The Project Gutenberg EBook of Gesammelte Abhandlungen III, by Ernst Abbe

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Title: Gesammelte Abhandlungen III
       Vortr�ge, Reden und Schriften sozialpolitischen und verwandten Inhalts

Author: Ernst Abbe

Editor: S. Czapski

Release Date: November 11, 2006 [EBook #19755]

Language: German

Character set encoding: ISO-8859-1

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ANMERKUNGEN ZUR TRANSKRIPTION

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[Illustration: Phot. von Br�unlich & Tesch, Jena. Dr. E. Abbe]




Ernst Abbe � Gesammelte Abhandlungen III




Ernst Abbe

Gesammelte Abhandlungen III

1989

Georg Olms Verlag

Hildesheim � Z�rich � New York




Ernst Abbe


Vortr�ge, Reden und Schriften sozialpolitischen und verwandten Inhalts

1989

Georg Olms Verlag

Hildesheim � Z�rich � New York



Dem Nachdruck liegt ein Exemplar aus Privatbesitz zugrunde.

Nachdruck der Ausgabe Jena 1906 mit freundlicher Genehmigung des G.
Fischer Verlages in Heidelberg.

Printed in Germany

Herstellung: Friedr. Schm�cker, L�ningen

ISBN 3-487-09123-2




Gesammelte Abhandlungen

von

Ernst Abbe.

Dritter Band.

Vortr�ge, Reden und Schriften sozialpolitischen und verwandten Inhalts.

Mit einem Portr�t des Verfassers.

Verlag von Gustav Fischer in Jena.

1906. Sozialpolitische Schriften

von

Ernst Abbe.

Mit einem Portr�t des Verfassers.

Verlag von Gustav Fischer in Jena.

1906.




Vorwort.


ERNST ABBE war nicht im engeren Sinne des Worts wissenschaftlicher
Forscher auf dem Gebiet der Volkswirtschaft und der Sozialpolitik und
noch weniger f�hlte er sich berufen, darin als Schriftsteller oder
Redner auf weitere Kreise zu wirken. Haben doch sogar auf seinem
eigentlichen Arbeitsgebiet, der theoretischen und angewandten Physik
(Optik), mancherlei widrige Umst�nde die schriftliche Darstellung seiner
wichtigsten Forschungen verhindert -- wie ich im Vorwort zum I. Band
seiner Gesammelten Abhandlungen (Gustav Fischer, Jena 1904) kurz
dargelegt habe.

Aber er gibt in der Einleitung zu dem ersten der hier abgedruckten
Vortr�ge selbst an, inwiefern er sich �legitimiert halte, mitzureden�
bei der Er�rterung der einschl�gigen Fragen (S. 4): da� er gegen�ber dem
Mangel gr�ndlichen systematischen Studiums der volkswirtschaftlichen und
sozialen Theorien und der mangelnden Beteiligung an der �ffentlichen
Diskussion dieser Angelegenheiten sich berufen k�nne auf etwas, was in
der Art, wie er es habe, nicht viele haben k�nnten: eine _eigene
lebendige Erfahrung_. Denn mit Ende der sechziger Jahre halb
unfreiwillig mehr und mehr mit einem schnell aufbl�henden industriellen
Betriebe (der Optischen Werkst�tte von CARL ZEISS in Jena) verbunden,
habe er sich gew�hnen m�ssen, alle Vorkommnisse in zweierlei Art
anzusehen und zu pr�fen: mit den Augen des Unternehmers und Kapitalisten
-- was beides zu werden er sich noch in seinen Studentenjahren nie h�tte
tr�umen lassen -- und �zugleich mit den Augen des Arbeitersohnes, dem
�ber Nacht nicht Kapitalistenaugen wachsen wollten�, mit den Augen des
Mannes, der in der m�hsam erworbenen gehobenen Lebensstellung seine
Abstammung nicht wie so mancher andere zu verbergen und zu vertuschen
suchte, sondern gerade umgekehrt aus ihr �berall den starken Antrieb
entnahm, die scheinbar und in Wahrheit oft so widerstreitenden
Interessen der sich immer sch�rfer sondernden �Klassen� nach Kr�ften in
Einklang miteinander zu bringen.

Dieser doppelte Standpunkt -- des �Unternehmers und Kapitalisten� und
des �Arbeitersohnes� -- ist es, der den Gedankeng�ngen und Ausf�hrungen
ERNST ABBES auf diesem Gebiete das charakteristische Gepr�ge gibt. Ihre
Autorit�t, den Anspruch auf ernste Beachtung aber d�rfen sie ableiten
aus der auf anderen Gebieten stattsam bekundeten, erprobten und daher
allseitig anerkannten, geistigen und nicht minder auch der sittlichen
Bedeutung und Gr��e ihres Urhebers. Die erstere bef�higte ihn, in
geistvollen theoretischen und experimentellen Studien der angewandten
Optik, der Theorie und Technik der optischen Instrumente eine neue
Grundlage zu geben und in unabl�ssiger Arbeit einen gro�en Teil des auf
diesem Grunde beruhenden Geb�udes selbst zu errichten. Die Gedanken und
Pl�ne, die ERNST ABBE in der an _zweiter_ Stelle abgedruckten
�Ged�chtnisrede zur Feier des 50j�hrigen Bestehens der Optischen
Werkst�tte� seinem �lteren Sozius und Freunde CARL ZEISS zuschreibt,
sind f�r alle mit den Verh�ltnissen genauer Bekannten ganz unverkennbar
zum gro�en Teile vielmehr seine eigenen Gedanken und Pl�ne gewesen. Und
auch darin war der Name CARL ZEISS gewisserma�en das Pseudonym f�r ERNST
ABBE, da� das unter jenem Namen gegr�ndete und dauernd weitergef�hrte
wirtschaftliche Unternehmen -- eben die Jenaer Optische Werkst�tte --
ihre gesunde _Grundlage_ wohl dem trefflichen Manne verdankt, der sie
gegr�ndet hatte, da� ihr au�erordentlicher Aufschwung seit Anfang der
siebziger Jahre und ihre eigent�mliche _Bedeutung_ in wissenschaftlich
technischer wie sozialpolitischer Beziehung aber unzweifelhaft allein
auf ERNST ABBE zur�ckzuf�hren ist.

Dieses sozialpolitische Gepr�ge, die �Verfassung�, die ERNST ABBE --
bezeichnenderweise wieder �f�r alle Zeiten� auf den Namen seines
Freundes CARL ZEISS getauft -- den beiden hiesigen Betrieben gab, ist
die markanteste Bekundung seiner sittlichen Eigenart. Ich habe unter dem
frischen Eindruck seines Todes in meiner Gedenkrede bei der Trauerfeier
f�r ihn einen schwachen Versuch gemacht[1];, sie zu kennzeichnen, ohne
sie entfernt ersch�pfen zu wollen und zu k�nnen.

Das �sozialpolitische System� ERNST ABBES hat einer seiner Kollegen von
der th�ringischen Hochschule, dem er im politischen Kampfe oft genug
schroff gegen�berstand, f�r den er aber durch diese Gegnerschaft
menschlich nicht das mindeste an Bedeutung und Gr��e eingeb��t hatte,
der Sprachforscher B. DELBR�CK, in dem Nachruf zusammenzufassen gesucht,
den er dem Dahingegangenen in der Staatswissenschaftlichen Gesellschaft
zu Jena gewidmet hat: �Es kommt in der Gesellschaft nur an auf die
F�rderung der Gesamtinteressen; das Gl�ck des einzelnen aber ist
gleichg�ltig.� An dasjenige, was die Gesellschaft zu verteilen hat, hat
nur der Anspruch, der arbeitet, und die Verteilung ist nicht anders zu
regeln als nach den Gesichtspunkten strengster Gerechtigkeit ohne irgend
eine historisch oder sonst begr�ndete Bevorzugung. Diese v�llige
Ablehnung jedes Eud�monismus geh�rte aber nicht etwa blo� dem System an,
sondern zeigte sich ebenso in ABBES Leben. System und Leben war bei ihm
aus einem Gu�. Da� es auf das sogenannte Gl�ck des einzelnen nicht
ankommt, hat er aufs gro�artigste erwiesen in seiner eigenen Person. Es
hat ja oft M�nner gegeben, die ihre Reicht�mer wegwarfen und sich nach
einem Leben voll Taten und S�nden in Kl�ster oder W�lder zur�ckzogen;
aber da� jemand in der vollen Kraft seines Daseins und Wirkens auf sein
Erworbenes in der Weise verzichtet, wie ERNST ABBE, das ist gewi� etwas
sehr Seltenes. Was er so an sich selbst zur Darstellung brachte,
w�nschte er nat�rlich auch von anderen, wie an einem Beispiel statt
vieler gezeigt sein mag. Er hatte einen Lieblingsgedanken, der ihm aber
schlie�lich von anderen ausgeredet wurde, n�mlich eine Stiftung ins
Leben zu rufen f�r S�hne der handarbeitenden Klasse, um denselben die
M�glichkeit zu geben, in h�here Stellungen im Staate aufzusteigen. Damit
wollte er aber, wie er ausdr�cklich bemerkte, nicht etwa das Gl�ck des
einzelnen erh�hen -- er nahm vielmehr an, da� unter Umst�nden das
Gegenteil eintreten k�nne, indem mancher sich vielleicht in der neuen
Stellung ungl�cklich f�hlen w�rde: aber ABBE meinte, das Aufsteigen in
h�here Schichten sei im allgemeinen Interesse notwendig, und so liege
hier f�r den einzelnen ein St�ck der allgemeinen Dienstpflicht vor, die
wir alle der Gesellschaft schuldig sind.

