The Project Gutenberg EBook of In Stahlgewittern, by Ernst J�nger

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Title: In Stahlgewittern
       Aus dem Tagebuch eines Sto�truppf�hrers

Author: Ernst J�nger

Release Date: October 19, 2010 [EBook #34099]
[Last updated. February 5, 2014]

Language: German

Character set encoding: ISO-8859-1

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Produced by Jens Sadowski








                           In Stahlgewittern
                Aus dem Tagebuch eines Sto�truppf�hrers


                                  Von
                             Ernst J�nger

         Kriegsfreiwilliger, dann Leutnant und Kompagnief�hrer
        im F�s. Regt. Prinz Albrecht v. Preu�en (Hann. Nr. 73)
           Leutnant im Reichswehr-Regiment Nr. 16 (Hannover)

                            Dritte Auflage
                            6.--8. Tausend

                    _Mit dem Bilde des Verfassers_
             Berlin 1922 / Verlag von E. S. Mittler & Sohn

                  Zur Erinnerung an meine gefallenen
                              Kameraden.

                        Herrn Hermann Stegemann
                         in Verehrung gewidmet

             Alle Rechte aus dem Gesetze vom 19. Juni 1901
             sowie das �bersetzungsrecht sind vorbehalten




Vorwort.


Noch wuchtet der Schatten des Ungeheuren �ber uns. Der gewaltigste der
Kriege ist uns noch zu nahe, als da� wir ihn ganz �berblicken, geschweige
denn seinen Geist sichtbar auskristallisieren k�nnen. Eins hebt sich indes
immer klarer aus der Flut der Erscheinungen: Die �berragende Bedeutung der
Materie. Der Krieg gipfelte in der Materialschlacht; Maschinen, Eisen und
Sprengstoff waren seine Faktoren. Selbst der Mensch wurde als Material
gewertet. Die Verb�nde wurden wieder und wieder an den Brennpunkten der
Front zur Schlacke zergl�ht, zur�ckgezogen und einem schematischen
Gesundungsproze� unterworfen. �Die Division ist reif f�r den Gro�kampf.�

Das Bild des Krieges war n�chtern, grau und rot seine Farben; das
Schlachtfeld eine W�ste den Irrsinns, in der sich das Leben k�mmerlich
unter Tage fristete. Nachts w�lzten sich m�de Kolonnen auf zermahlenen
Stra�en dem brandigen Horizont entgegen. �Licht aus!� Ruinen und Kreuze
s�umten den Weg. Kein Lied erscholl, nur leise Kommandoworte und Fl�che
unterbrachen das Knirschen der Riemen, das Klappern von Gewehr und
Schanzzeug. Verschwommene Schatten tauchten aus den R�ndern zerstampfter
D�rfer in endlose Laufgr�ben.

Nicht wie fr�her umrauschte Regimentsmusik ins Gefecht ziehende Kompagnien.
Das w�re Hohn gewesen. Keine Fahnen schwammen wie einst im Pulverdampf �ber
zerhackten Karrees, das Morgenrot leuchtete keinem fr�hlichen Reitertage,
nicht ritterlichem Fechten und Sterben. Selten umwand der Lorbeer die Stirn
des W�rdigen.

Und doch hat auch dieser Krieg seine M�nner und seine Romantik gehabt!
Helden, wenn das Wort nicht wohlfeil geworden w�re. Draufg�nger,
unbekannte, eherne Gesellen, denen es nicht verg�nnt war, vor aller Augen
sich an der eigenen K�hnheit zu berauschen. Einsam standen sie im Gewitter
der Schlacht, wenn der Tod als roter Ritter mit Flammenhufen durch wallende
Nebel galoppierte. Ihr Horizont war der Rand eines Trichters, ihre St�tze
das Gef�hl der Pflicht, der Ehre und des inneren Wertes. Sie waren
�berwinder der Furcht; selten ward ihnen die Erl�sung, dem Feinde in die
Augen blicken zu k�nnen, nachdem alles Schreckliche sich zum letzten Gipfel
get�rmt und ihnen die Welt in blutrote Schleier geh�llt hatte. Dann ragten
sie empor zu brutaler Gr��e, geschmeidige Tiger der Gr�ben, Meister des
Sprengstoffs. Dann w�teten ihre Urtriebe mit kompliziertesten Mitteln der
Vernichtung.

Doch auch wenn die M�hle des Krieges ruhiger lief, waren sie
bewundernswert. Ihre Tage verbrachten sie in den Eingeweiden der Erde, vom
Schimmel umwest, gefoltert vom ewigen Uhrwerk fallender Tropfen. Wenn die
Sonne hinter gezackten Schattenrissen von Ruinen versankt, entklirrten sie
dem Pesthauch schwarzer H�hlen, nahmen ihre W�hlarbeit wieder auf oder
standen, eiserne Pfeiler, n�chtelang hinter den W�llen der Gr�ben und
starrten in das kalte Silber zischender Leuchtkugeln. Oder sie schlichen
als J�ger �ber klickenden Draht in die �de des Niemandslandes. Oft
zerrissen j�he Blitze das Dunkel, Sch�sse knallten und ein Schrei verwehte
ins Unbekannte. So arbeiteten und k�mpften sie, schlecht verpflegt und
bekleidet, als geduldige, eisenbeladene Tagel�hner des Todes.

Manchmal kamen sie zur�ck, standen vertr�umt auf den Asphaltmeeren der
St�dte und schauten ungl�ubig auf das Leben, das strudelnd in seinen
gewohnten Bahnen flo�. Dann st�rzten sie sich hinein, um keine Minute der
kurzen Tage ungen�tzt verflie�en zu lassen, tranken und k��ten. Mit der
ihnen Lebensform gewordenen R�cksichtslosigkeit schwangen sie in tollen
N�chten den Becher, bis ihnen die Welt versank. Da lie� man die gefallenen
Freunde leben und schierte sich den Teufel um den n�chsten Tag. Und dann
ging es wieder auf den gewohnten Stra�en der Brandung zu.

Das war der deutsche Infanterist im Kriege. Gleichviel wof�r er k�mpfte,
sein Kampf war �bermenschlich. Die S�hne waren �ber ihr Volk
hinausgewachsen. Mit bitterem L�cheln lasen sie das triviale
Zeitungsgew�sch, die ausgelaugten Worte von Helden und Heldentod. Sie
wollten nicht diesen Dank, sie wollten Verst�ndnis. Kein Dank kann gro�
genug sein. Ein Bild: der h�chste Alpengipfel, ausgehauen zu einem Gesicht
unter wuchtendem Stahlhelm, das still und ernst �ber die Lande schaut, den
deutschen Rhein hinunter aufs freie Meer. -- Einst wird kommen der Tag
. . .

                   *       *       *       *       *

Der Zweck dieses Buches ist, dem Leser sachlich zu schildern, was ein
Infanterist als Sch�tze und F�hrer w�hrend des gro�en Krieges inmitten
eines ber�hmten Regimentes[1] erlebt, und was er sich dabei gedacht hat. Es
ist entstanden aus dem in Form gebrachten Inhalt meiner Kriegstageb�cher.
Ich habe mich bem�ht, meine Impressionen m�glichst unmittelbar zu Papier zu
bringen, weil ich merkte, wie rasch sich die Eindr�cke verwischen und wie
sie schon nach wenigen Tagen eine andere F�rbung annehmen. Es erforderte
Energie, diesen Stapel von Notizb�chern zu f�llen, in den kurzen Pausen des
Geschehens, nach dem Tagewerk der Front, beim tr�ben Licht einer Kerze, auf
den Treppen schmaler Stollenh�lse, in zeltverhangenem Trichter oder
feuchten Kellern von Ruinen; indes es hat sich gelohnt. Ich habe mir die
Frische der Erlebnisse gewahrt. Der Mensch neigt zur Idealisierung des
Geleisteten, zur Vertuschung des H��lichen, Kleinlichen und Allt�glichen.
Unmerklich stempelt er sich zum �Helden�.

Ich bin kein Kriegsberichterstatter, ich lege keine Helden-Kollektion vor.
Ich will nicht beschreiben, wie es h�tte sein k�nnen, sondern wie es war.

Iliacos muros peccatur intra et extra. Der Grad der Sachlichkeit eines
solchen Buches ist der Ma�stab seines inneren Wertes. Der Krieg setzt sich
wie alle menschlichen Handlungen aus Gut und B�se zusammen. Nur treten
hier, wo sich die Kraft von V�lkern aufs H�chste steigert, die Gegens�tze
noch greller hervor als sonst. Neben gipfelnden Werten g�hnen dunkelste
Abgr�nde. Da, wo ein Mensch die beinah g�ttliche Stufe der Vollkommenheit
erreicht, die selbstlose Hingabe an ein Ideal bis zum Opfertode, findet
sich ein anderer, der dem kaum Erkalteten gierig die Taschen durchw�hlt.
Von gro�en Worten Berauschte brechen im Moment der Gefahr elend zusammen.
M�nner, deren Gesinnung wie ein Fels schien, stellen sich in entscheidender
Stunde �auf den Boden der Tatsachen�, ohne den Degen zu ziehen, der sonst
so schallend gerasselt. Andere durchschwelgen die N�chte, in denen fernes
Rot am Himmel glutet und leises Dr�hnen mahnend an die Fenster schl�gt.

Das mu� gesagt werden. Um so gl�nzender hebt sich aus diesem dunkeln
Hintergrunde der wahre Mann, der unscheinbare, echte, vom Geist getriebene
Krieger, der seine Pflicht tat, am letzten Tage wie am ersten. Was war
dagegen der Rausch von 1914? Eine Massensuggestion! Und doch, wie viele
habe ich kennengelernt, die unter dem grauen Tuch ein Herz von Gold und
einen Willen von Stahl bargen, eine Auslese der T�chtigsten, die sich dem
Tode in die Arme warf -- mit stets gleichbleibender Freudigkeit. Ob ihr
gefallen seid auf freiem Felde, das arme, von Blut und Schmutz entstellte
Gesicht dem Feinde zu, �berrascht in dunklen H�hlen oder versunken im
Schlamm endloser Ebenen, einsame, kreuzlose Schl�fer; das ist mir
Evangelium: Ihr seid nicht umsonst gefallen. Wenn auch vielleicht das Ziel
ein anderes, gr��eres ist, als ihr ertr�umtet. Der Krieg ist der Vater
aller Dinge. Kameraden, euer Wert ist unverg�nglich, Euer Denkmal tief in
den Herzen eurer Br�der, die mit Euch standen, vom flammenden Ringe
umschlossen. Legten wir nicht wei�e B�nder auf eure Wunden und sahen in
eure brechenden Augen, als euch der Vorhang der Ewigkeit hochrauschte?

M�ge dies Buch dazu beitragen, eine Ahnung zu geben von dem, was ihr
geleistet. Wir haben viel, vielleicht alles, auch die Ehre verloren. Eins
bleibt uns: die ehrenvolle Erinnerung an euch, an die herrlichste Armee,
die je die Waffen trug und an den gewaltigsten Kampf, der je gefochten
wurde. Sie hochzuhalten inmitten dieser Zeit weichlichen Gewinsels, der
moralischen Verk�mmerung und des Renegatentums ist stolzeste Pflicht eines
jeden, der nicht nur mit Gewehr und Handgranate, sondern auch mit
lebendigem Herzen f�r Deutschlands Gr��e k�mpfte.

[Fu�note 1: Das Stammregiment des F�silier-Regiments Nr. 73, das vormals
K�niglich Hannoversche Garderegiment, verteidigte von 1779 bis 1783 fast
vier Jahre lang unter General Elliot Gibraltar siegreich gegen die Spanier
und Franzosen. Zur Erinnerung an diese ruhmvolle Waffentat tr�gt unser
Regiment am �rmel des Waffenrocks ein blaues Band mit der Aufschrift
�Gibraltar�. Dasselbe Zeichen wird jetzt von der 5. Kompagnie des
Reichswehr-Regiments Nr. 16 (Hannover) weitergetragen.]




Vorwort zur 2. Auflage.


Schneller als gedacht, wurde eine zweite Auflage Bed�rfnis. Aus Zuschriften
und Gespr�chen ersah ich, da� der Zweck des Buches erreicht, der Geist der
Leute am Feind getroffen war. Wer sollte ihn auch besser treffen als einer,
der vier Jahre lang in allen L�chern und H�hlen der Westfront in ihrem
Kreise hockte?

Dies Interesse f�r das Geschehen einer Zeit, die uns zu Boden hagelte, ist
von Bedeutung. Das Volk im ganzen hat nicht den Willen, das zu verleugnen,
wof�r Unz�hlige fielen. Der Krieg ist eine Sache, an der alle beteiligt
sind. Sind zur Stunde noch die Nerven ersch�ttert vom Grauenhaften seiner
�u�eren Gestaltung, so wird er sp�teren Generationen vielleicht erscheinen
wie manche Kreuzigungsbilder alter Meister: Als gro�er Gedanke, der Nacht
und Blut �berstrahlt. Dann wird man wohl auch mit R�hrung an uns
zur�ckdenken, an uns und die Hoffnungen und Gef�hle, die unsere Brust
durchzuckten, als wir im Dunkel durch br�llende W�sten irrten.

Oder sollten Str�mungen unserer Zeit dann schon so rei�end geworden sein,
da� niemand mehr versteht, wie wir das Leben geringer achten konnten als
unsere Idee?

Ich kann es nicht glauben.

_Berlin_, im Juli 1921.




Inhaltsverzeichnis.


   Vorwort
   Orainville
   Von Bazancourt bis Hattonch�tel
   Les Eparges
   Douchy und Monchy
   Vom t�glichen Stellungskampf
   Der Auftakt zur Somme-Offensive
   Guillemont
   Am St. Pierre-Vaast
   Der Somme-R�ckzug
   Im Dorfe Fresnoy
   Gegen Inder
   Langemarck
   Regni�ville
   Noch einmal Flandern
   Die Cambraischlacht
   Am Cojeul-Bach
   Die gro�e Schlacht
   Englische Vorst��e
   Mein letzter Sturm




Orainville.


Der Zug hielt in Bazancourt, einem St�dtchen der Champagne. Wir stiegen
aus. Mit ungl�ubiger Ehrfurcht lauschten wir dem langsamen Takte des
Walzwerkes der Front, einer Melodie, die uns in langen Jahren Gewohnheit
werden sollte. Ganz weit zerflo� der wei�e Ball eines Schrapnells im grauen
Dezemberhimmel. Der Atem des Kampfes wehte her�ber und lie� uns seltsam
erschauern. Ahnten wir, da� fast alle von uns verschlungen werden sollten
an Tagen, in denen das dunkle Murren dahinten aufbrandete zu unaufh�rlich
rollendem Donner? Der eine fr�her, der andere sp�ter?

Wir hatten H�rs�le, Schulb�nke und Werktische verlassen und waren in den
kurzen Ausbildungswochen zusammengeschmolzen zu einem gro�en, begeisterten
K�rper, Tr�ger des deutschen Idealismus der nachsiebziger Jahre.
Aufgewachsen im Geiste einer materialistischen Zeit, wob in uns allen die
Sehnsucht nach dem Ungew�hnlichen, nach dem gro�en Erleben. Da hatte uns
der Krieg gepackt wie ein Rausch. In einem Regen von Blumen waren wir
hinausgezogen in trunkener Morituri-Stimmung. Der Krieg mu�te es uns ja
bringen, das Gro�e, Starke, Feierliche. Er schien uns m�nnliche Tat, ein
fr�hliches Sch�tzengefecht auf blumigen, blutbetauten Wiesen. Kein sch�nrer
Tod ist auf der Welt . . . . Ach, nur nicht zu Haus bleiben, nur mitmachen
d�rfen!

�In Gruppenkolonne antreten!� Die erhitzte Phantasie beruhigte sich beim
Marsche durch den schweren Lehmboden der Champagne. Tornister, Patronen und
Gewehr dr�ckten wie Blei. �Kurztreten. Aufbleiben dahinten!�

   Ach, zu des Geistes Fl�geln wird so bald
   Kein k�rperlicher Fl�gel sich gesellen!

Endlich erreichten wir das Dorf Orainville, den Ruheort des
F�silier-Regiments 73, eins der typischen Nester jener Gegend, gebildet
durch 50 H�uschen aus Ziegel- oder Kreidesteinen um einen parkumschlossenen
Herrensitz.

Das Treiben auf der Dorfstra�e bot den kulturgewohnten Augen einen fremden
Anblick. Man sah nur wenige scheue und zerlumpte Zivilisten; �berall
Soldaten in abgetragenen, zerschlissenen R�cken mit wettergegerbten, meist
von gro�en B�rten umrahmten Gesichtern, die langsamen Schrittes
dahinschlenderten oder in kleinen Gruppen vor den T�ren der H�user standen
und uns Neulinge mit Scherzrufen empfingen. Irgendwo stand eine nach
Erbsensuppe duftende Feldk�che, von kochgeschirrklappernden Essenholern
umringt. Die wallensteinsche Romantik wurde durch den beginnenden Verfall
des Dorfes noch gesteigert.

Nachdem wir die erste Nacht in einer gewaltigen Scheune verbracht hatten,
wurden wir im Hofe des Schlosses vom Regimentsadjutanten, dem damaligen
Oberleutnant v. Brixen, eingeteilt und ich der 9. Kompagnie �berwiesen.

Unser erster Kriegstag sollte nicht vor�bergehen, ohne uns einen
entscheidenden Eindruck zu hinterlassen: Wir sa�en in der uns als Quartier
angewiesenen Schule und fr�hst�ckten. Pl�tzlich dr�hnte eine Reihe dumpfer
Ersch�tterungen in der N�he, w�hrend aus allen H�usern Soldaten dem
Dorfeingang zust�rzten. Wir befolgten dies Beispiel, ohne recht zu wissen
warum. Wieder ert�nte ein eigenartiges, nie geh�rtes Flattern und Rauschen
�ber uns und ertrank in polterndem Krachen. Ich wunderte mich, da� die
Leute um mich sich zusammenduckten wie unter furchtbarer Drohung.

Gleich darauf erschienen schwarze Gruppen auf der menschenleeren
Dorfstra�e, in Zeltbahnen oder auf den verschr�nkten H�nden schwarze B�ndel
schleppend. Mit einem merkw�rdig beklommenen Gef�hl der Unwirklichkeit
starrte ich auf eine blut�berstr�mte Gestalt mit lose am K�rper
herabh�ngendem Bein, die unaufh�rlich ein heiseres �Zu Hilfe!� hervorstie�
und in ein Haus getragen wurde, von dessen Eingang die Rote-Kreuz-Flagge
herabwehte. -- Was war das nur? Der Krieg hatte seine Krallen gezeigt und
die gem�tliche Maske abgeworfen. Das war so r�tselhaft, so unpers�nlich.
Kaum, da� man dabei an den Feind dachte, dieses geheimnisvolle, t�ckische
Wesen irgendwo dahinten. Das v�llig au�erhalb der Erfahrung liegende
Ereignis machte einen so starken Eindruck, da� es M�he kostete, die
Zusammenh�nge zu begreifen. Es war wie eine gespenstische Erscheinung am
hellen Mittag.

Eine Granate war oben am Portal des Schlosses krepiert und hatte eine Wolke
von Steinen und Sprengst�cken in den Eingang geschleudert, gerade, als die
durch die ersten Sch�sse aufgeschreckten Insassen aus dem Torweg str�mten.
Sie erschlug 13 Opfer, darunter den Musikmeister Gebhard, eine mir von den
hannoverschen Promenaden-Konzerten her wohlbekannte Erscheinung. Ein
angebundenes Pferd witterte die Gefahr eher als die Menschen, ri� sich
wenige Sekunden vorher los und galoppierte, ohne verletzt zu werden, in den
Schlo�hof.

Im Gespr�ch mit meinen Kameraden merkte ich, da� dieser Zwischenfall
manchem die Kriegsbegeisterung sehr ged�mpft hatte. Da� er auch auf mich
stark gewirkt hatte, ersah ich aus zahlreichen Geh�rst�uschungen, die mir
das Rollen jedes vor�berfahrenden Wagens in das fatale Ger�usch der
Ungl�cks-Granate verwandelten.

Am Abend desselben Tages kam der lang ersehnte Augenblick, in dem wir,
schwer bepackt, zur Kampfstellung aufbrachen. Durch die aus phantastischem
Halbdunkel ragenden Ruinen des Dorfes Betricourt f�hrte unser Weg nach
einem einsamen, in Tannenwaldungen versteckten Forsthause, der sogenannten
�Fasanerie�, wo die Regiments-Reserve lag, der bis zu dieser Nacht auch die
dort liegende 9. Kompagnie angeh�rte. Ihr F�hrer war der Leutnant d. R.
Brahms.

Wir wurden in Empfang genommen, auf die Gruppen verteilt und befanden uns
bald im Kreise b�rtiger, lehmbekrusteter Gesellen, die uns mit einem
gewissen ironischen Wohlwollen begr��ten. Wir wurden gefragt, wie es in
Hannover auss�he, und ob der Krieg denn noch nicht bald zu Ende gehen
sollte. Dann drehte sich das Gespr�ch in eint�niger K�rze um Schanzen,
Feldk�che, Grabenst�cke und andere Angelegenheiten den Stellungskrieges.

Nach einiger Zeit erscholl vor der T�r unseres h�ttenartigen Aufenthaltes
der Ruf: �Heraustreten!� Wir traten bei unseren Gruppen an und stie�en auf
das Kommando: �Laden und Sichern!� mit geheimer Wollust einen Rahmen
scharfer Patronen ins Magazin.

Dann ging es schweigend Mann hinter Mann querbeet durch die n�chtliche, von
dunklen Waldst�cken bes�te Landschaft. Ab und zu verhallte ein einsamer
Schu�, oder eine Leuchtkugel strahlte zischend auf, um nach kurzer,
geisterhafter Beleuchtung eine noch tiefere Dunkelheit zu hinterlassen.
Monotones Klappern von Gewehr und Schanzzeug durch den Warnungsruf:
�Achtung, Draht!� unterbrochen. Wie oft bin ich nach diesem erstenmal in
halb melancholischer, halb erregter Stimmung durch ausgestorbene
Landschaften zur vorderen Linie geschritten!

Endlich verschwanden wir in einem der Laufgr�ben, die sich wie wei�e
Schlangen durch die Nacht zur Stellung wanden. Dort fand ich mich einsam
und fr�stelnd zwischen zwei Schulterwehren wieder, angestrengt in eine vorm
Graben liegende Tannenreihe starrend, in der meine Phantasie mir allerhand
Schattengestalten vorgaukelte, w�hrend ab und zu eine verirrte Kugel durchs
Ge�st klatschte. Die einzige Abwechslung in dieser schier endlosen Zeit
war, da� ich von einem �lteren Kameraden abgeholt wurde und mit ihm durch
einen langen, schmalen Gang zu einem vorgeschobenen Postenloch trottete, in
dem wir wiederum damit besch�ftigt waren, das Vorgel�nde zu betrachten.
Zwei Stunden durfte ich in einem kahlen Kreideloche versuchen, den Schlaf
der Ersch�pfung zu finden. Als der Morgen graute, war ich bleich und
lehmbeschmiert wie die anderen, und es war mir, als ob ich dieses
Maulwurfsleben schon monatelang gef�hrt h�tte.

Die Stellung des Regiments wand sich durch den Kreidebogen der Champagne
gegen�ber dem Dorfe Le Gauda. Sie lehnte sich rechts an ein zerhacktes
Waldst�ck, den Granat-Wald, lief dann durch riesige Zuckerr�benfelder, aus
denen die roten Hosen gefallener St�rmer leuchteten, und endete in einem
Bachgrund, �ber den die Verbindung mit dem Regiment 74 durch n�chtliche
Patrouillen aufrechterhalten wurde. Der Bach rauschte �ber das Wehr einer
zerst�rten, von finsteren B�umen umringten M�hle. Ein unheimlicher
Aufenthalt, wenn nachts der Mond durch zerrissene Wolken wechselnde
Schatten warf, und seltsame Laute in das Murmeln des Wassers und das
Rascheln des Schilfes sich zu mischen schienen.

Der Dienst war der denkbar anstrengendste. Das Leben begann mit dem
Einbruch der D�mmerung, w�hrend der die ganze Besatzung im Graben stehen
mu�te. Von 10 Uhr abends bis 6 Uhr morgens durften dann je zwei Mann jeder
Gruppe schlafen, so da� man einen Nachtschlaf von zwei Stunden geno�, der
indes durch fr�heres Wecken, Strohholen und andere Besch�ftigungen
illusorisch gemacht wurde.

Entweder hatte man Wache im Graben, oder man zog in eins der zahlreichen
Postenl�cher, die mit der Stellung durch lange, ausgehobene Verbindungswege
zusammenhingen; eine Art der Sicherung, die wegen der Exponiertheit der
Posten im Laufe des Stellungskrieges bald aufgegeben wurde.

Diese endlosen, furchtbar erm�denden Nachtwachen waren bei klarem Wetter
und selbst bei Frost noch ertr�glich, sie wurden jedoch qualvoll, wenn es,
wie meist im Januar, regnete. Wenn die Feuchtigkeit erst die �ber den Kopf
gezogene Zeltbahn, dann Mantel und Uniform durchdrang und stundenlang am
K�rper herunterrieselte, geriet man in eine Stimmung, die selbst durch das
Rauschen der heranwatenden Abl�sung nicht erhellt werden konnte. Die
Morgend�mmerung beleuchtete ersch�pfte, kreidebeschmierte Gestalten, die
sich z�hneklappernd mit bleichen Gesichtern auf das faule Stroh der
tropfenden Unterst�nde warfen. Diese Unterst�nde! Es waren nach dem Graben
zu offene, in die Kreide gehauene L�cher mit einer Lage von Brettern und
einigen Schaufeln Erde bedeckt. Hatte es geregnet, so tropften sie noch
tagelang nachher; ein gewisser Galgenhumor hatte sie deshalb mit
entsprechenden Namen, wie �Tropfsteinh�hle�, �Zum M�nnerbad� usw.,
bezeichnet. Wollten mehrere darin der Ruhe pflegen, so waren sie gezwungen,
ihre Beine als unfehlbare Fu�angeln f�r jeden Vor�bergehenden in den Graben
zu legen. Unter diesen Umst�nden war nat�rlich auch tags�ber von Schlaf
wenig die Rede. Au�erdem mu�te man noch zwei Stunden Tagesposten stehen,
den Graben reinigen, Essen, Kaffee, Wasser holen und anderes mehr.

Man wird begreifen, da� dieses ungewohnte Leben uns sehr hart vorkam,
besonders da wir dazu von den meisten der alten Leute in jeder Weise
schikaniert wurden. Diese aus der Kaserne in den Krieg mitgenommene
Gewohnheit trug viel dazu bei, uns die schweren Tage noch mehr zu
verbittern, verschwand aber nach der ersten zusammen bestandenen Schlacht.
Dem gemeinen Mann war auch die Tatsache, da� wir uns freiwillig gemeldet
hatten, schwer verst�ndlich. Er sah das als einen gewissen �bermut an, eine
Auffassung, der ich im Kriege oft begegnet bin.

Die Zeit, w�hrend der die Kompagnie in Reserve lag, war nicht viel besser.
Wir hausten dann in tannenzweiggedeckten Erdh�tten bei der Fasanerie oder
im Hiller-W�ldchen, deren mistbepackter Boden wenigstens eine angenehme
G�rungsw�rme ausstrahlte. Manchmal erwachte man in einer zolltiefen
Wasserpf�tze. Trotzdem ich Rheumatismus bislang nur dem Namen nach gekannt
hatte, sp�rte ich schon nach wenigen Tagen infolge der dauernden
Durchn�ssung Schmerzen in allen Gelenken. Die N�chte dienten auch hier
nicht dem Schlaf, sondern wurden benutzt, die zahlreichen Ann�herungsgr�ben
zu vertiefen.

Ein Lichtblick in diesem �den Einerlei war die allabendliche Ankunft der
Feldk�che an der Ecke des Hiller-W�ldchens, wo sich bei der �ffnung des
Kessels ein k�stlicher Duft nach Erbsen mit Speck oder anderen herrlichen
Sachen verbreitete. Aber auch hier gab es einen dunklen Punkt: das
D�rrgem�se, das von entt�uschten Gourmets als �Drahtverhau� oder
�Flurschaden� geschm�ht wurde.

Am angenehmsten waren die Ruhetage in Orainville, die mit Ausschlafen,
Reinigen der Sachen und Exerzieren verbracht wurden. Die Kompagnie hauste
in einer gewaltigen Scheune, die nur zwei h�hnerleiterartige Treppen als
Ein- und Ausgang hatte. Obwohl das Geb�ude noch mit Stroh gef�llt war,
standen �fen darin. Eines Nachts rollte ich gegen den einen und erwachte
erst infolge der Bem�hungen einiger Kameraden, die mich kr�ftigen
L�schversuchen unterzogen. Zu meinem Schrecken gewahrte ich, da� meine
Uniform an der R�ckseite arg verkohlt war, so da� ich l�ngere Zeit in einem
frackartigen Anzuge umherlaufen mu�te.

Nach kurzem Aufenthalt beim Regiment hatten wir fast alle Illusionen
verloren, mit denen wir ausgezogen waren. Statt der erhofften Gefahren
hatten wir Schmutz, Arbeit und schlaflose N�chte vorgefunden, zu deren
Bezwingung ein uns wenig liegendes Heldentum geh�rte. Diese dauernde
�beranstrengung war Schuld der F�hrung, die den Geist des neuartigen
Stellungskrieges noch nicht erfa�t hatte. In einem kurzen,
draufg�ngerischen Kriege kann und mu� der Offizier die Mannschaft
r�cksichtslos ersch�pfen, in einem sich lang hinschleppenden f�hrt dies zu
physischem und moralischem Zusammenbruch. Die ungeheure Postenzahl und die
ununterbrochene Schanzarbeit war zum gr��ten Teil unn�tig und sogar
sch�dlich. Nicht auf gewaltige Verschanzungen kommt es an, sondern auf den
Mut und die Frische der Leute, die dahinterstehen. �Eiserne Herzen auf
h�lzernen Schiffen gewinnen die Schlachten.�

Wohl h�rten wir im Graben Geschosse pfeifen, bekamen auch ab und zu einige
Granaten von den Reimser Forts, aber diese kleinen kriegerischen Ereignisse
blieben weit hinter unseren Erwartungen zur�ck. Trotzdem wurden wir
manchmal an den blutigen Ernst gemahnt, der hinter diesem scheinbar
absichtslosen Geschehen lauerte. So schlug am 8. Januar eine Granate in die
Fasanerie und t�tete den Leutnant Schmidt, unseren Bataillons-Adjutanten.

Am 27. Januar lie�en wir unserem Kaiser zur Ehre drei kr�ftige Hurras
erschallen und stimmten auf der langen Front, von feindlichen Gewehren
begleitet, ein �Heil dir im Siegerkranz� an.

In diesen Tagen hatte ich ein sehr unangenehmen Erlebnis, das meine
milit�rische Laufbahn fast zu einem vorzeitigen und unr�hmlichen Abschlu�
gebracht h�tte. Die Kompagnie lag am linken Fl�gel, und ich mu�te mich
gegen Morgen nach v�llig durchwachter Nacht mit einem Kameraden in den
Bachgrund auf Doppelposten begeben. Ich hatte der K�lte wegen
verbotenerweise meine Decke um den Kopf geschlagen und lehnte an einem
Baum, nachdem ich mein Gewehr neben mich in einen Busch gestellt hatte.
Pl�tzlich h�rte ich hinter mir ein Ger�usch, griff danach -- die Waffe war
verschwunden! Der revidierende Portepee-Tr�ger, ein
Offizier-Stellvertreter, hatte sich an mich herangeschlichen und sie
unbemerkt an sich genommen. Um mich zu bestrafen, schickte er mich
eigenm�chtig, nur mit einer Beilpicke bewaffnet, in der Richtung auf die
franz�sischen Postierungen, ungef�hr 100 Meter weit, vor, eine
Indianeridee, die mich beinahe ums Leben gebracht h�tte. W�hrend meiner
merkw�rdigen Strafwache schlich n�mlich eine Patrouille von drei
Kriegsfreiwilligen durch das Schilf vor, wurde von den Franzosen bemerkt
und beschossen. Einer von ihnen, namens Lang, wurde getroffen und nie
wieder gesehen. Da ich ganz in der N�he stand, bekam ich auch mein Teil von
den damals so beliebten Gruppensalven ab, so da� mir die Zweige des
Weidenbaumes, an dem ich stand, um die Ohren pfiffen. Ich bi� die Z�hne
zusammen und blieb aus Trotz stehen. Ich habe dem Offizier-Stellvertreter
diese Gemeinheit nie vergessen k�nnen.

Wir waren alle herzlich stolz, als uns mitgeteilt wurde, da� wir diese
Stellung endg�ltig verlassen sollten, und feierten unseren Abschied von
Orainville durch einen kr�ftigen Bierabend in der gro�en Scheune. Am 4.
Februar 1915 marschierten wir, von einem s�chsischen Regiment abgel�st,
nach Bazancourt.

Dieser Monat war f�r mich, obwohl der h�rteste des ganzen Krieges, doch
eine gute Schule. Ich hatte den Wacht- und Arbeitsdienst in seiner
schwersten Form gr�ndlich kennengelernt. Das bewahrte mich sp�ter, als ich
selbst f�hrte, davor, von meinen Leuten Unm�gliches zu verlangen.




Von Bazancourt bis Hattonch�tel.


In Bazancourt, einem �den Champagne-St�dtchen, wurde die Kompagnie in der
Schule einquartiert, die infolge des geradezu erstaunlichen Ordnungssinnes
unserer Leute in kurzer Zeit das Aussehen einer Friedenskaserne annahm. Da
gab es einen Unteroffizier vom Dienst, der Morgens p�nktlich weckte,
Stubendienst und allabendliche Appells durch die Korporalschaftsf�hrer.
Jeden Morgen r�ckten die Kompagnien aus, um auf den umliegenden �dfeldern
einige Stunden stramm zu exerzieren. Diesem Dienstbetrieb wurde ich nach
einigen Tagen durch Abkommandierung zum Offizier-Aspiranten-Kursus in
Recouvrence entzogen.

Recouvrence war ein entlegenes, in lieblichen Kreideh�geln verstecktes
D�rfchen, in das von der Division eine Anzahl junger Leute geschickt wurde,
um durch den von jedem Regiment gestellten Offizier und einige
Unteroffiziere eine gr�ndliche milit�rische Ausbildung zu erhalten. Wir
73er haben in dieser Beziehung dem �u�erst f�higen, leider kurz darauf
gefallenen Leutnant Hoppe viel zu verdanken.

Das Leben in diesem weltabgeschiedenen Neste setzte sich aus einer
merkw�rdigen Mischung von Kasernendrill und akademischer Freiheit zusammen.
Tags�ber wurden die Z�glinge nach allen Regeln der Kunst zum milit�rischen
Menschen geschliffen, abends versammelten sie sich mit ihren Lehrern um
riesige F�sser, wo in ebenso gr�ndlicher Weise gezecht wurde. Wenn in den
Morgenstunden die verschiedenen Abteilungen aus ihren Kneiplokalen
str�mten, hatten die kleinen Kreidesteinh�user den ungewohnten Anblick
eines studentischen Walpurgistreibens. Unser Kursusleiter, ein Hauptmann,
hatte �brigens die erzieherische Gewohnheit, den Dienst an den
darauffolgenden Tagen mit doppelter Energie zu handhaben.

Unser Verkehr untereinander war, wie bei Leuten derselben Bildungsstufe
unter diesen Verh�ltnissen selbstverst�ndlich, sehr kameradschaftlich. Wir
wohnten zu dritt oder viert zusammen und f�hrten gemeinsame Wirtschaft.
Besonders ist mir noch unser regelm��iges Abendessen von R�hrei und
Bratkartoffeln in guter Erinnerung. Sonntags leisteten wir uns das
landess�bliche Kaninchen oder einen Hahn. Da ich den Einkauf f�r den
Abendtisch besorgte, legte mir unsere Wirtin einmal eine Anzahl von Bons
vor, die sie von requirierenden Soldaten erhalten hatte; meist des Inhalts,
da� der F�silier N. N. der Tochter des Hauses Liebensw�rdigkeiten erwiesen
und daf�r 12 Eier requiriert habe. Zur Anf�hrung ist diese erg�tzliche
Bl�tenlese des Volkshumors leider durchweg zu saftig.

Mitte Februar wurden wir 73er durch die Nachricht der gro�en Verluste
unseres Regiments bei Perthes �berrascht und waren sehr traurig, diese Tage
fern von unseren Kameraden verbracht zu haben. Am 21. M�rz kamen wir nach
einem kleinen Examen zum Regiment zur�ck, das wieder in Bazancourt lag. Es
schied in diesen Tagen nach einer gro�en Parade und einer
Abschiedsansprache des Generals von Emmich aus dem Verbande des X. Korps.
Wir wurden am 24. M�rz verladen und fuhren bis in die Gegend von Br�ssel,
wo wir mit den Regimentern 76 und 164 zur 111. Infanterie-Division
zusammengestellt wurden.

Unser Bataillon wurde in dem St�dtchen H�rinnes (fl�misch: Herne)
untergebracht, inmitten einer Landschaft von fl�mischer Behaglichkeit. Ich
erlebte hier recht gl�cklich meinen 20. Geburtstag.

Obwohl die Belgier in ihren H�usern gen�gend Platz hatten, wurde unsere
Kompagnie aus falscher R�cksichtnahme in eine gro�e zugige Scheune
gesteckt, durch die w�hrend der kalten M�rzn�chte der rauhe Seewind jener
Gegend pfiff. Sonst war uns der Aufenthalt in Herne eine gute Erholung; es
wurde zwar viel exerziert, doch gab es auch gute Verpflegung und
Lebensmittel f�r geringes Geld.

Die halb aus Flamen, halb aus Wallonen bestehende Bev�lkerung war sehr
freundlich zu uns. Ich unterhielt mich oft mit dem Besitzer eines
Estaminets, einem eifrigen Sozialisten und Freigeist, der mich am
Ostersonntag zum Festmahl einlud und sogar f�r seine Getr�nke kein Geld
nehmen wollte. Man kann sich kaum vorstellen, wie wohltuend eine solche
Begegnung inmitten der rauhen Schule der Feldkameradschaft wirkt.

Gegen Ende unseres Aufenthaltes wurde das Wetter sch�n und lud zu
Spazierg�ngen in der lieblichen, wasserreichen Umgebung ein. Die Landschaft
war malerisch verziert durch die vielen entkleideten Kriegsleute, die, ihre
W�sche auf dem Scho�, l�ngs der pappelums�umten Bachufer eifrig der
L�usejagd oblagen. Von dieser Plage bislang ziemlich verschont geblieben,
war ich indes meinem Kriegskameraden Priepke, einem Hamburger
Exportkaufmann, behilflich, in seine wollene Weste, die bev�lkert war wie
weiland das Habit Simplicii Simplicissimi, zu Desinfektionszwecken einen
schweren Stein zu wickeln und sie in einen Bach zu versenken. Da unser
Aufbruch von Herne sehr pl�tzlich erfolgte, wird sie sich dort wohl noch
heute eines ungest�rten Aufenthalts erfreuen.

Am 12. April 1915 wurden wir in Hal verladen und fuhren, um Spione zu
t�uschen, �ber den Nordfl�gel der Front in die Gegend des Schlachtfeldes
von Mars-la-Tour. Die Kompagnie bezog ihr gewohntes Scheunen-Quartier im
Dorfe Tronville, einem der �blichen langweiligen, aus flachd�chrigen,
fensterlosen Steink�sten zusammengew�rfelten lothringischen Drecknester.
Der Fliegergefahr wegen mu�ten wir uns meist in dem �berf�llten Orte
aufhalten, in dessen N�he die ber�hmten St�tten von Mars-la-Tour und
Gravelotte liegen. Wenige hundert Meter vom Dorfe wurde die Stra�e nach
Gravelotte von der Grenze geschnitten, an der der franz�sische Grenzpfahl
zerschmettert am Boden lag. Abends machten wir uns oft das wehm�tige
Vergn�gen eines Spazierganges nach Deutschland.

Unsere Scheune war so bauf�llig, da� man balancieren mu�te, um nicht durch
die morschen Bretter auf die Tenne zu st�rzen. An einem Abend, als unsere
Gruppe gerade unter Vorsitz ihres biederen Korporals Kerkhoff besch�ftigt
war, auf einer Krippe die Portionen zu teilen, l�ste sich ein ungeheurer
Eichklotz aus dem Geb�lk und st�rzte krachend herunter. Zum Gl�ck klemmte
er sich dicht �ber unseren K�pfen zwischen zwei Lehmw�nden. Wir kamen mit
dem Schrecken davon, aber unsere sch�ne Fleischportion war durch den
aufgewirbelten Schutt ungenie�bar geworden. Kaum hatten wir uns an diesem
omin�sen Abend niedergelegt, als kr�ftig an das Tor gedonnert wurde und die
alarmierende Stimme des Feldwebels uns vom Lager trieb. Zuerst, wie immer
in solchen Augenblicken, ein Moment der Stille, dann wirres Durcheinander
und Gepolter: �Mein Helm! Wo ist mein Brotbeutel? Ich kriege meine Stiefel
nicht an! Du hast meine Patronen geklaut! Hol't Mul, du August!�

Zuletzt war doch alles fertig, und wir marschierten zum Bahnhof von
Chamblay, von wo wir in einigen Minuten mit der Bahn bis Pagny-sur-Moselle
fuhren. In den Morgenstunden erklommen wir die Moselh�hen und, blieben in
Pr�ny, einem romantischen, von einer Burgruine �berragten Bergdorf. Diesmal
war unsere Scheune ein mit aromatischem Bergheu gef�llter Steinbau, aus
dessen Luken wir auf die weinbepflanzten Moselberge und das im Tal gelegene
St�dtchen Pagny blicken konnten, das oft mit Granaten und Fliegerbomben
belegt wurde. Einige Male schlug ein Gescho� in die Mosel, eine turmhohe
Wassers�ule hochschleudernd.

Das warme Wetter und die pr�chtige Landschaft wirkten wahrhaft belebend auf
uns und reizten in den Freistunden zu langen Spazierg�ngen. Wir waren so
�berm�tig, da� wir abends noch einige Zeit ulkten, bevor alles zur Ruhe
kam. Unter anderem war es ein beliebter Scherz, Schnarchern aus einer
Feldflasche Wasser oder Kaffee in den Mund zu gie�en.

Am Abend des 22. April marschierten wir von Pr�ny ab, legten �ber 30
Kilometer bis zum Dorfe Hattonch�tel zur�ck, ohne trotz dem schweren Gep�ck
einen Marschkranken zu haben, und schlugen rechts von der ber�hmten Grande
Tranch�e mitten im Walde Zelte auf. Es war aus allen Anzeichen zu ersehen,
da� wir am n�chsten Tage ins Gefecht kommen w�rden. Wir empfingen
Verbandp�ckchen, zweite Fleischb�chsen und Signalflaggen f�r die
Artillerie.

Am Abend sa� ich noch lange in jener ahnungsvollen Stimmung, von der die
Krieger aller Zeiten zu erz�hlen wissen, auf einem von blauen Anemonen
umwucherten Baumstumpf, ehe ich �ber die Reihen der Kameraden an meinen
Zeltplatz kroch, und tr�umte in der Nacht wirres Zeug zusammen, in dem ein
Totenkopf die Hauptrolle spielte. Priepke, dem ich am Morgen davon
erz�hlte, hoffte, da� es ein Franzosensch�del gewesen sei.




Les Eparges.


Das junge Gr�n des Waldes schimmerte im Morgen. Wir wanden uns durch
versteckte Wege zu einer engen Schlucht hinter der vorderen Linie. Es war
bekanntgegeben, da� das Regiment 76 nach 20minutiger Feuervorbereitung
st�rmen und wir als Reserve bereitstehen sollten. Punkt 12 Uhr er�ffnete
unsere Artillerie eine heftige Kanonade, die vielfach in den Waldschluchten
widerhallte. Zum ersten Male vernahmen wir hier das schwere Wort:
Trommelfeuer. Wir sa�en auf den Tornistern, unt�tig und erregt. Eine
Ordonnanz st�rzte zum Kompagnief�hrer. Hastige Worte. �Die drei ersten
Gr�ben sind in unserer Hand, sechs Gesch�tze erbeutet!� Ein Hurra flammte
auf. Draufg�ngerstimmung erwachte.

Endlich kam der ersehnte Befehl. Wir zogen in langer Reihe nach vorn, von
wo verschwommenes Gewehrfeuer prasselte. Es wurde ernst. Zur Seite des
Waldpfades dr�hnten in einem Tannendickicht dumpfe St��e, Zweige und Erde
rauschten nieder. Ein �ngstlicher warf sich unter erzwungenem Gel�chter der
Kameraden zu Boden. Dann glitt der Mahnruf des Todes durch die Reihen:
�Sanit�ter nach vorn!�

Auf der Grande Tranch�e hasteten Truppen vor. Um Wasser flehende Verwundete
kauerten am Stra�enrand, bahrentragende Gefangene keuchten zur�ck, Protzen
rasselten im Galopp durchs Feuer. Rechts und links stampften Granaten den
weichen Boden, schweres Ge�st brach nieder. Mitten im Wege lag ein totes
Pferd mit riesigen Wunden, daneben dampfende Eingeweide. An einem Baume
lehnte ein b�rtiger Landwehrmann: �Jungens, jetzt feste ran, der Franzmann
ist im Laufen!�

Wir gelangten in das kampfzerw�hlte Reich der Infanterie. Der Umkreis der
Sturmausgangsstellung war von Geschossen kahl geholzt. Im zerrissenen
Zwischenfelde lagen die Opfer des Sturmes, den Kopf feindw�rts; die grauen
R�cke hoben sich kaum vom Boden ab. Eine Riesengestalt, mit rotem,
blutbesudeltem Vollbart starrte zum Himmel, die F�uste in die lockere Erde
gekrallt. Ein junger Mensch w�lzte sich in einem Trichter, die gelbliche
Farbe des Todes auf den Z�gen. Unsere Blicke schienen ihm unangenehm, mit
einer gleichg�ltigen Bewegung zog er sich den Mantel �ber den Kopf und
wurde still.

Wir l�sten uns aus der Marschkolonne. Fortw�hrend zischte es in langem,
scharfem Bogen heran, Blitze wirbelten den Boden der Lichtung hoch.
�Sanit�ter!� Wir hatten den ersten Toten. Dem F�silier S. zerri� eine
Schrapnellkugel die Halsschlagader. Drei Verbandp�ckchen waren im Nu
vollgesogen. Er verblutete in Sekunden. Neben uns protzten zwei Gesch�tze
ab, noch st�rkeres Feuer anziehend. Ein Artillerieleutnant, der im
Vorgel�nde nach Verwundeten suchte, wurde durch eine vor ihm hochfahrende
Dampfs�ule niedergeschleudert. Er erhob sich langsam und kam mit markierter
Ruhe zur�ck. �Eben ziemlichen Torkel entwickelt!� Unsere Augen gl�nzten ihn
an.

Es dunkelte, als wir den Befehl zu weiterem Vorr�cken erhielten. Unser Weg
f�hrte uns durch dichtes, gescho�durchklatschtes Unterholz in einen
endlosen Laufgraben, den fliehende Franzosen mit Gep�ck bestreut hatten. In
der N�he des Dorfes Les Eparges mu�ten wir, ohne Truppen vor uns zu haben,
eine Stellung in festes Gestein hauen. Zuletzt sank ich in einen Busch und
schlief ein.

�Mensch, aufstehen, wir r�cken ab!� Ich erwachte in taufeuchtem Grase.
Durch die sausende Garbe eines Maschinengewehres st�rzten wir in unseren
Laufgraben zur�ck und besetzten eine verlassene franz�sische Stellung am
Waldsaume. Ein s��licher Geruch und ein im Drahtverhau h�ngendes B�ndel
erweckten meine Aufmerksamkeit. Ich sprang im Morgennebel aus dem Graben
und stand vor einer zusammengeschrumpften franz�sischen Leiche.
Fischartiges, verwestes Fleisch leuchtete gr�nlichwei� aus zersetzter
Uniform. Mich umwendend prallte ich entsetzt zur�ck: Neben mir kauerte eine
Gestalt an einem Baum. Leere Augenh�hlen und wenige B�schel Haar auf dem
schwarzbraunen Sch�del verrieten, da� ich es mit keinem Lebenden zu tun
hatte. Ringsumher lagen noch Dutzende von Leichen, verwest, verkalkt, zu
Mumien ged�rrt, in unheimlichem Totentanz erstarrt. Die Franzosen mu�ten
monatelang neben den gefallenen Kameraden ausgehalten haben, ohne sie zu
bestatten.

In den Vormittagsstunden durchbrach die Sonne den Nebel und entsandte eine
behagliche W�rme. Nachdem ich etwas auf der Grabensohle geschlafen hatte,
ging ich durch den vereinsamten, am Vortage erst�rmten Graben, dessen Boden
mit Bergen von Proviant, Munition, Ausr�stungsst�cken, Waffen und Zeitungen
bedeckt war. Die Unterst�nde glichen gepl�nderten Tr�dell�den. Dazwischen
lagen die Leichen tapferer Verteidiger, deren Gewehre noch in den
Schie�scharten steckten. Aus zerschossenem Geb�lk ragte ein eingeklemmter
Rumpf. Kopf und Hals waren abgeschlagen, wei�e Knorpel gl�nzten aus
r�tlich-schwarzem Fleisch. Es wurde mir schwer, zu verstehen. Daneben ein
ganz junger Mensch auf dem R�cken, die glasigen Augen und die F�uste im
Zielen erstarrt. Ein seltsames Gef�hl, in solche toten, fragenden Augen zu
blicken. Ein Schaudern, das ich im Kriege nie ganz verloren habe. Neben ihm
lag seine arme, ausgepl�nderte B�rse.

Mit zunehmender Klarheit verst�rkte sich das Artilleriefeuer und steigerte
sich bald zu w�stem Tanze. Ich kehrte zu meiner Gruppe zur�ck. In immer
k�rzeren Pausen flammte es um uns auf. Wei�es, schwarzes und gelbes Gew�lk
mischte sich. Manchmal erdr�hnten Schl�ge von unheimlicher Brisanz,
dazwischen schwirrten mit eigenartigem Singen die Z�nder. Bald war der Wald
in Brand geschossen, Flammen kletterten knatternd an den B�umen empor. Ich
sa� mit einem Kameraden auf einer in den Lehm der Grabenwand gestochenen
Bank, w�hrend neben uns ein hagerer Rekrut vor Angst an allen Gliedern
schlotterte. Mein Gef�hrte machte sich den grausamen Scherz, heimlich eine
Handvoll aufgeraffter Schrapnellkugeln neben ihn zu schleudern.

Ich beobachtete mit merkw�rdiger Ruhe das Vorgel�nde. �Sie wissen ja gar
nicht, wo du bist. -- Sie k�nnen dich gar nicht sehen, sie schie�en ja ganz
wo anders hin.� Es war der Mut der Unerfahrenheit. Pl�tzlich knallte das
Brett der Schie�scharte, und ein Infanteriegescho� schlug zwischen unseren
K�pfen in den Lehm. In diesem Augenblick tauchte ein Mann an der Ecke
unseres Grabenst�ckes auf: �Nach links folgen!� Wir gaben den Befehl weiter
und schritten die rauchdurchschwelte Stellung entlang. Gerade waren die
Essenholer zur�ckgekommen und Hunderte von verlassenen Kochgeschirren
dampften auf der Brustwehr. Wer mochte jetzt essen? Eine Menge Verwundeter
mit blutdurchtr�nkten Verb�nden pre�te sich an uns vor�ber, die Aufregung
des Kampfes auf den bleichen Gesichtern. Die Ahnung einer schweren Stunde
t�rmte sich vor uns auf. �Vorsicht, Kameraden, mein Arm, mein Arm!� �Los,
los, Mensch, halt Anschlu�!�

Der Graben endete in einem Waldst�ck. Unentschlossen standen wir unter
gewaltigen Buchen. Aus dichtem Unterholz tauchte unser Zugf�hrer, ein
Leutnant, auf und rief dem �ltesten Unteroffizier zu: �Lassen Sie
ausschw�rmen in Richtung auf die untergehende Sonne und Stellung nehmen.
Meldungen erreichen mich im Unterstande an der Lichtung.� Fluchend �bernahm
jener das Kommando.

Der Eindruck, den dieses Verhalten auf die Leute machte, ist mir w�hrend
meiner ganzen F�hrerzeit eine eindringliche Lehre gewesen. Sp�ter lernte
ich diesen Offizier, der sich noch oft auszeichnete, als Kameraden kennen
und erfuhr, da� er dort Wichtiges zu tun gehabt. Gleichviel, der Offizier
darf sich unter keinen Umst�nden in der Gefahr von der Mannschaft trennen.
Die Gefahr ist der vornehmste Augenblick seines Berufes, da gilt es,
gesteigerte M�nnlichkeit zu beweisen. Ehre und Ritterlichkeit erheben ihn
zum Herrn der Stunde. Was ist erhabener, als hundert M�nnern
voranzuschreiten in den Tod? Gefolgschaft wird solcher Pers�nlichkeit nie
versagt, die mutige Tat fliegt wie Rausch durch die Reihen.

Wir schw�rmten aus und legten uns erwartungsvoll in eine Reihe flacher
Mulden, von irgendwelchen Vorg�ngern ausgehoben. Mitten in scherzende
Zurufe schnitt markersch�tterndes Geheul. Zwanzig Meter hinter uns
wirbelten Erdklumpen aus wei�er Wolke und klatschten hoch ins Ge�st.
Vielfach rollte der Schall durch den Wald. Beklommene Augen starrten sich
an, K�rper schmiegten sich in niederdr�ckendem Gef�hl v�lliger Ohnmacht an
den Boden. Schu� folgte auf Schu�. Stickige Gase schwammen im Unterholz,
Qualm verh�llte die Gipfel, B�ume und Zweige st�rzten rauschend zu Boden,
Schreie wurden laut. Wir sprangen hoch und rannten blindlings, von Blitzen
und bet�ubendem Luftdruck gehetzt, von Baum zu Baum, Deckung suchend und
wie gejagtes Wild riesige St�mme umkreisend. Ein Unterstand, in den viele
liefen, erhielt einen Treffer, der den dicken Balkenbelag hochri�.

Ich eilte mit dem Unteroffizier keuchend um eine m�chtige Buche. Pl�tzlich
blitzte es in dem weit ausgreifenden Wurzelwerk, und ein Schlag gegen den
linken Oberschenkel warf mich zu Boden. Ich glaubte, von einem Erdklumpen
getroffen zu sein, doch belehrte mich reichlich str�mendes Blut bald, da�
ich verwundet war. Es zeigte sich sp�ter, da� mir ein haarscharfer Splitter
eine Fleischwunde geschlagen hatte, nachdem seine Wucht durch meine dicke
Leder-Geldtasche abgeschw�cht war.

Ich warf meinen Tornister fort und rannte dem Graben zu, aus dem wir
gekommen waren. Von allen Seiten strebten Verwundete aus dem beschossenen
Geh�lz strahlenf�rmig darauf zu. Der Durchgang war entsetzlich, von
Schwerverwundeten und Sterbenden versperrt. Eine bis zum G�rtel entbl��te
Gestalt mit aufgerissenem R�cken lehnte an der Grabenwand. Ein anderer, dem
ein dreieckiger Lappen vom Hintersch�del herabhing, stie� fortw�hrend
schrille, ersch�tternde Schreie aus. -- Und immer neue Einschl�ge.

Ich will offen gestehen, da� mich meine Nerven restlos im Stiche lie�en.
Nur fort, weiter, weiter! R�cksichtslos rannte ich alles �ber den Haufen.
Ich bin kein Freund des Euphemismus: Nervenzusammenbruch. Ich hatte ganz
einfach Angst, blasse, sinnlose Angst. Ich habe sp�ter noch oft
kopfsch�ttelnd an jene Momente zur�ckgedacht.

In der N�he lag ein mit St�mmen gedeckter Sanit�tsunterstand, in dem ich
die Nacht, eng zusammengedr�ngt mit vielen Verwundeten, verbrachte. Ein
abgespannter Arzt stand mitten im Gew�hl st�hnender Menschen, verband,
machte Einspritzungen und gab mit ruhiger Stimme Ermahnungen. Als ich am
n�chsten Morgen fortgetragen wurde, durchbohrte ein Splitter das Segeltuch
der Tragbahre zwischen meinen Knien.

Ich wurde �ber die immer noch schwer beschossene Grande Tranch�e zum
Hauptverbandplatze und dann in die Kirche des Dorfes St. Maurice
transportiert. Neben mir im stampfenden Lazarettwagen lag ein Mann mit
Bauchschu�, der die Kameraden flehentlich bat, ihn mit der Pistole des
Sanit�ters zu erschie�en. In St. Maurice stand schon ein Lazarettzug unter
Dampf, der uns in zwei Tagen nach Heidelberg bef�rderte. Beim Anblick der
von bl�henden Kirschb�umen bekr�nzten Neckarberge empfand ich ein
eigent�mliches, starkes Heimatgef�hl. Wie sch�n war doch das Land, wohl
wert, daf�r zu bluten und zu sterben.

Die Schlacht von Les Eparges war meine erste. Sie war ganz anders, als ich
gedacht. Ich hatte an einer gro�en Kampfhandlung teilgenommen, ohne einen
Gegner zu Gesicht bekommen zu haben. Erst viel sp�ter erlebte ich den
Zusammenprall, den Gipfelpunkt des modernen Kampfes im Erscheinen des
Infanteristen auf freiem Felde, das f�r entscheidende, m�rderische
Augenblicke die chaotische Leere des Schlachtfeldes unterbricht.




Douchy und Monchy.


Meine Wunde war in vierzehn Tagen geheilt; ich wurde zum Ersatzbataillon
nach Hannover entlassen und meldete mich dort als Fahnenjunker. Nachdem ich
einen Kursus in D�beritz besucht hatte und zum F�hnrich bef�rdert war, fuhr
ich im September 1915 zum Regiment zur�ck.

Ich verlie� mit einer Abteilung Ersatz beim Sitze des Divisionsstabes, dem
Dorfe St. L�ger, den Zug und marschierte nach Douchy, dem Ruheorte des
Regiments. Vorn war die Herbstoffensive im vollen Gange. Die Front hob
sich, eine lange wallende Wolke, aus weitem Gel�nde. �ber uns knatterten
die Maschinengewehre von Luftgeschwadern. Ein Fesselballon schien uns
ersp�ht zu haben, am Dorfeingang sprang der schwarze Kegel einer Granate
vor uns auf. Ich bog ab und f�hrte die Kolonne auf Umwegen in den Ort.

Douchy, das Ruhedorf des F�silier-Regiments 73, war von mittlerer Gr��e und
hatte durch den Krieg noch wenig gelitten. Dieser im wellenf�rmigen Gel�nde
des Artois gelegene Platz wurde dem Regiment w�hrend seines
eineinhalbj�hrigen Stellungskampfes in jener Gegend zur zweiten Garnison,
zu einer St�tte der Erholung und inneren Festigung nach schweren Tagen des
Kampfes und der Arbeit in vorderer Linie. Wie oft atmeten wir auf, wenn uns
durch dunkle Regenn�chte ein einsames Licht vom Dorfeingang
entgegenschimmerte! Man hatte doch wieder ein Dach �ber dem Kopf und sein
einfaches, ungest�rtes Lager. Wie neugeboren war man am ersten Ruhetage,
wenn man gebadet und den Anzug vom Schmutz des Grabens gereinigt hatte. Auf
den umliegenden Wiesen wurde exerziert und Turnspiele veranstaltet, um die
eingerosteten Knochen gelenkig zu machen und das Zusammengeh�rigkeitsgef�hl
der in langen Nachtwachen vereinsamten Leute wieder zu erwecken. Das gab
Spannkraft f�r neue, lastenreiche Tage. In der ersten Zeit marschierten die
Kompagnien abwechselnd in die vordere Linie zu n�chtlicher Schanzarbeit.
Diese anstrengende Doppelbesch�ftigung unterblieb sp�ter auf Anordnung
unseres Oberstleutnants von Oppen. Die Sicherheit einer Stellung beruht auf
der Frische und dem unersch�pften Mut ihrer Verteidiger, nicht auf dem
verschlungenen Bau ihrer Ann�herungswege und der Tiefe der Kampfgr�ben.

In den freien Stunden bot Douchy seinen grauen Bewohnern manche Quelle
ungezwungener Erholung. Zahlreiche Kantinen waren reichlich versehen mit
E�- und Trinkbarem; es gab ein Lesezimmer, eine Kaffeestube und sp�ter
sogar, kunstvoll in eine gro�e Scheune eingebaut, ein Lichtspiel. Die
Offiziere hatten ein vorz�glich eingerichtetes Kasino und eine Kegelbahn im
Garten des Pfarrhauses. Oft wurden gro�e Kompagniefeste gefeiert, bei denen
Offiziere und Mannschaft auf gut altdeutsch im Trinken wetteiferten.

Da die Zivilbev�lkerung noch im Dorfe wohnte, mu�te der vorhandene Raum in
jeder Weise ausgenutzt werden. In den G�rten waren zum Teil Baracken und
Wohnunterst�nde erbaut; ein gro�er Obstgarten in der Mitte des Dorfes war
zum Kirchplatz, ein anderer, der sogenannte Emmich-Platz, zum Lustgarten
umgewandelt. Am Emmich-Platz lagen in zwei mit Baumst�mmen bedeckten
Unterst�nden die Rasierstube und die Zahnstation. Eine gro�e Wiese neben
der Kirche diente als Begr�bnisplatz, zu dem fast t�glich eine Kompagnie
marschierte, um einem oder vielen Kameraden unter den Kl�ngen eines Chorals
das letzte Geleit zu geben.

Die franz�sische Bev�lkerung war am Ausgange nach Monchy kaserniert. Meist
scheue, mitleiderweckende Gestalten, die schwer am Kriege zu tragen hatten.
Ahnungslose Kinder spielten vor den Schwellen der bauf�lligen H�user, und
Greise schlichen gebeugt durch das neue Getriebe, das ihnen mit brutaler
R�cksichtslosigkeit die St�tten entfremdete, an denen sie ihr Leben
verbracht hatten. Die jungen Leute mu�ten jeden Morgen antreten und wurden
vom Ortskommandanten, dem Oberleutnant Oberl�nder, der ein strenges
Regiment f�hrte, zur Bewirtschaftung der Dorfgemarkung eingeteilt. Wir
kamen mit den Einheimischen nur zusammen, wenn wir ihnen unsere W�sche zum
Reinigen brachten oder Butter und Eier einkaufen wollten. Zarte Beziehungen
waren �u�erst selten; die Erotik fand keinen Raum in dem w�sten,
zerr�ttenden Getriebe.

Eine merkw�rdige Erscheinung war der v�llige Anschlu� zweier verwaister
kleiner Franzosen an die Truppe. Die beiden Jungen, von denen der eine
acht, der andere zw�lf Jahre alt sein mochte, waren ganz in feldgrau
gekleidet, sprachen flie�end deutsch und gr��ten alle Vorgesetzten auf der
Stra�e vorschriftsm��ig. Von ihren Landsleuten sprachen sie, wie sie es den
Soldaten abgesehen hatten, nur ver�chtlich als �Schangels�. Ihr gr��ter
Wunsch war, einmal mit ihrer Kompagnie in Stellung gehen zu d�rfen. Sie
konnten tadellos exerzieren, traten bei Appells an den linken Fl�gel und
baten, wenn sie den Kantinengehilfen zum Einkauf nach Cambrai begleiten
wollten, um Urlaub. Als das zweite Bataillon f�r einige Wochen zur
Ausbildung nach Qu�ant kam, sollte der eine, namens Louis, auf Befehl des
Oberstleutnants von Oppen in Douchy zur�ckbleiben, um der Zivilbev�lkerung
keinen Anla� zu unwahren Ger�chten zu geben; er wurde auch w�hrend des
Marsches nicht mehr gesehen, sprang aber bei der Ankunft des Bataillons
ganz vergn�gt aus dem Packwagen, in dem er sich versteckt hatte. Leider
nahmen unvern�nftige Leute die Kleinen �fters mit in die Kantine und
machten sich den schlechten Spa�, ihnen Alkohol zu geben. Der �ltere soll
sp�ter nach Deutschland auf Unteroffiziersschule geschickt worden sein.

Kaum eine Stunde Weges von Douchy entfernt lag Monchy-au-bois, das Dorf, in
dem die beiden Reserve-Kompagnien des Regiments untergebracht waren. Es war
im Herbst 1914 das Ziel erbitterter K�mpfe gewesen, zuletzt war es in
deutscher Hand geblieben und der Kampf im engen Halbkreis um die Tr�mmer
des ehemals reichen Ortes zum Stehen gekommen.

Nun waren die H�user ausgebrannt und zusammengeschossen, die verwilderten
G�rten von Granaten durchfurcht und die Obstb�ume geknickt. Das Steingewirr
war durch Gr�ben, Stacheldraht, Barrikaden und betonierte St�tzpunkte zur
Verteidigung eingerichtet. Die Stra�en konnten von einem im Mittelpunkte
liegenden Betonklotz, der �Feste Torgau�, unter Maschinengewehrfeuer
genommen werden. Ein anderer St�tzpunkt war die �Feste Altenburg�, ein
Feldwerk rechts vom Dorfe, das einen Zug der Reservekompagnie beherbergte.
Sehr wichtig f�r die Verteidigung war ein Bergwerk, dem in Friedenszeiten
der Kreidestein zum Bau der H�user entnommen war, und das wir nur durch
Zufall entdeckt hatten. Ein Kompagniekoch, dem der Wassereimer in einen
Brunnen gefallen war, hatte sich hinuntergelassen und dabei ein sich
h�hlenartig erweiterndes Loch bemerkt. Man untersuchte die Sache, und
nachdem noch ein zweiter Eingang gebrochen war, bot es bombensichere
Unterkunft f�r eine gro�e Zahl von K�mpfern.

Auf der einsamen H�he am Wege nach Ransart lag eine Ruine, ein ehemaliges
Estaminet, wegen des weiten Ausblicks auf die Front Bellevue genannt, ein
Ort, der mich trotz seiner gef�hrlichen Lage besonders anzog. Die
Verlassenheit und das tiefe Schweigen, ab und zu vom dumpfen Ton der
Gesch�tze unterbrochen, verst�rkten den traurigen Eindruck der Zerst�rung.
Zerrissene Tornister, abgebrochene Gewehre, Zeugfetzen, dazwischen in
grausigem Kontrast ein Kinderspielzeug, Granatz�nder, tiefe Trichter der
krepierten Geschosse, Flaschen, Ernteger�te, zerfetzte B�cher,
zerschlagenes Hausger�t, L�cher, deren geheimnisvolles Dunkel einen Keller
verr�t, in dem vielleicht die Gerippe der ungl�cklichen Hansbewohner von
den �beraus gesch�ftigen Rattenschw�rmen benagt werden, ein
Pfirsichb�umchen, das seiner st�tzenden Mauer beraubt ist und hilfesuchend
seine Arme ausstreckt, in den St�llen die noch an der Kette h�ngenden
Skelette der Haustiere, im verw�steten Garten Gr�ber, dazwischen gr�nend,
tief im Unkraut versteckt, Zwiebeln, Wermut, Rhabarber und Narzissen, auf
den benachbarten Feldern Getreidediemen, auf deren D�chern schon die K�rner
wuchern; all das durchzogen von einem halbversch�tteten Laufgraben, umgeben
vom Geruch des Brandes und der Verwesung. Traurige Gedanken beschleichen
den Krieger, dessen Fu� auf den Tr�mmern einer solchen St�tte ruht, wenn er
derer gedenkt, die noch vor kurzem hier friedlich lebten.

Die Kampfstellung verlief, wie schon berichtet, in engem Halbkreis um das
Dorf, mit dem sie durch eine Reihe von Laufgr�ben verbunden war. Sie war in
zwei Unterabschnitte, Monchy-S�d und Monchy-West, geteilt. Diese gliederten
sich wiederum in die sechs Kompagnie-Abschnitte A bis F. Die bogenf�rmige
F�hrung der Stellung bot dem Engl�nder eine gute Flankierungsm�glichkeit,
die auch geh�rig ausgenutzt wurde und uns schwere Verluste brachte.

Ich war der sechsten Kompagnie zugeteilt und r�ckte einige Tage nach meiner
Ankunft als F�hrer einer Gruppe mit in Stellung, wo mir gleich durch einige
englische Kugelminen ein unangenehmer Empfang bereitet wurde. Der Abschnitt
C, in dem die Kompagnie lag, war der exponierteste des Regiments. Wir
hatten indes in unserem Kompagnief�hrer, dem Leutnant d. R. Brecht, der zu
Beginn des Krieges von Amerika her�bergeeilt war, einen Offizier, der zur
Verteidigung eines solchen Platzes der geeignete Mann war. Seine
Draufg�ngernatur suchte die Gefahr und brachte ihm zuletzt einen ruhmvollen
Tod.

Unser Leben im Graben verlief sehr geregelt; ich schildere im folgenden den
Verlauf eines normalen Tages.

Der Sch�tzengrabentag beginnt erst mit hereinbrechender D�mmerung. Um 7 Uhr
weckt mich ein Mann meiner Gruppe aus dem Nachmittagsschlafe, den ich in
Voraussicht der n�chtlichen Wachen getan habe. Ich schnalle um, stecke
Leuchtpistole und Handgranaten ins Koppel und verlasse den mehr oder minder
gem�tlichen Unterstand. Beim ersten Durchschreiten des wohlbekannten
Zugabschnitts �berzeuge ich mich, ob alle Posten an ihren richtigen Pl�tzen
stehen. Mit leiser Stimme wird die Parole ausgetauscht. Inzwischen ist die
Nacht hereingebrochen, und die ersten Leuchtkugeln steigen silbern in die
H�he, w�hrend angestrengte Augen ins Vorgel�nde starren. Eine Ratte
raschelt zwischen den �ber Deckung geworfenen Konservenb�chsen. Eine zweite
gesellt sich pfeifend zu ihr, und bald wimmelt es von huschenden Schatten,
die den Ruinenkellern des Dorfes oder zerschossenen Stollen entstr�men. Die
Jagd auf sie bietet eine beliebte Abwechslung in der �de des
Postendienstes. Ein St�ckchen Brot wird als K�der ausgelegt und das Gewehr
darauf eingerichtet, oder es wird Sprengpulver von Blindg�ngern in ihre
L�cher gestreut und angez�ndet. Quiekend schie�en sie dann mit versengtem
Fell hervor. Es sind widerliche, ekelhafte Gesch�pfe. Ein greulicher Dunst
umwebt ihre schwirrenden Rudel. Ich mu� immer an ihre verborgene,
leichensch�nderische T�tigkeit in den Kellern des Dorfes denken. Auch
einige Katzen sind aus den zerst�rten D�rfern in die Gr�ben gezogen; sie
lieben die N�he der Menschen. Ein gro�er wei�er Kater mit zerschossener
Vorderpfote geistert h�ufig im Niemandslande umher und scheint bei beiden
Parteien zu verkehren.

