch, da� er schneidernd bald bei der Petrollampe flirrte.

Als die Canneri, die das bezauberndste L�cheln tr�gt, mit goldnen
kurzverschnittenen Locken mich als Jungen sah, stand sie kerzengrad im
Wagen auf mit dem Lorgnon und rief: quel bel homme. Meine erste Geliebte
qu�lte ich, als ich noch nicht wu�te, da� Liebe kein Gesetz, sondern nur
eine Masse Zuf�lligkeit, und nicht ahnte, da� man Frauen eher besitzt, wenn
man verst��t, als wenn man bindet, meine erste Geliebte qu�lte ich durch
Fragen, ob sie mich als Kr�ppel noch liebe und pr�gelte die Arme, als sie
entsetzt auswich.

War etwas gut, etwas schlecht? Es ist eine Kindheit. Sie lebt wie ein Baum,
ein Fuchs. Sie sch�ttelt und biegt sich vor Wachstum. Sie fliegt auf und
ab, als ob du mit ihr spieltest, und ist in ihrer m�rchenhaften Gemaltheit
deinem L�cheln dieser Stunde verbunden, dessen Leichtheit so schon gel�st
ist, da� es die Einsamkeit spiegelt. Das ist unsere Br�cke. Wie unwichtig
unser Gram. Wie kindisch selbst das Schwerste.

         Verstehst du, Uga . . . . .


                  du bist
nicht Schwan, nicht Gazelle, von denen ich Fieber und Glanz an dir beim
ersten Anblick schaute. Du bist vielmehr mit der scharfen Schmalheit deines
federnhaften Augenlides zu sehr verm�hlt an das schwingende Brausen des
Blaus, als da� du anderes wie Schwebendes vertr�gest.

Ich habe am Sinai deine Mutter gesehen, die, wei�e Adlerin, auf unser Auto
herabstie�. Ihr Geschlecht allein, das drei Jahre lang die Welt
durchfliegt, und dann mit einem Weib ausharrt unerbittlich bis zum Tod, hat
die f�r dich genug beherrschte Ruhe.

Nur deine Farbe ist ver�ndert und aus der Helle herausgetreten, als h�ttest
du, w�hrend ich schlief, in Marokko Jagden durchstreift und von einer Hecke
Ginster, die du ber�hrtest, auch den Goldton deiner Kniekehlen auf den Berg
getragen.�

         . . . . . . Der Firnschnee f�llt, na� und glatt,
man braucht die Skier nicht mehr zu wachsen, der letzte Schnee. Enzian
flammt auf den Matten �berall, als wir hinunterzogen.

S�dlich duften die Veilchen mit Heftigkeit. In tiefen T�lern meiner Heimat
bl�hen Kirschen, Mirabellen. Die Aprikosen tauen aus rosanem Morgen noch
heller.

Was hilft es, wo sie scheidet.

Zinn, ruht die Sonne im Schneegest�ber. Nur wenn der Hausberg aus dem
Geflock schaukelt, flattert die Lichtflamme mit. Sekunden geht ein Mai auf,
s��, voll qualvoller Inbrunst spiegelt, gr�n und hell, der Eisr�cken, wie
ein Bergstra�enwald morgens fr�h. Das gl�serne Wunder verschneit.

Uga.

Sie kam, den letzten Abend mit Sneeboots, die die wei�beseideten Fesseln
noch schm�ler machten und mit ihrem Pelzrand dem Gang das Schleifende der
gro�en ruhigen Raubtiere gaben.

Und als sie mit starrem Blick sich gegen den Wind wandte, um noch einmal in
das Tal zu gehen, kamen die Heuschober auf sie zu aus der dunkelsten Breite
wie fr�her die Hunde.

Als ich spielend die Leiter anlehnte an die erste H�tte, als Uga
hinaufstieg und die leichte Biegung des Dachs erklimmte, den roten Schirm
�ber sich, die Knie im Telemark gebogen, die J�gerin, mittel und fest
gebaut und l�chelnd, die Hundepeitsche in der Hand, . . . . . .

         schien es,
sie schritte durch das dichter gewordene Geflock �ber den Scheitel des
Daches mit einer unnachahmlichen Stellung der F��e in den Horizont hinein.

Sie fuhr erst die Nacht. Aber ich f�hlte in dieser Sekunde den Abschied so,
da� mir keine Erinnerung blieb. Es befiel mich in diesem Augenblick nichts
anderes als die Freude der Fische, als h�rte ich alle ihre kleinen Herzen
sto�weis schlagen, wie ihre bronzene Freundin zur�ckkam in den See und sie
wie fr�her z�rtlich zwischen ihren Br�sten und Knien spielten.

                                * * *

Die Brandlawine hat den Fr�hling frei gemacht, er kommt mit leichten Wolken
nachgeschwommen. In die Freude der Wiesen fallen die Versammlungen der
Enten, die das Geschrei der um die Pf�tzen gelagerten H�hner �bersteigen.
Die Felle der Angorakatzen sammeln am Hauskalk die Sonnenb�ndel, schnurrend
vor Wonne. Heere von Bienen h�ngen am Aprikosenbaum und summen mittags in
die H�nge. Die metallen sch�nen Giftm�cken tanzen gegen die Scheibe. Den
Ochsen treibt Glanz ins Fell. Zwischen den Schafherden, die den Horizont
s�umen, schleudern junge Bullen die Erde mit den Hinterhufen in die Luft.
Bauern fahren, Lenz in den Nasen, schnuppernd in die verliebte Luft, Mist
auf die Matten. Die M�dchen haben prall mit graden Beinen sich an das
St�bern gemacht. Die H�user fangen an zu funkeln. Die W�lbung des
Fr�hmorgens erhebt sich auf siebzig Vogelmelodien, seidig und langsam, wie
ein Ballon.

Die Wandlung der N�chte, die S�fte der Erlen, der Glanz der Blumen treibt
in das Blut: man kreist mit ihrem Leben. Man lauscht in sich dem Bach, dem
Samtglanz �ber den W�chten, dem Blumenduften. Man horcht zur�ck aus dem
wachsenden Baum, dem Bachgesumm, den Wespen Erinnerung heraus.

Glutrote Tupfen stehen auf den Knospen der Haselstr�uche. An den G�rten
h�ngen in Schn�ren die Wasserperlen der Fr�hjahrsgewitter. In ihnen hatten
wir am Anfang, einmal, uns get�uscht. Sie hatte, rasch hinlaufend, den
Silbertau f�r K�tzchen gehalten. Sie k�mpfte damals mit den Tr�nen.

Aber damals standen auch �ber ihrem hellen Gesicht die Kurven der
Schneefelder noch unbeschreiblich gespannt. Nie nahm der Winter ein Ende,
solang sie zum Himmel aufsah mit jener Unbedingtheit des Trotzes, der
selbst ihre Melancholie durchk�hlte.

Erst durch den Schleier der Tr�nen ist sie eingegangen in das sch�ttelnde
Rund, unerreichbar, des Horizonts.

Meine Freunde, denen ich in die Traurigkeit der Einsamkeit und Arbeit
auswich, werden sagen, ich habe einen Fr�hling vertan.

Die Armen.

Welche F�lle trug er in mich hinein:

         Du warst die
Frau, die eine Nacht mit mir schlief in Kowno in Lasallis Haus, das
Napoleon bewohnte, und vor dessen Fenster ein elender Winter dann erfror
. . . . . . die aus dem Boot auf den Aalandsinseln mir entgegenlief,
wei�blond, im Hemd zwischen den D�nen . . . . . . die aus dem rum�nischen
Zirkus herauspreschte in die Pflaumenbl�te meines Wagens. Du bist die Hure,
die mich am Pont Neuf in den abscheulichen Monat der Hallen zog. Der
Ritterstad m�tterliches L�cheln schwankt manchmal elfenbeinern �ber deiner
Schulter. Auch von Kerstins blumenhafter Anmut ist etwas deutlich auf deine
Lippe getreten, Uga.

Du sa�est, die Knie zum Kinn gezogen, am Flo�rand mit mir zwischen Worms
und Ems, bist die Pastellufer der Lahn schw�rmerisch mir nachgezogen, durch
Vogelsberg und Spessartbuchen in die Einsamkeit der Eifel gedrungen, wo
zwischen dem gelben Mattenbrand und den stumpfen Maren dein schwarzes Haar
die Bauern feindlich erregte.

Du hast in Versoix die Friture der Fische mit mir gegessen, Landwein
getrunken, die gut ger�steten K�pfe und Flossen mit Hasenz�hnen geknabbert,
standest am Dampferkreuz genfw�rts, sangst befeuert: �Le soir est doux et
parfum� . . . . . .� und hast in der Nacht dir den Kopf zerschossen.

Du warst Ren�e, die mich fand, Rue Bonaparte, als mich beim Verkauf des
Intransigeant ein Verkehrsauto �berfahren. Als Backfisch, unbekannter, hast
du im Kreis getanzt und die H�nde zusammengeschlagen, wie ich das
Schlittschuhrennen als Gymnasiast als zweiter machte.

Am Thomasstaden Stra�burgs stie� ich dich zur�ck, weil in dem gotischen
Tiefsinn der Stadt deine Schlankheit ergriff wie die steinerne Sch�nheit
der kreuztragenden Jungfrau der Kathedrale und ich mich nicht entschlo�,
dir den �berm�tigen Stolz und die Herbheit einer Macht, die zu l�sen in
meiner Hand lag, abzunehmen.

Du bist dieselbe, die mich mit in Bonn belogen, im Ruf als Gentleman
gesch�digt und ausgepl�ndert auf die Manschetten im Hotel Royal
nachdenklich auf die entlaubte Allee hinunter erwachen lie�, wei�h�utig du
wie keine.

Du hast im Auto Sekt gefr�hst�ckt, in Neuilly eine Mansarde mit mit
bewohnt, warst der dunkle Tierblick einer Komtesse in einem Schlo� des
Maingau, das ich mit dieser Last, Vers�umnis eines Sommers, verlassen. An
dich dachte ich, wenn ich allein mit einer Frau leben, Kinder haben, eine
Farm, ein Gut bewohnen, gut grau werden wollte. Du warst tr�stend da, wenn
mich das Elend fast krepierte. Du warst die Frau, die ich hatte, begehrte
und die, welche auch mit unvergleichlicher Vielfalt dar�ber hinaus die Zone
meines Traumes durchflammte.

O Diana.

Das Unsichere, in dem du kamst, und das �berlegene L�cheln, mit dem du dich
entferntest, haben eine Vollkommenheit in die Spanne dazwischen gesammelt,
die selbst das Unfa�bare des Abschieds nicht verschleiert.

Einmal war alles geschenkt, alles beschieden. Auf jeder Sekunde, die tief
zu dem Laster und hoch in das Herrliche sich spannte, habe ich den
Kontinent der Abenteuerlichkeit meines Herzens grenzenlos durchlaufen.

Alles war einmal gesammelt, einmal Figur.

Es war wohl zu erlesen. Es konnte nicht bleiben. Ich h�tte es nicht einmal
gew�nscht. -- --

Wenn ich im Herbst zur�ckkomme, ist Einsamkeit. Die gro�en Nebelwolken, die
mit Sausen wie Batterien angefahren, haben die Landschaft ver�det. Man hat
den Bl�tterfall zum Anstarrn, m�de der Herzen, die verf�hren und peinigen.

Ich werde, indem ich mit Lil Pax in Pelzen und Shawls zum See fahre,
w�hrend sie abwesend l�chelt, von der J�gerin erz�hlen, da� der Teich leer
war einen Fr�hling, da� ich eine Woche auf der Schneeh�tte mit einer Nymphe
wohnte, da� der braune Glanz ihrer Schulter mehr wiegt als Ruhm, als
Ehrgeiz, als alles.

Das Gr�n des Sees wird uns verfolgen durch den Pferdeschaum und die
Spaliere der Fichten, die auch in der Rotglut des Herbstes die Erinnerung
deiner Anmut manchmal noch tragen, wird verspr�hen am Bleihimmel und
zuletzt wird ein geringes davon �ber der Braue der Frau sein, die schweigt:

         wie fern ist mir davon selbst das N�chste,
aber wie grausam ist Gl�ck.

Du wirst es h�ren, jeden Laut, wenn ich von dir rede.

Sommer steigt von der Alpspitze golden herab. Die Sonne schwenkt prasselnd
Glut aufs Heu. Die wei�en Krokus sind nicht zu fassen in der F�lle.

Du h�rst, Uga, wo auch immer du, wenn das Wasser du abtatest, vorziehst die
Pause deines Daseins in unserem Bezirk zu verbringen:

         Ob du durch Stadtpal�ste feierst, auf
westlichen Schl�ssern vor einbrechenden Horden nachts f�hrst . . . . . .
kein Laut, wenn ich rede, der dir entginge, den du nicht schmeichelnd
empfindest. Wir sind nicht getrennt. Du nimmst alles auf, wie immer, die
schmalen Lippen wenig verschoben, den Kopf auf dem kr�ftig gegossenen Halse
kaum wiegend, manchmal nur nickend. Nie gab ein Gott einer Diana so viel
von einem Kinde.

Ich tr�ume nun, allein jetzt auf den Matten, in die H�nde, wo du seist:

         Jagst du nackt vor M�nnermeuten
skiernd nach Kautokeino mit hell schreiender Gurgel? W�lzt du in
Osorisschnee das ergl�hte Gesicht? Funkelst mit n�chtlichen Lanzen den
Okzident ab der Sehnsucht? Schwingst auf Delphinen durch violetten
Abendhimmel? Bl�st ein Horn auf den Sternb�gen?

Uga.

Wie gleichg�ltig dies R�tseln. Es war. Es bleibt. Welches Gl�ck!

                                * * *

Das tr�umen wir, wenn es uns wohl geht. Aber man stirbt. Aber man ger�t in
das Elend. Die Leidenschaften steigen in die Niederung dann, wo sie um
Hunger, Krankheit, Leiden sich bewegen. Wir sind verloren, wenn wir
abst�rzen. Wo sind dann die Geliebten?

Du wei�t keine Antwort auf die letzte Frage, Uga! Bist du bei mir, wenn die
Mondsichel tragisch auffliegt. Steht das Zucken deiner Braue als Trost am
Horizont, wenn man mich f�siliert, wenn ich im Stra�enkampf stehe, elend in
einer Vorstadt vegetiere, der gro�e Sund meine Malaria nicht mehr
herunterwirft in die Tiefe des Thermometers?

Man ist allein. Man geht beiseite zugrunde. Wir sind zerborsten in die Welt
gesprengt. Man wei� nichts von den Herzen, an denen man unirdisch gelegen.
Unsere Kraft versagt. Niemand kennt einander, wenn wir krepieren.

Welcher Mann wird, die Locken verwirrt, in Scheweningen nachts die Midussi
zu Tode qu�len? Wer wird mit einer Achselbewegung Margits Frische im Keim
ert�ten? Wer gibt der Ritterstad, von einem Auto bedroht, den Tip sich zu
wenden? Stirbt Bambulas St�rke an einem foul blow des giftigen Ukrainers?
Wer rettet Lella vor der Schwermut im Walde?

Selbst Kerstins t�dliche Sekunde zeigt niemand meinem Auge, wenn sie,
verst�rten Gesichtes, sch�n und schmal zum letztenmal ein Bild in dem
Seespiegel sucht.

Am Ende ist Einsamkeit. Man ist vor dem Ziel betrogen. Alles war umsonst.
Wir sind allein.

Wir haben wohl G�ttliches genossen, aber sind vor dem Tode eine Null. Alles
war L�ge, die wir uns gestatteten. Wir waren einsam im Get�mmel. Waren
frauenlos in den hei�esten Weibern�chten. Wir haben uns mit Kameradschaft
gepanzert, aber, ach, es �berlie� uns dem Nichts. Die Menschen haben uns
wie Bienenschw�rme umschart, aber wir haben uns get�uscht, sie haben nichts
genutzt.

Die Landschaft, von der wir dachten, sie tr�nke uns, durchsp�le uns mit
Geruch, Fels, Wald und Baum, seliger See, einzigem Meer, weicht aus, wenn
unser t�dlicher Blick sie sucht. Die Natur ist feig wie ein Hund, unf�hig
dem, der ihr nichts zubringt, zu geben, uneingedenk der Zeit, wo wir, als
wir olympisch zu schweifen glaubten, sie wie eine reife Polle aus der
Ewigkeitstunde schl�rften.

Wir haben sie nicht erlebt, sondern in sie hinein gedacht, was wir
w�nschten. Mit den Leidenschaften, die sterben, erlischt auch ihr
Gegenstand. Man ist in Einsamkeit.

Wir Armen.

Wenn wir n�chtern sind, sehen wir unsere Spiegel. Wir haben uns an uns
selbst berauscht. Haben unsere Stimme mit Glanz, den nur jugendliche Kraft
so schmerzlich und hallend verlieh, ohne Echo hinausgerufen. Wir haben die
besten Stunden wegen Chim�ren verlitten. Als wir am sch�nsten gl�hten,
waren wir in schweiniger Bitternis.

Wir haben in der Tat die Welt umschifft, um als Drecks�cke in die Hafen zu
laufen. Ausgestreut haben wir, aber nichts eingenommen. Gegr�ndet haben
wir, die Bilanz ist bankerott.

Auf Sternpolen haben wir uns wie Dioskuren verschmolzen, aber liegen als
Pack vor die Karren gekehrt. Das ist der Schlu�. Man kommt nicht heraus aus
der Einsamkeit.