�Wenn man sich so recht die Eigent�mlichkeiten dieses ABBE-schen Systems
klar machen will, mu� man es vergleichen mit den gro�artigen
Wohlt�tigkeitsanstalten der katholischen Kirche. W�hrend dort die
erbarmende Menschenliebe, die Caritas, die Grundlage bildet, ist diese
Vorstellung bei ABBE vollst�ndig ausgeschaltet. Ein jeder soll das
bekommen, worauf er Anspruch hat, nicht mehr und nicht weniger. ABBE
w�nschte sogar, wo es nur irgend m�glich war, einen klagbaren Anspruch
f�r den einzelnen an die Gesellschaft. Will man Stellung zu diesem
System nehmen, so kann es nicht geschehen, indem man Einzelheiten
herausgreift, sondern man mu� das Ganze ins Auge fassen und seinen
Standpunkt auf der reinen H�he philosophischer Betrachtung w�hlen.�

Es ist wohl bezeichnend genug f�r die sozialpolitischen
Ver�ffentlichungen ERNST ABBES, wie vor allem f�r den Mann selber, da�
die erste, die er der M�he der Drucklegung f�r wert erachtete, von ihm
im Alter von 54 Jahren verfa�t wurde, also zu einer Zeit, wo er in
seinem beruflichen Wirken auf der H�he des Erfolges stand und wo er den
entscheidenden Schritt zu seiner sozialpolitischen Neusch�pfung auch
schon getan hatte. So bedeutet denn die der Zeit nach zweite
�Publikation� (in der vorliegenden Sammlung unter IX abgedruckt) kein
Theoretisieren mehr, sondern sie ist der Ausdruck einer Tat: der
Gr�ndung der _Carl Zeiss-Stiftung_, deren �Verfassung� sie enth�lt. Alle
�brigen hier gesammelten Schriften, Vortr�ge und Reden sind ebenso wie
die genannten Gelegenheitserzeugnisse -- mit allen Vorz�gen und M�ngeln
solcher behaftet. Einige, wie au�er den oben erw�hnten Vortr�gen �Welche
sozialen Forderungen soll die Freisinnige Volkspartei in ihr Programm
aufnehmen� (Nr. I), die sch�ne �Ged�chtnisrede zur Feier des 50j�hrigen
Bestehens der Optischen Werkst�tte� (Nr. II), der Vortrag ��ber
Gewinnbeteiligung der Arbeiter in der Gro�industrie� (Nr. III), dann
aber auch Nr. V (Zur Frage der Sonderbesteuerung des Konsumvereins) und
Nr. VI (Die rechtswidrige Beschr�nkung der Versammlungsfreiheit im
Gro�herzogtum Sachsen) sind sorgf�ltig redigiert und zum Teil auch
direkt f�r die Drucklegung vorbereitet bezw. schon einmal unter Aufsicht
des Verfassers gedruckt. Bei mehreren anderen fand sich ihm zu
sorgf�ltigerer Ausarbeitung nicht die n�tige Mu�e und ich bin gewi�, da�
ERNST ABBE selbst nichts weniger als einverstanden gewesen w�re mit
ihrer Ver�ffentlichung in der vorliegenden Gestalt. Ich glaubte aber,
gerade diese Vortr�ge, die sich einerseits n�her mit den Verh�ltnissen
im eigenen Betrieb befassen, andererseits bei der Diskussion der dort
bestehenden Verh�ltnisse interessante Schlaglichter auf das werfen, was
�berall unter �hnlichen Umst�nden d. h. in industriellen Gro�betrieben
gilt oder Gegenstand der Kontroverse ist, nicht unterdr�cken zu d�rfen.
Es sind dies: Nr. IV ��ber die Grundlagen der Lohnregelung in der
Optischen Werkst�tte� (1897), Nr. VIII ��ber die Aufgaben des
Arbeiterausschusses� (1902) -- beide schon einmal von mir herausgegeben
f�r die Angeh�rigen der Stiftungsbetriebe -- und dann besonders Nr. VII,
der wichtige Vortrag ��ber die volkswirtschaftliche Bedeutung der
Verk�rzung des industriellen Arbeitstages�.

Mit dem letztgenannten Gegenstand besch�ftigte sich ERNST ABBE bis in
die letzte Zeit. Er hatte den entscheidenden Ansto� dazu durch
Diskussionen �ber Verk�rzung des Arbeitstages im Arbeiterausschu� der
Firma Carl Zeiss (Winter 1899/1900) erhalten, die zu der erst
versuchsweisen (1900), dann endg�ltigen (1901) Einf�hrung des
achtst�ndigen Arbeitstages in deren Betrieb Veranlassung gaben. Bei
beiden Gelegenheiten hatte sich ABBE in �Werkstatt-Versammlungen�
ausf�hrlich zur Sache ge�u�ert. Auf den hier abgedruckten, in der
Staatswissenschaftlichen Gesellschaft zu Jena Ende 1901 gehaltenen,
Vortrag folgte ein solcher �ber den gleichen Gegenstand bei der
Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft f�r Mechanik und Optik zu
Dresden, September 1902, der inhaltlich wie formell vortrefflich gewesen
sein soll, von dem aber leider keine genaue Nach- oder Niederschrift
vorhanden ist. Einen Nachtrag zu dem Thema gab ERNST ABBE dann sp�ter
bei einem der �Referierabende� einer privaten zwanglosen Vereinigung
einiger naturwissenschaftlicher Dozenten der Universit�t Jena; doch war
auch hier�ber nichts Authentisches zu finden. Von der beabsichtigten
gr�ndlichen Bearbeitung bezw. Darstellung des Gegenstandes, von der
ERNST ABBE wiederholt behauptete, da� ihre R�sonnements f�r jeden
logisch Denkenden durchaus zwingend sein w�rden, hielt ihn das schnell
sich steigernde mit dem Tode endigende Siechtum ab.

Ich habe die mir zur Verf�gung stehenden einschl�gigen Schriften,
Vortr�ge und Reden ABBES der Hauptsache nach in chronologischer
Reihenfolge wiedergegeben. Das Statut der Carl Zeiss-Stiftung selbst
aber habe ich mit seinen von ABBE teils f�r dessen Beratung, teils
hinterher niedergeschriebenen �Motiven und Erl�uterungen� geglaubt an
den Schlu� stellen zu sollen -- schon aus dem �u�erlichen aber
wichtigen Grunde, um es gleich in der Neuredaktion vom 1. Januar 1906
(aber mit den Varianten der urspr�nglichen Ausgabe) abdrucken zu k�nnen.
Man kann alle �brigen hier gebrachten Schriften und Vortr�ge wohl mit
gutem Recht auch als �Motive und Erl�uterungen zum Statut der Carl
Zeiss-Stiftung� bezeichnen. Denn in dem Statut hatte das
sozialpolitische Glaubensbekenntnis ERNST ABBEs seinen praktisch
realisierbaren Ausdruck gefunden. Nur die beiden unter V und VI
abgedruckten Vortr�ge haben keinen Bezug auf das Stiftungsstatut, sind
�berhaupt nicht sozialpolitischen, sondern der eine wirtschafts-der
andere rein staatspolitischen Inhalts. Es ist aber namentlich die Rede
��ber die rechtswidrige Beschr�nkung der Versammlungsfreiheit� so
charakteristisch in Inhalt wie Form f�r den Redner als Pers�nlichkeit,
da� ich gewi� bin, allen Freunden ERNST ABBEs durch deren Wiederabdruck
eine Freude zu bereiten, selbst wenn Juristen zu einem anderen Ergebnis
der Beweisf�hrung kommen sollten.

Bei der Herausgabe der folgenden Bl�tter leistete mir Herr G. PAGA,
hier, hilfreichsten Beistand, ohne dessen Zusicherung ich die Arbeit
angesichts meiner sonstigen Beanspruchung von vornherein nicht
�bernommen h�tte. Nicht nur die gesamte �berwachung der Drucklegung ist
sein Verdienst, sondern namentlich auch in der Feststellung eines
halbwegs lesbaren d. h. vern�nftigen Sinn ergebenden Textes bei den nur
in unvollkommenen Nachschriften vorhandenen Reden und Vortr�gen hat mich
Herr PAGA dank seinem liebevollen Eingehen auf und Verst�ndnis f�r den
Gegenstand aufs wirksamste unterst�tzt. Ich erf�lle nur eine Pflicht,
indem ich ihm auch an dieser Stelle f�r seine teilnehmende Mitarbeit
herzlichsten Dank sage.

       *       *       *       *       *

F�r manche Leser ist es vielleicht erw�nscht, die an �u�eren
Begebenheiten verh�ltnism��ig arme, an innerem Geschehen daf�r desto
reichere Lebensgeschichte ERNST ABBEs in ihren Hauptz�gen kennen zu
lernen. Ich lasse sie deshalb hier folgen:

ERNST CARL ABBE wurde am 23. Januar 1840 als Sohn des Spinnmeisters
einer Fabrik in Eisenach geboren und besuchte bis zu seinem 10.
Lebensjahre die dortige erste B�rgerschule. Deren Lehrer, denen die
ungew�hnliche Begabung des Knaben auffiel, bewogen den Vater, ihn auf
das Realgymnasium (damals Realschule I. Ordnung) zu geben, wo er im
Jahre 1857 das Abiturientenexamen mit besonderer Auszeichnung bestand.
Von Ostern 1857 bis ebendahin 1859 studierte ERNST ABBE Mathematik,
Physik, Astronomie und Philosophie an der Universit�t Jena, wo er sich
besonders an K. SNELL anschlo�, von 1859-1861 in G�ttingen, wo neben dem
ber�hmten Physiker W. WEBER der gro�e Mathematiker B. RIEMANN den
st�rksten Einflu� auf sein Denken gewann. Dort promovierte ERNST ABBE
1861 mit einem kritischen Beitrag zur mechanischen W�rmetheorie und nahm
dann die Stelle eines Dozenten am physikalischen Verein in Frankfurt
a. M. an, die er aber bald aufgab, um nach Durchf�hrung einiger privaten
Studien auf Veranlassung SNELLS sich 1863 in Jena als Privatdozent zu
habilitieren. W�hrend der Universit�tszeit hatten neben der nat�rlich
sehr geringen vom Vater gew�hrten Beihilfe Preisaufgaben, Stipendien und
Privatstunden die freilich oft kaum ausreichenden Mittel zum
Lebensunterhalt gew�hrt. Als Privatdozent erteilte ERNST ABBE Unterricht
an der K. V. Stoyschen Seminarschule, erhielt aber von Anbeginn an auf
Veranlassung von K. M. SEEBECK, dem damaligen Kurator der Universit�t,
der von ERNST ABBEs hervorragender Bedeutung �berzeugt war und ihn auf
jede Weise zu f�rdern suchte, einen kleinen Gehalt. Seine Ernennung zum
au�erordentlichen Professor erfolgte 1870.