Doch ich sprach ja vom Grabendienst. Man liebt solche Abschweifungen, man
wird leicht gespr�chig, um die dunkle Nacht und die endlose Zeit zu f�llen.
Deshalb bin ich auch bei einem bekannten Krieger oder einem anderen
Unteroffizier stehen geblieben und lausche mit gespanntem Interesse seinen
tausend Nichtigkeiten. Als F�hnrich werde ich auch �fters von dem
wachthabenden Offizier, der sich ebenso unbehaglich f�hlt, in ein
wohlwollendes Gespr�ch verwickelt. Ja, er wird sogar ganz
kameradschaftlich, redet leise und eifrig, kramt Geheimnisse und W�nsche
aus. Und ich gehe gern darauf ein, denn auch mich dr�cken die schweren,
schwarzen W�lle des Grabens, auch ich bange nach W�rme, nach irgend etwas
Menschlichem in dieser unheimlichen Einsamkeit.

Das Gespr�ch wird matter. Wir sind erm�det. Apathisch lehnen wir an einer
Schulterwehr und starren auf die gl�hende Zigarette des andern . . . .

Bei Frost trampelt man frierend auf und ab, da� die harte Erde von vielen
Tritten erklingt. Sehr oft regnet es, dann steht man traurig mit
hochgeschlagenem Mantelkragen unter den Regend�chern der Stolleneing�nge
und lauscht dem gleichf�rmigen Falle der Tropfen. H�rt man die Schritte
eines Vorgesetzten auf der nassen Grabensohle, so tritt man rasch hervor,
geht weiter, dreht sich pl�tzlich um, schl�gt die Hacken zusammen und
meldet: �Unteroffizier vom Grabendienst. Im Abschnitt nichts Neues!� Denn
das Stehen in den Stolleneing�ngen ist verboten.

Die Gedanken wandern. Man sieht in den Mond und denkt an sch�ne gem�tliche
Tage zu Hause oder an die gro�e Stadt weit dahinten, in der jetzt gerade
die Menschen aus den Kaffees str�men, und viele Bogenlampen das rege,
n�chtliche Treiben des Zentrums bestrahlen. Es scheint, als ob man das nur
irgendwo getr�umt h�tte.

Da raschelt irgend etwas vorm Graben, zwei Dr�hte klirren leise. Im Nu
zerflattern die Tr�ume, alle Sinne sind bis zum Schmerz gesch�rft. Man
klettert auf den Postenstand, schie�t eine Leuchtkugel hoch: nichts r�hrt
sich. Es wird wohl nur ein Hase oder Rebhuhn gewesen sein.

Oft h�rt man den Gegner an seinem Drahtverhau arbeiten. Dann schie�t man
rasch hintereinander dorthin. Nicht nur, weil es befohlen ist, man
empfindet auch eine gewisse Befriedigung dabei. �Jetzt sitzen sie dr�ben
aber in Druck. Vielleicht hast du sogar einen getroffen.� Auch wir ziehen
fast jede Nacht Draht und haben h�ufig Verwundete. Dann fluchen wir auf
diese gemeinen Schweine von Engl�ndern.

Mitunter h�rt man auch ein pfeifendes, flatterndes Ger�usch nach dumpfem
Abschu�. �Achtung, Mitte!� Man st�rzt zum n�chsten Stolleneingang und h�lt
den Atem an. Die Minen krachen ganz anders, viel aufregender als die
Granaten. Sie haben �berhaupt so etwas Rei�endes, Hinterlistiges, etwas von
pers�nlicher Geh�ssigkeit. Es sind heimt�ckische Wesen. Die Gewehrgranaten
sind nicht viel besser. Leuchtet es an bestimmten Stellen des feindlichen
Hinterlandes auf, so springen alle Posten von ihren St�nden und
verschwinden. Sie wissen aus langer Erfahrung ganz genau, wo die Gesch�tze
stehen, die auf den Abschnitt C eingerichtet sind.

Endlich zeigt das Leuchtzifferblatt, da� zwei Stunden verflossen sind. Nun
rasch die Abl�sung geweckt und in den Unterstand. Vielleicht haben die
Essenholer Briefe, Pakete oder eine Zeitung mitgebracht. Man empfindet ein
ganz merkw�rdiges Gef�hl, wenn man die Nachrichten von der Heimat und ihren
friedlichen Sorgen liest, w�hrend die Schatten der flatternden Kerze �ber
das niedrige, rohe Geb�lk huschen. Nachdem ich mir mit einem Holzspan den
gr�bsten Dreck von den Stiefeln gekratzt und an ein Bein des primitiven
Tisches gestrichen habe, lege ich mich auf die Pritsche und ziehe meine
Decke �ber den Kopf, um f�r vier Stunden zu �r�cheln�, wie der Fachausdruck
lautet. Drau�en knallen die Geschosse in eint�niger Wiederholung auf
Deckung, eine Maus huscht �ber Gesicht und H�nde, ohne meinen festen Schlaf
zu st�ren. Auch vor dem niederen Getier habe ich Ruhe, wir haben den
Unterstand erst vor einigen Tagen gr�ndlich desinfiziert.

Noch zweimal werde ich aus dem Schlafe gerissen, um meines Amtes zu walten.
W�hrend der letzten Wache k�ndet ein heller Strich hinter uns am �stlichen
Himmel den neuen Tag. Die Umrisse des Grabens werden sch�rfer; er macht im
grauen Fr�hlicht einen Eindruck uns�glicher �de. Eine Lerche steigt hoch;
ich empfinde ihr Getriller als aufdringlichen Kontrast, es irritiert mich.
An eine Schulterwehr gelehnt, starre ich im Gef�hl einer gro�en
Ern�chterung auf das tote drahtumschlossene Vorfeld. Da� die letzten
zwanzig Minuten auch gar kein Ende nehmen wollen! Endlich klappern die
Kochgeschirre der zur�ckkehrenden Kaffeeholer im Laufgraben: es ist 7 Uhr,
die Nachtwache ist beendet.

Ich gehe in den Unterstand und trinke Kaffee. Das macht mich munter; ich
habe die Lust verloren, mich hinzulegen. Um 9 Uhr mu� ich ja auch schon
wieder meine Gruppe zur Arbeit einteilen und anstellen. Wir sind wahre
Allesk�nner, der Graben stellt t�glich seine tausend Anforderungen an uns.
Wir w�hlen tiefe Stollen, bauen Unterst�nde und Betonkl�tze, bereiten
Drahthindernisse vor, schaffen Entw�sserungsanlagen, verschalen, st�tzen,
nivellieren, erh�hen und schr�gen ab, sch�tten Latrinen zu und so weiter.

Um ein Uhr wird das Mittagessen in gro�en Gef��en, ehemaligen Milchkannen
und Marmeladeeimern, aus der K�che, die in einen Keller Monchys eingebaut
ist, herausgeholt. Nach dem Essen wird etwas geschlafen oder gelesen.
Allm�hlich kommen auch die beiden Stunden heran, die f�r den Grabendienst
des Tages bestimmt sind. Sie verlaufen bedeutend schneller als die der
Nacht. Man beobachtet die wohlbekannte feindliche Stellung durch Glas oder
Scherenfernrohr und kommt auch �fters zum Schu� aus der Fernrohrb�chse
gegen Kopfziele. Aber Vorsicht, auch der Engl�nder hat scharfe Augen und
gute Gl�ser.

Ein Posten st�rzt pl�tzlich blut�berstr�mt zusammen. Kopfschu�. Die
Kameraden rei�en ihm die Verbandp�ckchen vom Rock und verbinden ihn. �Hat
ja keen Zweck mehr, Willem.� �Mensch, hei atmet doch noch!� Dann kommen die
Sanit�ter, um ihn zum Verbandplatz zu tragen. Die Bahre st��t hart gegen
die winkligen Schulterwehren. Kaum ist sie entschwunden, ist alles wieder
beim alten. Einer wirft einige Schaufeln Erde �ber die rote Lache und jeder
geht seiner Besch�ftigung nach. Man ist ja so stumpf geworden. Nur ein
Neuling lehnt noch mit bleichem Gesicht an der Verschalung. Er m�ht sich
noch ab, die Zusammenh�nge zu fassen. Das war ja so pl�tzlich, so furchtbar
�berraschend, ein uns�glich brutaler �berfall. Das kann ja gar nicht
m�glich, nicht Wirklichkeit sein. Armer Kerl, im Hintergrunde lauern auf
dich noch ganz andere Dinge . . .

Oft ist es auch ganz nett. Manche sind mit sportsm��igem Interesse bei der
Sache. Mit einer gewissen Schadenfreude betrachten sie die Einschl�ge der
eigenen Artillerie im feindlichen Graben. �Junge, der sa�.� �Donnerwetter,
sieh mal, wie das spritzt! Armer Tommy!� Gern schie�en sie Gewehrgranaten
und leichte Minen hin�ber, sehr zum Mi�vergn�gen �ngstlicher Gem�ter.
�Mensch, la� doch den Bl�dsinn, wir kriegen gerade Dunst genug!�

Die Stunde des Nachmittagskaffees ist manchmal direkt gem�tlich. Oft mu�
der F�hnrich einem der Kompagnieoffiziere dabei Gesellschaft leisten. Es
geht ganz f�rmlich zu: �Darf ich mir gestatten?� �Danke gehorsamst!� Eine
sch�ne Eigenschaft des preu�ischen Offiziers, diese korrekte
Geschlossenheit in jeder Lage. Sie verleiht auch dem ganz jungen etwas
Festes, Pers�nliches.

Es schimmern sogar zwei Porzellantassen von der Tischdecke aus
Sandsacktuch. Nachher stellt der Bursche eine Flasche und zwei Gl�ser auf
den wackligen Tisch. Das Gespr�ch wird vertraulicher. Merkw�rdigerweise
bildet auch hier der liebe N�chste einen willkommenen Gegenstand der
Unterhaltung. Es hat sich sogar ein �ppiger Grabenklatsch entwickelt, der
bei den Nachmittagsvisiten eifrig gepflegt wird. Bald wie in einer kleinen
Garnison. Vorgesetzte, Kameraden und Untergebene werden einer gr�ndlichen
Kritik unterzogen. Ein neues, interessantes Ger�cht hat im Nu die
Zugf�hrer-Unterst�nde s�mtlicher sechs Kampfabschnitte vom rechten bis zum
linken Fl�gel durchlaufen. Die Beobachtungsoffiziere, die mit Fernrohr und
Skizzen-Mappe die ganze Regimentsstellung abgehen, sind nicht ganz
unschuldig daran.

�Herr Leutnant, darf ich mich verabschieden, ich habe in einer halben
Stunde Dienst!� Drau�en gl�nzen die Lehmw�lle der B�schungen in den letzten
Strahlen der Sonne, der Graben liegt bereits in tiefem Schatten. Bald
steigt die erste Leuchtkugel empor, die Nachtposten ziehen auf, der neue
Tag des Sch�tzengrabensoldaten hat begonnen.




Vom t�glichen Stellungskampf.


So verliefen unsere Tage in anstrengendem Gleichma�, unterbrochen durch die
kurze Ruhezeit in Douchy. Doch auch in Stellung bot sich manche sch�ne
Stunde. Oft sa� ich mit einem Gef�hl behaglicher Geborgenheit am Tische
meines kleinen Unterstandes, dessen rohe, waffenbehangene Bretterw�nde an
Wildwest erinnerten, trank eine Tasse Tee, las und rauchte, w�hrend mein
Bursche an dem winzigen Ofen besch�ftigt war, der den Raum mit dem Geruch
ger�steter Brotscheiben erf�llte. Welcher Grabenk�mpfer kennt diese
Stimmung nicht? Drau�en am Postenstande stapften schwere, gleichm��ige
Schritte, eint�niger Zuruf erscholl, wenn jemand im Graben entlang ging.
Das abgestumpfte Ohr h�rte kaum noch das nie erl�schende Gewehrfeuer, den
kurzen Hieb auf Deckung schlagender Geschosse oder die Leuchtkugel, die
neben der M�ndung des Lichtschachtes verzischte. Dann nahm ich mein
Notizbuch aus der Kartentasche und schrieb in kurzen Worten die Ereignisse
des Tages nieder. So entstand mit der Zeit eine gewissenhafte Chronik des
Abschnitts C, dieses kleinen, winkligen St�ckes der langen Front, in dem
wir zu Hause waren, in dem wir l�ngst jeden verwachsenen Stichgraben, jeden
verfallenen Unterstand kannten. Um uns ruhten in aufget�rmten Lehmw�llen
die Leichen gefallener Kameraden, auf jeder Fu�breite Boden hatte sich ein
Drama abgespielt, hinter jeder Schulterwehr lauerte das Verh�ngnis, Tag und
Nacht, sich wahllos ein Opfer zu greifen. Und doch empfanden wir alle ein
starkes Zugeh�rigkeitsgef�hl zu unserem Abschnitt, waren fest mit ihm
verwachsen. Wir kannten ihn, wenn er sich als schwarzes Band �ber die
verschneite Landschaft zog, wenn die blumige Wildnis ringsum ihn zur
Mittagsstunde mit bet�ubenden Ger�chen durchstr�mte, oder wenn die
spukhafte Bl�sse des Vollmondes seine dunklen Winkel umspann, in denen
pfeifende Rattenscharen ihr geheimnisvolles Wesen trieben. Wir sa�en heiter
an langen Sommerabenden auf seinen Lehmb�nken, wenn die laue Luft
gesch�ftiges Klopfen und heimatliches Lied zum Feinde trug; wir st�rzten
�ber Geb�lk und zerhackten Draht, wenn der Tod mit st�hlerner Keule auf die
Gr�ben loskolbte und tr�ger Qualm aus zerrissenen Lehmw�nden kroch. Oft
wollte uns der Oberst einen ruhigeren Teil der Regimentsstellung anweisen,
jedesmal bat die ganze Kompagnie wie ein Mann, im Abschnitt C bleiben zu
d�rfen. Ich bringe hier einen kurzen Auszug von den Notizen, die ich damals
in den N�chten von Monchy niederschrieb.

7. 10. 1915. Stand in der Morgend�mmerung neben dem Posten meiner Gruppe
auf dem Sch�tzenauftritt bei unserem Unterstande, als ein Gewehrgescho� dem
Mann die Feldm�tze von vorn bis hinten aufri�, ohne ihn zu verletzen. Zur
selben Stunde wurden am Draht zwei Pioniere verwundet. Der eine
Querschl�ger durch beide Beine, der andere Schu� durchs Ohr.

Am Vormittag erhielt der linke Fl�gelposten einen Schu� durch beide
Backenknochen. Das Blut sprudelte in dicken Strahlen aus der Wunde. Zu
allem Ungl�ck kam heute auch noch der Leutnant von Ewald in unseren
Abschnitt, um die nur 50 Meter vom Graben entfernt liegende Sappe N. zu
photographieren. Als er sich umdrehte, um wieder vom Postenstand
herunterzusteigen, zerschmetterte ihm ein Gescho� den Hinterkopf. Er starb
augenblicklich. Ferner bekam ein Mann einen leichten Schulterschu�.

19. 10. Der Abschnitt des mittleren Zuges wurde mit 15-Zentimeter-Granaten
beschossen. Ein Mann wurde vom Luftdruck gegen einen Pfahl der
Grabenverkleidung geschleudert. Er erlitt schwere innere Verletzungen,
au�erdem durchschlug ihm ein Splitter die Armschlagader. Im Morgennebel
entdeckten wir beim Ausbessern unseres Drahtes vorm rechten Fl�gel eine
franz�sische Leiche, die schon Monate alt sein mu�te. -- In der Nacht
wurden beim Drahtziehen zwei unserer Leute verwundet.

30. 10. In der Nacht st�rzten infolge starker Regenschauer s�mtliche
Schulterwehren ein und verbanden sich mit dem Regenwasser zu z�hem Brei,
der den Graben in einen schwer passierbaren Sumpf verwandelte. Der einzige
Trost war, da� es dem Engl�nder auch nicht besser ging, denn man sah, wie
aus seinen Gr�ben eifrig Wasser gesch�pft wurde. Da wir etwas erh�ht
liegen, pumpten wir ihm unseren �berflu� noch herunter. -- Die
herabst�rzenden Grabenw�nde legten eine Reihe von Leichen aus den K�mpfen
des vorigen Herbstes blo�.

21. 11. Ich f�hrte eine Abteilung Schanzer von der �Feste Altenburg� in den
Abschnitt C, von denen der Landsturmmann Diener auf einen Vorsprung der
Grabenwand stieg, um Erde �ber Deckung zu schaufeln. Kaum war er oben, als
ein aus der Sappe abgefeuertes Gescho� quer durch seinen Sch�del schlug und
ihn tot auf die Grabensohle warf. Er war verheiratet und Vater von vier
Kindern. Seine Kameraden lauerten noch lange Zeit hinter den
Schie�scharten, um Blutrache zu nehmen. Sie weinten vor Wut. Es ist
merkw�rdig, wie wenig objektiv sie den Krieg auffassen. Sie schienen in dem
Engl�nder, der das t�dliche Gescho� abgefeuert, einen ganz pers�nlichen
Feind zu sehen. Ich kann es ihnen nachf�hlen.

24. 11. Ein Mann der M. G. K. bekam in unserem Abschnitt einen schweren
Kopfschu�. Einem anderen von unserer Kompagnie wurde eine halbe Stunde
sp�ter durch Infanteriegescho� die Backe aufgerissen.

Am 29. 11. r�ckte unser Bataillon f�r 14 Tage nach dem in der Etappe der
Division gelegenen St�dtchen Q., das sp�ter eine so blutige Ber�hmtheit
erlangen sollte, um dort zu exerzieren und sich der Segnungen des
Hinterlandes zu erfreuen. W�hrend unseres Aufenthaltes dort erfuhr ich
meine Bef�rderung zum Leutnant und wurde in die zweite Kompagnie versetzt,
in der ich viele heitere und ernste Tage verleben sollte.

Wir wurden in Q. und den Nachbarorten �fters von dem Ortskommandanten zu
schwerem Umtrunk geladen und bekamen einen kleinen Einblick in die fast
unumschr�nkte Gewalt, mit der diese Dorff�rsten ihre Untergebenen und die
Einwohner beherrschten. Unser Rittmeister nannte sich K�nig von Q. und
erschien jeden Abend, durch Erheben der rechten H�nde und ein donnerndes:
�Es lebe der K�nig� begr��t, an der Tischrunde, wo er als launige Majest�t
� la Shakespeare bis in den grauenden Morgen regierte, jeden Versto� gegen
die Etikette und seinen �u�erst komplizierten Komment mit einer Bierrunde
bestrafend. Wir Frontleute kamen als Neulinge nat�rlich sehr schlecht dabei
weg. Am n�chsten Tage sah man ihn dann nach dem Mittagessen meist leicht
verschleiert im Dogcart durch seine L�ndereien fahren, um den
Nachbark�nigen bei kr�ftigem Bacchusopfer seine Visite abzustatten und sich
so w�rdig f�r den Abend vorzubereiten. Einmal geriet er in einen Zwist mit
dem K�nige von I. und lie� durch einen berittenen Feldgendarmen Fehde
ansagen. Nach mehreren Kampfhandlungen, w�hrend deren sich sogar zwei
Abteilungen von Pferdeknechten aus kleinen, drahtbefestigten Gr�ben mit
Erdklumpen bewarfen, war der K�nig von I. so unvorsichtig, sich in der
Kantine von Q. an bayrischem Biere g�tlich zu tun und wurde beim Besuche
eines einsamen Ortes �berrascht und gefangengenommen. Er mu�te sich mit
einer gewaltigen Tonne Bieres loskaufen. So endete der Orlog der beiden
Gewaltigen.

Die Einwohner standen unter strenger Disziplin, �bertretungen und Vergehen
wurden vom Ortskommandanten in schneller Justiz mit empfindlichen Geld- und
Freiheitsstrafen geahndet. So sehr ich Anh�nger der logischen Durchf�hrung
des Machtgedankens bin, so zuwider und peinlich waren mir schon damals
seine Ausw�chse, wie die Gru�pflicht jedes Einwohners, auch der Frauen, den
Offizieren gegen�ber. Derartige Anordnungen sind zwecklos, entw�rdigend und
sch�dlich. So wirtschafteten wir aber im ganzen Kriege: schneidig in
Kleinigkeiten, unentschlossen gegen�ber schweren inneren Sch�den.

Am 11. 12. begab ich mich �ber Deckung in die vordere Linie, um mich beim
Leutnant d. R. Wetje, dem F�hrer der zweiten Kompagnie, die auch den
Abschnitt C besetzte, zu melden. Als ich in den Graben springen wollte,
erschrak ich �ber die Ver�nderung, die die Stellung w�hrend unserer
vierzehnt�gigen Abwesenheit erlitten hatte. Sie war zu einer riesigen, mit
meterhohem Schlamm gef�llten Mulde zusammengesackt, in der die Besatzung
ein traurig pl�tscherndes Amphibiendasein f�hrte. Mit Wehmut dachte ich,
schon bis zur H�fte versunken, an den runden Tisch des K�nigs von Q.
zur�ck. Wir armen Frontschweine! Fast alle Unterst�nde waren eingest�rzt
und die Stollen versoffen. Wir mu�ten in den n�chsten Wochen unausgesetzt
arbeiten, um uns nur etwas festen Boden unter die F��e zu bringen.
Vorl�ufig hauste ich mit den Leutnants Wetje und Boje zusammen in einem
Stollen, dessen Decke trotz der darunter geh�ngten Zeltbahn wie eine
Gie�kanne tropfte, und aus dem die Burschen alle halbe Stunden das Wasser
mit Eimern nach oben schaffen mu�ten.

Als ich am anderen Morgen v�llig durchn��t den Stollen verlie�, glaubte ich
meinen Augen nicht trauen zu d�rfen. Das Gel�nde, dem bisher die Einsamkeit
des Todes ihren Stempel aufgedr�ckt, hatte das Aussehen eines Jahrmarktes
angenommen. Die Besatzung beider Gr�ben war von dem furchtbaren Schlamm auf
die Brustwehren getrieben, und schon hatte sich vor den Drahtverhauen ein
lebhafter Verkehr und Austausch von Schnaps, Zigaretten, Uniformkn�pfen
usw. entwickelt. Die Menge khakifarbener Gestalten, die den bisher so �den
englischen Gr�ben entquoll, wirkte direkt verbl�ffend.

Pl�tzlich fiel dr�ben ein Schu�, der einen unserer Leute tot im Schlamm
versinken lie�, worauf beide Parteien maulwurfartig in den Gr�ben
verschwanden. Ich begab mich zu dem Teil unserer Stellung, der der
englischen Sappe gegen�berlag und rief hin�ber, da� ich einen Offizier
sprechen m�chte. Wirklich begaben sich einige Engl�nder zur�ck und brachten
nach kurzer Zeit einen jungen Mann mit, der sich, wie ich durchs Glas
beobachten konnte, von ihnen durch eine zierlichere M�tze unterschied. Wir
verhandelten zun�chst in englischer, dann etwas flie�ender in franz�sischer
Sprache, w�hrend die Leute ringsumher zuh�rten. Ich hielt ihm vor, da�
einer unserer Leute durch einen hinterlistigen Schu� get�tet w�re, worauf
er antwortete, da� das nicht seine, sondern die Nachbarkompagnie getan
h�tte. �Il y a des cochons aussi chez vous!� meinte er, als einige aus
unseren Nebenabschnitt abgefeuerte Geschosse in der N�he seines Kopfes
einschlugen, worauf ich mich vorbereitete, sofort volle Deckung zu nehmen.
Wir erz�hlten uns indes noch viel in einer Weise, die, ich m�chte fast
sagen, eine sportsm�nnische Achtung ausdr�ckte, und h�tten am Schlu� zum
Andenken gern ein Geschenk ausgetauscht.

Es ist im Kriege immer mein Ideal gewesen, den Gegner unter Ausschaltung
jedes Ha�gef�hls nur im Kampfe als solchen zu betrachten und ihn als Mann
seinem Mute entsprechend zu werten. Ich habe gerade in diesem Punkte unter
den englischen Offizieren viele verwandte Naturen kennengelernt.

Um wieder klare Verh�ltnisse zu bekommen, erkl�rten wir uns feierlich den
Krieg binnen drei Minuten nach Abbruch der Verhandlungen, und nach einem
�Guten Abend� seinerseits und einem �Au revoir!� meinerseits gab ich trotz
des Bedauerns meiner Leute einen Schu� gegen sein Schutzschild ab, von dem
dr�ben sofort einer folgte, der mir fast das Gewehr aus der Hand geschlagen
h�tte.

Zum ersten Mal konnte ich bei dieser Gelegenheit das Zwischenfeld vor der
Sappe �bersehen, da man sonst an dieser gef�hrlichen Stelle nicht einmal
seinen M�tzenrand zeigen durfte. Ich machte dabei die Beobachtung, da�
dicht vor unserem Draht ein franz�sischen Skelett lag, dessen wei�e Knochen
aus blauen Uniformfetzen schimmerten.

Kurz nach dieser Unterredung gab unsere Artillerie einige Sch�sse auf die
feindliche Stellung ab, worauf vor unseren Augen vier Bahren �ber das freie
Feld getragen wurden, ohne da� von unserer Seite ein Schu� darauf abgegeben
wurde. An den englischen M�tzenschildern stellten wir an diesem Tage fest,
da� uns das Regiment Hindostan-Leicestershire gegen�berlag.

Die Witterung wurde gegen Weihnachten immer trostloser; wir mu�ten Pumpen
im Graben aufstellen, um des Wassers einigerma�en Herr zu werden. Den
Christabend verbrachten wir in Stellung. Die Leute stimmten, im Schlamm
stehend, Weihnachtslieder an, die jedoch von den Engl�ndern mit M. G.'s
�bert�nt wurden. Am Weihnachtstage verloren wir einen Mann des dritten
Zuges durch Querschl�ger in den Kopf. Gleich darauf versuchten die
Engl�nder eine freundschaftliche Ann�herung, indem sie einen Christbaum auf
ihre Brustwehr stellten, der jedoch von unseren erbitterten Leuten mit
einigen Sch�ssen heruntergefegt wurde, was sie wiederum mit Gewehrgranaten
beantworteten. So verlief unser Weihnachtsfest recht ungem�tlich.

Am 28. 12. war ich Kommandant der �Feste Altenburg�. Es wurde an diesem
Tage einem meiner besten Leute durch Granatsplitter ein Arm abgerissen. Ein
anderer wurde von einer der vielen verirrten Kugeln, die unser in einer
Senke liegendes Erdwerk umschwirrten, am Oberschenkel schwer verwundet.
Auch mein getreuer August Kettler fiel auf dem Wege nach Monchy, von wo er
mein Essen holen wollte, als erster meiner vielen Burschen, einem
Schrapnellschu� zum Opfer, der ihn mit durchschlagener Luftr�hre zu Boden
streckte.

Auch der Januar war ein Monat anstrengendster Arbeit. Jede Gruppe entfernte
mit Schaufeln, Eimern und Pumpen zun�chst den Schlamm in der unmittelbaren
N�he ihres Unterstandes und suchte dann, nachdem sie sich festen Boden
unter den F��en geschaffen hatte, Verbindung mit den Nachbargruppen
herzustellen. Im Walde von Adinfer, dem Standorte unserer Artillerie, waren
Holzf�ller-Kommandos besch�ftigt, junge B�ume der �ste zu entkleiden und in
lange Scheite zu spalten. Die Grabenw�nde wurden abgeschr�gt und vollkommen
mit diesem Material verkleidet. Auch wurden zahlreiche Wasserl�cher,
Sickersch�chte und Abfl�sse gebaut, so da� wir allm�hlich wieder
ertr�gliche Lebensverh�ltnisse bekamen.

Am 28. 1. 1916 wurde ein Mann meines Zuges durch Splitter eines an seinem
Schutzschild zerschellenden Geschosses in den Leib getroffen. Am 30. bekam
ein anderer eine Kugel in den Oberschenkel. Als wir am 1. 2. abgel�st
wurden, lag gerade ein lebhaftes Feuer auf den Ann�herungswegen. Ein
Schrapnell fuhr direkt vor die F��e meines ehemaligen Putzers von der 6.
Kompagnie, des F�siliers Junge, explodierte aber nicht, sondern brannte
aus, so da� er mit schweren Verbrennungen fortgetragen werden mu�te.

In diesen Tagen wurde auch ein Unteroffizier der 6. Kompagnie, den ich gut
kannte, und dessen Bruder vor einigen Tagen gefallen war, durch eine
Kugelmine, die er gefunden hatte, t�dlich verletzt. Er hatte den Z�nder
abgeschraubt und steckte, da er bemerkt hatte, da� das Pulver glatt
abbrannte, eine glimmende Zigarette in die �ffnung. Die Mine explodierte
nat�rlich und brachte ihm �ber 50 Wunden bei. Auf diese und �hnliche Weise
hatten wir alle Augenblicke Verluste durch den Leichtsinn, den der st�ndige
Umgang mit Sprengstoffen mit sich brachte. Ein unbehaglicher Nachbar in
dieser Beziehung war der Leutnant Pook, der einen einsamen Unterstand im
verwickelten Grabengewirre hinter dem linken Fl�gel bewohnte. Er hatte dort
eine Anzahl riesiger Blindg�nger zusammengeschleppt und besch�ftigte sich
damit, die Z�nder abzuschrauben und zu untersuchen. Ich schlug jedesmal
einen gro�en Kreis um diese unheimliche Behausung, wenn mich mein Weg daran
vor�berf�hrte.

In der Nacht vom 3. 2. waren wir nach einer anstrengenden Stellungsperiode
wieder in Douchy angekommen. Ich sa� am n�chsten Morgen so recht in der
Stimmung des ersten Ruhetages in meinem Quartier am Emmichs-Platz und trank
behaglich Kaffee, als pl�tzlich ein Unget�m von Granate, der Auftakt zu
einer schweren Ortsbeschie�ung, dicht vor meiner T�r krepierte und mir die
Fenster ins Zimmer warf. In drei S�tzen war ich im Keller, den auch die
anderen Hausbewohner schon mit erstaunlicher Geschwindigkeit aufgesucht
hatten, um dort das Bild einer kl�glichen Gruppe zu bieten. Da der Keller
halb �ber dem Boden gebaut und nur durch eine d�nne Mauer vom Garten
getrennt war, dr�ngte sich alles in einem kurzen, engen Stollenhals
zusammen. Zwischen den zusammengepre�ten K�rpern zw�ngte sich winselnd mein
Sch�ferhund mit dem Instinkt des Tieres in die finsterste Ecke. Weit in der
Ferne h�rte man in regelm��igen Abst�nden eine Reihe matter Absch�sse,
denen nach einigen Sekunden das pfeifende Heranheulen der schweren
Eisenkl�tze folgte, das rings um unser H�uschen in krachenden Explosionen
endete. Jedesmal fuhr ein unangenehmer Luftdruck durch die Kellerfenster,
Erdklumpen und Splitter prasselten auf das Ziegeldach, w�hrend in den
St�llen die aufgeregten Pferde schnaubten und b�umten. Dazu winselte der
Hund, und ein dicker Musiker schrie bei jedem Heranpfeifen laut auf, als ob
ihm ein Zahn gezogen werden sollte.

Endlich war das Unwetter vor�ber, und wir konnten uns wieder in die frische
Luft begeben. Die verw�stete Dorfstra�e war belebt wie ein beunruhigter
Ameisenhaufen. Mein Quartier sah b�se aus. Dicht neben der Mauer des
Kellers war die Erde an verschiedenen Stellen aufgerissen, Obstb�ume waren
umgeknickt, und mitten im Torweg lag h�hnisch ein langer Blindg�nger. Das
Dach war arg durchl�chert. Ein gro�er Splitter hatte den halben Schornstein
mitgenommen. In der nebenan liegenden Kompagnie-Schreibstube hatten einige
handliche Splitter die W�nde und den gro�en Kleiderschrank durchbohrt und
fast s�mtliche dort verwahrten Offiziersuniformen zerfetzt, zum gro�en
�rger der Betroffenen, zu denen ich �brigens nicht geh�rte.

Am 8. 2. bekam der Abschnitt C starkes Feuer. Schon am fr�hen Morgen scho�
die eigene Artillerie einen Blindg�nger in den Unterstand meiner rechten
Fl�gelgruppe, der zur unangenehmen �berraschung der Insassen die T�r
eindr�ckte und den Ofen umwarf. Ein Witzbold zeichnete sp�ter eine
Karikatur, auf der sich acht Mann zugleich �ber den qualmenden Ofen durch
die zerschmetterte T�r pressen, w�hrend der Blindg�nger aus einer Ecke
b�sartig blinzelt. Ferner wurden uns am Nachmittag noch drei Unterst�nde
zusammengeschossen, gl�cklicherweise dabei aber nur ein Mann leicht am Knie
verwundet, da sich alles bis auf die Posten in die Stollen zur�ckgezogen
hatte. Am folgenden Tage wurde ein Mann meines Zuges durch die
Flankierungsbatterie t�dlich in die Seite getroffen. Am 25. 2. wurden wir
durch einen Todesfall, der uns einen vortrefflichen Menschen und beliebten
Kameraden entri�, besonders ergriffen. Kurz vor der Abl�sung bekam ich in
meinem Unterstand die Meldung, da� soeben der Kriegsfreiwillige K. im
Stollen nebenan gefallen w�re. Ich begab mich dorthin und fand, wie schon
so oft, eine ernste Gruppe um die regungslose Gestalt stehend, die mit
verkrampften H�nden auf blutgetr�nktem Schnee lag, mit gl�sernen Augen gen
Himmel starrend. Wieder ein Opfer der Flankierungsbatterie! K. war bei den
ersten Sch�ssen im Graben gewesen und sogleich in den Stollen gesprungen.
Ein gro�er Splitter einer auf die dem Eingang gegen�berliegende Grabenwand
schlagenden Granate sauste in den Stollenhals und traf ihn am Hinterkopf,
als er sich bereits in Sicherheit w�hnte. Er starb einen schnellen,
unvermuteten Tod.

Die Flankierungsbatterie war in diesen Tagen �berhaupt sehr rege. Ungef�hr
st�ndlich gab sie eine einzige, �berraschende Salve ab, deren Sprengst�cke
genau den Graben abfegten. In den sechs Tagen vom 3. 2. bis 8. 2. kostete
sie uns 3 Tote, 3 Schwer- und 4 Leichtverwundete. Trotzdem sie h�chstens
1500 Meter von uns entfernt an einem Bergabhang in unserer linken Flanke
stehen mu�te, war es unserer Artillerie unm�glich, sie zum Schweigen zu
bringen. Unser einziges Mittel, ihre Wirksamkeit zu vermindern, bestand in
der Vermehrung und Erh�hung unserer Schulterwehren, um ihre Reichweite auf
kleine Grabenst�cke zu beschr�nken.

Anfang M�rz hatten wir den gr�bsten Dreck hinter uns. Das Wetter wurde
trocken, und der Graben war sauber verschalt, so da� wir h�ufiger ein paar
gem�tliche Freistunden hatten. Jeden Abend sa� ich im Unterstande vor
meinem kleinen Schreibtisch und las oder plauderte, wenn ich Besuch
bekommen hatte. Wir waren mit dem Kompagnief�hrer 4 Offiziere und f�hrten
ein sehr kameradschaftliches Zusammensein. Jeden Tag tranken wir im
Unterstande des einen oder des anderen Kaffee oder sa�en zu Abend, oft bei
einer oder mehreren Flaschen, rauchten, spielten Karten und f�hrten eine
landsknechtsm��ige Unterhaltung. Diese gem�tlichen Unterstandsstunden
wiegen in der Erinnerung manchen Tag voll Blut, Schmutz und Arbeit auf. Sie
waren auch nur in dieser langen und verh�ltnism��ig ruhigen
Stellungsperiode m�glich, wo wir uns fest ineinander eingelebt und beinahe
friedensm��ige Gewohnheiten angenommen hatten. Unser Hauptstolz war unsere
Baut�tigkeit, in die uns von hinten sehr wenig hineinregiert wurde. In
rastloser Arbeit wurde ein 30stufiger Stollen neben dem andern in den
lehmigen Kreideboden getrieben und durch Quergalerien verbunden, so da� wir
bequem sechs Meter unter der Erde vom rechten zum linken Fl�gel unserer
Z�ge gelangen konnten. Mein Lieblingswerk war ein 60 Meter langer
Stollengang von mir zum Kompagnief�hrer-Unterstand, der rechts und links
mit Munitionskammern und Wohnr�umen versehen war. Diese Anlage war w�hrend
der sp�teren K�mpfe von hohem Wert.

Wenn wir uns nach dem Morgenkaffee (man bekam sogar fast regelm��ig die
Zeitung nach oben), frisch gewaschen, mit dem Zollstock in der Hand im
Graben begegneten, verglichen wir die Fortschritte unserer Abschnitte,
w�hrend sich das Gespr�ch um Stollenrahmen, Musterunterst�nde,
Arbeitszeiten und �hnliche Sachen drehte. Ich empfand abends, wenn ich mich
auf meine Pritsche legte, immer ein angenehmes Gef�hl in dem Bewu�tsein,
den Erwartungen der Heimat an meinem Platze entsprochen zu haben, indem ich
mit aller Energie f�r die Verteidigung meiner 200 Meter Sch�tzengraben und
f�r das Wohl meiner 60 Mann gesorgt hatte.

Am 14. 3. schlug der Volltreffer einer 15-Zentimeter-Granate in unseren
rechten Nachbarabschnitt, t�tete drei Mann und verwundete drei andere
schwer. -- Am 18. erhielt der Posten vor meinem Unterstande einen
Granatsplitter, der ihm die Backe aufri� und einen Ohrzipfel abschlug. --
Am 19. wurde ein Mann am linken Fl�gel durch Kopfschu� schwer verwundet. --
Am 23. fiel rechts neben meinem Unterstande der F�silier L. durch
Kopfschu�. Am selben Abend meldete mir ein Posten, da� eine feindliche
Patrouille im Drahtverhau steckte. Ich verlie� mit einigen Leuten den
Graben, konnte jedoch nichts feststellen.

Am 7. 4. Wurde am rechten Fl�gel ein Mann durch Gewehrgescho�splitter am
Kopfe verwundet. Diese Art von Verwundungen war bei uns infolge der beim
geringsten Aufprall zerschellenden englischen Munition sehr h�ufig. Am
Nachmittag wurde die Umgebung meines Unterstandes stundenlang mit schweren
Granaten beworfen. Mein Lichtschachtfenster wurde zum x-ten Male
zersplittert, und bei jeder Detonation flog ein Hagel von hartem Lehm durch
die �ffnung, ohne uns indes beim Kaffeetrinken st�ren zu k�nnen.

Nachher hatten wir ein f�rmliches Duell mit einem tollk�hnen Engl�nder,
dessen Kopf �ber den Rand eines h�chstens 100 Meter entfernten Grabens
schaute, und der eine Reihe haarscharf gezielter Sch�sse auf unsere
Schie�scharten abgab. Ich erwiderte das Feuer mit einigen Leuten, doch
schlug sofort eine famos gezielte Kugel auf den Rand unserer Scharte, die
uns die Augen voll Sand spritzte und mich durch einen kleinen Splitter
unbedeutend am Hals verwundete. Wir lie�en jedoch nicht locker, indem wir
auftauchten, kurz zielten und wieder verschwanden. Gleich darauf platzte
ein Gescho� am Gewehre des F�siliers Storch, dessen Gesicht durch
mindestens zehn Splitter getroffen, an allen Stellen blutete. Der n�chste
Schu� ri� ein St�ck aus dem Rand unserer Schie�scharte; ein weiterer
zerschmetterte den Spiegel, mit dem wir beobachteten, doch hatten wir die
Genugtuung, da� unser Gegner nach einigen genau auf der Lehmbank vor seinem
Gesicht aufgeschlagenen Geschossen spurlos verschwand. Gleich darauf scho�
ich mit drei Schu� K-Munition das Schutzschild, hinter dem dieser rabiate
Bursche immer wieder aufgetaucht war, �ber den Haufen.

Am 9. 4. flogen zwei englische Flieger wiederholt dicht �ber unsere
Stellung. Die ganze Grabenbesatzung st�rzte aus den Unterst�nden und
er�ffnete ein rasendes Feuer. Ich sagte gerade zu dem neben mir stehenden
Leutnant Sievers: �Wenn nur die Flankierungsbatterie nicht aufmerksam
wird!� als uns auch schon die eisernen Fetzen um die Ohren flogen, und wir
in den n�chsten Stollen sprangen. Sievers stand vorm Eingange, ich riet
ihm, weiter hineinzukommen und klatsch! sa� ein handbreiter, noch
dampfender Splitter vor seinen F��en. Gleich darauf bekamen wir noch
etliche Schrapnellminen, die �ber unseren K�pfen krepierten. Ein Mann wurde
durch einen nadelkopfgro�en Splitter auf die Achsel getroffen, der trotz
seiner Kleinheit ziemlich schmerzhaft war. Ich antwortete mit einigen
Wurfminen, denn es war stillschweigende �bereinkunft der Infanterie, sich
auf das Gewehr zu beschr�nken. Die Anwendung von Sprengstoffen wurde unter
allen Umst�nden im Verh�ltnis von mindestens 2:1 erwidert. Leider hatte der
Gegner meist so reichliche Munition, da� uns zuerst der Atem ausging.

Auf diesen Schrecken tranken wir in Sievers' Unterstande einige Flaschen
Rotwein, die mich unversehens so in Stimmung brachten, da� ich trotz hellen
Mondscheins �ber Deckung zu meinem Domizil zur�ckspazierte. Bald verlor ich
die Richtung, geriet in einen riesigen Minentrichter und h�rte im nahen
feindlichen Graben die Engl�nder arbeiten. Nachdem ich durch zwei
Handgranaten sehr ruhest�rend gewirkt hatte, zog ich mich eiligst in
unseren Graben zur�ck, wobei ich noch in den aufgerichteten Stachel einer
unserer sch�nen, aus vier gesch�rften Eisenspitzen bestehenden Fu�angeln
st�rzte. Es herrschte in diesen Tagen �berhaupt lebhafte T�tigkeit vorm
Draht, die zuweilen eines gewissen blutigen Humors nicht entbehrte. So
wurde einer unserer Patrouilleng�nger von eigenen Leuten angeschossen, weil
er stotterte und den Paroleruf nicht schnell genug herausbringen konnte.
Ein anderes Mal stieg einer, der in Monchy bei der K�che die Mitternacht
gefeiert hatte, �ber das Hindernis und er�ffnete ein selbst�ndiges
Sch�tzenfeuer gegen den eigenen Graben. Er wurde, nachdem er sich
verschossen hatte, hereingezogen und geh�rig verpr�gelt.




Der Auftakt zur Somme-Offensive.


Mitte April 1916 wurde ich nach Croisilles, einem St�dtchen hinter der
Divisionsfront, zu einem Offizier-Ausbildungskursus kommandiert, der unter
pers�nlicher Leitung des Divisions-Kommandeurs, Generalmajor Sontag, stand.
Es wurde theoretischer und praktischer Unterricht in einer ganzen Reihe von
milit�rischen F�chern erteilt. Besonders fesselnd waren die taktischen
Ausritte unter dem Major von Jarotzky. H�ufige Ausfl�ge und Besichtigungen
der meist aus dem Boden gestampften Einrichtungen des Hinterlandes gaben
uns, die wir gewohnt waren, alles �ber die Achsel anzusehen, was sich
hinter dem ersten Graben befand, einen Begriff von der unerme�lichen
Arbeit, die im R�cken der k�mpfenden Truppe geleistet wurde. So besuchten
wir die Schlachterei, das Proviantdepot und die Gesch�tzreparaturstelle in
Boyelles, die S�gem�hle und den Pionierpark im Walde von Bourlon, die
Molkerei, die Schweinez�chterei und die Kadaververwertungsstelle in Inchy,
den Flugpark und die B�ckerei in Qu�ant. Sonntags fuhren wir in die
naheliegenden St�dte Cambrai, Douai und Valenciennes, �um wieder mal Frauen
mit H�ten zu sehen�. -- Am 16. 6. wurden wir vom General wieder zur Truppe
entlassen mit einer kleinen Ansprache, aus der wir entnahmen, da� sich eine
gro�e feindliche Offensive an der Westfront vorbereitete, deren linker
Fl�gel ungef�hr unserer Stellung gegen�berliegen sollte.

Da� etwas in der Luft liegen mu�te, wurde uns auch nach der R�ckkehr zum
Regiment klar, denn die Kameraden erz�hlten von der zunehmenden Unruhe des
Gegners. Die Engl�nder hatten zweimal, allerdings ohne Erfolg, eine
Gewaltpatrouille gegen den Abschnitt C unternommen. Wir hatten uns durch
einen schwer vorbereiteten Angriff von drei Offizierspatrouillen auf das
sogen. Grabendreieck ger�cht und dabei eine ganze Anzahl von Gefangenen
gemacht. W�hrend meiner Abwesenheit war Leutnant Wetje durch eine
Schrapnellkugel am Arme verwundet, �bernahm jedoch bald nach meiner Ankunft
wieder die F�hrung der Kompagnie. Mein Unterstand hatte sich inzwischen
auch ver�ndert, er war durch einen Treffer um die H�lfte kleiner geworden.

Am 20. 6. bekam ich den Auftrag, vorm feindlichen Graben zu lauschen, ob
der Gegner mit Minierarbeiten besch�ftigt w�re und kletterte mit dem
F�hnrich Wohlgemut, dem Gefreiten Schmidt und dem F�silier Parthenfelder um
11.30 �ber unser eigenes, ziemlich hohes Drahtverhau. Wir gingen die erste
Strecke geb�ckt vor und krochen dann nebeneinander �ber das dicht
bewucherte Vorfeld weiter. Tertianer-Erinnerungen aus Karl May kamen mir
ins Ged�chtnis, als ich so auf dem Bauche durch betautes Gras und
Distelgestr�pp rutschte, �ngstlich bem�ht, jedes Rascheln zu vermeiden, da
sich 50 Meter vor uns der englische Graben als schwarzer Strich aus dem
Halbdunkel hob. Die Garbe eines entfernten Maschinengewehres klatschte fast
senkrecht um uns nieder; ab und zu fuhr eine Leuchtkugel hoch und warf ihr
kaltes Licht auf den unwirtlichen Flecken Erde.

Einmal ert�nte hinter uns lebhaftes Rascheln, zwei Schatten huschten
zwischen den Gr�ben dahin. W�hrend wir uns bereitmachten, auf sie
loszust�rzen, waren sie schon spurlos verschwunden. Gleich darauf verriet
der Donner von zwei Handgranaten im englischen Graben, da� eigene Leute
unseren Weg gekreuzt hatten. Langsam krochen wir weiter vor.

Pl�tzlich krampfte sich die Hand des F�hnrichs um meinen Arm: �Achtung
rechts, ganz nahe, leise, leise!� Gleich darauf h�rte ich zehn Meter rechts
von uns vielfaches Rauschen im Grase. Mit der blitzschnellen, logischen
Sch�rfe, die man in solchen Situationen entwickelt, �bersah ich die Lage.
Wir waren die ganze Zeit am englischen Draht entlang gekrochen, der Feind
hatte uns geh�rt und kam nun aus seinem Graben, um das Vorgel�nde zu
untersuchen.

Unverge�lich sind solche Augenblicke auf n�chtlicher Schleiche. Auge und
Ohr sind bis zum �u�ersten gespannt, das n�her kommende Rauschen der
fremden F��e im hohen Grase nimmt eine merkw�rdige, unheildrohende St�rke
an, -- es f�llt einen fast ganz aus. Der Atem geht sto�weise; man mu� sich
zwingen, sein keuchendes Wehen zu d�mpfen. Mit kleinem, metallischem Knacks
springt die Sicherung der Pistole zur�ck; ein Ton, der wie ein Messer durch
die Nerven geht. Die Z�hne knirschen auf der Z�ndschnur der Handgranate.
Der Zusammenprall mu� kurz und m�rderisch werden. Man zittert unter zwei
gewaltigen Sensationen: der gesteigerten Aufregung des J�gers und der Angst
des Wildes. Man ist eine Welt f�r sich, vollgesogen von der dunklen,
entsetzlichen Stimmung, die �ber dem w�sten Gel�nde lastet.

Eine Reihe verschwommener Gestalten tauchte dicht neben uns auf, Fl�stern
wehte her�ber. Wir wandten ihnen den Kopf zu; ich h�rte, wie der Bayer
Parthenfelder auf die Klinge seines Dolches bi�.

Sie kamen noch einige Schritte auf uns zu, fingen dann aber an, am Draht zu
arbeiten, ohne uns bemerkt zu haben. Wir krochen ganz langsam, sie immer im
Auge behaltend, zur�ck. Der Tod, der schon in ragender Erwartung zwischen
den Parteien gestanden hatte, entglitt mi�mutig. Nach einiger Zeit erhoben
wir uns und gingen aufrecht weiter, bis wir wohlbehalten in unserem
Abschnitt angekommen waren.

Der gute Ausgang dieses Ausfluges begeisterte uns zu dem Gedanken, einen
Gefangenen zu machen, und wir beschlossen, am n�chsten Abend wieder
loszugehen. Am Nachmittage hatte ich mich deshalb gerade zur Ruhe gelegt,
als ich durch einen donnerartigen Krach in der N�he meines Unterstandes
hochgeschreckt wurde. Die Engl�nder schickten Kugelminen her�ber, die trotz
dem geringen Abschu�ger�usch von solcher Schwere waren, da� ihre Splitter
die baumdicken Verschalungspf�hle glatt abschlugen. Fluchend kletterte ich
von meinem �coucher� und begab mich in den Graben, um, wenn ich dr�ben
wieder einen der schwarzen Stielb�lle seine bogenf�rmige Laufbahn antreten
sah, mit dem Geschrei: �Mine links� zum n�chsten Stollen zu sausen. Mit
Minen aller Gr��en und Arten wurden wir in den n�chsten Wochen so ausgiebig
versorgt, da� es uns Gewohnheit wurde, bei unseren G�ngen durch den Graben
immer ein Auge in die Luft, das andere nach dem n�chsten Stolleneingang zu
richten.

In der Nacht schlich ich also wieder mit drei Begleitern zwischen den
Gr�ben herum. Wir robbten uns auf den Fu�spitzen und Ellenbogen bis dicht
vor das englische Hindernis und verbargen uns dort hinter einzelstehenden
Grasb�scheln. Nach einiger Zeit erschienen mehrere Engl�nder, die eine
Rolle Draht schleppten. Sie blieben dicht vor uns stehen, setzten die Rolle
ab, knipsten mit einer Drahtschere daran herum und unterhielten sich
fl�sternd. Wir schl�ngelten uns aneinander heran und f�hrten im Hauchton
eine hastige Unterhaltung: �Jetzt 'ne Handgranate dazwischen und dann auf
ihn!� �Mensch, das sind vier Mann!� �Hei hett de B�x all wedder gestrichen
vull!� �Quatsch doch nich!� �Leise, leise!� Meine Warnung kam zu sp�t; als
ich hochsah, krochen die Engl�nder gerade wie die Eidechsen unter ihren
Draht und verschwanden im Graben. Nun wurde die Stimmung doch etwas schw�l.
Der Gedanke: �Gleich bringen sie ein M. G. in Stellung� verursachte mir
einen faden Geschmack im Munde. Auch die anderen hegten �hnliche
Bef�rchtungen. Wir rutschten unter gro�em Waffengerassel auf dem Bauche
nach r�ckw�rts. Im englischen Graben wurde es lebhaft. Getrappel,
Gefl�ster, Hin- und Herlaufen. Pschschscht . . . eine Leuchtkugel.
Ringsumher wurde es taghell, w�hrend wir uns bem�hten, unsere K�pfe in
Grasb�scheln zu verstecken. Noch eine Leuchtkugel. Peinliche Momente. Man
m�chte in die Erde verschwinden und lieber an jedem anderen Orte sein, als
zehn Meter vorm feindlichen Graben. Noch eine. Peng! Peng! Der
unverkennbare scharfe, bet�ubende Knall einiger aus n�chster Entfernung
abgefeuerter Gewehrsch�sse. Oha! Wir sind entdeckt!

Wir schrien uns ohne weitere R�cksicht unsere Absicht, wegzulaufen, zu,
sprangen auf und rasten in dem nun losprasselnden Feuer auf unsere Stellung
zu. Nach einigen S�tzen stolperte ich und schlug in einen kleinen, ganz
flachen Granattrichter, w�hrend die drei anderen, mich f�r erledigt
haltend, an mir vorbeihetzten. Ich pre�te mich fest an den Boden, zog Kopf
und Beine ein und lie� die Geschosse durch das hohe Gras �ber mich
hinwegfegen. Ebenso unangenehm waren mir die gl�henden Magnesiumklumpen der
herabfallenden Leuchtkugeln, die zum Teil dicht neben mir abbrannten.
Allm�hlich wurde das Schie�en schw�cher, und nach einer weiteren
Viertelstunde verlie� ich zun�chst langsam, dann so schnell mich F��e und
H�nde tragen wollten, meinen Zufluchtsort. Da inzwischen der Mond
untergegangen war, verlor ich bald jede Orientierung und wu�te weder wo die
englische, noch wo die deutsche Seite sich befand. Nicht einmal die
charakteristische Ruine der Monchy-M�hle hob sich mehr vom Horizonte ab. Ab
und zu kam ein Gescho� von der einen oder anderen Seite mit geradezu
be�ngstigender Rasanz durch die Gegend geflogen. Ich legte mich resigniert
ins Gras und beschlo�, die Morgend�mmerung abzuwarten. Pl�tzlich ert�nte
dicht neben mir Gewisper. Ich nahm wieder Gefechtsbereitschaft ein und gab
als vorsichtiger Mann zun�chst eine Reihe von Naturlauten ab, nach denen
ich ebenso gut ein Engl�nder als ein Deutscher sein konnte. Den ersten
englischen Zuruf beschlo� ich mit einer Handgranate zu quittieren. Zu
meiner Freude stellte sich jedoch heraus, da� ich meine Leute vor mir
hatte, die gerade beim Abschnallen der Koppel waren, um meine Leiche darauf
zur�ckzutragen. Wir sa�en noch eine Weile in dem Trichter zusammen und
freuten uns �ber unser gl�ckliches Wiedersehen. Dann begaben wir uns in
unseren Graben zur�ck, den wir nach dreist�ndiger Abwesenheit erreichten.

Am Morgen hatte ich schon wieder um 5 Uhr Grabendienst. Im Abschnitt des
ersten Zuges fand ich den Feldwebel H. vor seinem Unterstande. Alle ich
mich wunderte, ihn zu so fr�her Stunde zu sehen, erz�hlte er mir, da� er
beim Anstande auf eine gro�e Ratte w�re, die ihm den Nachtschlaf raubte.
Dabei betrachtete er angelegentlich seinen l�cherlich kleinen Unterstand,
den er �Villa Leberecht H�hnchen� getauft hatte.

Als wir so nebeneinander standen, h�rten wir einen dumpfen Abschu�, der
indes nichts Besonderes zu bedeuten hatte. H., der am Tage vorher beinahe
von einer gro�en Kugelmine erschlagen w�re und daher sehr nerv�s war, fuhr
wie ein Blitz nach dem n�chsten Stolleneingang, rutschte in seiner Hast die
ersten 15 Stufen sitzend hinunter und benutzte die letzten 15 dazu, sich
dreimal zu �berschlagen. Ich stand oben am Eingang und verga� vor Lachen
Mine und Stollen, als ich diese schmerzhafte Unterbrechung einer Rattenjagd
von dem armen Opfer unter empfindlichem Reiben verschiedener K�rperstellen
beklagen h�rte. Der Ungl�cksmensch gestand mir auch noch, da� er gestern
gerade beim Abendbrot gesessen h�tte, als die Mine ankam. Erstlich w�re
sein ganzes Essen versandet gewesen und er au�erdem schon gestern recht
empfindlich die Treppe hinuntergefallen.

Nach dieser erheiternden Episode begab ich mich in meinen Unterstand,
sollte indes auch heute nicht zum erquickenden Schlummer kommen. Vom fr�hen
Morgen an wurde unser Graben in immer k�rzeren Zwischenr�umen mit Minen
beworfen. Gegen Mittag wurde mir die Sache zu bunt. Ich machte mit einigen
Leuten unseren Lanzschen Minenwerfer fertig und nahm die feindlichen Gr�ben
unter Feuer, eine allerdings etwas schw�chliche Erwiderung der schweren
Geschosse, mit denen wir reichlich bedacht wurden. Schwitzend hockten wir
auf dem von der Junisonne hei�gebrannten Lehm einer kleinen Grabenmulde und
schickten Mine auf Mine nach dr�ben. Da sich die Engl�nder durchaus nicht
st�ren lie�en, begab ich mich mit Leutnant Wetje ans Telephon, wo wir nach
reiflicher �berlegung folgenden Notruf erschallen lie�en: �Helene spuckt in
unseren Graben, lauter dicke Brocken, wir brauchen Kartoffeln, gro�e und
kleine!� Dies Kauderwelsch wurde angewandt, um dem etwa mith�renden Gegner
nichts zu verraten; es kam dann auch bald vom Oberleutnant Deichmann die
tr�stliche Antwort, da� sogleich der dicke Wachtmeister mit dem strammen
Schnurrbart nebst einigen kleinen Jungen nach vorn kommen w�rde, und gleich
darauf sauste unsere erste Zwei-Zentner-Mine mit unerh�rtem Krachen in den
feindlichen Graben, gefolgt von einigen Gruppen der Feldartillerie, so da�
wir f�r den Rest des Tages Ruhe hatten.

Am n�chsten Mittag begann indes der Tanz in bedeutend sch�rferer Weise.
Beim ersten Schu� begab ich mich durch meinen unterirdischen Gang in den
zweiten Graben und von dort in den Laufgraben, in dem wir unseren
Minenwerfer aufgebaut hatten. Wir er�ffneten das Feuer in der Weise, da�
wir bei jeder ankommenden Kugelmine eine Lanz-Mine abschossen. Nachdem wir
ungef�hr 40 Minen gewechselt hatten, schien sich der feindliche
Richtsch�tze auf uns pers�nlich einzuschie�en. Bald schlugen einige
Geschosse rechts, andere links neben uns ein, ohne unsere T�tigkeit
unterbrechen zu k�nnen, bis eine gerade auf uns zukam. Wir rissen im
letzten Moment noch unsere Abzugsleine durch und liefen dann so schnell wie
m�glich fort. Gerade war ich in einen schlammigen, drahtdurchzogenen Graben
gelangt, als das Unding dicht hinter mir krepierte. Der gewaltige Luftdruck
warf mich �ber ein B�ndel Stacheldraht in ein mit gr�nlichem Schlamm
gef�lltes Granatloch, w�hrend gleichzeitig ein Schauer harter Lehmklumpen
auf mich herabrasselte. Halb bet�ubt und �bel zugerichtet erhob ich mich.
Hose und Stiefel waren durch den Stacheldraht zerrissen, Gesicht, H�nde und
Uniform mit z�hem Lehm �berkleistert, und das Knie blutete aus einer langen
Schramme. Ziemlich abgek�mpft schlich ich durch den Graben in meinen
Unterstand, um mich auszuruhen.

Sonst hatten die feindlichen Minen keinen gro�en Schaden angerichtet. Der
Graben war an einigen Stellen zerst�rt, ein Priester-Minenwerfer
zerschmettert, und �Villa Leberecht H�hnchen� hatte durch einen Volltreffer
den Rest bekommen. Der ungl�ckliche Besitzer hatte schon unten im Stollen
gesessen, sonst h�tte er wohl bei dieser Gelegenheit seinen dritten
Treppensturz vollf�hrt.

Den ganzen Nachmittag ging die Schie�erei ununterbrochen weiter und wurde
in den Abendstunden durch eine Unzahl zylindrischer Minen zum Trommelfeuer
gesteigert. Unsere Leute nannten diese walzenf�rmigen Geschosse die
�Waschkorb-Minen�, da es manchmal den Eindruck machte, als w�rden sie mit
K�rben vom Himmel gesch�ttet.

Wir sa�en mit gespannter Erwartung in den Stolleneing�ngen, bereit, jeden
Ank�mmling mit Gewehr und Handgranate zu begr��en, jedoch flaute das Feuer
nach einer halben Stunde wieder ab. In der Nacht hatten wir noch zwei
Feuer�berf�lle, w�hrend deren unsere Posten unersch�tterlich auf ihren
St�nden Ausschau hielten, zu bestehen. Sowie das Feuer nachlie�,
bestrahlten zahlreiche emporsteigende Leuchtkugeln die aus den Stollen
hervorst�rzenden Verteidiger, und ein rasendes Feuer �berzeugte den Feind
von der unbeugsamen Entschlossenheit hann�verscher F�siliere.

Trotz dem wahnsinnigen Feuer verloren wir nur einen Mann, dem durch eine
auf ein Schutzschild schlagende Mine der Sch�del zerschmettert wurde. Ein
anderer wurde am R�cken verwundet.

Auch am Tage, der diese unruhige Nacht abl�ste, bereiteten uns zahlreiche
Feuerwirbel auf einen baldigen Angriff vor. Unser Graben wurde w�hrend
dieser Zeit kurz und klein geschossen und durch die zerschlagenen H�lzer
der Verschalung fast ungangbar gemacht, auch wurde eine Reihe von
Unterst�nden eingedr�ckt.

Wir beschlossen, w�hrend der kommenden Nacht s�mtlich wach zu bleiben, und
verabredeten, da� derjenige, der auf den Zuruf �Hallo� nicht seinen Namen
riefe, sofort niedergeschossen werden sollte. Jeder Offizier hatte seine
Leuchtpistole mit einer roten Kugel geladen, um die Artillerie unverz�glich
verst�ndigen zu k�nnen.

Die Nacht wurde noch toller als die vorige. Besonders ein Feuer�berfall um
2.15 Uhr �bertraf alles Vorhergegangene. Rings um meinen Unterstand schlug
ein Hagel schwerer Geschosse ein. Wir standen in voller Bewaffnung auf der
Stollentreppe; das Licht der kleinen Kerzenst�mpfe schimmerte vielfach an
den nassen, schimmligen W�nden. Durch die Eing�nge str�mte blauer Qualm,
Erde br�ckelte von der Decke. Wumm! �Donnerwetter!� �Streichholz,
Streichholz!� �Alles fertigmachen!� Das Herz schlug bis zum Halse.
Fliegende H�nde l�sten die Kapseln der Handgranaten. �Das war die letzte!�
�Rrraus!� Als wir zum Ausgang st�rzten, ging noch eine Mine mit verz�gerter
Z�ndung los und schleuderte uns durch ihren Luftdruck wieder zur�ck.
Trotzdem waren, w�hrend noch die letzten Eisenv�gel herunterrauschten,
schon alle Postenst�nde von der wackeren Mannschaft besetzt. Knatterndes
Schnellfeuer sprang auf, und Leuchtkugeln strahlten Mittagshelle auf das
mit dichten Rauchschwaden beh�ngte Vorgel�nde.

Als das Feuer schon verstummt war, erlitten wir noch einen Verlust. Der
F�silier N. fiel pl�tzlich von seinem Postenstande und rollte polternd die
Stollentreppe herunter, mitten in den Kreis seiner unten versammelten
Kameraden. Als wir den unheimlichen Ank�mmling untersuchten, fanden wir
eine kleine Wunde an der Stirn und eine blutende �ffnung �ber der rechten
Brustwarze. Es blieb uns unklar, ob die Verwundung oder der j�he Sturz
seinen Tod herbeigef�hrt hatte.

Am Ende dieser Schreckenssnacht wurden wir von der 6. Kompagnie abgel�st.
Mit jener eigent�mlichen Mi�stimmung, die eine in der Morgensonne
strahlende Landschaft auf die ersch�pften, �bern�chtigten Nerven aus�bt,
zogen wir durch die Laufgr�ben nach Monchy und von dort zu der sich vor dem
Waldrande von Adinfer hinziehenden zweiten Stellung, von wo wir einen
grandiosen Ausblick auf den ersten Auftakt zur Sommeschlacht hatten. Die
Frontabschnitte links von uns waren in wei�e und schwarze Rauchwolken
geh�llt, turmhoch spritzte ein schwerer Einschlag neben dem anderen;
dar�ber zuckten zu Hunderten die kurzen Blitze platzender Schrapnells.

Als wir am Abend endlich einmal ausschlafen wollten, bekamen wir Befehl, in
Monchy schwere Minen zu verladen und mu�ten die ganze Nacht vergeblich auf
irgendeinen steckengebliebenen Wagen warten, w�hrend der Engl�nder mit M.
G.-Steilfeuer und die Stra�e hinunterfegenden Schrapnells verschiedene, zum
Gl�ck erfolglose Attentate auf unser Leben aus�bte.

In dieser Nacht gab mir der Gegner ein Beispiel seiner h�chst sorgf�ltigen
Beobachtung. In der zweiten Stellung, ungef�hr 2000 Meter vom Feinde, war
vor einem im Bau befindlichen Munitionsstollen ein Haufen Kreide
aufgeschichtet. Der Engl�nder zog daraus den leider richtigen Schlu�, da�
dieser H�gel in der Nacht verzogen w�rde und scho� eine Gruppe Schrapnells
darauf ab, durch die er wirklich drei Mann schwer verwundete.

Am Morgen wurde ich schon wieder durch den Befehl, meinen Zug zum Schanzen
in den Abschnitt C zu f�hren, aus dem Schlaf gerissen. Meine Gruppen wurden
innerhalb der 6. Kompagnie verteilt. Ich ging mit einigen Leuten zum Walde
von Adinfer zur�ck, um sie beim Holzhauen anzustellen. Auf dem R�ckwege zur
Stellung trat ich in meinen Unterstand, um dort ein halben St�ndchen
auszuruhen. Doch umsonst, ich sollte in diesen Tagen keine ungest�rte Ruhe
finden. Kaum hatte ich die Stiefel ausgezogen, als ich unsere Artillerie
vom Waldrande her merkw�rdig lebhaft feuern h�rte. Gleichzeitig erschien
mein Bursche Paulicke am Stolleneingang und schrie herunter: �Gasangriff!�

Ich ri� die Gasmaske heraus, fuhr in die Stiefel, schnallte um, rannte nach
drau�en und sah dort, wie eine riesige Gaswolke in dichten wei�lichen
Schwaden �ber Monchy hing und sich auf den im Grunde liegenden Punkt 124
zuw�lzte.

Da mein Zug zum gr��ten Teil vorn in Stellung und ein Angriff sehr
wahrscheinlich war, gab es f�r mich kein langes �berlegen. Ich sprang �ber
das Hindernis der zweiten Stellung, rannte vor und war bald mitten in der
Gaswolke. Ich setzte die Maske auf, ri� sie aber gleich wieder herunter, da
ich so stark gelaufen war, da� ich durch den Einsatz nicht gen�gend Luft
bekommen konnte; auch waren die Augengl�ser im Nu beschlagen und vollkommen
undurchsichtig. Da ich Bruststiche versp�rte, versuchte ich, die Wolke
wenigstens so schnell wie m�glich zu durchqueren. Vor dem Dorfrande mu�te
ich noch einen Sperrfeuerriegel passieren, dessen Einschl�ge, von
zahlreichen Schrapnellwolken unterbrochen, eine lange, regelm��ige Kette
�ber die ver�deten, sonst nie betretenen Felder zog.

Artilleriefeuer in derartig offenem Gel�nde, in dem man sich frei bewegen
kann, hat weder dieselbe tats�chliche, noch moralische Wirkung wie in
Ortschaften oder Stellungen. So hatte ich im Nu die Feuerlinie hinter mich
gelegt und befand mich in Monchy, das unter einem tollen Schrapnellhagel
lag. Ein Schauer von Kugeln, Ausbl�sern und Z�ndern fegte durch das Ge�st
der Obstb�ume in den verwilderten G�rten und klatschte gegen die Reste der
zerst�rten Mauern.

In einem Unterstande der G�rten sah ich meine Kompagnie-Kameraden Sievers
und Vogel sitzen; sie hatten ein loderndes Holzfeuer entz�ndet und beugten
sich �ber die reinigende Flamme, um den Wirkungen des Chlors zu entgehen.
Ich leistete ihnen bei dieser Besch�ftigung Gesellschaft, bis das Feuer
abgeflaut war, und ging dann durch den Laufgraben 6 nach vorn. Da ich in
meinem unverbesserlichen Phlegma ganz langsam durch den Graben schlenderte,
begegnete es mir, da� ich, nur 50 Meter vom Kompagnief�hrer-Unterstande
entfernt, noch einmal in einen wahnsinnigen Feuer�berfall geriet und, in
eine kleine Nische gedr�ckt, das Unwetter �ber mich ergehen lassen mu�te.

Vorn waren alle Leute besch�ftigt, ihre Gewehre einzufetten, die durch das
Gas vollkommen geschw�rzt waren. Ein F�hnrich zeigte mir wehm�tig sein
neues Portepee, das seinen strahlenden Glanz eingeb��t und daf�r ein
gr�nlich-schwarzes Aussehen angenommen hatte.

Da beim Gegner alles ruhig geblieben war, r�ckte ich mit meinen Gruppen
wieder ab. In Monchy sahen wir vor dem Revier eine Menge von Gaskranken
sitzen, die sich die H�nde in die Seiten pre�ten, st�hnten und w�rgten,
w�hrend ihnen das Wasser aus den Augen lief. Die Sache war keineswegs
harmlos, denn einige von ihnen starben etliche Tage darauf nach furchtbaren
Schmerzen. Wir hatten einen Blasangriff von reinem Chlor auszuhalten
gehabt, einem Kampfgas, das durch �tzen und Verbrennen der Lungen wirkt.
Auf dem R�ckwege ging ich, um etwas zu kaufen, in die Kantine des II.
Bataillons und fand dort den betr�bten Kantinenj�ngling inmitten eines
Haufens zerschlagener Waren vor. Eine Granate war durch die Decke gefahren,
im Laden krepiert und hatte seine Sch�tze in ein merkw�rdiges Gemisch von
Marmelade, ausgelaufenen Konserven und Seife verwandelt. Er hatte gerade
mit echt preu�ischer Genauigkeit eine Unkostenaufstellung von 82 Mark und
58 Pfennig entworfen.

Am Abend wurde mein Zug, der bisher detachiert in der zweiten Stellung
gelegen hatte, der unsicheren Gefechtslage wegen bis in das Dorf vorgezogen
und bekam das Bergwerk als Aufenthaltsort angewiesen. Wir richteten uns die
zahlreichen Nischen als Lagerpl�tze ein und z�ndeten ein riesiges Feuer an,
dessen Rauch wir durch den Brunnenschacht abziehen lie�en, sehr zum �rger
einiger Kompagniek�che, die beim Wasserholen fast erstickten. Da wir einen
kr�ftigen Grog empfangen hatten, setzten wir uns rings um das Feuer auf die
Kreidebl�cke, sangen, tranken und rauchten.

Um Mitternacht ging im Gefechtsbogen von Monchy ein H�llenspektakel los.
Dutzende von Alarmglocken bimmelten, Hunderte von Gewehren knallten und
ununterbrochen stiegen gr�ne und wei�e Leuchtkugeln hoch. Gleich darauf
setzte unser Sperrfeuer ein, schwere Minen krachten und zogen Schweife von
feurigen Funken hinter sich her. �berall, wo im Tr�mmergewirr eine
Menschenseele hauste, erscholl der langgezogene Schrei: �Gasangriff!�
�Gasangriff!�

Im Scheine der Leuchtkugeln w�lzte sich eine wei�liche Gaswand durch das
Dorf. Da sich auch im Bergwerke ein starker Chlorgeruch bemerkbar machte,
z�ndeten wir vor den Eing�ngen gro�e Strohfeuer an, deren beizender Qualm
uns fast aus unserem Zufluchtsort vertrieb und uns zwang, die Luft durch
Schwenken von M�nteln und Zeltbahnen zu reinigen.