Dann aber, Uga, stehen wir allein unter Gewittern, ver�det, trostlos,
preisgegeben, und der Fluch zerschl�gt auch selbst hinter uns die
Erinnerung unserer Fahrt, die manchmal doch an paradisische Landschaften
kreuzte. Die Blitze sind n�chtern, wenn sie zerst�ren. Wo bist du? Wir
sehen einander nicht mehr.

                                * * *

Wir Kleinm�tigen. Wir Schlucker der Verzweiflung. Dieses Leben.

Wie herrlich mu� es sein, da� auch seine besten Tugenden manchmal selbst
den K�hnsten bezweifelbar scheinen.

Welches Gl�ck, da� wir erkennen: Bestien sind wir. Bel�mmert, klein,
Ausgespiene, verdammt von der Geburt auf. Wir haben als Helden uns
maskiert, wenn wir als Hy�nen uns f�hlten. Wir haben uns M�chte angema�t,
die wir, nur gedrehte Figuren, nie besa�en. Haben uns emp�rt, die wir
zerbrechlicher sind wie Glas. Wir sind Arme und Tr�bselige, im Verbrechen
befangen, nach Schmutz sehns�chtig, Gr��e abgewandt mit Eifer, und selbst
in unseren Instinkten unverzeihlich mi�leitet.

Denn da beginnt erst unser Anfang, indem wir, ohne die M�glichkeit, tiefer
zu fallen, unser Elend und unsere W�nsche vergleichend, die Sehnsucht nach
der besseren Station wie alles Irdische in uns tragend, die Himmelfahrt
jedes Aases antreten.

Je tiefer wir uns wissen und je geringer wir uns einsch�tzen, um so heller
sind noch immer die Montgolfieren der Leidenschaft in unwahrscheinliche
M�glichkeiten geschwebt.

Wir bekommen langsam die zwei Gesichter, von denen das eine erbleicht �ber
unser Elend, w�hrend gleichzeitig schw�rmerisch das andere in grazi�sen
Minuten Gl�cksh�gel �berschweift.

Denn wir sind k�hn genug, das Nichts zu �berschreiten und an die Tiefe
unserer Erb�rmlichkeit die H�he unserer Leidenschaft anzuschlie�en, mutig
genug, statt Sklaven uns zu Herren aufzuschwingen in den Spiralen des
Ewigen, in die wir, seltsame Schicksals-Looping-the-loop-Fahrer, geh�ngt
sind.

Wir haben kein Anrecht auf Gl�ck.

Gut.

Erobern wir es.

W�rden wir nicht gleich platten Fr�schen manchmal zusammengeknallt auf die
Tiefe unserer Erb�rmlichkeit, wir f�nden, Satte, Eitle, nicht die Kraft,
die gro�en atemlosen Mondaufg�nge immer wieder mit erregten Herzen zu
erwarten, die ruhige Sonne �ber Tulpenbeeten zu genie�en und �ber den
W�ldern geheimnisvoll die wandernden Regenbogen zu suchen.

Seltsames Leben.

Wie niederschmetternd mu� es im Grund sein, da� selbst die K�hnsten so sehr
sich daran zu begeistern verstehen.

O wie erinnere ich mich der Sybilla Monti, die aus dem schmalen Hafen von
Antibes mit der gleitenden Bewegung der s�dlichen Frau, die frische
Syphilis im K�rper, verkleidet als Schiffsjunge, gesucht von Polizisten,
mit dem gro�en Segelschiff in das t�dliche Schicksal fuhr . . . .

         aber
gereizt von der unwiederbringlichen Sch�nheit, mit der von den Seealpen her
�ber Aloe, Orange und Lorbeer der Mond das Silberrot der Wellen wie Duft in
sein Licht hinaufzog, die Arme in eine gro�e Bewegung des Entz�ckens vor
dem ersten Segel aufzuheben wagte -- -- -- eh wir sie morgens mit den
tierisch sch�nen nackten Oberschenkeln an den Strand getrieben sahen.

Wie ging da sterngleich jener Fr�hling der Erkenntnis am s�dlichen Meer
meiner dumpferen Jugend auf:

         O Frau
von Tervani, vor deren wei�er Palmvilla und abenteuerlichem Schmerz mir der
Mai die fremde Seelandschaft berauschend versang, wo ich die hellen Stufen
von dem Olivenpark zum Strand Abend um Abend hinuntergehend meinen
verschollenen Bruder als Steward im Hafen des nachbarlichen Genua erwartete
auf einem nie nahenden Schlepper, wo Rosmarin und Buchsbaum und das Licht
des gelben �lbaumholzes aus dem Kamin Frau von Tervani umrahmten -- -- --
-- -- bis ich aus dem Erwachen ihrer Arme heraus blitzhaft durch die hohen
aufgegangnen schmalen L�den �ber der Terrasse unten im Hafen die �gyptische
Fregatte Bonapartes erblickte . . . .

. . . . . da� von dieser Sekunde ab die Wollust mich mit jeder Segelflaute,
jedem Wolkenschauer �ber der s��en Bucht, jedem goldnen Pirol, der uns aus
dem Hain herauf weckte, unz�hmbar �berschwemmte:

         nun in die noch unbekannten
L�nder aufzubrechen, Tiere zu suchen fabelhafter Form, Menschen
beispielloser Vielfalt zu erkennen und genie�en und belauschen, St�dte,
Meere, Kape zu �bersteigen, Fr�chte im Morgen, Dampfer an der Reede, St�rme
an den Antillen und Schmerzen der Sehnsucht zu erblicken . . . . . . und
einmal dann am Ende in B�cher Menschen ohne Zahl und �berlegen wie K�rner
durch das Sandglas st�rzen zu lassen, da� noch vier Generationen der Jugend
nach mir sagen werden: welch ein herrlich Lebendiger hat hier unverge�lich
gewandert.

                                * * *

Uga, welche Unterwerfungen hat es seither gekostet, Geliebte, bis ich
erkannte, wie begrenzt wir sind in dem Dasein und besch�mend eingeh�rdet in
diese Welt, da� ich schlie�lich vermochte, auch �ber die Zweifel unserer
Unzul�nglichkeit hinweg so Verfl�chtigendes und so g�ttlich Unerreichbares
wie dich, Uga, ganz zu umfassen und auch wunschlos noch zu genie�en und zu
lieben, wo unsere H�nde schon im Leeren treiben und unsere Leidenschaften
nicht mehr gen�gen und fassen.

Welche Opfer und welche Entbehrungen, um dies Ruhige zu erreichen und nicht
weiter zu trotzen . . . . . du sahst es nicht. Wenige werden sie meinem
Leben und der ihnen zugewandten Fl�che meiner Existenz glauben. Niemand
wird es wissen.

Es mu� nicht sein.

                                * * *

In diesen Tagen kam der F�hn unter wolkenlosen Sternen �ber die Steppen
gefallen. Er wirft sich auf Lil Pax' Herz.

Sie l�chelt. Wenn sie allein ist, st�hnt sie leis. Depeschen kommen.
Menschen fahren heran. Eis, Kaviar, Kompotte . . . . man sendet das
Erdenkliche in die Villa. Sie erh�lt Kampfer, Veronal, Morphium. Es
vergiftet sie, sie lehnt ab. Die Atemnot kommt. Ich sitze an ihrem Lager.
Die Helferinnen pumpen den Sauerstoff �ber ihr Gesicht. Das Telephon ist
belagert. Sie empf�ngt niemand. Eine Rippenfellentz�ndung trifft in eine
Nacht, sie breitet sich nicht aus.

Sie sieht wie auf ein Spiel, ob ihr K�rper es �berwindet, ob er versagt.
Sie hat die uninteressierte Neugier mit leichter Ironie um den Mund. Als
sie keinen Atem mehr bekommt, verliert sie die Teilnahme an der Krankheit
ganz. Sie wendet sich scharfsichtig den Dingen zu, die sie mit der Welt
verbinden. Nichts erleidet eine St�rung. Sie diktiert ihre Post. Sie
empf�ngt, sie unterh�lt sich. Der Atem versagt. Sie verlacht mit
liebensw�rdigem Spott die kleine Nonne, die neben ihrem Kissen den Jesus
verk��t: �Haben Sie keinen anderen Geliebten?� Der sch�nen Nonne st�rzen
die Tr�nen. So gro� ist die R�hrung ihres Zaubers.

Aber als nachts pl�tzlich die Fieber sanken, das Herz ruhig pumpte, die
Rippeninflammation zur�ckging, die Krise �berschwang . . . . . nahm sie
L�cheln und Maske des irdischen Aufenthalts von den Augen:

         Sie entfernte sich in
einer erschreckenden Anmut. In einem unbeschreiblichen Proze� der L�sung
schien der K�rper immer weiter sich zu verfl�chtigen, und ihr Geist allein
beherrschte in quecksilberner Reine die B�gen der Stirn. Ihre H�nde
schienen nicht mehr da, die Augen, der Mund waren verloren, aber ich habe
nie sie so deutlich und greifbar in jeder Muskel gesp�rt.

Ich hatte falsch gespielt. Ich hatte das Rauschen des knospenden Birkbaums
im Garten zu ihr gef�hrt. Ich habe �pfel, die noch rochen, ich habe Krokus,
Aprikosenzweige in Bl�te gebracht. Ich legte eine Katze an ihr Bett, sie
h�rte das J�gerische an ihr. Ich habe einen Wackerstein des Flusses auf
ihre Hand gelegt, da� sie das Murmeln der Wellen wieder h�re.

Sie war zwar gefolgt.

Der Kern wohl ihres leidenschaftlichen Blutes war dem Gl�henden hier wie
immer nachgeschritten und hatte sich angesogen an das Pfeifen des F�hn und
die Wiesen voll Himmelschl�sseln und den bet�ubenden Heranmarsch des
bl�henden Grases von allen H�ngen und Matten.

Aber ihr Geist l�chelte: das Spiel zerfiel.

Sie wollte nicht mehr zur�ck den Weg �ber die dreiundzwanzig N�chte der
Qual. Er hatte sie zu weit vom Leben entf�hrt, als da� sie um den Tausch
eines zerbrochenen K�rpers die gro�e Sinnlichkeit gegeben h�tte. Denn was
geblieben w�re, war Aussicht auf Qualen in einem Nichts an Leben. Sie legte
es zu dem andern: �Meine Mission ist getan. Was bliebe, ist zu gering f�r
meinen Anspruch.�

Sie hatte zuviel Stolz in ihrer Milde: das gute Material, aus dem sie
gebaut war, wehrte sich am falschen Platz. Platin und Stahl des schmalen
K�rpers hielten bis zum Zersprengen, als sie schon abschlo�. Sie erwachte:
�Es ist sp�t.�

Die Schwester, geneigt: �Du bist m�d Lil.� Sie richtete sich auf: �Man mu�
sich nicht gehen lassen.� Die Augen, weit offen, sahen nichts mehr.

Die schmalen braunen M�rtyrerh�nde lagen auf der gelben Seide der Decke.
Sie lagen sch�n und k�rperlos. Die donnernde Sonne des Hochgebirgs wird sie
nicht mehr verbrennen.

Dann machte sie noch eine Bewegung --: sie wandte, unzwingbar, dem Feind,
der seit Jahren in ihr zerst�rte, mit einer unerschreckbaren Gr��e, gebend,
mild das Gesicht zu, da� er erbleichte. Sie war souver�n. Er besiegte sie
nicht. Sie gab sich hin.

Zum erstenmal lie� sie sich gehen. Ach, es haben viele geweint.

Was ist nun Sterben?

Ich habe mit niemand �ber diese Tage viel und gro� gesprochen. Wie
gl�cklich bin ich. Wie frei.

Greller, gewaltiger, asiatischen, aber sch�n ged�mpften Musiken gleich
rollt aus dem Westen �ber mich t�glich der schmetternden roten Sonne zu die
heimliche dunkele �ber meinen Horizont.

Wenn sie sich schneiden, ists Mittag. Abends erl�schen sie beide an den
Polen der Fl�che. Nachts kreisen sie unter mir. Ich sp�re sie beide
unausl�schlich, jede in ihrem Kreis.

Ich fahre.

Mit abenteuerlicher F�lle wirft mir der Maingau den aufduftenden Sommer mit
allen Pr�rien und Wassern und W�ldern und H�geln und Fl�ssen dazwischen
entgegen. Ich gehe mit festen Schenkeln und der hochgew�lbten Brust des
Seglers und Fechters in ihn hinein.




Der Zuschauer


Die Geburt vollzog sich am neunundzwanzigsten Februar auf Schlo� Favorit
bei Baden-Baden, als schon heller Fr�hling war. Sein Vater war der Portier,
der in gelber Livree, rotbehost, die gro�herzoglichen Farben zur F�hrung
der Fremden trug, das Kind Cepha Billy nach einem Nick-Carter-Schm�ker
nannte und Ehrfurcht vor den Dog-Carts und Autos lehrte, die durch die
viergegliederte Allee heraufstrichen.

Bald nachher folgte seine Mutter einem feurigen Chauffeur, der sie mit
Glasketten beh�ngte, mit der Pistole den Gatten bedrohte und die
schmalh�ftige Frau in fliegenden Kurven zur Rheinebene hinunterknatterte.

Mit vier Jahren warf Billy einen Stein nach dem Prinzen Schlitz-Glitsch,
der auf der Wiese das Strumpfband einer deutschen Aristokratin zu
befestigen suchte. Der Prinz fuhr herum, begann zu lachen und schenkte ihm
f�nf Mark, was den erbleichten Vater so erschreckte, da� er zwei Schritte
gradaus machte und in strammer Haltung, die M�tze auf der flachen Hand:
�Wir treten zum Beten vor Gott den Gerechten . . .� zu singen begann.

Mit neun Jahren ri� Billy aus, indem er sich an ein Auto h�ngte, was erst
in Karlsruhe entdeckt ward. Ein Gendarm brachte ihn zur�ck. Gestraft wurde
er nicht, der Portier lie� eine fast furchtsame Verwunderung sp�ren.

Mit zehn Jahren leierte Billy eine lebende Katze am Schwanz in den
Kastanienbaum und sagte das Vaterunser auf, w�hrend er im Kreis der
Geh�ftkinder Steine nach ihr warf.

Da der Pastor selbst ihn am Ohr herunterschleifte, machte die �berm��ige
Angst dem Portier Mut, das Ende einer Kom�die zu finden, in der nur sein
Respekt ihn hinderte brutal zu sein. Er schrieb einen Brief nach Kowno, in
dem er alles aufz�hlte und sich der besten Gnade empfahl.

Einige Wochen sp�ter, als Billy im Bett lag und auf die Mondkringel
lauerte, die durch die Alleen str�mten, fuhr ein Wagen herauf, es wurde
angeklopft, ge�ffnet, eine Stimme rief �mein Sohn�, stie� die T�r auf, kam
her, von einem m�derischen Lachen umschwungen, und nahm ihn aus dem Bett.

Die Nacht schaukelte Billy auf den Knien des F�rsten Wolkowski, der ohne
Unterla� redete, der Portier sollte Tee machen und von seiner Frau
erz�hlen, aber er kam immer in die Jahreszahlen der Porzellankabinette
hinein und kaute wie mit dem Mund einer R�stung schnarrend und sinnlos. Am
Morgen nahm Wolkowski seinen Sohn mit.

Er schob dieses Niveau, das ihm seiner Mutter nach vielleicht gelegen
h�tte, als durch die Ereignisse �berholt und des Kindes Blut offensichtlich
nicht entsprechend, rasch von ihm weg, um es einer markierteren Zukunft
entgegenzuf�hren.

�Lebewohl�, schrie er dem Portier zu, doch er war nicht zu finden, erst wie
sie rasch das Haus verlie�en, trat er in den Alleegang, als der Wagen schon
lief, vermochte kein Wort zu sagen, sondern blieb stehen, warf die Arme
�Pr�sentiert das Gewehr� und den Kopf �Augen links�. So fuhren sie an ihm
vorbei, Billy winkte mit einem Tuch.

Wolkowski lehrte ihn auf der Fahrt noch, da� er unter allen Umst�nden keine
Mutter habe und brachte ihn nach Gerolsheim in ein Pensionat. Er behielt
seinen Namen, nur wurde ihm der Vorname Wolkowskis, Harion, hinzugef�gt,
man nannte ihn Harri. Wolkowski war ein ungew�hnlich sch�ner Mensch mit
kleinem dunklem Bart am Kinn und einer Kante an der Stirn, die sein
Interesse am Kleinen mit einem Wachsein f�r ein langes und weitgespanntes
Dasein verband.

Ein Jahr sp�ter �bersiedelte Harri, der seinen Vater nicht mehr sah, auf
seinen Wink in die Odenwaldschule, wo er zwei Jahre lebte mit beiderlei
Geschlecht, wilden M�dchen und klugen Jungen und einer Erziehung, die ihm
Freiheit des Geistes als oberstes Merkmal pries.

Dann zog der Befehl Wolkowskis ihn nach Ettal. Im Kloster mit der halb
b�urischen, halb besten aristokratischen Jugend Bayerns, lernte er
strengste, kirchlich geheizte Zucht mit dem vereinen, was an der Bergstra�e
seine Lehrer ihm als Ziel der Lebensidee an Freiheitsgef�hl unausrottbar
ins Blut gesetzt.