Mehrere Jahre vorher schon hatte ERNST ABBE begonnen, dem Jenaer
Universit�tsmechaniker CARL ZEISS bei dessen auf Konstruktion und
Verbesserung der Mikroskope gerichteten Bem�hungen behilflich zu sein.
Dieses Zusammenarbeiten wurde ein immer engeres, auch der �u�ere Erfolg
stellte sich bald ein und 1875 trat ERNST ABBE auf dringenden Wunsch von
CARL ZEISS als stiller Gesellschafter in dessen Unternehmen ein. Auf
Grund dieser inneren und �u�eren Bindung schlug er im gleichen Jahre die
Berufung als Ordinarius nach Marburg und eine ihm von HELMHOLTZ
angetragene Stelle als Mitleiter des neu zu errichtenden physikalischen
Instituts in Berlin aus, und glaubte auch die in Jena f�r Physik
errichtete ordentliche, mit der Leitung des Instituts verbundene,
Professur nicht annehmen zu d�rfen. Die ihm durch den Lehrauftrag f�r
theoretische Physik und Astronomie und die Leitung der Sternwarte
obliegenden Pflichten erf�llte ERNST ABBE bis 1889, wo auf seinen Wunsch
f�r beide Stellen Nachfolger ernannt wurden. Von dieser Zeit an hielt
ABBE nur noch gelegentlich Vorlesungen. Vorwiegend widmete er seine
Kr�fte seit Anfang der 70er Jahre den auf das Emporbl�hen der Optischen
Werkst�tte gerichteten und durch deren Wachstum bedingten
wissenschaftlichen, technischen und organisatorischen Aufgaben. 1879
trat ERNST ABBE mit dem Glash�ttentechniker Dr. OTTO SCHOTT aus Witten
in Beziehung wegen Beschaffung neuen Materials f�r die praktische Optik;
dieses Verh�ltnis wurde ebenfalls bald ein engeres und 1882 siedelte
SCHOTT nach Jena �ber, um zun�chst auf private Kosten ABBEs die
begonnenen Versuche energischer zu f�rdern. Nach deren Gelingen wurde
1884 von ABBE</SC>, <SC>SCHOTT</SC> UND <SC>ZEISS (sen. und jun.) das sogen.
�Glastechnische Laboratorium Schott & Genossen� gegr�ndet, das in den
ersten beiden Jahren seines Bestehens von der preu�ischen Regierung im
allgemeinen Staatsinteresse subventioniert wurde, von da an aber auf
eigenen F��en stand.

_Die bedeutendsten wissenschaftlichen und technischen Leistungen_ ERNST
ABBEs waren:

In erster Linie die Ausarbeitung einer _Theorie der mikroskopischen
Abbildung_ (Abbildung nicht selbstleuchtender Objekte), f�r die zur Zeit
seines Beginnens auch nicht der geringste Ansatz gegeben war und die
sich ganz in Gegensatz zu der herrschenden Lehre stellte. Die Grundz�ge
dieser Theorie ver�ffentlichte ERNST ABBE 1873, ihre Ausbildung
besch�ftigte ihn mit Unterbrechungen immer wieder, und es war einer von
seinen eigenen und seiner Freunde Hauptw�nschen bei seinem R�cktritt von
der Leitung der Optischen Werkst�tte, da� er nun zur ausf�hrlichen
Darstellung der von ihm gewonnenen Resultate die lange vergeblich
ersehnte Mu�e finden m�ge.

In zweiter Linie ist zu nennen die Begr�ndung einer auf Wissenschaft,
auf strenger theoretischer Vorausberechnung _aller_ Elemente (Radien,
Dicken, Durchmesser, Abst�nde, Glaseigenschaften usw.) beruhenden
_mikroskopischen Technik_, die bei ihrer au�erordentlichen Schwierigkeit
seinerzeit kaum f�r m�glich gehalten wurde (f�r das Fernrohr war
Entsprechendes in der Hauptsache fr�her von FRAUNHOFER, f�r das
photographische Objektiv von SEIDEL</SC> UND <SC>STEINHEIL erreicht).

An dritter Stelle sind eine Anzahl hervorragender optischer und
mechanischer _Erfindungen_ bezw. _Konstruktionen_ und zahlreiche
bedeutende _Fortschritte in der Erkenntnis vom Wesen der optischen
Instrumente_ anzuf�hren. So unter der einen Rubrik die nach ihm
benannten _Refraktometer_ (ca. 1870), der _Beleuchtungsapparat_ zum
Mikroskop (1872), die Systeme der _homogenen Immersion_ (1878/79), die
_Apochromate_ (1886), die _Relieffernrohre_, unter der anderen Rubrik
die Grundlegung der geometrischen Optik ohne Beziehung auf die Mittel zu
deren Verwirklichung, die Theorie des Strahlengangs (Bedeutung der
Begrenzungen, �Eintritts-� und �Austrittspupille�), die Theorie der
Lichtst�rke in optischen Instrumenten und zahlreiche Beitr�ge zur
Theorie der Abbildungsfehler.

Ende 1888 starb Dr. CARL ZEISS, Ende 1889 trat der 1881 als Mitteilhaber
in die Firma eingetretene Sohn Dr. RODERICH ZEISS von der Leitung des
Unternehmens zur�ck und ABBE blieb bis 1891 alleiniger Leiter. In der
Zwischenzeit, von 1889 bis 1891, wurden die Unterhandlungen betrieben,
die dazu f�hrten, da� am 1. Juli 1891 die von ERNST ABBE schon 1886
geplante, im Mai 1889 zustande gekommene �Carl Zeiss-Stiftung� alleinige
Inhaberin der Optischen Werkst�tte und Mitinhaberin des Glaswerks von
Schott & Gen. wurde. Das Statut der Stiftung wurde am 26. Juli 1896 von
ERNST ABBE vollzogen, am 16. August 1896 landesherrlich best�tigt. Der
Stiftung �bermittelte ERNST ABBE 1891 sein ganzes Verm�gen bis zur
gesetzlich zul�ssigen Grenze und behielt sich f�rderhin nur die Stellung
eines �Mitglieds der Gesch�ftsleitung� vor.

Diese legte ABBE im April 1903 nieder, um sich, nach damals noch
gehoffter Wiederherstellung seiner stark angegriffenen Gesundheit,
ungebundener einzelnen wissenschaftlichen und technischen Aufgaben
hingeben, eine genauere Begr�ndung des Statuts u. a. m. ausarbeiten zu
k�nnen. Dem Siechtum lie� sich aber nicht mehr Einhalt tun und der
schnelle Verfall der Kr�fte endete am 14. Januar 1905 mit dem Tode.

Jena, 15. Juni 1906.

Dr. S. Czapski.

Fu�noten:

[Fu�note 1: Gedenkreden und Ansprachen bei der Trauerfeier f�r ERNST
ABBE am 17. Januar 1905 (Jena, in Kommission bei Bernh. Vopelius). Vgl.
auch u. a. die Nekrologe von AUERBACH</SC> (NATURWISSENSCHAFTL. WOCHENSCHR.
1905, NR. 9 UND PLUTUS 3. HEFT), <SC>CZAPSKI (Verhandl. der Deutschen
Physik. Gesellschaft, VII. Jahrg., Nr. 6), KR�SS (Deutsche
Mechaniker-Zeitung 1905, Nr. 2), v. ROHR (Zeitschr. f. Instrumentenkunde
1905, 3. Heft), M. V. (Deutsche Rundschau, Jahrg. 1905/06, Bd. II),
WANDERSLEB (Naturwissenschaftl. Rundschau 1905, Nr. 14).]




Inhalt.

                                               Seite

I.    Welche sozialen Forderungen soll die Freisinnige Volkspartei
      in ihr Programm aufnehmen? (1894)                                1-59
        A. Steuersystem                                                   1
        B. Arbeiterschutz                                                26
        Anhang (Aus �Entwurf zu einem Statut der Carl
        Zeiss-Stiftung�.)                                                56

II.   Ged�chtnisrede zur Feier des 50j�hrigen Bestehens der
      Optischen Werkst�tte (1896)                                    60-101

III.  �ber Gewinnbeteiligung der Arbeiter in der Gro�industrie
      (1897).                                                       102-118

IV.   �ber die Grundlagen der Lohnregelung in der Optischen
      Werkst�tte (1897)                                             119-156

V.    Zur Frage der Sonderbesteuerung des Konsumvereins (1898)      157-169

VI.   Die rechtswidrige Beschr�nkung der Versammlungsfreiheit im
      Gro�herzogtum Sachsen (1900)                                  170-202

VII.  Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Verk�rzung des
      industriellen Arbeitstages (1901)                             203-249

VIII. �ber die Aufgaben des Arbeiterausschusses (1902)              250-261

IX.   Statut der Carl Zeiss-Stiftung zu Jena (Text der Neuredaktion
      von 906 mit den Varianten der Ausgabe von 1896) nebst
      Erg�nzungsstatut (1900)                                       262-329

X.    Motive und Erl�uterungen zum Entwurf eines Statuts der
      Carl Zeiss-Stiftung (1895)                                    330-372

Xa.   Motive und Erl�uterungen. Nachtrag zum zweiten Entwurf,
      Titel V (1896)                                                373-387

Xb.   Die Verfassung der Carl Zeiss-Stiftung. Erl�uterungen zu
      Titel I und II des Stiftungsstatuts (1900)                    388-402





I.

Welche soziale Forderungen soll die Freisinnige Volkspartei in ihr
Programm aufnehmen?


Zwei Vortr�ge, gehalten im Freisinnigen Verein zu Jena am 7. und 21.
M�rz 1894.


A. Steuersystem.


_Meine Herren!_

Unser Verein hat, wie Sie wissen, beschlossen, an der Ausgestaltung des
Parteiprogramms der Freisinnigen Volkspartei t�tig sich zu beteiligen.
Wir wollen darauf hinzuwirken versuchen, da� auf dem Parteitag, der in
diesem Jahre bevorsteht, der jetzt reinlich abgesonderte demokratische
Fl�gel der fr�heren Deutschfreisinnigen Partei eine klare und
entschiedene Stellung nehme zu den wirtschaftlichen und sozialen
Angelegenheiten, welche das Volk bewegen. Und zwar wollen wir darauf
hinzuwirken versuchen, da� diese Stellungnahme eine _andere_ werde, als
sie werden k�nnte gem�� den sozialpolitischen Anschauungen, die in der
ehemaligen Deutschfreisinnigen Partei und in ihrer Vorg�ngerin, der
Fortschrittspartei, die herrschenden immer geblieben sind.

Unentwegt wollen wir dabei zu denen stehen, deren politische Arbeit
darauf gerichtet ist, dem Deutschen Volk das gr��ere Ma� von
b�rgerlicher Freiheit und Selbstbestimmung noch zu erringen, welches den
nordischen und anglo-s�chsischen Zweigen des germanischen Stammes eine
gl�cklichere Geschichte schon vor Jahrhunderten hat zuteil werden
lassen. Und wir wissen Dank den M�nnern, die in der schweren Zeit der
letzten 16 Jahre die Fahne des politischen Fortschrittes noch
hochgehalten haben und nicht entmutigt durch die �bermacht der Gegner
und durch die Teilnahmlosigkeit des B�rgertums, in dieser Zeit, wenn sie
auch nur weniges f�rdern konnten, doch noch manches gerettet haben, was
ohne ihre energische und aufopferungsvolle Arbeit jetzt gleichfalls
verloren w�re. Nach wie vor halten wir dabei auch fest an der
�berzeugung, da� nur gefestigte Institutionen b�rgerlicher Freiheit, die
allen Kreisen des Volkes t�tige Teilnahme an seinen �ffentlichen
Angelegenheiten gew�hrleisten, den Hort bilden k�nnen f�r gesunde
wirtschaftliche und soziale Zust�nde.