Am n�chsten Morgen konnten wir im Dorfe die Spuren, die der Gasangriff
hinterlassen hatte, bestaunen. Ein gro�er Teil aller Pflanzen war verwelkt,
Schnecken und Maulw�rfe lagen tot umher, und den in Monchy untergebrachten
Pferden der Meldereiter lief das Wasser aus Maul und Augen. Die �berall
verstreuten Geschosse und Granatsplitter waren von einer sch�nen, gr�nen
Patina �berzogen. Auch in dem weit zur�ckliegenden Douchy machte sich die
Gaswolke noch bemerkbar. Die Zivilisten, denen die Sache unheimlich wurde,
versammelten sich vor dem Quartier des Oberstleutnants von Oppen und
verlangten Gasmasken. Sie wurden auf Lastautos gesetzt und in weiter
zur�ckliegende Ortschaften transportiert.

Die n�chste Nacht verbrachten wir wieder im Bergwerk; am Abend bekam ich
Nachricht, da� um 4.15 Uhr Kaffee empfangen werden sollte, da ein
englischer �berl�ufer ausgesagt h�tte, da� um 5 Uhr angegriffen w�rde.
Wirklich, kaum hatten mich am Morgen die zur�ckkehrenden Kaffeeholer aus
dem Schlaf gest�rt, als der uns nicht mehr fremde Ruf �Gasangriff!�
erscholl. Drau�en lag s��licher Phosgengeruch in der Luft, und im
Monchy-Bogen tobte starkes Trommelfeuer, das jedoch bald abflaute.

Ein erquickender Morgen folgte dieser unruhigen Stunde. Aus dem Laufgraben
6 trat der Leutnant Brecht auf die Dorfstra�e, einen blutigen Verband um
die Hand gewunden, von einem Mann mit aufgepflanztem Seitengewehr und einem
gefangenen Engl�nder begleitet. Er wurde im Stabsquartier West im Triumph
empfangen und erz�hlte folgendes:

Die Engl�nder hatten um 5 Uhr Gas- und Rauchwolken abgeblasen und
anschlie�end den Graben stark mit Minen betrommelt. Unsere Leute waren wie
gew�hnlich noch im Feuer aus Deckung gesprungen und hatten dabei �ber 30
Verluste gehabt. Dann waren, in Rauchwolken verborgen, zwei starke
englische Patrouillen erschienen, von denen eine in den Graben eingedrungen
war und einen verwundeten Unteroffizier mitgenommen hatte. Die andere war
schon vor dem Drahtverhau zusammengeknallt worden. Ein einziger, der
bereits das Hindernis �berwunden hatte, wurde von dem Leutnant Brecht, der
vorm Kriege ein Pflanzerleben in Amerika gef�hrt hatte, an der Gurgel
gepackt und mit einem �Come here, you son of a bitch!� in Empfang genommen.
Dieser einzige wurde nun mit einem Glase Wein bewirtet und schaute mit halb
erschreckten, halb verwunderten Augen auf die eben noch menschenleere
Dorfstra�e, die jetzt von Essenholern, Krankentr�gern, Meldeg�ngern und
Neugierigen wimmelte. Bald traf ein langer Zug von Bahren am Verbandsplatze
ein. Auch vom Abschnitt S�d kamen viele Verwundete, denn im
Kompagnieabschnitt E war ebenfalls eine starke Patrouille in den Graben
gedrungen. Ungef�hr 50 Tragen, auf denen st�hnende Menschen mit wei�en,
blutdurchtr�nkten Verb�nden lagen, waren vor einigen Wellblechb�gen
aufgestellt, unter denen der Arzt seines Amtes waltete.

Ein junges Kerlchen, dessen blaue Lippen als schlimmes Vorzeichen aus einem
schneewei�en Gesicht leuchteten, stammelte: �Ich bin zu schwer . . . ich
werde nicht wieder . . . ich -- mu� -- sterben.� Ein dicker
Sanit�ts-Unteroffizier sah ihn mitleidig an und murmelte verschiedene Male
ein tr�stendes: �Nun, nun, Kamerad!�

Trotzdem der Engl�nder diesen kleinen Angriff, der haupts�chlich Kr�fte von
uns zum Vorteil der Somme-Offensive binden sollte, durch zahlreiche
Minen�berf�lle und Gaswolken vorbereitet hatte, fiel ihm dabei nur ein,
dazu verwundeter Gefangener in die H�nde, w�hrend er zahlreiche Tote vor
unserem Draht liegen lie�. Unsere Verluste waren allerdings auch
betr�chtlich, das Regiment verlor an diesem Vormittage �ber 40 Tote,
darunter drei Offiziere.

Am n�chsten Nachmittag r�ckten wir endlich wieder f�r einige Tage nach
unserem lieben Douchy ab. Noch am selben Abend feierten wir den gl�cklichen
Verlauf dieser kleinen Aktion durch einige wohlverdiente Flaschen.

Am 1. Juli wurde uns die traurige Aufgabe, einen Teil unserer Toten auf
unserem Kirchhofe zu bestatten. 39 rohe Holzs�rge wurden nach einer
ergreifenden Ansprache des Pfarrers Philippi, w�hrend der die Leute weinten
wie Kinder, in die Grube gesenkt. Der Pfarrer sprach �ber den Text: �Sie
haben einen guten Kampf gek�mpft,� und begann mit den Worten: �Gibraltar,
das ist Euer Zeichen und f�rwahr, Ihr habt gestanden wie der Fels im
brandenden Meer!�[2]

In dieser ergreifenden Stunde wurde mir der hohe ethische Wert unserer
feierlichen Handlungen klar. Oft haben wir auf irgendeinem Schlachtfelde
die zehnfache Zahl von Kameraden liegen lassen m�ssen und waren von dem
Verlust doch nicht so tief gepackt, wie hier vor den offenen Gr�bern.

W�hrend dieser Tage lernte ich die Leute erst recht sch�tzen, mit denen
zusammen ich noch drei Kampfjahre verbringen sollte.

In der ganzen Armee wird man keinen Mann finden, der so verl��lich, einfach
und ohne Phrase seine Pflicht tut wie der Niedersachse. Wenn es galt zu
zeigen: hier steht ein Mann und wenn es sein mu�, f�llt er hier, war jeder
bis zum letzten zur Stelle. --

Am Abend des 3. Juli r�ckten wir wieder nach vorn. Es war verh�ltnism��ig
ruhig, doch verrieten kleine Anzeichen, da� noch etwas in der Luft liegen
mu�te. Bei der M�hle klopfte und h�mmerte es leise und unaufh�rlich. Oft
fingen wir verd�chtige Ferngespr�che �ber Gasflaschen und Sprengungen, an
einen englischen Pionieroffizier in vorderer Linie gerichtet, auf. Vom
Morgengrauen bis zum letzten Tagesschimmer flogen feindliche Flugzeuge eine
dichte Luftsperre. Der Durchschnitt der t�glichen Grabenbeschie�ung war
bedeutend st�rker als gew�hnlich. Trotzdem wurden wir am 12. Juli abgel�st,
ohne unangenehme Erlebnisse gehabt zu haben und blieben als Reserve in
Monchy.

Am 13. abends wurden unsere Unterst�nde in den G�rten durch ein
24-Zentimeter-Schiffsgesch�tz beschossen, dessen gewaltige Granaten in
scharfer Flachbahn herangurgelten und mit wahrhaft furchtbaren: Knall
zerbarsten. In der Nacht wurden wir durch lebhaftes Feuer und einen
Gasangriff geweckt. Wir sa�en im Unterstande mit aufgesetzter Gasmaske um
den Ofen herum, bis auf Vogel, der seine Maske nicht finden konnte und
jammernd hin- und herlief, w�hrend einige schadenfrohe Gesellen vorgaben,
einen immer st�rkeren Gasgeruch zu versp�ren. Schlie�lich gab ich ihm meine
zweite Atempatrone, und er hockte eine Stunde lang wie ein H�ufchen Ungl�ck
hinter dem gewaltig qualmenden Ofen, hielt sich mit Jammermiene die Nase zu
und sog an seinem Einsatz.

Ein Angriff erfolgte in dieser Nacht nicht; trotzdem kostete die dumme
Geschichte dem Regiment 25 Tote und viele Verwundete. -- Am 15. und 17.
hatten wir zwei weitere Gasangriffe auszuhalten. Am 17. wurden wir abgel�st
und hatten in Douchy zwei schwere Beschie�ungen zu bestehen. Eine
�berraschte uns gerade w�hrend einer Offiziersbesprechung durch den Major
von Jarotzky in einem Obstgarten. Trotz der Gefahr bot es einen Anblick von
�berw�ltigender Komik, zu sehen, wie die Gesellschaft auseinanderspritzte,
auf die Nase fiel, sich mit unglaublicher Geschwindigkeit durch die Hecken
zw�ngte und blitzschnell in allen m�glichen Deckungen verschwunden war.
Eine Granate t�tete im Garten meines Quartiers ein achtj�hriges kleines
M�dchen, das dort in einer Grube nach Abf�llen suchte.

Am 20. Juli r�ckten wir in Stellung. Am 28. verabredete ich mich mit dem
F�hnrich Wohlgemut, den Gefreiten Bartels und Birkner zu einer Patrouille.
Wir hatten kein anderes Ziel im Auge, als etwas zwischen den Dr�hten
herumzustreichen und zu sehen, was uns das Niemandsland Neues br�chte. Am
Nachmittag kam der mich abl�sende Offizier der 6. Kompagnie, Leutnant
Brauns, zu Besuch in meinen Unterstand und brachte mehrere gute Flaschen
mit. Um � 12 Uhr brachen wir die Sitzung ab; ich ging in den Graben, wo
meine drei Gef�hrten schon im dunklen Winkel einer Schulterwehr
zusammenstanden. Nachdem ich mir einige trockene Handgranaten ausgesucht
hatte, kletterte ich in der fr�hlichsten Stimmung �ber den Draht, w�hrend
Brauns mir ein �Hals- und Bauchschu�!� nachrief.

Wir hatten uns in kurzer Zeit an das feindliche Hindernis herangepirscht.
Dicht davor entdeckten wir im hohen Grase einen ziemlich starken, gut
isolierten Draht. Ich hielt die Beobachtung f�r wichtig und beauftragte
Wohlgemut, ein St�ck davon abzuschneiden und mitzunehmen. W�hrend er sich
in Ermangelung eines anderen Instruments mit seiner Zigarrenschere daran
abplagte, klirrte es direkt vor uns im Draht; einige Engl�nder tauchten auf
und begannen zu arbeiten, ohne unsere ins Gras gedr�ckten Gestalten
wahrzunehmen.

Der b�sen Erfahrungen der vorigen Patrouille eingedenk, hauchte ich fast
unh�rbar: �Wohlgemut, Handgranate dazwischen!� �Herr Leutnant, ich glaube,
wir lassen sie noch etwas arbeiten!� �Direkter Befehl, F�hnrich!�

Der Geist des preu�ischen Kasernenhofes verfehlte auch in dieser Ein�de
nicht seine m�chtige Wirkung. Mit dem fatalen Gef�hl eines Mannes, der sich
in ein sehr ungewisses Abenteuer eingelassen hat, h�rte ich neben mir das
trockene Knistern der herausgerissenen Z�ndschnur und sah, wie Wohlgemut,
um sich m�glichst wenig zu zeigen, die Handgranate ganz flach �ber den
Boden rollen lie�. Sie blieb im Gestr�pp, beinahe zwischen den Engl�ndern,
liegen, die nichts bemerkt zu haben schienen. Es vergingen einige Momente
h�chster Spannung. �Krrrach!� Ein Blitz beleuchtete taumelnde Gestalten.
Mit dem Angriffsgebr�ll: �You are prisoners!� st�rzten wir uns wie Tiger in
die wei�e Wolke. Eine w�ste Szene wickelte sich in Bruchteilen von Sekunden
ab. Ich hielt meine Pistole mitten in ein Gesicht, das mir wie eine blasse
Maske aus der Dunkelheit entgegenleuchtete. Ein Schatten schlug mit
qu�kendem Aufschrei r�cklings ins Drahtverhau. Links neben mir feuerte
Wohlgemut seine Pistole ab, w�hrend der Gefreite Bartels in seiner Erregung
blindlings eine Handgranate zwischen uns schleuderte.

Beim ersten Schu� war mir das Magazin aus dem Pistolenkolben gesprungen.
Ich stand schreiend vor einem Engl�nder, der sich entsetzt mit dem R�cken
in den Stacheldraht pre�te und dr�ckte immer wieder den Abzugsb�gel zur�ck,
ohne da� ein Schu� ert�nte. Es war wie ein Alpdruck. Im Graben vor uns
wurde es laut. Zurufe erschollen, ratternd setzte ein Maschinengewehr ein.
Wir sprangen zur�ck. Noch einmal blieb ich in einem Trichter stehen und
richtete die Pistole auf einen mir folgenden Schatten. Diesmal erwies sich
das Versagen als ein Gl�ck, denn es war Birkner, den ich schon l�ngst
zur�ck glaubte.

Nun ging es in sausendem Laufe dem eigenen Graben zu. Vor unserem Draht
pfiffen die Geschosse schon so, da� ich in einen wassergef�llten,
drahtversponnenen Minentrichter springen mu�te. Auf schwingendem
Stacheldraht �ber dem Wasserspiegel pendelnd, h�rte ich mit gemischten
Gef�hlen die Geschosse wie einen gewaltigen Immenschwarm �ber mich
hinwegbrausen, w�hrend Drahtfetzen und Gescho�splitter in die B�schung des
Trichters fegten. Nach einer halben Stunde, als sich das Feuer beruhigt
hatte, arbeitete ich mich �ber unser Hindernis und sprang, von den Leuten
freudig begr��t, in den Graben. Wohlgemut und Bartels waren schon da; nach
einer weiteren halben Stunde erschien auch Birkner. Alles freute sich �ber
den gl�cklichen Ausgang und bedauerte nur, da� uns der ersehnte Gefangene
auch diesmal entschl�pft war. Da� das Erlebnis an die Nerven gegangen war,
merkte ich erst, als ich im Unterstande z�hneklappernd auf einer Pritsche
lag und trotz der Ersch�pfung keinen Schlaf finden konnte. Am n�chsten
Morgen konnte ich kaum gehen, da sich �ber mein eines Knie ein langer
Drahtri� zog und in dem anderen ein Splitterchen der von Bartels
geschleuderten Handgranate steckte.

Diese kurzen, sportsm��igen Sensationen waren indes ein gutes Mittel, den
Mut zu st�hlen und die Eint�nigkeit des Grabendaseins zu unterbrechen.

Am 11. 8. trieb sich im englischen Hintergel�nde vor dem Dorfe
Berles-au-bois ein schwarzes Reitpferd herum, das von einem Landwehrmann
mit drei Schu� zur Strecke gebracht wurde. Der englische Offizier, dem es
entlaufen war, wird bei diesem Anblick wohl kein sehr vergn�gtes Gesicht
gemacht haben. In der Nacht flog dem F�silier S. der Mantel eines
Infanteriegeschosses ins Auge. Auch im Dorfe wurden die Verluste immer
h�ufiger, da die durch Artilleriefeuer rasierten Mauern immer weniger
Schutz vor den ins Blinde gesandten Garben der Maschinengewehre boten. Wir
begannen, das Dorf mit Gr�ben zu durchziehen und an den gef�hrlichsten
Stellen neue Mauern zu errichten.

Der 12. August war der lang ersehnte Tag, an dem ich zum zweiten Male
w�hrend des Krieges auf Urlaub fahren konnte. Kaum war ich jedoch zu Hause
wieder etwas warm geworden, als mir ein Telegramm nachgeflogen kam: �Sofort
zur�ckkommen, N�heres erfragen bei Ortskommandantur Cambrai.� Drei Stunden
sp�ter sa� ich im Zuge. Auf dem Wege zum Bahnhof schritten drei M�dchen an
mir vor�ber in hellen Kleidern, lachend, Tennisschl�ger unter dem Arm. Ein
strahlender Abschiedsgru� des Lebens, an den ich drau�en noch lange denken
mu�te.

Am 21. war ich wieder in der bekannten Gegend, deren Stra�en infolge des
Abmarsches der 111. und des Zuzuges einer neuen Division von Truppen
wimmelten. Das I. Bataillon lag in dem zwei Jahre sp�ter von uns wieder
erst�rmten Dorfe Ecoust-Saint-Main, wo ich mit acht anderen Offizieren die
Nacht auf dem Dachboden eines leer stehenden Hauses verbrachte.

Am Abend sa�en wir noch lange wach und tranken in Ermangelung von etwas
St�rkerem den Kaffee, den uns zwei Franz�sinnen im Nebenhause brauten. Wir
wu�ten, da� es diesmal in eine Schlacht ging, wie sie die Weltgeschichte
noch nie gesehen hatte. Bald schwoll die erregte Unterhaltung zu einem
Gel�rm, an dem alte Landsknechte oder friderizianische Grenadiere ihre
Freude gehabt h�tten. Nach einigen Tagen waren nur noch wenige Teilnehmer
dieser fr�hlichen Tafelrunde am Leben.

[Fu�note 2: Vgl. Anmerkung auf Seite V.]




Guillemont.


Am 23. August 1916 wurden wir in Lastautomobile verladen und fuhren bis Le
Mesnil. Obgleich wir schon erfahren hatten, da� wir im damaligen Brennpunkt
der Sommeschlacht, dem Dorfe Guillemont, eingesetzt werden sollten, war die
Stimmung vorz�glich. Scherzworte flogen unter allgemeinem Gel�chter von
einem Auto zum andern. Von Le Mesnil marschierten wir nach Einbruch der
Dunkelheit bis Sailly-Saillisel, wo das Bataillon auf einer gro�en Wiese
die Tornister ablegte und Sturmgep�ck fertigmachte. Vor uns rollte und
donnerte ein Artilleriefeuer von nie geahnter St�rke, tausend zuckende
Blitze h�llten den westlichen Horizont in ein gl�hendes Flammenmeer.
Fortw�hrend schleppten sich Verwundete mit bleichen, eingefallenen
Gesichtern zur�ck, oft j�h von vor�berrasselnden Gesch�tzen oder
Munitionskolonnen in den Stra�engraben gedr�ckt.

Ein Mann im Stahlhelm meldete sich bei mir, um meinen Zug in das ber�hmte
St�dtchen Combles zu f�hren, wo wir vorl�ufig in Reserve bleiben sollten.
Neben ihm im Stra�engraben sitzend, fragte ich nat�rlich begierig nach den
Verh�ltnissen in Stellung und vernahm eine eint�nige Erz�hlung von
tagelangem Hocken in Granattrichtern ohne Verbindung und Ann�herungswege,
von unaufh�rlichen Angriffen, von Leichenfeldern und wahnsinnigem Durst,
vom Verschmachten Verwundeter und anderem mehr. Das halb vom Stahlhelm
umrahmte, unbewegliche Gesicht und die monotone, vom L�rm der Front
begleitete Stimme machten den Eindruck unheimlichen Ernstes. Man merkte dem
Manne an, da� er jeden Schrecken bis zur Verzweiflung durchgekostet und
dann verachten gelernt hatte. Nichts schien zur�ckgeblieben als eine gro�e
und m�nnliche Gleichg�ltigkeit.

�Wer f�llt, bleibt liegen. Da kann keiner helfen. Niemand wei�, ob er
lebend zur�ckkommt. Jeden Tag wird angegriffen, doch durch kommen sie
nicht. Jeder wei�, da� es auf Leben und Tod geht.�

Mit solchen Leuten kann man k�mpfen.

Wir schritten auf einer breiten Chaussee, die sich im Mondschein wie ein
wei�es Band �ber das dunkle Gel�nde spannte, dem Kanonendonner entgegen,
dessen verschlingendes Gebr�ll immer unerme�licher wurde. Lasciate ogni
speranza! Bald schlugen die ersten Granaten rechts und links von unserem
Wege ein. Die Unterhaltung wurde leiser und verstummte zuletzt ganz. Jeder
lauschte mit jener seltsamen Spannung, die das ganze F�hlen und Denken auf
das Ohr konzentriert, dem gezogenen Heranheulen der Geschosse. Besonders
das Passieren von Fr�gicourt-Ferme, einer kleinen H�usergruppe vor dem
Friedhof von Combles, die unter st�ndigem Feuer lag, war eine Nervenprobe.

Combles war, soweit wir in der Dunkelheit beobachten konnten, v�llig
zerschossen. Gro�e Mengen von Holz zwischen den Tr�mmern und auf den Weg
geschleudertes Hausger�t verrieten, da� die Zerst�rung ganz jungen Datums
sein mu�te. Nach dem �bersteigen zahlreicher Schutthaufen, das durch eine
Reihe von Schrapnells beschleunigt wurde, erreichten wir unser Quartier,
ein gro�es, von L�chern durchsiebtes Haus, das ich mit drei Gruppen zum
Wohnsitze erw�hlte, w�hrend meine beiden anderen Gruppen den Keller einer
gegen�berliegenden Ruine bezogen.

Schon um 4 Uhr wurden wir von unserem aus Bettst�cken zusammengesuchten
Lager geweckt, um Stahlhelme zu empfangen. Bei dieser Gelegenheit fanden
wir in einer Kellernische einen Sack voll Kaffeebohnen, eine Entdeckung,
die eine eifrige Kaffeesiederei zur Folge hatte.

Nachdem ich gefr�hst�ckt hatte, sah ich mich etwas im Orte um. In wenigen
Tagen hatte die Wirkung der schweren Artillerie ein friedliches
Etappenst�dtchen in ein Bild des Grauens verwandelt. Ganze H�user waren
durch einen Treffer niedergestampft oder mitten auseinandergerissen, so da�
die Zimmer und ihre Einrichtung wie Theaterkulissen �ber dem Chaos
schwebten. Aus vielen Ruinen drang s��licher Leichengeruch, denn der erste
Feuer�berfall hatte eine Menge von Zivilisten unter den Tr�mmern ihrer
Wohnungen begraben. Vor der Schwelle einer Haust�r lag ein totes kleines
M�dchen in einer roten Lache.

Ein stark beschossener Ort war der Platz vor der zerst�rten Kirche
gegen�ber dem Eingang der Katakomben, eines uralten H�hlenganges mit
eingesprengten Nischen, in denen zusammengedr�ngt fast s�mtliche St�be der
k�mpfenden Truppen hausten. Es wurde erz�hlt, da� die Zivilisten bei Beginn
der Beschie�ung mit Hacken den vermauerten Zugang freigelegt h�tten, den
sie w�hrend der ganzen Besatzungszeit den Deutschen verheimlicht hatten.

Die Stra�en bestanden nur noch aus schmalen Trampelpfaden, die sich in
Schlangenlinien durch und �ber gewaltige H�gel von Balken und Mauerwerk
wanden. In zerw�hlten G�rten verkam eine Unmenge von Fr�chten und Gem�sen.

Nach dem Mittagessen, das wir uns in der K�che aus den im �berflu�
vorhandenen eisernen Portionen gekocht hatten und das nat�rlich durch einen
kr�ftigen Kaffee beschlossen wurde, legte ich mich oben in einen Lehnstuhl.
Aus umherliegenden Briefen ersah ich, da� das Haus dem Brauereibesitzer
Lesage geh�rte. In dem Zimmer standen aufgerissene Schr�nke und Kommoden,
ein umgest�rzter Waschtisch, eine N�hmaschine und ein Kinderwagen. An den
W�nden hingen zerschlagene Bilder und Spiegel. Auf dem Boden waren in
meterhoher Unordnung herausgerissene Schubladen, W�sche, Korsetts, B�cher,
Zeitungen, Nachttische, Scherben, Flaschen, Notenb�cher, Stuhlbeine, R�cke,
M�ntel, Lampen, Gardinen, Fensterl�den, aus den Angeln gerissene T�ren,
Spitzen, Photographien, �lgem�lde, Albums, zerschmetterte Kisten,
Damenh�te, Blument�pfe und zerfetzte Tapeten wirr ineinander verkn�ult.

Durch die demolierten Fensterl�den blickte man auf das von Granaten
zerpfl�gte Viereck eines ver�deten Platzes, den das Ge�st zerfetzter Linden
bedeckte. Dieser Komplex von Eindr�cken wurde noch verfinstert durch das
unaufh�rliche Artilleriefeuer, das rings um den Ort tobte. Ab und zu
�berbr�llte der gigantische Einschlag einer 38-Zentimeter-Granate den L�rm.
Wolken von Splittern fegten dann durch Combles, klatschten gegen die Zweige
der B�ume oder schlugen auf die wenigen noch stehenden H�user, da� die
Schiefertafeln herabrollten.

Im Laufe des Nachmittags schwoll das Feuer zu solcher St�rke, da� nur noch
das Gef�hl eines ungeheuren Get�ses verblieb, in dem jedes Einzelger�usch
verschluckt wurde. Von 7 Uhr an wurden der Platz und die umliegenden H�user
in Abst�nden von halben Minuten mit 15-Zentimeter-Granaten beworfen. Es
waren viele Blindg�nger darunter, die trotzdem noch die H�user ins
Schwanken brachten. Wir sa�en w�hrend der ganzen Zeit in unserem Keller auf
seidenbezogenen Sesseln rund um den Tisch, den Kopf in die H�nde gest�tzt
und z�hlten die Zeit zwischen den Einschl�gen. Die Witzworte wurden immer
seltener, und endlich lie� die Nervenanstrengung auch den Verwegensten
verstummen. Um 8 Uhr brach das Nebenhaus nach zwei Volltreffern zusammen.

Von 9 bis 10 Uhr nahm das Feuer eine wahnwitzige Wucht an. Die Erde wankte,
der Himmel schien ein brodelnder Riesenkessel.

Hunderte von schweren Batterien krachten um und in Combles, unz�hlige
Granaten kreuzten sich heulend und fauchend �ber uns. Alles war in dichten
Rauch geh�llt, der von bunten Leuchtkugeln unheildrohend bestrahlt wurde.
Bei heftigsten Kopf- und Ohrenschmerzen konnten wir uns nur noch durch
abgerissene, gebr�llte Worte verst�ndigen. Die F�higkeit des logischen
Denkens und das Gef�hl der Schwerkraft schienen aufgehoben. Man hatte das
Empfinden des Unentrinnbaren und unbedingt Notwendigen wie einem Ausbruch
der Elemente gegen�ber. Ein Unteroffizier des dritten Zuges wurde
tobs�chtig.

Um 10 Uhr beruhigte sich diese Fastnacht der H�lle allm�hlich und ging in
ein ruhiges Trommelfeuer �ber, in dem man allerdings den einzelnen Abschu�
auch noch nicht wahrnehmen konnte.

Um 11 Uhr kam eine Ordonnanz und brachte Befehl, die Z�ge auf den
Kirchplatz zu f�hren. Wir vereinigten uns daraufhin mit den beiden anderen
Z�gen zum Abmarsch in Stellung. Um Verpflegung nach vorn zu bringen, war
noch ein vierter Zug unter F�hrung des Leutnants Sievers ausgeschieden.
Diese Leute umdr�ngten uns, w�hrend wir uns unter hastigen Zurufen an dem
gef�hrlichen Ort sammelten und beluden uns mit den damals noch reichlich
vorhandenen Lebensmitteln. Sievers dr�ngte mir ein Kochgeschirr voll Butter
auf, dr�ckte mir zum Abschied die Hand und w�nschte uns viel Gl�ck.

Dann marschierten wir ab in Reihe zu einem hintereinander. Jeder hatte
Befehl, sich unbedingt hinter seinem Vordermann zu halten. Gleich am
Ortsausgang merkte unser F�hrer, da� er sich verirrt hatte. Wir waren
gezwungen, bei starkem Schrapnellfeuer kehrtzumachen. Dann ging es, meist
im Laufschritt, an einem zur Orientierung ausgelegten, in kleine Teile
zerschossenen, wei�en Band entlang �ber freies Feld. Oft mu�ten wir gerade
an den �belsten Stellen stehen bleiben, wenn der F�hrer die Richtung
verloren hatte. Dabei war es zur Aufrechterhaltung der Verbindung verboten,
sich hinzulegen.

Trotzdem waren pl�tzlich der erste und dritte Zug verschwunden. Weiter! In
einem heftig beschossenen Hohlweg stauten sich die Gruppen. Hinlegen! Ein
ekelhaft aufdringlicher Geruch belehrte uns, da� diese Passage schon viele
Opfer gefordert hatte. Nach todbedrohtem Lauf gelangten wir in einen
zweiten Hohlweg, der den Unterstand des Kampftruppenkommandanten (K. T. K.)
barg, verrannten uns und machten im qualvollen Gedr�nge nerv�ser und
aufgeregter Menschen kehrt. H�chstens f�nf Meter neben dem Leutnant Vogel
und mir schlug eine mittlere Granate mit dumpfem Krach auf die hintere
B�schung und bewarf uns mit gewaltigen Erdklumpen, w�hrend Todesschauer
�ber unseren R�cken glitten. Endlich fand der F�hrer durch den Merkpunkt
einer auff�lligen Leichengruppe den Weg wieder.

Weiter! Weiter! Leute brachen im Laufe zusammen, von uns hart bedroht, um
die letzte Kraftanspannung aus ihren ersch�pften K�rpern zu pumpen.
Verwundete schlugen mit unbeachtetem Hilfeschrei rechts und links in die
Trichter. Weiter ging es, die Augen starr auf den Vordermann gerichtet,
durch einen knietiefen, von einer Kette riesiger Trichter gebildeten
Graben, in dem ein Toter neben dem anderen lag. Widerstrebend trat der Fu�
auf die weichen, nachgebenden K�rper. Auch der in den Weg st�rzende
Verwundete verfiel dem Schicksal, unter die Stiefel der weiter Hastenden
getreten zu werden.

Und immer dieser s��liche Geruch! Auch meine Gefechtsordonnanz, der kleine
Schmidt, Begleiter auf mancher gef�hrlichen Patrouille, begann zu taumeln.
Ich ri� ihm das Gewehr aus der Hand, wobei der gute Junge sich selbst in
diesem Moment noch aus H�flichkeit str�uben wollte.

Endlich gelangten wir in die vordere Linie, die von eng in die L�cher
gekauerten Leuten besetzt war, deren tonlose Stimmen vor Freude zitterten,
als sie erfuhren, da� die Abl�sung da w�re. Ein bayrischer Feldwebel
�bergab mir mit einigen Worten Abschnitt und Leuchtpistole.

Mein Zugabschnitt bildete den rechten Fl�gel der Regimentsstellung und
bestand aus einem flachen, muldenartig zertrommelten Hohlweg, der ein paar
hundert Meter links von Guillemont und etwas n�her rechts am Bois de Tr�nes
lag. Von der rechten Nachbartruppe, dem Infanterie-Regiment 76, trennte uns
ein 500 Meter breiter, unbesetzter Raum, in dem sich wegen des �beraus
heftigen Feuers niemand aufhalten konnte.

Der bayerische Feldwebel war pl�tzlich spurlos verschwunden, und ich stand
ganz allein, meine Leuchtpistole in der Hand, mitten in dem unheimlichen
Trichtergel�nde, das am Boden lagernde wei�e Nebelschwaden in ein noch
drohenderes und r�tselhafteres Aussehen h�llten. Hinter mir ert�nte ein
andauerndes, unangenehmes Ger�usch; ich stellte mit merkw�rdiger
Objektivit�t fest, da� es von einem riesenhaften, in Zersetzung
�bergehenden Leichnam herr�hrte.

Da mir nicht einmal klar war, wo der Feind ungef�hr sein k�nnte, begab ich
mich zu meinen Leuten und riet ihnen, sich auf das Schlimmste gefa�t zu
machen. Wir blieben alle wach; ich verbrachte die Nacht mit meinem Burschen
und meinen beiden Gefechtsordonnanzen in einem Fuchsloch von vielleicht
einem Kubikmeter Rauminhalt.

Als der Morgen graute, entschleierte sich die fremde Umgebung allm�hlich
den staunenden Augen.

Der Hohlweg erschien nur noch als eine Reihe riesiger, mit Uniformst�cken,
Waffen und Toten gef�llter Trichter; das umliegende Gel�nde war, soweit der
Blick reichte, v�llig von schweren Granaten umgew�lzt. Nicht ein einziger
armseliger Grashalm zeigte sich dem suchenden Auge. Der zerw�hlte
Kampfplatz war grauenhaft. Zwischen den lebenden Verteidigern lagen die
toten. Beim Graben von Deckungsl�chern bemerkten wir, da� sie in Lagen
�bereinander geschichtet waren. Eine Kompagnie nach der anderen war dicht
gedr�ngt im Trommelfeuer ausharrend vernichtet. Dann waren die Leichen
durch die von den Geschossen hochgeschleuderten Erdmassen versch�ttet, und
die n�chste Kompagnie war an den Platz der Gefallenen getreten.

Der Hohlweg und das Gel�nde dahinter lag voll Deutscher, das Gel�nde davor
voll Engl�nder. Aus den B�schungen starrten Arme, Beine und K�pfe; vor
unseren Erdl�chern lagen abgerissene Gliedma�en und Tote, �ber die man zum
Teil, um dem steten Anblick der entstellten Gesichter zu entgehen, M�ntel
oder Zeltbahnen geworfen hatte. Trotz der Hitze dachte niemand daran, die
K�rper mit Erde zu bedecken.

Das Dorf Guillemont unterschied sich vom �brigen Terrain nur dadurch, da�
die Trichter infolge der zu Staub zermalmten Steine der H�user von
wei�licherer Farbe waren. Vor uns lag der wie ein Kinderspielzeug
zerkn�llte Bahnhof von Guillemont und weiter hinten der in Sp�ne zerrissene
Wald von Delville.

Kaum war der Tag hereingebrochen, als sich ein tieffliegender Engl�nder
heranschraubte und uns gleich einem Aasvogel ununterbrochen �berkreiste,
w�hrend wir in unsere L�cher flohen und uns dort zusammenkauerten. Das
scharfe Auge des Beobachters mu�te uns trotzdem ersp�ht haben, denn bald
ert�nten von oben in kurzen Abst�nden langgezogene, dumpfe Sirenent�ne.
Nach kurzer Zeit schien eine Batterie die Zeichen aufgenommen zu haben. Ein
schweres Flachbahngescho� nach dem anderen sauste mit unglaublicher Wucht
heran. Wir hockten unt�tig in unseren Zufluchtsorten, ab und zu eine
Zigarre anz�ndend und wieder fortwerfend, gew�rtig, jeden Augenblick
versch�ttet zu werden. Schmidts Rock�rmel wurde durch einen gro�en Splitter
zerrissen.

Gleich beim dritten Schu� wurde der Bewohner des Erdloches neben uns durch
einen ungeheuren Einschlag versch�ttet. Wir gruben ihn sofort wieder aus;
trotzdem war er durch den Druck der Erdmassen zu Tode ersch�pft, sein
Gesicht eingefallen und einem Totenkopf �hnlich. Es war der Gefreite Simon.
Er war durch den Schaden klug geworden, denn wenn im Laufe des Tages Leute
bei Fliegersicht sich au�er Deckung bewegten, vernahm man seine scheltende
Stimme und sah seine Faust aus einer �ffnung seines zeltbahnverhangenen
Fuchsloches drohen.

Um 3 Uhr nachmittags kamen meine Posten von links und gaben an, sich nicht
mehr halten zu k�nnen, da ihre L�cher zusammengeschossen w�ren. Ich mu�te
meine ganze R�cksichtslosigkeit anwenden, um sie wieder auf ihre Pl�tze zu
bringen.

Kurz vor 10 Uhr abends setzte am linken Fl�gel des Regiments ein Feuersturm
ein, der nach 20 Minuten auch auf uns �bergriff. Nach kurzer Zeit waren wir
v�llig in Rauch und Staub geh�llt, doch lagen die meisten Einschl�ge dicht
vor oder hinter dem Graben. W�hrend des uns umbrausenden Orkans ging ich
den Abschnitt meines Zuges ab. Die Leute standen in steinerner
Unbeweglichkeit, das Gewehr in der Hand, am vorderen Hange des Hohlweges
und starrten in das Vorgel�nde. Ab und zu beim Scheine einer Leuchtkugel
sah ich Stahlhelm an Stahlhelm, Seitengewehr an Seitengewehr blinken und
wurde von dem stolzen Gef�hl erf�llt, einer Handvoll M�nnern zu gebieten,
die vielleicht zermalmt, nicht aber besiegt werden konnten. In solchen
Augenblicken triumphiert der menschliche Geist �ber die gewaltigsten
�u�erungen der Materie, der gebrechliche K�rper stellt sich, vom Willen
gest�hlt, dem furchtbarsten Gewitter entgegen.

Im linken Nachbarzuge wollte der Feldwebel H., der ungl�ckliche
Rattenf�nger von Monchy, eine wei�e Leuchtkugel abschie�en, vergriff sich
indes und ein rotes Sperrfeuersignal zischte, von allen Seiten
weitergegeben, gen Himmel. Im Nu setzte unsere Artillerie ein, da� es eine
Freude war. Eine M�rsergranate neben der anderen kam hoch aus den L�ften
herabgeheult und zerschellte im Vorgel�nde zu Splittern und Funken. Ein
Gemisch von Staub, stickigen Gasen und dem Dunsthauch aufgeschleuderter
Leichen braute aus den Trichtern.

Nach dieser Orgie der Vernichtung flutete das Feuer wieder auf sein
gew�hnliches Niveau zur�ck, das es w�hrend der Nacht und des n�chsten Tages
beibehielt. Der aufgeregte Griff eines einzelnen Mannes hatte die ganze
gewaltige Kriegsmaschinerie ausgel�st.

H. war und blieb ein Ungl�cksmensch; er scho� sich noch in derselben Nacht
beim Laden seiner Pistole eine Leuchtkugel in den Stiefelschaft und mu�te
mit schweren Brandwunden zur�ckgetragen werden. Am n�chsten Tage regnete es
stark, was uns nicht unlieb war, da das ausgetrocknete Gef�hl im Gaumen
nach dem Verschwinden des Staubes nicht mehr so qu�lend war und die gro�en,
blauschwarzen Fliegen, die sich in riesigen Klumpen an den sonnigen Stellen
gesammelt hatten, vertrieben wurden. Ich sa� fast den ganzen Tag vor meinem
Fuchsloch auf dem Boden, rauchte und a� trotz der Umgebung mit gutem
Appetit.

Am n�chsten Vormittag erhielt der F�silier Knicke meines Zuges von
irgendwoher einen Gewehrschu� durch die Brust, der auch das R�ckenmark
streifte, so da� er die Beine nicht mehr bewegen konnte. Als ich nach ihm
sah, lag er sehr gefa�t in einem Erdloche. Er wurde am Abend durch das
Artilleriefeuer geschleppt, wobei er durch das h�ufige Deckungnehmen seiner
Tr�ger noch ein Bein brach. Er starb auf dem Verbandplatze.

Am Nachmittag rief mich ein Mann meines Zuges und lie� mich �ber das
abgerissene Bein eines Engl�nders zum Bahnhof Guillemont visieren. Ich sah
durch einen flachen Laufgraben Hunderte von Engl�ndern nach vorn eilen.
Durch das Gewehrfeuer von uns paar Leuten lie�en sie sich nicht sonderlich
st�ren. Dieser Anblick war bezeichnend f�r die Ungleichheit der Mittel, mit
denen wir k�mpften. H�tten wir dasselbe gewagt, so w�ren unsere Abteilungen
innerhalb weniger Minuten zusammengeschossen worden. W�hrend nicht ein
Fesselballon von uns zu sehen war, standen auf englischer Seite gleich �ber
30 auf einem Klumpen und beobachteten mit Argusaugen jede Bewegung, die
sich in dem zerstampften Gel�nde zeigte, um sofort einen Eisenhagel dorthin
zu dirigieren.

Am Abend schnurrte mir noch ein gro�er Granatsplitter gegen den Magen, der
zum Gl�ck ziemlich am Ende seiner Flugbahn war und nach einem kr�ftigen
Schlage vor mein Koppelschlo� zu Boden fiel.

Vor dem Abschnitt des ersten Zuges erschienen bei Einbruch der Dunkelheit
zwei englische Essenholer, die sich verlaufen hatten. Beide wurden auf
k�rzeste Entfernung niedergeschossen, der eine schlug mit dem Oberk�rper in
den Hohlweg, w�hrend seine Beine auf der B�schung liegen blieben. Gefangene
zu machen war allen Leuten unerw�nscht, denn wie sollte man sie durch die
Sperrfeuerzone bringen, in der man mit sich selbst schon so viel zu tun
hatte?

Gegen 1 Uhr nachts wurde ich von Schmidt aus wirrem Schlaf ger�ttelt.
Nerv�s fuhr ich hoch und griff nach dem Gewehr. Unsere Abl�sung war
gekommen. Wir �bergaben, was zu �bergeben war, und verlie�en so schnell wie
m�glich diesen Ort des Teufels.

Kaum hatten wir den flachen Laufgraben erreicht, als die erste Gruppe
Schrapnells zwischen uns krepierte. Mein Vordermann taumelte infolge einer
Wunde am Handgelenk, aus der das Blut spritzte und wollte sich auf die
Seite legen. Ich packte ihn am Arm, ri� ihn trotz seines St�hnens hoch und
gab ihn erst beim Sanit�tsunterstand neben dem K. T. K. ab.

In beiden Hohlwegen ging es scharf her. Wir kamen stark au�er Atem. Die
schlimmste Ecke war ein Tal, in das wir gerieten, und in dem ununterbrochen
Schrapnells und leichte Granaten aufflammten. Brrruch! Brrruch! umkrachte
uns der eiserne Wirbel, einen Funkenregen in die Dunkelheit spr�hend.
Huiiiii! Wieder eine Gruppe! Mir blieb der Atem aus, denn ich wu�te
Bruchteile von Sekunden vorher aus dem immer sch�rfer werdenden Heulen, da�
der absteigende Ast der Gescho�kurve unmittelbar bei mir enden mu�te.
Gleich darauf wuchtete neben meiner Fu�sohle ein schwerer Aufschlag, weiche
Lehmfetzen hochschleudernd. Gerade diese Granate ging blind!

Hier war eine Mustergelegenheit, den Einflu� des Offiziers geltend zu
machen. �berall eilten abl�sende und abgel�ste Trupps durch Nacht und
Feuer, zum Teil v�llig verirrt, vor Aufregung und Ersch�pfung st�hnend;
dazwischen erschollen Zurufe, Befehle und in eint�niger Wiederholung die
langgezogenen Hilfeschreie im Trichtergel�nde verlorener Verwundeter. Ich
gab Verirrten im Vorbeirasen Auskunft, zog Leute aus Granatl�chern,
bedrohte die, die sich hinlegen wollten, schrie dauernd meinen Namen, um
alle zusammenzuhalten und brachte so meinen Zug wie durch ein Wunder nach
Combles.

Wir mu�ten von Combles noch �ber Sailly und die Gouvernements-Ferme zum
Walde von Hennois marschieren, in dem wir biwakieren sollten. Jetzt zeigte
sich unsere Ersch�pfung erst in vollem Ma�e. Den Kopf stumpfsinnig zu Boden
gerichtet, schlichen wir, oft von Automobilen oder Munitionskolonnen an die
Seite gedr�ckt, unsere Stra�e entlang. In einer Art von krankhafter
Nervosit�t war ich fest �berzeugt, da� die vorbeirasselnden Fahrzeuge nur
uns zum �rger so scharf am Wegrande fuhren und �berraschte meine Hand mehr
als einmal am Kolben des Revolvers.

Nach dem Marsche mu�ten wir noch Zelte aufschlagen und konnten uns dann
erst auf den harten Boden werfen. W�hrend unseres Aufenthaltes in diesem
Waldlager gingen gewaltige Regeng�sse nieder. Das Stroh in den Zelten
begann zu faulen, und viele Leute erkrankten. Wir f�nf Kompagnieoffiziere
lie�en uns durch die N�sse wenig st�ren, sondern sa�en jeden Abend auf
unseren Koffern im Zelte hinter einer Batterie von Flaschen zusammen.

Nach drei Tagen r�ckten wir wieder nach Combles ab, wo ich mit meinem Zug
vier kleinere Keller bezog.

Am ersten Morgen war es verh�ltnism��ig ruhig; ich machte daher einen
kleinen Spaziergang durch die verw�steten G�rten und pl�nderte mit
k�stlichen Pfirsichen behangene Spaliere. Bei meinen Irrg�ngen geriet ich
in ein von hohen Hecken umschlossenes Haus, das ein Liebhaber sch�ner,
alter Sachen bewohnt haben mu�te. An den W�nden der Zimmer hing eine
Sammlung bemalter Teller, wie sie der Nordfranzose liebt, Weihwasserbecken,
Kupferstiche und holzgeschnitzte Heiligenbilder. In gro�en Schr�nken
stapelte altes Porzellan, zierliche Lederb�nde waren auf den Boden
geschleudert, darunter eine k�stliche alte Ausgabe des Don Quijote. Es war
ein Jammer, all diese Sch�tze dem Verderben preisgegeben zu sehen.

Als ich in mein Domizil zur�ckkehrte, hatten die Leute, die auch ihrerseits
die G�rten untersucht hatten, aus Gem�se und Fleischkonserven, Kartoffeln,
Erbsen, M�hren, Artischocken und vielerlei Gr�nkram eine Suppe gebraut, in
der der L�ffel stehen blieb. W�hrend des Essens schlug eine Granate ins
Haus und drei in die N�he, ohne uns weiter zu st�ren. Wir waren durch die
�berf�lle der Eindr�cke schon zu sehr abgestumpft. In dem Hause mu�te sich
schon Blutiges zugetragen haben, denn auf einem Schuttberg im Mittelzimmer
erhob sich ein rohgeschnitztes Kreuz mit einer Reihe ins Holz gegrabener
Namen. Am n�chsten Mittag holte ich mir aus dem Hause des Porzellansammlers
einen Band der illustrierten Beilagen des �Petit Journal�, die in fast
jedem franz�sischen Hause zu finden sind und von w�ster Geschmacklosigkeit
strotzen; dann setzte ich mich in ein erhaltenes Zimmer, entz�ndete im
Kamin aus M�belst�cken ein Feuerchen und begann zu lesen. Ich mu�te h�ufig
den Kopf sch�tteln, denn mir waren die zur Zeit der Faschoda-Aff�re
gedruckten Nummern in die H�nde geraten. Ungef�hr um 7 Uhr hatte ich die
letzte Seite umgewandt und ging in den Vorraum vor dem Eingang des Kellers,
wo meine Leute an einem kleinen Herd kochten.

Kaum stand ich zwischen ihnen, gab es vor der Haust�r einen scharfen Knall,
und im selben Moment sp�rte ich einen starken Schlag gegen meinen linken
Unterschenkel. Mit dem uralten Kriegerruf: �Ich habe einen weg!� sprang
ich, meine Shagpfeife im Munde, die Kellertreppe hinunter.

Es wurde rasch Licht angez�ndet und der Fall untersucht. In der
Wickelgamasche klaffte ein gezacktes Loch, aus dem ein Blutstrahl auf den
Boden sprang. Auf der anderen Seite erhob sich der rundliche Wulst einer
unter der Haut liegenden Schrapnellkugel. Meine Leute verbanden mich und
trugen mich �ber die beschossene Stra�e in die Katakomben, wo mich unser
Oberstabsarzt in Empfang nahm. W�hrend mir der herbeigeeilte Leutnant Wetje
den Kopf hielt, schnitt er mir mit Messer und Schere die Schrapnellkugel
heraus, wobei er mich begl�ckw�nschte, denn das Blei war scharf zwischen
Schien- und Wadenbein hindurchgegangen, ohne einen Knochen zu verletzen.
Habent sua fata libelli et balli, meinte der alte Korpsstudent schmunzelnd,
indem er mich einem Sanit�ter zum Verbinden �berlie�.

W�hrend ich bis zum Einbruch der Dunkelheit auf einer Bahre in einer Nische
der Katakomben lag, kamen zu meiner Freude viele meiner Leute, um Abschied
von mir zu nehmen. Auch mein verehrter Oberstleutnant von Oppen besuchte
mich f�r kurze Zeit.

Am Abend wurde ich mit anderen Verwundeten an den Ortsausgang getragen und
dort in einen Sanit�tswagen geladen. Ohne auf das Geschrei der Insassen zu
achten, raste der Fahrer auf der unter starkem Feuer liegenden Chaussee
�ber Trichter und andere Hindernisse hinweg und gab uns endlich an ein Auto
weiter, das uns bis zur Kirche des Dorfes Fins fuhr, die mit Hunderten von
Verwundeten belegt war. Eine Krankenschwester erz�hlte mir, da� in der
letzten Zeit mehr als 30000 Verwundete �ber Fins abtransportiert w�ren. Von
dort kam ich nach St. Quentin, dessen Fensterscheiben vom unaufh�rlichen
Donner der Schlacht zitterten, und dann im Lazarettzuge weiter nach Gera,
wo ich im Garnisonlazarett eine vorz�gliche Pflege fand.

Von Kameraden der anderen Bataillone, die nach mir verwundet waren, erfuhr
ich das weitere Schicksal meiner Kompagnie, die am Tage nach meiner
Verwundung wieder in Stellung ger�ckt war. Nach verlustreichem Anmarsch und
zehnst�ndigem Trommelfeuer war sie infolge der gro�en Frontl�cken von allen
Seiten angegriffen worden. Der kleine Schmidt, F�hnrich Wohlgemut,
Leutnants Vogel und Sievers, kurz, fast alle Kameraden hatten, bis zur
letzten Sekunde fechtend, den Tod gefunden. Nur wenige �berlebende,
darunter Leutnant Wetje, waren dem Feinde in die H�nde gefallen; kein
einziger war nach Combles zur�ckgekehrt, um dort von dem Heldenkampfe, der
mit so unerh�rter Erbitterung ausgefochten war, zu erz�hlen. Selbst der
englische Heeresbericht erw�hnte ehrend die Handvoll M�nner, die in eherner
Treue bei Guillemont gestanden hatten bis zuletzt.

Wenn ich mich auch des Zufallstreffers freute, der mich am Vorabend der
Schlacht wie durch ein Wunder dem sicheren Tode entrissen hatte, so h�tte
ich anderseits doch, so seltsam es manchem klingen mag, gern das Los der
Kameraden geteilt und mit ihnen vereint auch �ber mich den eisernen W�rfel
des Krieges dahinrollen lassen. Stets hat mich, auf den H�hepunkten der
blutigen Schlachten, die ich noch erleben sollte, der strahlende,
unausl�schliche Ruhm dieser K�mpfer gemahnt, mich der ehemaligen
Kameradschaft w�rdig zu erweisen.

                   *       *       *       *       *

Die Tage von Guillemont machten mich zum ersten Male mit den verheerenden
Wirkungen der Materialschlacht bekannt. Wir mu�ten uns ganz neuen Formen
des Krieges anpassen. Jede Verbindung der Truppe mit der F�hrung, der
Artillerie und den Anschlu�regimentern war durch das furchtbare Feuer
lahmgelegt. Die Meldel�ufer fielen dem Eisenhagel zum Opfer, der
Telephondraht war, kaum gezogen, bereits in kleine St�cke zerhackt. Selbst
die Blinkzeichen der Signallampen versagten in dem dampf- und
staub�berw�lkten Gel�nde. Hinter der vorderen Linie erstreckte sich eine
kilometerbreite Zone, in der nur der Sprengstoff herrschte.

Selbst der Regimentsstab erfuhr erst, als wir nach drei Tagen zur�ckkamen,
wo wir eigentlich gelegen hatten und wie die Front verlief. Bei diesen
Verh�ltnissen war ein genaues Schie�en der Artillerie ausgeschlossen.

Auch die Stellung der Engl�nder war uns v�llig unklar, obwohl wir oft, ohne
es zu wissen, nur wenige Meter auseinander lagen. Manchmal lief ein Tommy,
der sich durch die Trichter tastete, wie eine Ameise durch einen Sandweg,
direkt in ein von uns besetztes Granatloch und umgekehrt, da unsere vordere
Linie nur aus einzelnen, verbindungslosen St�cken bestand, die man leicht
verfehlen konnte.

Das Landschaftsbild ist dem, der es geschaut, unverge�lich. Vor kurzem
hatte diese Gegend doch noch aus D�rfern, Wiesen, W�ldern und Feldern
bestanden, und nun war buchst�blich kein Strauch, kein winziges H�lmchen
mehr zu sehen. Jede Handbreit Bodens war umgew�hlt und immer wieder
umgew�hlt, die B�ume entwurzelt, zerfetzt und zu Mulm zermahlen, die H�user
weggeblasen und zu Pulver zerst�ubt, Berge abgetragen und das Ackerland zur
W�ste verwandelt.

In dieser W�stenei, umgeben von Toten und halbverdurstet, k�mpften M�nner
tage- und wochenlang mit dem Bewu�tsein, im Falle einer Verwundung
rettungslos dem Tode des Verschmachtens preisgegeben zu sein.

An den im Verh�ltnis zur Breite der Angriffsfront ungeheuren Verlusten trug
die mit altpreu�ischer Z�higkeit durchgef�hrte starre Lineartaktik die
Hauptschuld. Ein Bataillon nach dem andern wurde in die �berf�llte vordere
Linie geworfen und in wenigen Stunden zusammengetrommelt.

Erst recht sp�t sah man ein, da� es so nicht weiter gehen konnte und h�rte
auf, um wertlose Gel�ndestreifen zu k�mpfen, um sich einer beweglicheren
Verteidigung, deren H�hepunkt die elastische Zonentaktik wurde, zuzuwenden.

Daher wurde nie wieder mit solch verbissener Erbitterung gek�mpft wie
damals, wo man wochenlang um zerschossene Waldst�cke oder unkenntliche
Ruinen rang. Der Name auch des kleinsten pikardischen Nestes erinnert an
unerh�rte Heldenk�mpfe, die wahrhaft einzig in der Weltgeschichte dastehen.
Erst dort sank die Bl�te unserer disziplinierten Jugend in den Staub.
Erhabene Werte, die das deutsche Volk gro� gemacht hatten, leuchteten dort
noch einmal in blendendem Glanze auf, um langsam in einem Meere von Schlamm
und Blut zu erl�schen.




Am St. Pierre-Vaast.


Nachdem ich 14 Tage im Lazarett und ebensoviele auf Urlaub verbracht hatte,
begab ich mich wieder zum Regiment, das in Stellung bei Deuxnouds, ganz
nahe der wohlbekannten Grande Tranch�e, lag. Es blieb nach meiner Ankunft
nur zwei Tage dort und die gleiche Zeit in dem idyllischen, altert�mlichen
Bergneste Hattonch�tel. Dann dampften wir vom Bahnhof Mars-la-Tour wieder
in der Richtung auf das Sommegebiet ab.

Wir wurden in Bohain ausgeladen und in dem naheliegenden Dorf Brancourt
untergebracht. Diese Gegend, die wir sp�ter noch oft ber�hrten, ist von
Ackerbauern bewohnt, doch steht in fast jedem Hause ein Webstuhl. Die
Bev�lkerung schien mir unsympathisch, schmutzig und auf geringer Kultur-
und Moralstufe stehend. Ich war in einem H�uschen einquartiert, das durch
ein Ehepaar und seine Tochter bewohnt wurde. Man mu� den Leuten lassen, da�
sie mir f�r mein gutes Geld vorz�gliche Eierspeisen zubereiteten. Die
Tochter erz�hlte mir gleich beim Antrittskaffee, da� sie mit Poincar� nach
seiner R�ckkehr einen guten Kaffee trinken, das hei�t ihm ordentlich die
Meinung sagen w�rde. Niemals habe ich jemand mit so gro�er
Zungengel�ufigkeit schimpfen h�ren wie diese filia hospitalis auf die
Anschuldigung einer Nachbarin hin, in einer gewissen Stra�e von St. Quentin
gewohnt zu haben. �Ah, cette plure, cette pomme de terre pourrie, jet�e sur
un fumier, c'est la cr�me de la cr�me�, sprudelte sie hervor, w�hrend sie
mit krallenartig vorgestreckten H�nden durch das Zimmer raste, ohne ein
Objekt f�r ihre Wut finden zu k�nnen.

Am Morgen, wenn diese Rose von Brancourt mit der Zubereitung der Butter und
anderen h�uslichen Arbeiten besch�ftigt war, sah sie unglaublich wenig
einladend aus, doch nachmittags, wenn es galt, die Dorfstra�e auf und ab zu
stolzieren oder Freundinnen zu besuchen, hatte sich die garstige Puppe in
einen pr�chtigen Schmetterling verwandelt. Mit einem gewissen Mi�trauen
betrachtete ich immer eine gro�e Schachtel voll Reispuder, die dauernd auf
dem Tische stand und Wasser und Seife v�llig zu ersetzen schien.

Ihr Vater bat mich eines Tages, ihm eine Anklageschrift an den
Ortskommandanten aufzusetzen, da ihn ein Nachbar an der Kehle gepackt,
gepr�gelt und unter dem Rufe: �Demande pardon!� mit dem Tode bedroht h�tte.

Derartige kleine Beobachtungen gaben mir die tr�stliche Versicherung, da�
Nationalstolz auch in Frankreich keine Eigenschaft der Allgemeinheit ist.
Diese Erkenntnis half mir zwei Jahre sp�ter �ber den merkw�rdigen Empfang
hinweg, den uns manche Volksgenossen nach vier Jahren ehrenvoller h�rtester
K�mpfe in der Heimat zuteil werden lie�en. Il y a des cochons partout.

Die zweite Kompagnie wurde nun durch den Leutnant Boje gef�hrt. Wir
verlebten hier eine Reihe durch gute Kameradschaft versch�nter Tage. Ich
mu� gestehen, da� wir oft bei schwerem Umtrunk zusammensa�en, bis wir die
ganze Welt nur noch als ein l�cherliches Phantom, das um unseren Tisch
kreiste, betrachteten. Auch aus dem Zimmer der Burschen drang meist ein
gewaltiger L�rm. Wer sich noch nie in der kurzen Zeitspanne zwischen zwei
m�rderischen Schlachten befunden hat, mag dar�ber absprechend urteilen, wir
g�nnten jedenfalls uns und unseren Leuten aus vollem Herzen jede Stunde des
Rausches, die wir dem Leben abringen konnten, solange es uns noch in seinem
Kreise hielt.

F�r den kommenden Einsatz war ich als Sp�hoffizier bestimmt und stand mit
einem Sp�htrupp und zwei Unteroffizieren und vier Mann der Division zur
Verf�gung.

Am 8. November fuhr das Bataillon bei str�mendem Regen nach dem von der
Zivilbev�lkerung verlassenen Dorfe Gonnelieu. Von dort wurde der Sp�htrupp
nach Li�ramont abkommandiert und dem Leiter des
Divisionsnachrichtendienstes, Rittmeister B�ckelmann, unterstellt. Der
Rittmeister bewohnte mit uns vier Sp�hoffizieren, zwei
Beobachtungsoffizieren und seinem Adjutanten das ger�umige Pfarrhaus, in
dessen gem�tlich eingerichteten Zimmern ein kameradschaftliches
Zusammenleben gef�hrt wurde.

Unsere Vorg�nger machten uns mit der Stellung der Division vertraut. Wir
mu�ten uns jede zweite Nacht nach vorn begeben. Unsere Aufgabe war, die
Stellung genau festzulegen, die Anschl�sse zu pr�fen und uns �berall zu
orientieren, um im Notfalle Truppen einweisen und eventuelle Auftr�ge
ausf�hren zu k�nnen. Der mir als Arbeitsgebiet zugewiesene Abschnitt lag
links vom St. Pierre-Vaast-Walde, unmittelbar vor dem sogenannten
�Namenlosen Walde�. In der ersten Nacht geriet ich, nachdem ich beim
Durchstreifen eines vom Tortille-Bach durchflossenen Sumpfes fast ertrunken
w�re, in eine dichte Gescho�wolke von Phosgengas, die mich tr�nenden Auges
zum Vaux-Walde zur�ckscheuchte, wobei ich, durch die beschlagene Gasmaske
geblendet, von einem Trichter in den anderen st�rzte.

Am 12. November trat ich, auf besseres Gl�ck hoffend, mit dem Auftrage, die
Anschl�sse in der Trichterstellung festzustellen, meinen zweiten Gang nach
vorn an. An einer in Erdl�chern verborgenen Kette von Relaisposten strebte
ich meinem Ziele zu.

Die Trichterstellung trug ihren Namen zu Recht. Auf einem vor dem Dorfe
Rancourt liegenden Plateau waren zahllose Miniaturkrater verstreut, hier
und dort von einigen Leuten besetzt. Das Gel�nde machte in seiner
Einsamkeit, in der nur das Pfeifen und Krachen der Geschosse ert�nte, einen
Eindruck be�ngstigender �de.

Nach einiger Zeit verlor ich den Anschlu� an die Trichterlinie und ging
zur�ck, um nicht den Franzosen in die H�nde zu laufen. Ich stie� dabei auf
einen bekannten Offizier vom Regiment 164, der mich warnte, in der
anbrechenden D�mmerung noch l�nger zu verweilen. Ich durchschritt daher
eilig den �Namenlosen Wald� und stolperte durch tiefe Trichter, �ber
entwurzelte B�ume und ein fast undurchdringliches Gewirr herabgeschlagener
�ste.

Als ich aus dem Waldrande trat, war es hell geworden. Das Trichterfeld lag
ohne eine Spur von Leben vor mir. Ich stutzte, denn in der modernen
Schlacht sind menschenleere Fl�chen stets verd�chtig.

Pl�tzlich fiel ein von einem unsichtbaren Sch�tzen abgegebener Schu�, der
mich an beiden Unterschenkeln traf. Ich warf mich in den n�chsten Trichter
und verband die Wunden mit meinem Taschentuch, da ich meine Verbandp�ckchen
nat�rlich wieder vergessen hatte. Ein Gescho� hatte mir die rechte Wade
durchbohrt und die linke gestreift.

Mit �u�erster Vorsicht kroch ich in den Wald zur�ck und humpelte von dort
durch das schwerbeschossene Gel�nde zum Verbandplatz.

Kurz davor erlebte ich wieder ein Beispiel daf�r, von wie kleinen Umst�nden
das Gl�ck im Kriege abh�ngt. Ungef�hr 100 Meter vor einer Stra�enkreuzung,
auf die ich zustrebte, rief mich der F�hrer einer schanzenden Abteilung an,
mit dem ich in der 9. Kompagnie zusammen gefochten hatte. Kaum hatten wir
eine Minute gesprochen, als mitten auf der Kreuzung eine Granate krepierte,
die ohne diese zuf�llige Begegnung wahrscheinlich mich getroffen haben
w�rde.

Nach Einbruch der Dunkelheit wurde ich bis Nurlu auf einer Bahre getragen.
Der Rittmeister B�ckelmann erwartete mich freundlicherweise mit einem Auto.
Auf der von feindlichen Scheinwerfern bestrahlten Chaussee zog der F�hrer
pl�tzlich den Bremshebel an. Ein dunkles Hindernis sperrte die Stra�e. Es
war eine Infanteriegruppe mit ihrem F�hrer, die soeben einem Volltreffer
zum Opfer gefallen war. Die im Tode vereint liegenden Kameraden hatten das
friedliche Aussehen stiller Schl�fer.

Im Pfarrhause mu�te ich in den Keller getragen werden, da Li�ramont gerade
seinen Abendsegen bekam. Ich wurde am selben Abend in das Feldlazarett
Villeret und von dort zum Kriegslazarett Valenciennes transportiert.

Das Kriegslazarett war nahe dem Bahnhof im Gymnasium eingerichtet und
beherbergte �ber 400 Schwerverwundete. Tag f�r Tag verlie� unter dumpfem
Trommelschlag ein Leichenzug das gro�e Portal. In dem weiten Operationssaal
konzentrierte sich der ganze Jammer des Krieges. An einer Reihe von
Operationstischen walteten die �rzte ihres blutigen Handwerkes. Hier wurde
ein Glied amputiert, dort ein Sch�del aufgemei�elt oder ein festgewachsener
Verband gel�st. Wimmern und Schmerzensschreie hallten durch den von
mitleidlosem Licht durchfluteten Raum, w�hrend wei�gekleidete Schwestern
gesch�ftig mit Instrumenten oder Verbandzeug von einem Tisch zum andern
eilten.

Der Soldat, der nach solchem Anblicke wieder in alter Frische ins Feuer
geht, hat seine Nervenprobe bestanden, denn jeder neue, schreckliche
Eindruck krallt sich im Hirn fest und reiht sich an den l�hmenden
Vorstellungskomplex, der die Zeitspanne zwischen Heranbrausen und Einschlag
der Eisenklumpen immer furchtbarer gestaltet.

Neben meinem Bette lag ein Feldwebel, der ein Bein verloren hatte, im
Sterben. In seiner letzten Stunde erwachte er aus wirren Fieberschauern und
lie� sich von der Schwester sein Lieblingskapitel aus der Bibel vorlesen.
Dann bat er mit kaum h�rbarer Stimme s�mtliche Stubengenossen um
Entschuldigung, da� er sie durch seine Fieberdelirien so oft aus der Ruhe
gest�rt h�tte und war in wenigen Minuten tot, nachdem er, um uns
aufzuheitern, noch versucht hatte, den komischen Dialekt unserer Ordonnanz
nachzuahmen.

Ich war froh, als ich halbgeheilt nach 14 Tagen diese St�tte geh�uften
Elends verlassen konnte. Mit Stolz hatte ich von dem inzwischen so gl�nzend
durchgef�hrten Sturm des F�silier-Regiments gegen den St. Pierre-Vaast-Wald
gelesen.

Die 111. Division hatte noch dieselbe Stellung inne. Als mein Zug in Ep�hy
einrollte, ert�nte eine Reihe von Explosionen. Verstreute verbeulte Tr�mmer
vom G�terwagen verrieten, da� hier nicht gespa�t wurde.

�Was ist denn hier los?� fragte ein mir gegen�bersitzender Hauptmann, der
anscheinend frisch aus der Heimat exportiert war. Ohne mich mit einer
Antwort aufzuhalten, ri� ich die T�r des Abteils auf und nahm hinter dem
Bahndamm Deckung. Zum Gl�ck waren diese Einschl�ge die letzten. Es waren
nur einige Pferde verwundet.

Da ich noch nicht gut marschieren konnte, wurde mir der Posten eines
Beobachtungsoffiziers �bertragen. Die Beobachtung lag an dem abfallenden
Hang zwischen Nurlu und Moislains. Sie bestand aus einem in einen
Unterstand eingebauten Scherenfernrohr, durch das ich die mir wohlbekannte
vordere Linie beobachten konnte. Bei st�rkerem Feuer, bunten Leuchtkugeln
oder sonstigen besonderen Ereignissen war die Division telephonisch zu
benachrichtigen. Tagelang hockte ich frierend auf einem St�hlchen hinter
dem Doppelglase im Novembernebel ohne eine andere Abwechslung als ab und zu
eine Leitungsprobe. War der Draht zerschossen, so mu�te ich ihn durch
meinen St�rungstrupp flicken lassen.

Das moderne Schlachtfeld gleicht einer ungeheuren, ruhenden Maschinerie, in
der ungez�hlte verborgene Augen, Ohren und Arme unt�tig auf die eine Minute
lauern, auf die es allein ankommt. Dann f�hrt als feurige Ouverture eine
einzelne rote Leuchtkugel aus irgendeinem Erdloche in die H�he, tausend
Gesch�tze br�llen zugleich auf, und mit einem Schlage beginnt das Werk der
Vernichtung, von unz�hligen Hebeln getrieben, seinen zermalmenden Gang.

Befehle stiegen als Funken und Blitze durch ein engmaschiges Netz, um vorn
zu gesteigerter Vernichtung anzuspornen und von hinten in gleichm��igem
Strome neue Menschen und neues Material in Bewegung zu setzen und in die
Brandung zu schleudern. Jeder f�hlt sich wie durch einen Strudel von
weither durch einen r�tselhaften Willen gepackt und mit unerbittlicher
Pr�zision zu den Brennpunkten t�dlichen Geschehens getrieben.

Nach je 24 Stunden l�ste mich ein anderer Offizier ab, und ich erholte mich
im nahen Nurlu, wo in einem gro�en Weinkeller ein verh�ltnism��ig bequemes
Quartier eingerichtet war. Ich erinnere mich noch manchmal der langen,
nachdenklichen Novemberabende, die ich, meine Pfeife rauchend, einsam vor
dem Kamin des kleinen, tonnenf�rmigen Kellergew�lbes verbrachte, w�hrend
drau�en im verw�steten Park der Nebel von kahlen B�umen tropfte und in
langen Pausen ein widerhallender Einschlag die Stille unterbrach.

Am 18. November wurde die Division abgel�st und ich stie� wieder zum
Regiment, das im Dorfe Fresnoy-le-Grand in Ruhe lag. Ich �bernahm dort f�r
den beurlaubten Leutnant Boje die F�hrung der zweiten Kompagnie. In Fresnoy
hatte das Regiment vier Wochen ungest�rter Ruhe, und jeder bem�hte sich,
davon so viel als m�glich zu profitieren. Weihnachten und Neujahr wurden
durch gro�e Kompagniefeste gefeiert, bei denen Bier und Grog in Str�men
flo�. Es waren gerade noch f�nf Mann in der zweiten Kompagnie, die das
vorige Weihnachtsfest mit mir zusammen in den Sch�tzengr�ben von Monchy
gefeiert hatten.

Ich bewohnte mit dem F�hnrich Gornick und meinem Bruder Fritz, der als
Fahnenjunker f�r sechs Wochen zum Regiment gekommen war, den sogenannten
Salon und zwei Schlafzimmer eines franz�sischen Kleinrentners. Wir machten
uns redlich lustig �ber das spie�ige Ehepaar, das seine Pl�schm�bel und
Markartbuketts sowie den im Hofe aufgestapelten Holzvorrat mit wahren
Argusaugen bewachte und mit den Burschen auf st�ndigem Kriegsfu�e lebte.

Der Becher wurde in dem kleinen Neste schlimmer denn je geschwungen. Wenn
man sp�t durch die engen Gassen schritt, h�rte man �berall aus
Mannschafts-, Unteroffiziers- und Offiziersquartieren das Gewirr fr�hlicher
Gelage. Im Kriege ist alles auf r�cksichtslose Wirkung berechnet, daher kam
wohl auch die Vorliebe des Feldsoldaten f�r den Alkohol in seinen
konzentrierten Formen. Der Verkehr mit der Zivilbev�lkerung war teilweise
von unerw�nschter Vertraulichkeit; Venus entzog dem Mars manchen Diener.

Der Dienst wurde selbstverst�ndlich sofort in altpreu�ischer Strammheit
aufgenommen, und es war ein vorz�gliches Zeichen f�r F�hrer und Truppe, da�
nach 14 Tagen die Mannszucht wieder auf der alten H�he stand.

In der ersten Woche fand eine Besichtigung durch den Divisionskommandeur,
Generalmajor Sontag, statt, bei der das Regiment f�r seine hervorragende
Haltung beim Sturm auf den St. Pierre-Vaast-Wald ger�hmt und mit
zahlreichen Auszeichnungen bedacht wurde. Als ich dem Divisionskommandeur
die zweite Kompagnie im Parademarsch vorf�hrte, bemerkte ich, da� der
Oberstleutnant v. Oppen dem General �ber mich zu berichten schien. Einige
Stunden sp�ter wurde ich zum Divisionsstabsquartier befohlen, wo mir der
General das Eiserne Kreuz I. Klasse �berreichte.