Wolkowski war tot, als er das Kloster verlie�, ein Anwalt verwaltete ein
ansehnliches Verm�gen, das der Magnat seinem Bastard �bermittelt.

Er ging nach Genf, M�nchen, Berlin, sah kurz Warschau und Petersburg und
verbrachte seine Zeit in der �blichen Form seiner Gesellschaftsklasse.
Ausschweifungen best�tigten ihm nur vom Kloster her Bekanntes in gr��erer
Ungebundenheit, in die niemand mehr hineinsprach. Sonst war nichts Neues
da, au�er dem, was das Auge durch Vergleiche ablas.

Die Zeit begann dagegen, die auf sie Horchenden bereits zwischen ihre schon
heftig mahlenden M�hlr�der zu nehmen, und, zwischen fernen Gewittern und
glatter Gegenwart, war ein Mann nur, wer sich entschied.

Durch ein M�dchen, das er mitnahm, kam ihm das niedere Schicksal in seinen
Gesichtskreis, was man mit einer Handbewegung sonst abtat, was man nicht
wissen und erlebt haben durfte, wenn man heiter weiter leben wollte und ihn
begann das Dasein der anderen tieferen Schichten anzuziehen, jedoch nicht
mehr als mit teilnehmender Neugier.

Mit gl�nzenden Beziehungen, reich, schlank und mit blonden Haaren �ber
dunklen Augen, einen sportlich gewaltigen R�cken zwischen der slavischen
Eleganz tierisch anmutiger Bewegungen auf schmalen H�ften schaukelnd,
angesehen und nicht ohne ererbte Haltung, zog ihn alles eigentlich zu
Erfolgen und Siegen seiner Schicht.

Aber eine dumpfe Erbschaft, die von der Mutter her sein Blut bewohnte,
zwang ihn immer wieder, eifrig den Ausgleich abzutasten von seiner Klasse
zu der, wo man fern demonstrierte, schuftete und stank.

Nach jedem Versuch aber, sich dort festzuklammern, fl�chtete er zu neuen
Geliebten. Es lockte ihn dunkel aber sofort wieder hinunter.

In Mons fuhr er in Manchesterhosen in die Braungruben, a� Speck, Brot,
gr�hlte und schnapste. Kr�ftig, braun, erfrischt, aber innerlich ersch�pft
kam er nach K�ln ins Hotel.

In M�nchen arbeitete er im Wohlfahrtssekretariat, F�rsorge,
Antituberkulose. Sein Lehrer Brentano zeichnete ihn im Seminar aus, wo er
durch k�hne Einf�lle die besten volkswirtschaftlichen Florette f�hrte.

Als es anfing ihn zu verwirren, da� bei allem Drang und aller Lust er in
den Tatsachen der Masse fernblieb, ohne Kontakt und selbstverst�ndliche
Gemeinschaft, w�hrend das, was er von Natur leicht besa�, ihn in seinen
M�glichkeiten nicht reizte, fuhr er auf der Durchreise zu dem Mann, der
neun Jahre sein Vater zu sein schien.

Der kannte ihn nicht und begann erschreckt, als der Kavalier �ber den
Horizont seines in elf Unteroffiziersjahren erreichten und umschlossenen
Weltgef�hls sich ihm z�rtlich nahte, Hilfe bei seiner vorgesetzten
Autorit�t zu suchen und knarrte verzweifelt die Namen und Jahreszahlen der
badischen Dynastie herunter.

Entsetzt fuhr Harri durch die fabelhaften Alleen.

Zwei Jahre ging das Leben so hin, bis die Operation des Appendix ihn um ein
Haar erledigte. Auch als er genas, geriet er dem Tod nicht aus seinem Bann.

An der Grenze des Lebens hatte er verlernt, die Wichtigkeit der irdischen
Dinge respektvoll beizubehalten.

In einer tiefen Melancholie, die allerdings nicht auf die Oberfl�che seines
Wesens trat, erlebte er nur noch den spielerischen Reiz im Ungef�hr dieses
Existierens und blieb schon durch den Gedanken, da� er bei Unkenntnis
dieser Operation vor wenigen Jahren ein verscharrter Kadaver und eigentlich
nur geschenkt und leihweis dem Leben �berlassen sei, l�chelnd pl�tzlich
jenseits der Probleme und Fragen der Zeit aufgestellt.

Seltsamerweise ging alles Seitherige in seinem Ged�chtnis unter, er begann
neu die Eindr�cke zu spiegeln, ohne sie aufzunehmen.

Eine Laune des Todes, verbrannt von der einmaligen Gr��e seiner N�he und
nur noch imstande mit diesem furchtbarsten aller Wertmesser noch
einzusch�tzen, ein fast uninteressierter Beurlaubter des Sterbens, so
f�hlte er sich, obwohl stark und voll fiter Gesundheit, einem Dasein
entgegenschreitend, das er einerseits nicht besonders einzusch�tzen
vermochte, das auf der anderen Seite aber mit verzehrenden Lockungen und
dauerndem Wechsel ihm gegen�bertrat.

Noch m�d fuhr er, zu reisen, von Baden nach Folkstone, der Himmel war voll
Gew�lk und lichter erst �ber den wollweichen Wiesen von Kent. Zwischen den
Riffen und Blumen und B�chen, Hornissen und Sturmschwalben gingen Wochen,
die nichts gaben, nichts nahmen.

Bei Angeln, Jagd, bei auf dem R�ckenliegen, im Anblick eines Hauses, des
hellen New-Romney, im Anblick von Wight, der Cousine Lyne eines Freundes,
die morgens viel lachte, im Anblick der Grasschur f�r Hockey, im Anblick
von Bournemouth, von einem Korallenparksee, der Portlandinsel, im Anblick
eines Strandes, der immerzu ihm entgegenzuschwimmen schien, im Anblick von
Weihen und Hasen, von Uplyme Hill, Lyme Bay, von Hunden, von einem
Kerzenbegr�bnis, von Cast Looe, Himmel, Birken . . . . . . im Anblick von
Fischschuppen, die ganz neu ihm erschienen, vom Zinnober des Abends �ber
K�hen, im Anblick von Abteien und Ulmen, Gerrans Bay, Polperro, Gorran
Haven, im Anblick des Hallstroms, wo er ins Gewirr des Meerarms str�mte
unter Blattwerk und rudernden schwarzen Enten, im Anblick von Cape
Cornwall, St. Ives, einer Hochzeit im Dorf, im Anblick eines Autos, das in
die Luft sprang und ins Meer st�rzte, im Anblick einer dauernden besonnten,
reichen und wundervollen Reise empfand er nur ein gewisses Interesse, das
sich abendlich verdunkelte, in der Fr�he immerhin nicht ohne Sympathie war.

Er stieg vom Dampfer, nahm die Bahn und ging quer durch Cornwall zur�ck. Am
Waldrand bei Liskeard bettelte ein Vagabund ihn an, Harri bettelte zur�ck.
Da lief der St�rzer wie ein Eber schreiend davon. �Simpelst thing in the
world�, sagte Harri, sah ihm nach, fischte ein paar Tage Forellen mit
Edinburgher Studenten, fuhr durch bl�hende Grassteppen ans Meer, durch
Sussex, und kam nachts nach Paris.

Im Hotel neben dem Panth�on schrillte dieselbe Nacht unter einem Dietrich
das T�rschlo�, sein Schl�ssel flog heraus, das Licht ging an, ein Herr im
gelben Pyjama stand vor seinem Bett, verbeugte sich, hielt den Finger auf
die Lippen, deutete auf eine Dame, die hinter ihm stand und glitt lautlos
hinaus.

�Wie hei�t der Mann?� �Gallow.�

Sie fl�sterte zitternd, w�hrend drau�en der Lift hochscho�, M�nner liefen,
ein Zimmer erbrachen, die Stimmen aufkrischen und langsam zur�ckfliehen und
verschwanden. Harri bot der Dame sein Bett an und verpflichtete sich, im
Lehnstuhl zu schlafen, die hatte einen Kimono �ber dem Hemd, die nackten
Beine bebten. Nach zwei Stunden entf�hrte sie Gallow mit einer Verbeugung,
eine Limousine nahm sie auf vor dem Hotel, die V�gel sangen bereits in das
Lila einer D�mmerung.

Mit dem Grafen Shanvady, mit dem er eine Zeitlang in Ettal zusammen war,
fuhr er die ersten Tage nach St. Germain, nach Enghin, nach Calais. Mit
Shanvadys Cousine Mirei fuhr er zum Sonnenaufgang nach Trouville. Im Motor
begleitete er sie durch das Abendrot der Seine am Trokadero.

Ihre Schl�fen waren leicht eingebogen, die lebhaften N�stern zitterten
scharf und anmutig, das Auge war bedeckt mit einem perlmuttenen Schleier,
unter dem das leidenschaftliche Herz sich k�hl verbarg.

Vor Bildern, im Mus�e Moreau, vor den R�uschen �bergro�er Empfindung, fiel
ihr Gesicht wie eingest�rzt noch nach innen. Sie war so unerl�st, da� der
Hauch einer seelischen Best�rzung sie erstarrte, eine Z�rtlichkeit der
Stimme sie fiebrig den Blick verschwimmen lie�.

Auf den Rennen in Auteuil traf er dagegen am Totalisator Gallow wieder, der
eine Bande kommandierte, die zwischen den Buchmachern, Jockeys und
Startrichtern hin- und herscho� und signalisierte. Er setzte auf ihre Tips,
gewann, verlor, gewann. Angezogen durch die Organisation blieb er dabei,
nachts endete er mit einem Umzug durch die Brasserien des lateinischen
Viertels. Da Gallow am n�chsten Tag in die Provence verschwand, kam von dem
R�derwerk einiges an Harri heran.

Er schaffte den holl�ndischen Photographen Visser, der die dunklen H�fe f�r
drei Sous aufknipste in ein illustriertes Journal, wo Visser die Klischees
an Alth�ndler zu verkaufen vermochte mit siebenfachem Gewinn gegen seine
Gage. Er schob Germaine als T�nzerin in das Ballett, wo beim
achtundzwanzigsten Mal erst ihrer Schenkel Kraft einem Kritiker auffiel und
Germaine auf den Punkt gelangte, ihr gewisses Renommee und diesen Ruhm zu
abenteuerlichen R�ubereien an der Gesellschaft zu benutzen.

Er bugsierte den Juden Blumenthal in den Marstall des Pr�sidenten, der
dann, von der Opposition bestochen, das Pferdezeug durchgehn, den Wagen auf
der Stra�e von Neuilly umschmei�en und den wackelnden fetten Mann als
Oberhaupt der Republik von Maulaffen und Verbrechern mit Birnen beschmei�en
und in aller Taghelle besudeln lie�, bis seine gl�nzende k�ra�te Kompagnie
herbeikam, aber den Skandal nicht mehr aufspie�te, der aus einem Film und
hundert Karikaturen �ber Europa flitzte.

Er bewegte sich in dem Milieu politischer Fl�chtlinge, bankerotter
Literaten, sozialer Boh�mes und Gl�cksrittern, in diesem nihilistischen und
auf Karriere bockgeilen Milieu mit der Sicherheit seiner Beziehungen und
seiner Uninteressiertheit.

Dazwischen sah er Mirei.

Bald mischte sich sein Leben.

Er sa� mit der Ungarin in der Opernloge, a� mit ihr und Shanvady im Caf� de
Paris und fuhr im spiegelglatten Auto in den Klub der Rue de Grenelles.

In derselben Nacht in schiefer Sportm�tze und Sweater decouvrierte er den
Rennfahrer M�ller, der im Absynthrausch in der Rue Champollion gest�rzt
war, als Besitzer eines zerborstenen Holzbeins, Spitzel, und Besitzer von
f�nfhundert Francs, die er verschwiegen und sich von den kleinen Kokotten
hatte aushalten lassen.

Er tastete mit Mirei die Knoten der �ltesten Spitzen ab im Mus�e Cluny und
ging dem Filigran nach in seine jahrhundertalten Ver�stelungen.

Er holte Hallboog hingegen aus seiner fensterlosen Baracke, wo er zwischen
dem Bild einer Frau, die ihn betrogen, und dem Glas dar�ber, eine Brut
Wanzen z�chtete, und brachte den gertenschlanken, haarumbauschten Burschen
zum F�hrer des Chors in eine dramatische Revue des Od�on.

Er ging im Promenoir der Folies Berg�res, den Zylinder im Genick, die Hand
in der Fracktasche neben Mirei, und machte in dem Caf� der kleinsten Huren
den Kroaten Mitro Petrova aufmerksam auf eine Notiz im Figaro, die einen
phantastisch reichen und abenteuerlichen Sportsmann und Aristokraten seiner
Rasse bei Geschick in seine Hand gab.

Er fuhr zum Golf auf den grazi�sen Aven�en zwischen den Idyllen und
Zartheiten der Geb�sche mit Mirei im Bois de Boulogne auf dem
Mail.-Phaeton, und brachte Petrova hingegen unter als Spitzel gleichzeitig
bei dem serbischen und �sterreichischen Konsulat.

Er glitt mit dem R�derwerk, das er stellte und spielte, tief in das Milieu,
war im arabischen Viertel heimisch wie ein Zuh�lter, kannte und lernte die
Tricks der Polizei, der Gesellschaft, lernte die Finten dagegen, die
Fallstricke, die Bet�ubungen der Gegnerschaft. Wu�te, wie M�dchen verkauft,
M�nner ausgetrieben werden, kannte die F�hrer der Milchdiebe und der
panslawischen Komitees, lebte in dem Rauch der europ�isch gemischten
unruhsamen Retorte, wurde von Mirei nicht erkannt, als er ihr als Camelot
ein Abendblatt vor der Oper verkaufte, nicht, als er statt Hallboog dem
Chor im Od�on die Stichworte gab, aber er brachte genug unausgesprochener
fremder Welt an sie heran, da� sie ohne Begreifen aber gef�llt bis zum Rand
mit Instinkten mit ganz weit ge�ffneter Iris und dem fiebrigen Pochen,
gleich einem dahinter schlagenden Vogelherz, ihm gegen�bersa�.

Als Mitro Petrova, durch das Pech verfolgt, nicht beim Grafen Castiglione,
jenem gro�en ungarischen Sportsmann, vorgelassen wurde, nahm er selbst, in
Petrovas Maske und ausgefransten Hosen und ohne Kragen die
kompromittierenden Briefe, erreichte, von Petrova gefolgt, in dem Hotel am
Vend�meplatz drei Appartements, ging in das vierte, von der erbla�ten
Dienerschaft bestaunt, sah eine Frau im Peignoir halbnackt, aber mit
deutlicher wunderbarer Schulter durch einen Vorhang verschwinden und hielt
mit ruhiger �berlegenheit dem Grafen, einem breiten, nackenschweren
Burschen mit r�tlichem B�rstenschnurrbart die Papiere und die Situation vor
und lie� ihn w�hlen.

Verwirrt griff der nach dem Schl�ssel seines Schranks, um auszuzahlen, da
st�rzte Petrova auf die Papiere, warf sie dem Grafen vor die F��e, warf
sich in den Teppich auf die Knie, verzichtete auf die Rente und erbat als
Gegenleistung f�r die Papiere seine Geliebte f�r eine Nacht.

Der Graf ri� die Papiere an sich, bekam durch diese Wendung Mut, spannte
eine Pistole, und nur mit schrecklichen S�tzen gelangten die beiden ins
Freie. Der Figaro brachte Castigliones Bericht durch seinen Interviewer,
das Journal sein Bild, der Polizeipr�sident setzte eine Belohnung auf die
Erfassung der Attent�ter.

Am folgenden Morgen machte Petrova Harri klar, da� er nichts, Harri alles
zu verlieren habe, und da� er Geld brauche. Harri lachte und schlug ihm
zweimal seine Handschuhe ums Gesicht. Nun tauchte aber Gallow wieder auf,
eifers�chtig und gewandt versuchte er ebenfalls die Erpressung. Harri gab
ihm eine Banknote. �Einmalig . . . . wie der Tod�, sagte er.

�Yes� -- Gallow.

Nach drei Tagen begann Gallow die Erpressung von einer anderen Seite. Harri
suchte ihn durch einen Dritten, der zuh�rte, zu fassen. Es gelang nicht.
Als er ihm entgegnete, da� er, wie seinerzeit den St�rzer am Waldrand bei
Liskeard, ihm auf gleiche Weise Erpressung vor die Brust schie�en werde,
fragte Gallow kalt: �Wieso?�. In der Tat gab es gegen diesen eleganten und
gef�hrlichen Halunken kein sicheres Material.

Das sagte Harri zu dem Grafen Shanvady, als er mit ihm vor dem Caf�
d'Harcourt sa�, und damit trat Shanvady in sein Leben, in das er tief wie
niemand einschnitt.

Shanvady frug, ob er ihm das Arrangement �berlasse, Harri nickte; Gallow
verschwand.

Am gleichen Tag fuhr Harri ohne Shanvady mit Mirei nach Fontainebleau. Das
Wasser hatte eine zauberhafte Durchdringung der Luft, die Parke standen
hauchklar und leicht.

Sie erregten sich aus der Beschwingtheit des federhaften blauen Tags hinein
in die Sch�nheit des, was sie umgab. Er zeigte ihr den Hof, wo Napoleon
Abschied nahm vor Elba, und Sergeant Dubois durch einen Schrei die ganze
Kompagnie zum Heulen brachte.