Dieses alles kann uns aber nicht abhalten, auch der weiteren �berzeugung
Ausdruck zu geben, die in unserem Kreise l�ngst feststeht: da� die
Freisinnige Volkspartei, wenn sie mit der Verfolgung jener politischen
Ziele ein lebenskr�ftiger Faktor f�r die Fortentwickelung unseres
�ffentlichen Lebens bleiben will, nunmehr andere Wege beschreiten m�sse,
als in bezug auf mehrere Angelegenheiten des Volksinteresses von ihrer
Vorg�ngerin eingeschlagen worden sind.

Jede politische Partei sehen wir vor die Alternative gestellt: entweder
sie leugnet, da� in unseren wirtschaftlichen Einrichtungen und sozialen
Zust�nden ernstliche �bel �berhaupt vorhanden seien, sie behauptet,
alles sei der Hauptsache nach in bester Ordnung und deshalb liege zu
Verbesserungen und Reformen Anla� gar nicht vor; oder sie erkennt solche
�bel als wirklich vorhanden an -- damit aber auch die Verpflichtung,
_positiv_ mitzuarbeiten zu ihrer Beseitigung auf dem Weg gesetzlicher
Reform, unbek�mmert darum, von welcher Seite dabei Bundesgenossen zu
finden man hoffen oder f�rchten mag.

Der erstere von beiden Standpunkten ist f�r irgend eine liberale Partei
nicht mehr denkbar, am wenigsten aber f�r eine Partei, welche die
soziale Befreiung der arbeitenden Klassen schon als Aufgabe hingestellt,
damit also ausgesprochen hat, da� diese Befreiung zurzeit noch nicht
vollzogen sei. Ist aber die Existenz allgemeiner wirtschaftlicher und
sozialer �bel im Volksleben einmal anerkannt, so ist damit auch
anerkannt, da� es sich um �bel handelt, die notwendigerweise neun
Zehntel des ganzen Volkes -- sei es auch den einzelnen zum Teil noch
unbewu�t -- ber�hren m�ssen. �beln solcher Art gegen�ber das alsbaldige
t�tige Eingreifen mit wirklichen konkreten Reformen abzulehnen unter der
platonischen Vertr�stung: der Fortschritt in der Richtung b�rgerlicher
und wirtschaftlicher Freiheit werde sie mit der Zeit von selbst
�berwinden, hie�e einfach, jedem erkennbar machen, da� man diese �bel
entweder nicht beseitigen wolle, oder da� man sie auf dem Wege
gesetzlicher Reformen nicht beseitigen _k�nne_. Und dann w�re denen
recht gegeben, welche behaupten, da� diese �bel auf dem Boden der
jetzigen Staats- und Gesellschaftsordnung �berhaupt nicht zu �berwinden
seien, sondern nur durch v�llige Umw�lzung dieser Ordnung und welche
daraufhin ganz konsequenterweise sagen: wenn solche Umw�lzung auf
friedlichen Wegen nicht zu erreichen sein sollte, so wird sie wohl oder
�bel einmal auf gewaltsamen Wegen sich vollziehen m�ssen.

Wie t�richt und unheilvoll nun auch die Verbesserungsideen der
Sozialdemokratie befunden werden m�gen -- _keine_ Ideen haben zu wollen
ist ihr gegen�ber noch viel t�richter und unheilvoller. L��t man der
Sozialdemokratie das Privilegium, die einzige politische Partei zu sein,
welche �ber die Verbesserung der sozialen Zust�nde noch Ideen hat, so
m�ssen die t�glich gr��er werdenden Kreise derer, denen die �bel, unter
welchen sie tats�chlich leiden, zum Bewu�tsein kommen, mehr und mehr
ihre Hoffnung auf die Verwirklichung _dieser_ Ideen setzen und mehr und
mehr in dieser Partei die einzige Instanz erblicken, von deren Aktion
sie eine Hebung ihrer Lage �berhaupt zu erwarten haben. _Und dann geh�rt
die Zukunft dem �Zukunftsstaat�!_ Denn da� die Polizeikn�ppel schlechte
geistige Waffen sind, hat zum �berflu� auch der Versuch gezeigt. Eine
Partei aber, welche zwar eine �Volkspartei� sich nennt, jedoch bei der
gro�en Majorit�t des �Volkes� mehr und mehr das Vertrauen verl�re, da�
sie den Willen und die F�higkeit habe, gerechten Beschwerden auf ihren
Wegen Abhilfe zu schaffen, w�rde bald auch alle Kraft zu nachhaltiger
Vertretung ihrer rein politischen Ziele verloren haben. Diese Kraft kann
sie nur sch�pfen aus engem Zusammenhang ihrer Bestrebungen mit
denjenigen Gedanken, unter welchen in den breiten Schichten des Volkes
die Teilnahme an den �ffentlichen Angelegenheiten jeweils steht.

     So mu� also unsere Diskussion unter die Fragestellung kommen:
     welche soziale Forderungen hat eine �freisinnige Volkspartei� in
     ihr Programm aufzunehmen, _damit sie ihren Namen mit Ehren f�hren
     k�nne?_

Ich habe mich erboten, �ber diese Frage das einleitende Referat zu
�bernehmen, welches zun�chst in unserem Kreise Unterlagen f�r eine
Verst�ndigung �ber das einzelne zu schaffen suchen soll.

Betreffs meiner Legitimation hierzu kann ich mich allerdings nicht
berufen auf ein gr�ndliches, systematisches Studium der
volkswirtschaftlichen und sozialen Theorien und selbst nicht einmal
darauf, da� ich etwa in der �ffentlichen Diskussion dieser
Angelegenheiten praktisch mich schon bet�tigt h�tte. Zum einen wie zum
anderen haben meine sonstigen Pflichten mir Zeit und Kraft nicht �brig
gelassen. Diesem Mangel gegen�ber kann ich mich jedoch auf etwas
berufen, was in der Art, wie ich es habe, nicht viele haben k�nnen: eine
eigene _lebendige_ Erfahrung. Denn seit ungef�hr 25 Jahren bin ich
mitten hinein gestellt in das Wirtschaftstreiben, auf dessen Boden die
sozialen Vorg�nge und Erscheinungen sich abspielen. Und zwar haben die
Umst�nde es mit sich gebracht -- was ich als Student mir nicht h�tte
tr�umen lassen -- da� ich selbst �Unternehmer� geworden bin, n�mlich
einer, der die gewerbliche T�tigkeit von vielen andern Personen, zuerst
von 20, dann von 100 und zuletzt von 500, in den Formen gemeinsamer
fabrikatorischer Arbeit mit zu organisieren und zu leiten hatte -- was
ja wohl unter allen Umst�nden ein n�tzlicher und anst�ndiger Beruf ist.
Da aber diese T�tigkeit Erfolg hatte, so bin ich dabei mit der Zeit von
selbst auch Kapitalist geworden, d. h. einer von denen, welche
angesammelten Ertrag vorangegangener Arbeit als Produktionsmittel f�r
weitere Arbeit vorzuhalten haben. Ich habe also Gelegenheit gehabt, die
Erscheinungen des heutigen Wirtschaftslebens im Bereich eines einzelnen
Industriezweiges, aus allern�chster N�he anzusehen, und dadurch zugleich
einen Schl�ssel gewonnen f�r das Verst�ndnis entsprechender
Erscheinungen auf Gebieten au�erhalb meines eigenen Wirkungskreises.
Gem�� den Pflichten, welche meine Stellung mir auferlegte, mu�te ich nun
diese Erscheinungen stets betrachten vom Standpunkt des Unternehmers und
des Kapitalisten. Gleichzeitig aber habe ich sie auch immer betrachten
m�ssen mit den Augen des Arbeitersohnes, dem nicht unter der Hand
Unternehmer- und Kapitalistenaugen wachsen wollten. Ich habe also diese
Vorg�nge gleichzeitig von ganz entgegengesetzten Seiten her ansehen
k�nnen: einerseits unter dem Gesichtswinkel des Unternehmer- und
Kapitalisteninteresses, andererseits aber auch vom Standpunkt des
Interesses der Arbeiter -- und dann habe ich, unabh�ngig von jeder
Beeinflussung durch �u�ere R�cksichten, aus beiden ein Fazit mir ziehen
k�nnen unter dem Gesichtspunkt des �ffentlichen Interesses und des
Gemeinwohls.

Auf diesem Wege bin ich im Laufe der Jahre zu ganz bestimmten Ansichten
gelangt �ber Bedeutung und Wirkung gewisser Einrichtungen unserer
gegenw�rtigen Wirtschaftsordnung und Staatsgesetzgebung und auch �ber
die Ursachen, aus welchen einzelne als besonders gef�hrlich zu
betrachtende Wirkungen hervorgehen. Diese Ansichten unterscheiden sich
allerdings in manchen St�cken stark von dem, was zu denken und zu sagen
in meinen Kreisen bei den meisten f�r wohlanst�ndig gilt. Indes trage
ich kein Bedenken, diese Ansichten, nachdem ich sie seit Jahren zu einer
Richtschnur des eigenen Handelns gemacht, aus dem jetzt gegebenen Anla�
auch �ffentlich auszusprechen und geeignetenfalls zu vertreten. Ihnen
entnehme ich also die Grundlagen meines Referates �ber die vorhin
gestellte Frage -- indem ich es darauf ankommen lasse, ob das eine oder
das andere darin etwa f�r geeignet befunden werden m�chte, als
Ausgangspunkt von neuen Bestrebungen de lege ferenda in einer
freisinnigen Volkspartei zu dienen. Es w�re aber nicht ehrlich, wenn ich
dabei verschweigen wollte, da� die erste Anregung zu eigener
Stellungnahme gegen�ber den sozialen Angelegenheiten sich mir ergeben
hat aus gelegentlichem pers�nlichen Verkehr mit einem der bedeutendsten
und hochachtbarsten F�hrer der deutschen Sozialdemokratie. Die �lteren
unter Ihnen erinnern sich wohl noch der Agitationsrede, welche der
�Drechslergeselle August Bebel� im Sommer 1871[2] hier im Engelsaale
gehalten hat. Wenn schon diese in den meisten Punkten meinen Widerspruch
herausforderte, so hat sie mir doch einen nachhaltigen Impuls gegeben,
angesichts der wirtschaftlichen Vorg�nge in meinem Umkreis immer die
Augen offen zu halten und insonderheit alles, woran ich selbst beteiligt
war, unter dem Bewu�tsein strenger Verantwortung zu betrachten. Des
weiteren aber waren mir von wesentlicher Hilfe zur Gestaltung meiner
Ansichten die wichtigen Ausf�hrungen der Bodenbesitzreformer, die mir
durch die Schriften Fl�rscheims und durch unseren Freund Dr. Harmening
n�her gebracht worden sind.