Am 17. Januar 1917 wurde ich von Fresnoy f�r vier Wochen nach dem
franz�sischen Truppen�bungsplatz Sisonne bei Laon zu einem
Kompagnief�hrerkursus abkommandiert. Der Dienst wurde uns durch den Leiter
unserer Abteilung, den Hauptmann Funk, sehr angenehm gemacht, der es in
gl�nzender Weise verstand, das Wesen �ber die starre Form zu stellen und
uns mit Interesse f�r die Sache zu erf�llen.

Die Verpflegung w�hrend dieser Zeit war wohl die k�mmerlichste, die ich im
Kriege erlebt habe. Auf den Tischen unseres riesengro�en Kasinos stand
w�hrend der ganzen vier Wochen selten etwas anderes als ein d�nnes
Steckr�bengem�se. Dabei war der Dienst keineswegs leicht.




Der Somme-R�ckzug.


Zum Regiment zur�ckgekehrt, das seit einigen Tagen bei den Ruinen von
Villers-Carbonnel in Stellung lag, bekam ich vertretungsweise die F�hrung
der 8. Kompagnie. Ruheort war Devise.

Wenn man von dort nach der Front marschierte, mu�te man die Somme-Niederung
bei den D�rfern Brie und St. Christ �berschreiten, deren trostlose
Verw�stung inmitten der melancholischen Sumpflandschaft mich besonders
nachts in eine traurige Stimmung versetzte, wenn dunkle Wolkenfetzen �ber
den Mondhimmel jagten und durch unheimliche Beleuchtungsdifferenzen den
Eindruck des Chaotischen verst�rkten.

Die Stellung war w�hrend der letzten Zeit unseres Aufenthaltes zahlreichen
englischen Vorst��en ausgesetzt, die mit unserer eifrig vorbereiteten
gro�en R�umung des Sommegebietes zusammenhingen. Der Gegner entsandte fast
jeden Morgen eine Kampfpatrouille gegen unsere Linie, um sich von unserer
Anwesenheit zu �berzeugen. Ich bringe hier einige Erlebnisse der damaligen
Periode:

4. 3. 1917. Am Nachmittag herrschte des klaren Wetters wegen lebhafte
Feuert�tigkeit. Besonders eine schwere Batterie ebnete unter
Ballonbeobachtung den Abschnitt meines 3. Zuges fast vollkommen ein. Um
meine Stellungskarte zu vervollst�ndigen, patschte ich am Nachmittag durch
den vollst�ndig versoffenen �namenlosen Graben� zum 3. Zuge. W�hrend dieses
Weges sah ich vor uns eine riesige, gelbe Sonne zur Erde sinken, eine
lange, schwarze Rauchfahne nach sich ziehend. Ein schneidiger Flieger hatte
sich an den unangenehmen Fesselballon herangemacht und ihn in Brand
geschossen. Er entkam trotz rasendem Verfolgungsfeuer.

Am Abend kam der Gefreite Schnau zu mir und meldete, unter seinem
Gruppenunterstande schon seit vier Tagen ein pickendes Ger�usch vernommen
zu haben. Ich gab diese Beobachtung weiter und bekam ein Pionierkommando
mit Horchapparaten gestellt, das allerdings nichts Verd�chtiges wahrnahm.
Sp�ter erfuhren wir, da� damals die ganze Stellung unterminiert gewesen
sein soll.

Am 5. 3. n�herte sich in den fr�hen Morgenstunden eine Patrouille unserem
Graben und begann, das Drahtverhau zu durchschneiden. Der Leutnant Eisen
eilte mit einigen Leuten auf die Meldung eines Postens herbei und warf
Handgranaten, worauf die Angreifer sich zur Flucht wandten und zwei Mann
liegen lie�en. Der eine, ein junger Leutnant, starb gleich darauf; der
andere, ein Sergeant, war schwer an Arm und Bein verwundet. Aus den
Papieren des Offiziers ging hervor, da� er den Namen Stokes trug und dem
Royal Munster 2. F�silier-Regiment angeh�rte. Er war sehr gut angezogen,
und sein vom Tode verkrampftes Gesicht war intelligent und energisch
geschnitten. Wir begruben ihn hinter unserem Graben und setzten ihm ein
einfaches Kreuz. Ich ersah aus diesem Erlebnis, da� nicht jeder
Patrouillengang so gl�cklich zu enden brauchte wie meine bisherigen.

Am n�chsten Morgen griff der Engl�nder nach kurzer Artillerievorbereitung
den Abschnitt der Nachbarkompagnie, in dem der Leutnant Reinhardt
befehligte, mit 50 Mann an. Der Gegner hatte sich vor den Draht
geschlichen, und nachdem einer von ihnen mit einer am �rmelaufschlag
befestigten Reibfl�che ein Lichtzeichen gegeben hatte, um die englischen
Maschinengewehre zum Schweigen zu bringen, war er gleichzeitig mit seinen
letzten Granaten gegen unseren Graben angelaufen. Alle hatten beru�te
Gesichter, um sich m�glichst wenig von der Dunkelheit abzuheben.

Unsere Leute empfingen sie indessen so meisterhaft, da� nur ein einziger in
den Graben gelangte. Dieser rannte gleich bis zur zweiten Linie durch, wo
er, nachdem er die Aufforderung, sich zu ergeben, nicht beachtet hatte,
niedergeschossen wurde. Den Draht zu �berspringen, gelang nur einem
Leutnant und einem Sergeanten. Der Leutnant wurde, trotzdem er unter der
Uniform einen Panzer trug, erledigt, da ihm eine von Reinhardt � coup
portant entgegengesandte Pistolenkugel eine ganze Panzerplatte in den Leib
jagte. Dem Sergeanten wurden durch Handgranatensplitter beide Beine fast
abgerissen, trotzdem behielt er mit stoischer Ruhe seine kurze Pfeife bis
zum Tode zwischen den zusammengebissenen Z�hnen.

Am Vormittag dieses erfolgreichen Morgens schlenderte ich durch meinen
Graben und sah auf einem Postenstande den Leutnant Pfaffendorf, der von
dort mit einem Scherenfernrohr das Feuer seiner Minenwerfer leitete. Ich
trat neben ihn und bemerkte sofort einen Engl�nder, der hinter der dritten
feindlichen Linie �ber Deckung ging und sich in seiner khakibraunen Uniform
scharf vom Horizont abhob. Ich ri� dem n�chsten Posten das Gewehr aus der
Hand, stellte Visier 600, nahm den Mann scharf aufs Korn, hielt etwas vor
den Kopf und zog ab. Er tat noch drei Schritte, fiel dann auf den R�cken,
als ob ihm die Beine unter dem Leib fortgezogen w�ren, schlug ein paarmal
mit den Armen und rollte in ein Granatloch, aus dem wir durch das Glas noch
lange seinen braunen �rmel leuchten sahen.

Am 9. 3. wurde unser Abschnitt mit schweren Granaten zugedeckt. Ich hatte
einen Toten und mehrere Verwundete. Der Eingang meines Stollens wurde wie
eine Streichholzschachtel zermalmt. Am Abend wurden wir abgel�st und
marschierten nach Devise.

Am 13. bekam ich vom Oberst v. Oppen den ehrenvollen Auftrag, den
Kompagnieabschnitt mit einer Patrouille von zwei Gruppen bis zum v�lligen
�bergang des Regiments �ber die Somme zu halten. Jeder der vier Abschnitte
in vorderer Linie sollte durch eine derartige Patrouille, deren F�hrung
energischen Offizieren �bertragen war, besetzt werden. Die Abschnitte waren
vom rechten Fl�gel den Leutnants Reinhardt, Fischer, Lorek und mir
unterstellt. Die D�rfer, die wir auf unserem Marsch nach vorn passierten,
hatten das Aussehen gro�er Tollh�user angenommen. Ganze Kompagnien stie�en
und rissen Mauern um oder sa�en oben auf den D�chern und zertr�mmerten die
Ziegel. B�ume wurden gef�llt, Scheiben zerschlagen, rings stiegen von
gewaltigen Schutthaufen Rauch und Staubwolken auf, kurz, es wurde eine
Orgie der Vernichtung gefeiert.

Man sah Leute in den von den Einwohnern zur�ckgelassenen Anz�gen und
Frauenkleidern, Zylinderh�te auf den K�pfen, voll unglaublichem Eifer
umherrasen. Sie fanden mit geradezu genialem Scharfsinn den Hauptbalken der
H�user heraus, befestigten Seile daran und zogen mit dem taktm��igen
Geschrei gr��ter Anstrengung so lange, bis alles zusammenprasselte. Andere
schwangen gewaltige H�mmer und zerschmetterten damit, was ihnen in den Weg
kam, vom Blumentopfe vorm Fensterbrett bis zur kunstvollen Glaskonstruktion
eines Wintergartens.

Bis zur Siegfriedstellung war jedes Dorf ein Tr�mmerhaufen, jeder Baum
gef�llt, jede Stra�e unterminiert, jeder Brunnen verpestet, jeder Flu�lauf
abged�mmt, jeder Keller gesprengt oder durch versteckte Bomben gef�hrdet,
alle Vorr�te oder Metalle zur�ckgeschafft, jede Schiene abmontiert, jeder
Telephondraht abgerollt, alles Brennbare verbrannt; kurz, das Land, das den
vordringenden Gegner erwartete, war in �deste W�ste verwandelt.

Die moralische Berechtigung dieser Zerst�rungen ist viel umstritten, doch
scheint mir das chauvinistische Wutgeheul diesmal verst�ndlicher als der
befriedigte Beifall der Heimkrieger und Zeitungsschreiber. Wo tausende
friedlicher Menschen ihrer Heimat beraubt werden, mu� das selbstgef�llige
Machtgef�hl schweigen.

�ber die Notwendigkeit der Tat bin ich als preu�ischer Offizier nat�rlich
keinen Augenblick im Zweifel. Kriegf�hren hei�t, den Gegner durch
r�cksichtslose Kraftentfaltung zu vernichten suchen. Der Krieg ist der
Handwerke h�rtestes, seine Meister d�rfen der Menschlichkeit nur so lange
das Herz �ffnen, als sie nicht schaden kann.

Da� diese Handlung, die die Stunde forderte, nicht sch�n war, tut nichts
zur Sache. Der aufmerksame Beobachter ersah es schon aus der Weise, in der
sich der objektive F�hrerwille bei der Mannschaft in eine Reihe von
niederen Instinkten umsetzte.

Am 13. verlie� die zweite Kompagnie die Stellung, die ich mit meinen beiden
Gruppen �bernahm. In dieser Nacht fiel ein Mann mit dem omin�sen Namen
Kirchhof durch Kopfschu�. Merkw�rdigerweise war dieses Ungl�cksgescho� das
einzige, das vom Gegner innerhalb mehrerer Stunden abgeschossen wurde.

Ich ordnete alles M�gliche an, um den Gegner �ber unsere St�rke zu
t�uschen. Bald wurden hier, bald dort einige Schaufeln voll Erde �ber
Deckung geworfen, und unser einziges Maschinengewehr mu�te bald vom
rechten, bald vom linken Fl�gel eine Reihe von Sch�ssen abgeben. Trotzdem
klang unser Feuer recht d�nn, wenn niedrigfliegende Beobachter die Stellung
�berkreuzten oder eine Abteilung von Schanzern das feindliche Hinterland
durchquerte. Daher tauchten jede Nacht an verschiedenen Punkten vor unserem
Graben Patrouillen auf, die sich am Draht zu schaffen machten.

Am vorletzten Tage h�tte ich beinahe ein �rgerliches Ende gefunden. Der
Blindg�nger einer Ballonabwehrkanone sauste aus gewaltiger H�he herunter
und explodierte auf der Schulterwehr, an die ich mich ahnungslos gelehnt
hatte. Ich wurde durch den Luftdruck genau in die gegen�berliegende �ffnung
eines Stollens geschleudert, wo ich mich �u�erst verdutzt wiederfand.

Am 17. morgens merkten wir, da� ein Angriff nahe bevorstehen mu�te. Im
vorderen, sonst unbesetzten, stark verschlammten englischen Graben erklang
das Patschen vieler Stiefel. Das Lachen und Rufen einer starken Abteilung
verriet, da� diese Leute sich auch innerlich gut angefeuchtet haben mu�ten.
Dunkle Gestalten n�herten sich unserem Draht und wurden durch Sch�sse
vertrieben, eine brach jammernd zusammen und blieb liegen. Ich zog meine
Leute igelf�rmig um die Einm�ndung eines Laufgrabens zusammen und bem�hte
mich, das Vorgel�nde in dem pl�tzlich einsetzenden Artillerie- und
Minenfeuer durch Leuchtkugeln zu erhellen. Da uns die wei�en bald
ausgingen, jagten wir ein wahres Feuerwerk von bunten in die Luft. Als um 5
Uhr die Stunde der befehlsm��igen R�umung anbrach, sprengten wir noch rasch
die Unterst�nde mit Handgranaten auseinander, soweit wir sie nicht vorher
mit teilweise genial konstruierten H�llenmaschinen versehen hatten.

Zur festgesetzten Zeit zogen sich s�mtliche Patrouillen, teilweise schon in
Handgranatenk�mpfe verwickelt, gegen die Somme zur�ck. Nachdem wir als die
Letzten die Niederung �berschritten hatten, wurden die Br�cken durch
Pionierkommandos in die Luft gesprengt. Auf unserer Stellung tobte noch
immer das Trommelfeuer. Erst nach einigen Stunden erschienen die ersten
feindlichen Patrouillen an der Somme. Wir zogen uns hinter die noch im Bau
befindliche Siegfriedstellung zur�ck; das Bataillon bezog Quartier in dem
am �Canal de St. Quentin� gelegenen Dorfe Lehaucourt. Ich bewohnte mit
meinem Burschen ein kleines, gem�tliches H�uschen, in dem der Hausrat der
verbannten Bewohner noch in Truhen und Schr�nken aufgespeichert war. Als
bezeichnenden Zug f�r das Wesen unserer Leute m�chte ich anf�hren, da� mein
Bursche, der treue Knigge, trotz allem Zureden nicht zu bewegen war, sein
Nachtlager im warmen Wohnzimmer aufzuschlagen, sondern durchaus in der
kalten K�che schlafen wollte. Diese dem Niedersachsen eigene Zur�ckhaltung
machte dem F�hrer den Verkehr mit der Mannschaft leicht. Die Disziplin im
Regiment wurde erst von dem Tage an lockerer, an dem wir Angeh�rige anderer
St�mme als Ersatz einstellen mu�ten.

Am ersten Ruheabend lud ich meine Freunde zu einem mit s�mtlichen vom
Hausbesitzer hinterlassenen Gew�rzen gefeuerten Gl�hwein ein, denn unsere
R�ckzugspatrouille hatte nicht nur das Lob aller Vorgesetzten, sondern auch
einen vierzehnt�gigen Urlaub zur Folge gehabt.




Im Dorfe Fresnoy.


Mein Urlaub, den ich einige Tage sp�ter antrat, wurde diesmal nicht
unterbrochen. Am 9. April 1917 kam ich wieder bei der zweiten Kompagnie an,
die im Dorfe Merignies unweit Douai in Quartier lag. Die Wiedersehensfreude
wurde durch einen unerwarteten Alarm gest�rt, der mir besonders durch den
Auftrag, den Gefechtstro� nach Beaumont zu f�hren, unangenehm wurde. Durch
Regenschauer und Schneegest�ber ritt ich an der Spitze der �ber die
Chaussee schleichenden Wagenkolonne, bis wir um 1 Uhr nachts unser Ziel
erreicht hatten.

Nachdem ich Pferde und Leute aufs notd�rftigste untergebracht hatte, ging
ich auf Suche nach einem Quartier f�r mich, doch fand ich auch den
kleinsten Platz schon besetzt. Endlich kam ein Feldintendanturbeamter auf
den guten Gedanken, mir sein Bett anzubieten, da er am Telephon wachen
mu�te. W�hrend ich mich mit Stiefeln und Sporen darauf warf, erz�hlte er
mir, da� die Engl�nder den Bayern die Vimy-H�he und ein gro�es St�ck
Gel�nde abgenommen h�tten. Trotz seiner Gastfreundlichkeit mu�te ich
feststellen, da� ihm die Verwandlung seines stillen Etappend�rfchens in
einen Rendez-vous-Platz der Kampftruppen �u�erst unangenehm schien.

Am folgenden Morgen marschierte das Bataillon dem Kanonendonner entgegen
bis zum Dorfe Fresnoy. Dort bekam ich Befehl, eine Beobachtungsstelle zu
errichten. Ich suchte mir mit einigen Leuten am Westrande des Dorfes ein
H�uschen aus, durch dessen Dach ich einen zur Front gerichteten Ausguck
schlagen lie�. Unsere Wohngem�cher verlegten wir in den Keller, bei dessen
Ausr�umung uns als angenehmer Zuschu� zu unserer �u�erst knappen
Verpflegung ein Sack Kartoffeln in die H�nde fiel. Auch schickte mir der
Leutnant Gornick, der das bereits ger�umte Dorf Villerwal mit einem Zuge
als Feldwache besetzt hielt, als kameradschaftliches Geschenk aus den in
der Eile zur�ckgelassenen Best�nden eine gro�e Dose Leberwurst und einige
Flaschen Rotwein. Eine von mir sofort mit Kinderwagen und �hnlichen
Transportmitteln ausger�stete Expedition zur Bergung dieser Sch�tze mu�te
leider unverrichteter Dinge wieder umkehren, da der Engl�nder den Dorfrand
bereits mit dichten Sch�tzenlinien erreicht hatte.

Am 14. April bekam ich den Auftrag, im Dorfe eine Nachrichtensammelstelle
zu errichten. Es waren mir zu diesem Zwecke Meldel�ufer, Radfahrer,
Telephone, Lichtsignalstation, Erdtelegraph, Brieftauben und eine
Leuchtpostenkette zur Verf�gung gestellt. Ich suchte mir am Abend einen
passenden Keller mit eingebautem Stollen aus und begab mich dann zum
letztenmal in meine alte Wohnung am Westrande.

In der Nacht glaubte ich einige Male Krachen und Geschrei meines Burschen
zu h�ren, war aber so schlaftrunken, da� ich nur murmelte: �La� man
schie�en!� und mich auf die andere Seite w�lzte, trotzdem der ganze Raum
dicht voll Staub war. Am n�chsten Morgen wurde ich durch den Neffen des
Obersts von Oppen, den kleinen Schultz, mit dem Rufe geweckt: �Mensch,
wissen Sie noch gar nicht, da� Ihr ganzes Haus zusammengeschossen ist?� Als
ich aufstand und mir den Schaden besah, merkte ich, da� eine schwere
Granate oben am Dache geplatzt war und s�mtliche R�ume mit dem
Beobachtungsstande eingerissen hatte. Der Z�nder h�tte nur ein wenig gr�ber
zu sein brauchen, und das Gescho� h�tte uns im Keller an die W�nde geklebt.
Schultz erz�hlte mir, da� seine Ordonnanz beim Anblick des zerst�rten
Hauses gesagt h�tte: �Da hat doch gestern ein Leutnant drin gewohnt, wir
wollen doch mal sehen, ob der noch is.� Mein Bursche war ganz au�er sich
�ber meinen unglaublich festen Schlaf.

Am Vormittag siedelten wir in unseren neuen Keller �ber. Auf dem Wege
dorthin h�tten uns beinahe die Tr�mmer des einst�rzenden Kirchturms
erschlagen, der von einem Pionierkommando sans fa�on in die Luft gesprengt
wurde, um der feindlichen Artillerie das Einschie�en zu erschweren. In
einem Nachbardorfe hatte man sogar vergessen, einen Doppelposten zu
benachrichtigen, der aus der Turmluke beobachtete. Wunderbarerweise konnte
man die Leute unverletzt aus dem Geb�lk hervorziehen.

Wir richteten uns in unserem ger�umigen Keller ganz leidlich ein, indem wir
M�belst�cke aus Schlo� und H�tte, die uns gerade praktisch erschienen,
zusammenschleppten.

W�hrend der ganzen Tage spielte sich �ber uns eine Reihe erbitterter
Fliegerk�mpfe ab, die fast immer mit der Niederlage der Engl�nder endeten,
da die Kampfstaffel Richthofen �ber der Gegend kreiste. Oft wurden f�nf,
sechs Flugzeuge nacheinander auf den Boden gedr�ckt oder brennend
abgeschossen. Einmal sahen wir den Insassen in weitem Bogen herausfliegen
und als schwarzen Punkt von seiner Maschine getrennt zur Erde st�rzen. Das
Hinaufstarren barg allerdings auch seine Gefahren, so wurde zum Beispiel
ein Mann der 4. Kompagnie durch einen herabfallenden Splitter t�dlich am
Halse getroffen.

Am 18. April besuchte ich die 2. Kompagnie in Stellung, die in einem um das
Dorf Arleux geschlungenen Frontbogen lag. Leutnant Boje erz�hlte mir, da�
er bislang nur einen einzigen Verwundeten gehabt h�tte, da das planm��ige
Einschie�en der Engl�nder jedesmal eine R�umung der beschossenen Abschnitte
gestattete.

Nachdem ich ihm alles Gute gew�nscht hatte, mu�te ich der st�ndig
einschlagenden schweren Granaten wegen das Dorf im Galopp verlassen. 300
Meter hinter Arleux blieb ich stehen und betrachtete die Wolken der
hochspritzenden Einschl�ge, die, je nachdem Ziegelmauern zermalmt oder
Gartenerde aufgeschleudert wurde, rot oder schwarz gef�rbt waren, vermischt
mit dem zarten Wei� platzender Schrapnells. Als jedoch einige Gruppen
leichter Granaten auf die schmalen Trampelpfade fielen, die Arleux mit
Fresnoy verspannen, verzichtete ich auf weitere Impressionen und r�umte
eiligst das Feld, um mich nicht �ant�ten� zu lassen, wie der damals gerade
�bliche Fachausdruck der zweiten Kompagnie lautete.

Derartige Spazierg�nge, die ich zum Teil bis zum St�dtchen Henin-Li�tard
ausdehnte, machte ich ziemlich oft, da in den ersten 14 Tagen trotz meines
gro�en Personals nicht eine einzige Meldung zu bef�rdern war.

Vom 20. April ab wurde Fresnoy durch ein 30,5-cm-Gesch�tz beschossen,
dessen Granaten mit geradezu infernalischem Fauchen heranheulten. Nach
jedem Einschlag war das Dorf in eine gewaltige, rotbraune Pikrinwolke
geh�llt. Ein Mann der 9. Kompagnie, auf dem Schlo�hofe von einem derartigen
Gescho� �berrascht, wurde hoch �ber die B�ume des Parkes geschleudert und
brach beim Aufsturze s�mtliche Knochen.

An den Nachmittagen lag das Dorf unter dem Feuer verschiedenster Kaliber.
Trotz der Gefahr konnte ich mich nicht vom Dachfenster meines Quartiers
trennen, denn es war ein spannender Anblick, einzelne Abteilungen und
Meldeg�nger hastig und sich oft niederwerfend �ber das beschossene Gel�nde
eilen zu sehen, w�hrend rechts und links von ihnen der Boden aufwirbelte.

Von Tag zu Tag wurde die Artilleriet�tigkeit lebhafter und schlo� jeden
Zweifel an einem baldigen Angriffe aus. Am 27. bekam ich um Mitternacht den
Fernspruch: �67 von 5 a. m.�, was nach unserem Zifferncode �von 5 Uhr
vormittags an erh�hte Alarmbereitschaft� bedeutete.

Ich legte mich also, um den voraussichtlichen Anstrengungen gewachsen zu
sein, gleich nieder, doch als ich gerade beim Einschlafen war, schlug eine
Granate ins Haus, dr�ckte die Wand der Kellertreppe ein und warf uns das
ganze Mauerwerk in den Raum. Wir sprangen hoch und eilten in den Stollen.

Als wir verdrossen und m�de beim Scheine einer Kerze auf der Treppe
hockten, kam der F�hrer meiner Lichtsignalisten, deren Station nebst zwei
wertvollen Signallampen am Nachmittage zerschmettert war, angest�rmt und
meldete: �Herr Leutnant, der Keller von Haus Nr. 11 hat einen Volltreffer
bekommen, es liegen noch welche unter den Tr�mmern!� Da ich im Haus Nr. 11
zwei Radfahrer und drei Telephonisten liegen hatte, eilte ich mit einigen
Leuten zu Hilfe.

Ich fand dort im Stollen einen Gefreiten und einen Verwundeten und erhielt
folgenden Bericht: Als die ersten Sch�sse verd�chtig nahe einschlugen,
beschlossen vier von den f�nf Bewohnern, sich in den Stollen zu begeben.
Der eine sprang gleich hinunter, einer blieb ruhig auf seinem Bette liegen,
w�hrend die �brigen erst ihre Stiefel anzogen. Der Vorsichtigste und der
Gleichg�ltigste kamen, wie so oft im Kriege, gut davon, der eine ganz ohne
Verwundung, der Schlafende mit einem Splitter am Oberschenkel. Die drei
anderen wurden von der durch die Kellerwand fliegenden und in der
gegen�berliegenden Ecke zerschellenden Granate zerrissen.

Nach dieser Erz�hlung z�ndete ich mir f�r alle F�lle eine Zigarre an und
trat in den raucherf�llten Raum, in dessen Mitte sich ein w�ster
Tr�mmerhaufen von zerschlagenen Bettstellen, Strohs�cken und anderen
M�belst�cken fast bis zur Decke emporw�lbte. Nachdem wir einige Lichter
zwischen die Mauerfugen gesteckt hatten, machten wir uns an die traurige
Arbeit. Wir packten die aus den Tr�mmern ragenden Gliedma�en und zogen die
Leichen heraus. Dem einen war der Kopf abgeschlagen und der Hals sa� am
Rumpf wie ein gro�er, blutiger Schwamm. Aus dem Armstumpf des zweiten ragte
der zersplitterte Knochen, und die Uniform war vom Blute einer gro�en
Brustwunde durchtr�nkt. Dem dritten quollen die Eingeweide aus dem
aufgerissenen Leib. Als wir diesen herauszogen, stemmte sich ein
zersplittertes Brett mit h��lichem Ger�usch in die schauerliche Wunde. Die
eine Ordonnanz machte eine Bemerkung dar�ber und wurde von meinem Burschen
mit den Worten: �Swieg man stille, bi solchen Sachen hat Quasseln kein
Zweck!� zur Ruhe verwiesen.

Ich nahm ein Verzeichnis der Wertsachen auf, die wir bei ihnen fanden. Es
war ein unheimliches Gesch�ft. Die Kerzen flackerten r�tlich durch den
dichten Dunst, w�hrend die beiden Leute mir Brieftaschen und silberne
Gegenst�nde zureichten wie bei einer geheimen, dunklen Tat. Auf den
Gesichtern der Toten hatte sich das feine gelbe Ziegelmehl niedergeschlagen
und gab ihnen das starre Aussehen von Wachsmasken. Wir warfen Decken �ber
sie und eilten aus dem Keller, nachdem wir unseren Verwundeten in eine
Zeltbahn gepackt hatten. Mit dem stoischen Rate: �Bei� die Z�hne zusammen,
Kamerad!� schleppten wir ihn durch ein wildes Schrapnellfeuer zum
Sanit�tsunterstand.

In meine Behausung zur�ckgekehrt, st�rkte ich mich zun�chst durch eine
Reihe Sherry-Brandies, denn die Ereignisse waren mir doch auf die Nerven
gefallen. Bald bekamen wir wieder lebhaftes Feuer und versammelten uns
eiligst im Stollen, da uns allen das eben geschaute Beispiel von
Artilleriewirkung in Kellern noch deutlich vor Augen stand.

Um 5.14 Uhr schwoll das Feuer in wenigen Sekunden zu unerh�rter St�rke.
Unser Stollen wankte und zitterte wie ein Schiff auf st�rmischer See;
ringsum erdr�hnte das Bersten von Mauerwerk und das Krachen der
zusammenst�rzenden benachbarten H�user.

Um 7 Uhr fing ich einen Lichtspruch der Brigade an das zweite Bataillon
auf: �Brigade will sofort Klarheit �ber die Lage.� Nach einer Stunde
brachte mir ein Meldel�ufer die Nachricht zur�ck: �Feind besetzte Arleux,
Park von Arleux. Setzte achte Kompagnie zum Gegensto� an, bislang keine
Nachricht. Rocholl, Hauptmann.�

Dies war die einzige, allerdings sehr wichtige Nachricht, die ich mit
meinem riesigen Apparat von Verbindungsmitteln w�hrend der drei Wochen
meines Aufenthaltes in Fresnoy weitergab. Jetzt, wo meine T�tigkeit von
gr��tem Wert war, hatte mir die Artillerie fast alle Anlagen au�er Gefecht
gesetzt. Das waren die Folgen der �ber-Zentralisation.

Mir wurde durch diese �berraschende Aufkl�rung verst�ndlich, warum schon
seit einiger Zeit aus ziemlicher N�he abgefeuerte Infanteriegeschosse gegen
die Mauern klappten.

Kaum waren wir uns �ber die gro�en Verluste des Regiments klar, als die
Beschie�ung mit erneuter Wucht einsetzte. Mein Bursche stand als letzter
noch auf der obersten Stollenstufe, als ein Donnerkrach ank�ndete, da� es
dem Engl�nder endlich gelungen war, unseren Keller einzuschie�en. Der
biedere Knigge bekam einen derben Kantstein auf den Buckel, nahm aber sonst
keinen Schaden. Oben war alles kurz und klein geschlagen. Das Tageslicht
blickte nur noch durch zwei in den Stolleneingang gepre�te Fahrr�der zu uns
herab. Wir zogen uns ziemlich kleinlaut auf die unterste Stufe zur�ck,
w�hrend fortw�hrend dumpfe Ersch�tterungen und Steingepolter uns von der
Unsicherheit unseres Asyles �berzeugten.

Wie durch ein Wunder war das Telephon noch unbesch�digt; ich stellte dem
Chef des Divisionsmeldewesens unsere unzweckm��ige Lage vor und bekam
Befehl, mich mit den Leuten in den naheliegenden Sanit�tsstollen
zur�ckzuziehen.

Wir packten also unsere notwendigsten Sachen zusammen und schickten uns an,
den Stollen durch den zweiten noch erhaltenen Ausgang zu verlassen. Trotz
meiner energischen, durch unzweideutige Drohungen unterst�tzten Befehle
z�gerten die wenig kriegsgewandten Leute der Fernsprechkompagnie so lange,
sich aus dem Schutze des Stollens ins Feuer zu begeben, bis auch dieser
Eingang, von einer schweren Granate zermalmt, krachend zusammenbrach. Zum
Gl�ck wurde niemand getroffen, nur unser kleiner Hund heulte j�mmerlich auf
und war von diesem Augenblick an verschwunden.

Wir rissen nun die den Ausgang zum Keller versperrenden Fahrr�der zur
Seite, krochen auf allen Vieren �ber den Tr�mmerhaufen hinweg und gewannen
durch eine enge Mauerspalte das Freie. Ohne uns mit der Betrachtung der
unglaublichen Verwandlung des Ortes innerhalb dieser wenigen Stunden
aufzuhalten, rannten wir dem Dorfausgang zu. Kaum hatte der Letzte das
Hoftor verlassen, als das Haus schon wieder durch einen m�chtigen Einschlag
getroffen wurde.

Auf dem Gel�nde zwischen dem Dorfrand und dem Sanit�tsstollen lag ein
kompakter Feuerriegel. Leichte und schwere Granaten mit Aufschlag-, Brenn-
und Verz�gerungsz�ndern, Blindg�nger, Hohlbl�ser und Schrapnells vereinten
sich zu einer Raserei akustischer und optischer Effekte. Dazwischen
strebten, rechts und links dem Hexenkessel des Dorfes ausweichend,
Unterst�tzungstrupps nach vorn.

In Fresnoy l�ste eine kirchturmhohe Erds�ule die andere ab, jede Sekunde
schien die vorhergehende noch �bertrumpfen zu wollen. Wie durch Zaubermacht
wurde ein Haus nach dem andern vom Erdboden eingesogen; Mauern brachen,
Giebel st�rzten, und kahle Sparrenger�ste wurden durch die Luft
geschleudert, die benachbarten D�cher abm�hend. �ber wei�lichen
Dampfschwaden tanzten Wolken von Splittern. Auge und Ohr hingen wie gebannt
an dieser wirbelnden Vernichtung.

Im Sanit�tsstollen verbrachten wir noch zwei Tage in qualvoller Enge, denn
au�er von meinen Leuten wurde er noch von zwei Bataillonsst�ben,
Abl�sungskommandos und den unvermeidlichen �Versprengten� bev�lkert. Der
starke Verkehr vor den Eing�ngen blieb nat�rlich nicht unbemerkt. Bald
sa�en in Abst�nden von einer Minute scharf gezielte Granaten auf dem
vor�berf�hrenden Feldwege und verwundeten alle Augenblicke ein paar Leute.
Ich b��te durch diese unangenehme Schie�erei vier Fahrr�der ein, die wir
neben den Stolleneingang gelegt hatten. Sie wurden, zu seltsamen Gebilden
verbogen, in alle Winde geschleudert.

Vor dem Eingang lag steif und stumm in eine Zeltbahn gerollt, die gro�e
Hornbrille noch im Gesicht, der F�hrer der 8. Kompagnie, Leutnant Lemi�re,
den seine Leute hierher geschafft hatten. Er hatte einen Schu� in den Mund
bekommen. Sein j�ngerer Bruder fiel einige Monate sp�ter durch genau
dieselbe Verletzung.

Am 30. April �bernahm mein Nachfolger von dem abl�senden Regiment Nr. 25
meine Gesch�fte, und wir r�ckten nach Flers, dem Sammelort des ersten
Bataillons, ab. Das Kalkwerk �Chez-bon-temps� mit seinen schweren
Einschl�gen links liegenlassend, schlenderten wir seelenvergn�gt durch den
wundersch�nen Nachmittag �ber den Feldweg nach Beaumont. Die Augen genossen
wieder die Sch�nheit der Erde und die Lunge berauschte sich an der milden
Fr�hlingsluft, froh, der unertr�glichen Enge des Stollenloches entronnen zu
sein. Den Kanonendonner im R�cken, empfand ich das Dichterwort nach:

   F�rwahr ein Tag, von Gott gemacht,
   Zu besserm Ding als sich zu schlagen.

In Flers fand ich das mir zugewiesene Quartier von einigen Feldwebeln der
Etappe besetzt, die sich unter dem Vorwande, das Zimmer f�r einen Freiherrn
von X. bewachen zu m�ssen, weigerten, Platz zu machen, jedoch nicht mit den
aufs �u�erste gespannten Nerven eines erm�deten Frontsoldaten rechneten.
Ich lie� von meinen Begleitern kurzerhand die T�r einschlagen und nach
einem kleinen Handgemenge vor den Augen der erschreckt im Neglig�
herbeigeeilten Hausbewohner flogen die Herren die Treppe hinunter. Mein
Bursche trieb die H�flichkeit sogar so weit, ihnen ihre langen Stiefel
nachzuschleudern. Nach diesem Angriffsgefecht bestieg ich das angew�rmte
Bett, dessen H�lfte ich noch meinem ohne Quartier herumirrenden Freunde
Kius anbot. Der Schlaf in diesem langentbehrten M�bel tat uns so wohl, da�
wir am n�chsten Morgen �in alter Frische� erwachten.

Da das erste Bataillon w�hrend der verflossenen Kampftage die wenigsten
Verluste gehabt hatte, war die Stimmung vorz�glich, als wir zum Bahnhof
Douai marschierten. Von dort fuhren wir bis zum Bahnknotenpunkt Busigny, in
dessen N�he das Dorf S�rain lag, wo wir uns einige Tage erholen sollten.
Wir fanden bei der freundlichen Bev�lkerung gute Quartiere, und schon am
ersten Abend drang aus vielen H�usern der fr�hliche L�rm
kameradschaftlicher Wiedersehensfeiern.

Dieses Trankopfer nach gl�cklich bestandener Schlacht z�hlt zu den
sch�nsten Erinnerungen alter Krieger.

Und wenn zehn vom Dutzend gefallen waren, die letzten zwei fanden sich mit
t�dlicher Sicherheit am ersten Ruheabend beim Becher, brachten den toten
Kameraden ein stilles Glas und besprachen scherzend die gemeinsamen
Erlebnisse. Den �berstandenen Gefahren ein Landsknechtslachen, den
k�nftigen ein Schluck aus voller Flasche, ob Tod und Teufel dazu grinsten,
wenn nur der Wein gut war. So war von je rechter Kriegsbrauch.

Das hat mir vor allem den Offizierstisch wert gemacht. Hier, wo die
geistigen Tr�ger und Vork�mpfer der Front zusammenkamen, konzentrierte sich
der Wille zum Siege und wurde Form in den Z�gen wetterharter Gesichter.
Hier war ein Element lebendig, das die W�stheit des Krieges unterstrich und
doch vergeistigte, das man bei den Leuten, mit denen man zusammen in den
Trichtern lag, so selten fand, die sportsm��ige Freude an der Gefahr, der
ritterliche Drang zum Bestehen eines Kampfes. Zum mindesten habe ich in
diesem viel verl�sterten Kreise niemals ein Wort des Zagens vernommen.

Am n�chsten Morgen erschien mein Bursche und las mir Befehle vor, aus denen
mir gegen Mittag klar wurde, da� ich die F�hrung der vierten Kompagnie
�bernehmen sollte. In dieser Kompagnie war im Herbst 1914 der
nieders�chsische Dichter Hermann L�ns gefallen.




Gegen Inder.


Am 6. Mai 1917 waren wir schon wieder auf dem Marsche nach dem
wohlbekannten Brancourt, und am folgenden Tage r�ckten wir �ber
Montbr�hain, Ramicourt, Joncourt in die Siegfriedstellung, die wir erst vor
einem Monat verlassen hatten.

Der erste Abend war st�rmisch; starke Regenschauer prasselten unaufh�rlich
auf das �berschwemmte Gel�nde nieder. Bald vers�hnte uns jedoch eine Reihe
von sch�nen, warmen Tagen mit unserem neuen Aufenthaltsort.

Unsere Stellung bildete einen halbmondf�rmigen Vorsprung vor dem Kanal von
St. Quentin, dahinter lag die ber�hmte Siegfriedstellung. Es war mir
r�tselhaft, warum wir uns in die engen, unvollkommenen Kreidegr�ben legen
mu�ten, w�hrend wir das m�chtige, riesenstarke Bollwerk hinter uns hatten.

Die vordere Linie schl�ngelte sich durch ein idyllisches, von kleinen
Baumgruppen beschattetes Wiesengel�nde in den zarten Farben des ersten
Fr�hjahrs. Man konnte sich ungestraft hinter und vor den Gr�ben bewegen, da
zahlreiche, kilometerweit vorgeschobene Feldwachen die Stellung sicherten.
Diese Postierungen waren dem Gegner ein Dorn im Auge, und es verging in
mancher Woche keine Nacht, wo er nicht hier oder dort mit List oder Gewalt
die kleinen Besatzungen zu vertreiben suchte.

Unsere erste Stellungsperiode verging jedoch in angenehmer Ruhe; die
Witterung war so sch�n, da� die Leute die milden N�chte im Grase liegend
verbrachten. Am 14. Mai wurden wir von der achten Kompagnie abgel�st und
r�ckten, das brennende St. Quentin zur Rechten, nach unserem Ruheort
Montbr�hain, einem gro�en Dorfe, das noch wenig durch den Krieg gelitten
hatte und infolgedessen sehr gem�tliche Quartiere aufwies. Am 20. besetzten
wir als Reservekompagnie die Siegfriedstellung. Wir hatten die reinste
Sommerfrische, tags�ber sa�en wir in den zahlreichen in die B�schung
eingebauten Lauben oder badeten und ruderten im Kanal.

Der Nachteil solcher Idealstellungen ist der h�ufige Besuch von
Vorgesetzten, der gerade in den Sch�tzengr�ben am wenigsten gesch�tzt wird.
Allerdings hatte sich mein linker, an das Dorf Bellenglise grenzender
Fl�gel keineswegs �ber Mangel an Feuer zu beklagen. Gleich am ersten Tage
bekam einer meiner Leute einen Schrapnellsteckschu� in die rechte
Ges��seite. Als ich auf diese Nachricht hin zur Ungl�cksstelle eilte, sa�
er schon wieder ganz vergn�gt, die Sanit�ter erwartend, auf der linken
Seite, trank Kaffee und a� eine riesige Marmeladenstulle dazu.

Am 25. Mai l�sten wir die zw�lfte Kompagnie in der Riqueval-Ferme ab. Diese
Ferme, ein ehemaliger gro�er Gutshof, diente jeweilig einer der vier
Stellungskompagnien zum Aufenthalt. Es waren mit je einer Gruppe drei im
Hintergel�nde verstreute Maschinengewehrst�tzpunkte zu besetzen. Diese
schachbrettartig hinter der Kampfstellung gruppierten Kampfnester waren die
ersten Versuche einer elastischen Verteidigung.

Die �brigen Leute wurden des Nachts zum Schanzen nach vorn entsandt.

Die Ferme lag h�chstens 1500 Meter hinter der vorderen Linie, trotzdem
waren ihre von einem verwachsenen Park umschlossenen Geb�ude noch v�llig
unzerst�rt. Sie war, da Stollen erst im Bau waren, auch dicht bewohnt. Die
bl�henden Rotdorng�nge des Parks und die anmutige Umgebung verliehen
unserem Dasein trotz der N�he der Front eine Spur jenes heiteren
Lebensgenusses, den der Franzose unter seinem �vie de campagne� versteht.
In meinem Schlafzimmer hatte sich ein Schwalbenp�rchen eingenistet, das
schon in den fr�hesten Morgenstunden mit der ger�uschvollen F�tterung
seiner uners�ttlichen Nachkommenschaft begann.

Am 30. Mai hatte dieses Idyll f�r mich ein Ende, denn der aus dem Lazarett
entlassene Leutnant Vogeley �bernahm wieder die F�hrung der vierten
Kompagnie. Ich begab mich zu meiner alten zweiten Kompagnie, die jetzt
unter F�hrung eines Kavallerieleutnants stand, in den Sch�tzengraben.

Unser Abschnitt war von der R�merstra�e bis zum sogenannten
Artilleriegraben von zwei Z�gen besetzt; der Kompagnief�hrer lag mit dem
dritten hinter einem kleinen Hange ungef�hr 200 Meter zur�ck. Dort erhob
sich auch eine winzige Bretterbude, die ich mit Leutnant Kius zusammen in
r�hrendem Vertrauen auf die St�mperhaftigkeit der englischen Artilleristen
bewohnte. Die eine Seite war an einen kleinen, in der Schu�richtung
verlaufenden Hang geklebt, die drei anderen boten dem Feinde trutzig die
Flanken. Jeden Tag, wenn der Morgengru� angefegt kam, konnte man ungef�hr
folgendes Zwiegespr�ch, das sich zwischen dem Besitzer der oberen und dem
der unteren Pritsche entspann, vernehmen:

�Du, Ernst!�

�Hm?�

�Ich glaube, sie schie�en!�

�Na, la� uns man noch ein bi�chen liegen; ich glaube, das waren die
letzten.�

Nach einer Viertelstunde:

�Du, Oskar!�

�Ja?�

�Das h�rt ja heute gar nicht mehr auf; ich glaube, eben ist eine
Schrapnellkugel durch die Wand geflogen. Wir wollen doch lieber aufstehen.
Der Artilleriebeobachter nebenan ist schon lange ausgerissen!�

Die Stiefel hatten wir leichtsinnigerweise immer ausgezogen. Wenn wir
fertig waren, war es der Engl�nder meist auch, und wir konnten uns vergn�gt
an den l�cherlich kleinen Tisch setzen, den von der Hitze sauer gewordenen
Kaffee trinken und die Morgenzigarre anz�nden. Nachmittags wurde vor der
T�r der englischen Artillerie zum Hohn ein Sonnenbad auf der Zeltbahn
genommen.

Auch sonst war unsere Bude �u�erst kurzweilig. Wenn man im dolce far niente
auf der Drahtpritsche lag, pendelten riesige Regenw�rmer an der Erdwand,
die bei St�rungen mit unbegreiflicher Geschwindigkeit in ihre L�cher
schossen. Ein gr�mlicher Maulwurf schn�ffelte ab und zu aus seinem Bau
heraus und trug viel zur Belebung unserer ausgedehnten Siesta bei.

Am 12. Juni mu�te ich mit 20 Mann die zum Kompagnieabschnitt geh�rige
Feldwache besetzen. Zu sp�ter Stunde verlie�en wir die Stellung und
schritten auf einem Trampelpfade, der sich durch das wellige Gel�nde
schl�ngelte, in den lauen Abend. Die D�mmerung war so weit vorgeschritten,
da� der rote Mohn auf den verwilderten Feldern mit dem hellgr�nen Grase in
einem merkw�rdig satten Farbenton zusammenschmolz. Wir schlenderten, jeder
mit seinen Gedanken besch�ftigt, mit umgeh�ngtem Gewehr lautlos �ber den
blumigen Teppich und hatten nach 20 Minuten unser Ziel erreicht. Fl�sternd
wurde die Wache �bergeben, leise die Posten aufgestellt, dann entschwand
die abgel�ste Mannschaft im Dunkel.

Die Feldwache lehnte sich an einen kleinen Steilhang. Im R�cken flo� ein
wirr verwachsenes Waldst�ck in die Nacht, vom Hange durch einen 100 Meter
breiten Wiesenstreifen getrennt. Davor und in der rechten Flanke erhoben
sich zwei H�gel, auf denen die englische Linie verlief. Zwischen diesen
H�geln f�hrte ein Hohlweg zum Gegner.

Dort traf ich beim Abgeben meiner Posten den Vizefeldwebel Hackmann mit
einigen Leuten der siebenten Kompagnie im Begriff, eine Patrouille zu
machen. Ich schlo� mich ihnen als Schlachtenbummler an, trotzdem ich
eigentlich meine Feldwache nicht verlassen durfte.

Wir �berschritten, indem wir eine von mir erfundene Methode des Vorgehens
anwandten, zwei den Weg sperrende Drahtverhaue und gelangten,
seltsamerweise ohne auf einen Posten zu sto�en, �ber den H�gelkamm, auf dem
wir rechts und links vor uns Engl�nder schanzen h�rten. Sp�ter wurde mir
klar, da� der Gegner seine Postierungen zur�ckgezogen hatte, um sie nicht
bei dem Feuer�berfall auf unsere Feldwache, von dem ich gleich berichten
werde, in Mitleidenschaft zu ziehen.

Meine eben erw�hnte Art des Vorgehens bestand darin, da� ich in einem
Gel�nde, in dem wir jeden Augenblick auf den Feind sto�en mu�ten, die
Patrouillenteilnehmer abwechselnd vorkriechen lie�. So befand sich zur Zeit
immer nur einer, den sich das Fatum ausw�hlen mochte, in der Gefahr, von
einem lauernden Sch�tzen erschossen zu werden, w�hrend die anderen
geschlossen weiter hinten zum Eingreifen bereit waren. Ich pflegte mich
nat�rlich f�r meine Person von diesem Amte niemals auszuschlie�en, trotzdem
ich meine Anwesenheit bei der Patrouille selbst f�r wichtiger hielt. Indes
mu� der Frontoffizier im Kriege manchmal aus R�cksichten subjektiver Art
taktische Fehler begehen.

Wir umschlichen mehrere schanzende Abteilungen, die leider durch dichte
Hindernisse von uns getrennt waren. Nachdem der Vorschlag des etwas
exzentrischen Feldwebels, sich als �berl�ufer auszugeben und so lange zu
verhandeln, bis wir den ersten feindlichen Posten umgangen h�tten, in einer
kurzen Beratung verworfen war, pirschten wir uns mi�mutig zur Feldwache
zur�ck.

Dort setzte ich mich am Steilhange auf meinen Mantel, z�ndete mir so
versteckt wie m�glich eine Pfeife an, und �berlie� mich meiner Phantasie.
Inmitten des sch�nsten Luftschlosses wurde ich durch ein merkw�rdiges
Rascheln im Waldst�ck und auf der Wiese hochgeschreckt. Vorm Feinde liegen
die Sinne immer auf der Lauer und es ist sonderbar, da� man in solchen
Augenblicken bei gar nicht ungew�hnlichen Ger�uschen sofort bestimmt wei�:
Jetzt ist etwas los!

Gleich darauf kam der n�chste Posten angest�rzt: �Herr Leutnant, es gehen
70 Engl�nder gegen den Waldrand vor!�

Ich wunderte mich etwas �ber die pr�zise Zahlenangabe, versteckte mich aber
vorsichtshalber mit den vier in meiner N�he liegenden Leuten oben auf dem
Steilhange im hohen Grase, um die weitere Entwicklung der Dinge zu
beobachten. Nach einigen Sekunden sah ich einen Trupp �ber die Wiese
huschen. W�hrend meine Leute die Gewehre darauf richteten, rief ich ein
leises: �Wer da?� Es war der Unteroffizier Teilengerdes, ein bew�hrter
alter Krieger der zweiten Kompagnie, der seine aufgeregte Gruppe zu sammeln
versuchte.

Ich raffte rasch alles zusammen und lie� eine Sch�tzenlinie formieren,
deren Fl�gel sich an Steilhang und Waldst�ck lehnten. In einer Minute
standen die Leute mit aufgepflanztem Seitengewehr. Als ich die Richtung
nachsah und einen etwas zur�ckstehenden Mann zurechtweisen wollte, bekam
ich zur Antwort: �Ich bin Krankentr�ger.� Der Mann hatte sein
Exerzierreglement gut im Kopfe. Beruhigt durch diesen Triumph preu�ischer
Disziplin, lie� ich antreten.

W�hrend wir den Wiesenstreifen �berschritten, setzte von englischer Seite
ein Schrapnellhagel und wildes Maschinengewehrgeknatter ein. Wir gingen
unwillk�rlich in Laufschritt �ber, um den toten Winkel des vor uns
liegenden H�gels zu gewinnen.

Pl�tzlich erhob sich vor mir ein dunkler, Schatten. Ich ri� eine
Handgranate ab und schleuderte sie ihm entgegen. Zu meinem Schrecken
erkannte ich beim Aufblitzen der Explosion den Unteroffizier Teilengerdes,
der unbemerkt vorgelaufen und �ber einen Draht gestolpert war.
Gl�cklicherweise blieb er unverletzt. Gleichzeitig ert�nte neben uns das
sch�rfere Krachen englischer Handgranaten, und das Schrapnellfeuer
verst�rkte sich zu unangenehmer Dichte.

Meine Sch�tzenlinie zerflatterte und verschwand in der Richtung auf den
Steilhang, der unter schwerem Feuer lag, w�hrend ich mit Teilengerdes und
drei Getreuen meinen Platz behielt. Pl�tzlich stie� mich einer an: �Die
Engl�nder!�

Wie eine Vision bohrte sich sekundenlang auf der nur durch stiebende Funken
erhellten Wiese eine Doppelschnur knieender Gestalten in mein Auge, sich
gerade erhebend und avancierend. Ich erkannte deutlich die Figur des
Offiziers am rechten Fl�gel.

Wir sprangen auf und rannten dem Steilhang zu. Trotzdem ich �ber einen
t�ckisch durchs hohe Gras gespannten Draht stolperte und mich �berschlug,
kam ich doch gl�cklich an und brachte meine erregten Leute allerdings nur
durch Anwendung h�chster Energie in eine auf Tuchf�hlung gedr�ngte
Sch�tzenlinie.

Ich habe immer erfahren, da� in solchen Augenblicken der gew�hnliche Mann,
der vollauf mit seiner pers�nlichen Gefahr besch�ftigt ist, die scheinbar
unbeteiligte Sachlichkeit des F�hrers bewundert, der inmitten der tausend
entnervenden Eindr�cke des Gefechts die Ausf�hrung seines Auftrages klar im
Auge hat. Diese Bewunderung hebt jeden ritterlich Gesinnten �ber sich
selbst hinaus und spornt ihn zu immer gr��eren Leistungen an, so da� F�hrer
und Mannschaft sich aneinander zu gewaltiger Energieentfaltung entz�nden.
Der moralische Faktor ist eben alles.

Schlagartig verstummte das Feuer, w�hrend ein vielfaches Knacken und
Rauschen durch das Unterholz des W�ldchens glitt.

�Halt! Wer da! Parole?!�

Wir br�llten wohl f�nf Minuten lang und schrieen auch das alte Losungswort
des 1. Bataillons �L�ttje Lage�, ein Ausdruck f�r Schnaps und Bier, jedem
Hannoveraner gel�ufig; doch antwortete uns nur ein seltsames,
unverst�ndliches Geschrei. Endlich nahm ich die Verantwortung auf mich und
lie� feuern, trotzdem einige Leute behaupteten, deutsche Worte geh�rt zu
haben. Meine zwanzig Gewehre fegten ihre Geschosse in das W�ldchen, die
Kammern rasselten, und bald hatte sich das Geschrei dr�ben in Wimmern
verwandelt. Ich hatte dabei ein flaues Gef�hl der Ungewi�heit.

Doch blitzten uns ab und zu gelbe Fl�mmchen entgegen. Einer von uns bekam
einen Schulterschu� und wurde durch den Sanit�ter verbunden.

�Stopfen!�

Langsam drang das Kommando durch, und das Feuer ruhte. Die Spannung der
Nerven war durch die Tat ged�mpft.

Erneutes Parolerufen und meinerseits die �berredende Aufforderung: �Come
here, you are prisoners, hands up!�

Darauf dr�ben vielstimmiges Geschrei. Ein einzelner l�ste sich vom Waldsaum
und kam auf uns zu. Einer beging die Dummheit, ihm �Parole!�
entgegenzurufen, worauf er stehen blieb und sich umdrehte.

�Schie�t ihn kaputt!�

Ein Dutzend Sch�sse; die Gestalt sank zusammen und glitt ins hohe Gras.

Dieser kleine Zwischenakt erf�llte uns mit einem Gef�hl der Genugtuung. Vom
Waldrande erscholl wieder wirres Rufen; es klang, als ob die Angreifer sich
gegenseitig ermutigten, gegen die geheimnisvollen Verteidiger vorzugehen.

In h�chster Spannung starrten wir auf den dunklen Streifen. Es begann zu
d�mmern, und ein leichter Nebel stieg vom Wiesengrunde auf.

Da hob sich eine Reihe von Schatten aus dem Dunkel. F�nf, zehn, f�nfzehn,
eine ganze Kette. Zitternde H�nde l�sten die Sicherungsfl�gel. Auf 50 Meter
waren sie heran, 30, 15 . . . . . Feuerrr! Minutenlang knatterten die
Gewehre. Funken spr�hten auf, wenn spritzende Bleikerne gegen Waffen und
Stahlhelme wuchteten.

Pl�tzlich ein Schrei: �Aaaachtung, links!� Eine Schar von Angreifern
schnellte von ganz links auf uns zu, voran eine Riesengestalt mit
vorgestrecktem Revolver, eine wei�e Keule schwingend.

�Linke Gruppe links schwenken!�

Die Leute flogen herum und empfingen die Ank�mmlinge stehend. Einige der
Gegner, darunter der F�hrer, brachen unter den hastig abgefeuerten Sch�ssen
zusammen, die anderen verschwanden spurlos, ebenso schnell wie sie gekommen
waren.

Das war der Moment zum Draufgehen. Mit aufgepflanztem Seitengewehr und
w�tendem Hurra st�rmten wir das W�ldchen. Handgranaten flogen in das
verschlungene Gestr�pp, und im Nu waren wir wieder im Alleinbesitz unserer
Feldwache, allerdings ohne den geschmeidigen Gegner gepackt zu haben.

Wir sammelten uns in einem angrenzenden Kornfeld und starrten in die
blassen, �bern�chtigen Gesichter der Kameraden. Die Sonne war strahlend
aufgegangen. Eine Lerche stieg hoch und �rgerte uns durch ihr Trillern. Wir
waren ungef�hr in derselben Stimmung, in der man nach einer durchspielten
Nacht die Karten auf den Tisch wirft, wenn die k�hle Morgenluft sich durch
die aufgerissenen Fenster mit abgestandenem Zigarrenqualm vermengt.

W�hrend wir uns die Feldflaschen boten und eine Zigarette ansteckten,
h�rten wir, wie sich der Gegner mit einigen laut jammernden Verwundeten
durch den Hohlweg entfernte.

Ich beschlo� den Kampfplatz abzugehen. Aus der Wiese, auf der wir die
Sch�tzenlinie zusammengeschossen hatten, stiegen fremdartige Rufe und
Schmerzensschreie. Wir entdeckten im hohen Grase eine Reihe von Toten und
drei Verwundete, die uns um Gnade anflehten. Sie schienen fest �berzeugt,
von uns umgebracht zu werden.

Auf meine Frage: �Quelle nation?� antwortete einer: �Pauvre Radschput!�

Wir hatten Inder vor uns, weit �bers Meer gekommen, um sich bei diesem
gottverlassenen St�ck Erde an Hannoverschen F�silieren die Sch�del
einzurennen.

Die zierlichen Gestalten waren �bel zugerichtet. Auf diese kurzen
Entfernungen besitzt das Infanteriegescho� Sprengwirkung. Keiner hatte
weniger als zwei Sch�sse bekommen. Wir nahmen sie auf und schleppten sie zu
unserem Graben. Da sie schrieen, als ob sie am Spie� st�ken, verstopften
ihnen meine Leute den Mund und drohten mit der Faust, wodurch sie in ihrer
Angst noch best�rkt wurden. Einer starb schon w�hrend des Transportes. Er
wurde doch noch mitgenommen, da auf jeden Gefangenen, ob tot oder lebendig,
eine Pr�mie gesetzt war. Die beiden anderen suchten unser Wohlgefallen zu
gewinnen, indem sie fortw�hrend riefen: �Anglais pas bon!� Weshalb diese
Leute franz�sisch sprachen, ist mir nicht recht klar geworden.

Im Graben wurden wir von der Kompagnie, die den L�rm des Kampfes geh�rt und
schweres Absperrungsfeuer bekommen hatte, mit Jubel empfangen und unsere
Beute geb�hrend bestaunt. Ich zog mich mit Kius, der gleich ein halbes
Dutzend Aufnahmen machte, in unsere H�tte zur�ck und lie� mich von ihm zur
Feier des Tages mit Spiegeleiern bewirten.

Unsere Leistung erregte berechtigtes Aufsehen und wurde im
Divisionstagesbefehl lobend besprochen. Wir hatten mit 20 Mann einer um das
Mehrfache �berlegenen Abteilung, die uns schon in den R�cken gekommen war,
siegreich widerstanden. Ein solcher Erfolg ist nat�rlich nur durch eine
gl�nzend disziplinierte Truppe von hoher moralischer Qualit�t zu erzielen.

Ich selbst konnte mir mit Befriedigung sagen, da� ich durch �berlegenheit
�ber die Situation und pers�nliche Einwirkung auf meine Leute dem
feindlichen F�hrer eine arge Entt�uschung und ein fr�hzeitiges Grab
bereitet hatte. Wir beiden hatten unsere F�higkeiten in derselben Weise
gemessen, wie es bei kleinen Offiziers�bungen in der Garnison �blich ist;
nur hatten wir nicht mit Platzpatronen geschossen.

Sollte ein Angeh�riger der 1st Hariana Lancers diese Zeilen lesen, so sei
ihm hier meine Achtung ausgesprochen f�r eine Truppe, die solche F�hrer ihr
eigen nennt wie diesen Oberleutnant, gegen den ich die Ehre hatte zu
k�mpfen.

Was sagt Nietzsche vom Kriegsvolke? �Ihr d�rft nur Feinde haben, die zu
hassen sind, aber nicht Feinde zum Verachten. Ihr m��t stolz auf Euren
Feind sein, dann sind die Erfolge des Feindes auch Eure Erfolge.�

Am n�chsten Abend bekam ich Befehl, die Feldwache, bei der sich tags�ber
der Sichtverh�ltnisse wegen niemand aufhalten konnte, wieder zu besetzen.
Kius und ich fa�ten mit 50 Mann zangenf�rmig um das Geh�lz und trafen am
Steilhange zusammen. Vom Feinde war nichts zu bemerken, nur aus dem
Hohlwege, den ich mit dem Feldwebel Hackmann erkundet hatte, rief uns ein
Posten an, scho� eine Leuchtkugel ab und feuerte. Wir merkten uns den
unvorsichtigen jungen Mann f�r unseren n�chsten Ausflug vor.

An der Stelle, wo wir in der vorigen Nacht den Flankenangriff abgeschlagen
hatten, lagen drei Leichen. Es waren zwei Inder und ein wei�er Offizier mit
zwei goldenen Sternen auf den Achselst�cken, also ein Oberleutnant. Er
hatte einen Schu� ins Auge bekommen. Das Gescho� hatte die entgegengesetzte
Schl�fe durchbohrt und den Rand seines Stahlhelmes zerschmettert, der sich
heute in meiner Sammlung derartiger Dinge befindet. Seine Rechte hielt noch
die von eigenem Blut bespritzte Keule, die Linke einen gro�en,
sechssch�ssigen Coldrevolver umspannt, dessen Trommel nur noch zwei scharfe
Patronen enthielt.

Meine Leute pl�nderten die Gefallenen. Dieser Anblick hat mich immer
unangenehm ber�hrt, doch mischte ich mich nicht ein, da die Sachen doch nur
dem Verderben ausgesetzt waren, und �sthetische oder moralische Bedenken
mir in dem dunklen Wiesengrund �ber dem noch die ganze rohe
Unerbittlichkeit des Kampfes schwebte, nicht recht am Platze schienen.

In den n�chsten Tagen machte sich noch eine Anzahl im Unterholz des
W�ldchens verborgener Leichen bemerkbar, ein Zeichen der schweren Verluste
der Gegner, das den Aufenthalt auf Feldwache noch weniger einladend machte.
Als ich mich einmal allein durch das Gestr�pp arbeitete, fiel mir ein
merkw�rdiges, zischendes und sprudelndes Ger�usch auf. Ich trat n�her und
stie� auf zwei Leichname, die infolge der Hitze zu einem gespenstischen
Leben erwacht schienen.

Am Abend des 19. Juni ging ich mit dem kleinen Schultz, zehn Mann und einem
leichten Maschinengewehr von dem allm�hlich etwas beklemmenden Orte auf
Patrouille aus, um dem Posten, der sich neulich so forsch im Hohlweg
bemerkbar gemacht hatte, einen Besuch abzustatten. Schultz ging mit seinen
Leuten rechts, ich links vom Hohlweg vor mit der Verabredung, uns
gegenseitig beizuspringen, wenn ein Trupp Feuer bek�me. Wir arbeiteten uns
kriechend, ab und zu lauschend, durch Gras und Ginstergestr�pp vor.

Pl�tzlich ert�nte das klappernde Ger�usch einer Gewehrkammer. Wir lagen wie
angegossen am Boden. Jeder alte Patrouilleng�nger wird die Reihe
unangenehmer Gef�hle der n�chsten Sekunden zu w�rdigen wissen.

Ein Schu� zerri� die dr�ckende Stille. Ich lag hinter einer Ginsterstaude
und wartete ab. Rechts von mir warf ein Mann Handgranaten in den Hohlweg.

Schlagartig spr�hte eine Feuerlinie vor uns auf. Der ekelhaft scharfe Knall
der Absch�sse verriet, da� die Sch�tzen nur wenige Meter von uns lagen. Ich
sah, da� wir in eine �ble Falle geraten waren und rief zum R�ckzug. Alles
sprang hoch und rannte in wahnsinniger Hast zur�ck, w�hrend auch zu unserer
Linken Gewehrfeuer einsetzte. Inmitten dieses entnervenden Geknatters gab
ich jede Hoffnung an heiles Zur�ckkommen auf. Das Unterbewu�tsein war in
st�ndiger Erwartung eines Treffers. Der Tod hielt eine Hetzjagd ab.

Irgendwo neben uns ging eine Abteilung mit schrillem Hurr�h auf uns los.
Der kleine Schultz gestand mir sp�ter, die Vorstellung gehabt zu haben, da�
ein hagerer Inder messerschwingend hinter ihm her w�re und ihn schon fast
am Kragen gepackt h�tte.

Einmal st�rzte ich und �ber mich hinweg der Unteroffizier Teilengerdes. Ich
verlor Stahlhelm, Pistole und Handgranaten. Nur weiter! Endlich erreichten
wir den schirmenden Steilhang und preschten hinunter. Zu gleicher Zeit kam
der Leutnant Schultz mit seinen Leuten an. Er berichtete mir ganz au�er
Atem, da� er wenigstens den frechen Posten durch Handgranaten gez�chtigt
h�tte. Gleich darauf brachten zwei Leute den F�silier F. angeschleppt, der
Sch�sse durch beide Beine bekommen hatte. Alle anderen waren unverwundet.

Das gr��te Ungl�ck war, da� der Mann, der das Maschinengewehr getragen
hatte, ein Rekrut, �ber den Verwundeten gefallen war, und das Ding liegen
gelassen hatte.

W�hrend wir noch lebhaft debattierten und eine zweite Expedition planten,
setzte ein Artilleriefeuer ein, das mich genau an die Nacht vom 12.
erinnerte, auch in bezug auf die heillose Verwirrung, die sofort ausbrach.
Ich fand mich ohne Waffe am Steilhang allein mit dem Verwundeten, der sich
mit beiden H�nden vorw�rtszog, an mich herankroch und jammerte: �Herr
Leutnant, nicht allein lassen!�

Ich mu�te, so leid es mir tat, ihn liegen lassen und mich an der
Aufstellung der Feldwache beteiligen. Ich sammelte die Leute in einer Reihe
von Postenl�chern am Waldrande, war jedoch herzlich froh, als der Morgen
d�mmerte, ohne da� sich etwas Besonderes ereignet h�tte.

In derartigen Augenblicken war ich immer wieder erstaunt und ger�hrt von
dem gl�ubigen Vertrauen des Mannes auf die �berlegenheit den Offiziers �ber
die Lage.

�Herr Leutnant, wo sollen wir hin? Herr Leutnant, zu Hilfe, ich bin
verwundet! Wo ist der Leutnant?�

Dann F�hrer zu sein mit klarem Kopfe, birgt den sch�nsten Lohn in sich, wie
die Feigheit ihre Strafe. Ich habe stets den Feigling bemitleidet, dem die
Schlacht zu einer Reihe h�llischer Qualen wurde, die der Mutige in
gesteigerter Lebenskraft nur als eine Kette aufregender Ereignisse
betrachtete.

Die n�chste Nacht fand uns an demselben Orte mit der Absicht, unser
Maschinengewehr wiederzuholen, doch verriet uns eine Reihe verd�chtiger
Ger�usche beim Anschleichen, da� wieder eine starke Besatzung lauern mu�te.

Es wurde daher beschlossen (ein Ehrenstandpunkt, der wie so mancher andere
im Kriege uns innerlich fluchen machte), die verlorene Waffe mit Gewalt
wiederzuerobern. Wir sollten um 12 Uhr nachts nach einer Feuervorbereitung
von drei Minuten die feindlichen Postierungen angreifen und das Gewehr
suchen.

Ich machte gute Miene zum b�sen Spiel und scho� am Nachmittage selbst
einige Batterien ein.

Um 11 Uhr fand ich mich mit meinem Ungl�ckskameraden Schultz wieder auf dem
unheimlichen St�ck Erde, auf dem mir schon so manche wilde Stunde gebl�ht
hatte. Der Verwesungsgeruch in der schw�len Luft war kaum mehr auszuhalten.
Wir �berstreuten die Leichen mit Chlorkalk, den wir in S�cken mitgebracht
hatten. Wie Leichent�cher leuchteten die wei�en Flecke aus dem Dunkel.

Das Unternehmen fing damit an, da� uns die eigenen Maschinengewehrgeschosse
fortw�hrend um die Beine flogen und in den Steilhang klatschten. Deswegen
entstand ein heftiger Zank zwischen mir und dem kleinen Schultz, der die
Gewehre selbst eingerichtet hatte. Wir vers�hnten uns jedoch wieder, als
Schultz mich hinter einem Busche im Zwiegespr�ch mit einer Flasche
Burgunder entdeckte, die ich zur St�rkung f�r das bedenkliche Abenteuer
mitgenommen hatte.

Zur verabredeten Zeit brauste die erste Granate heran. Sie schlug 50 Meter
hinter uns ein. Ehe wir uns noch �ber diese seltsame Schie�erei verwundern
konnten, sa� eine zweite neben uns auf dem Steilhange und �berschauerte uns
mit einem Erdregen. Hierbei durfte ich noch nicht einmal fluchen, denn ich
hatte die Gesch�tze ja selbst eingeschossen.

Nach dieser wenig ermunternden Einleitung gingen wir vor, mehr der Ehre
wegen als in der Hoffnung auf Erfolg. Wir hatten das Gl�ck, da� die Posten
anscheinend ihre Pl�tze verlassen hatten, sonst w�re uns wohl ein sehr
unsanfter Willkomm zuteil geworden. Leider fanden wir das Maschinengewehr
auch nicht.

Da wir am folgenden Tage durch Truppen einer anderen Division abgel�st
wurden, hatte das Gepl�nkel ein Ende.

Wir kamen vorl�ufig nach Montbr�hain zur�ck und marschierten von dort nach
Cambrai, wo wir fast den ganzen Monat Juli verlebten.

Die Feldwache ging in der auf unsere Abl�sung folgenden Nacht endg�ltig
verloren.




Langemarck.


Cambrai ist ein ruhiges, vertr�umtes St�dtchen des Artois, an dessen Namen
sich manche historische Erinnerung kn�pft. Enge, altert�mliche Gassen
schlingen sich um das m�chtige Rathaus, verwitterte Stadttore und viele
Kirchen. Wuchtige T�rme ragen aus einem Gewirr winkliger Giebel. Breite
Alleen f�hren zu dem gepflegten Stadtpark, den ein Denkmal des Fliegers
Bl�riot ziert.

Die Einwohner sind stille, freundliche Leute, die in den gro�en, einfach
aussehenden und reich ausgestatteten H�usern ein behagliches
Spie�b�rgerdasein f�hren. Viele Rentiers verbringen hier ihren Lebensabend.
Das St�dtchen f�hrt mit Recht den Beinamen la ville des millionaires, denn
kurz vor dem Kriege z�hlte man darin �ber 40 Million�re.

Der gro�e Krieg ri� das stille Nest brutal aus seinem Dornr�schenschlummer
und verwandelte es in einen Brennpunkt riesiger Schlachten. Ein hastiges,
neues Leben rasselte �ber das holperige Pflaster und klirrte gegen die
kleinen Fenster, hinter denen �ngstliche Gesichter lauerten. Fremde
Gesellen tranken die liebevoll gef�llten Keller leer, warfen sich in die
m�chtigen Mahagonibetten und st�rten in st�ndigem Wechsel die beschauliche
Ruhe der Privatiers, die nun inmitten des verwandelten Milieus an den Ecken
und Haust�ren zusammenstanden, sich mit vorsichtiger Stimme Schauerm�ren
und sicherste Nachrichten �ber den baldigen Endsieg der Landsleute
zuraunend.

Die Leute wohnten in einer Kaserne, die Offiziere waren in der
Rue-des-Liniers untergebracht. Diese Stra�e nahm w�hrend unserer
Anwesenheit das Aussehen eines Studentenviertels an; allgemeine
Unterhaltungen aus den Fenstern, n�chtliche Ges�nge und kleine romantische
Abenteuer waren an der Tagesordnung.