Vom Wagen links und rechts sich neigend, verst�ndigten sie sich, da� hier
der Rousseau gemalt, dort der bauernhafte Millet, da der Daubigny, und am
Ende �berall der aus Silber und Fl�te die Welt geschaffen: Corot.

Schon im Schlo� l�chelten sie sich zu und begannen die S�le zu durchrennen,
immer s��er wie von ihrer eigenen gleichstr�menden Harmonie weitergetragen,
bis Mirei neben einer schlanken elfenbeinernen Vase der Marie Antoinette
stehen blieb, err�tend, ihn erwartend und die Hand auf der Brust, atemlos:
�F�hlen Sie mein Herz�.

Alles war nunmehr aus ihr herausgetreten und hatte sich in ihrem Gesicht
aufgestellt, bereit wie mit einer gro�en und feierlichen Zeremonie ihn zu
empfangen und ihm entgegenzutreten.

Allein in diesem Augenblick entfernte sie sich unter seinem Blick, er
f�hlte keinen Anla� und keine Begeisterung hineinzutreten in diese Welt,
als sie sich ihm �ffnete, er vermochte sich nicht darauf zu spannen, da�
dies ihm etwas sei. Der Tod hatte ihn zu sehr entr�ckt, er bestand die
erste Probe nicht, mit der das Dasein ihn lockte.

Flaumenweich, d�nn und zwecklos flo� es ihm weg, er neigte sich nur
l�chelnd und zur�ckhaltend, als h�re er. Abends nahm er im
Luxembourg-Garten eine tschechische Studentin mit, k��te ihre Knie und
lachte �ber die Nationalb�nder, die sie durch ihre W�sche geflochten.

Am anderen Abend er�ffnete er mit Hallboog das Kabarett in der Rue
Champollion. Er suchte Hallboog damit durch die Variet�sensation in die
Literatur hineinzubringen, aus der dieser abgebogen war durch ein
Weiberungl�ck, und in die dieser ungebrochene und nur zum erstenmal
zusammengeklappte J�ngling mit penetranter Begabung geh�rte.

Den Tag �ber hatte er alles, was irgendwie ihre Kreise streifte, als
Sandwichm�nner mit Plakaten herumgeschickt. Germaine, die er gestartet, war
im Auto mit Herren im hohen Hut angefahren, um als Favorite nun wiederum
diesen Start zu machen.

Shanvady in gr�nem Seidensweater, Apachenm�tze, Lackpumps und rotem
Halstuch er�ffnete, indem er ein Florett durch das Billard stach und, das
sechseckige Monokel eingeklemmt einen dicken Herrn in der ersten Reihe
verh�hnte. In der Hand hatte er zwei Diskusse, die er dr�hnen lie�. In der
vierten Nummer sang Germaine, indem sie beinahe nackt auf dem Tisch tanzte:
J'offre ces violettes / Ces lis et ces fleurettes / Et ces roses icy / Ces
vermeillettes roses / Tout freschement �closes / Et ces oelliets aussi. Die
Spanier kamen, warfen ihre spitzen H�te hoch, schrien ihre Namen: Tom�
. . . Elisabat . . . Camacho . . . Curchuelo. Ein zamoranischer Dudelsack
pfiff dazwischen, aus den Ecken gingen Grammophone wie B�ller los,
�berraschungst�ren knallten mit aufgebundenen Akteuren um eine wagrechte
Achse.

Da sprang �ber einen Tisch der Holl�nder Visser, streckte sich eine Sekunde
mit dem pockennarbigen Gesicht wie ein Pferd in die H�he, machte einen
Riesensprung und stie�, ihm in die Augen sehend, Hallboog zwei Messer in
den R�cken. Die Scheiben des Caf�s wurden eingedr�ckt, Sanit�tsleute liefen
vom Boulevard her�ber, das Polizeirevier sperrte ab.

Sie frugen Visser: warum. Er vermochte nichts mehr zu sagen als den Namen
seiner Schwester, die verschwunden war, er sagte ihn bis an sein
Lebensende.

Das Komitee ward verhaftet und zur�ckbehalten. Shanvady rettete sie, indem
er pl�tzlich mit dem grauen Torpedoauto der Botschaft vorfuhr.

Am anderen Morgen traf Harri, aus dem Metro steigend, Mirei. �Wir sind im
selben Wagen gefahren und haben uns nicht gesehen.� Er nickte. Ihr Gesicht
sprang fast wie d�nn gewachsenes Glas unter den verhaltenen Tr�nen. �Ich
fahre am Abend.� Er nickte und schwieg. Sie gaben sich vor ihrem Haus die
Hand. Bald darauf kam Harri an die Seine.

Ein Dampfer legte bei an dem Steg, er bemerkte jemand, der ihm winkte. Ein
Engl�nder gr��te von dem Dampfer mit hellen Handschuhen ihm herauf, aber
erst, als dieser die gro�e Reisem�tze abtat, erkannte er Petrova, der,
zwischen Lederkoffern und eine Frau neben sich, dem Gl�ck eines Tricks
nachfuhr, der ihn in die H�he geworfen, und den sofort eine Rauchwolke, die
das wendende Schiff machte, verh�llte.

Vom Arc de Triomphe sah Harri die Stadt wie einen Stern geordnet und Z�ge,
die in das gewellte abendblaue Ackerland hinausrollten. In einem der Z�ge
war Mirei.

Gegen Mitternacht sprang er �ber das Gitter des luxemburgischen Gartens,
trat in die Platanenallee und kam in die N�he des Platzes, wo der Wind auf
f�nfzig Meter die Font�ne gleich einer Peitsche herumschl�gt. Auf der Bank
sa� ein Mann, er erkannte, als dieser aufsprang, Shanvady.

Harri hatte die H�nde vor die Augen geschlagen, um besser zu sehen. Das
verkannte Shanvady und machte eine Bewegung, die aufforderte, sich ihm
vollst�ndig hinzugeben. Als s�he er in ihm einen Zusammengeschlagenen,
sagte er: �Kommen Sie mit mir, schlie�en Sie sich mir an. Ich f�hre Sie, zu
was Sie wollen.� Harri starrte ihn an.

In diesem Augenblick kam die Font�ne armdick angesaust und Harri fing sie
mit der Brust und entgegengeworfenem Gesicht auf. Damit waren sie zu nah in
das mondvolle Rondell getreten, die Wache am Schlo� trat ins Gewehr, ein
Trommelwirbel, die Qui vives kamen durch die B�ume. Die beiden sprangen
zur�ck, machten kehrt, rannten durch die Allee, �ber die Mauer auf die
Stra�e und verloren sich dabei. Anderen Morgens trafen sie sich, ohne von
dem Abend zu sprechen, im Zug nach Stra�burg, von wo Shanvady auf eine
Besitzung fuhr.

Harri begleitete ihn nicht, versprach ihn sp�ter zu besuchen, reiste
weiter, im �brigen verga� er diese ganze Epoche rasch, sie blieb ohne
Widerhall in seinem Leben.

Als er Fische wieder fing, war alles aus ihm heraus mit dem Flu� schon
abgestr�mt und nichts da als das pastellne Rosa-Schaukeln der Wolken und
D�cher, das Kuhgebrumm und das Schlafbed�rfnis, das von den kr�uselnden
Ulmenschatten �ber die abendlichen Matten her�berwehte. Als er Dover sah,
nahm er es nackt und ungetr�bt, ein Spiegel, der zum erstenmal die Welt in
sich spannte. Er sonnte sich wie in sich selbst ruhend, am Strand, auf den
Schiffen, als sei nur pausenloses Leben vor ihm und hinter ihm nichts.

Es gab viele Gen�sse freilich, die ihn leicht erheiterten, aber es h�tten
ihn aus seiner entfernten K�hle nicht einmal die Schmerzen getrieben. In
Husum knackten die Fischermotore, in Trouville sangen die Austernverk�ufer
weiter, weiter . . ., in Hamburg krischen die Matrosen: �Glorie, glorie,
Hallelujah / Sch�n sind die M�dchen von Sankt Pauli-Altona.� In dieser Zeit
vermochte er sogar viel zu lesen und zu studieren.

Von Hamburg fuhr er pl�tzlich direkt zu Shanvady.

In einem dampfenden Gewitter an einer Wegkreuzung der Vogesen lie� Shanvady
ihn abholen in einem Wagen des vierzehnten Ludwig, mit sechs Pferden,
karmoisin und golden, und einer Krone als Abschlu�. Mit Fackeln kamen sie
abends in den Park eines Rohanschlosses. In einem erleuchteten Fenster
schwamm unregbar die Silhouette Shanvadys, der mit sich selbst Schach
spielte. Am Portal lie� er Harri durch den Hausintendanten begr��en, es lag
eine Absichtlichkeit wie die Vorbereitung eines heimlichen Ringens in der
Luft.

Auf der breiten Marmortreppe des Ausgangs bewegten sich eine Dame und ihre
Tochter zwanzig Stufen �ber ihm. Pl�tzlich fiel mit glatter Bewegung die
Hose des M�dchens �ber ihre Schuhe. �Mais . . Juju . .�, entsetzte sich die
Dame. Das M�dchen schlug die Hose dem Hund neben ihr ins Gesicht, erblickte
Harri, streckte die Zunge heraus und folgte ihrer Mutter wieder mit Ruhe.
Sie hatte einen Frott�stoff im Kost�m bis zu den Knien, war etwa
siebenzehnj�hrig, mit biegsamen Beinen.

Auf dem Balkon neben Harris Zimmer stand der Hausintendant mit dem Gesicht
einer Dogge. Der Stall war mit einer Lichtschnur erleuchtet. Zwischen den
Gartenbosketts, die dampften, ritten Reiter durch die n�chtlich blauen
Schwaden. In einem Springbrunn im Hof, auf dem der Mond lag, standen nackte
J�nglinge und hielten sich, murmelnd, an den H�nden.

�ber sie aber kam aus der Ferne des Gartenrings ein Laut, der vor dem
Schlo� fast starb, aber noch zitterte in der Luft, weich und s��, spielte
eine Weile, verschwand und kam wieder an, die volle unruhige Nacht
hindurch.

Beim Erwachen sah er vom Bett aus einen Mann in roter Toga, eine Ziege an
einem Band f�hrend, das Haus verlassen.

Es war die Zeit, wo Sekten anfingen in Deutschland die geistigen
Leidenschaften der Epoche, die noch kaum donnernd unter der Zeit ihres
Aufbruches lagen, in Vorposten um kuriose Karikaturen zu sammeln, und wo
die Folien der Helden das Land durchstreiften. Ein Adept seltsamer Pr�gung
erschien bereits voll Bekehrungswallung noch beim Ankleiden, der mit
eingesunkenen Augen deklamierte: Sinnlichem gelte seine und seines Lehrers
Clique Verachtung, worauf in Pyjamahose und nackter Brust nur Harri sein
Gurgeln gerade beendete.

Als der Diener im Tubbe ihn einseifte, fuhr der Adept unbeweglich fort:
Leben sei der Zweck, durch ewiges Training der Seele zum Spiegel
vergangener gelebter Leben vorzudringen und mit solchen geistigen
Reservedivisionen das l�ppische R�tsel der Erscheinungen dieser Welt wie
mit Handgranaten aufzuschmei�en . . . . . . worauf mit leichter Bewegung,
den Schwamm hoch auf dem Nacken ausdr�ckend, Harri freundlich �ber die
Schulter frug, in wessen fabelhafter Tat und K�hnheit sich diese
Lebensfasson am kr�ftigsten offenbare. Da geschah das Unvorhergesehene, da�
in das tiefe Schweigen beim raschen Niederb�cken dem Diener ein
best�rzender Knall entfuhr.

Doch erschien gl�cklicherweise der Hausintendant, half Harri in das �ber
den Kopf gereichte Hemd und meldete Shanvadys f�r ganz kurze Weile in der
Nacht stattgefundene Abreise.

In kurzen, kniefreien Unterkleidern stehend, Manschettenkn�pfe einziehend,
meinte Harri, als der Adept nicht wich, da� man beim Lesen feuchte Knie, im
Schlaf hin und wieder Hundetr�ume habe, im Gewitter gr�ne Leichen sehe wie
er sage, das sei am�santer freilich wie manches, aber was helfe es ihm, der
auf das Fr�hst�ck aus sei, welches englisch gerichtet mit einem kleinen
Beafsteak und Anchovisfischen, Porter und Marmelade und Lachs der Diener
auf der erhobenen Hand im Hintergrund anbot.

Als aber darauf der Hausintendant pl�tzlich nach dem Garten schielte und
mit zitternder Stimme auf eine sch�ne Junonin neben einem taprigen, elegant
arrangierten alten Gecken wies und, eh er fortfahren konnte, der Adept zum
erstenmal seine verklebten Augen aufri� und mit sch�ttelnden Verneigungen
den Gaga als jenen Holzer gr��te, der beim Feldzug der deutschen Seele nach
ihrer zeitlichsten Vertiefung die meisten Skalps gestochen, und wedelnd mit
seinem Skelett am Fenster knackte, ergriff statt jeder Kritik und W�rdigung
mit Schwung, Harri neben seinem Bett ein rundes Gef��, drehte sich um:
�Excusez�, worauf der Adept bei dieser Anrufung der Natur wie unter einem
Donnerschlag verschwand.

Als er gelangweilt durch den Park strich, verirrte er sich zwischen den
barocken Hermen und kam erst durch ein Gezwitscher zu sich, das ihn lockte.
Er folgte um Geb�sche und Steine, kam an den Uferrand und sah gerade noch
Juju.

Er trieb sie �ber den Flu�, aber als er um eine tiefere Br�cke herankam,
entwich sie zur�ck, indem sie einen Zweig erwischte und in einen Kirschbaum
sich schwang.

Im gleichen Augenblick mu�te Harri zur�ck, sich am Ufergeb�sch verstecken,
denn aus dem Rondell trat eine Schar Menschen, die teils sehr elegant,
teils aber auch in Ponyfrisuren und offenen Br�sten und Indianerhaaren die
Zeichen der deutschen geistigen Freiheit trugen, und einer baltischen
Weisheitsschule Couleur in Form eines F�rsten bei sich f�hrten, der
unabl�ssig an einem violetten Seidenkissen stickte.

Ihr j�ngster Nachwuchs blieb mit hochm�tigen H�lsen unter dem Baum stehen
und versuchte, indem sie ihre Beschw�rungsformel �tak . . . tak . . . tak
. . . tak . . . ore� riefen, Juju zu locken, die ihnen Kirschkerne auf die
K�pfe spuckte.

Da aber das gemessene peripathetische Schreiten dadurch in Unordnung
geriet, wandte sich der adlige Schreiber, der den Turnus f�hrte, herum und
schlug dem J�ngsten Laotses Spr�che heftig auf die Ohren, worauf der F�rst
sich umdrehte und knurrte, weil ihm mi�fiel, da� der Aufenthalt der
Damenbeine halber geschah und erbost mit der Stricknadel einen J�ngling
piekte.

Als sie im n�chsten Boskett verschwanden, rannte Harri um die Br�cke und
kletterte in den Baum, wobei ein Regen von Kirschen auf ein niederging.

Als er aber dem Ast nahkam, auf dem die langen sch�nen Beine baumelten,
ging ein L�rm los, als rausche ein Adler in das Gezweig herunter, aber nach
einigem Lauschen sah er, da� es nur ein Dutzend J�nglinge waren mit
wallenden Togen, die gesenkten Hauptes hinter dem Mann mit der Ziege
herschritten, mit einer gewissen wallenden und stolzen Bewegung der nach
innen gesetzten F��e.

Harri bem�hte sich ruhig zu bleiben, aber es war nicht vonn�ten, denn diese
M�nner sahen nicht herauf, sie murmelten nur, indem sie zum Takt ihrer F��e
den unteren R�cken schwangen.

Die jungen Leute schienen noch weniger wie die Vorausgegangenen Frauen zu
lieben, ihnen gen�gte es immer nur einen Namen zu lispeln, der wie
�Georges� ausklang und, wenn er kein j�disches Symbol bedeutete, ihn
schlie�en lie�, da� hier ein balkanischer Stamm sich in Riten �bte, worauf
auch die Ziege den Akzent gab und �hnlich versunken mit dem Stei� flog.

Im Augenblick, wo sie einbogen, lie� sich Juju an den glatten �sten
heruntersausen, er konnte aber wieder nicht folgen, weil um die Ecke in
gro�er Erregung Menschen sprangen.

Die sch�ne Frau des Vormittags zuerst, die R�cke gesch�rzt, den Busen
fliegend. Hinter ihr der Greis mit falschen H�ften und Schminke im Gesicht,
der sofort an einer Ritze der Badezelle Posto fa�te und der Entkleidung
zusah, die Harri vom Baum der anderen Seite durch das offene Dach noch
freier sah. Hinter einem Baum aber, noch weiter hinter dem spekulierenden
Holzer aber stand, das Gesicht von Tr�nen �berlaufen, der Hausintendant,
trostlos und ohne Hoffnung gegen�ber so alter und konkurrenzloser
Leidenschaft.

Als aber die Dame das Korsett in der Badezelle abnahm, war des Alten
Erregung so gestiegen, da� er �Anastasia� zu rufen anfing und auf den Zehen
h�pfte. In diesem Augenblick zog ein Boot vor�ber, am Steuer der Adept des
Vormittags, aber selbst das Gest�hn ihres Meisters, der sich die Haare
raufte und aus der Nase blutete, weil Anastasia das Hemd mit dem Trikot
wechselte, vermochte sie nicht abzuhalten, die Augen niederzuschlagen und
�Heil� zu rufen.