       *       *       *       *       *

Meine Aufgabe sehe ich nun hier ausschlie�lich darin: diejenigen Punkte
namhaft zu machen, an welchen die bisherigen Bestrebungen der
entschieden freisinnigen Parteien Ankn�pfung darbieten zur Weiterbildung
des Parteiprogramms in der Richtung auf fruchtbare soziale Reformen. Ich
habe sodann in concreto zu zeigen, da� gegen�ber unbestreitbaren
sozialen �beln und Gefahren, die in den gegenw�rtigen Zust�nden gegeben
sind, _wirkliche_ Reformen, welche den �beln an die Wurzel gehen, nicht
blo� an ihren Symptomen kurieren wollen, m�glich sind ohne Umw�lzung der
Gesellschafts- und Wirtschafts-Ordnung, vielmehr durch Ma�nahmen, die
auf dem Boden der bestehenden Staatseinrichtungen von der Gesetzgebung
-- wenn die entscheidenden Faktoren nur _wollen_ -- ohne weiteres
eingeleitet und schrittweise durchgef�hrt werden k�nnen. Denn es soll
sich nicht handeln d�rfen um irgend welche Zukunftsideale, deren
Verwirklichung, wenn �berhaupt denkbar, erst als Endergebnis eines
jahrhundertelangen Umbildungsprozesses m�glich w�re, sondern um
bestimmte Anforderungen, die vern�nftigerweise an die _heutige_
Gesetzgebung gestellt werden k�nnen. F�r das soziale Programm einer
politischen Reformpartei d�rfen nur Anforderungen in Betracht kommen,
deren Erf�llung, wie gro� auch die Widerst�nde sein m�chten, die sie von
Seiten bestimmter Interessengruppen zun�chst zu gew�rtigen haben, doch
nichts weiter zur Voraussetzung hat, als die allm�hliche �berwindung
_solcher_ Widerst�nde.

Es sind nun drei Punkte, auf welche ich in solchem Sinne hier einzugehen
gedenke: die _Steuergesetzgebung_, die mit dem �_Arbeiterschutz_�
zusammenh�ngenden Fragen, und Angelegenheiten der _Volksbildung_. Ich
beziehe mich dabei vorzugsweise auf den Programmentwurf, welchen der
verdiente F�hrer der Gewerkvereins- und Genossenschaftsbestrebungen, Dr.
_Max Hirsch_, schon auf dem ersten Parteitag der Freisinnigen
Volkspartei eingebracht hat, von welchem Entwurf wohl anzunehmen ist,
da� er auf dem n�chsten Parteitag in den Mittelpunkt der Diskussion
treten werde. Selbstverst�ndlich aber habe ich dabei nicht minder im
Auge das schon um einige Schritte weiter entwickelte soziale Programm
der Deutschen Volkspartei, mit welcher in enge F�hlung zu treten der
norddeutsche Freisinn wohl als eine wichtige Angelegenheit zu betrachten
haben wird.

F�r den heutigen Abend beschr�nke ich mich �brigens ganz auf den zuerst
angef�hrten Gegenstand, die Besteuerungsfragen -- zu welchem ich das
Folgende anzubringen habe.

Die Bek�mpfung des Systems indirekter Steuern und die Forderung, alle
Staatsbed�rfnisse anzuweisen auf direkte Steuern, geh�ren von jeher zu
den gemeinsamen Bestrebungen aller wirklich liberalen Parteien in
Deutschland. Nat�rlich ist auch f�r uns kein Wort mehr zu verlieren �ber
die Ungerechtigkeit und Gemeinsch�dlichkeit einer Besteuerungsart,
welche die Reichen verh�ltnism��ig ganz wenig belastet und deshalb,
damit �berhaupt �etwas einkomme�, den weitaus gr��ten Teil der
Staatslasten auf die Masse der arbeitenden Bev�lkerung abw�lzen, dadurch
aber die Lebenshaltung der breiten Volksschichten entsprechend
herabdr�cken mu�. Auch die Nationalliberale Partei hat diese Ansicht
geteilt, so lange sie noch in anderem Sinn als heute eine �liberale�
Partei war. -- Zuzugeben ist nat�rlich auch, da� eine direkte
Besteuerung des Einkommens allerdings jene Ungerechtigkeit, als solche,
um so vollkommener beseitigen k�nnte, in je sch�rferer Progression dabei
die gr��eren Einkommen herangezogen w�rden. Nichtsdestoweniger finde ich
in der Forderung solcher progressiven _Einkommen_steuer immer noch ein
gro�es sozialpolitisches Defizit. Es ist n�mlich f�r ein Steuersystem
nicht genug, da� es, rein steuerrechtlich betrachtet, korrekt oder
gerecht sei. In jedem Staatswesen, welches nicht geradewegs auf den
�Zukunftsstaat� hinf�hren will, oder auf die Katastrophen, welche dieses
Wort ank�ndigt, mu� meines Erachtens der Steuergesetzgebung noch eine
andere, eine spezifisch soziale, staatserhaltende Funktion zugewiesen
werden -- n�mlich der Regulator zu sein f�r das Verh�ltnis zwischen
Kapital und Arbeit und das Korrektiv zu liefern gegen gewisse
zerst�rende Wirkungen der unkontrollierten privat-kapitalistischen
Produktionsweise.

Solche zerst�rende Wirkungen -- deren Dasein und fortw�hrendes Anwachsen
heute keine Kunst der Rede mehr hinwegdisputieren wird -- sind aber zu
erblicken in der fortw�hrend zunehmenden Tributpflichtigkeit aller
Arbeit zugunsten des Besitzes und in der damit Hand in Hand gehenden
fortschreitenden Konzentration des Besitzes auf eine immer kleiner
werdende Minorit�t des Volkes. Unter diesem Gesichtspunkt -- den ich
sogleich n�her entwickeln werde -- komme ich dazu, dem Programm der
demokratischen Parteien in bezug auf die Besteuerungsfrage eine
wesentlich anders lautende Forderung an die Gesetzgebung zu empfehlen,
die ich vorgreifend -- um gleich hier den Zielpunkt der nachfolgenden
Er�rterungen erkennbar zu machen -- dahin formuliere:

     Beseitigung der indirekten Steuern und auch Beseitigung _aller
     Besteuerung_ des _Arbeitseinkommens_. Anweisung aller Bed�rfnisse
     von Staat und Reich auf eine _reine Verm�genssteuer_, welche, nach
     oben progressiv, alle gr��eren Verm�gen besteuert ann�hernd mit dem
     Prozentsatz des jeweiligen Boden- und Hypothekenzinsfu�es -- in der
     ausgesprochenen Absicht, den Zinsabwurf des gesamten
     Nationalverm�gens f�r den Staat (d. h. f�r Staat und Reich) in
     Anspruch zu nehmen.

Die Begr�ndung einer solchen Forderung entnehme ich aber den folgenden
Erw�gungen.

       *       *       *       *       *

Das Gesamtverm�gen des Deutschen Volkes wird auf nicht viel unter 200
Milliarden anzuschlagen sein -- alles zusammen gerechnet, was an
nutzbarem Grund und Boden, an Geb�uden in Stadt und Land, an Inventar
der Industrie und an mobilem Kapital in Deutschland sich vorfindet und
alles in der �blichen Weise nach seinem Ertragswert veranschlagt. L��t
auch die Ziffer selbst sich nur sehr unsicher bestimmen, so bietet doch
die Einkommens-und Verm�gensstatistik gen�gende Anhaltspunkte daf�r, da�
die untere Grenze nicht weniger als 160 Milliarden sein k�nne. Ich nehme
diese Ziffer hier an -- eigentlich nur zur Exemplifikation; denn die
Schlu�folgerungen w�rden sachlich ebenso bestehen bleiben, auch wenn
eine viel niedrigere Zahl eingesetzt w�rde.

Von diesem Nationalverm�gen Deutschlands liegt in der jetzigen Zeit
hochentwickelter Wirtschaftst�tigkeit fast kein St�ck brach. Abgesehen
von ganz wenigen, in ihrer Summe geringf�gigen Objekten steht alles in
Benutzung als Mittel f�r weitere G�tererzeugung, sei es in der Hand der
Eigent�mer selbst, sei es in der Hand anderer, denen letztere ihren
Besitz zeitweilig �berlassen. Dieses kommt schon darin zum Ausdruck, da�
alle Verm�gensobjekte, mit alleiniger Ausnahme der wenigen reinen
Luxusgegenst�nde, sich sch�tzen lassen und tats�chlich auch immer
gesch�tzt werden nach dem _Nutz_wert oder _Ertrags_wert, den sie f�r den
Eigent�mer haben -- insofern haben, als er entweder selbst sie als
Hilfsmittel produktiver Arbeit anwenden oder sie zu gleichem Zweck
�ndern gegen Pacht, Miete, Zins usw. auf Zeit abtreten kann.

Demgem�� hat in unserer Zeit aller Besitz neben und au�er seinem
urspr�nglichen, nat�rlichen Wert: durch seinen _Verbrauch_ Mittel der
Lebensf�hrung, des Genusses usw. zu sein, noch einen besonderen, sehr
eigenartigen Wert: _ohne_ dem Verbrauch oder der Minderung zu
unterliegen, dem Eigent�mer Vorteile zu verschaffen, welche einem
Verbrauch von Besitz ganz gleichwertig sind, und zwar, wenn er will,
ohne jede T�tigkeit seinerseits, da er immer andere findet, die an
seiner Statt die erforderliche T�tigkeit aus�ben.

Dieses ist nicht immer so gewesen, es ist im Gegenteil, als Faktor des
Wirtschaftslebens, eine Erscheinung noch sehr jungen Datums. Selbst die
Art von Eigentum, welche scheinbar Quelle des Ertrags in sich selbst ist
-- Grund und Boden --, hat in Wahrheit jene zweite Eigenschaft nur
insoweit und solange gehabt, als die Institution der Leibeigenschaft den
Boden mit arbeitsf�higen H�nden, als ihm zugeh�rigen Bestandteil des
Eigentums, ausger�stet hielt. Offensichtlicherweise sind die notwendigen
Bedingungen f�r jede Ertragsf�higkeit von Verm�gen und Besitz: da�,
erstens, die Objekte desselben nicht nur Mittel der G�tererzeugung sein
_k�nnen_, sondern da� sie hierzu auch tats�chlich voll benutzt werden --
d. h. da� die Wirtschaftst�tigkeit des ganzen Volkes gen�gend entwickelt
und gesteigert sei, damit immer solche sich finden _m�ssen_, welche
diese Objekte gegen Entgelt zur Benutzung �bernehmen wollen -- und da�
zweitens die Einrichtungen des Staates, Rechtsordnung und Rechtsschutz,
dem Eigent�mer erm�glichen, sie ohne Verlustgefahr zeitweilig aus der
Hand und in die Verwahrung anderer zu geben.