Jeden Morgen r�ckten wir zum Exerzieren auf den gro�en Platz bei dem sp�ter
ber�hmt gewordenen Dorfe Fontaine. Ich hatte einen sehr interessanten
Dienst, denn der Oberst von Oppen hatte mir die Ausbildung des Sturmtrupps
�bertragen.

Mein Quartier war �u�erst behaglich; selten lie�en meine Wirte, das
freundliche Juwelierehepaar Plancot-Bourlon, mich mittags essen, ohne mir
irgend etwas Gutes heraufzuschicken. Abends sa�en wir bei einer Tasse Tee
zusammen, spielten und plauderten. Besonders oft wurde nat�rlich die schwer
zu beantwortende Frage er�rtert, warum die Menschen Krieg f�hren m��ten.

W�hrend dieser Stunden gab der gute Monsieur Plancot mancherlei Schw�nke
der allzeit m��igen und witzigen B�rger Cambrais zum besten, die in
Friedenszeiten Stra�en, Weinsch�nken und Wochenmarkt in schallendes
Gel�chter versetzt hatten, und die mich lebhaft an Claude Tilliers
k�stlichen Onkel Benjamin erinnerten.

Am 25. Juli nahmen wir Abschied von dem lieben St�dtchen und fuhren
nordw�rts nach Flandern. In den Zeitungen hatten wir gelesen, da� dort
schon wochenlang ein Artilleriekampf tobte, wie ihn die Weltgeschichte noch
nicht gesehen.

In Staden wurden wir unter fernem Kanonendonner ausgeladen und marschierten
durch die ungewohnte Landschaft nach dem Ohndanklager. Rechts und links von
der schnurgeraden Chaussee gr�nten fruchtbare, beetartig erh�hte Felder und
saftige, wasserreiche, von Hecken bes�umte Wiesen. Weit verstreut lagen
saubere Bauernh�fe mit niederen Stroh- oder Ziegeld�chern, an deren Mauern
B�ndel von Tabakspflanzen zum Trocknen aufgeh�ngt waren. Die des Wegs
kommenden Landleute waren von germanischem Typ und unterhielten sich in
derber, heimatlich anmutender Sprache. Wir verbrachten den Nachmittag in
den G�rten von Einzelgeh�ften, der Sicht der feindlichen Flieger entzogen.
Ab und zu sausten mit weit herkommendem Gurgeln gewaltige Granaten von
Schiffsgesch�tzen �ber unsere K�pfe hinweg und explodierten in der N�he.
Eine schlug in einen der zahlreichen kleinen B�che und t�tete einige
badende Leute vom Regiment 91.

Gegen Abend mu�te ich mit einem Vorkommando zur Stellung des
Bereitschaftsbataillons abr�cken, um die Abl�sung vorzubereiten und meine
Leute einzuweisen. Wir gingen durch den Houthulster Wald und das Dorf
Kokuit zum Reservebataillon und wurden auf diesem Wege durch schwere
Granaten einige Male �aus dem Schritt gebracht�. In der Dunkelheit h�rte
ich die Stimme eines Rekruten: �Der Leutnant legt sich ja nie hin.�

�Der wei� ganz genau Bescheid,� wurde er durch einen �lteren belehrt. �Wenn
eine richtig kommt, ist er der erste, der liegt!�

Der Mann hatte meinen stets befolgten Grundsatz durchschaut. �Nimm nur
Deckung, wenn es n�tig ist, dann aber pl�tzlich.� Den Grad der
Notwendigkeit kann allerdings nur der Kriegserfahrene beurteilen, der den
Endpunkt der Gescho�kurve schon im Gef�hl hat, ehe der Neuling noch das
leichte, ank�ndigende Flattern wahrnimmt.

Unsere F�hrer, die ihrer Sache nicht ganz sicher schienen, wanden sich
durch einen endlos langen Schachtelgraben vor. So nennt man Gr�ben, die des
Grundwassers wegen nicht tief gebaut, sondern mit Sands�cken und Faschinen
auf den gewachsenen Boden gesetzt sind. Dann streiften wir einen unheimlich
zerflederten Wald, aus dem der Erz�hlung der F�hrer zufolge vor einigen
Tagen ein Regimentsgefechtsstand durch die Kleinigkeit von 1000
24-cm-Granaten vertrieben war. �Hier scheint es ja gro�z�gig zuzugehen,�
dachte ich mir dabei im stillen.

Nachdem wir kreuz und quer durch dichtes Unterholz geirrt waren, standen
wir ratlos, von unseren F�hrern verlassen, auf einem schilfbewachsenen
St�ck Erde, von moorigen S�mpfen eingefa�t, auf deren schwarzen Spiegeln
sich das Mondlicht brach. Fortw�hrend krachte es irgendwo auf, und
hochgeschleuderter Schlamm klatschte pl�tschernd ins Wasser. Endlich kam
der ungl�ckliche F�hrer, auf den sich unsere ganze Wut verdichtete, zur�ck
und gab an, den Weg gefunden zu haben. Er f�hrte uns jedoch wieder irre,
bis zu einem Sanit�tsunterstand, �ber dem in regelm��igen, ganz kurzen
Abst�nden zwei Schrapnells explodierten, die ihre Kugeln und Hohlbl�ser
durch das Ge�st prasseln lie�en. Der diensthabende Arzt gab uns einen
vern�nftigen Mann mit, der uns zur M�useburg, dem Sitze des
Bereitschaftskommandeurs, geleitete.

Ich begab mich gleich weiter zu der Kompagnie des Regiments 225, die von
der zweiten Kompagnie abgel�st werden sollte und fand nach langem Suchen im
Trichtergel�nde einige zerfallene H�user, die innen unauff�llig durch
Eisenbeton verst�rkt waren. Das eine war am Tage vorher durch einen
schweren Treffer eingedr�ckt und die Besatzung durch die niederkrachende
Dachplatte wie in einer Mausefalle zerquetscht worden.

Den Rest der Nacht brachte ich in dem �berf�llten Betonklotz des
Kompagnief�hrers, eines biederen Frontschweins, zu, der sich mit seinen
Ordonnanzen die Zeit mittels einer Schnapsflasche und einer gro�en Dose
Schweinefleisch vertrieb und �fters diese Besch�ftigung unterbrach, um
kopfsch�ttelnd dem st�ndig wachsenden Artilleriefeuer zu lauschen. Dann
pflegte er die sch�nen Zeiten in Ru�land zu beseufzen und fluchte �ber die
Auspumpung seines Regiments. Endlich fielen mir die Augen zu.

Der Schlaf war schwer und beklommen; die in der undurchdringlichen
Dunkelheit rings um das Haus niederfallenden Brisanzgranaten riefen
inmitten der toten Landschaft ein unbeschreibliches Gef�hl der Einsamkeit
und Verlassenheit hervor. Ich schmiegte mich unwillk�rlich an einen Mann,
der neben mir auf der Pritsche lag. Einmal wurde ich durch einen starken
Sto� hochgeschreckt. Meine Leute leuchteten die W�nde ab, um nach einem
Loch zu suchen. Es stellte sich heraus, da� eine leichte Granate an der
Au�enwand geplatzt war.

Den n�chsten Nachmittag verbrachte ich beim Bataillonskommandeur auf der
M�useburg, da ich mich noch �ber einige wichtige Fragen informieren mu�te.
Andauernd schlugen neben der Befehlsstelle 15-cm-Granaten ein, w�hrend der
Rittmeister mit seinem Adjutanten und dem Ordonnanzoffizier einen endlosen
Skat spielte und eine Seltersflasche voll schlechten Fusels kreisen lie�.
Manchmal legte er die Karten hin, um einen Melder abzufertigen oder stellte
mit sorgenvoller Miene die Bombensicherheit unseres Betonklotzes zur
Diskussion. Trotz seiner eifrigen Gegenreden (der Wunsch war deutlich der
Vater des Gedankens) �berzeugten wir ihn, da� wir einem Treffer von oben
nicht gewachsen w�ren.

Am Abend entbrannte das allgemeine Feuer zu rasender Heftigkeit, vorn
stiegen in unaufh�rlicher Folge bunte Leuchtkugeln hoch. Staubbedeckte
L�ufer brachten die Meldung, da� der Feind angriffe. Nach wochenlangem
Trommeln wurde der Infanteriekampf eingeleitet.

Zum Stande des Kompagnief�hrers zur�ckgekehrt, wartete ich auf das
Eintreffen der zweiten Kompagnie, die um 4 Uhr morgens w�hrend eines
lebhaften Feuer�berfalls erschien. Ich �bernahm gleich meinen Zug und
f�hrte ihn an seinen Platz, einen von den Tr�mmern eines vernichteten
Hauses bedeckten Betonbau, der uns�glich verlassen inmitten eines riesigen
Trichterfeldes von grauenhafter W�stheit lag.

Um 6 Uhr morgens lichtete sich der dichte flandrische Nebel und gab uns
einen Ausblick auf unsere schaurige Umgebung. Gleich darauf erschien, dicht
�ber dem Erdboden h�ngend, ein Schwarm feindlicher Flieger und
durchforschte, Sirenensignale abgebend, das zerstampfte Gel�nde, w�hrend
versprengt umherirrende Infanteristen sich in Granatl�chern zu verbergen
suchten.

Eine halbe Stunde sp�ter setzte ein furchtbarer Feuer�berfall ein, der
unsere Zufluchtsinsel einem taifungepeitschten Meere gleich umbrandete. Der
Wald von Einschl�gen um uns verdichtete sich zu einer wirbelnden Wand. Wir
hockten zusammen und erwarteten jeden Augenblick den schmetternden Treffer,
der uns samt den Betonbl�cken spurlos hinwegfegen und unseren Aufenthalt
der Trichterw�ste gleichmachen mu�te.

Unter derartigen gewaltigen Feuerst��en, auf die wir uns in l�ngeren Pausen
vorbereiten konnten, verging der ganze Tag.

Am Abend erschien eine ersch�pfte Ordonnanz und �bergab mir einen Befehl,
aus dem ich entnahm, da� die erste, dritte und vierte Kompagnie um 10.50
Uhr zum Gegensto� antreten, die zweite ihre Abl�sung erwarten und in die
vordere Linie einschw�rmen sollte. Um den n�chsten Stunden gekr�ftigt
entgegensehen zu k�nnen, legte ich mich nieder, nicht ahnend, da� mein
Bruder Fritz, den ich noch in Hannover w�hnte, mit einer Gruppe der dritten
Kompagnie durch den Feuerorkan dicht an meiner H�tte vorbei zum Sturm
vorging.

Mein Schlaf wurde lange durch das Jammern eines Verwundeten gest�rt, den
zwei im Trichterfelde verirrte Sachsen, die v�llig ersch�pft eingeschlafen
waren, bei uns niedergelegt hatten. Als sie am n�chsten Morgen erwachten,
war ihr Kamerad tot. Sie trugen ihn in das n�chste Granatloch, �berdeckten
ihn mit ein paar Schaufeln Erde und entfernten sich, eines der unz�hligen
einsamen und unbekannten Gr�ber des Krieges zur�cklassend.

Ich erwachte erst um 11 Uhr aus tiefem Schlummer, wusch mich in meinem
Stahlhelm und schickte nach Befehlen zum Kompagnief�hrer, der zu meinem
Erstaunen schon abger�ckt war, ohne mich und den Zug Kius �berhaupt
benachrichtigt zu haben.

Es zeigten sich eben die Folgen davon, da� Offiziere fremder
Waffengattungen, die nicht einmal �Gewehr �ber!� kommandieren konnten, nur
ihres Dienstalters wegen gleich an der Spitze von Kompagnien in die
Infanterieschlacht geschickt wurden. Derartige Anciennit�tsr�cksichten mag
man, wenn man nicht ohne sie auszukommen glaubt, da anwenden, wo keine
Menschenleben in Frage kommen.

O, r�hret, r�hret nicht daran! Wir haben so manches Mal im Unterstand und
hinterm Becher dar�ber geflucht, aber nur unter uns. Es war angenehmer,
gegen das Fort Douaumont Sturm zu laufen, als gegen dieses uralte Erb�bel.
Den friderizianischen Geist in hohen Ehren, aber Per�cken, Z�pfe und
Rangordnung auf Kammer zu den Donnerb�chsen von 1806, wenn es noch einmal
losgehen sollte.

W�hrend ich noch fluchend auf meiner Pritsche sa� und �berlegte, was ich
tun sollte, erschien eine Ordonnanz vom Bataillon und �bergab mir den
Befehl, sofort die achte Kompagnie zu �bernehmen.

Ich erfuhr, da� der Gegenangriff des I. Bataillons in der vorigen Nacht
unter starken Verlusten zusammengebrochen war, und da� die Reste in einem
vor uns liegenden W�ldchen, dem sogenannten Dobsch�tzwald, und rechts und
links davon eine Verteidigungsstellung bezogen h�tten. Die achte Kompagnie
hatte den Auftrag gehabt, zur Verst�rkung in das W�ldchen einzuschw�rmen,
war jedoch im Zwischengel�nde unter starken Verlusten im Sperrfeuer
zerstoben. Da auch der Kompagnief�hrer, Oberleutnant B�dingen, gefallen
war, sollte ich die Kompagnie erneut vorf�hren.

Nachdem ich mich von meinem verwaisten Zuge verabschiedet hatte, machte ich
mich mit der Ordonnanz auf den Weg quer durch die schrapnellbestreute
Ein�de. Eine verzweifelnde Stimme hielt unseren geb�ckten Lauf f�r einen
Augenblick an. In der Ferne winkte eine halb aus einem Trichter ragende
Gestalt mit blutendem Armstumpfe. Wir wiesen auf unsere eben verlassene
H�tte und hasteten weiter.

Ich fand die achte Kompagnie als ein entmutigtes, hinter einer Reihe von
Betonkl�tzen hockendes H�uflein vor, das ein nochmaliges Vorgehen gegen die
uns vom Dobsch�tzwald trennende Wand schwerer Einschl�ge f�r unm�glich
erkl�rte. Sieben Mann meldeten sich krank.

Dagegen blieb mir nur der Beweis ad oculos �brig. Ich befahl, mir zu
folgen, und sprang mitten ins Feuer hinein. Schon nach ein paar S�tzen
�bersch�ttete mich eine Granate, die ihren Kegel zum Gl�ck ganz steil
hochwarf, mit Erde und schleuderte mich in den n�chsten Trichter. Ich
merkte jedoch bald, da� die Wut des Feuers weiter vorn geringer wurde.
Nachdem ich mich 200 Meter weit vorgearbeitet hatte, sah ich mich um. Das
Gel�nde war menschenleer.

Endlich tauchten zwei Mann aus Rauch- und Staubwolken auf, dann noch einer,
dann wieder zwei. Mit diesen f�nf Leuten erreichte ich gl�cklich mein Ziel.

In einem halb zerschmetterten Betonklotz sa�en Leutnant Sandvo�, F�hrer der
dritten Kompagnie, und der kleine Schultz mit drei schweren
Maschinengewehren. Ich wurde mit lautem Hallo und einem Schluck Kognak
empfangen, dann erkl�rten sie mir die Lage, die sehr wenig angenehm war.
Dicht vor uns sa� der Engl�nder, rechts und links war kein Anschlu�.

Ganz unvermittelt fragte mich Sandvo�, ob ich etwas von meinem Bruder
geh�rt h�tte. Man wird sich meine Gef�hle vorstellen k�nnen, als ich
erfuhr, da� er den gestrigen Sturm mitgemacht habe und vermi�t sei.

Gleich darauf kam ein Mann und teilte mir mit, da� mein Bruder verwundet in
einem nahen Unterstand l�ge und zeigte dabei auf ein w�stes, von
entwurzelten B�umen bedecktes Blockhaus. Ich eilte �ber eine Lichtung, die
unter gezieltem Gewehrfeuer lag und trat ein. Welch ein Wiedersehen! Mein
Bruder lag in einem von Leichengeruch erf�llten Raum inmitten einer Menge
�chzender Schwerverwundeter. Er war in einer traurigen Verfassung. Beim
Sturm hatten ihn zwei Schrapnellkugeln getroffen, die eine hatte die Lunge
durchschlagen, die andere das rechte Oberarmgelenk zerschmettert. Das
Fieber gl�nzte ihm aus den Augen; er konnte nur mit M�he sich bewegen,
sprechen und atmen. Wir dr�ckten uns die Hand und erz�hlten.

Es war mir klar, da� er nicht an diesem Orte bleiben durfte, denn jeden
Augenblick konnte der Engl�nder st�rmen, oder eine Granate dem
schwerbesch�digten Betonklotz den Rest geben. Der beste Bruderdienst war,
ihn sofort zur�ckzuschaffen. Trotzdem Sandvo� sich gegen jede Schw�chung
unserer Kampfkraft str�ubte, gab ich den f�nf mit mir gekommenen Leuten den
Auftrag, meinen Bruder zum Sanit�tsunterstand �Kolumbusei� zu schaffen und
von dort Leute zur Bergung der anderen Verwundeten mitzubringen. Wir
kn�pften ihn in eine Zeltbahn und steckten eine lange Stange hindurch, dann
nahmen ihn zwei Mann auf die Schultern. Noch ein H�ndedruck, dann setzte
sich der traurige Zug in Bewegung.

Ich sah vom Waldrande aus der schwankenden Last nach, die sich durch einen
Wald kirchturmhoher Granatfontainen wand.

Nachdem ich aus den Trichtern am vorderen Waldrande noch etwas mit den
langsam vordringenden Engl�ndern gepl�nkelt hatte, verbrachte ich die Nacht
mit meinen Leuten und einer Maschinengewehrbedienung zwischen den Tr�mmern
des Betonklotzes. Andauernd schlugen in der N�he Brisanzgranaten von ganz
au�ergew�hnlicher Wucht ein, von denen mich am Abend eine um ein Haar
get�tet h�tte. Gegen Morgen ratterte pl�tzlich der Maschinengewehrsch�tze
los, da sich dunkle Gestalten n�herten. Es war eine Verbindungspatrouille
des Infanterieregiments 76, von der er einen Mann niederstreckte. Derartige
Irrt�mer kamen in diesen Tagen h�ufig vor, ohne da� man sich lange dar�ber
aufhielt.

Um 6 Uhr morgens wurden wir durch Teile der neunten Kompagnie abgel�st, die
mir den Befehl �berbrachten, mit meinen Leuten die Rattenburg zu besetzen.
Auf dem Wege dorthin wurde mir noch ein Fahnenjunker durch Schrapnellschu�
kampfunf�hig gemacht.

Die Rattenburg pr�sentierte sich uns als ein zerschossenes, mit
Betonquadern ausgemauertes Haus hart an dem sumpfigen Bette des Steenbachs,
das seinen Namen wahrscheinlich wohl verdiente.

Ziemlich zerm�rbt hielten wir unseren Einzug und warfen uns auf die
strohbedeckten Pritschen, bis uns ein reichliches Mittagessen und die
ermunternde Pfeife Tabak hinterher wieder etwas auf die Beine brachten.

In den fr�hen Nachmittagsstunden setzte eine andauernde Beschie�ung mit
schweren und schwersten Kalibern ein. Von 6 bis 8 Uhr jagte eine Explosion
die andere; oft wurde der Bau durch die ekelhaften St��e in der N�he
einschlagender Blindg�nger ersch�ttert und drohte einzust�rzen. Als das
Feuer gegen Abend verebbte, pirschte ich mich zum Sanit�tsunterstand
�Kolumbusei� und erkundigte mich bei dem Arzt, der gerade das grauenhaft
zugerichtete Bein eines Sterbenden untersuchte, nach meinem Bruder. Mit
Freude h�rte ich, da� er in verh�ltnism��ig guter Verfassung
zur�ckgeschafft sei.

Zu sp�ter Stunde erschien mein Essentr�gertrupp und brachte der kleinen,
auf 20 Mann zusammengeschmolzenen Kompagnie warmes Essen, B�chsenfleisch,
Kaffee, Brot, Tabak und Schnaps. Wir a�en kr�ftig und lie�en ohne l�stigen
Standesunterschied die Flasche mit �98prozentigem� rundgehen. Dann gaben
wir uns dem Schlafe hin, der durch aus dem Bachgrund aufsteigende
M�ckenschw�rme, Granaten und zeitweilige Gasbeschie�ungen reichlich gest�rt
wurde.

Infolgedessen schlief ich am n�chsten Morgen so fest, da� mich meine Leute
nach stundenlangem, schwerstem Feuer wecken mu�ten. Sie berichteten, da�
von vorn dauernd Leute zur�ckk�men mit der Angabe, die vordere Linie sei
ger�umt und der Gegner im Vordringen.

Nach dem alten Soldatengrundsatz: �Gut gefr�hst�ckt, h�lt Leib und Seele
zusammen�, st�rkte ich mich zun�chst, steckte mir eine Pfeife an und sah
dann zu, was drau�en los war.

Ich hatte nur einen bescheidenen �berblick, da die ganze Umgebung in
dichten Qualm geh�llt war. Das Artilleriefeuer wurde von Minute zu Minute
gewaltiger und erreichte bald jenen H�hepunkt, auf dem die Nervenerregung,
keiner weiteren Steigerung f�hig, in eine beinahe lustige Gleichg�ltigkeit
umschl�gt. Andauernd prasselten Schauer von Erdklumpen auf unser Dach,
zweimal wurde das Haus selbst getroffen. Brandgranaten warfen schwere,
milchwei�e Wolken hoch, aus denen feurige Tropfen zur Erde rieselten. Ein
St�ck dieser brennenden Masse klatschte auf einen Stein vor meinen F��en
und brannte noch minutenlang weiter. Verz�gerungsgeschosse w�hlten sich
dr�hnend in den Boden, flache Erdglocken hochsto�end. Gas- und
Nebelschwaden krochen schwerf�llig �ber das Schlachtfeld. Kurz vor uns
ert�nte Gewehr- und Maschinengewehrfeuer, ein Zeichen, da� der Feind schon
nahe herangekommen sein mu�te.

Unten im Steenbachgrunde schritt eine Gruppe von Leuten durch den
wechselnden Wald hochspritzender Schlammgeiser. Ich erkannte den
Bataillonskommandeur, Hauptmann von Brixen, der sich mit verbundenem Arm
auf zwei Sanit�ter st�tzte, und eilte nach ihm hin. Er rief mir hastig zu,
da� der Feind im Vordringen sei und warnte mich vor l�ngerem Verweilen ohne
Deckung.

Bald klatschten die ersten Infanteriegeschosse in die umliegenden Trichter
oder zerschellten an den Mauerresten. Immer mehr fl�chtige Gestalten
verschwanden hinter uns im Dunst, w�hrend rasendes Gewehrfeuer f�r die
erbitterte Verteidigung der vorn Festhaltenden zeugte.

Es galt zu handeln. Ich beschlo�, die Rattenburg zu verteidigen und machte
den Leuten, von denen einige bedenkliche Gesichter zogen, klar, da� ich an
R�ckzug nicht im entferntesten d�chte. Die Mannschaft wurde hinter
Schie�scharten verteilt, und unser einziges Maschinengewehr in eine
Fenster�ffnung gestellt. Ein Trichter wurde zum Verbandplatz bestimmt, und
ein Sanit�ter, der gleich reichliche Arbeit fand, hineingesetzt. Auch ich
nahm ein herumliegendes Gewehr auf und hing einen Gurt Patronen um den
Hals.

Da mein H�uflein sehr klein war, versuchte ich, es durch die zahlreichen
f�hrungslos umherirrenden Leute zu verst�rken. Die meisten folgten willig
unseren Zurufen, froh, sich anschlie�en zu k�nnen, w�hrend andere, von
ihren Nerven verlassen, weiter eilten, nachdem sie einen Augenblick
gestutzt hatten. In solchen F�llen h�rt jede zarte R�cksicht auf.

�Anschlagen!� rief ich meinen Leuten zu, die vor mir im Schutze des Hauses
standen, und schon fielen ein paar Sch�sse. Von den M�ndungen der Gewehre
magnetisch angezogen, kamen diese in jeder Schlacht unvermeidlichen
Dr�ckeberger langsam n�her, obgleich man ihren Mienen ansah, wie ungern sie
uns Gesellschaft leisteten. Eine mir wohlbekannte Kasinoordonnanz
versuchte, sich durch allerlei Ausfl�chte loszuwinden, ich lie� jedoch
nicht locker. �Aber ich habe ja gar kein Gewehr!� �Dann warten Sie, bis
einer totgeschossen wird!�

W�hrend einer letzten gigantischen Feuersteigerung, bei der die Tr�mmer des
Hauses mehrere Male getroffen wurden und die Ziegelbrocken hoch aus der
Luft auf unsere Stahlhelme klirrten, wurde ich im Blitze eines furchtbaren
Schlages zu Boden geworfen. Zum Erstaunen der Leute raffte ich mich
unverletzt wieder hoch.

Nach diesem m�chtigen Schlu�wirbel wurde es ruhiger. Das Feuer sprang �ber
uns hinweg und blieb an der Stra�e Langemarck--Bixschoote stehen. Uns war
nicht wohl dabei zumute. Bislang hatten wir den Wald vor B�umen nicht
gesehen, die Gefahr war so gewaltig und vielgestalt auf uns eingedrungen,
da� wir uns nicht mit ihr besch�ftigen konnten. Nachdem der Sturm �ber uns
hinweggebraust war, fand jeder Zeit, sich f�r das zu r�sten, was
unvermeidlich kommen mu�te.

Und es kam. Die Gewehre vor uns verstummten. Die Verteidiger waren
erledigt. Aus dem Qualm tauchte eine dichte Sch�tzenlinie. Meine Leute
schossen, hinter den Tr�mmern kauernd, das Maschinengewehr tackte. Wie
weggewischt verschwanden die Angreifer in den Trichtern und fesselten uns
durch ihr Feuer. Rechts und links gingen starke Abteilungen vor. Bald waren
wir von einem Kranze von Sch�tzen umgeben.

Die Lage war aussichtslos; es hatte keinen Zweck, die Mannschaft
hinzuopfern. Ich gab Befehl zum R�ckzuge. Es war schwierig, die im Kampfe
verbissenen Leute hochzubekommen.

Eine im Grunde lagernde Rauchwolke ausnutzend, entkamen wir, ohne bemerkt
zu werden. Ich verlie� die kleine Feste als Letzter, den Leutnant H�hlemann
unterst�tzend, der aus einer schweren Kopfwunde blutete und sich mit
einigen Witzen �ber seine Unbeholfenheit hinwegsetzte.

Beim �berschreiten der Stra�e stie�en wir auf die zweite Kompagnie, die zur
Verst�rkung vorgeschickt war. Nach kurzer Beratung beschlossen wir, stehen
zu bleiben und den Gegner zu erwarten. Auch hier mu�ten wir Leute anderer
Truppenteile, die den R�ckzug eigenm�chtig fortsetzen wollten, zwingen, zu
bleiben. Besonders Artilleristen, Lichtsignalisten, Fernsprecher usw. waren
nur durch Gewalt zu der Einsicht zu bringen, da� unter diesen Umst�nden
auch sie sich mit einem Gewehr in die Sch�tzenlinie zu legen h�tten. Mit
Bitten, Befehlen und Kolbenst��en schaffte ich mit Hilfe von Kius und
einigen ruhigen Leuten bald Ordnung.

Dann setzten wir uns in einen angedeuteten Graben und fr�hst�ckten. Kius
zog seinen unvermeidlichen Apparat hervor und photographierte. Links vor
uns am Ausgang von Langemarck entstand Bewegung. Unsere Leute schossen auf
umherlaufende Gestalten. Bald darauf erschien ein Unteroffizier und
meldete, da� sich eine Kompagnie der Gardef�siliere an der Stra�e
eingenistet und durch unser Feuer Verluste erlitten h�tte.

Ich lie� daraufhin unter starkem Gewehrfeuer bis in ihre H�he vorgehen.
Einige Leute fielen, der Leutnant Bartmer von der zweiten Kompagnie wurde
schwer verwundet. Kius blieb an meiner Seite, im Vorgehen sein Butterbrot
zu Ende essend. Als wir die Stra�e besetzt hatten, von der das Gel�nde zum
Steenbach abfiel, bemerkten wir, da� die Engl�nder im Begriff gewesen
waren, dasselbe zu tun. Bis auf 20 Meter waren die ersten khakifarbenen
Gestalten schon heran. Soweit das Auge blicken konnte, war das Vorgel�nde
von Sch�tzenlinien und Reihenkolonnen erf�llt. Auch um die Rattenburg
wimmelten sie schon herum.

Wir nutzten unser �berraschendes Erscheinen energisch aus und knallten
gleich ordentlich dazwischen. Am Steenbach brach eine ganze Reihe zusammen.
Einer von ihnen hatte eine Rolle Draht auf dem R�cken, von der er eine
Leitung abwickelte. Andere sprangen wie die Hasen hin und her, w�hrend
neben ihnen die Staubw�lkchen unserer Geschosse aufwirbelten. Ein strammer
Gefreiter der achten Kompagnie legte mit der gr��ten Ruhe sein Gewehr auf
einen zersplitterten Baumstumpf und scho� nacheinander vier Gegner ab. Der
Rest verkroch sich in Granattrichter, um sich dort bis zur Dunkelheit
verborgen zu halten. Wir hatten gut aufger�umt.

Gegen 11 Uhr schraubten sich kokardengeschm�ckte Flugzeuge auf uns herunter
und wurden durch lebhaftes, von oben erwidertes Feuer vertrieben.

Gleich nach der Besetzung der Stra�e hatte ich dem Regiment gemeldet und um
Unterst�tzung gebeten. Am Nachmittag kamen Infanteriez�ge, Pioniere und
Maschinengewehre zur Verst�rkung. Nach der Taktik des Alten Fritzen wurde
alles in die �berf�llte vordere Linie gesteckt. Ab und zu streckte der
Engl�nder einige unvorsichtig �ber die Stra�e gehende Leute nieder.

Gegen 4 Uhr begann eine sehr unangenehme Schrapnellschie�erei. Die Ladungen
wurden haarscharf auf die Chaussee geschleudert. Mir war klar, da� die
Flieger unsere neue Widerstandslinie festgestellt hatten und uns noch
schwere Stunden bevorstehen mu�ten.

Wirklich setzte bald eine gewaltige Beschie�ung mit leichten und schweren
Granaten ein. Wir lagen dicht nebeneinander in dem �berf�llten,
schnurgeraden Stra�engraben. Das Feuer tanzte uns vor den Augen, Zweige und
Lehmklumpen pfiffen auf uns herab. Links neben mir flammte ein Feuerblitz
auf, wei�en, stickigen Dampf zur�cklassend. Ich kroch auf allen Vieren zu
meinem Nebenmann. Er regte sich nicht mehr. Das Blut sickerte ihm aus
vielen, von schmalen, zackigen Splittern geschlagenen Wunden. Auch weiter
rechts traten schwere Verluste ein.

Nach einer halben Stunde wurde es still. Wir gruben emsig tiefe L�cher in
die flache Mulde des Grabens, um bei einem zweiten �berfall wenigstens
Schutz gegen Splitter zu haben. Unsere Spaten stie�en dabei auf Gewehre,
Koppelzeug und Patronenh�lsen aus dem Jahre 1914, ein Zeichen, da� dieser
Boden nicht zum ersten Male Blut trank. W�hrend der D�mmerung wurden wir
noch einmal gr�ndlich bedacht. Ich hockte neben dem Leutnant Kius in einem
Sitzloch, das uns manche Schwiele gekostet hatte. Der Boden rollte wie eine
Schiffsplanke unter fortw�hrenden n�chsten Einschl�gen. Wir waren auf das
Ende gefa�t.

Den Stahlhelm in die Stirn gedr�ckt, zerkaute ich meine Pfeife und starrte
auf die Chaussee, deren Steine unter aufspringenden Eisenbrocken Funken
spr�hten. Die merkw�rdigsten Gedanken schossen mir durch den Kopf. So
besch�ftigte ich mich lebhaft mit einem franz�sischen Schundroman �le
vautour de la Sierra�, der mir in Cambrai in die H�nde gefallen war.
Mehrere Male murmelte ich ein Wort Ariost's: �Ein gro�es Herz f�hlt vor dem
Tod kein Grauen, wann er auch kommt, wenn er nur r�hmlich, ist.� Heute
schmeckt es mir etwas nach Theater, damals half es mir, Haltung vor mir
selbst zu bewahren. Wenn die Granaten dem Ohr etwas Ruhe lie�en, h�rte ich
Bruchst�cke des sch�nen Liedes vom schwarzen Walfisch zu Askalon neben mir
ert�nen und hielt meinen Freund Kius f�r �bergeschnappt. Jeder hat eben
sein eigenes Nervenberuhigungsmittel.

Am Ende der Beschie�ung flog mir ein gro�er Splitter gegen die Hand. Kius
leuchtete mit seiner Taschenlaterne. Wir stellten einen oberfl�chlichen Ri�
fest.

Stunden wie die eben erlebte waren ohne Zweifel die schrecklichsten des
ganzen Krieges.

Du kauerst zusammengezogen einsam in deinem Erdloch und f�hlst dich einem
unbarmherzigen, blinden Vernichtungswillen preisgegeben. Mit Entsetzen
ahnst du, da� deine ganze Intelligenz, deine F�higkeiten, deine geistigen
und k�rperlichen Vorz�ge zur unbedeutenden, l�cherlichen Sache geworden
sind. Schon kann, w�hrend du dies denkst, der Eisenklotz seine sausende
Fahrt angetreten haben, der dich zu einem formlosen Nichts zerschmettern
wird. Dein Unbehagen konzentriert sich auf das Geh�r, das das Heranflattern
des Todbringers aus der Menge der Ger�usche zu unterscheiden sucht.

Dabei ist es dunkel. Du mu�t alle Kraft zum Aushalten aus dir allein
sch�pfen. Du kannst nicht einmal aufstehen und dir mit blasiertem L�cheln
eine Zigarette anz�nden, dich an den bewundernden Blicken deiner Kameraden
aufrichtend. Du wirst nicht ermutigt durch deinen Freund, der sich das
Monokel einklemmt, um einen Einschlag auf der Schulterwehr neben dir zu
betrachten. Du wei�t, wenn es dich trifft, wird kein Hahn danach kr�hen.

Ja, warum springst du nicht auf und st�rzt in die Nacht hinein, bis du in
einem sicheren Geb�sch wie ein ersch�pftes Tier zusammenbrichst? Warum
h�ltst du noch immer aus, du und deine Braven? Kein Vorgesetzter sieht
dich.

Und doch beobachtet dich jemand. Dir selbst vielleicht unbewu�t, wirkt der
moralische Mensch in dir und bannt dich durch zwei m�chtige Faktoren am
Platze: die Pflicht und die Ehre. Du wei�t, du bist zum Kampfe an diesen
Ort gestellt und ein ganzes Volk vertraut darauf, da� du deine Sache
machst. Du f�hlst, wenn ich jetzt meinen Platz verlasse, bin ich ein
Feigling vor mir selbst, ein Lump, der sp�ter bei jedem Worte des Lobes
err�ten mu�. Du bei�t die Z�hne zusammen und bleibst.

An diesem Abend hielten alle aus, die dort an der dunklen flandrischen
Chaussee lagen. Man sah, da� F�hrer und Mannschaft in einem heroischen
Geiste erzogen waren.

Pflicht und Ehre m�ssen die Grundpfeiler jeder Armee sein. Und dem Offizier
als Vork�mpfer mu� das Gef�hl gesteigerter Pflicht und gesteigerter Ehre
anerzogen werden. Dazu braucht man geeignetes Material und gewisse Formen.
Das wird einem erst im Kriege ganz klar. --

Nach Mitternacht begann es zu rieseln; Patrouillen eines inzwischen
eingeschw�rmten Regiments, die bis zum Steenbach vorgingen, fanden nur
schlammgef�llte Trichter vor. Der Feind hatte sich hinter den Bach
zur�ckgezogen.

Von den Anstrengungen dieses gewaltigen Tages ersch�pft, setzten wir uns
bis auf die in Wachen eingeteilten Leute in unsere L�cher. Ich zog mir den
zerfetzten Mantel meines toten Nebenmannes �ber den Kopf und verfiel in
einen unruhigen Schlaf. Zur Zeit der D�mmerung erwachte ich durch ein
merkw�rdig kaltes Gef�hl und entdeckte, da� ich mich in einer betr�blichen
Lage befand. Es regnete in Str�men, und die Rinnsale der Stra�e ergossen
sich in die Tiefe meines Sitzloches. Ich errichtete einen kleinen Damm und
sch�pfte meinen Ruheort mit dem Kochgeschirrdeckel aus. Infolge des
st�ndigen Steigens der Wassermenge mu�te ich meinem Erdwerke eine Krone
nach der anderen aufsetzen, bis endlich der schwache Bau dem wachsenden
Druck wich, und ein schmutziger Strom mein Sitzloch gurgelnd bis obenhin
f�llte. W�hrend ich mich bem�hte, aus dem Schlamm Pistole und Stahlhelm zu
angeln, trieben Tabak und Lebensmittel den Chausseegraben entlang, dessen
�brigen Bewohnern es �hnlich ergangen war. Zitternd und frierend, ohne
einen trockenen Faden am Leibe standen wir in dem Bewu�tsein, der n�chsten
Beschie�ung v�llig deckungslos ausgesetzt zu sein, im Schlamm der Stra�e.
Es war eine erb�rmliche Situation. Ich machte hier die Beobachtung, da�
kein Artilleriefeuer die Widerstandskraft des Menschen so gr�ndlich zu
brechen vermag wie N�sse und K�lte.

F�r den weiteren Verlauf der Schlacht war dieser Landregen ein wahres
Gottessgeschenk, denn die englische Offensive mu�te ja dadurch gerade in
den ersten, wichtigsten Tagen ins Stocken kommen. Der Gegner mu�te mit
seiner Artillerie die versumpfte Trichterzone �berwinden, w�hrend wir
unsere Munition auf intakten Stra�en heranrollen konnten.

Um 11 Uhr erschien, als uns schon die Verzweiflung gepackt hatte, ein
rettender Engel, in Gestalt eines Meldel�ufers, der den Befehl brachte, da�
sich das Regiment in Kokuit sammeln sollte.

Auf dem Wege sahen wir, wie schwierig die Verbindung nach vorn am
Angriffstage gewesen sein mu�te. Die Stra�en waren bes�t von Menschen und
Pferden. Neben einigen bis zur Unkenntlichkeit zerschmetterten Protzen
lagen zw�lf grauenhaft verst�mmelte Pferde auf einem Haufen.

Auf einer regenfeuchten Wiese, �ber der sich die milchwei�en B�lle
vereinzelter Schrapnells w�lkten, sammelten sich die Reste des Regiments.
Wir wurden ersch�ttert durch den Anblick dieser kleinen Schar von der
St�rke einer Kompagnie, in deren Mitte ein Gr�pplein von Offizieren stand.
Welche Verluste! Von zwei Bataillonen fast alle Offiziere und Mannschaften.
D�steren Blicks standen die �berlebenden im str�menden Regen, bis die
Quartiere angewiesen waren. In einer Holzbaracke trockneten wir uns, um
einen gl�henden Ofen geschart, und fa�ten bei einem kr�ftigen Fr�hst�ck
wieder frischen Lebensmut. Die menschliche Natur ist eben unverw�stlich.

Gegen Abend schlugen Granaten ins Dorf. Eine der Baracken wurde getroffen
und eine Reihe von Leuten der dritten Kompagnie get�tet. Trotz der
Beschie�ung legten wir uns bald nieder mit der einzigen Hoffnung, nicht zum
Gegenangriff oder pl�tzlicher Verteidigung wieder in den Regen
hinausgeworfen zu werden.

Um 3 Uhr morgens kam der Befehl zum endg�ltigen Abr�cken. Wir marschierten
�ber die mit Leichen und zerschossenen Wagen bestreute Chaussee nach
Staden. Um den Krater eines riesigen Einschlages herum lagen allein zw�lf
Tote. Staden, das bei unserer Ankunft noch so belebt gewesen war, wies
schon viele zerschossene H�user auf. Der ver�dete Marktplatz war mit
fortgeworfenem Hausger�t bes�t. Eine Familie verlie� mit uns das St�dtchen,
als einzigen Besitz eine Kuh hinter sich herziehend. Der Mann hatte ein
Stelzbein, die Frau hielt die weinenden Kinder an der Hand. Der wirre L�rm
im R�cken erh�hte das Traurige des Bildes.

Die �berreste des II. Bataillons wurden in einem einsamen Hof
untergebracht, der sich inmitten saftiger, hochaufgeschossener Felder
hinter dichten Hecken verbarg. Dort wurde mir die F�hrung der siebenten
Kompagnie �bertragen, mit der ich bis zum Schlu� des Krieges Freud und Leid
teilen sollte.

Am Abend sa�en wir vor dem mit alten Kacheln ausgelegten Kamin, st�rkten
uns durch einen steifen Grog und lauschten dem wieder auflebenden Donner
der Schlacht. Aus dem Heeresbericht einer neuen Zeitung sprang mir der Satz
in die Augen: �Es gelang uns, den Feind an der Steenbachlinie aufzuhalten.�

Es war seltsam, zu empfinden, da� unser scheinbar wirres Tun in finsterer
Nacht weltgeschichtliche Bedeutung erlangt hatte. Wir hatten ein gut Teil
dazu beigetragen, die mit so gewaltigen Kr�ften begonnene feindliche
Offensive zum Stillstand zu bringen.

Bald begaben wir uns zur Ruhe auf den Heuboden. Trotz des ausgiebigen
Schlaftrunkes phantasierten die meisten Schl�fer und w�lzten sich hin und
her, als ob sie die Flandernschlacht noch einmal durchk�mpfen m��ten.

Am 3. Juli setzten wir uns, reichbeladen mit Vieh und Feldfr�chten der
verlassenen Gegend nach dem Bahnhof des nahen St�dtchens Gits in Marsch. In
der Bahnhofskneipe trank das ganze zusammengeschrumpfte Bataillon schon
wieder in gl�nzender Stimmung Kaffee, den zwei derbe fl�mische Kellnerinnen
zum allgemeinen Vergn�gen mit sehr gewagten Redewendungen w�rzten.
Besonderen Spa� machte es den Leuten, da� sie nach Landesbrauch jeden, auch
die Offiziere, mit �du� traktierten.

                   *       *       *       *       *

Nach einigen Tagen erhielt ich aus einem Gelsenkirchener Lazarett einen
Brief meines Bruders. Er schrieb, da� er wohl einen steifen Arm und eine
klapprige Lunge behalten w�rde.

Ich entnehme seinem Tagebuch folgende Zeilen, die meinen Bericht erg�nzen
und die Eindr�cke eines in das Tosen der Materialschlacht geworfenen
Neulings anschaulich wiedergeben:

�-- -- Antreten zum Sturm!� Das Gesicht meines Zugf�hrers und
Vizefeldwebels Schnell beugte sich �ber den Eingang der kleinen laub- und
bretter�berdachten H�hle, in der wir seit Stunden rauchend und essend
lagen. Die drei Leute neben mir beendeten ihr Gespr�ch und rafften sich
fluchend auf. Ich erhob mich, schnallte um, r�ckte den Stahlhelm fest und
trat in die D�mmerung hinaus.

Es war neblig und k�hl. Das Bild hatte sich inzwischen ver�ndert. Das
Granatfeuer hatte sich verzogen und lagerte dumpfdonnernd auf anderen
Teilen des riesigen Schlachtfeldes. Flugzeuge durchknatterten die Luft und
beruhigten das �ngstlich sp�hende Auge durch ihre gro�en eisernen Kreuze.

Ich lief noch einmal zu einem Brunnen, der zwischen Tr�mmern und Schutt
sich merkw�rdig klar erhalten hatte, zog den Eimer hoch, trank und f�llte
meine Feldflasche.

Die Leute der Kompagnie traten in Z�gen an. Ich hakte mir eilig vier
Handgranaten in das Koppel und begab mich zu meiner Gruppe, von der zwei
Mann nicht zur Stelle waren. Kaum hatte ich noch Zeit, die Namen
aufzuschreiben, als alles sich in Bewegung setzte. In Reihen zu einem
bewegten sich die Z�ge durch das Trichtergel�nde, umbogen Balken, pre�ten
sich an Hecken, tauchten in Tiefen unter und wanden sich klirrend und
polternd auf den Feind zu.

Ich war mir meines Auftrages klar bewu�t. Das zweite Bataillon unseres
Regiments und ein Bataillon des Nachbarregiments hatten den Befehl,
englische Abteilungen, die �ber den Kanal gesto�en waren, zur�ckzuwerfen.
Mir war zugedacht, mit meiner Gruppe vorn liegen zu bleiben und den
Gegensto� aufzufangen.

W�hrend ich all dieses noch einmal �berlegte, traf mein Blick auf das
blasse, entschlossene Gesicht eines jungen Unteroffiziers. �Bachmann�,
dachte ich, obgleich ich ihn nicht kannte. Es war mein Kamerad,
Fahnenjunker-Unteroffizier, ebenfalls bei der Kompagnie Sandvo�. Ich verlor
ihn aus dem Gesicht und betrachtete staunend die Landschaft, die sich
pl�tzlich vor unseren Augen entwickelt hatte.

Wir waren vor den Tr�mmern eines Dorfes angekommen. Aus der schrecklich
zernarbten Ebene Flanderns ragten schwarz und zersplittert die astlosen
St�mpfe einzelner B�ume, �berreste eines gro�en Waldes. Ungeheure
Rauchschwaden zogen durch die Luft und verh�ngten den Himmel mit d�sterem,
schwerem Gew�lk. �ber der kahlen Erde, so unbarmherzig zerrissen und wieder
zerrissen, schwelten stinkende Gase, die gelb und braun tr�ge
umherwanderten.

Es wurde Gasbereitschaft befohlen. In diesem Augenblick setzte schlagartig
ein ungeheures Feuer ein. Erde sprang auf in fauchenden Font�nen, und ein
Hagel von Splittern fegte wie ein Regenschauer das Land. Einen Augenblick
stand jeder erstarrt. Dann st�rzte alles wie rasend auseinander. Einmal
noch h�rte ich unverst�ndlich die br�llende Stimme unseres
Bataillonskommandeurs, Rittmeister B�ckelmann.

Meine Leute waren verschwunden, ich befand mich in einem anderen Zuge und
dr�ngte mich mit den anderen nach den Tr�mmern eines Dorfes, das die
unerbittlichen Granaten bis auf die Grundmauern rasiert hatten. Wir rissen
die Gasmasken heraus.

Mit einem Schlage setzte ein tolles Maschinengewehrfeuer ein. Alles warf
sich nieder. Links neben mir kniete der Leutnant Ehlers, neben ihm lag
sp�hend ein Unteroffizier. Vor uns flackerte gelb eine Feuerwand,
Detonation folgte auf Detonation; H�userreste, ein Schauer von Erdklumpen,
Ziegelst�cken und Eisensplittern hagelte auf uns herab und schlug helle
Funken aus den Stahlhelmen. Ich starrte in diesen gl�henden Hexenkessel
hinein.

Was war dagegen das halbst�ndige Trommelfeuer, das diesen verfehlten
Angriff vorbereitet hatte. Denn da� er verfehlt war, war mir klar wie eine
Vision. Zweimal verschlang ein ungeheuerlicher Krach in kurzen
Zwischenr�umen das Toben. Ganze Schuttfelder flogen in die Luft, wirbelten
durcheinander und st�rzten mit h�llischem Prasseln nieder.

Auf eine schreiende Aufforderung Ehlers' schaute ich nach rechts. Er erhob
die linke Hand, winkte nach hinten, rief und sprang vor. Ich stand
schwerf�llig auf und folgte laufend. Meine F��e brannten von der
vorhergehenden Nacht noch immer wie Feuer, das Blut war jedoch von den
Str�mpfen aufgesogen und der stechende Schmerz hatte nachgelassen.

Ich hatte keine zwanzig Schritt gemacht, da blendete mich, als ich aus
einem Trichter wieder auftauchte, das brennende Licht eines Schrapnells,
das keine zehn Schritt vor mir in drei Meter H�he auseinandersprang. Ich
f�hlte zwei dumpfe Schl�ge gegen Brust und Schulter. Automatisch fiel mir
das Gewehr aus der Hand, ich brach, den Kopf nach hinten, zusammen und
kollerte in den Trichter zur�ck. Verschwommen h�rte ich noch die Stimme
Ehlers, der im Vorbeilaufen rief: �Den hat's erwischt.�

Er sollte den n�chsten Tag nicht beenden. Der Vorsto� mi�lang, und er wurde
beim Zur�ckspringen mit all seinen Begleitern get�tet. Ein Schu� durch den
Hinterkopf setzte dem Leben dieses tapferen Offiziers ein Ende.

Als ich nach einer langen Ohnmacht erwachte, war es ruhig geworden. Ich
versuchte mich aufzurichten, empfand jedoch heftigen Schmerz in der rechten
Schulter, den jede Bewegung des Armes verst�rkte. Der Atem ging kurz und
sto�weise, die Lunge konnte nicht genug Luft schaffen. �Prellschu� an Lunge
und Schulter�, dachte ich, warf Sturmgep�ck, Koppel und in einem Zustande
v�lliger Apathie auch die Gasmaske fort. Den Stahlhelm behielt ich auf und
h�ngte die Feldflasche an den Taillenhaken.

Nach f�nf Schritten blieb ich in einem Nebentrichter regungslos liegen.
Nach vielleicht einer Stunde versuchte ich das zweite Mal fortzukriechen,
da das Feld schon wieder von leichten Trommelfeuern �berschauert wurde.
Auch dieser Versuch mi�lang; ich verlor meine Feldflasche und versank in
eine unendliche Ersch�pfung, aus der mich nach langer Zeit das Gef�hl
brennenden Durstes erweckte.

Es begann leise zu regnen. Mit dem Stahlhelm gelang es mir, ein wenig
schmutziges Wasser zu sammeln. Ich hatte jede Orientierung verloren. Ein
Gewitter zog auf, seine Donnerschl�ge wurden �bert�nt von dem einsetzenden
L�rm eines neuen Trommelfeuers. Ich dr�ckte mich an die Trichterwand. Ein
Lehmklumpen traf meine Schulter, schwere Splitter fegten �ber meinen Kopf
dahin. Allm�hlich verlor ich auch den Sinn f�r die Zeit.

Einmal tauchten zwei Leute auf, die in langen Spr�ngen �ber das Feld
setzten. Ich rief sie an; sie verschwanden, ohne auf mich zu h�ren wie
Schatten in den Nebeln. Endlich kamen drei Leute gerade auf mich zu. Ich
erkannte in dem mittleren den Unteroffizier vom Tage vorher. Sie nahmen
mich mit zu einer kleinen H�tte, die in der N�he stand, vollgestopft von
Verwundeten, die von zwei Sanit�tern gepflegt wurden. Ich hatte 13 Stunden
im Trichter gelegen.

In einer Ecke erkannte ich Bachmann, der, seinen Schmerz verbei�end,
krampfhaft sein zerschossenes Knie hielt. Wir unterhielten uns abgebrochen;
manchmal, wenn jemand ihn anstie�, st�hnte er leise.

Fortw�hrend arbeitete das gewaltige Feuer fort. Granate auf Granate schlug
neben uns ein, h�ufig das Dach mit Sand und Erde �bersch�ttend. Man verband
mich, gab mir eine neue Gasmaske, ein Brot mit grober, roter Marmelade und
ein wenig Wasser. Der Sanit�ter sorgte f�r uns wie ein Vater.

Die Engl�nder begannen vorzudringen. Sprungweise n�herten sie sich und
verschwanden in den Trichtern, wie ich aus drau�en erschallenden
�ngstlichen Ausrufen schlo�.

Dann trat mein Kompagnief�hrer, der Leutnant Sandvo� ein, fragte mich, ob
ich gehen k�nnte und verschwand, von einer Ordonnanz abberufen. Gleich
darauf h�rte ich seine befehlende Stimme, Maschinengewehre wurden
umpostiert und begannen zu tacken.

Pl�tzlich st�rzte von den Schuhen bis zum Stahlhelm mit Lehm beschmiert ein
junger Offizier, mit dem E. K. I auf der Brust, herein. Es war mein Bruder,
der unten schon am vorigen Tage totgesagt war. Wir begr��ten uns, ein wenig
seltsam und ger�hrt l�chelnd. Nach wenigen Minuten verlie� er mich und
brachte die letzten f�nf Leute seiner Kompagnie herbei. Ich wurde auf eine
Zeltbahn gelegt und unter dem Donner der Gesch�tze vom Schlachtfelde
getragen. --




Regni�ville.


Am 4. Juli 1917 stiegen wir in dem ber�hmten Mars-la-tour aus. Die siebente
und achte Kompagnie kam in Doncourt unter, wo wir einige Tage lang ein ganz
beschauliches Leben f�hrten. Nur brachten mich die knappen
Verpflegungss�tze in manchen Konflikt. Es war streng verboten, in den
Feldern zu furagieren, trotzdem meldeten mir fast jeden Morgen die
Feldgendarmen einige Leute, die sie beim n�chtlichen Kartoffelroden
angetroffen hatten und deren Bestrafung ich nicht umgehen konnte.

Am 9. wurde die Kompagnie durch den Divisionskommandeur, Generalmajor von
Busse, besichtigt, der uns sein Lob f�r gutes Verhalten im Gefecht
aussprach. Am n�chsten Nachmittag wurden wir verladen und fuhren bis in die
N�he von Thiaucourt. Von dort marschierten wir gleich in unsere neue
Stellung, die sich auf den waldreichen H�hen der C�te Lorraine gegen�ber
dem zerschossenen, aus manchem Tagesbefehl bekannten Dorfe Regni�ville
hinzog. Am ersten Morgen besah ich meinen Abschnitt, der mir reichlich lang
f�r eine Kompagnie vorkam und aus einem un�bersichtlichen Gewirre zum Teil
halbverfallener Gr�ben bestand. Auch die vordere Linie war an vielen
Stellen durch die in dieser Stellung �blichen schweren, dreibeinigen
Fl�gelminen eingeebnet. Mein Stollen lag um 100 Meter zur�ck in dem sogen.
Verkehrsgraben, nahe der aus Regni�ville herausf�hrenden Stra�e. Zum ersten
Male seit langer Zeit lagen wir wieder Franzosen gegen�ber.

Die Grabenw�nde bestanden aus Kalkstein, einem Material, das der Witterung
bedeutend mehr widerstand als der gewohnte Lehmboden. Stellenweise war der
Graben sogar sorgf�ltig ausgemauert und die Sohle auf lange Strecken
betoniert, so da� selbst die st�rksten Regenmassen leicht ablaufen konnten.
Der r�tlich-wei�e Fels wimmelte von Fossilien. Jedesmal, wenn ich den
Graben durchschritt, kam ich mit Taschen voll Muscheln, Seesternen und
Ammonsh�rnern in den Unterstand zur�ck.

Mein Stollen war tief und tropfig. Er hatte eine Eigenschaft, die mir wenig
Freude machte, trotzdem ich sonst leidenschaftlicher Entomologe bin. Es
kamen n�mlich in dieser Gegend statt der �blichen L�use die viel
beweglicheren Verwandten vor. Diese beiden Arten stehen anscheinend in
demselben feindschaftlichen Verh�ltnis zueinander wie Wander- und
Hausratte. Hier half nicht einmal der gewohnte W�schewechsel, denn die
sprunggewandten Schmarotzer lauerten t�ckisch im Stroh der Lagerst�tte. Der
zur Verzweiflung getriebene Schl�fer ri� endlich seine Decken heraus und
konnte mit Mephisto sprechen:

   Ich sch�ttle einmal noch den alten Flaus,
   Noch einer flattert hier und dort hinaus,
   Hinauf, umher in hunderttausend Ecken,
   Eilt Euch, ihr Liebchen zu verstecken.

Auch die Verpflegung lie� viel zu w�nschen �brig. Au�er der d�nnen
Mittagssuppe gab es nur ein Drittel Brot mit einer l�cherlich kleinen
Beilage, die meist aus halbverdorbener Marmelade bestand. Die H�lfte davon
fra� mir jedesmal eine fette Ratte auf, der ich oft vergeblich nachstellte.

Die Reserve- und Ruhekompagnie hielten sich in tief im Walde versteckten,
romantisch gelegenen Blockhaus-Siedlungen auf. Besonders gefiel mir mein
Quartier in der Reservestellung, dem Stumpflager, das im toten Winkel an
den Hang einer engen Waldschlucht geklebt war. Ich hauste dort in einer
winzig kleinen, halb in den Hang eingebauten H�tte, die dicht von
Haselnu�str�uchern und Kornelkirschen umfa�t war. Das Fenster bot einen
Ausblick auf den gegen�berliegenden bewaldeten Bergr�cken und einen
schmalen bachdurchflossenen Wiesenstreifen im Grunde. Eine an der R�ckwand
aufgestapelte Kollektion von Flaschen aller Sorten verriet, da� hier schon
mancher Einsiedler beschauliche Stunden verbracht haben mu�te, und auch ich
bem�hte mich, des Ortes ehrw�rdigen Brauch nicht zu vernachl�ssigen. Wenn
abends die Nebel aus dem Grunde stiegen, sich mit dem schweren, wei�en
Qualm meines Holzfeuers mischten, und ich bei offener T�re im ersten D�mmer
zwischen der frischen Herbstluft und der W�rme des Feuers hockte, schien
mir nur ein Getr�nk dazu passend: Rotwein mit Eierkognak zur H�lfte in
einem bauchigen Glase. Diese intimen Feiern tr�steten mich auch �ber die
Tatsache, da� ein vom Ersatz-Bataillon gekommener, dienst�lterer Herr meine
Kompagnie �bernommen hatte, und ich als Zugf�hrer wieder den langweiligen
Grabendienst verrichtete. Ich suchte die endlosen Wachen nach alter
Gewohnheit durch h�ufige Patrouillen zu umgehen.

Am 24. August wurde der tapfere Rittmeister B�ckelmann durch einen
Granatsplitter verwundet, der dritte Bataillons-Kommandeur, den das
Regiment innerhalb kurzer Zeit verlor. -- Am 29. stattete ich mit dem
Unteroffizier Kloppmann, dem t�chtigsten Angeh�rigen der siebenten
Kompagnie, der feindlichen Linie einen Besuch ab.

Wir krochen auf eine L�cke des feindlichen Hindernisses zu, die Kloppmann
in der Nacht vorher geschnitten hatte. Zu unserer unangenehmen �berraschung
war der Draht geflickt; trotzdem durchschnitten wir ihn wieder mit
ziemlichem Ger�usch und stiegen in den Graben. Wir kauerten uns hinter der
n�chsten Schulterwehr nieder und lauschten. Nach einer viertelst�ndigen
Lauerpause schlichen wir weiter, einen Telephondraht verfolgend, der bei
einem in die Erde gesteckten Seitengewehr endigte. Wir fanden die Stellung
mehrfach durch Draht und einmal durch eine gitterf�rmige T�r versperrt,
doch unbesetzt. Nachdem wir alles genau angesehen hatten, gingen wir
denselben Weg zur�ck und verspannen die L�cke wieder sorgf�ltig, um unseren
Besuch nicht zu verraten.

Am n�chsten Abend spionierte Kloppmann wieder um die Stelle herum, wurde
jedoch mit Gewehrsch�ssen und zitronenf�rmigen Handgranaten, den sogen.
�Enteneiern�, empfangen, deren eine dicht neben seinem in den Boden
gepre�ten Kopf niederfiel ohne zu krepieren. Er mu�te schleunigst
Fersengeld geben.

Am 10. September begab ich mich vom Stumpflager zum
Regiments-Gefechtsstand, um Urlaub einzureichen. �Ich habe schon an Sie
gedacht,� erwiderte mir der Oberst von Oppen, �das Regiment mu� jedoch eine
gewaltsame Patrouille machen, deren F�hrung Sie �bernehmen sollen. Suchen
Sie sich die geeigneten Leute aus und �ben Sie mit ihnen unten im
Souloeuvre-Lager.�

Wir sollten an zwei Stellen in den feindlichen Graben eindringen und
versuchen, Gefangene zu machen. Die Patrouille zweigte sich in drei Teile,
zwei Sto�trupps und eine Sicherheitsbesatzung, die die erste Linie besetzen
und uns den R�cken decken sollte. Ich �bernahm die F�hrung des linken
Trupps, den rechten bekam der Leutnant v. Kienitz. Die Leute setzten sich
nur aus Freiwilligen zusammen; einige �berz�hlige weinten fast, als ich sie
zur�ckwies. Mein Trupp bestand, mich eingerechnet, aus 14 Mann, darunter
der F�hnrich v. Zglinitzky, Unteroffizier Kloppmann, Unteroffizier Mevius,
Unteroffizier Dujesiefken und zwei Pioniere. Die tollsten Draufg�nger des
zweiten Bataillons hatten sich zusammengefunden.

Zehn Tage lang trainierten wir uns im Werfen von Handgranaten und f�hrten
unser Unternehmen an einem der Wirklichkeit nachgebildeten Sturmwerk aus.
Es war ein Wunder, da� ich bei dem �bereifer meiner Leute nur drei schon
vorher durch Splitter Verletzte hatte. Im �brigen taten wir keinen Dienst,
so da� ich am Nachmittag des 22. Septembers als Meister einer verwilderten,
aber brauchbaren Bande zur zweiten Stellung zog, in der wir f�r die Nacht
untergebracht werden sollten.

Abends pilgerten v. Kienitz und ich durch den dunklen Wald zum
Bataillons-Gefechtsstand, da wir vom Bataillons-Kommandeur, Rittmeister
Schumacher, zu einer Henkersmahlzeit geladen waren. Dann legten wir uns in
unserem Stollen schlafen. Es ist ein merkw�rdiges Gef�hl, wenn man wei�,
da� man am n�chsten Morgen einen Kampf auf Leben und Tod zu bestehen hat
und vorm Einschlafen noch eine Zeit lang in sich hineinhorcht.

Um 3 Uhr wurden wir geweckt, standen auf, wuschen uns und lie�en das
Fr�hst�ck zurechtmachen. Ich hatte gleich einen t�chtigen �rger, da mir
mein Bursche die Spiegeleier, die ich mir zur St�rkung und Feier des Tages
leisten wollte, vollkommen versalzen hatte.

Wir schoben die Teller zur�ck und sprachen zum hundertsten Male alle
Einzelheiten durch, die uns begegnen konnten. Zwischendurch boten wir uns
gegenseitig Cherry Brandies an, w�hrend v. Kienitz einige uralte Witze zum
Besten gab. Zwanzig Minuten vor f�nf nahmen wir die Leute zusammen und
f�hrten sie in die Bereitschaftsbunker der vorderen Linie. Es waren schon
L�cken in den Draht geschnitten und lange, mit Kalkmehl gestreute Pfeile
wiesen auf unsere Angriffspunkte. Wir trennten uns mit einem H�ndedruck und
harrten der Dinge, die da kommen sollten.

Ich war vollkommen in Dre�: Vor der Brust zwei Sands�cke mit je vier
Stielhandgranaten, links mit Aufschlag-, rechts mit Brennz�nder, in der
rechten Rocktasche eine Pistole 08 am langen Bande, in der rechten
Hosentasche eine kleine Mauserpistole, in der linken Rocktasche f�nf
Eier-Handgranaten, in der linken Hosentasche Leuchtkompa� und
Trillerpfeife. Am Koppel Karabinerhaken zum Abrei�en der Handgranaten,
Dolch und Drahtschere. In der inneren Brusttasche steckte eine gef�llte
Brieftasche und meine Heimatadresse, in der hinteren Rocktasche eine platte
Flasche voll Cherry Brandy. Achselklappen und Gibraltarband hatten wir
abgelegt, um dem Gegner keinen Aufschlu� �ber unsere Herkunft zu geben. Als
Erkennungszeichen trugen wir an jedem Arm eine wei�e Binde.

Vier Minuten vor f�nf setzte bei der linken Nachbardivision Ablenkungsfeuer
ein. Punkt 5 Uhr brach schlagartig unser Artillerie- und Minenfeuer los.
Ich stand mit dem Unteroffizier Kloppmann vorm Stolleneingang und rauchte
eine letzte Zigarre; wir mu�ten jedoch wegen zahlreicher Kurzsch�sse
Deckung nehmen. Mit der Uhr in der Hand z�hlten wir die Minuten.

Punkt 5.05 Uhr ging es aus dem Stollen heraus und auf den vorbereiteten
Wegen durchs Hindernis. Ich rannte, eine Handgranate hochhebend, voran und
sah auch die rechte Patrouille in der ersten D�mmerung vorst�rmen. Das
feindliche Verhau war schwach; ich �bersprang es in zwei S�tzen, stolperte
aber �ber eine dahintergezogene Drahtwalze und st�rzte in einen Trichter,
aus dem mich die Unteroffiziere Kloppmann und Mevius hervorzogen. �Rin!�
Wir sprangen in die erste Linie, ohne auf Widerstand zu sto�en, w�hrend
rechts ein krachender Handgranatenkampf begann. Ohne uns darum zu k�mmern,
setzten wir �ber die den n�chsten Graben absperrende Sandsackbarrikade und
sprangen von Trichter zu Trichter vor, bis wir zwei Reihen Spanischer
Reiter erreichten, die uns von der zweiten Linie trennten. Da diese
vollkommen zerst�rt war und keine Hoffnung auf Gefangene gab, eilten wir,
ohne uns aufzuhalten, durch einen verbarrikadierten Laufgraben weiter vor.

Bei der Einm�ndung in die dritte Linie fiel vor mir ein glimmendes
Zigarettenende zu Boden. Ich gab meinen Leuten ein Zeichen, fa�te die
Handgranate fester und schlich vorsichtig durch den gut ausgebauten Graben
vor, an dessen W�nden zahlreiche verlassene Gewehre lehnten. In solchen
Situationen registriert das Ged�chtnis unbewu�t auch das Nebens�chlichste.
So pr�gte sich mir an dem Grabenkreuz das Bild eines Kochgeschirres ein, in
dem ein L�ffel stand. Diese Beobachtung rettete mir 20 Minuten sp�ter das
Leben.

Pl�tzlich verschwanden vor uns schattenhafte Gestalten. Wir rannten hinter
ihnen her und gerieten in eine Sackgasse, in deren Wand ein Stolleneingang
gebohrt war. Ich stellte mich davor und schrie: �Montez!� Eine
herausgeschleuderte Handgranate war die Antwort. Sie explodierte in H�he
meines Kopfes an der gegen�berliegenden Wand, zerfetzte meine seidene
M�tze, verwundete meine linke Hand mehrfach und schlug mir die Kuppe des
kleinen Fingers weg. Dem neben mir stehenden Pionier-Unteroffizier wurde
die Nase durchbohrt. Wir zogen uns einige Schritte zur�ck und bombardierten
den gef�hrlichen Platz mit Handgranaten. Ein �bereifriger schleuderte eine
Brandr�hre in den Eingang und machte dadurch jeden weiteren Angriff
unm�glich. Wir machten kehrt und verfolgten die dritte Linie in
entgegengesetzter Richtung, um endlich einen Gegner zu fassen. �berall
lagen fortgeworfene Waffen und Ausr�stungsst�cke. Die Frage: �Wo m�gen nur
die Leute zu diesen vielen Gewehren sein?� stieg immer unheimlicher in uns
empor, doch hasteten wir entschlossen mit fertiger Handgranate und
vorgehaltener Pistole weiter durch die �den, pulverdampfverhangenen Gr�ben.

Unser Weg von da an ist mir erst bei sp�terem Nachdenken klar geworden.
Ohne es zu bemerken, bogen wir in einen dritten Laufgraben ein und n�herten
uns, bereits mitten im eigenen Absperrungsfeuer, der vierten Linie. Ab und
zu rissen wir einen der in die W�nde eingebauten K�sten auf und steckten
uns zum Andenken eine Handgranate in die Tasche.

Nachdem wir einige Male durch Kreuz- und Quergr�ben gelaufen waren, wu�te
niemand mehr, wo wir uns befanden und in welcher Richtung die deutschen
Stellungen lagen. Allm�hlich wurden alle aufgeregt. Die Nadeln der
Leuchtkompasse tanzten in den fliegenden H�nden, und beim Suchen des
Polarsternes lie� uns in der Erregung unsere ganze Schulweisheit im Stich.
Stimmengewirr in nahen Gr�ben verriet, da� der Gegner sich von der ersten
�berraschung erholt hatte. Er mu�te unsere Lage bald erraten.

Nachdem wir wieder einmal kehrt gemacht hatten, ging ich als Letzter und
sah pl�tzlich vor mir �ber einer Sandsackschulterwehr die M�ndung eines
Maschinengewehres hin- und herpendeln. Ich sprang, �ber eine franz�sische
Leiche stolpernd, darauf zu und erblickte den Unteroffizier Kloppmann und
den F�hnrich v. Zglinitzky, die sich mit dem Gewehre besch�ftigten, w�hrend
der F�silier Haller mit blutbeschmutzten H�nden einen zerfetzten K�rper
nach Papieren durchw�hlte. Wir hantierten, ohne uns um die Umgebung zu
k�mmern, in fieberhafter Eile an der Waffe herum, um wenigstens eine Beute
mitzubringen. Ich versuchte, die Halteschrauben zu l�sen; ein anderer kniff
mit der Drahtschere den Ladestreifen ab; endlich packten wir das auf einem
Dreifu� stehende Ding, um es unzerlegt mitzunehmen. In diesem Augenblick
ert�nte aus einem Parallelgraben in der Richtung, in der wir unseren Graben
vermuteten, eine Stimme: �Qu'est ce qu'il y a� und ein schwarzer Ball flog,
sich undeutlich vom d�mmernden Himmel abhebend, auf uns zu. �Achtung!�
Zwischen Mevius und mir blitzte es auf; ein Splitter fuhr Mevius in die
Hand. Wir stoben nach allen Seiten auseinander, uns immer tiefer in das
Grabengewirre verstrickend. Bei mir befand sich nur noch der
Pionier-Unteroffizier und Mevius. Unser Gl�ck war nur die Angst der
Franzosen, die sich immer noch nicht aus ihren L�chern herauswagten. Es
konnte sich indes nur noch um Minuten handeln, bis wir auf eine st�rkere
Abteilung sto�en mu�ten, die uns mit Vergn�gen den Garaus gemacht h�tte.
Pardonstimmung lag nicht in der Luft.

Als ich schon jede Hoffnung aufgegeben hatte, wieder heil aus diesem Kessel
herauszukommen, entfuhr mir pl�tzlich ein Freudenschrei. Mein Blick war auf
das Kochgeschirr mit dem L�ffel gefallen; nun war ich orientiert. Da es
schon ganz hell geworden war, hatten wir keine Sekunde zu verlieren. Wir
sprangen �ber freies Gel�nde, von den ersten Gewehrkugeln umpfiffen, den
eigenen Linien zu. Im vorderen franz�sischen Graben stie�en wir auf die
Patrouille des Leutnants v. Kienitz. Als uns der Ruf �L�ttje Lage!�
entgegent�nte, wu�ten wir, da� wir das Gr�bste hinter uns hatten. Ich fiel
von oben leider gerade auf einen schwer Blessierten, den sie zwischen sich
liegen hatten. Kienitz erz�hlte mir hastig, da� er franz�sische Schanzer im
ersten Graben durch Handgranaten vertrieben und beim weiteren Vorgehen
gleich zu Anfang durch eigene Artillerie Tote und Verwundete gehabt h�tte.