Durch diese Ablenkung erst vermochte Harri seinen Posten zu verlassen, von
zwei Zwergen verfolgt kam er zum Lunch.

Aus dem Schlaf weckte ihn das tiefe Ger�usch, das den Horizont umspannte
und dabei d�nn und weich vor dem Schlo� erstarb, wieder ausklang und
verging und jeder Welle der Luft sich tausendmal mitteilte.

Im dunkelnden Garten rochen die Pechnelken wild herauf.

Hinter der Herme h�rte er einen Pfiff.

Mit kleinen �ngstlichen Schritten h�pfte Juju vor ihm. Sie ergab sich am
Sockel der Niobe, entsetzlich erschreckt, weil im selben Augenblick ihre
entz�ckende, breit plissierte Hose wieder fiel. Juju auf dem linken Arm,
die Hose als Flagge in der Rechten, lief Harri in die Fliederpergola.

Sie entwand sich, er fand sie auf einer Schaukel wieder, in der sie hoch
�ber eine Wiese schwang. An den F��en zog er sie herunter. Sie schluchzte,
als er sie ins Boot hob. Er mu�te zur�ck, ihr zitterndes Hundevieh Rouge
mit an Bord nehmend.

Als Wimpel wehte Jujus Hose, wie sie durchs Schilf hinausstrichen.
Pl�tzlich glitzerten ihre Augen, sie ri� ihr Kleid ab und warf sich mit
einer rollenden Bewegung ins Wasser in dem Badeanzug, den sie darunter
trug. Er zog sie wieder hinein. Sie landeten, sie verschwand im Schilf und
kam mit dem Badeanzug zur�ck, w�hrend die V�gel aus dem Schlaf schrien.
Ihre Beine wippten auf dem Landungsbrett, dann flatterte der Trikot im
Wind, sie paddelten weiter.

Je tiefer sie aber trieben, um so deutlicher kam ihnen das Ger�usch
entgegen, weicher und getragener in der Nacht, und um so lockender zog es
das Boot an.

Juju weckte mit der Blendlaterne die Fische, ri� die vom Licht Bezauberten
heraus, dr�ckte sie auf den Bauch, da� sie die M�uler aufsperrten und warf
sie in das Wasser zur�ck.

Nun war es kein Zweifel mehr, da� das Ger�usch, das immer dunkler die Nacht
erf�llte, Frauengesang sei und sie fuhren darauf zu. Harri nahm Juju mit
auf die Entdeckungsreise, als er landete. Sie bi� ihm vor Vergn�gen in die
Lippe:

�Ch�ri . . . mon ami.�

Sie h�rte den Gesang zum erstenmal.

�Wie lange bist du da?�

Sie wu�te es nicht mehr.

�Wie lange bleibst du?�

Sie lachte: �Fragen Sie Maman�.

An einem Teich vorbei, H�gel mit Statuen, die man nicht erkannte. Jujus Arm
an seinen angeklemmt. Immer auf den Gesang zu, der flackernd manchmal
hochstach und dann in leichten Schwingungen sich vernebelte. Brausen in der
Ferne. Pl�tzlich kam ein Haus.

Die T�r ging in den Garten. Es wurde vollst�ndig still. Jujus Zittern ging
durch seinen Rock. Im gleichen Augenblick erhellte sich eine Partie des
Gartens wie ein langer silberner Streifen. Harri strebte danach, zuckte
zur�ck, sie stie�en an elektrische Dr�hte. Die T�r zur�ck war geschlossen.
Im gleichen Moment begann das Singen wieder.

Der lichte Teil des Gartens _bewegte sich zu einem Zug, der wie auf einer
Leinwand bebte,_ zu verh�llt, um lebendig, zu sicher, um nur gedeutet zu
sein.

Er sah den Zug vor�berlaufen, und verga� Juju, die vor ihm stand:

Da kamen blonde Tscherkessinnen. Polinnen mit roten Lederstiefeln bis zur
Scham. Im Blusenhemd warme Bornholmerinnen. Provenzalinnen mit
Olivenstr�u�en am G�rtel. J�tische Fischerinnen mit schlanken, sehnigen
Armen. Die Diana von Aleppo. Eine wei�blonde Finnin von den Stromschnellen,
eine kleine von den Hochzeitsg�tern. Neuseel�nderinnen kamen, Kinodiven mit
kurzen R�cken, hochbeschuht. J�dinnen mit roten Haaren. Kleinasierinnen in
Kleidern Poirets, den Bauch herausgepre�t. Kunstreiterinnen sausten vorbei,
Russinnen mit Madonnenscheiteln, Armenierinnen mit den H�ften der
Wolfshunde. Negerinnen, die sch�ne Melonenbr�ste �ber der Schulter trugen.
Arabische Frauen auf Pferden, kleine Irinnen, fliegende Frauen aus
Normandie, Zigeunerinnen mit heller Iris, Provinzm�dchen aus Krain mit
anmutigen scheuen Knien. Dahinter Winzerinnen vom Elsa�, Sehns�chtige aus
Madrid, Barcelona, Chinesinnen, die Brustwarzen rot bemalt, Australinnen,
glatt wie Zebufell.

. . . . . . Augen, H�ften, Beine kamen. F��e schritten, die auf Kies nicht
treten konnten, Zehen, denen Blumen zu schwer waren, Kn�chel so
hochgespannte, da� sie die Sandalenschnur verschm�hten, Waden,
geschwungener als Kallastengel, entfalteter wie Orchideen, Arme, die besser
als V�gel schwangen, H�lse k�hner als Fliegerkurven gezogen, Achseln, die
wie Schwanennester schwebten, Br�ste wie H�gel der Bretagne aus der
blausten Abendferne, Leiber, die mit der Bewegung der k�hnen Gestirne
aufzogen, Schenkel, die leichter als die erlesensten Tiere auftraten, Knie,
deren Leichtigkeit Reh und Panther und Flamingo verjagte, H�ften, die der
Eleganz der Rennmaschinen den Zauber der Erntefelder und Fl�sse
hinzuf�gten.

. . . . . Soubretten mit offenen Munden, Autofahrerinnen in
Schleiergesichtern, Huren, die auf die Brust sich wiesen, Verbrecherinnen
mit Quarzaugen, Damen, die wu�ten, alles sei duftig, reizvoll, sie
angemessen erwartend in ihrer Sicherheit, Seglerinnen mit Nacken wie Katzen
gespannt, Reiterinnen mit bleichen, herrschs�chtigen Gesichtern, M�dchen
mit Gliedern, als tr�ge jeder Muskel ein Service, Schauspielerinnen mit
roher Tr�umerei vor dem Auge. Frauen mit Landschaften um sich, Cornwall und
Gibsons Wald, burgundische T�ler, der Po, die Rheinfl�sse, Verona, der
Ammersee. Frauen, hinter deren Kniebeuge das winterliche Gebirge aufscho�,
unter die der Schwarzwald vom Merkur bis Badenweiler sich unter die Abfahrt
legte, Frauen, um die Schiffe und Signale wuchsen, tropische St�dte sich
formten, Abh�nge glitten. Frauen, um die der sommerliche Horizont flog, die
�ber Birkenrinks bei gro�en Concours wegsetzten, Frauen auf d�nischen
G�tern, dalmatinischen Schl�ssern, Frauen, um die das Meer aufscholl, die
in Jachten br�unten, die durch den Herbstwald hetzten, Frauen, deren F��e
die Liebkosung der Maimatten kannten, Frauen, die durch die afrikanische
Nacht auf Tiere schossen.

. . . . . . Polinnen aus Krakau, Rum�ninnen mit lasterhaften H�nden.
Griechinnen von Smyrna, geduckte Frauen aus der Krim. Karthagerinnen. Die
kriegerischen Weiber des Helesponts, Amazonen mit wei�en Hengsten,
Negerinnen, gleitend mit Bogen. Frauen mit �ppigen Br�sten unter Ketten und
Bronze, rote Haarb�schel �ber der Stirn. Die s�belschmalen Weiber aus
Damaskus. Frauen mit Lippen, geschlitzt, sanft wie Mondfahrt, Lippen wie
Trompeten geballt. Frauen, windhaft wie Segel, schwirrend wie Pfeile, mit
Fruchtglanz aus Bagdad, Spiegelnde aus Kairo, von Ceylon, Beirut. Frauen
mit gro�st�dtischen langen Schenkeln, die nur Teppiche und Wagentritte
ber�hrten. Mit mozartischen Gelenken. Mit Goldflecken auf dem R�cken. Mit
Niggermusik in dem Bauchmuskel. K�hle Schottinnen. Amerikanerinnen mit
Diamanten in den Z�hnen. Dalarnische Baronesse mit Blau wie Blitzen im
Blick. Frauen, die Stirn verschleiert. Frauen, Unz�chtiges im weichen
Blick, Frauen mit aufgesprengten Lippen. Frauen aus Bayreuth, aus den
Starnbergschl�ssern. Frauen aus den Pyren�en. Ruteninnen, deren V�ter
Franzosen waren.

. . . . . . Frauen kamen mit harten, glatten Beinen. Frauen, die sich
umarmten und dem Mann noch unergr�ndliches versprachen. Frauen mit
Unterwerfungsgeb�rden. Frauen, die vorn am Dampfer standen. Frauen von
Sieg. Frauen von Windspielen umgeben. Frauen im Wagen durch die Steppe
gejagt. Frauen mit schimmernder Haut. Frauen, die ihr Gesicht sek�ndlich
wechselten. Frauen mit grausamen Beinen, mit Madonnenh�nden. Frauen mit
t�towierten Armen. Frauen aus Syrakus. Frauen vom Sudan. �tiopinnen, die
auf Vogelschreie horchten. Frauen aus Eisenbahnen hinausgelegt. Frauen, die
mit ihrem K�rper den Erdball versprachen. Frauen, die wie Moos rochen, wie
Klee, wie Neckar, wie Fasane, wie Palermo, wie die Nordseeb�der, wie
Borkum, Abwinkel, wie Teer, und Sonne und Sand, wie die Haut der
Vierzehnj�hrigen im Juli im Inselhotel des Bodensee.

. . . . . . Es kamen Frauen, die Australien pl�tzlich auf den Handtellern
trugen. Frauen, in deren Augen t�dliche Geschichten eingeschrieben standen.
Frauen, die zwei Meter �ber dem Netz den Tennisball im Sprung noch hielten.
Bobfahrerinnen, Tr�umerische vom Engadin, aus der Eifel. Frauen als
T�nzerinnen. Mit Fl�ten. Frauen, blumenhafte, Frauen, die ein Wort knickt,
Frauen wie Hy�nen. Frauen mit Spitzenwolken, belgische Nutten, kleine gelbe
Katzen aus Chile. Pumas, nackte R�uberinnen, Frauen, die einen Fjord
�berschwammen. Frauen, die Timbuktu pl�tzlich entfachten, die
Fidschiinseln, Honolulu malerisch zwischen den Br�sten wiegten. Frauen wie
Luchse, wie Kaninchen, wie Papageien. Pompejanische J�dinnen,
Katalonierinnen, Frauen vom Roten Meer, von der indischen Bay, hei�e Weiber
aus Syrien, antilopenschmale Berberfrauen. Frauen, die den Sternaufgang
�ber den Sch�ren beschworen. Frauen, die Tod hie�en oder Pens�e. Erregte
mit verschlossenem Mund. Von Gibraltar. Von Bagomoio. Jungfrauen, von L�wen
antik gejagt. Blonde Maurinnen aus Saragossa. Prinzessinnen mit Pferden an
der Hand. Mimi Pinson, Ruth St. Denis, Aino Akt�, die Hasselquist, die
Durieux. -- Isis und Huschnaia. G�ttinnen in einem wundervoll vollendeten
griechischen Flug, mit �berirdischen Lanzen und menschlichen Leibern. -- --

Das Fieber brach ab, wie es kam. Der Garten losch aus, der Zug war aus. In
das Dunkel stachen suchend zwei Laternen.

Der Garten war leer.

Sie umgingen torkelnd die Dr�hte, die mit einem Mal sie nicht mehr hemmten.

Hinter ihnen hielt Shanvadys perlgrauer Wagen, der Chauffeur stand mit dem
Hut in der Hand am Schlag. Sie stiegen fluchend hinein. In einer gro�en
Schleife fuhren sie nach dem Schlo�. Einmal hielt der Wagen. Da lag ihr
Boot am Flu�.

Noch zweimal hielt er.

Jedesmal kam aus der Landschaft ihr erster Dialog. �Ch�ri . . . mon ami.�
�Wie lange bist du da?� Pause. �Wie lange bleibst du da?� �Fragen Sie
Maman.�

Dreimal warf entsetzt Juju die Arme um Harris Hals: �Mon ource . . . mon
rigolot . . . mon grand b�b�.� Aber sie zitterte nur wegen dem Wort
�Maman�.

Harri lag im Wagen. Er �berlegte nicht, was an Geheimnissen die Nacht
f�llte: Welche Frau Shanvady verstecke, welche Technik er zu solchem Bluff
ersonnen, wie er ihn gefangen, wie er ihn gereizt und d�piert. Er ahnte
nicht, wie weit der Kreis um ihn geschlungen, in dem er sich verwirrt. Er
spielte nur mit Jujus Hand, es war ihm gleich.

Das Schlo� war erleuchtet. Auf der Diele erwartete er Juju, die sich umzog,
auf der Treppe k��te er ihrer Mutter die Hand, die sofort hinter dem F�cher
mit ihm kokettierte, was Juju err�tete. Im Billardsaal stand winkend
Shanvady. Er sah ihn zum erstenmal jetzt l�chelnd.

Sein L�cheln deutete, da� das Geheimnis, dem sie nachgepirscht nicht
entwirrt werden k�nne, und da� der Versuch es zu l�sen, nur noch st�rker an
es verstricke.

Aber Harri stand k�hl beiseite. Er f�hlte, nicht beteiligt genug auch
hierbei, da� Shanvady den Reiz, der ihn unbewu�t zu ihm geleitet seit jener
Nacht im luxemburgischen Garten, selbst zerrei�e, indem er ihn darin zu
fangen suchte, und da� das Messen und Ringen, das Shanvady aufgestellt,
darum f�r diesen verloren war, nicht f�r ihn. Ein Sieger wider Willen hob
er die Augen.

In dem Augenblick, wo Shanvady, der Seelenf�nger, ihn unterjocht dachte,
weil er endlich seine Apathie in die Maschen eines unl�sbaren Reizes in der
Falle glaubte, ri� er den Zauber durch, den Shanvady auf ihn aus�bte.

Es gel�stete ihn nicht, das Geheimnis zu l�sen. Er lie� es fahren
unge�ffnet. Es reizte ihn nicht mehr.

Wie unter einer abgr�ndischen Melodie trieb es weg wie alles wegtrieb, was
an ihm gezogen. Als Zuschauer flo� ihm dieser Tag fort wie jeder andere
Tag, er verga� ihn, verga� die vorigen. Als sein Auge Shanvady traf, der
mit einer leisen Geb�rde seine �berlegenheit hi�te, erbleichte Shanvady
unter dieser unbeweglichen K�lte, die nichts r�hrte. Die Geb�rde zerbrach
mitten im Schwung.

Harri sah schon durch Shanvady hindurch, all der Plunder um ihn zerfiel.

Es war grauenhaft, mit welcher Leichtigkeit er sich auch aus dieser
Atmosph�re l�ste. Sein Hirn war pl�tzlich nur eingestellt von dem Drang
wegzufahren, das erf�llte ihn mit einer wunderbaren Helligkeit, er kam sich
den Abend von solcher Leichtigkeit getragen vor, da� es ihm schien, er
verm�ge die Erde auf den Spitzen der Finger zu halten.

Als er aufwachte, sagte ein Brief Jujus, da� sie abgefahren, aus Eifersucht
auf Maman. Am Tag zauberte Shanvady noch einige spielerische Dinge, die
ihren Kreis um alle Anwesenden spannten. Anastasia war die Nacht
verschwunden. Mittags brachten die Weisheitssch�ler ihre Kleider,
widerstrebend, an den Zipfeln, da die Georgesleute sich geweigert hatten,
die J�nglinge Holzers aber unter Weheruf den Ort geflohen seien, wo
Weiberkleider lagen.

Da sie am Flu� lagen, bedeutete es Anastasias Tod. Eine Zeitlang plauderte
Holzer, dann stand er langsam auf, mit seinem gebr�unten Schnurrbart wie
ein �gyptischer General, griff in den Mund, ri� das Gebi� mit den vielen
Goldplomben heraus, zerschlug es am Boden, gurgelte nwao . . . uaiii. Sah
um sich, nichts als Jugend und ging an einem Stock hinaus ins Greisenalter,
geh�ssig, dem�tig, ein r�chelndes Skelett.

Mit einer z�rtlichen Bewegung �ffnete nunmehr Shanvady den Ring dieser
Katastrophe, in der er Schicksal gespielt, Anastasia nach Genf beordert,
die Maskerade zur Trag�die get�rmt, mit heiterem Nachspiel, indem er den
Hausintendanten mit Halali nun und freiem Pirsch dem Weib nachschickte, in
seinem eigenen Wagen, von Tr�nen des Gl�cks �berschwemmt und in
himbeerroter Livree.