Der Zinsertrag, den auf diese Weise das Gesamtverm�gen des Deutschen
Volkes f�r die Gesamtheit der anteiligen Eigent�mer abwirft, ist gem��
der vorhin angesetzten Ziffer und nach dem dermaligen Stand des
Zinsfu�es auf rund 5 Milliarden Mark j�hrlich zu veranschlagen, wenn man
nur beil�ufig 3 Prozent als durchschnittliche H�he von Bodenrente und
Hypothekenzins annimmt. Wenn diese Rentensumme sich gleichm��ig
verteilte, so erg�be sie also etwa 500 Mark j�hrlich f�r jede von den
rund 10 Millionen Familien oder Haushaltungen im Deutschen Reich.
Hierbei ist jedoch selbstverst�ndlich alles au�er Ansatz gelassen, was,
wenn es auch gew�hnlich unter dem Namen von Kapital-Verzinsung
mitbegriffen wird, doch nicht _reiner_ Zins, sondern �quivalent f�r
irgend eine Art von mitwirkender Arbeit des Besitzers ist --im
besondern also der Unternehmergewinn, den jemand �ber den blo�en Pacht-
oder Zinsertrag hinaus erreicht, wenn er seinen Besitz in
landwirtschaftlicher oder industrieller T�tigkeit selbst nutzbar macht,
ebenso auch aller Handelsgewinn und alles, was ganz oder zum Teil den
Charakter von Risikopr�mie tr�gt. Gerechnet ist also nur derjenige
Verm�gensertrag, der den Eigent�mern auf Grund ihrer Besitztitel
zuflie�t oder doch, wenn sie wollen, zuflie�en kann ohne irgend andere
direkte Mitwirkung als viertelj�hrliches Einkassieren f�lliger Zinsen,
Pachtgelder u. dergl.

Woher kommt nun die vorher genannte gro�e Summe, die j�hrlich in
Deutschland als Zins- oder Rentenertrag teils bar entrichtet, teils von
sonstigen Einnahmen vorweg abgerechnet wird? --Da ausschlie�lich die
menschliche Arbeit Werte erzeugt, die zuvor noch nicht da waren, so kann
kein Zweifel dar�ber bestehen, da� es die Gesamtheit aller Arbeitenden
im Volk ist, welche jene Summe f�r die Gesamtheit aller Besitzenden
durch ihre Arbeit j�hrlich aufzubringen hat, und zwar daf�r aufzubringen
hat, da� die Eigent�mer der Objekte des Nationalverm�gens diese Objekte
der Arbeit des ganzen Volkes als Mittel der G�tererzeugung vorhalten
oder darleihen.

Das durchschnittliche Einkommen einer f�nfk�pfigen Familie in
Deutschland betr�gt nun, hoch veranschlagt, sicher nicht �ber 1500 Mark
j�hrlich, wobei indes gleich vorzumerken ist, da� nach der
Einkommenstatistik f�r Preu�en und Sachsen �ber 70 Proz. der Bev�lkerung
dieser Staaten dieses durchschnittliche Einkommen noch nicht, und
ungef�hr 50 Proz. noch nicht die H�lfte davon erreicht. Hierbei ist aber
alles Zins- oder Renteneinkommen bei denen, die dergleichen haben,
mitgerechnet. Nach Abzug desselben in der vorher angenommenen H�he
verbleibt mithin f�r die ganze eigentliche Arbeitst�tigkeit des
Deutschen Volkes nur ein Netto-Ertrag, der wiederum gleichm��ig verteilt
gedacht, pro Familie h�chstens 1000 Mark j�hrlich abwirft -- alles
eingeschlossen, was nicht reiner Zins ist, also au�er dem gew�hnlichen
Arbeitslohn auch die Geh�lter aller �ffentlichen und Privat-Beamten und
aller Unternehmer- und Handelsgewinn.

Die Verzinsung des Nationalverm�gens beansprucht hiernach zurzeit in
Deutschland vorweg ein Drittel der gesamten durch die Verbindung von
Kapital und Arbeit bedingten Werterzeugung und l��t nur zwei Drittel
davon als Entgelt f�r die Arbeitst�tigkeit selbst �brig. Mithin hat die
Gesamtheit aller Arbeitenden in allen T�tigkeitsgebieten, dem
Durchschnitt nach, immer _zwei Tage in der Woche_ zu arbeiten f�r die
Gesamtheit der Besitzenden, d. h. derer, welche Miteigent�mer des
Nationalverm�gens sind, dessen Verzinsung vorweg aufgebracht werden mu�.
Denn zur Bemessung des _durchschnittlichen_ Anteils der einzelnen an
dieser Leistung der Gesamtheit gibt es keinen andern Ma�stab als den
relativen Wert den die Arbeit der einzelnen f�r sie selbst hat.

Es geh�rt nicht hierher, die sehr mannigfaltigen und verwickelten Wege
zu betrachten, auf welchen in den verschiedenen Klassen der
Arbeitst�tigen der einzelne seine Zinsabgabe direkt oder indirekt
leistet, auch wenn er selbst gar keine Schulden hat. Sozialpolitisch hat
nur das Endresultat Bedeutung, welches das Verh�ltnis zwischen Arbeit
und Kapital f�r die Gesamtheit der Arbeitenden gegen�ber der Gesamtheit
der Besitzenden zum Ausdruck bringt. Ich erw�hne also nur noch, da� die
zuvor charakterisierte Tributpflichtigkeit der Arbeit alle betrifft,
soweit sie in irgend einer Form arbeitst�tig sind -- alle vom letzten
Tagel�hner bis zu den obersten Staatsbeamten. Auch die Staatsbeamten
haben ihren Anteil redlich zu leisten in einer zwar ganz mittelbaren,
aber gerade sehr charakteristischen Form. Abgesehen von den wenigen,
welchen die Staatsraison eine repr�sentative Lebenshaltung nach dem
Vorbild der Reichsten zuweist, kann auch den Beamten der arme Teufel
�Staat� von sechs Tagen, welche sie arbeiten, nur die bewu�ten vier Tage
wirklich bezahlen; denn nachdem alles Arbeitseinkommen der B�rger durch
die Vorwegnahme der Zinsquote schon stark herabgedr�ckt ist, k�nnen
Steuern, welche wiederum fast ganz an dieses Arbeitseinkommen sich
halten, unm�glich noch in gen�gender H�he auferlegt werden, um den
Beamten des Staats eine befriedigende Bezahlung zu sichern.

Das zuvor charakterisierte Verh�ltnis von Arbeit und Besitz gewinnt
seine soziale Bedeutung nat�rlich nur in Verbindung mit der Tatsache der
�u�erst ungleichm��igen -- und nach dem jetzigen Lauf der Dinge noch
immer ungleichm��iger werdenden -- Verteilung des Besitzes. Eine solche
Bedeutung w�rde ihm gar nicht zukommen, wenn das Gesamtverm�gen des
Volkes auf die Individuen in den verschiedenen Volksschichten
_durchschnittlich_ sich verteilte proportional dem Werte pers�nlicher
Arbeitsleistung in diesen Schichten. Alsdann w�re jeder sein eigener
Zinsherr, n�hme den auf ihn entfallenden Anteil an der gemeinsamen
Tributleistung selbst wieder in Empfang, und als sozialpolitisch
erhebliches Moment bliebe nur noch die Ungleichheit des Wertes der
Arbeitsleistung in den verschiedenen Volkskreisen �brig. Die
Wirklichkeit aber ist ungeheuer weit entfernt von einer derartigen
Bilanz. Zwar gibt es nur verh�ltnism��ig wenige, welche gar keinen, auch
nicht den kleinsten, Anteil am Nationalverm�gen h�tten, noch nicht
einmal den notd�rftigsten Betriebsfonds f�r eine kleine Hauswirtschaft;
sehr gering aber ist auch der Prozentsatz solcher, f�r welche -- soweit
es Arbeitst�tige sind -- die Renteneinnahme, einschlie�lich der
Ersparnis von Ausgabeposten infolge eigenen Besitzes, einen
nennenswerten Zuschu� zum Arbeitseinkommen ausmacht, sei es auch nur
viel weniger als die normalen 50 Proz. Tats�chlich bedeutet das vorher
gekennzeichnete Verh�ltnis: effektive Abgabe einer gr��eren oder
geringeren Quote des nat�rlichen Arbeitsertrags seitens der gro�en
Majorit�t der Arbeitst�tigen an die kleine Minorit�t derjenigen
Miteigent�mer am Nationalverm�gen, welche die gro�en Brocken desselben
inne haben. Mindestens 80 Proz. des ganzen Volkes ist gegenw�rtig
tributpflichtig geworden zugunsten der obersten 5 Proz.

Welche Wirkungen aber dieser Zustand mit sich bringt, liegt klar genug
zutage.

Die Herabminderung des durchschnittlichen effektiven Arbeitsertrages
durch den Abzug der Zinsquote dr�ckt relativ am st�rksten die untersten
Volksklassen, weil jede Minderung des Einkommens um so h�rter wirkt, je
weniger seine absolute H�he die Erfordernisse der notd�rftigsten
Lebensf�hrung �berschreitet. In diesen untersten Volksklassen ist aber
gerade die weitaus gr��te Majorit�t der unselbst�ndigen Arbeiter
enthalten, deren Arbeitsertrag noch einem zweiten Abzug zugunsten des
�Unternehmergewinns� unterliegt -- kraft der wirtschaftlichen
Verh�ltnisse, auf welche mein zweites Referat sich beziehen wird. So
ergibt sich also eine starke Herabsetzung des sonst m�glichen
durchschnittlichen Niveaus der Lebenshaltung der breiten Volksschichten.
Je weniger nun die herabgesunkene Lebenshaltung der �rmsten ihnen noch
einen indirekten Vorteil von der Steigerung des Wohlstandes der Reichen
�brig l��t, desto mehr gewinnt ihre fortdauernde Beitragsleistung zur
Zinsquote des Gesamtverm�gens die Bedeutung und den Charakter der reinen
Frone.