Nach l�ngerem Warten erschienen noch zwei meiner Leute, der Unteroffizier
Dujesiefken und der F�silier Haller, der mir wenigstens einen kleinen Trost
mitbrachte. Er war beim Umherirren allein in einen kleinen Stichgraben
geraten und hatte dort drei verlassene MG. entdeckt, von denen er eins vom
Gestell geschraubt und mitgenommen hatte. Da es immer heller wurde,
hasteten wir �ber das Niemandsland in unsere vordere Linie.

Von den vierzehn Mann, die mit mir ausgezogen waren, kamen nur vier zur�ck,
und auch die Patrouille Kienitz hatte schwere Verluste. Meine
Niedergeschlagenheit wurde etwas erhellt durch die Worte des biederen
Oldenburgers Dujesiefken, der, als ich mir im Stollen die Hand verbinden
lie�, vorm Eingang seinen Kameraden die Ereignisse berichtete und mit dem
Satze schlo�: �Vor Leutnant J�nger habe ich jetzt aber Respekt; Junge,
Junge, der flitzte dich man so �ber die Barrikaden!�

Anschlie�end marschierten wir durch den Wald zum Regiments-Gefechtsstand.
Der Oberst von Oppen begr��te uns und lie� uns Kaffee einschenken. Er war
zwar sehr betr�bt �ber unseren Mi�erfolg, sprach uns jedoch seine ganze
Anerkennung �ber das Geleistete aus. Dann wurde ich in ein Auto gepackt und
fuhr zur Division, die genauen Bericht haben wollte. Vor wenigen Stunden
noch im w�sten Handgranatenkampf durch zerschossene Gr�ben st�rmend, geno�
ich in vollen Z�gen die Wohltat, zur�ckgelehnt in schnellem Fluge �ber die
Landstra�e zu brausen.

Der Generalstabsoffizier empfing mich in seinem Arbeitszimmer und versuchte
vergeblich, mir zu beweisen, da� ich durch �bereiltes Vorgehen den Verlust
meiner Leute verschuldet h�tte. Ich dachte: �Du kannst mir hier, zwanzig
Kilometer hinter dem vorderen Graben, viel erz�hlen,� und gab zu verstehen,
da� ich in der feindlichen Linie weder einen gr�nen Tisch, noch die St��e
von Karten darauf gehabt h�tte. Au�erdem hatte ich nur die Ehre des Kampfes
gehabt, der Plan, an dem ich manches auszusetzen gefunden, war mir fertig
in die Hand gedr�ckt worden. Ich hatte vorher gebeten, den Angriffspunkt an
die markante Linie der Chaussee zu verlegen oder wenigstens farbige
Leuchtkugeln aus dem eigenen Graben hochzuschie�en, um den Verirrten den
Weg zu weisen. Man hatte mir bedeutet, da� dadurch das feindliche Feuer
angezogen w�rde. Zum Teufel, was schiert mich das feindliche Feuer? Das bin
ich gewohnt. Aber ich bin keine Eule, die ihren Weg im Dunkeln findet!

Der Divisions-Kommandeur begr��te mich sehr liebensw�rdig und verscheuchte
bald meine Mi�stimmung. Beim Mittagessen sa� ich im verschlissenen
Feldrocke mit verbundener Hand neben ihm und bem�hte mich, nach dem Worte:
�Nur die Lumpe sind bescheiden!� unsere Taten vom Morgen in das richtige
Licht zu stellen.

Am n�chsten Tage besichtigte der Oberst von Oppen die Patrouille noch
einmal, verteilte Eiserne Kreuze und gab jedem Teilnehmer vierzehn Tage
Urlaub. Am Nachmittag wurden die Gefallenen, deren Zur�ckschaffung gelungen
war, auf dem Soldatenfriedhof Thiaucourt begraben. Zwischen den Gr�bern
dieses Krieges ruhten dort auch K�mpfer von 1870/71. Eins dieser alten
Gr�ber schm�ckte ein bemooster Stein mit der schlichten Inschrift: �Dem
Auge fern, dem Herzen ewig nah!� In eine gro�e Steintafel war gemei�elt:

   �Heldentaten, Heldengr�ber reihen neu sich an die alten,
   K�nden wie das Reich erstanden, k�nden wie das Reich erhalten.�

Abends las ich im franz�sischen Heeresbericht: �Ein deutsches Unternehmen
bei Regni�ville mi�gl�ckte; wir machten Gefangene.� Da� die Gefangenen nur
gemacht waren, weil unsere Leute sich bei der Suche nach dem ausgerissenen
Gegner verirrt hatten, war nicht hinzugesetzt. H�tten die Franzosen ihre
Gr�ben verteidigt, wie mutige Soldaten zu tun pflegen, so w�re es wohl
anders gekommen.

Einige Monate sp�ter erhielt ich einen Brief von einem der Vermi�ten, dem
F�silier Meyer, der dort im Handgranatenkampfe ein Bein verloren hatte; er
war mit drei Kameraden nach langem Umherirren in einen Kampf verwickelt und
schwer verwundet gefangen genommen worden, nachdem die anderen, darunter
auch der brave Unteroffizier Kloppmann, gefallen waren.

Ich habe im Kriege manches Abenteuer bestanden, doch keins war
unheimlicher. Noch immer gerate ich in eine beklommene Stimmung, wenn ich
an unseren Irrweg durch die unbekannten, vom kalten Fr�hlicht erhellten
Gr�ben denke.

Einige Tage darauf sprangen die Leutnants Domeyer und Z�rn mit mehreren
Begleitern nach einigen Schrapnellsch�ssen in die erste franz�sische Linie.
Domeyer stie� auf einen franz�sischen Landwehrmann mit m�chtigem Vollbart,
der seine Aufforderung: �Rendez-vous!� mit grimmigem �Ah non!� erwiderte
und sich auf ihn st�rzte. Im Verlauf eines erbitterten Ringkampfes scho�
Domeyer ihn mit der Pistole durch den Hals und mu�te wie ich ohne
Gefangenen zur�ckkehren. Nur war bei meinem Unternehmen eine
Artilleriemunition verpulvert, die 1870 f�r eine ganze Schlacht ausgereicht
h�tte.




Noch einmal Flandern.


Am gleichen Tage, als ich von meinem vierzehnt�gigen Urlaub zur�ckkehrte,
wurden wir vom bayerischen Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 5 abgel�st und
zun�chst in dem nahegelegenen Dorfe Labry, einem der typischen Drecknester
jener Gegend, untergebracht. Am meisten frappierte mich in diesen
lothringischen D�rfern die vergebliche Suche nach einer verschwiegenen
�rtlichkeit. Eine Badewanne schien zu den unbekannten Dingen zu geh�ren. In
dieser Beziehung habe ich in Frankreich �berhaupt eigent�mliche Erfahrungen
gemacht. Selbst in den prunkvollen Schl�ssern mu�te man gewisse
Schattenseiten mit diskretem L�cheln ignorieren. So sehr ich den Franzosen
sch�tze, halte ich doch diese Seite seines Wesens f�r eine bezeichnende.

   �Was schadet's, wenn die Senkgrube hinten rinnt und stinkt,
   Wenn nur der T�rknopf vorn blitzt und blinkt.�

Am 17. Oktober 1917 wurden wir verladen und betraten nach anderthalb Tagen
wieder den Boden Flanderns, den wir erst vor zwei Monaten verlassen hatten.
Wir �bernachteten in dem St�dtchen Iseghem und marschierten am n�chsten
Morgen nach Roulers oder, wie es fl�misch hei�t: Roselaire. Die Stadt
befand sich im ersten Stadium der Zerst�rung. Noch wurden in den L�den
Waren feilgehalten, doch hauste die Bev�lkerung schon in den Kellern, und
die Bande des b�rgerlichen Lebens waren durch h�ufige Beschie�ungen
zerrissen. Ein Schaufenster mit Damenh�ten gegen�ber meinem Quartier machte
auf mich in dem Kriegsgew�hl einen merkw�rdig deplacierten Eindruck. Nachts
versuchten Pl�nderer, in die verlassenen Wohnungen einzubrechen.

In meinem in der Oststraat gelegenen Quartier war ich der einzige Bewohner
der �berirdischen R�ume. Das Haus geh�rte einem Tuchh�ndler, der zu Beginn
des Krieges geflohen war und eine alte Wirtschafterin mit ihrer Tochter zur
Bewachung zur�ckgelassen hatte. Die beiden sorgten f�r ein kleines,
verwaistes M�dchen, das sie w�hrend unseres Vormarsches, von seinen Eltern
verlassen, in den Stra�en umherirrend aufgefunden hatten. Sie kannten nicht
einmal Alter und Namen des Kindes. Sie hatten eine fabelhafte Angst vor
Bomben und beschworen mich fast auf den Knien, oben kein Licht zu machen,
um die b�sen Flieger nicht anzulocken. Mir verging das Lachen allerdings
auch, als, w�hrend ich neben Leutnant Reinhardt am Fenster stand und einen
im Lichte der Scheinwerfer dicht �ber die D�cher fliegenden Engl�nder
betrachtete, eine Riesenbombe in der N�he des Hauses aufschlug und der
Luftdruck uns die Splitter der Fensterscheiben um die Ohren warf.

Ich war f�r die bevorstehende Aktion zum Sp�hoffizier bestimmt und dem
Regimentsstabe zugeteilt. Um mich zu orientieren, begab ich mich schon vor
unserem Einsatz zum Gefechtsstand des bayerischen Reserve-Regiments 10, das
wir abl�sen sollten. Ich fand in dem Kommandeur einen sehr freundlichen
Herrn vor, obgleich er zuerst beim Empfang etwas �ber mein �rotes
M�tzenbandl� brummte. Ich legte damals schon l�ngst keinen Wert mehr auf
einen sortiert feldm��igen Anzug. Am Fexentum erkennt man �berall den
Neuling.

Zwei Ordonnanzen f�hrten mich zu dem sogenannten Meldekopf, der einen sehr
guten �berblick bieten sollte. Wir hatten kaum den Gefechtsstand verlassen,
als eine Granate bei uns einschlug. �Da bin ich schon, des Chaos
vielgeliebter Sohn!� Meine F�hrer wu�ten indes dem Feuer, das gegen Mittag
in unaufh�rliches Rollen �berging, in dem durch zahlreiche kleine
Pappelgeh�lze maskierten Gel�nde sehr geschickt auszuweichen.

Auf der Schwelle eines einsamen Geh�ftes, das die Spuren frischer
Einschl�ge aufwies, erblickten wir einen auf dem Bauch liegenden Toten.
�Den hat's a derwischt!� �u�erte der biedere Bayer. �Dicke Luft�, meinte
der andere mit witterndem Umblick und schritt rasch weiter. Der Meldekopf
lag jenseits der stark beschossenen Stra�e Paschendale--Westroosebeke und
erwies sich als eine Meldesammelstelle, �hnlich der, die ich in Fresnoy
gef�hrt hatte. Er lag neben einem zum Schutthaufen zusammengeschossenen
Hause und hatte so wenig Deckung, da� ihn der erste derbere Treffer
vernichten mu�te. Ich lie� mich von drei Offizieren, die dort ein
geselliges H�hlendasein f�hrten und �ber die baldige Abl�sung sehr erfreut
waren, �ber Feind, Stellung und Ann�herung orientieren und ging dann �ber
Roodkruis--Oostnieukerke nach Roulers zur�ck, wo ich dem Oberst Bericht
erstattete.

Auf dem Wege durch die Stra�en der Stadt las ich mit Vergn�gen die
gem�tlichen Namen der zahlreichen kleinen Schenken, die so recht die
fl�mische Beh�bigkeit ausdr�ckten. Wer f�hlt sich nicht angezogen durch ein
Wirtschaftsschild, das den Titel �De Zalm� (Salm), �De Reeper� (Reiher),
�De Nieuwe Trompette�, �De drie Koningen� oder �Den Olifant� f�hrt? Klingt
das nicht nach Teniers und De Coster? Schon der Empfang in der kr�ftigen
unverwelschten Sprache mit dem traulichen Du versetzt in behagliche
Stimmung. Gott gebe, da� dieses pr�chtige Land in seinem alten Wesen von
den furchtbaren Wunden des Krieges wieder auferstehe.

Am Abend wurde die Stadt wieder mit Bomben beworfen. Ich stieg in den
Keller, in dem sich die Frauen zitternd in eine Ecke gedr�ckt hatten und
knipste meine Taschenlampe an, um das kleine M�dchen zu beruhigen, das im
Dunkeln vor Angst schrie, da eine Explosion das Licht verl�scht hatte. Hier
zeigte sich wieder, wie fest der Mensch mit seiner Heimat verwachsen ist.
Trotz der gewaltigen Furcht, die diese Frauen vor der Gefahr hatten,
klammerten sie sich fest an die Scholle, die jeden Augenblick zum Grabe
werden konnte.

Am Morgen des 22. Oktober brach ich mit meinem Sp�htrupp von vier Mann nach
Kalve auf, wo der Regimentsstab im Laufe des Vormittags abl�sen sollte. An
der Front tobte ein gewaltiges Feuer, dessen Blitze dem Fr�hmorgennebel das
Aussehen eines brodelnden, blutigroten Dampfes gaben. Am Eingange von
Oostnieukerke st�rzte neben uns ein Haus, von einer schweren Granate
getroffen, krachend zusammen. Steintr�mmer rollten �ber die Stra�e. Wir
versuchten, den Ort zu umgehen, mu�ten aber doch hindurch, da wir die
Richtung Roodkruis--Kalve nicht kannten. Im Vorbeieilen fragte ich einen
bayerischen Unteroffizier, der im Eingange eines Kellers stand, nach dem
Wege. Statt zu antworten, vergrub er seine H�nde in die Taschen und zuckte
die Achseln. Da ich infolge der dauernd einschlagenden Geschosse keine Zeit
zu verlieren hatte, sprang ich auf dieses Produkt einer verfehlten
milit�rischen Ausbildung zu und erzwang mir durch die ihm unter die Nase
gehaltene Pistole Auskunft. Wenn der Mann inzwischen nicht gefallen oder
desertiert ist, wird er sicher die Spartakusgruppe um ein w�rdiges Mitglied
bereichert haben.

Bei Roodkruis, einem kleinen Geh�ft an einer Stra�engabel, wurde die Sache
bedenklich. Protzen rasten �ber die beschossene Stra�e, Infanterietrupps
schl�ngelten sich zu beiden Seiten durchs Gel�nde, und zahllose Verwundete
schleppten sich von vorne zur�ck. Einem jungen Artilleristen, der uns
begegnete, ragte ein langer, zackiger Splitter aus der Schulter. Wir bogen
rechts von der Stra�e ab zum Regimentsgefechtsstand, der von einem starken
Feuerkranze umgeben war. In der N�he legten zwei Telephonisten Leitung �ber
ein Kohlfeld. Unmittelbar neben dem einen schlug eine Granate ein; wir
sahen ihn st�rzen und hielten ihn f�r erledigt. Er erhob sich jedoch gleich
wieder und zog seinen Draht mit anerkennenswerter Kaltbl�tigkeit weiter. Da
der Gefechtsstand nur aus einem winzigen Betonblock bestand, der kaum f�r
den Kommandeur mit Adjutanten und Ordonnanzoffizier Platz bot, mu�te ich in
der N�he Unterkunft suchen. Ich zog mit dem Nachrichten-, Gasschutz- und
Minenwerferoffizier in eine leichte Holzbaracke, die nicht gerade das Ideal
einer bombensicheren Unterkunft darstellte.

Am Nachmittag ging ich in Stellung, da die Meldung eingelaufen war, da� der
Feind am Morgen unsere f�nfte Kompagnie angegriffen h�tte. Mein Weg f�hrte
�ber den Meldekopf zum Nordhof, einem zur Unkenntlichkeit zerschossenen
Geh�ft, unter dessen Tr�mmern der Kommandeur des Bereitschaftsbataillons
hauste. Von dort lief ein allerdings nur noch angedeuteter Pfad zum
Kampftruppen-Kommandeur. Durch die starken Regenf�lle der letzten Tage war
das un�bersehbare Trichterfeld in ein Meer von Schlamm verwandelt, das
besonders im Paddebachgrunde eine lebensgef�hrliche Tiefe aufwies. Auf
meinen Irrfahrten kam ich an manchem einsam oder vergessen liegenden Toten
vorbei; oft ragte nur noch der Kopf oder eine Hand �ber den schmutzigen
Spiegel der Trichter. Tausende schlummern so, ohne da� ein von Freundeshand
errichtetes Kreuz die unbekannte Grabst�tte schm�ckt.

Nach dem �u�erst anstrengenden �berschreiten des Paddebaches, das nur durch
einige von Granaten dar�bergeschleuderte Pappeln erm�glicht wurde,
entdeckte ich in einem Riesentrichter den F�hrer der f�nften Kompagnie,
Leutnant Heins, inmitten eines H�ufleins von Getreuen. Die Trichterstellung
lag an einem Hange und konnte, da sie nicht v�llig versoffen war, von
anspruchslosen Frontsoldaten als bewohnbar bezeichnet werden. Heins
erz�hlte mir, da� am Morgen eine englische Sch�tzenlinie erschienen und auf
Beschie�ung verschwunden w�re. Diese hatte wiederum einige verirrte 164er,
die bei ihrer Ann�herung fortgelaufen waren, erschossen. Sonst war alles in
Ordnung; ich begab mich daher zum Gefechtsstand zur�ck, wo ich dem Oberst
Bericht erstattete.

Am Tage darauf wurde unser Mittagessen in gr�bster Weise durch einige uns
vor die T�r gesetzte Granaten unterbrochen, deren Dreckfont�nen in
langsamem Wirbel auf unser Teerpappdach trommelten. Alles st�rzte aus der
T�r; ich fl�chtete in ein nahes Geh�ft, in das ich des Regens wegen
hineinging. Am Abend wiederholte sich der Vorgang, nur blieb ich diesmal
vor dem Hause stehen, da es trockenes Wetter war. Die n�chste Granate
schlug mitten in das zusammenbrechende Geb�ude. So spielt der Zufall im
Kriege. Mehr als anderswo gilt hier: �Kleine Ursachen, gro�e Wirkungen.�
Sekunden und Millimeter entscheiden.

Am 25. wurden wir schon um 8 Uhr aus den Baracken getrieben, von denen die
uns gegen�berliegende beim zweiten Schu� einen Volltreffer erhielt. Durch
die Erfahrungen des vorigen Tages gewitzigt, suchte ich mir in dem gro�en
Kohlfelde hinter dem Regimentsgefechtsstand einen einsamen,
vertrauenerweckenden Granattrichter aus, von dem ich mich jedesmal erst
nach einer angemessenen Sicherheitspause wieder trennte. W�hrend dieses
Tages bekam ich die mir sehr nahegehende Nachricht vom Tode des Leutnants
Brecht, der als Sp�hoffizier der Division in dem Trichterfeld rechts vom
Nordhof den Heldentod gefunden hatte. Ich hatte Brecht stets als Vorbild
und lebenden Beweis des Spruches: �Fortes fortuna adjuvat� bewundert. Er
war einer der wenigen, die infolge ihres unerm�dlichen Draufg�ngertums
sogar in diesem prosaischsten aller Kriege von einem romantischen Nimbus
umgeben waren.

Die Morgenstunden des 26. wurden durch ein Trommelfeuer von
au�ergew�hnlicher Heftigkeit ausgef�llt. Auch unsere Artillerie verdoppelte
auf die von vorn hochsteigenden Sperrfeuersignale hin ihre Wut. Jedes
kleine Waldst�ck und jede Hecke war mit Gesch�tzen gespickt, hinter denen
halbtaube Kanoniere ihres Amtes walteten.

Da zur�ckkommende Verwundete unklare und �bertriebene Angaben �ber einen
englischen Angriff machten, wurde ich mit meinen vier Mann um 11 Uhr nach
vorn geschickt, um dort Genaueres zu erkunden. Unser Weg f�hrte durch
scharfes Feuer. Zahlreiche Verwundete begegneten uns, darunter Leutnant
Spitz, F�hrer der zw�lften Kompagnie, mit einem Kinnschu�. Schon vor K. T.
K. kamen wir in gezieltes Maschinengewehrfeuer, ein Beweis, da� der Feind
unsere Linien eingedr�ckt haben mu�te. Dieser Verdacht wurde mir durch den
Major Dietlein, F�hrer des III. Bataillons best�tigt. Ich fand den alten
Herrn gerade besch�ftigt, aus dem Eingange seines dreiviertel unter Wasser
stehenden Betonklotzes zu kriechen, eifrig nach seiner in den Schlamm
gefallenen Meerschaumspitze fischend. Wenn doch jeder Deutsche sich ohne
R�cksicht auf Alter und Gesundheit so eingesetzt h�tte.

Der Feind war in die vordere Linie eingedrungen und hatte einen H�henr�cken
genommen, von dem er den wichtigen Paddebachgrund, in dem der K. T. K. lag,
unter Feuer nehmen konnte. Nachdem ich diese Ver�nderung der Lage mit
einigen Blaustiftstrichen in meine Karte eingetragen hatte, setzte ich mit
meinen Leuten zu neuem Dauerlauf durch den Schlamm an. Wir sprangen im
schnellsten Tempo �ber die eingesehene Fl�che bis hinter die n�chste
Bodenwelle, von dort langsamer zum Nordhof. Rechts und links schlugen
Granaten in den Sumpf und schleuderten riesige, von unz�hligen kleineren
umgebene Schlammberge in die H�he. Der Nordhof lag unter
nervenersch�tterndem Brisanzfeuer und mu�te sprungweise �berwunden werden.
Ein Schrapnell warf seine Kugelladung mit vielfachem Klatschen zwischen
uns. Einer meiner Begleiter wurde am hinteren Stahlhelmrand getroffen und
zu Boden geschleudert. Nachdem er eine Zeitlang bet�ubt gelegen hatte,
raffte er sich hoch und lief weiter. Das Gel�nde um den Nordhof war von
einer Menge furchtbar zugerichteter Leichen bedeckt. Nachdem wir noch
gl�cklich den stark beschossenen Grund hinter der Stra�e
Paschendale--Westroosebeke durchschritten hatten, konnte ich dem
Regiments-Kommandeur Meldung erstatten.

Am n�chsten Morgen wurde ich schon um 6 Uhr mit dem Auftrage,
festzustellen, ob und wo das Regiment Anschlu� h�tte, nach vorn geschickt.
Unterwegs traf ich den Feldwebel-Leutnant Ferchland, der der achten
Kompagnie den Befehl �berbringen mu�te, auf Goudberg vorzugehen und, falls
eine bestehen sollte, die L�cke zwischen uns und dem linken
Nachbar-Regiment auszuf�llen. Um meinen Auftrag so schnell wie m�glich
auszuf�hren, konnte ich nichts besseres tun, als mich anzuschlie�en. Wir
fanden nach l�ngerem Suchen den mir befreundeten F�hrer der achten
Kompagnie, Leutnant Tebbe, in einem unwirtlichen Teile der
Trichterlandschaft nahe dem Meldekopf. Er zeigte sich �ber den Auftrag,
eine derartig auff�llige Bewegung bei hellem Tage auszuf�hren, wenig
erfreut. Wir steckten uns w�hrend unserer kargen, durch die uns�gliche
N�chternheit des morgenbeschienenen Trichterfeldes bedr�ckten Konversation
eine Zigarre an und warteten, bis sich die Kompagnie gesammelt hatte. Schon
nach wenigen Schritten erhielten wir von den gegen�berliegenden H�hen
gezieltes Infanteriefeuer und mu�ten einzeln von Trichter zu Trichter
vorspringen. Beim �berschreiten des n�chsten Hanges konzentrierte sich das
Feuer so, da� Tebbe eine Trichterstellung beziehen lie�, um den Schutz der
Nacht abzuwarten. Er ging, eine Zigarre rauchend, mit gro�er Kaltbl�tigkeit
den ganzen Abschnitt ab, um seine Gruppen einzuteilen.

Ich beschlo�, weiter vorzugehen, um die Gr��e der L�cke festzustellen und
ruhte mich noch einen Augenblick in Tebbes Trichter aus. Schon begann die
feindliche Artillerie zur Strafe f�r das k�hne Vorgehen der Kompagnie sich
auf den Gel�ndestreifen einzuschie�en. Ein auf den Rand unseres
Zufluchtsortes wuchtendes Sprengst�ck, das Karte und Augen voll Lehm
spritzte, mahnte mich zum Aufbruch. Ich verabschiedete mich von Tebbe und
w�nschte ihm viel Gl�ck f�r die n�chsten Stunden. Er rief hinter mir her:
�Lieber Gott, la� Abend werden, Morgen wird's von selber!�

Wir schritten vorsichtig durch den eingesehenen Paddebachgrund, uns hinter
den Laubmassen umgeschossener Pappeln verbergend und ihre St�mme als Br�cke
benutzend. Ab und zu verschwand einer bis �ber die H�ften im Schlamm und
w�re ohne die helfend hingestreckten Gewehrkolben der Kameraden unfehlbar
ertrunken. Ich w�hlte als Marschrichtungspunkt eine Gruppe von Leuten, die
einen Betonblock umstanden. Vor uns bewegte sich eine von vier Sanit�tern
geschleppte Bahre in derselben Richtung. Durch die Beobachtung, da� ein
Verwundeter nach vorn geschleppt wurde, stutzig gemacht, sah ich durchs
Glas und erblickte eine Reihe von khakifarbenen Gestalten mit flachen
Stahlhelmen. In diesem Augenblick knallten auch schon die ersten Sch�sse.
Da Deckungnehmen unm�glich war, rannten wir zur�ck, w�hrend die Geschosse
rings um uns in den Schlamm spritzten. Die Hetze durch den Morast war
wahnsinnig anstrengend; doch als wir, v�llig ausgepumpt, uns eine Weile den
Engl�ndern als Zielscheibe hinstellten, verlieh uns eine Gruppe
Brisanz-Granaten wieder die alte Frische. Sie hatte immerhin das Gute, uns
durch ihren Qualm der feindlichen Sicht zu entziehen. Das unangenehmste bei
diesem Lauf war das Bewu�tsein, durch eine Verwundung unfehlbar zur
Moorleiche verwandelt zu werden. Blutige Rinnsale aus einzelnen Trichtern
verrieten, da� hier schon mancher verschwunden war.

Zu Tode ersch�pft, erreichten wir den Regiments-Gefechtsstand, wo ich meine
Skizzen abgab und Bericht �ber die Lage erstattete.

Am 28. Oktober wurden wir wieder durch das bayerische Reserve-Regiment 10
abgel�st und, zu stetem Eingreifen bereit, in den D�rfern hinter der Front
untergebracht. Der Stab zog nach Most.

Am Abend sa�en wir schon wieder �u�erst vergn�gt im Zimmer einer
verlassenen Schenke beim Wein und feierten die Bef�rderung und Verlobung
des Leutnants Z�rn, der gerade vom Urlaub zur�ckgekommen war. Zur Strafe
f�r diesen Leichtsinn wurden wir am folgenden Morgen durch ein
Riesentrommelfeuer geweckt, das trotz der Entfernung noch meine
Fensterscheiben sprengte. Gleich darauf wurde alarmiert. Es ging das
Ger�cht, da� der Gegner bei der immer noch bestehenden L�cke links der
Regimentsstellung eingedrungen w�re. Ich verbrachte den Tag, auf Befehle
wartend, beim Beobachtungsstande des A. O. K., dessen Umgebung unter
schwachem Streufeuer lag. Eine leichte Granate fuhr durch das Fenster eines
H�uschens, aus dem drei ziegelmehlbest�ubte verwundete Artilleristen
hervorst�rzten. Drei andere lagen als Leichen unter den Tr�mmern.

Am Morgen darauf bekam ich von dem bayerischen Kommandeur folgenden
Gefechtsauftrag: �Durch abermaligen Vorsto� des Gegners ist die Stellung
des linken Nachbarregiments noch mehr zur�ckgedr�ngt und die L�cke zwischen
beiden Regimentern sehr vergr��ert. Da Gefahr bestand, da� die Stellung des
Regiments von links umgangen wurde, trat gestern abend das I. Bataillon des
F�silier-Regiments Nr. 73 zum Gegensto� an, wurde aber anscheinend vom
Sperrfeuer zerfledert und kam nicht an den Feind. Heute morgen wurde das
II. Bataillon gegen die L�cke vorgeschickt. Nachricht ist bislang nicht
eingetroffen. Es ist die Stellung des I. und II. Bataillons zu erkunden.�

Ich machte mich auf den Weg und begegnete schon beim Nordhof dem Hauptmann
von Brixen, Kommandeur des II. Bataillons, der die Aufstellungsskizze
bereits in der Tasche hatte. Ich zeichnete sie ab und hatte meinen Auftrag
damit eigentlich erledigt, begab mich jedoch noch zum Betonblock des K. T.
K. um einen pers�nlichen �berblick zu gewinnen. Auf dem Wege lag eine Menge
frischer Leichen, deren blasse Gesichter aus wassergef�llten Trichtern
starrten oder bereits so von Schlamm �berzogen waren, da� man die
menschliche Gestalt kaum erkennen konnte. Leider leuchtete von den �rmeln
der meisten das blaue Gibraltarband. Kampftruppen-Kommandeur war der
bayerische Hauptmann Rademeyer. Dieser �u�erst energische Offizier teilte
mir ausf�hrlich mit, was mir der Hauptmann von Brixen bereits hastig
erz�hlt hatte. Unser II. Bataillon hatte gro�e Verluste erlitten, u. a.
waren der Bataillons-Adjutant und der F�hrer der braven siebenten Kompagnie
gefallen. Das Schicksal des Adjutanten, Leutnants Lemi�re, war besonders
tragisch, da sein Bruder erst im April dieses Jahres bei Fresnoy als F�hrer
der achten Kompagnie den Tod gefunden hatte. Die beiden Br�der waren
Liechtensteinsche Staatsangeh�rige, trotzdem aus Begeisterung f�r die
deutsche Sache in die Armee eingetreten. Es ist nicht gut, zwei S�hne im
selben Regiment in den Krieg zu schicken. Wir hatten im Offizierkorps vier
Br�derpaare. Von diesen acht jungen Leuten fielen f�nf, und zwei, darunter
mein Bruder, brachten schwere Sch�den mit nach Hause. Ich bin der einzige,
der einigerma�en heil herausgekommen ist. Dies kleine Beispiel illustriert
die Verluste des F�silier-Regiments.

Der Hauptmann zeigte auf einen Betonblock 200 Meter vor dem unsrigen, der
gestern besonders heldenhaft verteidigt war. Kurz nach dem Angriff sah der
Kommandant der kleinen Feste, ein Feldwebel, einen Engl�nder, der drei
Deutsche abtransportierte. Er scho� den Engl�nder heraus und verst�rkte mit
den drei Leuten seine Besatzung. Helden schien er dem Vaterlande freilich
nicht erhalten zu haben. Als sie ihre Munition verschossen hatten, setzten
sie einen gut verbundenen Engl�nder als friedliches Aush�ngeschild vor die
T�r, konnten sich jedoch nach Einbruch der Dunkelheit noch unbemerkt
zur�ckziehen.

Ein anderer Betonklotz, den ein Leutnant kommandierte, wurde durch einen
englischen Offizier zur Ergebung aufgefordert; statt einer Antwort sprang
der Deutsche heraus, packte den Engl�nder und zog ihn vor den Augen seiner
verdutzten Leute hinein.

An diesem Tage sah ich das einzige Mal im Kriege kleine Trupps von
Krankentr�gern mit erhobenen Roten-Kreuzflaggen sich offen in der Zone des
Infanteriefeuers bewegen, ohne da� ein Schu� gegen sie fiel. Solche Bilder
zeigten sich dem Frontk�mpfer in diesem unterirdischen Kriege nur, wenn die
Not bis zur Unertr�glichkeit gestiegen war. Trotzdem erfuhr ich sp�ter, da�
verborgene englische Sch�tzen einige unserer Krankentr�ger niedergeschossen
hatten.

Viele Leser werden diese Tat f�r den Gipfel der Vertierung halten, und doch
kann ich mir erkl�ren, da� schwache Naturen dem atavistischen Triebe, zu
vernichten, erliegen, der den ein�dgewohnten Grabenk�mpfer packt, wenn
dr�ben Menschen erscheinen. Ich habe ihn selbst nur zu oft empfunden.

Mein R�ckweg wurde durch unangenehmes, nach faulen �pfeln riechendes
Reizgas englischer Granaten, das sich im Boden festgesogen hatte und die
Augen tr�nen machte, erschwert. Gleich darauf sollte ich einen
schmerzlicheren Grund zum Vergie�en von Tr�nen bekommen. Nachdem ich im
Gefechtsstande meine Meldung erstattet hatte, begegnete ich kurz vorm
Verbandsplatze Kalve den Bahren zweier befreundeter, schwer verwundeter
Offiziere. Der eine war Leutnant Z�rn, den wir zwei Abende zuvor in
fr�hlichem Kreise gefeiert hatten. Jetzt lag er, halb entkleidet, mit jener
wachsgelben Gesichtsfarbe, die ein sicheres Vorzeichen des Todes ist, auf
einer losgerissenen T�r und sah mich mit stieren Augen an, als ich
herantrat, um ihm die Hand zu dr�cken. Dem anderen, Leutnant Haverkamp,
waren Arm- und Beinknochen durch Granatsplitter so zerschmettert, da� eine
Amputation sehr wahrscheinlich war. Er lag totenbla� mit in Fatalismus
versteinerten Z�gen auf seiner Bahre und rauchte eine Zigarette.

Wir hatten in diesen Tagen wieder erschreckende Verluste an jungen
Offizieren aufzuweisen. Jedesmal, wenn ich heute das abf�llige Urteil der
Masse �ber den Kriegsleutnant h�re, mu� ich an diese M�nner denken, die den
alten Preu�engeist von Pflicht und Ehre, den Geist von Kolin, hinaustrugen
in Blut und Schlamm, aufrecht bis zum bitteren Ende.

Am 3. November wurden wir in dem uns von den ersten Flanderntagen her
wohlbekannten Bahnhof Gits verladen. Wir konstatierten, da� die beiden
Fl�minnen nicht mehr die alte Frische zeigten. Auch sie schienen inzwischen
manchen Gro�-Kampftag erlebt zu haben.

Wir kamen f�r einige Tage nach Tourcoing, einer ansehnlichen Schwesterstadt
von Lille, in Ruhe. Das erste und letzte Mal im Kriege schlief hier jeder
Mann der siebenten Kompagnie in einem Federbett. Ich bewohnte ein
prachtvoll eingerichtetes Zimmer im Hause eines Industriebarons in der Rue
de Lille. Mit uns�glichem Behagen geno� ich den ersten Abend in einem
Klubsessel vorm Feuer des unvermeidlichen Marmorkamins.

Die wenigen Tage wurden von allen benutzt, sich des hart errungenen Daseins
zu freuen. Noch konnte man es kaum fassen, da� man dem Tode entronnen war.
Man f�hlte den Zwang, sich des Lebens zu vergewissern, es in all' seinen
Formen zu genie�en.




Die Cambraischlacht.


Die sch�nen Tage von Tourcoing waren bald vor�ber. Wir lagen noch kurze
Zeit in Villers-au-tertre, wo wir durch neuen Ersatz aufgef�llt wurden, und
fuhren am 15. November 1917 nach L�cluse, dem Aufenthaltsort des jeweiligen
Ruhebataillons der uns zugewiesenen Stellung. L�cluse war ein gr��eres, von
Seen umgebenes Dorf des Artois. Die ausgedehnten Schilffl�chen bargen Enten
und Wasserh�hner, die Gew�sser wimmelten von Fischen. Obwohl das Fischen
streng verboten war, h�rte man nachts auf dem Wasser oft r�tselhafte
Ger�usche. Eines Tages bekam ich von der Ortskommandantur auch ein paar
Soldb�cher von Leuten meiner Kompagnie, die beim Fischen mit Handgranaten
erwischt waren, zugestellt. Ich verlor indes kein Wort dar�ber, da mir die
gute Stimmung der Mannschaft bedeutend mehr am Herzen lag als die Schonung
der franz�sischen Jagd oder die Mittagsmahlzeiten des Ortsgewaltigen.
Seitdem wurde fast jeden Abend von unbekannter Hand ein Riesenhecht auf
meinem Tische niedergelegt. Am n�chsten Mittag gab ich dann meinen beiden
Kompagnie-Offizieren ein Essen mit dem Hauptgange �Hecht � la Lohengrin�
(Nie sollst du mich befragen).

Am 19. besichtigte ich mit meinen Zugf�hrern die Stellung, die wir in den
n�chsten Tagen besetzen sollten. Sie lag vor dem Dorfe Vis-en-Artois. Wir
kamen jedoch nicht so rasch in die Gr�ben, wie wir gedacht hatten, da fast
jede Nacht alarmiert und wir wegen eines vermuteten englischen Angriffes
abwechselnd in der Wotanstellung, dem Artillerieschutzriegel oder dem Dorfe
Dury bereitgestellt wurden. Erfahrenen Kriegern war klar, da� das nicht
lange gut gehen konnte.

Wirklich erfuhren wir am 29. November durch unseren Bataillons-Kommandeur,
Hauptmann von Brixen, da� wir an einem gro� angelegten Gegenangriff auf den
Stellungsbogen teilnehmen sollten, den die Tankschlacht von Cambrai in
unsere Front gedr�ckt hatte. Obwohl wir froh waren, endlich einmal die
Rolle des Ambosses mit der des Hammers vertauschen zu k�nnen, hegten wir
unserer noch von Flandern her ausgepumpten Leute wegen Bedenken. Trotzdem
setzte ich festes Vertrauen in den Geist meiner Kompagnie und deren
eisernes R�ckgrat, die erfahrenen Zugf�hrer und vorz�glichen
Unteroffiziere.

In der Nacht vom 30. November zum 1. Dezember wurden wir in Lastautomobile
verladen. Dabei erlitt meine Kompagnie die ersten Verluste dadurch, da� ein
Mann eine Handgranate fallen lie�, die auf r�tselhafte Weise explodierte
und ihn nebst einem Kameraden schwer verwundete. Ein anderer versuchte sich
wahnsinnig zu stellen, um der Schlacht zu entgehen. Ich wu�te nicht, ob ich
lachen oder w�tend werden sollte. Endlich wurde er durch den kr�ftigen
Rippensto� eines Unteroffiziers wieder vern�nftig und wir konnten endlich
einsteigen. Wir fuhren, eng zusammengep�kelt, bis dicht vor Baralle, wo wir
in einem Stra�engraben stundenlang auf Befehle warteten. Ich legte mich
trotz der K�lte auf eine Wiese und schlief bis zum Morgengrauen. Wir
erfuhren mit einer gewissen Entt�uschung, da� das Regiment 225, dem wir
unterstellt waren, auf unsere Mitwirkung beim Sturm verzichtet hatte. Wir
sollten w�hrenddessen im Schlo�park von Baralle in Reserve liegen.

Um 9 Uhr setzte unsere Artillerie in wuchtigen Feuerst��en ein, die sich
von 11.45 Uhr bis 11.50 Uhr zum Trommelfeuer verdichteten. Der
Bourlon-Wald, der wegen seiner starken Befestigungen nicht frontal
angegriffen, sondern ausgespart wurde, verschwand unter gelbgr�nen
Gaswolken. Um 11.50 sahen wir durch unsere Gl�ser Sch�tzenlinien aus dem
leeren Trichterfelde tauchen, w�hrend im Hintergel�nde Batterien anspannten
und zum Stellungswechsel vorjagten. Ein deutscher Flieger scho� einen
englischen Fesselballon in Brand, dessen Beobachter mit Fallschirm
absprang.

Nach dem Genu� dieses Schlachtenpanoramas, das wir von der H�he des
Schlo�parkes betrachtet hatten, leerten wir ein Kochgeschirr Nudeln, legten
uns trotz der K�lte zu einem Nachmittagsschlaf auf den Boden und bekamen um
3 Uhr den Befehl, bis zum Regiments-Gefechtsstand vorzur�cken, der in der
Schleusenkammer eines ausgetrockneten Kanalbeckens versteckt war. Wir
legten diesen Weg zugweise unter schwachem Streufeuer zur�ck. Von dort
wurde die siebente und achte Kompagnie zum Bereitschaftskommandeur
vorgeschickt, um zwei Kompagnien von 225 abzul�sen. Die 500 Meter, die im
Kanalbett zu �berwinden waren, lagen unter dichtem Feuerriegel. Wir rannten
ohne Verluste, in einem Klumpen zusammengeballt, zum Ziel. Zahlreiche Tote
verrieten, da� hier schon manche Kompagnie blutigen Zoll gezahlt hatte.
Reserven lagen dicht an die B�schungen gepre�t und waren besch�ftigt, in
fieberhafter Hast Deckungsl�cher in die ausgemauerten W�nde zu schlagen. Da
alle Pl�tze besetzt waren und der Ort als Gel�ndemarke das Feuer auf sich
zog, f�hrte ich die Kompagnie in ein Trichterfeld rechts daneben und
�berlie� jedem einzelnen, sich dort einzurichten. Ein Splitter flog
klirrend gegen mein Seitengewehr. Ich suchte mir mit dem Leutnant Tebbe,
der mit seiner achten Kompagnie unserem Beispiel gefolgt war, einen
passenden Trichter aus, den wir mit einer Zeltbahn �berspannten. Wir
steckten eine Kerze an, a�en zu Abend, rauchten unsere Pfeifen und
unterhielten uns fr�stelnd. Um 11 Uhr bekam ich Befehl, in die ehemalige
vordere Linie einzur�cken und mich bei dem K. T. K. zu melden, dem die
siebente Kompagnie unterstellt war. Ich lie� sammeln und f�hrte die Leute
vor. Es schlugen nur noch vereinzelte, m�chtige Granaten ein, von denen
eine gleich einem Gru� der H�lle vor uns zerschellte, das ganze Kanalbett
mit finsterem Qualm f�llend. Die Mannschaft verstummte wie von einer
eisigen Faust in den Nacken gepackt und stolperte hastig �ber Stacheldraht
und Steintr�mmer hinter mir her. Ein unbeschreiblich unangenehmes Gef�hl
beschleicht die Nerven beim Durchschreiten einer unbekannten Stellung zur
Nachtzeit, auch wenn das Feuer nicht sonderlich stark ist. Auge und Ohr des
Kriegers werden durch die sonderbarsten T�uschungen gereizt; er f�hlt sich
zwischen den drohenden W�nden des Grabens einsam wie ein Kind, das sich in
dunkler Heide verirrt hat.

Endlich fanden wir die enge M�ndung der vorderen Linie in den Kanal und
wanden uns durch menschen�berf�llte Gr�ben zum Bataillons-Gefechtsstand.
Ich trat ein und fand einen Haufen von Offizieren und Ordonnanzen inmitten
einer pantagruelschen Atmosph�re vor. Ich erfuhr, da� der Angriff an dieser
Stelle nicht viel erreicht h�tte und am n�chsten Morgen weiter vorgetrieben
werden sollte. Die Stimmung im Raum hatte wenig Zuversichtliches. Zwei
Bataillonskommandeure begannen eine lange Verhandlung mit ihren Adjutanten.
Ab und zu warfen Offiziere der Spezialwaffen einige Brocken von der H�he
ihrer Pritschen, die wie H�hnerk�rbe bev�lkert waren, in die Debatte. Der
Zigarrenqualm wurde erstickend. Burschen versuchten in dem Gedr�nge f�r
ihre Herren Brote zu schneiden. Ein hereinst�rzender Verwundeter rief durch
die Meldung eines feindlichen Handgranatenangriffes vor�bergehenden Alarm
hervor.

Endlich konnte ich meinen Angriffsbefehl niederschreiben. Ich sollte mit
der Kompagnie um 6 Uhr morgens den Drachenweg und von dort so weit als
m�glich die Siegfried-Linie aufrollen. Die beiden Bataillone des
Stellungs-Regiments sollten um 7 Uhr rechts von uns angreifen. Diese
Zeitdifferenz erweckte in mir sofort einen ganz bestimmten Verdacht. Ich
erhob entschiedenen Einspruch gegen den zersplitterten Angriff und
erreichte, da� auch wir erst um 7 Uhr antreten sollten. Der n�chste Morgen
zeigte, da� diese �nderung von gro�er Bedeutung war. Der kriegserfahrene
F�hrer kann in solchen F�llen seiner Truppe viel unn�tzes Blut sparen.

Eine aus ihrem Verbande gerissene Kompagnie wird unter fremdem Befehle
nicht verw�hnt. Da mir die Lage des Drachenweges �u�erst schleierhaft war,
bat ich beim Abschied um eine Karte, die aber angeblich nicht entbehrt
werden konnte. Ich dachte mir mein Teil und ging.

Nachdem ich mit den schwerbepackten Leuten lange Zeit in der Stellung
umhergeirrt war, entdeckte ein Mann an einem kleinen, nach vorn
abzweigenden Graben, der durch spanische Reiter gesperrt war, ein Schild
mit der halbverwischten Aufschrift �Drachenweg�. Als ich hineinging, h�rte
ich schon nach wenigen Schritten fremdartiges Stimmengewirr. Ich war
�u�erst �berrascht, den Gegner so nahe, beinahe in der eigenen Stellung zu
finden, ohne da� Sicherungsma�regeln getroffen waren, und sperrte den
Graben sofort durch eine Gruppe ab.

Dicht neben dem Drachenweg lag ein riesiges Erdloch, anscheinend eine
Tankfalle, in der ich die ganze Kompagnie zusammenzog, um den
Gefechtsauftrag zu erkl�ren und die Z�ge zum Angriff einzuteilen. Meine
Ansprache wurde mehrere Male durch leichte Granaten unterbrochen. Einmal
sauste sogar ein Blindg�nger in die r�ckw�rtige Wand der Grube. Ich stand
oben auf dem Rande und sah bei jedem Einschlag eine tiefe, gleichm��ige
Verneigung der mondbegl�nzten Stahlhelme unter mir.

Aus Sorge vor einem gro�en Ungl�ckstreffer schickte ich den ersten und
zweiten Zug in die Stellung zur�ck und blieb mit dem dritten in der Grube.
Mannschaften einer Abteilung, die am vorigen Mittag im Drachenweg
abgeschmiert war, machten meine Leute kopfscheu, indem sie erz�hlten, da�
nach 50 Metern ein englisches Maschinengewehr den Graben als
un�berwindliches Hindernis sperrte. Ich kam daraufhin mit den Zugf�hrern
�berein, beim ersten Widerstand rechts und links auf Deckung zu springen
und konzentrisch mit Handgranaten anzugreifen. Inmitten des fremden
Verbandes galt es besonders, die Waffenehre des Regiments hochzuhalten. Die
endlos langen Stunden verbrachte ich, eng an den Leutnant Hopf gekauert, in
einem Erdloch. Um 6 Uhr erhob ich mich und traf in der eigent�mlichen
Stimmung, die jedem Angriff vorausgeht, die letzten Anordnungen. Man hat
ein seltsames, flaues Gef�hl im Magen, redet mit den Gruppenf�hrern,
versucht Scherze zu machen, l�uft hin und her wie vor einer Parade vor dem
kommandierenden General; kurz, man sucht sich m�glichst zu besch�ftigen, um
den bohrenden Gedanken zu entgehen. Ein Mann bot mir eine auf Hartspiritus
erw�rmte Tasse Kaffee an, die W�rme und Zuversicht ins Mark zauberte.

Punkt 7 Uhr traten wir in der bestimmten Reihenfolge in langer Schlange an.
Wir fanden den Drachenweg unbesetzt; eine Reihe leerer Trommeln hinter
einer Barrikade verriet, da� das MG. zur�ckgenommen sein mu�te. Unser
Angriffsgeist wurde dadurch entfacht. Wir betraten einen kleinen Hohlweg,
nachdem ich einen rechts abzweigenden, gut ausgebauten Graben durch ein
paar Mann abgeriegelt hatte. Der Hohlweg wurde immer flacher, und zuletzt
fanden wir uns im grauenden Morgen auf freiem Felde. Wir machten kehrt und
betraten den rechten Graben, der gestopft voll Kriegsger�t und englischer
Toter lag. Es war die Siegfried-Stellung. Pl�tzlich ri� der F�hrer der
Sto�gruppen, Leutnant Hoppenrath, einem Manne das Gewehr aus der Hand und
scho�. Er war auf einen englischen Posten gesto�en, der nach einigen
Handgranatenw�rfen die Flucht ergriff. Es ging weiter, bis gleich darauf
von neuem Widerstand geleistet wurde. Handgranaten flogen von beiden Seiten
und barsten mit vielfachem Krachen. Die Sto�trupp-Technik trat in Funktion.
Wurfgeschosse wanderten von Mann zu Mann durch die Kette der H�nde;
Scharfsch�tzen nisteten sich hinter Schulterwehren ein, um die feindlichen
Werfer aufs Korn zu nehmen, die Zugf�hrer sp�hten �ber Deckung, um einen
Gegensto� rechtzeitig zu erkennen und die Bedienungen der leichten MG.
bauten ihre Waffen an schu�feldbietenden Stellen auf.

Nach kurzem Kampfe erschollen dr�ben aufgeregte Stimmen, und ehe wir recht
begriffen, was geschehen, kamen uns die ersten Engl�nder mit hochgereckten
H�nden entgegen. Einer nach dem anderen bog um die Schulterwehr und
schnallte ab, w�hrend unsere Gewehre und Pistolen drohend auf ihn gerichtet
waren. Es waren lauter junge, stramme Kerle in neuen Uniformen. Ich lie�
sie mit der Aufforderung: �Hands down!� passieren und beauftragte eine
Gruppe mit dem Abtransport. Die Meisten zeigten durch ihr zuversichtliches
L�cheln, da� sie uns nichts Unmenschliches zutrauten. Andere suchten mit
vorgehaltenen Zigarettenschachteln und Schokoladentafeln uns zur Milde zu
stimmen. Mit der gesteigerten Freude eines Weidmannes sah ich, da� wir
einen gewaltigen Fang gemacht hatten; der Zug wollte gar kein Ende nehmen.
Schon hatten wir 150 Mann gez�hlt, und immer noch erschienen neue mit
erhobenen Armen. Ich hielt einen Offizier an und fragte ihn nach dem
weiteren Verlauf und der Besetzung der Stellung. Er antwortete sehr
h�flich, beeintr�chtigte indes den guten Eindruck, den er auf mich machte,
dadurch, da� er stramm stand. Er geleitete mich dann zu dem F�hrer der
Kompagnie, einem verwundeten Captain, der sich in einem nahen Stollen
aufhielt. Ich fand einen jungen Mann von ungef�hr 26 Jahren mit
feingeschnittenem Gesicht, der mit durchschossener Wade an dem
Stollenrahmen lehnte. Als ich mich vorstellte, hob er seine Hand, von der
eine goldene Kette blitzte, an die M�tze, nannte seinen Namen und �bergab
mir seine Pistole. Seine ersten Worte zeigten, da� ich einen Mann vor mir
hatte. �We were surroundet about.� Es dr�ngte ihn, seinem Gegner zu
erkl�ren, warum sich seine Kompagnie so rasch ergeben h�tte. Wir
unterhielten uns in franz�sischer Sprache �ber verschiedenes. Er erz�hlte
mir, da� eine Reihe deutscher Verwundeter, die von seinen Leuten verbunden
und verpflegt w�ren, in einem nahen Unterstande l�gen. Als ich mich
erkundigte, wie stark die Siegfriedstellung weiter hinten besetzt w�re,
verweigerte er die Auskunft. Nachdem ich versprochen hatte, ihn und die
anderen Verwundeten zur�ckschaffen zu lassen, verabschiedeten wir uns durch
einen H�ndedruck.

Vorm Stollen standen meine Leute und meldeten, da� wir an 200 Gefangene
gemacht h�tten. F�r eine Kompagnie von 80 K�pfen eine sch�ne Leistung.
Nachdem ich Postierungen ausgestellt hatte, sahen wir uns in dem eroberten
Graben um, der von Waffen und Ausr�stungsst�cken starrte. Auf den
Postenst�nden lagen MG., Minenwerfer, Hand- und Gewehrgranaten,
Feldflaschen, Pelzwesten, Gummim�ntel, Zeltbahnen, Dosen voll Fleisch,
Marmelade, Tee, Kaffee, Kakao und Tabak, Kognak-Flaschen, Handwerkszeug,
Pistolen, Leuchtpistolen, W�sche, Handschuhe, kurz alles, was man sich nur
denken konnte. Ich legte eine kleine Pause ein, um den Leuten Zeit zu
geben, sich auszuruhen und die guten Sachen etwas n�her zu untersuchen.
Auch ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, mir von meinem Burschen
in einem Stolleneingang ein kleines Fr�hst�ck zusammenstellen zu lassen und
eine Pfeife des langentbehrten navy cut zu entz�nden, w�hrend ich meinen
Bericht an den Kampftruppen-Kommandeur kritzelte. Als vorsichtiger Mann
schickte ich ein Duplikat an unseren Bataillons-Kommandeur.

Nach einer halben Stunde traten wir in gehobener Stimmung (ich will nicht
ableugnen, da� die englischen Kognakflaschen ein wenig dazu beigetragen
haben mochten) wieder an und pirschten uns von Schulterwehr zu Schulterwehr
die Siegfriedstellung entlang.

Aus einem in dem Graben eingebauten Blockhaus erhielten wir Feuer und
stiegen, um uns zu orientieren, auf den n�chsten Postenstand. W�hrend wir
mit den Insassen einige Kugeln wechselten, wurde ein Mann wie durch eine
unsichtbare Faust zu Boden gesto�en. Ein Gescho� hatte den Scheitel seines
Stahlhelms durchbohrt und eine lange Rille in die Sch�deldecke gerissen.
Das Gehirn hob und senkte sich in der Wunde unter jedem Schlage des Blutes,
trotzdem konnte er noch allein zur�ckgehen.

Ich rief Freiwillige auf, um den Widerstand durch einen Angriff �ber freies
Feld zu brechen. Die Leute sahen sich z�gernd an; nur ein unbeholfener
Pole, den ich immer f�r bl�dsinnig gehalten hatte, kletterte aus dem Graben
und stapfte schwerf�llig auf das Blockhaus los. Nun sprang auch der
F�hnrich Neupert mit seiner Gruppe auf Deckung, w�hrend wir gleichzeitig im
Graben vorgingen. Die Engl�nder gaben einige Sch�sse ab und rissen aus, das
Blockhaus uns �berlassend. Einer der Leute des F�hnrichs war mitten im
Anlauf tot zusammengebrochen und lag wenige Schritte vorm Ziel mit dem
Gesicht auf dem Boden.

Beim weiteren Vorgehen stie�en wir auf die erbitterte Gegenwehr
unsichtbarer Handgranatenwerfer und wurden im Verlaufe eines l�ngeren
Gemetzels wieder bis zum Blockhaus zur�ckgedr�ngt. Dort verbarrikadierten
wir uns. Sowohl wir als die Engl�nder lie�en in dem umk�mpften Grabenst�ck
eine Anzahl von Leichen zur�ck. Leider befand sich darunter auch der
Unteroffizier Mevius, den ich in der Nacht von Regni�ville als tollk�hnen
K�mpfer sch�tzen gelernt hatte. Er lag mit dem Gesicht in einer gro�en
Blutlache. Als ich ihn umdrehte, sah ich an einem gro�en Loch in der Stirn,
da� hier keine Hilfe mehr not tat.

Nachdem sich auch der Gegner etwas zur�ckgezogen hatte, begann ein
hartn�ckiges Feuergefecht, w�hrenddessen ein 50 Meter von uns postiertes
Lewis-Gewehr unsere K�pfe niederzwang. Ein leichtes Maschinengewehr von uns
nahm das Duell auf. Eine halbe Minute lang knatterten die beiden
Mordwaffen, von Geschossen umspritzt, gegen einander los. Dann brach unser
Richtsch�tze, der Gefreite Motullo, mit einem Kopfschu� zusammen. Obwohl
ihm das Gehirn bis zum Kinn �ber das Gesicht lief, war er noch bei klarem
Verstande, als wir ihn in den n�chsten Stollen trugen. Allm�hlich wurde es
etwas ruhiger, da auch die Engl�nder an einer Barrikade arbeiteten. Um 12
Uhr erschienen Hauptmann von Brixen, Leutnant Tebbe und Leutnant Vogt und
begl�ckw�nschten mich zu den Erfolgen der Kompagnie. Wir setzten uns in das
Blockhaus, fr�hst�ckten von den englischen Vorr�ten und besprachen die
Lage. Zwischendurch unterhandelte ich schreiend mit ungef�hr 25 Engl�ndern,
deren K�pfe 100 Meter vor uns aus dem Graben tauchten, und die sich
anscheinend ergeben wollten. Sowie ich mich aber �ber Deckung erhob, wurde
ich von weiter hinten beschossen.

Pl�tzlich entstand bei der Barrikade Bewegung. Handgranaten flogen. Gewehre
knallten, MG. ratterten. �Sie kommen! Sie kommen!� Wir sprangen hinter die
Sands�cke und schossen. Einer meiner Leute, der Gefreite Kimpenhaus, sprang
in der Hitze des Kampfes oben auf die Barrikade und scho� so lange in den
Graben, bis ihn zwei schwere Armsch�sse herunterfegten. Ich merkte mir
diesen Helden des Augenblicks und hatte die Freude, ihm 14 Tage sp�ter zum
E. K. I gratulieren zu k�nnen.

Kaum waren wir von diesem kleinen Intermezzo zum Fr�hst�ck zur�ckgekehrt,
als von neuem ein Heidenl�rm losbrach. Es trat einer jener merkw�rdigen
Zwischenf�lle ein, an denen die Kriegsgeschichte im gro�en und kleinen so
reich ist. Das Geschrei r�hrte von einem Offizier-Stellvertreter des linken
Nachbar-Regiments, der mit uns Verbindung aufnehmen wollte und von
gewaltiger Rauflust beseelt war. Alkoholgenu� schien seine angeborene
Tapferkeit zur Raserei entfacht zu haben. �Wo ist der Tommy? Ran an die
Hunde! Los, wer kommt mit?� In seiner Wut ri� er unsere sch�ne Barrikade
ein und st�rzte vor, sich den Weg mit krachenden Handgranaten bahnend. Vor
ihm glitt seine Ordonnanz durch den Graben und erledigte mit Gewehrsch�ssen
die dem Sprengstoff Entronnenen.

Mut, tollk�hner Einsatz der eigenen Person wirken immer begeisternd. Auch
wir wurden vom Draufg�ngertum gepackt und beeilten uns, einige Handgranaten
aufraffend, an dem improvisierten Sturm teilzunehmen. Bald befand ich mich
neben dem Offizier-Stellvertreter, und auch die anderen Offiziere, gefolgt
von Leuten meiner Kompagnie, lie�en sich nicht lange bitten. Selbst der
Bataillons-Kommandeur, Hauptmann von Brixen, befand sich mit einem Gewehre
in der Hand unter den Vordersten und streckte �ber unsere K�pfe hinweg
mehrere feindliche Werfer nieder.

Die Engl�nder wehrten sich wacker. Es wurde um jede Schulterwehr gerungen.
Die schwarzen B�lle der Mill-Handgranaten kreuzten sich in der Luft mit
unseren Gestielten. Hinter jeder genommenen Schulterwehr fanden wir Leichen
oder noch zuckende K�rper. Man t�tete sich, ohne sich zu sehen. Auch wir
hatten Verluste. Neben der Ordonnanz fiel ein St�ck Eisen zu Boden, dem der
Mann nicht mehr ausweichen konnte; er brach zusammen, w�hrend sein Blut aus
vielen Wunden auf den Lehm sickerte.

�ber seinen K�rper hinweg sprangen wir weiter. Donnerkrachen zeichnete
unseren Weg. Hunderte von Augen lauerten in dem toten Gel�nde hinter Gewehr
und Maschinengewehr auf Ziel. Wir waren schon weit vor den eigenen Linien.
Von allen Seiten pfiffen uns Geschosse um die Stahlhelme oder zerschellten
mit hartem Knall am Grabenrand.

Ein rechts abzweigender Graben wurde von uns folgenden Leuten des Regiments
225 ausger�umt. In die Zwickm�hle geratene Engl�nder versuchten, �ber
freies Feld zu entkommen und wurden niedergeschossen wie bei einer
Treibjagd.

Dann kam der H�hepunkt; der atemlose Gegner, dem wir hart auf den Fersen
geblieben waren, machte Anstalten, durch einen rechts abbiegenden
Verbindungsgraben zu entweichen. Ich sprang auf einen Postenauftritt und
sah, da� dieser Graben eine ganze Strecke lang dem unsrigen in einer
Entfernung von 20 m parallel lief. Der Feind mu�te also noch einmal an uns
vorbei. Wir konnten von unserem erh�hten Standpunkt den Engl�ndern, die vor
Eile und Aufregung stolperten, direkt auf die Stahlhelme sehen. Ich
schleuderte den Vordersten eine Handgranate vor die F��e, so da� sie
stutzend stehen blieben, und die ihnen Folgenden eingekeilt wurden. Nun
entstand eine unbeschreibliche Vernichtung; Handgranaten flogen wie
Schneeb�lle durch die Luft, alles in wei�lichen Qualm h�llend. Zwei Leute
reichten mir ununterbrochen fertige Wurfgeschosse zu. Zwischen den
zusammengeballten Engl�ndern zuckten Blitze auf, Fetzen und Stahlhelme
hochschleudernd. Wut- und Angstgebr�ll mischte sich. Feuer vor den Augen,
sprangen wir schreiend auf den Grabenrand.

Mitten in diesem Taumel wurde ich durch einen furchtbaren Schlag zu Boden
geworfen. Ern�chtert ri� ich meinen Stahlhelm herunter und erblickte zu
meinem Schrecken zwei gro�e L�cher darin. Der Fahnenjunker-Unteroffizier
Mohrmann, der mir beisprang, beruhigte mich durch die Versicherung, da� an
meinem Hinterkopfe nur ein blutender Ri� zu sehen w�re. Das Gescho� eines
weiter entfernten Sch�tzen hatte meinen Stahlhelm durchschlagen und den
Kopf gestreift. Halb bet�ubt, wankte ich mit verbundenem Kopfe zur�ck, um
mich aus diesem Brennpunkte des Kampfes zu entfernen. Kaum hatte ich die
n�chste Schulterwehr passiert, als ein Mann hinter mir herst�rzte und
hervorstie�, da� Leutnant Tebbe an derselben Stelle soeben durch Kopfschu�
gefallen w�re.

Diese Nachricht gab mir den Rest. Ich str�ubte mich, die Tatsache zu
fassen, da� ein Freund, mit dem ich jahrelang Freud, Leid und Gefahr
geteilt, und der mir vor wenigen Minuten noch ein Scherzwort zugerufen
hatte, durch ein sinnloses St�ck Blei sein Ende gefunden haben sollte. Es
war leider nur zu wahr.

Gleichzeitig verbluteten in diesem m�rderischen Grabenst�ckchen s�mtliche
hervorragenden Unteroffiziere und ein Drittel meiner Kompagnie. Auch der
Leutnant Hopf fiel, ein bereits �lterer Mann, Lehrer von Beruf, deutscher
Ideal-Schulmeister im besten Sinne des Wortes. Meine beiden F�hnriche und
viele andere wurden verwundet. Trotzdem hielt die siebente Kompagnie die
glorreich eroberte Stellung unter F�hrung des Leutnants Hoppenrath, des
letzten Kompagnieoffizieres, bis zur Abl�sung.

Auch das moderne Gefecht hat seine gro�en Augenblicke. Man h�rt so oft die
irrige Ansicht, da� der Infanteriekampf zu einer uninteressanten
Massenschl�chterei herabgesunken ist. Im Gegenteil, heute mehr denn je
entscheidet der einzelne. Das wei� jeder, der sie in ihrem Reich gesehen
hat, die F�rsten des Grabens mit den harten, entschlossenen Gesichtern,
tollk�hn, so sehnig, geschmeidig vor- und zur�ckspringend, mit scharfen,
blutd�rstigen Augen, Helden, die kein Bericht nennt. Der Grabenkampf ist
der blutigste, wildeste, brutalste von allen, doch auch er hat seine M�nner
gehabt, M�nner, die ihrer Stunde gewachsen waren, unbekannte, verwegene
K�mpfer. Unter allen nervenerregenden Momenten des Krieges ist keiner so
stark, wie die Begegnung zweier Sto�truppf�hrer zwischen den engen
Lehmw�nden des Grabens. Da gibt es kein Zur�ck und kein Erbarmen. Blut
klingt aus dem schrillen Erkennungsschrei, der sich wie Alpdruck von der
Brust ringt.

Auf dem R�ckweg blieb ich neben dem Hauptmann von Brixen stehen, der, mit
einigen Leuten einen Feuerkampf gegen eine Reihe von K�pfen f�hrte, die aus
einem nahen Parallelgraben ragten. Ich stellte mich zwischen ihn und einen
anderen Sch�tzen und beobachtete die Gescho�einschl�ge.

Pl�tzlich warf mich wieder ein Prall vor die Stirne auf die Grabensohle,
w�hrend meine Augen durch herabstr�mendes Blut geblendet wurden. Der Mann
neben mir st�rzte zu gleicher Zeit und begann zu jammern. Kopfsteckschu�
durch Stahlhelm und Schl�fe. Der Hauptmann f�rchtete, seinen zweiten
Kompagnief�hrer an diesem Tage verloren zu haben, stellte indes bei n�herem
Hinsehen nur zwei oberfl�chliche L�cher an der Haargrenze fest;
wahrscheinlich durch das zerschellende Gescho� oder Stahlhelmsplitter des
Verwundeten verursacht.

Durch den erneuten Blutverlust geschw�cht, schlo� ich mich dem Hauptmann
an, der zu seiner Befehlsstelle zur�ckging. Den hart beschossenen Dorfrand
von Moeuvres im Laufschritt �berwindend, gewannen wir den Unterstand im
Kanalbett, wo ich Verband und Tetanusspritze erhielt. -- Am Nachmittag
setzte ich mich in ein Lastauto und fuhr nach L�cluse, wo ich dem
begeisterten Oberst von Oppen beim Abendessen Bericht erstattete. Nachdem
ich halb im Schlaf, aber in vorz�glicher Stimmung, eine Flasche Wein
geleert hatte, verabschiedete ich mich und warf mich nach diesem gewaltigen
Tage mit einem Feierabendgef�hl in das Bett, das mir mein treuer,
freudestrahlender Vinke bereitet hatte. Am �bern�chsten Tage r�ckte das
Bataillon in L�cluse ein. Am 4. Dezember hielt der Divisions-Kommandeur,
Generalmajor von Busse, eine Ansprache an die beteiligten Bataillone, in
der die Verdienste der siebenten Kompagnie besonders hervorgehoben wurden.

Ich konnte mit Recht stolz auf meine Leute sein. Kaum 80 Mann hatten ein
langes Grabenst�ck erobert; eine Menge Maschinengewehre, Minenwerfer und
Material erbeutet und 200 Gefangene gemacht. Leider hatten wir auch eine
Verlustziffer von 50 Prozent, darunter besonders viele Chargen. Ich hatte
die Freude, eine lange Reihe von Bef�rderungen und Auszeichnungen verk�nden
zu k�nnen. Verdienterma�en erhielten der Leutnant Hoppenrath, F�hrer der
Sto�truppen, F�hnrich Neupert, der Blockhausst�rmer und last not least, der
k�hne Barrikadenverteidiger Kimpenhaus das E. K. I. Ich bekam als Pflaster
auf meine f�nfte Verwundung einen vierzehnt�gigen Weihnachtssurlaub,
w�hrenddessen mir das Ritterkreuz des Hausordens von Hohenzollern mit
Schwertern ins Haus geschickt wurde. Ich habe mir im Verlaufe des Krieges
�ber Orden eine eigent�mliche Anschauung erworben, indes gestehe ich, da�
ich mir das goldgerandete Emaillekreuz mit Stolz an die Brust heftete.
Dieses Kreuz, mein durchschossener Stahlhelm und ein silberner Pokal mit
der Inschrift �Dem Sieger von Moeuvres�, den mir die drei anderen
Kompagnief�hrer des Bataillons schenkten, sind meine Erinnerungszeichen an
den Tag von Cambrai.




Am Cojeul-Bach.


Nach wenigen Tagen der Ruhe l�sten wir am 9. Dezember 1917 die zehnte
Kompagnie in vorderer Linie ab. Die Stellung lag, wie ich schon berichtete,
vor dem Dorfe Vis-en-Artois. Mein Kompagnieabschnitt wurde rechts durch die
Stra�e Arras--Cambrai, links durch das versumpfte Bett des Cojeul-Baches
begrenzt, �ber das wir die Verbindung mit der Nebenkompagnie durch
n�chtliche Patrouillen aufrechterhielten. Die feindliche Stellung wurde
durch eine zwischen den vorderen Gr�ben liegende Erhebung der Sicht
entzogen. Au�er ein paar Patrouillen, die sich nachts an unserem Draht zu
schaffen machten, und dem Surren eines in der nahen Hubertus-Ferme
aufgestellten Lichtmotors nahmen wir nichts von der feindlichen Infanterie
wahr.

Mein Unterstand war in die steile Wand einer hinter der Stellung g�hnenden
Kiesgrube getrieben, die fast jeden Tag stark beschossen wurde. Dahinter
ragte in grotesker W�stheit das Eisenger�st einer zerst�rten Zuckerfabrik.

Die Kiesgrube war ein unheimlicher Aufenthaltsort. Zwischen den mit
verbrauchtem Kriegsmaterial gef�llten Trichtern steckten die windschiefen
Kreuze verfallener Gr�ber. Nachts konnte man nicht die Hand vor Augen sehen
und mu�te von dem Erl�schen der einen Leuchtkugel auf das Hochsteigen der
anderen warten, um nicht vom sicheren Pfade der Laufrosten in den Schlamm
des Cojeul-Grundes zu geraten.

Die Tage verbrachte ich, wenn ich nicht bei dem im Bau befindlichen
Postengraben zu tun hatte, in dem eisigkalten Stollen, las ein Buch und
trommelte mit den F��en zur Erw�rmung gegen die Stollenrahmen. Demselben
Zweck diente auch die in einer Nische des Kalkfelsens verborgene Flasche,
der von meinen Ordonnanzen und mir stark zugesprochen wurde.

H�tten wir indes aus der Kiesgrube den Dampf eines Feuerchens zum tr�ben
Dezemberhimmel emporsteigen lassen, so w�re der Platz g�nzlich unbewohnbar
geworden, da der Feind bislang die Zuckerfabrik f�r den Sitz der
Befehlsstelle zu halten schien und demgem�� bedachte. So kam erst zur
Stunde der D�mmerung Leben in unsere erstarrten Glieder. Der kleine Ofen
wurde in Brand gesetzt und verbreitete neben dichtem Qualm auch eine
behagliche W�rme. Bald klapperten auf der Stollentreppe die Kochgeschirre
der aus Vis zur�ckkehrenden Essenholer, die bereits sehns�chtig erwartet
wurden. Wenn dann die ewige Folge von Steckr�ben, Graupen und D�rrgem�se
durch Bohnen oder Nudeln unterbrochen wurde, lie� die Stimmung nichts mehr
zu w�nschen �brig. Ich freute mich manchmal, an meinem kleinen Tische
sitzend, �ber die urw�chsige Unterhaltung der Leute, die, in Tabakswolken
geh�llt, um den Ofen hockten, von dem ein Kochgeschirr voll Grog kr�ftige
Ger�che ausstr�mte. Krieg und Frieden, Kampf und Heimat, Ruheort und Urlaub
wurden in trockener nieders�chsischer Art besprochen, auch die Erotik
spielte eine Hauptrolle.