Es half Shanvady nichts, diese Kritzeleien. Am Abend fuhr Harri. Im Wagen
des vierzehnten Ludwig, karmoisin und golden, mit sechs Pferden, eine Krone
als Abschlu�, Fackeltr�ger, Reiter, vor ihm, hinter sich. Shanvady reizte
ihn mit nichts mehr. Vorbei.

In Paris lernte er Bl�riot kennen. Der Meister hatte gerade den Kanal
�berflogen, die Welt schien von M�glichkeiten um so tiefer ins Herz
bedroht, als die neuen Waffen noch phantastische Erweiterungen zulie�en und
fast noch keine Pioniere hatten. Zweimal fuhr er mit Bl�riot als Passagier,
schon figurierte sein Bild neben dem Bl�riots im �Journal�, �Matin�, �Petit
Parisien�. Auf dem Marsfeld stellte des Meisters Handbewegung ihm Maud
Kordelin vor.

Sie sah ihn nicht an.

Als er zu Elie Abrahamowitsch nach Neuilly in den Hangar fuhr, sah er sie
wieder. Sie sah ihn wieder nicht. Er schob an ihr vorbei, an Balanceproben
vor�ber, durch angekerbte Dr�hte, deren Wundstellen unter Flammen standen,
an deren Ende elektrische Hebel zogen und Uhren notierten, bei welchem
Druck sie rissen. Elie verbeugte sich etwas vor dem Passagier Bl�riots, auf
seinen Wunsch brachte Maud Kordelin ihn mit der Zeichnung zur�ck, um die
Konkurrenz zu ehren.

Sie lag im Torpedospritzer, f�hrte das Rad �ber dem Kopf zum Steuern, die
Luft scho� wie unter Wasser kr�uselnd gegen das dicke Glas der
Schutzplatte. Als er ausstieg, schob sie den Wagen in eine Sprungkurve,
ohne ihn zu beachten.

Am n�chsten Morgen trat Harri bei Ripp�re ein, acht Wochen vor dem
Concours, einen Schal um den Hals.

Vier Tage arbeitete er mit einem mechanischen Hammer in einem
Messingkessel. Der Hammer tat hundertf�nfzig Schl�ge die Minute. Als die
B�nder genietet waren, h�rte er nichts mehr, zwei Tage sp�ter war er
dar�ber weg, trainiert auf jedes Ger�usch. Im Ausprobraum zwischen
f�nfundzwanzig Motoren von pro St�ck zweiundzwanzighundert Schl�gen
Tourenzahl die Minute, kontrollierte er zwischen farbigen Gasen und
feurigen S�ulen �ber den Ventilen die Auspuffung, den gleichm��igen
Herzschlag der Eisenkuben.

Um das Get�s, das bald wie etwas Festes und Gefrorenes, fast greifbar,
dastand, rauschten die Thermosiffons der Wasserk�hlung an den W�nden
herunter, erhitzten sich auf achtzig Grad in der gleichen Sekunde und
stiegen in langen Schwaden von selbst wieder auf.

Er kam zu den Einfahrern der neuen Wagen.

Mit den Stellwagen ohne Karosserie begaben sie sich in die Kilometer. Mit
Kupons, die im Midi, bei Brest, in Marseille testiert wurden, mit
Stechuhren, mit dem Befehl die Maschinen an der Rhone, in Calais, in
Tarascon zu zerlegen und zusammenzusetzen, schnitten sie mit Schu�linie
�ber die Chausseen.

Eingedr�ckt wie Affen, mit der Scheibe der Steuerung spielend, lernten sie
das Verwachsen mit dem Material, beherrschten den Stahl mit dem Hirn,
liebten die Maschinen, wurden wieder geliebt.

Sie rissen beim �berrunden einem M�belwagen die eine Seite ab, aber sie
behielten den Auspuff genau im Ohr. Mit zitternden Flanken lie�en sie die
Wagen wie Pferde auf der Weide, trafen sich in einem Weiler, einem Geh�ft,
w�rfelten, tranken Absynthe, schlugen sich, machten ein Rennen unter sich.
Stanken nach Benzin wie die Ochsen, trugen gelbe Schuhe, englische Anz�ge
unter den Leinenblusen, die Zigarette nie aus dem Mund.

In der tollk�hnsten Gefahr verloren sie nicht die Besinnung. Nur wenn sie
k�hl waren, ging der Verstand ihnen in die Lappen.

Drei Tage blieb Harri im B�ro, zwei auf der Rennbahn, zwei bei der
Konstruktion. Auf der Eisenbahn, Compagnie de l'est, lernte die Verstopfung
der Gase, die Qualit�t der Kohle, der �le und Benzine.

Bei Renauld erlernte er die Systeme der Konkurrenz, bei Pairfax die aus
beiden gezogene Essenz. Nun hatte er den Radius abgelaufen, die Intimit�t
zum Gegenstand erreicht, den Querschnitt durch das Technische gelegt.

Er beherrschte und liebte.

Er war imstande, Sympathien vom Schwung eines Tenders, der Flanke einer
st�hlernen Blitzzuglokomotive, von der Melodie eines angeschirrten
Flugzeugs, das aus allen Seilen sang, zu sp�ren.

In der vierten Woche trat er bei Bl�riot in den Hangar, der Schatten der
ingeni�sen Nase und des Vogelkopfs mit der verkehrt gesetzten M�tze lag an
der Wand wie mit Dynamom�ulern nach allen Seiten gerissen. Sechs Wochen
�bte Harri mit ihm, bediente den Sturmvogel, dem keine K�hnheit nicht
kalkulierbar, kein Tod nicht ausme�bar und zu �berwinden war.

Er liebte an dem Flieger das Unersch�tterliche. Dieser gew�hnte sich bei
Harri an das Nichtmitrei�bare.

Gegenseitig liebten sie ihre K�hle und Distanz, die bei dem einen das
unentrinnbare Erlebnis des Todes geformt, bei dem anderen sein Durchmarsch
durch solch unvorstellbare Kurven der K�hnheit des Geistes und der Gefahr,
da� er die Welt nicht verachtete, sondern sie jenseits des Zynischen schon
wieder verstand. Sie empfanden, da� die nach au�en gekehrte Reserve eines
jeden von ihnen kein Manko, sondern der geh�rtete Widerhall einer feurigen
Seele sei.

Harri lernte, da� die Welt als flache Scheibe zur�ckfiel, wenn er das
Steuerrad zur�ckri�, und wenn er dann nach hinten sich warf, da� blaue Luft
die Erde tiefer zur�ckstie�. Er f�hlte das Grausen der Vertikalb�en als
Musik im Blut. Die Verwindung, die vom Rad nach der Stange des �u�ersten
rechten Fl�gels lief, knirschte kurz und rollte. Die Klappe des rechten
Fl�gels stieg unter seinem Druck.

Die Schnur lief langsam �ber den Kreis hin�ber nach links, der linke Fl�gel
senkte sich ein wenig. Die Kreuzung der Schnur verschob sich rasch.

Nun f�hlte er das wunderbare Gef�hl des Kreises, den die Libelle machte,
als befreite Bewegung seines K�rpers, dann zischte der Renner in kurzen
Spiralen hoch in Bl�riots Hand.

Er lehrte Harri das Neigen, den Fall nach vorn, der das Flugzeug senkte,
beim Seitensteuer die Gleichzeitigkeit der Fu�bewegung und des
Fl�gelaufhebens. Er lehrte ihn den Mut der Sicherheit, nicht den der
Gefahr.

Er bewies ihm die Klarheit in der Berechnung der Tatkraft, das
�berschie�ende der Sicherheit gegen die verderblichen M�glichkeiten. Er
f�hrte auf Umwegen ihn jederzeit dahin, �ber das Ungef�hre der technischen
Dinge und ihrer begrenzten Beherrschung die ausgerechnete wasserhelle
Sicherheit der �berlegenheit zu halten, der nichts gewachsen war.

Sieben Tage vor dem Concours wechselte Harri hin�ber zu Abrahamowitsch, der
ein neues Modell startete.

Von Bl�riot erfolgte nichts, er r�hrte sich nicht.

Einen Tag vor dem Concours nur zog er seinen Namen aus der Liste, zwei
seiner Sch�ler sprangen f�r ihn ein.

Auf dem Marsfeld probte Harri zwischen Elie und Maud Kordelin auf dem
dreiteiligen Sitzbogen. Am sechsten Tag plombierten sie die Libelle, lie�en
sie durch zwei der besten Monteure Tag und Nacht im Schuppen bewachen.

In der Nacht gab Harri ein Fest, die Leute tanzten, steif und besessen zum
Takt von Motoren, jagten dann um zw�lf, der Herren ledig, weg nach Neuilly.

Mit einer raschen Bewegung sprang Maud Kordelin in den Wagen, reichte Harri
die Hand. Mit ihren schr�g stehenden tatarischen Augen sah sie ihn zum
erstenmal grau an.

Der Skandal der Buchmacher und Presse, denen Harris Wechsel der zum
erfolgreicheren Konkurrenten war, gab Elie eine erh�hte Reklame, aber sein
blasses und scharfes, auf dem �bergro�en K�rper immer umnebeltes Gesicht
bemerkte es nicht, nur ausgef�llt von den Kombinationen seiner Modelle.

Was er vom �u�eren der Welt begriff, vermittelte ihm unbewu�t sein
Instinkt. Was er erreichte, gab ihm sein Erfolg. Das �brige des Daseins war
Arbeit, weiter nichts. Selbst das Weibliche erreichte ihn nur dort, wo das
Sch�pferische begann, und mit der Kordelin Fanatismus traf sich nichts von
seinem Wesen in ihrem Haus am Bois, sondern begegnete sich Aufleuchtendes
nur, wenn seine Arbeit sie in das Atelier am Montparnasse hinaufri�. Ein
Leben daneben gab es ihm nicht.

Bei der Pr�fung des Reservemotors warf sich Elie mit einer k�hnen Bewegung
auf den Apparat und blieb das Ohr an seinem Auspuff liegen. �Sie traitieren
die Maschinen wie andere die Frauen�, fl�sterte Sauerwein vom �Matin� mit
frivol gestr�ubter Mouche. �Aber wir sehen die Frauen nicht wie Sie die
Maschinen�, sagte Elie.

Der Motor ward eingebaut in einen Reserveapparat, die Photographen tickten.
Harri gab angeschnallt vor Mauds Kopf den Ruck nach der Signalflagge.

�Ich bitte Sie wiederholt, kein Korsett zu tragen�, zischte Elie hinter
ihm, als er Maud anband.

Das Gebr�ll der anschiebenden Monteure hallte rhythmisch heraus, schon
schwebten sie auf Rue St. Honor�, die l�ngste Stra�e Frankreichs.

Sie befuhren Rue de Courcelles, da fiel Paris ein ge�ffneter F�cher ihnen
entgegen. Elys�e, Rue de Courcelles, Rue de Washington, Rue de Berry, die
Place Vend�me. Sie fuhren Place Concorde, die Tuilerien, die Mairie des
achten Arrondissements, das Minist�re de l'int�rieur. Sie schwebten auf
einer sanften wei�en Kaskade, den Champs Elys�s.

Sie fuhren Arc de Triomphe, fuhren das kochende Silber der Seine, fuhren
dunkelrot geb�umt Trocad�ro. Fuhren Quai de Passy, Quai de Grenelles, Rue
Mozart, Porte Molitor, Avenue de Versailles.

Sie fuhren zur�ck: Rue de Vaugirard, Boulevard Raspail, gl�sern der
Monparnasse. Fuhren Boulevard Port Royal, Boulmich, Bullier, Jardin du
Luxembourg. Notre Dame, Boulevard St. Germain, Jardin des Plantes.

Sie fuhren Halles Centrales, Quai du Louvre, Rue du Quatre Septembre, die
B�rse, Gare de l'est. Fuhren Marcadet, Poissonni�res, Porte du canal St.
Denis. Solang sie fuhren, sp�rte er Mauds Knie.

Sie f�hlten das Herz pl�tzlich in den Schl�fen: das Meer.

Sie jagten darauf zu. Ein Bienenhelm sa� die Sonne auf der Fl�che. Der
Rauch der Brandung verging in M�venschw�rmen. Wie eine Wolke hing das Meer
mit wilder Anmut zwischen den Kreidefelsen.

Harri schaltete aus. In streichelnder Grazie ber�hrten sich die zartesten
Wellenk�mme mit dem Gleiten des Flugzeugs, dann stie�en sie auf den Strand.

Der Brandungsstreifen lief nach der Seezunge St. Val�rie, mit vielen Booten
davor. Fischerknaben brachten Picknick. Im Anblick der Ruhe und des �ber
das Blau tief heraufsteigenden fr�hen Sommers bekam Maud Lust, die Tage der
Langweile und Ruhe vor dem Concours in die Normandie zu fahren. Elie
nickte, w�hrend die Fischerjungen anschlichen und ihr bunte Muscheln in den
Scho� warfen.

Aber als Harri unter dem Glasdach Abrahamowitschs sie holen wollte, sagte
Elie ab. Die Ausbalancierung der Libelle mu�te auf ein Fabriktelegramm hin
noch einmal durch einen Rechentrick laufen.

Sie fuhren zu zweit allein, Maud nahm das Rad, sie fuhren direkt ans Meer,
erreichten es bei Le Tr�port. Maud bog von der Landstra�e ab und fuhr
direkt hinein, bis die Hinterr�der in der Luft rotierten. Als sie die
Str�mpfe auszog, stand sie gegen das Meer in Muskeln und Sehnen
geschmeidig, eine junge Athletin. Der Morgen jagte mit hellen dichten
Wolken. In Eu strahlte es schon . . . . . . Gamaches . . . . . . Dieppe. In
St. Val�rie tranken sie Schokolade auf der Stra�e . . . . . . F�camp
. . . . . . Montvillier . . . . . . Le Havre . . . . . . Harfleur.

Die Seine wuchs ganz gro� ins Meer. �ber Deauville mit einem Tulpental nach
Caen. Sie lie� das Steuerrad nicht aus der Hand. Sie fuhren noch lang in
die D�mmerung, h�rten den Meerschlag durch das Dunkel dann brechen. In
einem Dorf machten sie Halt mit einem �bererhitzten K�hler, es ging nicht
mehr.

Sie setzten den Apparat in Meerwasser, zogen sich f�r ein paar Stunden
zur�ck. Harri h�rte nach einiger Zeit, aufs Bett ausgestreckt, die Matrosen
und Fischer unter dem Fenster. Sie grinsten, klopften sich den Bauch, ein
Kupferkopf stopfte einen Tabaksbeutel sich selbst ins Maul, zwischen den
�llampen und Netzen humpelten fluchende Alte, breim�ulig liefen sie nach
dem Meer.

Als Harri ihnen folgte, sah er Maud aus dem silber�bersch�tteten Meer auf
den Sand kommen, mit einem tierisch hinrei�enden, kaum unterbrochnen Wei�
der Haut und mit amazonenhafter Bewegtheit ihren Bademantel umwerfen.

Er sicherte, ohne da� sie es sah, ihren R�ckweg. Eine Stunde noch lag er in
der Hitze auf seinem Bett. Eine Holzwand trennte sie. Jedes Ger�usch kam
durch die Fugen. Dann stand er auf, ging hin�ber und klopfte.

Einen Augenblick z�gerte sie an der T�r. Dann �ffnete sie.

�Sind Sie sehr m�de?�, sagte er ruhig.

Sie l�chelte.

�Fahren wir weiter.�

Sie nahm die M�ntel und Decken:

�Gut.�

Mit Pfeifen und Gl�sern voll Cidre torkelten die breitb�rtigen Fischer im
Hof, die roten Boutons ihrer M�tzen schwankten. Sie rissen die M�uler auf,
rollten die Augen. Zum Schreien waren sie zu sehr betrunken. Sie hatten
einen schwerh�rigen Kapit�n in der Mitte, der sich bem�hte, die F�uste
unterm Kinn, sie zu verstehn und laut lachte, wenn sie nichts sagten. Er
hatte nicht begriffen, warum sie so erregt waren, aber er verstand, da� sie
besoffen waren und gr�hlte am lautesten, als ob er es w��te, warum.

Das Auto gab ihm bei der Ausfahrt einen Rand, da� er hinschlug, mitten in
das Geheul der anderen, die schon selbst beim Anblick der Abfahrenden
vergessen hatten vor Schnaps, warum sie verr�ckt auf die B�uche sich
schlugen.

Mit einer silbernen Fahrspur kam ihnen �ber der Chaussee der Mond
aufgezogen. Sie fuhren zwei Waldwege, fuhren einmal dicht am Meer, fuhren
durch Nebelwiesen, bissen mit vier Laternen Gespenstiges in das Gewoge.

Als sie wieder frei sahen, schob Harri ihre Hand mit einer
selbstverst�ndlichen Bewegung vom Steuerrad.

_Er_ fuhr.

Sie hinderte ihn nicht. Die K�sten fielen in gro�en Erk�hnungen in den
Kanal. Der Vergaserhahn rotierte in seiner Hand. Er fuhr, da� Maud an den
Kurven sich hielt, um nicht hinauszufliegen. Fast tr�umerisch lagen ihre
Augen, ihre Glieder entspannten sich in einer weichen Gegebenheit, ihre
Blick suchte das Steuer immer, das er f�hrte, suchte den Mond, der
lilienwei� im Tag noch stand, ging die Normandiek�ste nach S�den hinunter
und fiel wieder auf seine Hand. Sie lie� Grandville . . . . Abranche
vor�bergleiten, den elastischen Halbkreis um die Bucht St. Michel. Als
Harri hielt, lag in Orangesonne der Hafen St. Malos unter ihnen.