Weitere sehr verh�ngnisvolle Wirkungen ergeben sich auf Grund des
Umstandes, da� von der Gesamtsumme, die zur Verzinsung des
Nationalverm�gens j�hrlich aufgebracht wird, ein sehr betr�chtlicher
Teil auf eine relativ ganz geringe Zahl von bevorzugten Nutznie�ern
entf�llt, den Eigent�mern der sehr gro�en Verm�gen, und dadurch diesen
ein Einkommen verschafft, welches �ber die Bed�rfnisse selbst einer sehr
erh�hten Lebenshaltung weit hinausgeht. Die Million�re sind aber meist
sparsame Leute, die den �berschu� nicht zu vergeuden oder zu verschenken
pflegen. Von jenen gro�en Einkommen gelangt daher nur ein Teil zum
Verbrauch, der andere -- h�ufig gr��ere -- Teil wird zur�ckgelegt und
figuriert am Schlu� des Jahres in dem Zuwachs des Nationalverm�gens, der
f�r das n�chste Jahr mit zu verzinsen ist. Von Jahr zu Jahr wiederholt
sich dieser Vorgang. Dadurch w�chst das Nationalverm�gen, also auch
dessen Zinsabwurf, fortw�hrend rascher als der effektive Ertrag der
gesamten nationalen Arbeit w�chst, und die Tributquote, welche die
Gesamtheit der Arbeitenden der Gesamtheit der Besitzenden zu leisten
hat, wird stetig gr��er. Gleichzeitig aber mu� dabei die
Ungleichm��igkeit der Verteilung sowohl von Einkommen wie von Besitz
immer weiter zunehmen, und von Jahr zu Jahr ein immer gr��er werdender
Teil der gesamten Tributsumme dem kleinen Prozentsatz der Reichen
zuflie�en. Dabei aber wird die gesamte Wirtschaftst�tigkeit des Volkes
-- gleichfalls in immer steigendem Ma�e -- dadurch gel�hmt, da�
fortgesetzt ein gro�er Teil des effektiven j�hrlichen Arbeitsertrages
der Gesamtheit dem Konsum vorenthalten, dem wirklichen Gebrauch entzogen
bleibt.

       *       *       *       *       *

Die Konstatierung dieser verschiedenen Folgen der gegenw�rtigen
Wirtschaftseinrichtungen fordert die Fragen heraus: sind diese
Einrichtungen sittlich gesund? -- sind sie gerecht und vern�nftig? --
sind sie notwendig und unab�nderlich?

_Sind sie sittlich gesund?_ -- Nein!

�Im Schwei� deines Angesichts sollst du dein Brot essen!� ist nicht nur
ein Bibelwort, es ist zugleich der treffendste Ausdruck tiefer
sittlicher Wahrheit. Hier�ber noch ein Wort zu verlieren scheint mir
�berfl�ssig, solange ich nicht den gesehen habe, der den Mut haben wird,
beweisen zu wollen: es geh�re zu den Bedingungen einer sittlichen
Gesellschaftsordnung, da� solche vorhanden sein m��ten, die ohne irgend
einen anderen Vorzug, blo� weil sie ein gen�gend gro�es Verm�gen
irgendwie erworben oder ererbt haben, berechtigt sind, ohne alle eigene
Arbeit in beg�nstigter Stellung zu leben, nicht etwa von diesem
Verm�gen, mittelst dessen Verwendung, sondern durch dieses Verm�gen,
ohne Minderung seiner Substanz, allein von der Arbeit anderer.

_Sind, diese Einrichtungen gerecht und vern�nftig?_ -- Nein, wiederum
ohne jedes Wenn und Aber!

Von Gerechtigkeit in der Zinswirtschaft k�nnte nur dann die Rede sein,
wenn bei ihr der Leistung des einen Teils irgend eine entsprechende
Gegenleistung des andern Teils gegen�berst�nde. So war es in der Tat
einmal -- vor 200 oder 300 Jahren, also just zu der Zeit, da ein naives
Rechtsbewu�tsein Zinsnehmen schlechthin als �Wucher� stempelte. Zu
dieser Zeit hatte der Zins als Gegenleistung die �bernahme einer
besonderen Verlustgefahr, welcher das Eigentum dann ausgesetzt wurde,
wenn der Eigent�mer es aus seinem Besitz heraus in die Hand eines
anderen gab. Heute ist es gerade umgekehrt. Wenn einer eine Million in
natura selbst aufbewahren wollte, so h�tte er damit nicht nur viel
gr��ere Last, sondern auch zehnmal gr��ere Verlustgefahr zu �bernehmen,
wie wenn er sein Eigentum gegen sichere Hypothek oder unter
gleichwertigen Garantien andern behufs wirtschaftlicher Nutzung
�bergibt. Soweit Leistung und Gegenleistung in Frage kommt, w�rde also
eher umgekehrt der andere eine Aufbewahrungs-Pr�mie verdienen. Und das
gleiche gilt auch f�r das Verh�ltnis von Grundbesitzer und P�chter. Denn
wenn jemand ein Landgut nicht selbst bewirtschaften kann oder will, so
w�rde er, wenn sich kein P�chter daf�r f�nde, es nicht einfach brach
liegen lassen k�nnen, ohne einer raschen Entwertung seines Besitzes
durch Verlust der Kultur u. dergl. ausgesetzt zu sein. Um ohne Nutzung,
nur unvermindert, den Besitz zu erhalten, h�tte er erhebliche laufende
Aufwendungen zu bestreiten, von welchen derjenige ihn befreit, der das
Landgut in Verwaltung nimmt, um es sp�ter dem Besitzer unvermindert
wieder abzuliefern. Unter dem Gesichtspunkt von Leistung und
Gegenleistung verdiente also auch der P�chter eine Aufbewahrungspr�mie.
Die vorhin in Rechnung gesetzen 3 Prozent Zins beziehen sich aber gerade
auf diejenigen Nutzungsformen des Eigentums, die weder Mitarbeit des
Eigent�mers noch Verlustrisiko einschlie�en, auf die �m�ndelsichern�
Kapitalanlagen.

Der einzelne handelt nat�rlich durchaus loyal und korrekt, indem er
seinen Besitz nur gegen den marktg�ngigen Zins der Nutzung eines �ndern
�berl��t, denn er, als einzelner, gew�hrt damit dem andern einzelnen in
der Tat Vorteile, die er sonst nicht haben w�rde. Die Gegenleistung
aber, die er in Form von Zins, Pacht usw. daf�r empf�ngt, ist unter dem
volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt nur das Kennzeichen der Zwangslage,
in welcher die Arbeit dem Besitz gegen�ber insofern sich befindet, als
die Wertobjekte des Gesamtverm�gens als Mittel produktiver Arbeit
absolut unentbehrlich sind. Diese Zwangslage allein ergiebt das
Resultat, da� auch die risikofreie, pfandsichere Verm�gensanlage, statt
eine Aufbewahrungspr�mie zu erfordern, eine Abgabe einbringt. So klar es
nun einerseits ist, da� in der Zinswirtschaft ein redliches Verh�ltnis
zwischen den _einzelnen_ besteht, so sicher ist es anderseits, da� kraft
derselben die _Gesamtheit_ der Besitzenden als solche die _Gesamtheit_
der Arbeitst�tigen als solche _bewuchert_. Denn �die Zwangslage eines
andern benutzen, um sich Vorteile auszubedingen, welche au�er Verh�ltnis
zu den Leistungen stehen�, ist der richtige, anerkannte Begriff des
Wuchers.

Die soziale Ungerechtigkeit dieses Verh�ltnisses wird leider verdunkelt
durch eine eigenartige Verunstaltung, welche der Eigentumsbegriff im
Kreise derjenigen allm�hlich erfahren hat, deren Lebenshaltung ganz oder
doch in erheblichem Grad von ihrem Anteil am Zinsertrag des
Nationalverm�gens abh�ngig geworden ist. Im Kreise der Besitzenden --
aber auch nur in diesem -- wird n�mlich der urspr�ngliche, in sich
selbst gegebene Wert von Besitz und Verm�gen, sein Verbrauchswert, schon
gar nicht mehr gew�rdigt, sondern eigentlich nur noch der sehr bedingte
und sekund�re Nutzungswert. Man sch�tzt hier den Besitz tats�chlich
nicht mehr als Verwendungsfonds f�r eine erh�hte Lebenshaltung, als
unmittelbare Quelle von Gen�ssen und Vorteilen aller Art, sondern fast
nur noch als �Unterlage� der Lebenshaltung, nach dem, was er ohne
Verwendung �abwirft�, und es mu� einem erst ein rechtes St�ck seines
Verm�gens gestohlen worden oder sonst verloren gegangen sein, damit er
merke, da� er noch etwas mehr verloren hat als zuk�nftige Zinseinnahmen.
Anders ist der Ma�stab noch bei dem kleinen Mann, dem Arbeiter, Bauer,
Handwerker, der vor 50 Jahren seine ersparten Taler oder Gulden in den
Strumpf zu stecken gewohnt war. Auch er tr�gt zwar seine Ersparnisse
jetzt lieber in die Sparkasse oder legt sie sonstwie an, weil er
eingesehen hat, da� er sie so viel bequemer und sicherer aufbewahrt. Die
paar Mark Zinsen, die er dabei bekommt, sind ihm aber ganz Nebensache.
Er sch�tzt seinen Besitz durchaus unter dem Gesichtspunkt der Frage: Wie
lange kann ich es damit aushalten, wenn ich krank oder arbeitslos werden
sollte? -- was kann ich mir n�tigenfalls daf�r kaufen? -- was kann ich
daf�r meinen Kindern zuwenden? Das allein aber ist noch der richtige,
ehrenwerte Eigentumsbegriff, dessen hohe sittliche, kulturbildende
Bedeutung die rechtliche Forderung der Unantastbarkeit des Eigentums
ausschlie�lich begr�ndet. Die �blich gewordene Wertsch�tzung des
Verm�gens bei den Reichen aber, nach der Gr��e des daraus abzuleitenden
Tributanspruchs an die Arbeit anderer, geh�rt ganz und gar zu den
Symptomen der zunehmenden _plutokratischen Entartung der
Rechtsbegriffe_, von welcher ich im Fortgang meines Referats noch
mehrmals zu reden haben werde.

Nicht besser wie mit der Gerechtigkeit ist es in dem Zinswesen mit der
Vernunft bestellt. Als best�ndiger Faktor der Volkswirtschaft gedacht,
ist es voll innern Widersinns und tr�gt den Keim unabwendbarer
Zerst�rung in alles, was dauernd zu beherrschen ihm gelingen sollte.

Das Beispiel von dem Pfennig, der, seit Christi Geburt zu ganz niedrigem
Zinsfu� auf Zins liegend, heute den Wert eines Goldklumpens gewonnen
haben m��te, schwerer als alles Gold der Erde zusammengenommen,
erl�utert die physische Unm�glichkeit dauernden Fortbestehens von
Einrichtungen, kraft welcher Verm�gen und Besitz die Eigenschaft haben
sollen, in geometrischer Progression anzuwachsen, also, wie niedrig der
Koeffizient dieses Wachstums mit der Zeit auch werden m�chte, doch mehr
und mehr alles zu absorbieren, was als menschliche Arbeit und
G�tererzeugung unter den Daseinsbedingungen auf unserem Planeten steht
-- deren Beschr�nktheit doch einstweilen nur in k�hnen Phantasieen als
aufgehoben erscheint. Nach dem vorhin gesagten mu� das Fortbestehen
solcher Einrichtungen schon in absehbarer Zeit dem wachsenden
Nationalverm�gen rein fiktive Werte einf�gen, die nichts anderes mehr
sind als Anweisungen auf den Arbeitstribut zuk�nftiger, noch ungeborener
Geschlechter.