Am 17. Dezember trat ich meinen Urlaub an, von dem ich am 2. Januar
zur�ckkehrte.

Am 19. Januar wurden wir um 4 Uhr morgens abgel�st und marschierten durch
dichtes Schneegest�ber nach Gouy, wo wir l�ngere Zeit bleiben sollten, um
uns f�r die Aufgaben der gro�en Offensive zu schulen. Die wunderbar klaren
Ausbildungsbefehle Ludendorffs, die bis zu den Kompagnief�hrern verteilt
wurden, stellten den Angriff f�r die n�chste Zeit in Aussicht.

Wir �bten die fast vergessenen Formen des Sch�tzengefechts und
Bewegungskrieges, auch wurde eifrig mit Gewehr und Maschinengewehr
geschossen. Da alle D�rfer hinter der Front bis zur letzten Dachkammer
belegt waren, wurde jede B�schung als Scheibenstand benutzt, so da� die
Geschosse manchmal wie bei einem Gefecht �ber das Gel�nde flirrten. Ein
Richtsch�tze meiner Kompagnie scho� mit seinem leichten Maschinengewehr den
Kommandeur eines fremden Regiments mitten in einer Kritik aus dem Sattel.
Zum Gl�ck war die Verwundung eine leichte und unsere T�terschaft nicht klar
erweislich.

Einige Male unternahm ich mit der Kompagnie �bungsangriffe mit scharfen
Handgranaten auf verwickelte Grabensysteme, um die Erfahrungen der
Cambraischlacht auszuwerten. Auch dabei gab es Verwundete. Wo Holz gehauen
wird, fallen Sp�ne.

Am 24. Januar verabschiedete sich unser von allen verehrter Oberst v.
Oppen, um im fernen S�dosten eine Brigade zu �bernehmen. Das Scheiden
dieses hervorragenden, w�hrend der langen Jahre des Krieges fest mit seiner
Truppe verwachsenen F�hrers war dem ganzen Regiment ein schmerzlicher
Verlust. Neben einer warmen Teilnahme am Geschick seiner Untergebenen besa�
er die bei im eint�nigen Friedensdienst alt gewordenen Offizieren nicht
h�ufige Eigenschaft, sich den gewaltigen Neuerungen des Krieges mit
Leichtigkeit anpassen zu k�nnen. Ein solcher Mann kann im Kriege
Unerme�liches leisten. Leider gingen seine Abschiedsworte: �Auf Wiedersehen
in Hannover!� nicht in Erf�llung. Unser lieber Oberst hat weder die Heimat
noch sein stolzes Regiment wiedergesehen. Er ruht in fremder Erde, fern von
der Heimat, von t�ckischer Seuche dahingerafft.

Am 6. Februar siedelten wir wieder nach L�cluse �ber und wurden am 22. f�r
vier Tage im Trichterfelde links der Stra�e Dury--Hendecourt untergebracht,
um nachts in vorderer Linie zu schanzen. Bei der Besichtigung der Stellung,
die dem Tr�mmerhaufen des ehemaligen Dorfes Bullecourt gegen�berlag, wurde
mir klar, da� ein Teil des gewaltigen Angriffs, von dem an der ganzen
Westfront erwartungsvoll geraunt wurde, an dieser Stelle stattfinden mu�te.

�berall wurde mit fieberhafter Hast gebaut, Stollen getrieben und neue Wege
angelegt. Das Trichterfeld wimmelte von mitten im Gel�nde stehenden
Schildchen, auf denen unverst�ndliche Ziffern standen, die anscheinend die
Pl�tze f�r Batterien und Befehlsstellen bezeichneten. Dauernd flogen unsere
Flugzeuge Sperre, um den feindlichen den Einblick zu verwehren. Eine
interessante Neuerscheinung an der Front war, da� jeden Mittag punkt 12 Uhr
von den Fesselballons ein schwarzer Ball heruntergelassen wurde, der um
12.10 Uhr verschwand. Es geschah dies, um die Truppe mit genauer Uhrzeit zu
versorgen.

Gegen Ende des Monats marschierten wir wieder nach Gouy in unsere alten
Quartiere. Nach mehreren �bungen im Bataillons- und Regimentsverbande
exerzierten wir zweimal an einer gro�en tracierten Stellung einen
Durchbruch der ganzen Division. Anschlie�end hielt der Divisionskommandeur
eine Ansprache an seine Offiziere, bei der jedem klar wurde, da� der Sturm
in den n�chsten Tagen losbrechen sollte. Der eherne Geist des Angriffs, der
Geist der preu�ischen Infanterie, schwebte �ber den Massen, die sich hier
auf nordfranz�sischem Felde beim Fr�hlingserwachen zur Kampfprobe
versammelt hatten.

Wenn das Ziel nicht erreicht wurde, das die F�hrung sich gesteckt hatte, so
war es nicht die Schuld der Offiziere und der Leute, die nach 44 Monaten
schwerster K�mpfe sich dem Feinde mit einer Begeisterung entgegenwarfen,
wie je im August 1914. F�rwahr, es mu�te sich die ganze Welt in die Bresche
stemmen, um solcher Sturmflut standzuhalten. Wenn sich im Laufe der Jahre
einst die Wogen des Hasses gegl�ttet haben, wird die Geschichte anerkennen,
da� wir gek�mpft haben wie nie ein Volk zuvor.

Mit Vergn�gen erinnere ich mich auch jener Abendstunden, wo wir am runden
Tisch zusammensa�en und uns mit hei�en K�pfen �ber den bevorstehenden
frisch-fr�hlichen Bewegungskrieg unterhielten. Ging auch in der
Begeisterung der letzte Taler f�r Wein drauf, was brauchten wir noch Geld
jenseits der feindlichen Linien oder gar im besseren Jenseits?

   Wer wei�, ob nicht die Welt
   Morgen in Schutt zerf�llt,
   Wenn sie nur heut noch h�lt,
   Heute ist heut!

Nur durch die Vorstellung, da� die Etappe doch auch leben wollte, konnte
uns der Hauptmann v. Brixen am letzten Abend davon abhalten, Gl�ser,
Flaschen und Porzellan gegen die W�nde zu feuern. Auch die Leute waren gut
in Form. H�rte man sie in ihrer trockenen nieders�chsischen Weise von dem
bevorstehenden �Hindenburg-Flachrennen� reden, so wu�te man, da� sie
anpacken w�rden wie immer, z�h, zuverl�ssig und ohne unn�tiges Geschrei.
Wie h�tte man hinten sein k�nnen, wenn sie ins Gefecht gingen, diese
stillen S�hne alter, eichenumrauschter H�fe? Viel schimmernde Ideale, die
�ber unseren Zielen hingen, hat mir der Krieg zerschlagen, eins blieb f�r
immer: diese unersch�tterliche Treue.

Am 17. M�rz marschierten wir nach Dunkelwerden von den uns bereits
liebgewordenen Quartieren nach Brunemont. Alle Stra�en waren �berf�llt von
rastlos sich vorw�lzenden Marschkolonnen, unz�hligen Gesch�tzen und
endlosen Trains. Trotzdem herrschte genaue Ordnung nach einem von
Generalstabsoffizieren ausgearbeiteten Mobilmachungsplan. Wehe der Truppe,
die nicht peinlich Weg- und Marschzeit innehielt; sie wurde r�cksichtslos
in den Stra�engraben gedr�ngt und mu�te stundenlang warten, ehe sie sich in
eine L�cke zw�ngen konnte. Einmal gerieten wir doch ins Gedr�nge, wobei
sich das Reitpferd des Hauptmanns v. Brixen auf eine beschlagene
Wagendeichsel spie�te und verendete.




Die gro�e Schlacht.


Das Bataillon wurde im Schlo� von Brunemont untergebracht. Wir erfuhren,
da� wir in der Nacht vom 19. zum 20. M�rz 1918 nach vorn marschieren
sollten, um in der N�he von Cagnicourt in Stollen des Trichterfeldes
bereitgestellt zu werden, und da� der gro�e Angriff am Morgen des 21.
beginnen sollte. Das Regiment hatte den Auftrag, zwischen den uns von
1915/16 her wohlbekannten D�rfern Ecoust-St. Mein und Noreuil durchzusto�en
und wom�glich am ersten Tage Mory zu erreichen.

Ich schickte den Leutnant Schmidt, den wir seines netten Wesen wegen gar
nicht anders nennen konnten als �Schmidtchen�, voraus, um die Unterkunft
der Kompagnie zu sichern.

Zur bestimmten Stunde marschierte das Bataillon aus Brunemont ab. Trotz
str�menden Regens war die Stimmung gut. Einen Betrunkenen, der gr�hlend
zwischen den Gliedern meiner Kompagnie taumelte, �bersah ich. Jetzt mu�te
jedes scharfe Wort schaden. Die Ausbildung war vor�ber, nun kam die Sache
selbst. Man mu�te jedes R�dchen laufen lassen.

Von einer Stra�enkreuzung, an der uns unsere F�hrerkommandos erwarteten,
marschierten die Kompagnien selbst�ndig nach vorn. Als wir in der H�he der
zweiten Linie waren, in der wir untergebracht werden sollten, stellte sich
heraus, da� sich unsere F�hrer verlaufen hatten. Es begann ein Umherirren
in dem schwach beleuchteten, aufgeweichten Trichtergel�nde und ein Fragen
bei unz�hligen, ebensowenig orientierten Trupps. Um meine Leute nicht
v�llig zu ersch�pfen, lie� ich halten und schickte die F�hrer in
verschiedenen Richtungen aus.

Die Gruppen setzten die Gewehre zusammen und dr�ngten sich in einen
gewaltigen Trichter, w�hrend ich mit dem Leutnant Sprenger auf dem Rande
eines kleineren sa�. Schon seit einiger Zeit waren ungef�hr 100 Meter vor
uns einzelne Einschl�ge aufgeflammt. Ein neues Projektil schlug in
geringerer Entfernung ein; Splitter klatschten in die Lehmw�nde des
Trichters. Ein Mann schrie auf und behauptete, am Fu�e getroffen zu sein.
Ich rief den Leuten zu, sich in die umliegenden L�cher zu verteilen,
w�hrend ich mit den H�nden den schlammigen Stiefel des Getroffenen nach
einem Einschu� untersuchte.

Da pfiff es wieder hoch in der Luft; jeder hatte das zusammenschn�rende
Gef�hl: die kommt hierher! Dann schmetterte ein bet�ubender, ungeheurer
Krach; -- die Granate war mitten zwischen uns geschlagen. . . .

Halb ohnm�chtig richtete ich mich auf. Aus dem gro�en Trichter strahlte
unsere in Brand gesetzte Maschinengewehrmunition ein intensives rosa Licht.
Es beleuchtete den schwelenden Qualm des Einschlages, in dem sich schwarze
K�rper w�lzten und die Schatten der nach allen Seiten auseinanderstiebenden
�berlebenden. Gleichzeitig ert�nte ein vielfaches, grauenhaftes Gebr�ll und
Hilfegeschrei.

Ich will nicht verheimlichen, da� ich zun�chst, wie alle anderen, nach
einem Augenblick starren Entsetzens aufsprang und planlos in die Nacht
rannte. Erst in einem kleinen Granatloch, in das ich kopf�ber gest�rzt war,
wurde mir der Vorgang klar. Nichts mehr h�ren und sehen! Fort, weit weg,
verkriechen! Und doch meldete sich sofort die andere Stimme: �Mensch, du
bist doch der Kompagnief�hrer!� Genau so. Ich sage es nicht, um mich zu
r�hmen; ich m�chte eher sagen: wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den
Verstand dazu. Ich habe an mir und anderen oft erfahren, da� das
Verantwortlichkeitsgef�hl des F�hrers die pers�nliche Angst �bert�ubte. Man
hatte einen Halt, etwas, an das man denken mu�te. Ich zwang mich also an
den schrecklichen Ort zur�ck; unterwegs stie� ich auf den F�silier Haller,
der w�hrend meiner November-Patrouille das Maschinengewehr erbeutet hatte,
und nahm ihn mit.

Die Verwundeten stie�en noch immer ihre furchtbaren Schreie aus. Einige
kamen auf mich zugekrochen und winselten, meine Stimme erkennend: �Herr
Leutnant! Herr Leutnant!� Einer meiner liebsten Rekruten, dem ein Splitter
den Schenkel zerknickt hatte, klammerte sich an meinen Beinen fest. Meinem
Unverm�gen zu helfen, fluchend, klopfte ich ihm ratlos auf die Schulter.
Solche Augenblicke vergi�t man nie.

Ich mu�te die Ungl�cklichen dem einzig �berlebenden Krankentr�ger
�berlassen, um das H�uflein Getreuer, das sich um mich gesammelt hatte, aus
dem gef�hrdeten Bereich zu f�hren. Vor einer halben Stunde noch an der
Spitze einer kriegsstarken, ausgezeichneten Kompagnie, irrte ich nun mit
wenigen, seelisch vollkommen deprimierten Leuten durch das Grabengewirre.
Ein blutjunges Milchgesicht, das vor einigen Tagen noch, von seinen
Kameraden verspottet, beim Exerzieren der schweren Munitionsk�sten wegen
geweint hatte, schleppte nun diese Last, die es aus der furchtbaren Szene
gerettet hatte, getreulich auf unserem m�hsamen Wege mit. Diese Beobachtung
gab mir den Rest. Ich warf mich zu Boden und brach in ein krampfhaftes
Schluchzen aus, w�hrend die Leute d�ster um mich herumstanden.

Nachdem wir einige Stunden lang erfolglos, oft von einschlagenden Granaten
bedroht, durch Gr�ben gehastet waren, in denen Schlamm und Wasser fu�hoch
standen, verkrochen wir uns, zu Tode ersch�pft, in einige in die W�nde
eingebaute Munitionsnischen. Mein Bursche breitete seine Decke �ber mich;
trotzdem konnte ich infolge der furchtbaren Nervenerregung kein Auge
schlie�en und erwartete, Zigarren rauchend, die D�mmerung.

Das erste Tageslicht entschleierte ein ganz unglaubliches Leben im
Trichterfelde. Zahllose Trupps Infanterie suchten noch ihre Deckungen zu
erreichen. Artilleristen schleppten Munition, Minenwerfer zogen ihre
Fahrzeuge; Fernsprecher und Lichtsignalisten bauten Leitungen. Es war der
reinste Jahrmarktstrubel tausend Meter vorm Feinde, der
unbegreiflicherweise nichts zu merken schien.

Zum Gl�ck stie� ich auf den F�hrer der zweiten Maschinengewehrkompagnie,
Leutnant Fallenstein, einen alten Frontoffizier, der mir unsere Unterkunft
zeigen konnte. Sein erstes Wort war: �Mensch, wie sehen Sie denn aus?� Ich
f�hrte meine Leute in einen gro�en Stollen, an dem wir in der Nacht wohl
ein dutzendmal vorbeigelaufen waren, und in dem ich Schmidtchen vorfand,
der von unserem Ungl�ck noch nichts wu�te. Auch die F�hrer fand ich hier
wieder. Seit diesem Tage habe ich, wenn wir eine neue Stellung bezogen, die
Auswahl der F�hrer stets selbst und mit der gr��ten Sorgfalt getroffen. Im
Kriege lernt man gr�ndlich, aber das Lehrgeld ist teuer.

Nachdem ich meine Begleiter untergebracht hatte, machte ich mich auf den
Weg nach der Schreckensstelle der vergangenen Nacht. Der Platz sah schaurig
aus. Rings um die verbrannte Einschlagsstelle lagen �ber 20 geschw�rzte
Leichen, fast alle bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt. Einige der Gefallenen
mu�ten wir sp�ter als vermi�t f�hren, da nichts von ihnen vorzufinden war.

Einige Soldaten fremder Truppenteile fand ich besch�ftigt, aus dem
gr��lichen Gewirr die blutbesudelten Sachen der Toten hervorzuziehen und
nach Beute zu durchsuchen. Angeekelt jagte ich das Hy�nengelichter fort und
gab meiner Ordonnanz den Auftrag, soweit m�glich, die Brieftaschen und
Wertsachen an sich zu nehmen, um sie f�r die Hinterbliebenen zu retten. Wir
mu�ten sie allerdings am folgenden Tage beim Sturm zur�cklassen.

Zu meiner Freude kann aus einem nahen Stollen der Leutnant Sprenger mit
einer Schar von Leuten, die dort die Nacht verbracht hatten. Ich lie� die
Gruppenf�hrer melden und stellte fest, da� mir noch 63 Mann zur Verf�gung
standen. Mit �ber 150 war ich am Abend zuvor in bester Stimmung ausgezogen!
Es gelang mir, �ber 20 Tote und �ber 60 Verwundete, von denen sp�ter noch
viele ihren Verletzungen erlagen, zu ermitteln.

Der einzige schwache Trost war, da� es noch schlimmer h�tte kommen k�nnen.
So stand z. B. der F�silier Rust so dicht neben dem Einschlag, da� die
Tragegurte seiner Munitionsk�sten anfingen zu brennen. Der Unteroffizier
Peggau, der allerdings am n�chsten Tage sein Leben lassen mu�te, stand
zwischen zwei Leuten, die vollkommen zerrissen wurden, ohne auch nur
geritzt zu werden.

Wir verbrachten den Tag in gedr�ckter Stimmung, meist schlafend. Ich mu�te
h�ufig zum Bataillonskommandeur, da immer wieder etwas �ber den Angriff zu
besprechen war. Sonst f�hrte ich mit meinen beiden Offizieren, auf einer
Pritsche liegend, eine Unterhaltung �ber die nebens�chlichsten Dinge, um
den marternden Gedanken zu entgehen. Der stete Refrain war: �Mehr als
totgeschossen k�nnen wir Gott sei Dank nicht werden!� Eine kleine
Ansprache, mit der ich die Leute zu ermuntern suchte, die wortlos auf der
Stollentreppe zusammenkauerten, schien wenig Wirkung zu haben. Ich war auch
zum Ermutigen nicht disponiert.

Um 10 Uhr abends brachte eine Ordonnanz den Befehl zum Abmarsch in vordere
Linie. Wenn ein Tier der Wildnis aus seiner H�hle hervorgezerrt wird, oder
ein Seemann die rettende Planke unter seinen F��en sinken sieht, m�gen sie
�hnliche Gef�hle haben wie wir, als wir uns von dem sicheren, warmen
Stollen trennen mu�ten. Jedoch kam nicht einem meiner Leute der Gedanke,
unbemerkt zur�ckzubleiben.

Wir eilten in scharfem Schrapnellfeuer durch den Felixgraben und kamen ohne
Verluste vorn an. Dem Bataillon war ein ganz schmaler Abschnitt zugewiesen.
S�mtliche Stollen waren im Nu gestopft voll Menschen. Die �brigen gruben
sich L�cher in die Grabenw�nde, um w�hrend des dem Angriff vorausgehenden
Artilleriefeuers wenigstens etwas Schutz zu haben. Nach vielem Hin und Her
hatte jeder sein Pl�tzlein gefunden. Noch einmal versammelte der Hauptmann
von Brixen die Kompagnief�hrer zur Besprechung. Nachdem zum letzten Mal die
Uhren verglichen waren, trennten wir uns mit einem H�ndedruck.

Ich setzte mich neben meine beiden Offiziere auf eine Stollentreppe, um den
Zeitpunkt 5.05 Uhr zu erwarten, mit dem die Feuervorbereitung beginnen
sollte. Die Stimmung hatte sich etwas aufgeheitert, da der Regen aufgeh�rt
hatte und die sternklare Nacht einen trockenen Morgen versprach. Wir
verbrachten die Zeit mit Erz�hlen und Essen; es wurde stark geraucht, und
die gef�llte Feldflasche machte stetig die Runde. In den ersten
Morgenstunden war die feindliche Artillerie so lebhaft, da� wir f�rchteten,
der Engl�nder h�tte Lunte gerochen.

Kurz vor Beginn wurde folgender Funkspruch bekanntgegeben: �S. M. der
Kaiser und Hindenburg haben sich an den Schauplatz der Operationen
begeben.� Er wurde mit Beifall begr��t.

Immer weiter r�ckte der Zeiger; wir z�hlten die letzten Minuten mit.
Endlich stand er auf 5.05 Uhr. Der Orkan brach los. Ein rasender Donner,
der auch die schwersten Absch�sse in seinem gewaltigen Rollen verschlang,
lie� die Erde erzittern. Das gigantische Vernichtungsgebr�ll der unz�hligen
Gesch�tze hinter uns war so furchtbar, da� auch die gr��ten der
�berstandenen Schlachten dagegen ein Kinderspiel schienen. Was wir nicht
gewagt hatten zu hoffen, geschah: Die feindliche Artillerie blieb stumm;
sie war mit einem einzigen Riesenschlage niedergeschmettert. Wir hielten es
im Stollen nicht l�nger aus. Auf Deckung stehend, bewunderten wir die �ber
den englischen Gr�ben flammende Feuerwand, die sich hinter wallenden,
blutroten Wolken verschleierte.

Unsere Freude wurde durch Augentr�nen und Brennen der Schleimh�ute gest�rt,
verursacht durch die vom Winde zur�ckgetriebenen D�nste unserer
Gasgranaten. Die unangenehmen Wirkungen des Blaukreuzgases zwangen viele
Leute durch W�rge- und Hustenreiz, die Masken abzurei�en. Ich war sehr
besorgt; doch vertraute ich fest darauf, da� unsere F�hrung unm�glich eine
Berechnung gemacht haben k�nnte, die unser Verderben werden mu�te. Trotzdem
zwang ich mit Aufbietung aller Energie den ersten Husten zur�ck, um den
Reiz nicht zu f�rdern. Nach einer Stunde konnten wir die Masken absetzen.
Es war Tag geworden. Hinter uns wuchs das ungeheure Get�se fortw�hrend. Vor
uns war eine dem Blick undurchdringliche Wand von Rauch, Staub und Gas
entstanden. Leute liefen durch den Graben und br�llten sich freudige Zurufe
ins Ohr. Infanteristen und Artilleristen, Pioniere und Fernsprecher,
Preu�en und Bayern, Offiziere und Mannschaften, alle waren �berw�ltigt,
begeistert durch diese elementare �u�erung deutscher Kraft und brannten
darauf, um 9.40 Uhr zum Sturm anzutreten. Um 8.25 griffen unsere schweren
Minenwerfer ein, die in engen Zwischenr�umen hinter dem vorderen Graben
standen. Wir sahen die gewaltigen Zweizentner-Minen im hohen Bogen durch
die Luft fliegen und dr�ben mit vulkanartigen Explosionen zu Boden fallen.

Selbst die Naturgesetze schienen ihre G�ltigkeit verloren zu haben; die
Luft flimmerte wie an hei�en Sommertagen. Der wechselnde Brechungsexponent
lie� feste Gegenst�nde hin und her tanzen. Schwarze Schattenstriche
huschten durch das Gew�lk.

Die letzte Stunde der Vorbereitung wurde gef�hrlicher als die vier anderen,
w�hrend deren wir uns ruhig auf Deckung bewegt hatten. Der Feind brachte
eine schwere Batterie ins Feuer, die Schu� um Schu� in unseren gedr�ngt
vollen Graben warf. Um auszuweichen, begab ich mich nach links und stie�
auf den Adjutanten, Leutnant Heins, der mich nach dem Leutnant Freiherrn v.
Solemacher fragte: �Der mu� sofort das Bataillon �bernehmen, Hauptmann v.
Brixen ist eben gefallen.� Ersch�ttert von dieser Schreckensnachricht ging
ich zur�ck und setzte mich in ein tiefes Erdloch. Auf dem kurzen Wege hatte
ich die Tatsache schon wieder vergessen. Mein Gehirn klammerte sich nur
noch durch die Zahl 9.40 Uhr an die Wirklichkeit. Ich schien mich indes
sehr kouragiert zu benehmen, denn alle Leute l�chelten mir beif�llig zu.

Vor meinem Erdloch stand der Unteroffizier Dujesiefken, mein Begleiter bei
Regni�ville, und bat mich, in den Graben zu kommen, da beim kleinsten
Einschlage die Erdmassen �ber mir zusammenst�rzen k�nnten. Eine Explosion
ri� ihm das Wort vom Munde: mit einem abgerissenen Bein st�rzte er zu
Boden. Ich sprang �ber ihn hinweg und hastete nach rechts, wo ich in ein
Fuchsloch kroch, das bereits von zwei Pionieren besetzt war. Im engen
Kreise um uns setzten die schweren Geschosse ihr W�ten fort. Man sah
pl�tzlich schwarze Erdklumpen aus einer wei�en Wolke wirbeln; die
Detonation ging im allgemeinen Tosen unter. Man h�rte eigentlich �berhaupt
nichts mehr. Im Grabenst�ckchen links neben uns wurden drei Leute meiner
Kompagnie zerrissen. Einer der letzten Treffer, ein Blindg�nger, t�tete das
arme Schmidtchen, das noch auf der Stollentreppe sa�.

Ich stand zusammen mit Sprenger, die Uhr in der Hand, vor meinem Fuchsloch
und erwartete den gro�en Augenblick. Um uns hatten sich die Reste der
Kompagnie geschart. Es gelang uns, sie durch Scherzworte von einer
Derbheit, die sich hier leider nicht wiedergeben l��t, aufzuheitern und
abzulenken. Der Leutnant Meyer, der einen Augenblick um die Schulterwehr
lugte, erz�hlte mir sp�ter, da� er uns f�r wahnsinnig gehalten h�tte.

Um 9.10 Uhr verlie�en die Offizier-Patrouillen, die unsere Aufstellung
sichern sollten, den Graben. Da die vorderen Linien �ber 800 Meter
auseinanderlagen, mu�ten wir noch w�hrend der Vorbereitung antreten und uns
im Niemandslande derart bereitlegen, da� wir um 9.40 in die erste
feindliche Linie springen konnten. Auch Sprenger und ich kletterten nach
einigen Minuten, gefolgt von unseren Leuten, auf Deckung.

�Nun wollen wir mal zeigen, was die siebte Kompagnie kann!� �Jetzt ist mir
alles ejal!� �Rache f�r die siebte Kompagnie!� �Rache f�r Hauptmann von
Brixen!� Wir zogen die Pistolen und �berschritten unseren Draht, durch den
sich schon die ersten Verwundeten zur�ckschleppten.

Ich blickte nach rechts und links. Die V�lkerscheide bot ein seltsames
Bild. In den Trichtern vor dem feindlichen Graben, der in h�chster
Feuersteigerung wieder und wieder umgew�hlt wurde, harrten in un�bersehbar
breiter Front, kompagnieweise zusammengeklumpt, die Angriffsbataillone.
Beim Anblick dieser aufgestauten gewaltigen Massen schien mir der
Durchbruch gewi�. Ob aber auch die Kraft in uns steckte, die feindlichen
Reserven zu zersplittern und vernichtend auseinanderzurei�en? Ich erwartete
es mit Bestimmtheit. Der Endkampf, der letzte Anlauf schien gekommen. Die
Stimmung war sonderbar, geladen von h�chster Spannung. Offiziere standen
aufrecht und riefen sich nerv�se Scherzworte zu. Oft ging eine schwere Mine
zu kurz, warf eine kirchturmhohe Font�ne hoch und �bersch�ttete uns mit
Erde, ohne da� einer auch nur den Kopf beugte. Der Schlachtendonner war so
f�rchterlich geworden, da� keiner mehr bei klarem Verstande war. Die Nerven
konnten keine Angst mehr empfinden.

Drei Minuten vor dem Angriff winkte mir mein Bursche, der treue Vinke, mit
einer gef�llten Feldflasche. Sein einfacher Horizont erkannte das Gebot der
Stunde. Ich tat einen tiefen Zug. Es war, als ob ich Wasser tr�nke. Nun
fehlte noch die Offensiv-Zigarre. Dreimal l�schte der Luftdruck mein
Streichholz aus.

Der gro�e Augenblick war gekommen. Die Feuerwalze rollte �ber die ersten
Gr�ben hinweg. Wir traten an.

In einer Mischung von Gef�hlen, hervorgerufen durch Blutdurst, Wut und
Alkoholgenu� gingen wir im Schritt auf die feindlichen Linien los. Ich war
weit vor der Kompagnie, gefolgt von meinem Burschen und einem Einj�hrigen.
Die rechte Hand umklammerte den Pistolenschaft, die linke einen Reitstock
aus Bambusrohr. Ich kochte vor einem mir jetzt unbegreiflichen Grimm. Der
�berm�chtige Wunsch zu t�ten, befl�gelte meine Schritte. Die Wut entpre�te
mir bittere Tr�nen.

Der ungeheure Vernichtungswille, der �ber der Walstatt lastete,
konzentrierte sich in den Gehirnen. So m�gen die M�nner der Renaissance von
ihren Leidenschaften gepackt sein, so mag ein Cellini gerast haben,
Werw�lfe, die heulend durch die Nacht hetzen, um Blut zu trinken.

Ohne Schwierigkeiten durchschritten wir ein zerfetztes Drahtgewirre und
setzten in einem Sprunge �ber den ersten Graben. Die Sturmwelle tanzte wie
eine Reihe von Gespenstern durch wei�e, wallende D�mpfe.

Wider Erwarten knatterte uns aus der zweiten Linie Maschinengewehrfeuer
entgegen. Ich sprang mit meinen Begleitern in einen Trichter. Eine Sekunde
sp�ter gab es einen furchtbaren Krach und ich sackte vorn �ber. Vinke
packte mich am Kragen und drehte mich auf den R�cken: �Sind Herr Leutnant
verwundet?� Es war nichts zu finden. Der Einj�hrige hatte ein Loch im
Oberarme und versicherte st�hnend, da� ihm eine Kugel in den R�cken
geschlagen w�re. Wir rissen ihm die Uniform vom Leibe und verbanden ihn.
Die aufgew�hlte Erde zeigte, da� ein Schrapnell in H�he unserer Gesichter
auf den Trichterrand geschlagen war. Ein Wunder, da� wir noch lebten.

W�hrenddessen waren die anderen an uns vorbeigeschritten. Wir st�rzten
ihnen nach, den Verwundeten seinem Schicksal �berlassend. Halb links vor
uns tauchte der m�chtige Eisenbahndamm Ecoust-Croisilles, den wir
�berschreiten mu�ten, aus dem Dunst. Aus eingebauten Schie�scharten und
Stollenfenstern prasselte Gewehr- und Maschinengewehrfeuer.

Auch Vinke war abhanden gekommen. Ich folgte einem Hohlweg, aus dessen
B�schung eingedr�ckte Unterst�nde g�hnten. W�tend schritt ich voran, �ber
den schwarzen, aufgerissenen Boden, dem noch die stickigen Gase unserer
Granaten entschwelten.

Da erblickte ich den ersten Feind. Eine Gestalt kauerte etwa drei Meter vor
mir, anscheinend verwundet, in der Mitte der zertrommelten Mulde. Ich sah
sie bei meinem Erscheinen zusammenfahren und mich mit weit ge�ffneten Augen
anstarren, als ich ganz langsam, die Pistole vorstreckend, auf sie
zuschritt. Z�hneknirschend setzte ich die M�ndung an die Schl�fe des vor
Angst Gel�hmten; mit einem Klagelaut griff er in seine Tasche und hielt mir
eine Karte vor Augen. Es war das Bild von ihm, umgeben von einer
zahlreichen Familie . . .

Nach sekundenlangem inneren Kampfe hatte ich mich in der Hand. Ich schritt
vor�ber.

Von oben sprangen Leute meiner Kompagnie in den Hohlweg. Mir war gl�hend
hei�. Ich ri� den Mantel herunter und schleuderte ihn fort. Ich wei� noch,
da� ich einigemale sehr energisch rief: �Jetzt zieht Leutnant J�nger seinen
Mantel aus�, und die F�siliere dazu lachten, als ob ich den k�stlichsten
Witz gemacht h�tte. Oben lief alles �ber Deckung, ohne der h�chstens 400
Meter entfernten Maschinengewehre zu achten. Auch mich zwang der
Vernichtungstrieb in die Feuergarben. Ich rannte den feuerspeienden
Bahndamm frontal an. In irgend einem Trichter sprang ich auf eine
pistolenschie�ende Gestalt in braunem Manchester. Es war Kius, der sich in
�hnlicher Stimmung befand und mir zur Begr��ung eine Hand voll Munition
zusteckte.

Wir m�ssen nun eine ganze Zeit lang kreuz und quer durch die Trichter
gerannt sein und auf verschiedene Ziele geschossen haben. Jedenfalls befand
ich mich auf einmal am Fu�e des Bahndammes und merkte, da� aus einem mit
Sackleinewand verh�llten Stollenfenster dicht neben mir gefeuert wurde. Ich
scho� durch das Tuch; ein Mann neben mir ri� es fort und warf eine
Handgranate in die �ffnung. Ein Sto� und eine entquellende wei�liche Wolke
verrieten die Wirkung. Das Mittel war rauh, doch probat. Wir beiden rannten
an der B�schung entlang und bearbeiteten die n�chsten Luken in �hnlicher
Weise. Ich hob die Hand, um unsere Leute, deren Geschosse uns aus n�chster
Entfernung um die Ohren schellten, zu verst�ndigen. Sie winkten freudig
zur�ck. Danach erklommen wir mit hundert anderen zugleich den Damm. Zum
ersten Male im Kriege sah ich Massen aufeinanderprallen. Die Engl�nder
hielten auf der hinteren B�schung zwei terrassenartig eingehauene Gr�ben
besetzt. Geschosse wurden auf wenige Meter gewechselt, Handgranaten flogen
im Bogen hinunter.

Ich sprang in den ersten Graben; um die n�chste Schulterwehr st�rzend,
stie� ich mit einem englischen Offizier in offener Jacke und herabh�ngender
Halsbinde zusammen. Auf den Gebrauch der Pistole verzichtend, packte ich
ihn an der Gurgel und schleuderte ihn gegen eine Sandsackpackung, vor der
er zusammenbrach. Hinter mir tauchte der Kopf eines alten Majors auf, der
mir zuschrie: �Schlagen Sie den Hund tot!�

Ich �berlie� diese Arbeit den Folgenden, wandte mich dem unteren Graben zu,
der von Engl�ndern wimmelte und scho� meine Pistolenkugeln mit solchem
Eifer darauf ab, da� ich nach dem letzten Schu� wohl noch zehnmal
abdr�ckte. Ein Mann neben mir warf Handgranaten unter die Davonhastenden.
Ein tellerf�rmiger Stahlhelm stieg kreiselnd hoch in die Luft.

In einer Minute war der Kampf entschieden. Die Engl�nder sprangen aus ihren
Gr�ben und flohen zu Bataillonen �ber das freie Feld. Von der Dammkrone
raste tolles Verfolgungsfeuer los. Die Fliehenden �berschlugen sich im
Laufen, und in einigen Sekunden war der Boden mit Leichen bedeckt. Nur
wenige entkamen.

Ich ri� einem Unteroffizier, der dieses Schauspiel mit offenem Munde
beglotzte, das Gewehr aus der Hand. Mein erstes Opfer war ein Engl�nder,
den ich auf 150 Meter zwischen zwei Deutschen herausscho�. Er klappte wie
ein Messer zusammen und blieb liegen.

Nachdem so ganze Arbeit geschafft war, ging es weiter. Der Erfolg hatte
Angriffsgeist und Draufg�ngertum jedes Einzelnen zur Wei�glut entfacht. Von
der F�hrung einheitlicher Verb�nde war keine Rede mehr. Trotzdem kannte
jeder Mann nur noch eine Parole: �Vor!� Jeder rannte geradeaus los.

Als Ziel w�hlte ich mir eine kleine Anh�he, auf der die Tr�mmer eines
H�uschens, ein Grabkreuz und ein zerst�rtes Flugzeug zu sehen waren. Mein
stures Vorst�rmen f�hrte mich mitten in die Flammenwand der eigenen
Feuerwalze. Ich mu�te mich in einen Trichter werfen, um Deckung zu nehmen
und das weitere Vorschreiten des Feuers abzuwarten. Neben mir entdeckte ich
einen jungen Offizier eines anderen Regiments, der sich gleich mir ganz
allein �ber das gute Gelingen des ersten Ansturmes freute. Die gemeinsame
Begeisterung brachte uns in den wenigen Augenblicken so nahe, als ob wir
uns schon jahrelang gekannt h�tten. Der n�chste Sprung trennte uns auf
Nimmerwiedersehen.

Neben der Hausruine lag ein kleines Grabenst�ck, das vom jenseitigen Grunde
mit Maschinengewehren abgek�mmt wurde. Ich sprang in einem Anlauf hinein
und fand es unbesetzt. Gleich darauf erschienen die Leutnants Kius und von
Wedelst�dt. Eine Ordonnanz Wedelst�dts, die als letzter kam, brach mitten
im Sprunge zusammen und blieb, durchs Auge getroffen, tot liegen. Als
Wedelst�dt diesen Letzten seiner Kompagnie st�rzen sah, st�tzte er seinen
Kopf auf die Grabenwand und weinte. Auch er sollte den Tag nicht �berleben.

Im Grunde lag eine stark befestigte Hohlwegstellung, davor an den beiden
R�ndern einer Mulde zwei Maschinengewehrnester. Die Feuerwalze war schon
�ber diese Stellung hinweggerollt, der Gegner schien sich erholt zu haben
und scho�, was aus den L�ufen wollte. Wir waren von ihm durch einen 500
Meter breiten Gel�ndestreifen getrennt, �ber den die Gescho�garben wie
Bienenschw�rme surrten.

Nach kurzer Atempause sprangen wir mit wenigen Leuten aus unserem
Grabenst�ck auf den Feind zu. Es ging um Leben und Tod. Nach ein paar
Spr�ngen lag ich mit einem Begleitmann allein dem linken
Maschinengewehrnest gegen�ber. Deutlich sah ich hinter einem kleinen
Erdaufwurf einen flach behelmten Kopf neben einer emporsteigenden feinen
Wasserdampfs�ule. Ich n�herte mich durch ganz kurze Spr�nge, um keine Zeit
zum Zielen zu geben. Jedesmal, wenn ich lag, schleuderte mir der Mann einen
Rahmen Patronen zu, mit denen ich eine Reihe wohlgezielter Sch�sse abgab.
�Patronen, Patronen!� Ich wandte mich um und sah ihn zuckend auf der Seite
liegen. -- --

Wenn ich heute an diesen blinden Anlauf �ber freies Feld gegen eine
gespickte Stellung zur�ckdenke, mu� ich gestehen, da� wir von einer ganz
unwahrscheinlichen Verwegenheit besessen waren. Und doch, wo w�re der
Erfolg im Kriege, wenn nicht der Rausch zur Tat einzelne packte und
vorw�rtsw�rfe in unwiderstehlichem Schwung? Manchmal schien es mir, als ob
selbst der Tod sich scheute, ihnen in den Weg zu treten. -- -- --

Von links, wo der Widerstand nicht so stark war, erschienen einige Leute,
welche die Verteidiger fast mit Handgranaten erreichen konnten. Ich setzte
zum letzten Sprunge an und stolperte �ber ein Drahtverhau in das
Grabenst�ck. Die Engl�nder rannten, von allen Seiten beschossen, zum
rechten Maschinengewehrnest hin�ber, ihre Waffe zur�cklassend. Das
Maschinengewehr war halb unter einem riesigen Haufen abgeschossener H�lsen
verborgen. Es war noch gl�hendhei� und dampfte. Davor lag ein athletischer
Leichnam, dem ein Kopfschu�, der auf meine Rechnung kam, ein Auge
herausgetrieben hatte. Der Riesenkerl mit dem gro�en wei�en Augapfel vorm
Sch�del sah schaurig aus. Da ich vor Durst fast verschmachtete, hielt ich
mich nicht weiter auf, sondern suchte nach Wasser. Ein Stolleneingang zog
mich an. Ich blickte hinein und sah unten einen Mann sitzen, der
Munitionsgurte �ber seine Knie zog und ordnete. Anstatt ihn sofort zu
erledigen, wie es die Vorsicht gebot, rief ich ihm zuvor zu: �Come here,
hands up!� Er sprang hoch, starrte mich entgeistert an und verschwand im
Dunkel des Stollens. Wahrscheinlich ist er der Handgranate zum Opfer
gefallen, die ich ihm nachschleuderte.

Endlich entdeckte ich einen Blechkasten voll K�hlwasser. Ich st�rzte die
�lige Fl�ssigkeit in langen Z�gen hinunter, f�llte mir eine englische
Feldflasche und gab auch den anderen Leuten zu trinken, die pl�tzlich das
Grabenst�ck f�llten.

W�hrenddessen leistete das rechte Maschinengewehrnest und der 60 Meter vor
uns liegende Hohlweg noch immer erbitterten Widerstand. Wir versuchten, das
englische Maschinenegewehr darauf einzurichten, hatten aber keinen Erfolg
damit, vielmehr sauste mir bei diesem Bem�hen ein Gescho� am Kopfe vorbei,
streifte einen hinter mir stehenden J�gerleutnant und verwundete einen Mann
sehr bedenklich am Oberschenkel. Mit mehr Gl�ck brachte die Bedienung eines
leichten Maschinengewehrs ihre Waffe am Rande unseres kleinen
Grabenhalbmondes in Stellung und jagte den Engl�ndern eine Reihe von
Geschossen in die Flanke.

Diesen Moment der �berraschung benutzten die St�rmer rechts und liefen
frontal auf den Hohlweg los, voran unsere noch ganz intakte neunte
Kompagnie unter F�hrung den Leutnants Gipkens. Aus allen Trichtern erhoben
sich nun gewehrschwingende Gestalten und rannten mit rollenden Augen und
sch�umendem Munde unter furchtbarem Hurragebr�ll gegen die feindliche
Stellung an, aus der die Verteidiger zu Hunderten mit hochgehobenen H�nden
hervorkamen.

Pardon wurde nicht gegeben. Die Engl�nder eilten mit hochgereckten Armen
durch die erste Sturmwelle nach hinten, wo die Kampfeswut noch nicht zu
solcher Siedehitze gestiegen war. Eine Ordonnanz von Gipkens legte mit
seiner 32sch�ssigen Repetierpistole wohl ein Dutzend von ihnen um.

Ich kann unseren Leuten dies blutd�rstige Gebaren nicht ver�beln. Einen
Wehrlosen umzubringen, ist eine Gemeinheit. Mir war im Kriege niemand
widerlicher, als die Stammtischhelden, die mit fettigem Lachen die bekannte
Geschichte von den Bayern und dem Gefangenentransport erz�hlten: �Haben Sie
schon geh�rt, die Sache von dem Schlaganfall? K�stlich!�

Andererseits mu� ein Verteidiger, der dem Angreifer bis auf f�nf Schritt
seine Geschosse durch den Leib jagt, die Konsequenzen tragen. Der K�mpfer,
dem w�hrend des Anlaufs ein blutiger Schleier vor den Augen wallte, kann
seine Gef�hle nicht mehr umstellen. Er will nicht gefangennehmen; er will
t�ten. Er hat jedes Ziel aus den Augen verloren und steht im Banne
gewaltiger Urtriebe. Erst, wenn Blut geflossen ist, weichen die Nebel aus
seinem Hirn; er sieht sich um wie aus schwerem Traum erwachend. Erst dann
ist er wieder moderner Soldat, imstande, eine neue taktische Aufgabe zu
l�sen.

In diesem Zustande befanden wir uns nach der Eroberung der Hohlweges. Eine
Menge Leute waren zusammengekommen und standen, durcheinanderschreiend, auf
einem Klumpen. Offiziere zeigten ihnen die Verl�ngerung der Mulde, und der
gewaltige Kampfhaufen setzte sich mit erstaunlicher Gleichg�ltigkeit,
schwerf�llig in Bewegung.

Die Mulde lief in eine H�he aus, auf der feindliche Kolonnen auftauchten.
Wir gingen, ab und zu stehenbleibend und schie�end, vor, bis wir durch
heftiges Feuer aufgehalten wurden. Es war ein �u�erst peinliches Gef�hl,
die Kugeln neben dem Kopf in den Boden knallen zu h�ren. Kius, der wieder
herangekommen war, hob ein abgeplattetes Gescho� auf, das einen halben
Meter vor seiner Nase liegen geblieben war. Wir benutzten eine kleine
Pause, um einen der hier bereits selten gewordenen Trichter zu erreichen.
Dort fanden sich eine Menge von Offizieren unseres Bataillons zusammen, das
jetzt von dem Leutnant Lindenberg gef�hrt wurde, da leider auch der
Freiherr von Solemacher eine t�dliche Verwundung erhalten hatte. Am rechten
Hange der Schlucht spazierte zur allgemeinen Heiterkeit der von den 10.
J�gern zu uns kommandierte Leutnant Breyer, den Spazierstock in der Hand
und eine lange gr�ne J�gerpfeife im Munde, mit umgeh�ngter Flinte durch das
Maschinengewehrfeuer, als ob es zur Hasenjagd ginge.

Wir erz�hlten uns in kurzen Worten unsere bisherigen Abenteuer und boten
uns Feldflasche und Schokolade an, dann ging es �auf allgemeinen Wunsch�
wieder vor. Die Maschinengewehre, anscheinend in der Flanke bedroht, waren
verschwunden. Wir mochten bislang drei bis vier Kilometer gewonnen haben.
Die Mulde wimmelte von Angriffstruppen. Soweit das Auge nach hinten blicken
konnte, r�ckten Truppen in Sch�tzenlinie, Reihe und Gruppenkolonne heran.
Wir waren leider viel zu dicht, wieviele wir liegen lie�en, wurde uns zum
Gl�ck im Sturm nicht klar.

Ohne Widerstand zu finden, erreichten wir die H�he. Rechts von uns sprangen
einige khakifarbige Gestalten aus einem Grabenst�ck, hinter denen wir
stehend freih�ndig herknallten. Die meisten wurden umgelegt. Die H�he war
durch eine Reihe von Unterst�nden befestigt. Teils zeigten aufquellende
Dampfwolken, da� mit Handgranaten kurzer Proze� gemacht wurde, teils kamen
die Insassen mit hochgehobenen Armen und schlotternden Knien heraus. Es
wurden ihnen Feldflasche und Zigaretten abgenommen und die Richtung nach
hinten gezeigt, in der sie mit gro�er Geschwindigkeit enteilten. Ein junger
Engl�nder hatte sich mir bereits ergeben, als er sich pl�tzlich umdrehte
und wieder in seinem Unterstand verschwand. Da er trotz meiner
Aufforderung, herauszukommen, sich unten versteckt hielt, machten wir
seinem Z�gern mit einigen Handgranaten ein Ende und gingen weiter. Ein
schmaler Fu�pfad verschwand jenseits der H�he. Ein Wegweiser besagte, da�
er nach Vraucourt f�hrte. W�hrend sich die anderen noch bei den
Unterst�nden aufhielten, �berschritt ich mit dem Leutnant Heins die H�he.

Jenseits dem Grunde lagen die Ruinen des Dorfes Vraucourt. Davor blitzten
die Absch�sse einer feuernden Batterie auf, deren Bedienung bei dem
Erscheinen der ersten Sturmwelle ins Dorf fl�chtete. Auch die Besatzung
einer Reihe in einen Hohlweg eingebauter Unterst�nde st�rzte heraus und
entfloh. Ich scho� einen davon in dem Augenblick, als er aus dem Eingange
des ersten sprang, nieder.

Mit zwei Leuten meiner Kompagnie, die sich inzwischen bei mir gemeldet
hatten, ging ich in dem Hohlweg vor. Rechts davon lag eine besetzte
Stellung, aus der wir starkes Feuer erhielten. Wir zogen uns in den ersten
Unterstand zur�ck, �ber dem sich bald die Geschosse beider Parteien
kreuzten. Davor lag mein Engl�nder, ein blutjunges Kerlchen, den mein Schu�
quer durch den Sch�del getroffen hatte. Ein merkw�rdiges Gef�hl, einem
Menschen ins Auge zu sehen, den man selbst get�tet.

Wir lie�en uns durch das zunehmende Feuer nicht st�ren, sondern richteten
uns in dem Unterstande ein und r�umten unter den zur�ckgelassenen
Lebensmitteln auf, da unser Magen uns daran erinnerte, da� wir w�hrend des
ganzen Angriffs noch nichts genossen hatten. Wir fanden Schinken, Wei�brot,
Marmelade und einen Steinkrug voll Ingwer-Lik�r. Nachdem ich mich gest�rkt
hatte, setzte ich mich auf eine leere Biskuitdose und las einige englische
Zeitschriften, die von recht geschmacklosen Ausf�llen gegen �the Huns�
wimmelten. Allm�hlich wurde uns die Lage doch zu langweilig, und wir
kehrten in Spr�ngen zum Anfange des Hohlweges zur�ck, wo sich eine Menge
von Leuten angesammelt hatte. . . Von dort sahen wir schon ein Bataillon
164er links neben Vraucourt. Wir beschlossen, das Dorf zu st�rmen, und
eilten wieder durch den Hohlweg vor. Kurz vor dem Dorfrande setzte uns die
eigene Artillerie, die stumpfsinnig bis zum Morgen auf denselben Fleck
weiterscho�, ein Ziel. Eine schwere Granate schlug mitten auf dem Wege ein
und zerri� vier Leute. Die anderen liefen zur�ck.

Wie ich sp�ter erfuhr, hatte die Artillerie Befehl, mit h�chster Entfernung
weiterzuschie�en. Diese unverst�ndliche Anordnung ri� uns die sch�nsten
Fr�chte des Sieges aus der Hand. Z�hneknirschend mu�ten wir vor der
Feuerwand Halt machen.

Um eine L�cke des Feuers zu suchen, wandten wir uns weiter nach rechts, wo
gerade ein Kompagnief�hrer des Infanterie-Rgts. 76 zum Sturm auf die
Vraucourt-Stellung ansetzte. Wir beteiligten uns mit Hurra, aber kaum waren
wir eingedrungen, als uns die eigene Artillerie wieder herausscho�. Dreimal
st�rmten wir und dreimal mu�ten wir wieder zur�ck. Fluchend besetzten wir
einige Trichter, in denen uns ein durch die Granaten verursachter
Wiesenbrand, bei dem viele Verwundete umkamen, au�erordentlich l�stig
wurde. Auch t�teten englische Gewehrgeschosse einige Leute.

Langsam brach die D�mmerung herein. Stellenweise lohte das Gewehrfeuer noch
einmal gewaltig auf, um allm�hlich zu erl�schen. Die ersch�pften K�mpfer
suchten sich einen Ort, wo sie die Nacht verbringen konnten. Offiziere
schrieen ununterbrochen ihren Namen, um die zersplitterten Kompagnien zu
sammeln.

Zw�lf Mann der siebenten Kompagnie hatten sich w�hrend der letzten Stunde
um mich geschart; da es kalt zu werden begann, f�hrte ich sie zu dem
kleinen Unterstande, vor dem mein Engl�nder lag und schickte sie aus, um
Decken und M�ntel von Gefallenen zu suchen. Als ich alle untergebracht
hatte, gab ich meiner Neugier nach, die mich in die vor uns liegende
Artilleriemulde trieb. Ich nahm den F�silier Haller mit, dem ich den
gr��ten Sportsgeist zutraute. Wir schritten mit schu�bereitem Gewehr gegen
die Mulde vor, auf der noch immer unser Artilleriefeuer wuchtete und
untersuchten zun�chst einen Unterstand, der anscheinend vor kurzem von
englischen Artillerieoffizieren verlassen war. Auf einem Tische stand ein
riesiges Grammophon, das Haller sofort in Bewegung setzte. Das lustige
Couplet, das von der Walze schnurrte, machte einen geisterhaften Eindruck.
Ich warf den Kasten auf den Boden, wo er wie ein Erschlagener noch ein paar
schnarrende T�ne von sich gab und verstummte. Der Unterstand war �u�erst
behaglich eingerichtet; sogar ein kleiner Kamin, auf dessen Sims Pfeifen
und Tabak lagen, mit im Kreise herumgestellten Sesseln fehlte nicht. Merry
old England! Wir legten uns nat�rlich keinen Zwang auf, sondern nahmen, was
uns gefiel. Ich suchte mir einen Brotbeutel, W�sche, eine kleine
Metallflasche voll Whisky, eine Kartentasche und einige wundernette
Toiletteartikel von Roger und Gallet aus, vermutlich z�rtliche Erinnerungen
an einen Pariser Fronturlaub.

Ein nebenan liegender Raum enthielt eine K�che, deren Vorr�te wir
ehrfurchtsvoll bestaunten. Da war eine ganze Kiste voll roher Eier, von
denen wir uns gleich eine erhebliche Zahl einverleibten, da wir sie kaum
noch dem Namen nach kannten. Auf den Wandborden stapelten B�chsen voll
Fleisch, Dosen k�stlicher eingedickter Marmelade, ferner Flaschen voll
Kaffee-Essenz, Tomaten und Zwiebeln; kurz alles, was der Gourmet sich
w�nschen konnte.

Dieser Anblick trat mir sp�ter noch oft vors Ged�chtnis, wenn wir
wochenlang bei schmaler Brotportion, w�ssrigen Suppen und d�nner Marmelade
im Sch�tzengraben lagen. Der deutsche Feldsoldat eilte in verschlissenem
Rock, schlechter verpflegt als ein chinesischer Kuli, vier Jahre lang von
Schlachtfeld zu Schlachtfeld, um die an Zahl vielfach �berlegenen,
wohlausger�steten und -gen�hrten Gegner immer wieder seine Eisenfaust
sp�ren zu lassen. Es gibt kein gr��eres Zeichen f�r die Macht der Idee, die
uns trieb. Dem Tode entgegenschreiten, sterben in Augenblicken der
Begeisterung, ist viel; f�r seine Sache hungern und darben, ist mehr. -- --
--

Nach diesem kleinen Einblick in die wirtschaftlichen Verh�ltnisse des
Gegners verlie�en wir den Unterstand und schritten in die Mulde, in der wir
zwei funkelneue verlassene Gesch�tze vorfanden. Ich nahm einen Kreidestein
und zeichnete sie mit der Nummer meiner Kompagnie. Dann kehrten wir, da die
eigene Artillerie uns noch fortw�hrend Eisen um die Ohren schmi�, zu den
anderen zur�ck.

Unsere vordere Linie, inzwischen von nachr�ckenden Truppen gebildet, war
200 Meter hinter uns. Ich stellte einen Doppelposten vor den Unterstand und
befahl den anderen, das Gewehr im Arm zu behalten. Nachdem ich die Abl�sung
geregelt, noch etwas gegessen und die Tageserlebnisse in kurzen Stichworten
notiert hatte, schlief ich ein.

Um 1 Uhr wurden wir durch Hurrageschrei und lebhaftes Feuer rechts von uns
geweckt. Wir packten die Gewehre, st�rzten aus dem Raum und postierten uns
in einem gro�en Granattrichter. Von vorn kamen einige versprengte Deutsche
zur�ck, auf die von unserer Linie geschossen wurde. Zwei von ihnen blieben
auf dem Wege liegen. Durch diesen Zwischenfall gewitzigt, warteten wir, bis
sich hinter uns die erste Aufregung gelegt hatte, machten uns durch Zurufe
verst�ndlich und gingen in die eigene Linie zur�ck. Dort sa� der F�hrer der
zweiten Kompagnie, Leutnant Kosik, der vor Erk�ltung kein Wort sprechen
konnte und am Arm verwundet war, mit ungef�hr sechzig 73ern. Da er sich zum
Sanit�tsplatze zur�ckbegeben mu�te, �bernahm ich das Kommando �ber seine
Schar, bei der sich drei Offiziere befanden. Au�erdem bestanden vom
Regiment noch die beiden ebenso zusammengew�rfelten Kompagnien Gipkens und
Vorbeck.

Bataillonsf�hrer war Hauptmann Freiherr von Ledebour, Regimentskommandeur
Major Dietlein, da Major v. Bardeleben bereits am Morgen durch Verwundung
ausgeschieden war.

Den Rest der Nacht verbrachte ich mit einigen Unteroffizieren der zweiten
Kompagnie zusammen in einem kleinen Erdloch, in dem wir vor K�lte
erstarrten. Am Morgen fr�hst�ckte ich von den erbeuteten Best�nden und
schickte Leute nach Qu�ant, um von der K�che Kaffee und Essen zu holen. Die
eigene Artillerie begann wieder mit ihrer verfluchten Schie�erei und setzte
uns als ersten Morgengru� einen Volltreffer in einen Trichter, der vier
Leute der MG.-Kompagnie beherbergte. In der ersten D�mmerung stie� noch ein
Zugf�hrer meiner Kompagnie, der Vizefeldwebel Kumpart, mit einigen Leuten
zu mir.

Kaum hatte ich mir die Nachtk�lte etwas aus den Gliedern gestampft, als ich
Befehl bekam, weiter rechts mit den Resten des Regiments 76 zusammen die
Vraucourt-Stellung zu st�rmen, die bei uns schon teilweise genommen war.
Wir zogen im dichten Morgennebel zum Bereitstellungsraum, einer H�he
s�dlich von Ecoust, auf der viele Tote des vorigen Tages lagen. Es gab wie
meist vor unklar gefa�ten Angriffsbefehlen ein gewaltiges Palaver der
Sturmf�hrer, das erst durch die Garbe eines feindlichen Maschinengewehres
beendet wurde. Alles sprang in die n�chsten Trichter bis auf den Feldwebel
Kumpart, der jammernd liegen blieb. Ich eilte mit einem Sanit�ter zu ihm
und verband ihn. Er hatte einen schweren Knieschu� erhalten. Wir entfernten
mit einer Zange mehrere Knochenbrocken aus der Wunde. Er ist einige Tage
sp�ter gestorben. Mir ging der Fall besonders nahe, weil Kumpart vor drei
Jahren in Recouvrence mein Exerziermeister gewesen war.

In einer Besprechung mit dem Hauptmann von Ledebour legte ich das Sinnlose
eines Frontalsturmes dar, da die zum Teil schon in unserem Besitz
befindliche Vraucourt-Stellung mit viel geringeren Verlusten von links her
aufgerollt werden konnte. Wir beschlossen, den Angriff nicht auszuf�hren,
und die Folge zeigte, da� wir recht gehandelt hatten.

Bei solchen Gelegenheiten r�chte sich die Einrichtung der weit
zur�ckliegenden Befehlsstellen der h�heren F�hrung, deren Notwendigkeit mir
nat�rlich klar ist. Jedoch verrieten derartige Befehle deutlich einen
Mangel an Fronterfahrung. Die Zeiten des unvorbereiteten Frontalangriffes
sind f�r immer vor�ber. Der einfache Mann, dem die feindlichen Gewehre das
Gesetz des Handelns vorschrieben, konnte auf solche Irrt�mer nicht
verfallen. Er kam nur da vor, wo der Gegner schwach war. Die starken
Stellungsteile fielen dann von selbst . . . . . .

Vorl�ufig richteten wir uns in den Trichtern auf der H�he ein. Allm�hlich
brach die Sonne durch, und es erschienen englische Flugzeuge, die mit
Maschinengewehren unsere L�cher abstreuten, indes bald von den unsrigen
vertrieben wurden. Im Grunde von Ecoust fuhr eine Batterie auf, ein
ungew�hnliches Bild f�r alte Grabenkrieger; sie wurde auch bald
zusammengeschossen. Ein einzelnes Pferd ri� sich los und galoppierte durch
das Gel�nde; ein gespenstischer Anblick, dieses rasend gewordene Tier auf
weiter, einsamer Fl�che, vom wechselnden Gew�lk der Geschosse behangen. Die
feindlichen Flieger waren noch nicht lange verschwunden, als wir das erste
Feuer bekamen. Zuerst platzten einige Schrapnells, dann zahlreiche leichte
und schwere Granaten. Wir lagen wie auf dem Pr�sentierteller. Mehrere
�ngstliche Gem�ter vermehrten das Feuer noch, indem sie kopflos hin und her
liefen, anstatt in ihre Trichter geduckt, den Segen �ber sich ergehen zu
lassen. In solchen Lagen mu� man Fatalist sein. Diesen Grundsatz beherzigte
ich, indem ich den geradezu gro�artigen Inhalt einer erbeuteten B�chse voll
Stachelbeer-Marmelade verspeiste. So wurde es langsam Mittag.

Schon seit l�ngerer Zeit war links in der Vraucourtstellung Bewegung zu
beobachten. Jetzt sahen wir gerade vor uns die bogenf�rmige Flugbahn und
den wei�en Einschlag deutscher Stielhandgranaten. Das war der gegebene
Augenblick.

Ich lie� antreten. Ohne st�rkeres Feuer zu bekommen, gelangten wir an den
feindlichen Graben und sprangen hinein, freudig begr��t von einem
Sturmtrupp des Regiments 76. Im aufrollenden Handgranatenangriff ging es,
�hnlich wie bei Cambrai, langsam vor. Der feindlichen Artillerie blieb es
leider nicht verborgen, da� wir uns langsam in ihren Linien vorfra�en. Ein
scharfer Feuer�berfall von Schrapnells und leichten Granaten fa�te uns
vorne noch gerade, in der Hauptsache jedoch die Reserven, die hinter uns
�ber freies Feld dem Graben zustr�mten. Wir bem�hten uns, m�glichst schnell
mit dem Gegner fertig zu werden, um das Feuer zu unterlaufen.

Die Vraucourt-Stellung schien noch im Bau gewesen zu sein, denn manche
Grabenst�cke waren nur durch Abheben der Rasenschicht angedeutet. Wenn wir
ein solches St�ck �bersprangen, konzentrierte sich das ganze Feuer des
Umkreises auf uns. Ebenso nahmen wir den �ber diese Stellen vor uns her
hastenden Gegner unter Feuer, so da� die kurzen tracierten St�cke bald mit
Leichen beh�uft waren. Es war eine nervenpeitschende Hetzjagd. Wir eilten
an noch warmen, st�mmigen Gestalten vor�ber, unter deren kurzen R�ckchen
kr�ftige Knie gl�nzten, oder krochen �ber sie hinweg. Es waren Hochl�nder,
und die Art des Widerstandes zeigte, da� wir keine Feiglinge vor uns
hatten.

Nachdem wir so einige hundert Meter gewonnen hatten, geboten uns immer
dichter fallende Hand- und Gewehrgranaten Halt. Die Leute begannen zu
weichen.

�Der Tommy macht einen Gegensto�!�

�Bliew stahn!� �Ich will blo� Verbindung aufnehmen!�

�Handgranaten nach vorn; Handgranaten, Handgranaten!�

�Achtung, Herr Leutnant!�

Gerade im Grabenkampf, wo am brutalsten gefochten wird, sind solche
R�ckschl�ge am h�ufigsten. Die Mutigsten st�rzen, schie�end und werfend, an
der Spitze vor. Die Masse folgt als willenlose Herde auf den Fersen. Beim
Aufeinanderprall springen die K�mpfer hin und her, um den vernichtenden
W�rfen auszuweichen und sto�en dabei auf die Nachdr�ngenden. Nur die
vordersten �bersehen die Lage; weiter hinten bricht unter der im engen
Graben zusammengekeilten Menge wilde Panik aus. Erkennt der Gegner den
Augenblick, ist alles verloren; jetzt mu� der F�hrer zeigen, ob er die
Achselst�cke zu Recht tr�gt, obgleich ihn selbst das bekannte �mulmige�
Gef�hl beschleicht.

Es gelang mir, eine Handvoll Leute zusammenzuraffen, mit denen ich hinter
einer breiten Schulterwehr ein Widerstandsnest bildete. Auf wenige Meter
tauschten wir mit einem unsichtbaren Gegner Geschosse. Es geh�rte Mut dazu,
bei den knallenden Aufschl�gen den Kopf hochzuhalten, w�hrend der Sand der
Schulterwehr aufgepeitscht wurde. Ein 76er neben mir scho� mit wildem
Gesichtsausdruck, ohne an Deckung zu denken, eine Patrone nach der anderen
ab, bis er blut�berstr�mt zusammenbrach. Ein Gescho� hatte ihm mit dem
Knall eines aufschlagenden Brettes die Stirn durchbohrt. Er knickte in
seiner Grabenecke zusammen und blieb, den Kopf gegen die Wand gelehnt, in
kauernder Stellung stehen. Sein Blut flo�, wie aus einem Eimer gegossen,
auf die Grabensohle. Sein schnarchendes R�cheln ert�nte in immer l�ngeren
Abst�nden und h�rte endlich ganz auf. Ich ergriff sein Gewehr und feuerte
weiter. Endlich trat eine kleine Pause ein. Zwei Mann, die noch vor uns
gelegen hatten, machten den Versuch, �ber Deckung zur�ckzuspringen. Einer
fiel mit einem Kopfschu� in den Graben, der andere konnte ihn eines
Bauchschusses wegen nur mehr kriechend erreichen.

Wir setzten uns abwartend auf die Grabensohle und rauchten englische
Zigaretten. Ab und zu pfeilten sich gut gezielte Gewehrgranaten her�ber.
Der Verwundete mit dem Bauchschu�, ein blutjunger Mensch, lag zwischen uns
und dehnte sich fast wohlig wie eine Katze in den warmen Strahlen der
untergehenden Sonne. Er schlief mit einem kindlichen L�cheln in den Tod
hin�ber. Es war ein Anblick, bei dem nichts Tr�bes und Unangenehmes,
sondern nur ein klares Gef�hl der Zuneigung zu dem Sterbenden mich
ber�hrte. Auch das St�hnen seines Kameraden verstummte allm�hlich.

Mehrere Male versuchten wir, tief geduckt an den tracierten Stellen �ber
die Leichen der Hochl�nder vorkriechend, uns weiter vorzuarbeiten, wurden
aber immer wieder durch Maschinengewehrfeuer und Gewehrgranaten
zur�ckgetrieben. Jeder Treffer, den ich sah, war t�dlich. So f�llte sich
der vordere Teil des Grabens allm�hlich mit Leichen; daf�r bekamen wir von
hinten dauernd Verst�rkung. Bald stand hinter jeder Schulterwehr ein
leichtes oder schweres Maschinengewehr. Ich stellte mich hinter eine dieser
Kugelspritzen und scho�, bis der Zeigefinger von Rauch geschw�rzt war. Wenn
das K�hlwasser verdunstet war, wurden die K�sten herumgereicht und unter
wenig feinen Scherzen durch ein sehr einfaches Verfahren wieder gef�llt.

Die Sonne stand tief am Horizonte. Der zweite Kampftag schien vor�ber. Ich
sah mir zum erstenmale genau die Umgebung an und schickte Meldung und
Skizze nach hinten. Unser Graben schnitt in 500 Meter Entfernung die Stra�e
Vraucourt--Mory, die durch an den B�umen befestigte Stoffblenden
verschleiert war. Auf einem Hange dahinter eilten feindliche Trupps �ber
das gescho�bestreute Gel�nde. Den blauen, unbew�lkten Abendhimmel
durchschnitt ein schwarz-wei�-rot bewimpeltes Geschwader. Die scheidenden
Strahlen der Sonne tauchten es gleich einer Kette von Flamingos in zartes
Rosenrot. Wir entfalteten unsere Stellungskarten und legten die wei�e
R�ckseite aus, um zu zeigen, wie weit wir uns in den Feind hineingebohrt
hatten.

Ein k�hler Abendwind k�ndete eine scharfe Nacht an. Ich lehnte, in einen
englischen Mantel geh�llt, an der Grabenwand und unterhielt mich mit dem
kleinen Schultz, dem Gef�hrten meiner Inderpatrouille, der mit vier
schweren MG. nach altem kameradschaftlichen Brauche dort erschienen war, wo
die Sache am brenzlichsten stand. Auf den Postenst�nden sa�en Leute aller
Kompagnien mit jungen, scharfgeschnittenen Gesichtern unterm Stahlhelm.
Ihre F�hrer waren gefallen; sie standen aus eigenem Antrieb am rechten
Orte.

Da ert�nte von rechts erneut Handgranatenkrachen und links stiegen deutsche
Leuchtzeichen hoch. Von irgendwo flatterte mit dem Winde ein d�nnes,
vielstimmiges Hurra her�ber. Das z�ndete. �Sie sind umgangen, sie sind
umgangen!� In einem jener Augenblicke der Begeisterung, die gro�en Taten
vorangehen, griff alles zu den Gewehren und st�rmte in dem Graben vor. Nach
kurzem Handgranatengefecht eilte ein Trupp Hochl�nder der Stra�e zu. Nun
gab es kein Halten mehr. Trotz warnender Zurufe: �Vorsicht, das
Maschinengewehr links schie�t noch!� sprangen wir aus dem Graben und hatten
im Nu die Stra�e erreicht, die von verst�rten Hochl�ndern wimmelte. Ein
langes dichtes Drahtverhau verhinderte ihr Entweichen nach hinten, so da�
sie unter tosendem Hurragebr�ll und rasendem Schnellfeuer in einer
Entfernung von 50 Metern wie eingelapptes Hochwild an uns vor�berlaufen
mu�ten. Rasch aufgebaute Maschinengewehre machten das Gemetzel vernichtend.

Fluchend mit einer Ladehemmung besch�ftigt, die mich am Schie�en hinderte,
wandte ich mich infolge eines Schlages auf die Schulter um, und blickte in
das wutverzerrte Gesicht des kleinen Schultz: �Da schie�en sie noch, die
verfluchten Schweine!� Ich folgte seiner Handbewegung und sah in einem
kleinen Grabengewirre, von uns durch die Stra�e getrennt, eine Reihe von
Gestalten, teils ladend, teils das Gewehr an der Backe. Schon flogen von
rechts die ersten Handgranaten, den Oberk�rper eines von ihnen hoch in die
Luft schleudernd.

Die Vernunft gebot, an meinem Platze zu bleiben und die Gegner in aller
Ruhe mit einigen Sch�ssen zu erledigen. Statt dessen warf ich mein Gewehr
fort und st�rzte mit geballten F�usten zwischen beide Parteien auf die
Stra�e. Zum Ungl�ck trug ich noch immer den englischen Mantel und meine rot
berandete Feldm�tze. Mitten im Hochgef�hl des Sieges versp�rte ich einen
scharfen Schlag an der linken Brustseite; es wurde Nacht um mich. Vorbei!
Ich glaubte bestimmt, ins Herz getroffen zu sein, doch empfand ich bei der
Erwartung meines sofortigen Todes weder Schmerz noch Angst. Da ich indes zu
meinem Erstaunen nicht zusammenbrach und auch kein Loch in der Bluse
entdeckte, wandte ich mich wieder dem Feinde zu. Ein Mann meiner Kompagnie
st�rzte heran: �Herr Leutnant, den Mantel 'runter!� und ri� mir das
gef�hrliche Kleidungsst�ck von der Schulter.

Ein neues Hurra zerri� die Luft. Von rechts, wo auch schon den ganzen
Nachmittag mit Handgranaten gearbeitet worden war, sprang eine Anzahl
Deutscher �ber die Chaussee zur Hilfe herbei, voran ein junger Offizier in
braunem Manchester. Es war Kius. Die Schotten wurden in wenigen
Augenblicken der Wut durch Gewehr und Handgranaten vernichtet. Die Stra�e
war mit Leichen bedeckt, w�hrend die wenigen �berlebenden mit Feuer
verfolgt wurden.