Hier endete ihre vorgeschlagene Tour.

Ihre Lider trugen eine Weichheit, die von der Bai heraufkam und der sie
sich hingab, als kennte sie das nicht.

�Sie h�tten mich lieben sollen�, sagte Harri.

�Zu sp�t.�

Sie wandte sich um. Er h�rte nicht auf sie zu k�ssen.

Sie jauchzte in jede Umarmung hinein mit einer Kraft, die eine
Verhaltenheit aufri� und in ihr ergo�. Gl�hend an seiner Seite fuhr sie
zur�ck.

Am Tor des Hangars in Neuilly stand Elie. Sie sprangen beide aus dem Wagen.
Die M�nner musterten sich einen Augenblick, Elies Pupillen waren sehr weit
geworden: �Die Konferenz hat eine andere Balanceberechnung ergeben. Sie
scheiden aus. Isaac f�hrt�

Beide sahen auf Maud.

Einen Augenblick schwankte sie, ob sie sich hin�berwerfen solle zu dem, der
sie in ein kaum ge�ffnetes Leben ri�, aber als nichts von diesem her
erfolgte, der k�hl und aufmerksam beobachtend dastand, wandte sie sich zu
Elie, dem ihr Fanatismus und die Arbeit sich entgegenwandte, und das
Mitleid, da� seine gro�e Kraft einen Augenblick lang zur Entscheidung voll
in ihren H�nden lag.

Beim Start am andern Morgen weigerte sich Elie zu fahren, reagierte auf
keinen Aufruf und blieb nachl�ssig bei seiner Libelle. Das Publikum
bedrohte die Startrichter aus Angst, da� Intriguen gegen seinen Favorit
dahinter seien. Es war schon gereizt, weil Bl�riot am Morgen die wei�e
Fahne �ber sein Zelt hatte hissen lassen.

Die Trib�nen schimpften auf Bl�riot, der, wenn er fuhr, Gott war jederzeit.
Sie warfen mit Tomaten und �pfeln nach seinem Zelt, nannten ihn �lsardine,
Lapin, Birnenstei�.

Als Elie nicht kam, sondern stehn blieb, dr�ckten sie �ber die Barrieren
und winkten ihm mit T�chern zu. Beim zweiten Aufruf, als Elie stehn blieb,
als h�re er nicht, tobten sie bereits, riefen seinen Namen. Ein Kurier lief
zu Elie hin�ber, der sagen lie�, er fliege nur, wenn der Akzent seines
Namens beim Aufruf richtig eine Silbe nach hinten gelegt werde. Es gab eine
Riesenovation, Harri sah dahinter, da� Elie nerv�s war.

Kurz darauf st�rzten zwei Flugzeuge ab, eines durch eine Vertikalb�, die es
umwendete, das andere, indem es in luftleere Trichter absackte wie ein
Stein. Die Stafette kam von dem kleinen Wald.

Nichts sei tot, schrie es noch, als Elie aufstieg.

Zweihundert Meter nahm der Flugrenner gurgelnd vor Wonne in unverst�ndlich
schmalen Kreisen, dann scho� eine Querflamme durch den Apparat, fra� die
Fl�gel weg, sausend kam die Libelle vor dem seidigen Himmel herunter. Als
sie aufschlug, schrien die Monteure, die Frauen hielten die Augen zu.

Die Stadtsergeanten sperrten den H�gel ab.

Isaac brachten sie tot. Elie schlug unter der Schl�fenmassage die Augen
auf. Nach kurzem Besinnen frug er:

�Mein Bruder?�

Alle schwiegen.

Er senkte den Kopf. Strecken konnte er sich nicht mehr, der Oberschenkel,
der zerbrochen war, spie�te ihm durch die Kleider, die eine Wange fehlte.

Er wurde ganz bleich:

�Die F�rstin?�, frug er seltsamerweise.

Er wagte es kaum, als man ihn nicht verstand, zu sagen:

�Maud.�

Man sagte ihm, der Sturz hatte ihr nichts getan, aber die Korsettst�be
hatten die Lunge durchbohrt. �Frauen bleiben Frauen�, sagte Elie noch, eh
er sich umlegte und zu atmen aufh�rte.

Als Harri aufsah, trat Bl�riot auf ihn zu. �Sie haben mich umsonst
verlassen. Immerhin haben Sie sich den Tod am Schlu� geschenkt.�

Harri sah ihn an: �H�tte ich ihn bei Ihnen vermieden?�

�Sie h�tten ihn vermieden�, sagte Bl�riot unersch�tterlich, �aber Sie waren
nicht konsequent.� Er z�rnte ihm nicht, begriff ihn, sprach sein klares
schneidendes Urteil �ber die Dinge, womit er sie �berwand.

Da kam ein Auto angefahren, am K�hler stand Shanvady, das Gesicht bedeckt.

Seine Z�hne zuckten in der Lippe. Der Wagen fuhr an den Sprungh�gel heran.
Im selben Augenblick wurden die Leichen angetragen.

Shanvady sprang vom Wagen herunter, an die Bahre Mauds, zog das Tuch
zur�ck, neigte sich ein wenig, warf es wieder darauf. Ihr Kopf war nicht
entstellt, die Augen geschlossen, schr�g und energisch �ber den Leib
gelegt. Er machte einen Schritt: �In meinen Wagen.� Sie ward
hineingebettet.

Ein Kommiss�r erbat seine Legitimierung. Da sagte Shanvady pl�tzlich mit
einer furchtbaren Bl�sse: �Meine Frau� und zog den Hut.

Harri trat an den Wagen und legte die F��e Mauds, die heraussahen, unter
die Decke. �Ich w�nsche Ihre Spur nicht wieder zu sehen�, sagte er in
gro�er Erregung zu Shanvady. Alle hatten die H�te gezogen. Shanvady stie�
einen rauhen Ruf aus, sah nicht um, als er im Wagen mit der Leiche
davonjagte.

Mittags mietete Harri das Atelier der Abrahamowitsch, Montparnasse, Ecke
des Boulevard, im sechsten Stock. Die Glaskuppe des Hauses f�llte sich
morgens mit Sonne wie mit einem freundlichen Gas. Abends schwamm sie in die
heitere D�mmerung.

Doch auch der Tod vermochte ihn, der ihn so abgr�ndig erlebt hatte, nicht
hineinzuzwingen in seinen Kreis. Er war nicht gebunden nachtr�glich an ein
Ding, das er begehrt, aber um das er nicht einmal gek�mpft hatte. Er
�berwand mit der gleichen Sicherheit. Die Erinnerung trieb immer tiefer und
verblassender in den Hintergrund des Todes hinein, der sie aufnahm in jene
majest�tische und entfernte Haltung, an der Harri ablas Wert und G�ltigkeit
der Dinge. Es entfernte, verallgemeinerte sich, kam nicht auf ihn zu,
sondern trieb mit den dunklen Melodien unter ihm weg, die ihm jene
Leichtigkeit und Verantwortungslosigkeit gaben, die ihn zu fast
erschreckendem Hochmut erhoben.

Er hielt diesen Vorgang in sich nicht aus. Am ersten Tag lie� er die bunten
Vorh�nge durch die Luken �ber seinem Kopf hinaus, flaggte das Atelier mit
gelben, roten, blauen Segeln. Am zweiten Tag fuhr er nach Meudon. Als ihn
am dritten vorm Bankschalter ein Hund in die Hand bi�, da� er vor
Z�hnezusammenbei�en ohnm�chtig wurde, sah er aufatmend in M�dchenaugen,
h�rte eine Stimme beg�tigend: �L�on.�

Das Gebi� des v�llig erstarrten Hundes aber war eingeschraubt um die Hand.
Er hielt den Schmerz nur durch, gel�hmt und bezaubert durch die Stimme,
w�hrend man telephonierte. Mit einer tobenden Schelle vorn gings �ber den
Boulevard ins Spital St. Lusac.

Ein seidenschnurrb�rtiger Arzt beugte sich �ber ihn mit einer Phiole:
�Wollen Sie, da� der Hund lebt?�

�H�tte ich ihn sonst nicht get�tet?�

�Es dauert f�nf Minuten l�nger.�

�Wie hei�en Sie?�, frug er das M�dchen.

�Aira Belmont�.

Er wurde ohnm�chtig. Aus dem Institut Pasteur erfuhr er direkt, da� keine
Tollwutgefahr sei. Aira Belmont kam ihn zu sehen, vor Trotz und Scham
wortlos. Sie �berging seine Verwundung. Sie dankte, da� der Hund lebe.

Sein Lachen verwirrte sie nicht, sie sah geradeaus und fiel nicht aus der
Haltung der holl�ndischen Dame, die mutig und in aller Jungfr�ulichkeit von
Java aus Europa bereiste und ihre Gesellschafterin davongejagt hatte, um
unnahbar zu sein. Als, von der schreienden Conci�rge verfolgt, der Hund
bellend hereinst�rzte, verlor sie diese Geste, machte eine h�lflose
Bewegung und jagte ihn mit einer entsetzlichen Ohrfeige hinaus. Lachend
drehte sie sich um. Entgeistert sah sie das Glasdach geflaggt.

Die W�rme ihres dunkel zitternden Organs zog ihn an. Die weltunwissende
Sicherheit des schlanken K�rpers, dessen sachliche Eleganz nach Wiesen und
Klarheit duftete, und dessen junger Spannung gegen�ber die Welt unerprobt
und voll phantastischer Neuheit lag, machte ihn zu ihrem F�hrer.

Er leitete sie den Rand der harmlosen Entz�ckungen vorsichtig entlang.
Durch ihn sah sie Paris in idyllischem Format. Er brachte sie zu Rufen der
Freude �ber die siebenundf�nfzig Fruchtl�den um Notre Dame de la Lorette.

An seinem Arm besuchte sie Kirmisse au�erhalb der Stadtw�lle und bog
zwischen Lampions und dem Schwung illuminierter Schiffschaukeln den Buden
nicht aus, wo sie nach Pfeifen aus Ton und fliegenden B�llen schossen.

Er lehrte sie den Zauber der Imperiale, wo Meister Levage neben ihnen
murmelte, wenn sich der Omnibus durch dunkle Stra�en bewegte, und seinen
G�ulen sein von der Angst der Autobusse, deren Einf�hrung bevorstand,
umw�lktes Alter erz�hlte und wie seit vierzig Jahren die empfindlichen
Stellen der Pferdeh�lse mit der Peitsche tuschte.

Schon blieb sie selbst stehen und durchbrach ihre Herkunft, als an den
Stra�enecken die Roulettetische aufgeschlagen wurden, und Harri trug das
Glas mit Goldfischen, das sie gewann, auf einem Karussell und dann auf der
Bootfahrt im Bois, wo sie die Tiere befreiten unter den mispelfliegenden
Pappeln.

Er f�hrte sie wieder in das Gew�hl der Seinedampfer und brachte sie hinaus
an die Grenze, wo Wiesen und Wind aus B�schen der Stadt entgegenkam.

Aus Blumen, B�umen, Wellen formte sich dann etwas in sie hinein von
seltsamer Kraft.

Etwas trat pl�tzlich in ihr Blut, das sie stark machte gegen ihn, ja ihn
manchmal dunkel bedrohte. Staunend sah er, wies das, was er an sie
heranbrachte, sich irgendwie gegen ihn verst�rkt zur�ckwandte und ihn einem
Zustand zuleitete, der ein tiefes Aufmerken und ein Anschlag in seinem
inneren H�ren war.

Ganz anders war Fontainebleau mit ihr, in neuer nie gesehener Landschaft
spro�te St. Germain. Ihre Blicke hatten etwas Unverborgenes selbst f�r ihre
eigenen Geheimnisse. Aber selbst ihre l�ssige schlanke M�digkeit lehnte
sich mit einer wilden Kraft, die ihr von Margueriten und Rosen und der
Abendluft zustr�mte, �ber ihn.

Als sie seine Geliebte ward, blutrot versch�mt, mit dem Gedanken an ihre
verstorbenen Eltern, wie sie gestand, und voll von einem sanften Entsetzen,
war ihre Hingabe dennoch von so hemmungsloser Kraft, da� sie ihn mehr besa�
als er sie.

Morgens fuhren sie nach Versailles.

Als er am Ende aller Stufen im Gras am See, der die Terrassen auffing, auf
sie wartete, stand sie noch oben unter den hohen Schlo�fenstern und wartete
auf den Wildentenpfiff.

Dann kam sie.

Da f�hlte er eine Ver�nderung schon, wie die erste Terrasse sie aufnahm und
er begriff, wie das in sein Leben hineinfa�te und es bestimmte.

Er sah, wie alles sich pl�tzlich auf sie hinwandte, wie alle Menschen aus
den Taxushecken, den besonnten Bosketts, den geschlungnen Beeten die Augen
nach ihr hoben, wie die Natur fast in einer aussetzenden Sekunde sich ihr
anschlo�, See, Wiese und Guirlanden hineinstr�mten in diese abendliche
Bewegung.

Die Marmorstufen, die rot und wei� unter ihren Schuhen sich streckten,
dr�hnten leisselig die Minuten, die sie herabkam, von Treppenfall zu
Treppenfall gleich von sanft str�menden Kaskaden heruntergegeben. Es
schien, als treibe alles ihr nach in dieses Gleiten.

Und ebenso, wie sie den von den quecksilbernen tiefen Schlo�fenstern
abgeblendeten roten Himmel mit sich herabzog, schlo� sich an allen
Stationen des Herabgangs das Vorhandene an sie an.

Die Delphine und Tritonen liehen ihr das �ngstliche ihrer k�hnen
Bewegungen. Diana dr�ngte nach ihr den Busen. Die K�nigin der Fr�sche
wandte die gl�hende Achsel her�ber. Der Fl�tenbl�ser sah zitternd in
stummer Bet�ubung zu ihr hin�ber. Der r�tliche Marmor Apolls selbst und die
bronzenen wilden Tiere erregten sich in einer fiebrigen Minute und
beruhigten sich wieder. Die Orangenb�ume neigten in dem Vogelschweigen sich
in eine fl�sternde Brise.

Schmerzlich und verlassen standen die G�ttinnen der unteren Terrassen und
wandten sich hinter ihr in das Dunkel der Laube.

Und nun begannen in ihrem R�cken die gro�en Wasserspiele aufzugehen und
sich tief in den Himmel zu drehen. Die Sonne hatte sich auf dem Teich
niedergelassen und schlo� mit den schaumigen K�pfen der tanzenden Font�nen
oben zwischen zwei Vorh�ngen sie ab von der Welt.

Ersch�ttert frug er: �Wo ist L�on?�

Sie machte eine verh�llte Bewegung.

�Warum?�

�Weil ich dich liebte.�

�Tatest du es selbst?�

�Gestern abend. Ja.�

Sichere Konturen bekam, was sie besah. Stetigkeit hatte ihr Ausruhn, ihr
Spaziergang, ihre Liebkosung. Sie gliederte den Tag, die Leidenschaft, die
Ruhe mit einer bewegenden Anmut. Die Gegenst�nde empfingen von ihr W�rde
und Haltung. Sie beherrschte einfach, was ihr entgegentrat, ohne es zu
wollen und auch das, was sie nicht begriff, mit der Ungebrochenheit ihres
Wesens.

Saftigeres sch�lte sich ihnen nun heraus aus den Museen: Holbein, Ostade,
Bosch, Gr�newald, Brueghel, M�leskirchner. Da flossen Speisen �berall,
knackte das Leben mit Orangkiefern sich auf, ward nach Gott explodiert, und
in Lehm und Spelunke, in Fisch, Frucht, Fleisch, Prasserei noch ein Haben
gefordert und endlich nackte Sicherheit gelassen vor das Schicksal
gestellt.

Airas einfache Einstellung wu�te jedes Urteil im Traum. Doch hielt sie auch
Oxyg�n�e, was ein Purgier ist, f�r einen Vornamen. Unfa�bar, aber auch
nicht zu umspannen, stand sie an den Fenstern, die auf Paris hinabsahen,
das irgendwo in einem apfelgr�nen Himmel j�h ertrank.

Sie ging hinaus, als Petrovas Karte hereinkam, elegant der Mann hinterher.
�Ah?� frug Harri. Petrova nahm einen Liqueur: �Sie sehen keine Ver�nderung.
Entweder kein Sou oder zwanzigtausend Francs in der Tasche hielt ich stets
als Prinzip.� Harri lachte: �Sie waren nicht so bestimmt�. Petrova l�chelte
mit dem Mundwinkel: �Das ist der Vorteil des Besitzes. F�r einen
Hungerleider ziemte die unbestimmte, abenteuerlichere Haltung.� Allein
seine Sicherheit war nicht so gro� wie sein Auftreten. Er deponierte bei
Harri f�nfzigtausend Francs.

Ihn bangte immer vor dem Schicksal und er legte Reserven, aber sein Glaube
an Menschen war unbedingter wie an das Starre der Institutionen, er
vermied, abergl�ubisch, den Tresor der Banken wie Pest.

Mit einer �lteren Dame, die im Auto ihn erwartete, entschwand er �ber den
Boulevard Port Royal aus dem Gesichtskreis.

Die Hitze fiel ein in Paris.

Auf den Boulevards kamen nachts Ratten herauf, fra�en die Absynths�ufer an.
Manche ohne Ohren, mit halben Nasen wurden in die Spit�ler gerollt.

Die Seine fauchte wie ein fauler Fisch schillernde Gase aus. Das Viertel
der Gro�en Hallen stand eine ge�ffnete Kloake und st�rzte Wolken Gestank in
den Himmel. Fein, kaum merkbar fror das Arom der z�rtlichen Champs Elys�s
zwischen den auf ihren B�nken ger�uschlos Winterspeck ausschwitzenden
Rentnern und der erstarrten Verzauberung der sandigen B�ume. Selbst die
Milit�rmusik der �ffentlichen G�rten klapperte nur verzweifelt mit gelben
Fl�geln und schleifte doch nie die T�ne bis an die erfrischendere
Trommelf�lle der Font�nen.

Sie packten.

Harri �ffnete die Luken, lie� die Windsegel hinaus. Die Kuppel strahlte von
Glas mit feuriger Steigerung. Die Stra�e unten lag noch voll Schatten.

Vom Auto, das sie rasch den Boulmich hinunter entf�hrte, sahen sie zur�ck.
Mit blauen, gelben, roten Ballonen und Segeln gehi�t, vom Morgenwind immer
wieder festlich gef�llt, schwamm die Kuppel ihnen weg in die Sonne.

Sie fuhren nach Holland.

Schon f�hrte nicht mehr er, schon war in ihrer Heimat sie von keiner
�berlegenheit. Mit gleichen Augen bereits sahen von Nordereiland sie
Rotterdams Hafen, sp�rten die Viehherden �ber riesige Drehbr�cken in dies
Loch Europas str�men, f�hlten die Vorst�dte mit Reis, Tabak und Tee sich
f�llen wie eine gleichm��ige gro�e Bewegung.

Mit gleich empfundener Melodie wie auf einer Spieluhr spulte vor ihnen in
s'Gravenhaage im Hotel des Indes das Speisen und Sichbewegen der
bevorzugten Sippen bei Fl�ten- und Geigenorchester sich ab, fiel abends die
Gegengeb�rde der saftigen derben Leiber a Spuistraat dr�hnend in dieselbe
Kadenz.

Fiel allabendlich in Amsterdam ein andres Weib in die �lgefleckte Gracht,
zog die Bluse kreischend aus und sch�ttelte den m�chtigen Busen, so trugen
sie mit dem gleichen L�cheln den Vorgang sich zu, ebenso wie wenn vor ihrem
Blick hinter Zorgvliets Parks die Welt in Scheweningen mit Badeeifer den
Strand erhellte.

Sie fiel auf durch die schlanke L�ssigkeit ihrer selbst im geringsten
rassigen Bewegung, er hatte selbst unter Amerikanern noch die beste Figur.

Der Abend ging vor ihnen von der Seeterrasse zur�ck und die Lichter der
Seebr�cke begleiteten ihn noch eine Weile, bis Gesang aus den Pinken
aufscholl und mit glitzernden Fischnetzen der L�rm in den Hafen zur�ckkam.
Sie sahen es abebbend mit der Ruhe, vollsaugend sich mit Leben, immer im
gleichen Puls. Sie gew�hnten sich so aneinander, da� sie das gleiche schon
empfanden, eh es in ihren Gesichtskreis trat.

Erotische Landschaft sp�rten sie, wenn sie die Dampfer und Fregatten
meilenweit Spalier stehn sahen. Lust auf Kan�len zu fahren machte es ihnen
bereits, �bernachteten sie auf M�hlen, duschte der Gastherr sich nackt
morgens im Garten. Wie unter Stichworten tr�stete �ber dem Gestank des
Judenviertels sie der goldene Staub.

Hinter dem Prinsenhof an der Oute Delft gingen sie sogleich wortlos rasch
in die Wiesen, wo aus den Lindenkan�len und fetten Gr�sern bis unter den
letzten erzitternden Horizont die Glocken schlugen. Da stand Aira wieder
mitten in der Frische, von jedem Erdst�ck, jedem Glockenschwung, die sie
ber�hrten, neu und anders gerichtet. Nichts gab es an Wolke, Blau und
B�schen, das sich nicht auf sie richtete und seinen Reiz neidlos f�r sie
hingab.

Aber so nah war sie dem Geheimnis ihrer Natur, die sie nicht kannte, da�
sie gewisserma�en zur�ck in Herz und Kern der Dinge einfiel und wieder
schlank und sehnig sich aus ihnen spannte. Stand sie zwischen K�hen, die
von weither zu ihr liefen, war etwas von ihrer wilden Anmut in den Weichen
der Tiere, aber die Sanftmut der ruhenden Tiere hatte in ihren Blicken
ebenfalls Sitz.

Am Abend verlie� sie ihn f�r wenige Tage. Sie kam zur�ck damit, da� sie,
ihr Verm�gen zu regulieren, nach Java fuhr. Er lachte, als sie die Absicht
aussprach, da� sie, deren ganze Verwandtschaft dort unten wohnte, allein
f�hre. Er pl�nkelte eine Weile, aber wie ihr verschleierter Blick ihn
warnte, mit Zwingen dahin vorzusto�en, wo in ihren Hintergr�nden der
Entschlu� sich festgesetzt, lie� er die Sache fallen, wie alles, was sich
ihm entzog.

Obwohl ihn alles an ihr reizte, so lange ihre Herzen auf einem Akkord
hinliefen, �berfiel ihn M�digkeit in dem Augenblick, wo er verfolgen
sollte, was ihn floh, und selbst f�r diese Frau schien Kampf im Augenblick
ihm noch zuviel.

Sie setzten einen Termin, sprachen nicht mehr dar�ber, gaben sich Stunde
und Tag und sich selbst aufatmend einander wieder wie vorher.

Eine Woche lebten sie in zwei D�rfern, die eine D�ne trennte. Auf dem Kamm
trafen sie sich morgens. Der D�nenfu� war mit Makrelen bes�t,
Vogelgezwitscher und Kuhgebrumm stand dahinter.

In einem Ewer fuhren sie dann in die schwerrollende See der Morgend�nung.
Mittags booteten sie aus, bestiegen eine Eisenbahn, fuhren in einem kleinen
Wagen, bis sie sich zwischen den D�nen kaum mehr auskannten. Dann schlossen
sie eine Lagerh�tte auf, rollten ein Boot ins Wasser, ruderten mit langen
Schl�gen auf eine kleine Insel und zogen in das einzige Haus.

Eine Woche bremste wei�k�pfig das Meer die Welt ab. In der letzten Nacht
brach der gewitterge�derte Himmel unter einem pausenlosen Schlag. Harri
erwachte. Aira war nicht da. Das Haus war leer. Atemlos st�rzte er in den
Garten. Da kam sie, umw�lkt von dem Bodenduft, geschmeidig in der Haut, das
Hemd voll Blattzeug, auf den schlanken H�ften aus der mattschimmernden
Nacht, wie ein St�ck dampfende Erde in seinen Arm.

Mittags kam ein Motor langsam um die Ecke und holte die Koffer. Abends
sahen sie durch die Rosenh�nge der Veranda die Lichter des wartenden Autos
an der K�ste. Sie schwammen hin�ber, damit sie das Meer noch einmal koste,
das ihnen solange gemeinsam war. Im Schuppen zog sie sich um, k��te ihn.
Auf dem Strand der Insel dr�ben h�rte er noch das Verrauschen des Autos am
Horizont.

Er gab sich der Ruhe hin, den Fischen, dem Mond, den Wellen, aber er hatte
zu geringes Ma� Vertrauens auf sich gesetzt, als er seinen Elan nicht
st�hlte, um sie zu k�mpfen.

Denn als sie fehlte, verdreifachte sich ihre Kraft, und aus jeder Schnecke,
jeder Muschel, jeder Welle, jedem Segel nahm sie Form an.

Ja selbst aus Dingen, zu denen er sich rettete, die ihn zerstreuten, aus
Fischen, aus Mond, aus Wellen trat sie heraus. Sie kam aus dem Wei� des
aufgeschlagenen Bettes, sie trat in den Schlaf, in den Traum, sie bezwang
ihn mit jedem Gegenstand, den er ber�hrte.

In alles, was in Zusammenhang stand mit ihrem Wesen, war sie unverlierbar
gekettet, im L�uten des unsichtbaren Viehs hinter den D�nen klang ihre
Stimme, an den L�mmerwolken des Abends ruhte ihr Auge, im Fl�stern des
Schilfs war ihre Stimme.

Aber sie hatten sich so sehr vertauscht, da� nicht die Dinge nur, die sie
ber�hrt, sie ihm zur�ckbrachten jede Sekunde, sie war so eingegangen in
seine eigene Figur, da� der Klang seiner Stimme, das Schaukeln seines
Schattens, da� selbst das Zittern seiner H�nde nichts war als ihr Ausdruck,
ihre Stimme, ihre Anmut, und da� er, wenn es ihn �berfiel vor Sehnsucht,
sich f�hlte, als sei in ihn ihr Wesen eingezogen, und als sei sie wiederum
auch er.

Am Strand, die Augen geschlossen, ertrug er den Schmerz nicht l�nger: seine
Heimat war von ihm gegangen. Dies Gef�hl blieb. Alles andere hatte sich
ganz aus ihm gel�st.

Das spannte ihn wie ein Fell, auf dem es dr�hnte, als er sich zerstreute,
zwischen St�dten, Menschen, Schiffen nichts sah als sie.

Da f�hlte er, da� er es nicht ertr�ge ohne sie, er beschlo� ihr zu folgen,
aber er war so sanft geworden, da� er schon anfing ihre Gedanken nicht nur
zu denken sondern zu leben, und damit er sie nicht st�re, von niemand
gesehen werde und ihr nicht schade und sei es nur in ihrer �ngstlichen
Einbildung, nahm er, nur im Drang ihr nah zu sein, Zwischendeck.

Sigfrid Brown, Makler, geboren Odessa, �berschiffte er das Meer. Zum ersten
September legten sie in Samarang an. In der D�mmerung kam Aira Belmont mit
ihren Br�dern in einer Barkasse her�ber und ging �ber das Deck in die
Kaj�te. Er sprach sie nicht an.

Als sie zur�ckkam, stand er am Reeling in der Dunkelheit, die Barkasse
legte wieder an. Aber w�hrend sie die Treppe hinabstieg, stiegen ihm die
Tr�nen in die Augen vor besinnungslosem Schmerz.

_Im selben Augenblick aber brach der Ring, mit dem der Tod sein Leben
eingekreist_ und ihm sein irrsinniges Erlebnisgrauen neben die nun
spielerischen Dinge stellte.

Aus dem Schmerz kommt eine wundervolle Klarheit in ihn gezogen, und w�hrend
das Liebste seines Lebens verschwindet, ergl�ht seine Seele zum erstenmal
voll Rausch. Und wie die geheimnisvolle Verbundenheit sich �ffnet, mit der
sein Dasein dem Tod verschuldet war, tritt er heraus aus der Rolle des
Zuschauers in den hei�en Kreis des Daseins, der schmerzt.

Sie fuhren nach Ceylon weiter. In dieser Zeit wandte er sich mit
Aufmerksamkeit an die Umgebung. Zwischen Matratzen und L�usen entging ihm
nichts. Bei einem Boxkampf zerschlug einer einem Steward die Nase. Die
Nigger walkten ihn, bis er schwoll.

Die Stickluft machte ihm eine Entz�ndung. Nachts brachen sie, wuschen die
Windeln, die Kinder schrien. Ein Ire, stiernackig und gro�, fiel auf die
Knie und betete. Es entging ihm nichts.

Am letzten Tag starb einer an Tuberkulose. �Ausgespien�, schrie sein
Nachfolger in der Matte. Sie schmissen ihn, in einem Sack, mit einer
Kanonenkugel ins Wasser. Oben schossen sie. Unten sang man:

   �Uns rettet nie ein h�hres Wesen,
   Kein Gott, kein K�nig, kein Tribun,
   Uns von dem Elend zu erl�sen
   Vermag nur unser eignes Tun.�


In der letzten Nacht ohrfeigte der Kapit�n einen galizischen Rabbi, weil er
�ffentlich die Gebetszeremonie machte.

Als Harri frug, warum er sich nicht emp�re, gab er keine Antwort. Vor der
Landung ri� er, nachdem er ihn in eine Ecke lockte, Bart und Haar herunter,
er sah Shanvady. Er suchte ihn zu �berreden, mit ihm auszuschiffen, seine
Rolle in Europa hatte er hinter sich geworfen. Harri weigerte sich.

�Sie waren in Ihrer Unbeweglichkeit mein reizvollstes Experiment da
dr�ben�, sagte giftig Shanvady am Schlu�, �was habe ich Ihnen nicht
entgegengef�hrt? Dies Land ist pleite dr�ben, denn selbst Sie vermochte ich
nicht zu fesseln, obgleich gerade Ihre K�hle mich reizte, Ihnen alle
Raffinements entgegenzustellen.� Er ging allein von Bord. In der Nacht
starb ein junger Mann �ber Harri. Harri entschlo� sich, zur�ckzufahren, die
gleiche Tour.

Nichts trennte ihn mehr von den Kameraden, mit denen er fuhr. Der Strick
war durchgehauen, der ihn hin und her schwanken lie� zwischen den Schichten
mit dem Augenblick, in dem er Aira Belmont gehen lie� und sich dar�ber so
ver�ndert fand.

Aus der Entsagung kam ihm eine wilde stete Kraft, die ihn weit �ber sich
selbst hinaus brachte an die Dinge und Menschen heran, die er fr�her nur
sah wie Gespenster, und an die er jetzt mit einer z�hen Teilnahme sich
geworfen fand.

Er entschied sich gar nicht, die Sache war v�llig klar. Mit Shanvady schied
der Vertreter, gl�nzend und repr�sentativ einer Klasse, die nicht mehr
baute, nicht voran kam, nicht mehr stieg, sondern mit genialen Sp��en das
Angesammelte der Jahrhunderte noch einmal mischte und mit St�cken umdrehte,
bis sie, der Witze m�de, floh.

Ihn aber gel�stete es ganz und neu, arbeitsam, gesichert, in das Verlassene
zur�ck.

Noch einmal legten sie in Samarang an. Die Barkasse fuhr her�ber mit Aira
Belmont. Sie stieg an Deck mit ihren Br�dern. Die M�tze �ber das Gesicht
gezogen mu�te er es am Reeling noch einmal sehen und ertrug es.

W�hrenddem trugen sie eine Frau an ihm vorbei ins Lazarett. Als sie ihn
sah, schrie sie �Harion�.

Er folgte der durch und durch Verfaulten und erfuhr noch, ehe sie in der
Nacht starb, aus den Papieren, da� es seine Mutter war.

Die Matrosen bliesen ein Hornsignal, das Schiff wendete. Harri sah zur�ck,
wo die Barkasse landete, sah Tage, Jahre vor sich voll Bitterkeit und ohne
diese Heimat, aber senkte nicht den Kopf. Durch die Strahlenbrechung des
Lichts, die die K�ste weit �ber den Horizont hob, stob ihm durch das Segel
in der D�mmerung das Rot Schatten wie eine unsterbliche Bestimmung um seine
Schl�fen.



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- You provide a full refund of any money paid by a user who notifies
     you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he
     does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm
     License.  You must require such a user to return or
     destroy all copies of the works possessed in a physical medium
     and discontinue all use of and all access to other copies of
     Project Gutenberg-tm works.

- You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any
     money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the
     electronic work is discovered and reported to you within 90 days
     of receipt of the work.

- You comply with all other terms of this agreement for free
     distribution of Project Gutenberg-tm works.

1.E.9.  If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm
electronic work or group of works on different terms than are set
forth in this agreement, you must obtain permission in writing from
both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael
Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark.  Contact the
Foundation as set forth in Section 3 below.

1.F.

1.F.1.  Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable
effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
public domain works in creating the Project Gutenberg-tm
collection.  Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic
works, and the medium on which they may be stored, may contain
"Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or
corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual
property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a
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1.F.2.  LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right
of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project
Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project
Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all
liability to you for damages, costs and expenses, including legal
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PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3.  YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE
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LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR
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in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS', WITH NO OTHER
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1.F.5.  Some states do not allow disclaimers of certain implied
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or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.


Section  2.  Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of computers
including obsolete, old, middle-aged and new computers.  It exists
because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come.  In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
and the Foundation web page at http://www.gutenberg.org/fundraising/pglaf.


Section 3.  Information about the Project Gutenberg Literary Archive
Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service.  The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541.  Contributions to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
permitted by U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
throughout numerous locations.  Its business office is located at
809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
business@pglaf.org.  Email contact links and up to date contact
information can be found at the Foundation's web site and official
page at http://www.gutenberg.org/about/contact

For additional contact information:
     Dr. Gregory B. Newby
     Chief Executive and Director
     gbnewby@pglaf.org

Section 4.  Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment.  Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States.  Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements.  We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance.  To
SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
particular state visit http://www.gutenberg.org/fundraising/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States.  U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses.  Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations.
To donate, please visit:
http://www.gutenberg.org/fundraising/donate


Section 5.  General Information About Project Gutenberg-tm electronic
works.

Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
concept of a library of electronic works that could be freely shared
with anyone.  For thirty years, he produced and distributed Project
Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.

Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
unless a copyright notice is included.  Thus, we do not necessarily
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.

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