Als ich, mich mit Kius unterhaltend, in dem eroberten Grabenst�ck stand,
versp�rte ich ein feuchtes Gef�hl auf der Brust. Die Bluse herunterrei�end,
sah ich, da� ich einen Schu� quer �ber dem Herzen bekommen hatte. Das
Gescho� war gerade unter dem E. K. I durchgeflogen, zwei L�cher in der
Bluse und zwei im K�rper hinterlassend. Ohne Zweifel hatte mich einer der
Unseren (ich hatte den, der mir den Mantel abri�, in starkem Verdacht) f�r
einen Engl�nder gehalten und auf eine Entfernung von wenigen Schritten
angeschossen.

Kius legte mir einen Verband um und konnte mich nur mit M�he bewegen, in
diesem interessanten Augenblick das Schlachtfeld zu verlassen. Wir trennten
uns mit einem: �Auf Wiedersehen in Hannover!�

Ich w�hlte mir einen Begleiter, suchte auf der scharf beschossenen Chaussee
meine Kartentasche, in der mein Tagebuch steckte und ging durch den Graben,
in dem wir uns vorgek�mpft hatten, zur�ck.

Unser Angriffsgeschrei war so gewaltig gewesen, da� die feindliche
Artillerie schlagartig eingesetzt hatte. Auf dem Gel�nde hinter der Stra�e
und vor allem auf dem Graben selbst lag ein Sperrfeuer von seltener Dichte.
Ein heiles Durchkommen war wenig wahrscheinlich. Wir bewegten uns
sprungweise von Schulterwehr zu Schultermehr zur�ck.

Pl�tzlich gab es neben mir am Grabenrande einen schmettern den Krach. Ich
bekam einen Schlag auf den Hintersch�del und fiel bet�ubt vorn�ber. Als ich
erwachte, hing ich mit dem Kopfe nach unten �ber dem Schlitten eines
schweren Maschinengewehrs und starrte auf die Grabensohle in eine sich
be�ngstigend schnell vergr��ernde rote Lache. Das Blut sprudelte so
unaufhaltsam hervor, da� ich ein Davonkommen f�r ausgeschlossen hielt. Da
mein Begleiter indes behauptete, noch kein Hirn zu sehen, raffte ich mich
hoch und lief weiter. Hier hatte ich die Quittung f�r meinen Leichtsinn,
ohne Stahlhelm ins Gefecht zu gehen.

Trotz des doppelten Blutverlustes war ich gewaltig aufgeregt und beschwor
jeden, der mir im Graben begegnete, wie von einer fixen Idee besessen, nach
vorne zu eilen und sich am Kampfe zu beteiligen. Bald waren wir der Zone
der leichten Feldgesch�tze entronnen und verlangsamten unser Tempo.

Im Hohlwege von Noreuil kam ich am Brigade-Gefechtsstand vorbei, lie� mich
beim Generalmajor H�bel melden, dem ich �ber unseren Erfolg Bericht
erstattete, und bat, den St�rmern mit Reserven zu Hilfe zu kommen. Der
General erz�hlte mir, da� ich bei den Gefechtsst�nden schon seit gestern
tot gesagt w�re. Es war nicht das erste Mal im Kriege.

In Noreuil stand dicht am Wege ein hoher Stapel von Handgranatenkisten in
hellen Flammen. Wir eilten mit sehr gemischten Gef�hlen daran vor�ber.
Hinter dem Dorfe nahm mich ein Fahrer mit auf seinen leeren Munitionswagen.
Ich geriet scharf mit dem f�hrenden Trainoffizier zusammen, der zwei
verwundete Engl�nder, die mich w�hrend des letzten Teiles meines Weges
gest�tzt hatten, vom Wagen werfen lassen wollte.

Auf der Stra�e Noreuil--Qu�ant herrschte ein unglaublicher Verkehr. Wer es
nicht gesehen hat, kann sich kein Bild von den endlosen Kolonnen machen,
die zu einer gro�en Offensive geh�ren. Hinter Qu�ant steigerte sich das
Gew�hl ins Fabelhafte. Ich wandte mich an einen der durch wei�e Binden
kenntlichen Verkehrsoffiziere, der mir einen Platz in einem Personenauto
zum Feldlazarett Sauchy-Cauchy anwies. Wir mu�ten oft halbe Stunden warten,
wenn ineinandergeschachtelte Wagen und Automobile den Weg sperrten. Die
�rzte im Operationsraum des Feldlazaretts waren fieberhaft besch�ftigt;
trotzdem wunderte sich der Chirurg �ber die gl�ckliche Art meiner
Verletzungen. Auch die Kopfwunde hatte Ein- und Ausschu�, ohne da� die
Sch�deldecke besch�digt war.

Nachdem ich w�hrend der Nacht vorz�glich geschlafen hatte, wurde ich am
n�chsten Morgen zur Kranken-Sammelstelle Cantin transportiert, wo ich zu
meiner Freude den Leutnant Sprenger antraf, den ich seit Beginn des Sturmes
nicht mehr gesehen hatte. Er war durch Infanteriegescho� am Oberschenkel
verwundet.

Nach einem kurzen Aufenthalt im bayrischen Feldlazarett 14 (Montigny)
wurden wir in Douai in einen Lazarettzug geladen und fuhren bis Berlin.
Dort heilte diese sechste Doppelverwundung bei vierzehnt�giger Pflege
ebenso gut wie alle vorhergehenden.

Leider erfuhr ich in Hannover, da� unter vielen anderen Bekannten w�hrend
des Handgemenges auch der kleine Schultz gefallen war. Kius war mit einer
harmlosen Bauchwunde abgekommen. Wer unsere Wiedersehensfeier in einer
kleinen hannoverschen Bar beobachtete, kam wohl schwerlich auf den
Gedanken, da� wir uns erst vor vierzehn Tagen bei einer anderen Musik als
dem friedlichen Knalle von Pfropfen getrennt hatten.




Englische Vorst��e.


Am 4. Juni 1918 kam ich wieder beim Regiment an, das ganz in der N�he des
jetzt weit hinter der Front befindlichen Dorfes Vraucourt in Ruhe lag. Der
neue Kommandeur, Major von L�ttichau, �bergab mir die F�hrung meiner alten
siebenten Kompagnie.

Als ich mich den Quartieren n�herte, liefen mir die Leute entgegen, nahmen
mir meine Sachen ab und empfingen mich im Triumph. Es war, als ob ich in
den Kreis einer Familie zur�ckkehrte.

Wir bewohnten ein H�uflein von Wellblechbaracken inmitten einer
verwilderten Wiesenlandschaft, aus deren Gr�n unz�hlige gelbe Bl�mchen
schimmerten. Das w�ste Gel�nde, das wir �Die Wallachei� getauft hatten, war
durch Herden weidender Pferde bev�lkert. Trat man vor die T�r der H�tten,
so empfand man jenes be�ngstigende Gef�hl der Leere, von dem der Cowboy,
der Beduine und jeder andere Ein�dbewohner zuweilen gepackt wird. Des
Abends machten wir lange Spazierg�nge im Umkreise der Baracken und suchten
Rebhuhngelege oder im Rasen verborgenes Kriegsmaterial. Eines Nachmittags
ritt ich nach dem vor zwei Monaten so hart umk�mpften Hohlweg bei
Vraucourt, dessen R�nder mit Grabkreuzen bes�t waren. Ich fand manchen
bekannten Namen.

Bald bekam das Regiment Befehl, die vordere Linie der vorm Dorfe
Puisieux-au-Mont liegenden Stellung zu besetzen. Wir machten auf
Lastautomobilen eine Nachtfahrt bis Achiet-le-Grand. Oft mu�ten wir halten,
wenn die Strahlenkegel der Fallschirm-Leuchtkugeln n�chtlicher
Bombenflieger das wei�e Band der Stra�e aus dem Dunkel hoben. Nah oder fern
wurde das vielfache Pfeifen der schweren Sprengpfeile von den rollenden
St��en der Einschl�ge verschlungen. Dann tasteten die unsicheren Arme der
Scheinwerfer den dunklen Himmel nach den t�ckischen Nachtv�geln ab,
Schrapnells zerspr�hten wie zierliches Spielzeug, und Leuchtgeschosse
jagten in langer Kette gleich feurigen W�lfen hintereinander her.

Ein widriger Geruch nach Leichen lagerte �ber der eroberten Gegend, bald
mehr, bald weniger intensiv, immer aber die Nerven erregend und in eine
Stimmung phantastischer und ahnungsvoller Unheimlichkeit h�llend.

�Offensiv-Parf�m� erscholl neben mir die Stimme eines cynischen alten
Kriegers, als wir einige Minuten lang eine Allee von Massengr�bern zu
passieren schienen.

Von Achiet-le-Grand schritten wir an dem nach Bapaume f�hrenden Bahndamm
entlang und dann querbeet auf die Stellung zu. Der Feuerbetrieb war
lebhaft. Als wir einen Augenblick rasteten, schlugen zwei mittlere Granaten
neben uns ein. Die Erinnerung an die unverge�liche Schreckensnacht des 19.
M�rz trieb uns vorw�rts. Dicht hinter der vorderen Linie stand eine
abgel�ste, l�rmende Kompagnie, an der uns das Fatum gerade vor�berf�hrte,
als ihr der Mund durch einige Dutzend Schrapnells gestopft wurde. Mit einem
Hagel von Schimpfworten st�rzten sich meine Leute kopf�ber in den n�chsten
Laufgraben. Drei mu�ten blutend zum Sanit�tsunterstand zur�ckkehren.

Um 3 Uhr kam ich v�llig ersch�pft in meinem Unterstande an, dessen
drangsalsvolle Enge mir eine Reihe wenig genu�reicher Tage in Aussicht
stellte.

Das r�tliche Licht einer Kerze gl�hte inmitten einer unbeschreiblichen
Dunstwolke. Ich stolperte �ber ein Gewirr von Beinen und brachte durch die
Zauberformel �Abl�sung!� Leben in die Bude. Einem backofenf�rmigen Loch
entstieg eine Kette von Fl�chen, dann erschienen nach und nach ein
unrasiertes Gesicht, ein Paar ramponierte Achselst�cke, eine verwitterte
Uniform und zwei Lehmkl�tze, in denen wahrscheinlich die Stiefel steckten.
Wir setzten uns zusammen an den sogenannten Tisch und erledigten das
Gesch�ft der �bergabe, bei dem jeder versuchte, den anderen um ein Dutzend
eiserne Portionen und einige Leuchtpistolen zu prellen. Dann w�rgte sich
mein Vorg�nger durch den engen Stollenhals ins Freie mit der Prophezeiung,
da� das Dreckloch keine drei Tage mehr stehen w�rde. Ich blieb zur�ck als
neuer Kapit�n des Abschnitts A.

Die Stellung, die ich am n�chsten Morgen besichtigte, bot wenig
Erfreuliches. Gleich vorm Unterstande kamen mir zwei blutende Kaffeeholer
entgegen, die im Ann�herungswege durch eine Schrapnellladung getroffen
waren. Einige Schritte weiter meldete sich der F�silier A. mit einem
Prellschu� ab.

Wir hatten das Dorf Bucquoy vor uns und Puisieux-au-Mont im R�cken. Die
Kompagnie lag ungestaffelt in der flachen, schmalen, vorderen Linie und war
rechts vom Infanterie-Regiment 76 durch eine gro�e, unbesetzte L�cke
getrennt. Der linke Fl�gel des Regiments-Abschnitts schlo� ein zerhacktes
Geh�lz, das W�ldchen 125, ein. Befehlsgem�� waren keine Stollen
ausgeschachtet. Je zwei Mann hausten in kleinen Erdl�chern, die durch
sogenannte Siegfriedbleche gest�tzt waren.

Da mein Unterstand hinter einem ganz anderen Abschnitt lag, suchte ich mir
zun�chst eine neue Behausung. Ein h�ttenartiges Gebilde in einem
verfallenen Grabenst�ck schien mir ganz geeignet, nachdem ich es durch
zusammengeschleppte Mordinstrumente in einen verteidigungsf�higen Zustand
versetzt hatte. Ich f�hrte dort mit meinem Burschen zusammen ein Leben wie
ein Einsiedler im Gr�nen, das nur zuweilen durch Meldeg�nger und
Ordonnanzen gest�rt wurde, die den umst�ndlichen Papierkrieg selbst in
diese entlegene H�hle trugen. Kopfsch�ttelnd konnte man dann zwischen den
Einschl�gen zweier Granaten neben anderen wichtigen Sachen die Neuigkeit
lesen, da� dem Ortskommandanten von X. ein schwarzgefleckter Terrier, auf
den Namen Zippi h�rend, entlaufen w�re; wenn man sich nicht gerade mit
grimmigem Humor in die Alimentationsklage der Dienstmagd Makeben gegen den
Gefreiten Meyer vertieft hatte. Auch sorgten Zeichnungen und h�ufige
Terminmeldungen f�r die n�tige Abwechslung. Stets hatte man soviel mit der
inneren Organisation zu tun, da� man sich um die taktischen Kleinigkeiten
kaum noch k�mmern konnte. Man wurde auch wenig danach gefragt. Oft schien
die fortgeworfene Patronenh�lse weit wichtiger. Ich lief jedesmal, wenn mir
ein revidierender Vorgesetzter angemeldet wurde, durch den Graben, las
Papier und H�lsen auf und instruierte die Posten, wie sie zu melden und die
Hacken zusammenzuklappen h�tten. Auch da� sie nicht etwa das Verbrechen
begingen, dabei das Gesicht vom feindlichen Graben abzuwenden, aus dem sich
schon seit drei Monaten kein Nasenzipfel mehr gezeigt hatte, oder gar das
Gewehr aus der Hand zu stellen. Daf�r waren drei Tage Mittelarrest
unbedingte Taxe.

Diese f�r uns typischen Dinge haben sehr geschadet. Die Form erstickte den
Geist. Der Krieg wurde b�rokratisiert. Indes hatte der Frontleutnant viel
zu viel Disziplin in den Knochen, um das, wor�ber in jedem
Zugf�hrerunterstande vor und nach dem Besuchsschnaps in allen Tonarten
geflucht wurde, zur Sprache zu bringen. Trotzdem war er der Berufene, den
altpreu�ischen Geist mit den Formen des neuen Krieges zu verschmelzen.

Doch zur�ck zu meinem Unterstand, dem ich den sch�nen Namen �Haus
Wahnfried� verliehen hatte. Den einzigen Kummer machte mir die Deckung, die
nur als relativ bombensicher anzusprechen war, das hei�t nur solange, wie
kein Schu� daraufging. Jedoch tr�stete ich mich mit dem Gedanken, in keiner
besseren Lage als meine Leute zu sein. Jeden Mittag legte mein Bursche mir
eine Decke in einen Riesentrichter, zu dem wir einen Gang gew�hlt hatten,
um ihn als Sonnenbad einzurichten. �fters wurde meine Siesta allerdings
durch in der N�he einschlagende Granaten oder die herabsurrenden
Sprengst�cke von Fliegerbeschie�ungen gest�rt.

Die vordere Linie hatte unter feindlichem Feuer verh�ltnism��ig wenig zu
leiden, sie w�re sonst auch bald unhaltbar geworden. Haupts�chlich lagen
Puisieux und die benachbarten Mulden unter dauernder Beschie�ung, die sich
in den Abendstunden zu �berf�llen von au�erordentlicher Dichte steigerte.
Essenholen und Abl�sung wurden dadurch sehr gef�hrdet.

Am 14. Juni wurde ich um 2 Uhr morgens von Kius, der auch zur�ckgekehrt war
und die zweite Kompagnie f�hrte, abgel�st. Wir verbrachten unsere Ruhezeit
am Bahndamm bei Achiet-le-Grand, unter dessen Schutze unsere Baracken und
Unterst�nde lagen. Der Engl�nder belegte uns h�ufig mit schwerem
Flachbahnfeuer, dem unter anderen der etatsm��ige Feldwebel der dritten
Kompagnie, Rackebrand, zum Opfer fiel. Einige Tage zuvor hatte sich bereits
ein furchtbares Ungl�ck ereignet. Ein Flieger hatte seine Bombe mitten in
die von einem Zuh�rerkranze umringte Kapelle des Infanterie-Regiments 76
geworfen. Unter den Getroffenen befanden sich auch viele 73er.

In der n�heren Umgebung des Bahndammes lag eine Reihe zerschossener Tanks,
die ich auf meinen Spazierg�ngen mit Interesse besichtigte. Sie trugen zum
Teil sp�ttische, drohende oder gl�ckbringende Namen und Kriegsbemalungen,
waren aber alle �bel zugerichtet. Der enge, von Geschossen zerschmetterte
Panzerraum mit seinem Gewirr von Rohren, Stangen und Dr�hten mu�te beim
Sturm ein �u�erst ungem�tlicher Aufenthaltsort sein, wenn die Kolosse, um
den Flammenschl�gen der Artillerie zu entgehen, gleich unbeholfenen
Riesenk�fern sich in Bogenlinien �ber die Walstatt w�lzten. Ich dachte
lebhaft an die M�nner im feurigen Ofen.

Am Morgen des 18. Juni mu�te die siebente Kompagnie der unsicheren Lage
wegen schon wieder nach Puisieux, um dort dem K. T. K. zum Materialtragen
und taktischer Verwendung zur Verf�gung zu stehen. Wir bezogen am Ausgang
nach Bucquoy liegende Keller und Stollen. Gerade als wir ankamen, hieb eine
Gruppe schwerer Granaten in die umliegenden G�rten. Trotzdem lie� ich mich
nicht abhalten, in einer kleinen Laube vorm Eingang meines Stollens zu
fr�hst�cken. Nach einer Weile brauste es wieder heran. Ich warf mich hin.
Neben mir flammte es auf. Ein in der N�he stehender Sanit�ter meiner
Kompagnie, der mit einigen Kochgeschirren voll Wasser vorbeikam, brach
durch den Unterleib getroffen, zusammen. Wir verbanden ihn, w�hrend gro�e
Schwei�tropfen auf seine Stirne traten. Als ich versuchte, ihn zu tr�sten,
st�hnte er hervor: �Der Schu� ist t�dlich, ich f�hle es ganz genau.� Trotz
dieser Prophezeiung konnte ich ihm nach einem halben Jahre beim Einzuge in
Hannover die Hand sch�tteln.

Am Nachmittage machte ich einen einsamen Spaziergang durch das v�llig
zerst�rte Puisieux. Das Dorf war schon w�hrend der Sommeschlachten zu einem
Tr�mmerhaufen zusammengeh�mmert. Trichter und Mauerreste waren mit dichtem
Gr�n �berzogen, aus dem �berall die wei�en Scheiben des ruinenfreundlichen
Hollunders leuchteten. Zahlreiche frische Gescho�einschl�ge hatten das
h�llende Gewebe zerrissen und die schon so oft umgew�hlte Erde der G�rten
von neuem blo�gelegt.

Die Dorfstra�e war mit dem Kriegsschutt des zum Stillstand gekommenen
Vormarsches bes�umt. Zerschossene Wagen, weggeworfene Munition,
Nahkampfmittel und die Umrisse halbverwester Pferde, von blitzenden
Fliegenwolken umbraust, verk�ndeten die Nichtigkeit aller Dinge im Kampfe
ums Leben. Die auf dem h�chsten Punkt ragende Kirche bestand nur noch aus
einem w�sten Steinhaufen. W�hrend ich einen Strau� wundervoller
verwilderter Rosen pfl�ckte, mahnten mich einschlagende Granaten zur
Vorsicht auf diesem Tanzplatz des Todes.

Nach einigen Tagen l�sten wir die neunte Kompagnie in der
Hauptwiderstandslinie, die ungef�hr 500 Meter hinter der vorderen lag, ab.
Dabei wurden drei Leute meiner Kompagnie verwundet. Am folgenden Morgen
wurde in der N�he meines Unterstandes der Hauptmann von Ledebour durch eine
Schrapnellkugel am Fu� verletzt. Obwohl schwer lungenkrank, f�hlte er doch
im Kampfe seine Bestimmung. So mu�te er der geringen Wunde erliegen. Er
starb kurze Zeit darauf im Lazarett. Am 28. wurde der F�hrer meiner
Essenholer durch einen Granatsplitter getroffen. Dies war der neunte
Verlust in der Kompagnie binnen kurzer Zeit.

Nachdem wir eine Woche in vorderer Linie gelegen hatten, mu�ten wir
nochmals die Hauptwiderstandslinie besetzen, da unser Abl�sungsbataillon
durch die spanische Krankheit fast aufgel�st war. Auch von unseren Leuten
meldeten sich t�glich mehrere krank. Bei der Nachbardivision w�tete die
Grippe so stark, da� ein feindlicher Flieger Zettel abwarf, auf denen
stand, da� der Engl�nder die Abl�sung �bernehmen w�rde, wenn die Truppe
nicht bald zur�ckgezogen w�rde. Doch erfuhren wir, da� sich die Seuche auch
auf der Gegenseite mehr und mehr ausbreitete. Bei uns traten noch
versch�rfend die schlechten Verpflegungsverh�ltnisse hinzu. Dabei standen
wir dauernd in h�chster Gefechtsbereitschaft, da das W�ldchen 125 durch
fortw�hrende H�chstbeschie�ung dauernd bedroht war. Infolge der
Explosionsgase war dort ein Teil der sechsten Kompagnie an
Kohlenoxydvergiftung erkrankt. Wir mu�ten viele Leute mit
Sauerstoffapparaten herausholen.

Eines Nachmittags fand ich beim Durchschreiten meines Abschnittes mehrere
vergrabene K�sten voll englischer Munition und sprengte mir in meinem
Leichtsinn beim Auseinandernehmen einer Gewehrgranate die Kuppe des rechten
Zeigefingers ab. Am selben Abend platzte, als ich mit dem Leutnant Sprenger
auf der Deckung meines Unterstandes stand, eine schwere Granate in der
N�he. Wir stritten uns �ber die Entfernung, die Sprenger auf 10, ich auf 30
Meter sch�tzte. Um zu sehen, wie weit ich meinen Angaben in dieser
Beziehung trauen k�nnte, ma� ich nach und fand den Trichter 22 Meter von
unserem Standorte entfernt. Man ist leicht geneigt, die Entfernung zu
untersch�tzen.

Am 20. Juli lag ich mit meiner Kompagnie wieder in Puisieux. Den ganzen
Nachmittag stand ich auf einem Mauerrest und beobachtete das Gefechtsbild,
das einen sehr verd�chtigen Eindruck machte.

Das W�ldchen 125 wurde oft durch m�chtige Feuerst��e in dichten Qualm
geh�llt, w�hrend gr�ne und rote Leuchtkugeln auf- und niederstiegen.
Manchmal schwieg das Artilleriefeuer, dann h�rte man das Tacken einiger
Maschinengewehre und den matten Knall entfernter Handgranaten. Das Ganze
sah sich von meinem Standorte fast wie ein zierliches Spiel an. Es fehlte
das Gewaltige des Gro�kampfes, und doch sp�rte man das erbitterte Ringen
zwischen zwei ehernen Kr�ften. . . . . .

Aus dem leeren, weiten Gel�nde starren die Augen tausend Verborgener nach
dem kleinen Waldst�ck, aus dem in wechselndem Reigen braune Erdbrunnen die
Gipfel der st�rzenden Eichb�ume umtanzen. In der Tiefe des Umkreises
staffeln in Gr�ben, Trichtern, H�hlen und Ruinen Menschen und Material, des
Einsatzes gegen das von zerhackten Str�nken bedeckte St�ck Erde harrend.

Weit hinten an zwei Gegenpolen sitzen zwei Generale an kartenverdeckten
Tischen. Eine Meldung, ein kurzer Vortrag, einige S�tze an einen
Ordonnanzoffizier, ein Telephongespr�ch. Eine Stunde sp�ter umflammen die
Blitze eines neuen Feuersto�es die alten Trichter, eine frische
Menschenhekatombe verblutet in stickigem Qualm. . . . . .

Gegen Abend wurde ich zum Bereitschaftskommandeur berufen, wo ich erfuhr,
da� der Gegner am linken Fl�gel in unser Grabensystem eingedrungen w�re. Um
uns wieder etwas Vorfeld zu schaffen, war befohlen, da� der Leutnant
Petersen mit der Sturmkompagnie den Heckengraben, ich mit meinen Leuten
einen ihm in einer Mulde parallel laufenden Ann�herungsweg aufr�umen
sollte. Wir zogen im Morgengrauen los, bekamen aber schon in unserer
Sturmausgangsstellung so starkes Infanteriefeuer, da� wir vorl�ufig auf die
Ausf�hrung verzichteten. Ich lie� den Elbinger Weg besetzen und holte in
einem riesigen H�hlenstollen den vers�umten Nachtschlaf nach. Um 11 Uhr
vormittags weckte mich Handgranatenkrachen vom linken Fl�gel, wo wir eine
Barrikade besetzt hielten. Ich eilte hin und fand das �bliche Bild des
Barrikadenkampfes. Bei der Verschanzung wirbelten wei�e Handgranatenwolken,
einige Schulterwehren zur�ck rasselte auf jeder Seite ein Maschinengewehr.
Dazwischen Leute geduckt vor und zur�ckspringend. Der kleine Handstreich
der Engl�nder war bereits abgeschlagen, hatte uns jedoch einen Mann
gekostet, der, von Handgranatensplittern zerrissen, hinter der Barrikade
lag.

Gegen Abend bekam ich Befehl, die Kompagnie nach Puisieux zur�ckzuf�hren,
wo ich bei der Ankunft die Order vorfand, mich am n�chsten Morgen mit zwei
Gruppen an dem Aufrollen des Grabens in der Mulde zu beteiligen. Um 3.40
Uhr brachen wir, das hei�t der Leutnant Voigt von der Sturmkompagnie mit
einem Sto�trupp und ich mit meinen beiden Gruppen zur Ausgangsstellung auf.
Wir hatten Befehl, den Graben nach einer f�nfminutigen Artillerie- und
Minenvorbereitung vom Rotpunkt K bis zum Rotpunkt Z1 aufzuteilen.

Ich darf nicht verschweigen, da� wir beide die Feuervorbereitung und
�berhaupt das Nehmen und Besetzen des tief in der Mulde liegenden, von
allen Seiten eingesehenen Grabens f�r unn�tig und verkehrt hielten. Der
entscheidende Punkt war der Heckengraben; wollte man angreifen, so mu�te
man ihn nehmen und war dann auch im Besitze der Mulde. Ich hegte den
bestimmten Verdacht, da� der Angriff von hinten nach der Karte befohlen
war, denn wer das Gel�nde vor Augen hatte, konnte keine derartigen
Anordnungen treffen.

Nach der Vorbereitung, bei der einer unserer Leute verwundet wurde, traten
wir an und rollten den Graben auf. Kurz vor Z1 stie�en wir auf Widerstand,
der durch Handgranaten gebrochen wurde. Da wir unser Ziel erreicht hatten
und auf weiteren Kampf nicht erpicht waren, bauten wir eine Barrikade und
lie�en eine Gruppe mit einem Maschinengewehr dahinter zur�ck.

Das einzige Vergn�gen an der Sache bereitete mir das Benehmen der Leute vom
Sturmtrupp, die mich lebhaft an Grimmelshausens Simplizissimus erinnerten.
Diese jungen Krieger mit gewaltigen Haarsch�pfen und Wickelgamaschen
gerieten 20 Meter vorm Feinde in einen heftigen Streit, weil einer den
anderen Schlappsack geschimpft hatte und fluchten dabei wie die
Landsknechte. �Mensch, alle haben doch nicht so'n Schi� wie du!�, schrie
zuletzt einer und rollte allein noch 50 Meter Graben auf.

Schon am Nachmittag kam die Barrikadengruppe zur�ck. Sie hatte Verluste
gehabt und sich nicht l�nger halten k�nnen. Ich hatte die Leute bereits
aufgegeben und wunderte mich, da� �berhaupt jemand lebend bei Licht den
langen Schlauch des Muldengrabens hatte passieren k�nnen. Das sind die
Folgen des Papierkrieges.

Trotz unserer Gegenst��e sa� der Feind fest im linken Fl�gel unserer
vorderen Linie und in den verbarrikadierten Verbindungswegen, die
Hauptwiderstandslinie bedrohend.

Am 24. Juli begab ich mich zur Orientierung in den neuen Abschnitt C der
Hauptwiderstandslinie, den ich am n�chsten Tage �bernehmen sollte. Ich lie�
mir von dem Kompagnief�hrer, Leutnant Gipkens, die Barrikade am
Heckengraben zeigen und setzte mich neben ihn auf einen Postenstand.
Pl�tzlich packte mich Gipkens und ri� mich zur Seite. Im n�chsten
Augenblick spritzte ein Gescho� auf dem Sand meines Sitzplatzes
auseinander. Durch einen gl�cklichen Zufall hatte er beobachtet, wie ein
Gewehr langsam aus einer Schie�scharte der 40 Meter entfernten feindlichen
Barrikade geschoben wurde und mir so durch seine scharfen K�nstleraugen das
Leben gerettet. Wie mir nachher erz�hlt wurde, waren an dieser so harmlos
aussehenden Stelle schon drei Mann der neunten Kompagnie durch Kopfschu�
gefallen. Am Nachmittag wurde ich durch eine nicht sonderlich starke
Schie�erei aus meinem Bunker gelockt, in dem ich gerade gem�tlich lesend am
Kaffeetische sa�. Vorn stiegen best�ndig Sperrfeuerzeichen hoch.
Zur�ckhumpelnde Verwundete erz�hlten, da� die Engl�nder in den Abschnitten
B und C in die Hauptwiderstandslinie, in A ins Vorfeld eingedrungen w�ren.
Gleich darauf kam die Ungl�cksbotschaft, da� die Leutnants Vorbeck und
Grieshaber bei der Verteidigung ihrer Abschnitte gefallen, Leutnant Kastner
schwer verwundet w�re. Um 8 Uhr kam auch der Leutnant Sprenger, der
stellvertretend die f�nfte Kompagnie gef�hrt hatte, mit einem Splitter im
R�cken in meinen Unterstand, kr�ftigte sich durch einen �Blick in die
R�hre� und begab sich mit dem Zitat: �R�ckw�rts, r�ckw�rts, Don Rodrigo�
zum Verbandplatze. Ihm folgte sein Freund, Leutnant Domeyer, mit blutender
Hand.

Am n�chsten Morgen l�sten wir die Besatzung des Abschnittes C ab, der
inzwischen wieder vom Feinde ger�umt war. Ich fand dort Pioniere Boje und
Kius mit einem Teile der zweiten, Gipkens mit den Resten der neunten
Kompagnie vor. Im Graben lagen acht tote Deutsche und zwei Engl�nder
(M�tzenschild: South-Africa, Otago-Rifles). Alle waren durch
Handgranatentreffer �bel zugerichtet. Ihre angstverzerrten Gesichter wiesen
furchtbare Verletzungen auf. Zweien waren beide Augen ausgeschossen.

Als ich mich mit Boje und Kius in unserem gew�hnlichen
pessimistisch-ironischen Ton begr��te, f�hlte ich die entsetzten Augen
eines meiner Rekruten, eines Seminaristen, auf mir ruhen. Ich durchschaute
seinen Gedankengang und erschrak zum erstenmale �ber die abstumpfende
Wirkung des Krieges. Man kam dazu, den Menschen nur noch als Sache zu
betrachten.

Ich lie� die Barrikade besetzen und den Graben aufr�umen. Um 11.45 Uhr
er�ffnete, ohne da� wir zuvor benachrichtigt wurden, die eigene Artillerie
ein wildes Feuer auf die vor uns liegende Stellung, bei dem wir jedoch mehr
Treffer bekamen als die Engl�nder. Das Ungl�ck lie� nicht lange auf sich
warten. Der Ruf �Sanit�ter!� flog von links durch den Graben. Hineilend,
fand ich vor der Barrikade im Heckengraben eine unf�rmliche Leichenmasse,
die �berreste meines besten Zugf�hrers. Er hatte den Volltreffer einer
eignen Granate mitten ins Kreuz bekommen. Uniform- und W�schefetzen, die
ihm der Druck der Explosion vom Leibe gerissen hatte, hingen �ber ihm im
zerhackten Gezweig einer Wei�dornhecke. Ich lie� eine Zeltbahn �ber ihn
werfen, um den Leuten den Anblick zu ersparen. Gleich darauf wurden an
derselben Stelle noch drei Mann verwundet, einem von ihnen beide H�nde am
Gelenk durchschlagen. Er taumelte mit totbleichem Gesicht, die Arme auf die
Schultern einen Krankentr�gers gelegt, blut�berspritzt zur�ck. Der Gefreite
Ehlers wand sich, vom Luftdruck bet�ubt, auf der Erde.

Ich sandte einen Protest nach dem andern an die Befehlsstellen und forderte
dringend Einstellung des Feuers oder die Anwesenheit von
Artillerieoffizieren im Graben. Statt aller Antwort setzte noch ein
schwerer Minenwerfer ein und machte mir den Graben vollends zur
Fleischbank. �berall lagen Blut, Hirn und Fleischfetzen, auf denen sich
Schw�rme von Fliegen sammelten.

Um 7.15 Uhr (!) bekam ich einen Befehl, demzufolge 7.30 Uhr starkes
Artilleriefeuer einsetzen und um 8 Uhr zwei Gruppen der Sturmkompagnie
unter Leutnant Voigt �ber die Barrikade des Heckengrabens vorbrechen
sollten, um bis zum Rotpunkt A aufzurollen und nach rechts Verbindung mit
einer parallel vorgehenden Sto�truppe herzustellen. Zwei Gruppen meiner
Kompagnie sollten zur Besetzung des eroberten Grabenst�ckes folgen.

Ich traf in aller Eile, w�hrend schon das Artilleriefeuer einsetzte, die
n�tigen Anordnungen, bestimmte zwei Gruppen und sprach kurz mit dem
Leutnant Voigt, der einige Minuten sp�ter befehlsgem�� vorging. Ich hielt
die Sache mehr f�r einen Abendspaziergang und schlenderte in M�tze, eine
Stielhandgranate unterm Arm, hinter meinen beiden Gruppen her. Im
Augenblick des Angriffs richteten sich die Gewehre der ganzen Gegend auf
den Heckengraben. Wir sprangen geb�ckt von Schulterwehr zu Schulterwehr. Es
ging sehr sch�n vorw�rts, die Engl�nder fl�chteten unter Zur�cklassung
eines Toten in eine r�ckw�rtige Linie.

Ich hatte als Letzter gerade die Einm�ndung eines links abzweigenden
Grabens passiert, als mein Vordermann, ein Unteroffizier, einen Schrei
h�chster Erregung ausstie� und mir am Kopf vorbei nach links scho�. Da ich
mir sein Benehmen nicht erkl�ren konnte, ging ich einige Schritt zur�ck und
stand pl�tzlich einem athletisch gebauten Engl�nder in dem Augenblick, als
er dem fliehenden Unteroffizier eine Handgranate nachschleuderte,
gegen�ber. Gleichzeitig ert�nte von allen Seiten das Angriffsgeschrei
anderer, die �ber Deckung heranst�rmten, um uns abzuschneiden. Ich zog die
Handgranate, meine einzige Waffe, ab und schleuderte sie in kurzem Zirkel
dem Tommy vor die F��e. Dann gab ich, von Handgranaten umkracht, Fersengeld
in der Richtung auf unseren Graben. Ein einziger, der kleine Wilzek von
meiner Kompagnie, hatte die Besonnenheit, hinter mir herzulaufen. Ein uns
nachgeworfenes Eisenei zerri� ihm Koppel und Hosenboden, ohne ihn weiter zu
verletzen.

Voigt und die anderen Leute, die nach vorn ausgewichen waren, schienen
umringt und verloren. Kampfgeschrei und zahlreiche Explosionen k�ndeten,
da� sie ihr Leben teuer verkauften.

Um ihnen zu Hilfe zu kommen, f�hrte ich die Gruppe des
Fahnenjunker-Unteroffiziers Mohrmann durch den Heckengraben vor. Wir mu�ten
indes vor einer Sperre hageldicht einschlagender Flaschenminen Halt machen.
Ein Splitter flog mir gegen die Brust und wurde von der Hosentr�gerschnalle
abgefangen. Au�erdem brach schlagartig ein Artilleriefeuer von gewaltiger
St�rke los.

Rings spritzten Erdstrahlen aus farbigen D�mpfen, metallisches Geschmetter
durchschrie das dumpfe Dr�hnen schwerer Schl�ge, Eisenbl�cke brausten in
unheimlicher K�rze heran, dazwischen sangen und schwirrten Wolken von
Splittern. Da ein Angriff zu bef�rchten stand, setzte ich mir einen
herumliegenden Stahlhelm auf und eilte mit einigen Begleitern in den
Kampfgraben zur�ck.

Dr�ben tauchten Gestalten auf. Wir legten uns auf die zerwalzte Grabenwand
und schossen. Neben mir fingerte ein ganz junger Krieger mit fiebernden
H�nden am Ladehebel seines Maschinengewehres, ohne einen Schu� aus dem Lauf
zu bekommen. Einige Engl�nder klappten um, die andern verschwanden im
Graben, w�hrend das Feuer immer toller wurde. Die eigene Artillerie schien
keine Parteien mehr zu kennen.

Als ich, von einer Gefechtsordonnanz gefolgt, zu meinem Bunker schritt,
schlug irgend etwas zwischen uns in die Wand, ri� mir mit enormer Wucht den
Stahlhelm vom Kopf und schleuderte ihn weit weg. Ich glaubte, eine ganze
Schrapnell-Ladung erhalten zu haben, und legte mich halb bet�ubt in mein
Fuchsloch, auf dessen Rand einige Sekunden sp�ter eine Granate schlug, den
kleinen Raum mit dichtem Qualen f�llend. Ein langer Splitter zerschmetterte
eine B�chse voll Gurken, die neben meinen F��en lag. Um nicht versch�ttet
zu werden, kroch ich wieder in den Graben und spornte die beiden
Gefechtsordonnanzen und meinen Burschen zur Wachsamkeit an.

Es war eine wirklich unangenehme halbe Stunde, w�hrend deren die Kompagnie
viele Verluste hatte. Nachdem die Feuerwelle verebbt war, ging ich durch
den Graben, besah den Schaden und stellte fest, wieviel Leute mir noch zur
Verf�gung standen. Da die Kopfzahl von 15 Mann zur Linearverteidigung zu
gering war, �bertrug ich dem Fahnenjunker Mohrmann und drei Leuten die
Verteidigung der Barrikade, zog die Tr�mmer zu einem Sch�tzenigel in einem
Riesentrichter hinter der eigenen Linie zusammen und lie� alle Handgranaten
dort anh�ufen. Mein Plan war, den angreifenden Gegner ruhig in den Graben
kommen zu lassen, um ihn dann auf einen Pfiff von oben her
zusammenzuknallen. Jedoch beschr�nkte sich die Kampft�tigkeit auf ein
fortw�hrendes Gepl�nkel mit leichten Minen, Gewehr- und Handgranaten.

Am 27. Juli wurden wir durch eine Kompagnie des Infanterie-Regiments 164
abgel�st. Wir waren auch restlos ausgepumpt. Der F�hrer dieser Kompagnie
wurde schon beim Anmarsch schwer verwundet; einige Tage sp�ter wurde mein
Bunker eingeschossen und begrub seinen Nachfolger. Wir atmeten alle
erleichtert auf, als wir das vom heraufziehenden Gewitter der gro�en
Endoffensive umgrollte Puisieux im R�cken hatten.

                   *       *       *       *       *

   111. Inf. Division.

   Div. Gef. Stand, 12. 8. 18.

   _Divisionstagesbefehl._

Das F�silier-Regt. 73 hat seinen hohen Ruf als tapfere, kampferprobte
Truppe in den harten K�mpfen am 25. 7. gegen einen an Zahl weit �berlegenen
Gegner erneut aufs gl�nzendste in Verteidigung und Gegenst��en bewiesen.
Ich erkenne das um so lieber an, als ich wohl wei�, welch hohe
Anforderungen an die Truppen der Division bei dem langen Einsatz an
schwieriger Front an Ausdauer und Pflichttreue gestellt werden m�ssen f�r
unser geliebtes Vaterland.

Insbesondere verdient Leutnant J�nger, schon sechsmal verwundet und diesmal
wie immer ein leuchtendes Vorbild f�r Offiziere und Mannschaften, erneute
Anerkennung.

   _v. Busse_,
   Generalmajor und Divisions-Kommandeur.




Mein letzter Sturm.


Am 30. Juli 1918 bezogen wir Ruhequartiere in Sauchy-L�str�e, einer
wasserumgl�nzten Perle des Artois. Nach einigen Tagen marschierten wir noch
weiter zur�ck nach Escaudoeuvres, einem kleinen, n�chternen
Arbeitervorst�dtchen von Cambrai.

Ich bewohnte in der Rue-des-Bouchers das typische Staatszimmer eines
nordfranz�sischen Arbeiterh�uschens. Das �bliche Riesenbett als omin�ses
Hauptm�bel, ein Kamin mit scheu�lichen roten und blauen Glasvasen auf dem
Sims, ein runder Tisch, St�hle; an den W�nden einige der furchtbaren
Farbendrucke des Familist�re, Vive la classe, souvenir de premi�re
communion, Postkarten und anderer Plunder. Alles zusammen der Gipfel von
Talmi, verlogener Sentimentalit�t und Ungem�tlichkeit. Ich f�hlte mich
inmitten dieser selbstgef�lligen Geschmacklosigkeit unbehaglicher als im
n�ssesten Stollen und versuchte, wenigstens durch einen auf dem Tisch
gestapelten Kartensto� und die auf das Familienbett geschleuderten
Reitstiefel meine Anwesenheit etwas zu motivieren.

Die hellen Vollmondn�chte beg�nstigten den h�ufigen Besuch feindlicher
Flieger, der uns einen Begriff von der erdr�ckenden Material�berlegenheit
auf der Gegenseite gab. Nacht f�r Nacht schwebten mehrere Geschwader heran
und lie�en Bomben von unheimlicher Brisanz auf Cambrai und die Vorst�dte
fallen. Ich wurde weniger durch das feine, moskitoartige Summen der Motore
und die Gruppen lang widerhallender Detonationen als durch das �ngstliche
In-den-Keller-St�rzen meiner Wirtsleute gest�rt. Einen Tag vor meiner
Ankunft war allerdings eine Bombe vor dem Fenster aufgeschlagen, hatte den
in meinem Bette schlafenden Hausherrn bet�ubt ins Zimmer geschleudert und
die Mauern von Splittern durchl�chert. Gerade dieser Zufall gab mir indes
die Beruhigung, da� eine Wiederholung ziemlich unwahrscheinlich sein w�rde.

Nach einem Ruhetage setzte die verha�te, aber unentbehrliche
Ausbildungsleier wieder ein. Exerzieren, Unterricht, Appells, Besprechungen
und Besichtigungen f�llten einen gro�en Teil des Tages. Einen ganzen
Vormittag verbrachten wir sogar damit, einen ehrengerichtlichen Spruch zu
f�llen. Die Verpflegung war wieder einmal miserabel. Eine Zeitlang gab es
als Abendportion nur Gurken, denen der trockene Humor der Leute den
trefflichen Namen �G�rtnerwurst� beilegte.

Es war nicht leicht, meine dezimierte Kompagnie wieder zu einer Einheit
zusammenzuschmelzen. Trotzdem mir die Notwendigkeit klar war, empfand ich
es oft peinlich, immer wieder mit den Kleinigkeiten des Exerzierens an die
Leute herantreten zu m�ssen. Der Drill wird als Mittel zum Zweck bei keinem
Heere zu entbehren sein, er l��t sich weder durch individuelle noch durch
sportliche Erziehung ganz ersetzen. Ein Mann, dessen innerer Wert nicht
�ber jeden Zweifel erhaben ist, mu� bis zum Stumpfsinn gehorchen lernen,
damit seine Triebe auch in den schrecklichsten Momenten durch den geistigen
Zwang des F�hrers gez�gelt werden k�nnen.

Vor allem widmete ich mich der Ausbildung einer Sto�truppe, da mir im
Verlaufe des Krieges immer klarer geworden war, da� aller Erfolg der Tat
des einzelnen entspringt, w�hrend die Masse der Mitl�ufer nur Sto�- und
Feuerkraft darstellt. Lieber F�hrer einer entschlossenen Gruppe als einer
zaghaften Kompagnie.

Meine Freizeit verbrachte ich mit Lesen, Baden, Schie�en und Reiten. Auf
den Spazierritten fand ich massenhaft herabgeworfene Flugbl�tter, die den
Proze� der moralischen Zersetzung unserer Armee beschleunigen sollten. Es
war sogar ein Gedicht Schillers vom freien Britannien dabei. Ich fand es
recht klug vom Engl�nder, das deutsche Gem�t mit Gedichten zu bombardieren,
und auch recht schmeichelhaft f�r uns. Ein Krieg, in dem man sich durch
Verse bek�mpft, w�re eine recht segensreiche Erfindung. Die Fundpr�mie von
30 Pf. pro Exemplar verriet, da� die Heeresleitung die Gef�hrlichkeit
dieser vergifteten Waffen nicht gering sch�tzte. Die Unkosten wurden
allerdings der Bev�lkerung des besetzten Gebietes zur Last gelegt. Wir
schienen also doch nicht mehr das ganz reine Verst�ndnis f�r Poesie zu
besitzen.

Eines Nachmittags setzte ich mich aufs Rad und fuhr nach Cambrai. Das
liebe, alte St�dtchen war w�st und �de geworden. L�den und Kaffees waren
geschlossen; die Stra�en schienen tot trotz der feldgrauen Woge, die sie
durchflutete. Ich fand Herrn und Frau Plancot, die mir das Jahr zuvor ein
so sch�nes Quartier geboten hatten, herzlich erfreut �ber meinen Besuch.
Sie erz�hlten mir, da� sich die Verh�ltnisse in Cambrai in jeder Beziehung
verschlechtert h�tten. Besondere beklagten sie sich �ber die h�ufigen
Fliegerbesuche, die sie zw�ngen, des Nachts oft mehrere Male die Treppen
auf und nieder zu rennen, �ber das Problem streitend, ob es ratsamer sei,
im ersten Keller durch die Bombe selbst oder im zweiten durch Versch�ttung
umzukommen. Die alten Herrschaften mit den sorgenvollen Mienen taten mir
herzlich leid. Einige Wochen sp�ter mu�ten sie Hals �ber Kopf infolge der
Beschie�ung das Haus verlassen, in dem sie ihr Leben verbracht hatten.

Am 23. August gegen 11 Uhr wurde ich durch heftiges Pochen gegen meine T�r
hochgeschreckt, als ich gerade sanft eingeschlafen war. Eine Ordonnanz
brachte Marschbefehl. Schon tags vorher war von der Front das eint�nige
Rollen und Stampfen eines ungew�hnlich heftigen Artilleriefeuers
her�bergebrandet und hatte uns beim Dienst, beim Essen und beim Kartenspiel
gemahnt, uns keinen Illusionen in bezug auf eine l�ngere Dauer unserer
Ruhezeit hinzugeben. F�r dieses Brodeln entfernten Kanonendonners hatten
wir den klangvollen Frontausdruck �es wummert� gepr�gt.

Rasch packten wir und traten w�hrend eines wolkenbruchartigen Gewitters auf
der Stra�e nach Cambrai an. Unser Marschziel war Marquion, wo wir gegen 5
Uhr morgens eintrafen. Der Kompagnie wurde ein gro�er, von einer Reihe
demolierter Stallgeb�ude eingeschlossener Hof zugewiesen, indem sich jeder
so gut wie m�glich unterbrachte. Ich kroch mit meinem einzigen
Kompagnieoffizier, dem Leutnant Schrader, in ein kleines Backsteinverlie�,
das zu friedlicheren Zeiten anscheinend als Ziegenstall fungiert hatte,
jetzt allerdings nur noch von einigen gro�en Ratten bewohnt war.

Am Nachmittag war eine Offiziersbesprechung, bei der wir erfuhren, da� wir
in der Nacht rechts der gro�en Stra�e Cambrai--Bapaume unweit Beugny
bereitgestellt werden sollten. Wir wurden vor einem wahrscheinlichen
Angriff der neuen, schnellen und wendigen Tanks gewarnt.

Ich teilte meine Kompagnie in einem kleinen Obstgarten zum Gefecht ein.
Unter einem Apfelbaume stehend, sprach ich ein paar Worte zu den Leuten,
die mich im Hufeisen umschlossen. Ihre Gesichter sahen ernst und m�nnlich
aus. Es war wenig zu sagen. Jeder wu�te, da� wir nicht mehr siegen konnten.
Aber der Gegner sollte sehen, da� er gegen M�nner von Ehre k�mpfte.

Bei solchen Gelegenheiten vermied ich, mich vom Draufg�ngertum fortrei�en
zu lassen. Es w�re wenig taktvoll gewesen, den Leuten, die zum Teil mit der
Angst um Frau und Kind zur Vernichtung zogen, zu zeigen, da� man der
Schlacht mit einer gewissen Lust entgegensah. Auch war es mein Grundsatz,
nicht durch gro�e Worte zum Mute anzuspornen oder den Feigling zu bedrohen.
Ich suggerierte: Ich wei� genau, da� mich niemand im Stiche l��t. Wir haben
alle Angst, aber wir m�ssen dagegen k�mpfen. Es ist menschlich, wenn jemand
von seiner Schw�che �bermannt wird. Er mu� dann auf seinen F�hrer und die
Kameraden sehen. Schon beim Sprechen f�hlte ich, da� solche Worte den
Leuten verst�ndlich waren. Die Erfolge rechtfertigten diese psychologische
Vorbereitung in gl�nzender Weise.

An unserem aus einer Karre und einer Haust�r improvisierten Tisch a� ich im
Hof mit Schrader zu Abend und trank eine Flasche Wein dazu. Dann rollten
wir uns in unseren Ziegenstall, bis uns um 2 Uhr morgens der Posten
meldete, da� die Lastautos auf dem Marktplatz verladebereit st�nden.

In geisterhafter Beleuchtung rasselten wir durch das kampfzerw�hlte Gel�nde
der vorj�hrigen Cambraischlacht und wanden uns durch die von Tr�mmerw�llen
eingefa�ten Dorfstra�en abenteuerlich zerschossener Nester. Dicht vor
Beugny wurden wir ausgeladen und in unsere Aufstellungsr�ume gef�hrt. Das
Bataillon besetzte einen Hohlweg an der Stra�e Beugny--Vaux. In den
Vormittagsstunden brachte eine Ordonnanz den Befehl, da� sich die Kompagnie
bis an die Stra�e Fr�micourt--Vaux vorzuschieben h�tte. Dies typische
Vorr�cken gab mir die Gewi�heit, da� uns bis zum Abend noch Blutiges
bevorstand.

Ich schl�ngelte meine drei Z�ge in Reihen durch das Gel�nde, das kreisende
Flieger mit Bomben und Geschossen bestreuten. Am Ziele verteilten wir uns
in Trichter und Erdl�cher, da vereinzelte Granaten bis �ber die Stra�e
hinausgriffen.

Ich befand mich an diesem Tage so schlecht, da� ich mich sofort in ein
kleines Grabenst�ck legte und einschlief. Nach dem Erwachen las ich in
Laurence Sterne's �Tristram Shandy� und verbrachte so, mit der
Gleichg�ltigkeit eines Kranken, in der warmen Sonne liegend, den
Nachmittag. Ab und zu trank ich einen Schluck Wermut.

Um 6.15 Uhr nachmittags rief ein Gefechtsl�ufer die Kompagnief�hrer zum
Hauptmann von Weyhe.

�Ich habe Ihnen die ernste Mitteilung zu machen, da� wir angreifen. Das
Bataillon tritt nach halbst�ndiger Feuervorbereitung um 7 Uhr (!) vom
Westrande Favreuil zum Sturm an. Marschrichtungspunkt der Kirchturm von
Sapignies.�

Nach kurzem hin und her und einem kr�ftigen H�ndedruck st�rzten wir zu den
Kompagnien, da das Feuer in zehn Minuten beginnen sollte und wir noch eine
gro�e Strecke zu marschieren hatten. Ich verst�ndigte meine Zugf�hrer und
lie� antreten.

�Die Gruppen in Reihe zu einem mit 20 Meter Zwischenraum. Marschrichtung
halblinks die Baumkronen von Favreuil!�

Ein gutes Zeichen f�r den Geist, der in den Leuten steckte, war, da� ich
einen Mann bestimmen mu�te, zur�ckzubleiben, um die Feldk�che zu
benachrichtigen. Freiwillig hatte sich keiner melden m�gen.

Ich schritt mit meinem Kompagniestabe und dem Feldwebel Reinecke, der die
Gegend genau kannte, weit vor der Kompagnie. Hinter Hecken und Ruinen
sprangen die Absch�sse unserer Gesch�tze auf. Das Feuer glich mehr einem
w�tenden Gebell als einer vernichtenden Sturmwelle. Hinter mir sah ich
meine Gruppen in bewunderungsw�rdiger Ordnung vorgehen. Neben ihnen
staubten die W�lkchen der Fliegergeschosse auf, Kugelladungen, Hohlbl�ser
und Treibplatten von Schrapnells fuhren mit h�llischem Fauchen durch die
Zwischenr�ume der schmalen Menschenstreifen. Rechts lag das schwer
beschossene Beugn�tre, aus dem gezackte Eisenst�cke schwerf�llig
her�berbrummten und sich mit kurzem Schlag in den lehmigen Boden stanzten.

Noch ungem�tlicher wurde der Anmarsch hinter der Stra�e Beugn�tre--Bapaume.
Pl�tzlich platzte eine Reihe von Brisanzgranaten vor, hinter und zwischen
uns. Wir spritzten auseinander und warfen uns in die Trichter. Ich st�rzte
mit dem Knie in das Angstprodukt eines Vorg�ngers und lie� in der Eile von
meinem Burschen mit dem Messer eine grobe S�uberung vornehmen.

Um den Dorfrand Favreuil ballten sich die Wolken zahlreicher Einschl�ge,
dazwischen stiegen und fielen braune Erds�ulen in hastigem Wechsel. Um mich
zu orientieren, ging ich allein bis zu den ersten Ruinen vor und gab dann
mit dem Spazierstock das Zeichen zum Folgen.

Das Dorf war von zerschossenen Baracken ums�umt, bei denen sich allm�hlich
Teile des ersten und zweiten Bataillons sammelten. W�hrend des letzten
Wegabschnittes forderte ein Maschinengewehr verschiedene Opfer. Unter
anderen erhielt der Vizefeldwebel Balg von meiner Kompagnie einen Schu�
durchs Bein. Eine Gestalt in braunem Manchester schritt gleichg�ltig �ber
das beschossene St�ck und sch�ttelte mir die Hand. Kius und Boje, Hauptmann
Junker und Schaper, Schrader, Schl�ger, Heins, Findeisen, H�hlemann und
Hoppenrath standen hinter einer von Blei und Eisen durchfegten Hecke und
hielten ein gro�es Angriffspalaver. Wir hatten an manchem Tage des Zorns
auf einem Felde gefochten, und auch diesmal sollte die schon tief im Westen
stehende Sonne noch das Blut fast aller bestrahlen.

Teile des I. Bataillons r�ckten in den Schlo�park. Vom II. Bataillon hatten
nur meine und die f�nfte Kompagnie ungef�hr vollz�hlig den flammenden
Vorhang durchschritten. Wir arbeiteten uns durch Trichter und H�usertr�mmer
zu einem Hohlweg am Westrande des Dorfes vor. Unterwegs st�lpte ich mir
einen gefundenen Stahlhelm aufs Haupt, eine Handlung, die ich nur in
kritischen Momenten vorzunehmen pflegte. Zu meinem Erstaunen lag Favreuil
vollkommen tot da, die Besatzung hatte anscheinend ihren
Verteidigungsabschnitt verlassen.

Hauptmann von Weyhe, der bereits einsam und schwerverwundet in einem
Trichter des Dorfes lag, hatte angeordnet, da� f�nfte und achte Kompagnie
in vorderer, sechste in zweiter und siebente in dritter Linie st�rmen
sollten. Da von der sechsten und achten Kompagnie noch nichts zu sehen war,
beschlo� ich draufzugehen, ohne mich lange um Staffelungen zu k�mmern.

Es war 7 Uhr geworden. Durch die Kulisse von H�userresten und Baumst�mpfen
sah ich bei schwachem Gewehrfeuer eine Sch�tzenlinie auf das freie Feld
heraustreten. Es mu�te die f�nfte Kompagnie sein.

Ich stellte meine Leute im Hohlweg auf und gab Befehl, in zwei Wellen
anzutreten. �Abstand 100 Meter. Ich selbst befinde mich zwischen erster und
zweiter Welle!�

Es ging zum letzten Sturm. Wie oft waren wir in den verflossenen Jahren in
�hnlicher Stimmung in die westliche Sonne geschritten! Les Eparges,
Guillemont, St. Pierre-Vaast, Langemarck, Paschendale, Moeuvres, Braucourt,
Mory! Wieder winkte ein blutiges Fest.

Wir verlie�en den Hohlweg ganz programm��ig, nur befand �ich selbst�, wie
die sch�ne Befehlsformel lautet, mich pl�tzlich neben dem Leutnant Schrader
weit vor der ersten Welle.

Vereinzelte Gewehrsch�sse knallten uns entgegen. Den Spazierstock in der
rechten, Pistole in der linken Hand stapfte ich vor und lie�, ohne es recht
zu merken, die Sch�tzenlinie der f�nften Kompagnie zum Teil hinter, zum
Teil rechts neben mir. W�hrend des Vorgehens merkte ich, da� mein Eisernes
Kreuz sich von der Brust gel�st hatte und zu Boden gefallen war. Schrader,
mein Bursche und ich begannen eifrig zu suchen, trotzdem verborgene
Sch�tzen uns aufs Korn zu nehmen schienen. Endlich zog Schrader es aus
einem Grasplacken hervor, und ich steckte es wieder fest.

Das Gel�nde senkte sich. Verschwommene Gestalten bewegten sich vor einem
Hintergrund aus braunem Lehm. Ein Maschinengewehr hackte uns seine
Gescho�garben entgegen. Mich packte ein fatales Gef�hl der
Aussichtslosigkeit. Trotzdem begannen wir zu laufen. Mitten im Sprunge �ber
ein Grabenst�ck ri� mich ein durchdringender Sto� vor die Brust aus der
Luft. Mit lautem Schrei wirbelte ich um die L�ngsachse und klirrte bet�ubt
zu Boden.

Ich erwachte im Gef�hl eines gro�en Ungl�cks, eingeklemmt zwischen enge
Lehmw�nde, w�hrend durch eine geduckte Menschenreihe der Ruf glitt:
�Sanit�ter! Der Kompagnief�hrer ist verwundet!�

Ein �lterer Mann einer anderen Kompagnie beugte sich mit gutm�tigem Gesicht
�ber mich, l�ste das Koppel und �ffnete meinen Rock. Zwei blutige
Kreisflecke leuchteten von der Mitte der rechten Brust und vom R�cken. Ein
Gef�hl der L�hmung fesselte mich an die Erde, und die gl�hende Luft des
engen Grabens badete mich in qualvollem Schwei�. Der mitleidige Helfer
erquickte mich durch f�chelndes Schwingen meiner Kartentasche. Ich hoffte,
nach Luft ringend, auf baldiges Dunkelwerden, um mich zur�ckschleppen zu
lassen.

Pl�tzlich brauste von Sapignies her ein Feuerorkan los. Es war klar, da�
dieses l�ckenlose Rollen, dieses gleichm��ige Br�llen und Stampfen mehr
drohte als Abwehr unseres so schlecht angesetzten Angriffes. �ber mir
blickte ich in das unterm Stahlhelm versteinerte Gesicht des Leutnants
Schrader, der wie eine Maschine scho� und lud, scho� und lud. Es entspann
sich zwischen uns ein Gespr�ch, das an die Turmszene der Jungfrau von
Orleans erinnerte. Sehr humoristisch war mir indes nicht zumute, denn ich
hatte die klare Erkenntnis, verloren zu sein.

Oben sprang der Schreckensschrei: �Links sind sie durch! Wir sind
umgangen!� von Mund zu Mund. Er gab mir die alte Kraft zur�ck. Ich fa�te in
ein Loch, das ein Maulwurf in die Grabenwand gebohrt hatte, und zog mich
hoch, w�hrend das Blut aus den Wunden rieselte. Mit blo�em Kopf und offenem
Rock, die Pistole in der Faust, starrte ich ins Gefecht.

Durch wei�liche Rauchschwaden st�rzte eine Kette bepackter Menschen
schnurgeradeaus. Einige fielen und blieben liegen, andere schlugen Rad wie
getroffene Hasen. 100 Meter vor uns wurden die letzten vom Trichtergel�nde
eingesogen.

Wie an einer Schnur gezogen krochen vier Tanks �ber den Kamm einer
Bodenwelle. In wenigen Minuten waren sie von der Artillerie in die Erde
gestampft. Der eine klappte wie ein Spielzeug aus Blech in zwei H�lften
auseinander. Rechts brach der wackere Fahnenjunker Mohrmann mit einem
Todesschrei zusammen.

Die Sache schien noch nicht verloren. Ich fl�sterte dem F�hnrich Wilsky zu,
nach links zu kriechen und mit seinem Maschinengewehr die L�cke abzufegen.
Er kam gleich darauf zur�ck und meldete, da� sich 20 Meter weiter schon
alles ergeben h�tte. Es lagen dort Teile des Regiments 99 (Zabern). Mich
umwendend, hatte ich ein seltsames Bild. Von hinten kamen Leute mit
erhobenen H�nden nach vorne! Der Feind mu�te bereits das Dorf, aus dem wir
gest�rmt hatten, genommen haben.

Die Szene belebte sich immer mehr. Ein Kreis von Engl�ndern und Deutschen
umringte uns und forderte uns auf, die Waffen fortzuwerfen. Ich ermunterte
mit schwacher Stimme die N�chststehenden zum Kampf aufs Messer. Sie
schossen auf Freund und Feind. Ein Kranz von Stummen und Schreienden
umschlo� unser H�uflein. Links tauchten zwei h�nenhafte Engl�nder ihre
Bajonette in ein Grabenst�ck, aus dem sich flehende H�nde reckten.

Auch unter uns wurden gellende Stimmen laut: �Es hat keinen Zweck mehr!
Gewehre weg! Nicht schie�en, Kameraden!�

Ich blickte nach den beiden Offizieren, die mit mir im Graben standen. Sie
l�chelten fatalistisch zur�ck und lie�en ihre Koppel zu Boden fallen.

Es blieb die Wahl zwischen Gefangenschaft und einer Kugel. Nun war ja der
Augenblick gekommen, wo es galt, zu zeigen, ob das, was ich meinen Leuten
in manchem Ruhetage �ber den Kampf gesagt hatte, mehr war als leere Phrase.
Ich kroch aus dem Graben und taumelte auf Favreuil zu. Zwei Engl�nder, die
einen Trupp gefangener 99er auf ihre Linien zuf�hrten, stellten sich mir
entgegen. Ich hielt dem n�chsten die Pistole vor den Leib und dr�ckte ab.
Er klappte wie eine Schie�budenfigur zusammen. Der andere brannte sein
Gewehr auf mich ab, ohne zu treffen. Die hastigen Bewegungen trieben das
Blut in hellen Schl�gen aus der Lunge. Ich konnte freier atmen und begann,
an dem Grabenst�ck entlang zu laufen. Hinter einer Schulterwehr kauerte der
Leutnant Schl�ger inmitten einer feuernden Gruppe. Sie schlossen sich an.
Einige Engl�nder, die �ber das Gel�nde schritten, blieben stehen, setzten
ein Lewisgewehr auf den Boden und beschossen uns. Bis auf mich, Schl�ger
und zwei Begleiter wurden alle getroffen. Schl�ger, der seinen Kneifer
verloren hatte, erz�hlte mir sp�ter, da� er nichts gesehen h�tte als meine
auf- und niederfliegende Kartentasche. Der dauernde Blutverlust gab mir die
Freiheit und Leichtigkeit eines Rausches, mich beunruhigte nur der Gedanke,
zu fr�h zusammenzubrechen.

Endlich gelangten wir an einen halbmondf�rmigen Erdaufwurf rechts von
Favreuil, aus dem ein halbes Dutzend schwerer Maschinengewehre auf Freund
und Feind Feuer spieen. Feindliche Geschosse zerspritzten im Sande der
Schanze, Offiziere schrien, aufgeregte Leute tanzten hin und her. Ein
Sanit�tsunteroffizier der sechsten Kompagnie ri� meine Jacke herunter und
riet mir, mich sofort hinzulegen, da ich sonst in wenigen Minuten verblutet
sein k�nnte.

Ich wurde in eine Zeltbahn gerollt und am Ortsrand von Favreuil entlang
geschleppt. Einige Leute meiner und der sechsten Kompagnie begleiteten
mich. Nach einigen hundert Schritten bekamen wir auf n�chste Entfernung aus
dem Dorfe Gewehrfeuer. Knallend schlugen Geschosse in menschliche K�rper.
Den Sanit�ter der sechsten Kompagnie, der das Hinterende meiner Zeltbahn
trug, ri� ein Kopfschu� zu Boden; ich st�rzte mit ihm.

Die kleine Schar hatte sich glatt auf die Erde geworfen und kroch, von
Aufschl�gen umpeitscht, der n�chsten Senkung zu.

Ich blieb einsam, in meine Zeltbahn eingekn�pft auf dem Felde, den
Endtreffer erwartend.

Doch solange noch ein Mann meiner Kompagnie lebte, war ich nicht ganz
verlassen. Neben mir ert�nte die Stimme des Gefreiten Hengstmann: �Ich
nehme Herrn Leutnant auf den R�cken, entweder kommen wir durch, oder wir
bleiben liegen.�

Leider kamen wir nicht durch; zu viele Gewehre waren auf k�rzeste
Entfernung auf uns gerichtet. Als ich, die Arme um den Hals des Getreuen
geschlungen, auf seinem R�cken sa�, erklang mitten im Lauf ein feines
metallisches Sirren. Hengstmann sank ganz sanft unter mir zusammen. Ich
l�ste mich aus seinen Armen, die meine Schenkel noch fest umklammert
hielten. Ein Gescho� hatte ihm Stahlhelm und Schl�fen durchschlagen. Der
Tapfere, der die Treue zu seinem F�hrer mit dem Tode besiegelte, war ein
Lehrerssohn aus Letter bei Hannover. Ich habe sp�ter seine Familie
aufgesucht und halte sein Andenken heilig.

Das schlimme Beispiel schreckte einen anderen Helfer nicht ab, einen neuen
Versuch zu meiner Rettung zu wagen. Es war der Sanit�ts-Sergeant
Strichalsky. Er nahm mich auf seine Schultern und brachte mich gl�cklich in
den toten Winkel der n�chsten Gel�ndewelle.

Es dunkelte. Die Leute suchten die Zeltbahn eines Toten und trugen mich
�ber ein einsames Gel�nde, auf dem nah und fern zackige Strahlensterne
hochflammten. Ich mu�te nach Luft ringen, eins der qualvollsten Gef�hle,
die der Mensch haben kann. Der Duft einer Zigarette, die ein Mann zehn
Schritt vor mir rauchte, drohte mich zu ersticken.

Endlich gelangten wir an einen Verbandsunterstand, in dem der mir
befreundete Doktor Key seines Amtes waltete. Er mischte mir eine k�stliche
Zitronenlimonade und versenkte mich mittels einer Morphiumspritze in
erquickenden Schlummer.

Am n�chsten Tage setzte die �bliche, etappenweise R�ckbef�rderung ein. Die
w�ste Autofahrt zum Kriegslazarett brachte mich an den Rand des Grabes.
Dann kam ich in die H�nde der Schwestern. Trotzdem ich kein Weiberfeind
bin, irritierte mich jedesmal das weibliche Wesen, wenn mich das Schicksal
der Schlacht in das Bett eines Krankensaales geworfen hatte. Aus dem
m�nnlichen, zielbewu�ten und zweckm��igen Handeln des Krieges tauchte man
in eine Atmosph�re undefinierbarer Ausstrahlungen. Eine wohltuende Ausnahme
bildete die abgekl�rte Sachlichkeit der katholischen Ordensschwestern.

Nach 14 Tagen lag ich in dem federnden Bett eines Lazarettzuges und hatte
das Gl�ck, in Hannover ausgeladen zu werden. Dort lag ich im
Clementinenstift mit einem jungen Kampfflieger der Staffel Richthofen
zusammen, der bereits zw�lf Gegner im Luftkampf gestreckt hatte. Der letzte
hatte ihm zuvor durch ein Gescho� den Oberarmknochen zersplittert. Auf
unserem ersten Genesungsgange trafen wir meinen Bruder und einige
Kameraden, mit denen wir zu Abend a�en. Da unsere baldige Kriegst�chtigkeit
angezweifelt wurde, f�hlten wir beide das unbedingte Bed�rfnis,
verschiedentlich �ber einen gewaltigen Sessel zu eskaladieren. Es bekam uns
sehr schlecht. Trotzdem f�hlten wir uns recht bald wieder in Form f�r eine
neue Winterkampagne. Diese wurde vorl�ufig vertagt. Wir sollten uns bald an
anderen K�mpfen beteiligen, als uns getr�umt. -- -- --

Am 22. September 1918 erhielt ich folgendes Telegramm:

�Seine Majest�t der Kaiser hat Ihnen den Orden Pour le M�rite verliehen.
Ich begl�ckw�nsche Sie im Namen der ganzen Division.

   General von Busse.�

Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Buchdruckerei G. m. b. H., Berlin SW 68,
Kochstr. 68-71.





End of the Project Gutenberg EBook of In Stahlgewittern, by Ernst J�nger

*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK IN STAHLGEWITTERN ***

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1.F.3.  LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a
defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can
receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a
written explanation to the person you received the work from.  If you
received the work on a physical medium, you must return the medium with
your written explanation.  The person or entity that provided you with
the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a
refund.  If you received the work electronically, the person or entity
providing it to you may choose to give you a second opportunity to
receive the work electronically in lieu of a refund.  If the second copy
is also defective, you may demand a refund in writing without further
opportunities to fix the problem.

1.F.4.  Except for the limited right of replacement or refund set forth
in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS' WITH NO OTHER
WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO
WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.

1.F.5.  Some states do not allow disclaimers of certain implied
warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages.
If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the
law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be
interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by
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provision of this agreement shall not void the remaining provisions.

1.F.6.  INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance
with this agreement, and any volunteers associated with the production,
promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works,
harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees,
that arise directly or indirectly from any of the following which you do
or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.


Section  2.  Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of computers
including obsolete, old, middle-aged and new computers.  It exists
because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come.  In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.


Section 3.  Information about the Project Gutenberg Literary Archive
Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service.  The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541.  Its 501(c)(3) letter is posted at
http://pglaf.org/fundraising.  Contributions to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
permitted by U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
throughout numerous locations.  Its business office is located at
809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
business@pglaf.org.  Email contact links and up to date contact
information can be found at the Foundation's web site and official
page at http://pglaf.org

For additional contact information:
     Dr. Gregory B. Newby
     Chief Executive and Director
     gbnewby@pglaf.org


Section 4.  Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment.  Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States.  Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements.  We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance.  To
SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
particular state visit http://pglaf.org

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States.  U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses.  Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations.
To donate, please visit: http://pglaf.org/donate


Section 5.  General Information About Project Gutenberg-tm electronic
works.

Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
concept of a library of electronic works that could be freely shared
with anyone.  For thirty years, he produced and distributed Project
Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.


Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
unless a copyright notice is included.  Thus, we do not necessarily
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.


Most people start at our Web site which has the main PG search facility:

     http://www.gutenberg.org

This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
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