_Elimination des Zinswesens_ aus dem Wirtschaftssystem der V�lker ist
daher die Voraussetzung f�r eine haltbare, nicht auf v�llige
Desorganisation hinsteuernde Wirtschaftst�tigkeit.

Hieran kn�pft sich nun die dritte Frage: _ist dieses m�glich?_ -- oder
sind etwa die vorher betrachteten �bel unab�nderlich -- au�er unter
Aufhebung des _privaten_ Kapitalbesitzes?

Widersinnig w�re es, den Eigent�mern von Verm�gen das Zinsnehmen etwa
gesetzlich verbieten zu wollen. Denn damit w�rde der wichtigste Antrieb
zur Darbietung des Besitzes f�r die Zwecke der wirtschaftlichen Arbeit
beseitigt und jede nat�rliche Regelung seiner Benutzung aufgehoben sein.
Sonach k�nnte es allerdings scheinen, als ob bei Fortbestehen des
privaten Kapitalbesitzes das Wirtschaftssystem der Desorganisation
verfallen m�sse, beim Zinsnehmen durch den Zins und bei Beseitigung des
Zinsnehmens durch dessen Aufhebung.

Den Ausweg aus diesem Dilemma zeigt aber das schlichte Wort: _Gebt dem
Kaiser was des Kaisers ist!_

Das soll besagen: Nach wie vor wolle jeder, der ein nutzungsf�higes
St�ck des Nationalverm�gens inne hat, den Nutzertrag desselben
einziehen. Er wolle dabei aber sich erinnern, da� sein Verm�gensst�ck
nicht an sich selbst solchen Ertrag liefert, sondern nur _als_ Teil
eines �Nationalverm�gens�, nur kraft seiner Einf�gung in den
Betriebsfonds der Volkswirtschaft eines betriebsamen, arbeitst�chtigen
Volkes mit wohlgeordneten Staatseinrichtungen. Deshalb wolle er diesen
Ertrag, soweit er _reiner_ Zinsertrag ist, nicht als ihm, dem zuf�lligen
Eigent�mer, zukommend ansehen und f�r sich in Anspruch nehmen, sondern
ohne Murren ihn abliefern an den, der der eigentliche Urheber und
Eigent�mer dieses Ertrages ist -- an den _Staat_.

Die menschliche Gesellschaft unter der Form des Staates ist in der Tat
mehr als ein Haufe zusammengew�rfelter Individuen, gleich den K�rnern in
einem Sandhaufen. Wie im lebendigen Organismus die Zellen kraft ihres
Zusammenhangs und ihrer Wechselwirkung mit Millionen von anderen Zellen
Funktionen aus�ben, welche sie nicht auszu�ben verm�chten f�r sich, als
selbst�ndige, einzelne Zellen au�erhalb des Organismus, so gewinnen auch
in der organisierten menschlichen Gesellschaft Besitz und Arbeitskraft
des einzelnen als Elemente des Nationalverm�gens und der nationalen
Arbeitskraft eines Volkes Kr�fte und Funktionen, die ihnen nicht an
sich zukommen. Ergebnis und Erfolg dieser Funktionen fallen nicht
unter das Eigentumsrecht des einzelnen, weil sie nicht Ausflu� des
Eigentums selbst sind, vielmehr, richtig betrachtet, Ausflu� der
Gesellschaftsorganisation, Ergebnis und Erfolg der Staatsinstitutionen.
Sie geh�ren also von Rechts wegen dem Staat.

Illustriert wird dieses Verh�ltnis durch den sehr bezeichnenden Umstand,
da� aller Besitz, damit er als Zinsgut fungieren k�nne, ohne eigene
T�tigkeit des Inhabers und ohne da� die Herausgabe an einen andern ihn
in Frage stellt, immer erst in ein St�ck Papier verwandelt werden mu�.
Pacht- oder Mietsvertrag, Pfandurkunde oder Staatsschuldschein sind die
unentbehrlichen Vehikel, welche allein arbeitslosen Verm�gensertrag dem
Eigent�mer zuf�hren k�nnen. Im Naturzustand gibt es dergleichen nicht;
es mu� erst ein Staat da sein, in dessen Obhut und Verwahrung der Besitz
gegeben werden kann, wenn ein anderer seine wirtschaftliche Nutzung
�bernehmen soll. Daf�r zeugt das �Papier�.

       *       *       *       *       *

Das gesagte begr�ndet unter dem sozialen und dem rechtlichen
Gesichtspunkt die vorhin ausgesprochene Anforderung an die Gesetzgebung:
in Form einer _Verm�gens_steuer den Zinsertrag des Nationalverm�gens,
den die Besitztr�ger der einzelnen St�cke regelm��ig einheben, f�r den
Staat heranzuziehen und -- abgesehen von der Ansammlung eines
beschr�nkten Reservefonds -- _fortgesetzt zur Aufwendung zu bringen_
durch Bestreitung der jetzigen Staatsausgaben aus dieser Einnahmequelle
und durch �bernahme neuer gr��erer Aufgaben, in welche einzutreten das
Gemeinwohl dringend fordert.

Wir erleben jetzt das kl�gliche Schauspiel, da� die Gesetzgeber des
Reichs und der Einzelstaaten in allen Winkeln herumsuchen: wo etwa noch
�was Steuerbares� zu finden sein m�chte, und allerlei Sophismen helfen
m�ssen, das Gewissen zu beschwichtigen, welches angesichts feierlicher
Zusagen sich dagegen str�ubt, da� immer wieder �die Masse es bringen�
m�sse. _Hier_ liegt das gesuchte Steuerobjekt: das Nationalverm�gen
Deutschlands, bei welchem in der Tat �die Masse es bringt�, das Gewissen
sich aber nicht dagegen zu str�uben braucht! Denn es ist ein
Steuerobjekt, dessen Ertrag nur wegen der Einfachheit und im Interesse
ganz ungest�rten Fortbestehens aller eingelebten Formen der
Wirtschaftst�tigkeit _in der Form_ von �Steuer� erhoben werden mu�, in
Wahrheit aber schon vorher, in seinem Entstehen, urspr�ngliches,
rechtm��iges Eigentum des Staates war, also nicht dem abgefordert
werden mu�, was der einzelne im Nettoertrag seiner eigenen Arbeit selbst
erworben hat.

       *       *       *       *       *

Gem�� dem sozialpolitischen Gesichtspunkt, unter welchem in meiner
Betrachtung das Steuersystem gedacht ist, h�tte der Staat grunds�tzlich
den _ganzen_ Zinsertrag des Nationalverm�gens in Anspruch zu nehmen und
demnach, den Steuersatz f�r Verm�gen jeder Art um so n�her an den
jeweiligen, durch Hypothekenzins und Bodenrente gekennzeichneten Zinsfu�
f�r risikofreie Kapitalanlage heranzuf�hren, je mehr die Steuerobjekte
vom Charakter des Sparguts und der Betriebsmittel privater Lebensf�hrung
sich entfernen. Nur wegen des sozialen Interesses der Allgemeinheit an
der Erleichterung des Ansammelns _kleiner_ Verm�gen w�rde der Staat
solchen gegen�ber auf seinen Anspruch ganz oder teilweise verzichten. Im
�brigen k�nnte zwischen den verschiedenen Verm�gensarten ein Unterschied
nicht anerkannt werden. Denn hinsichtlich der Bedeutung des
Eigentumstitels ist gegenw�rtig alles gleichwertig, wie auch stets das
eine in das andere ohne weiteres verwandelt werden kann. Grund und Boden
haben zwar auch jetzt noch ihre ganz spezifische Bedeutung als einziges
urspr�ngliches, von der Natur selbst gegebenes Produktionsmittel und als
letzte Kraftquelle f�r alle wirtschaftliche T�tigkeit; das Eigentum _an_
Grund und Boden aber ist mit der Aufhebung von Leibeigenschaft und
H�rigkeit ein Eigentum wie jedes andere geworden. Solange diese
bestanden, war allerdings der Eigent�mer von Grund und Boden vor allen
andern Eigent�mern dadurch ausgezeichnet, da� die Zahl seiner Arme immer
ungef�hr proportional war der Gr��e seines Besitzes, er also jedes
beliebig gro�e St�ck _selbst_, mit seinen eigenen Armen, gerade so
nutzen konnte wie der Bauer seinen kleinen Acker. Seit jeder nur noch
zwei eigene Arme hat, ist auch, der Grundbesitzer, wenn er nicht
Kleinbauer ist, wirtschaftlich und rechtlich nur Unternehmer, der wie
jeder andere Unternehmer darauf angewiesen ist, mit Hilfe fremder
Personen zu produzieren. -- �Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist!� mu�
also allen gegen�ber gelten.

Die Wirkungen der hier in Betracht gezogenen Ma�regel w�rden auf
wirtschaftlichem Gebiet f�r die einzelnen zun�chst und unmittelbar nur
darin in die Erscheinung treten, da� die Beseitigung der indirekten
Steuern -- von reinen Schutzz�llen nat�rlich hier abgesehen -- und die
Beseitigung der eigentlichen Einkommensteuer alles Arbeitseinkommen
jeder Art um den jetzigen Betrag dieser Steuern entlasten w�rde. Dieses
Arbeitseinkommen bliebe das nat�rliche Steuerobjekt f�r die Gemeinden
und k�me f�r Staat und Reich nur subsidi�r in Betracht f�r den Fall, da�
mit der Zeit ein starkes Herabgehen des Zinsfu�es, also eine
Verbilligung des Kapitals, ohne ausgleichende Vermehrung des ganzen
Nationalverm�gens eintreten sollte -- was �brigens wohl, au�er in
Krisen, schwerlich zu gew�rtigen steht.

Schon diese direkte Entlastung des Arbeitseinkommens w�rde f�r die
unteren Volksschichten eine sehr erhebliche Bedeutung haben. Viel h�her
aber werden die Wirkungen anzuschlagen sein, welche man zu erwarten hat
von der Belebung und Steigerung der ganzen Wirtschaftst�tigkeit des
Volkes, die dadurch eintreten mu�, da� gro�e, jetzt dem Konsum
vorenthaltene Summen durch den Staat zur Verausgabung gebracht werden.

Die Aktion des Staates auf der anderen Seite w�rde unter wesentlich
ver�nderte Bedingungen gestellt sein. -- Solange alle Einnahmen in der
Hauptsache auf Abz�ge vom Arbeitseinkommen angewiesen sind, welches f�r
die weitaus gro�e Mehrzahl aller Steuerzahler nicht �ber die
Anforderungen der Lebenshaltung hinausgeht und in dieser also
aufgebraucht wird, ist die m�glichste Sparsamkeit in allen Ausgaben
allerdings dringend geboten. Hat dagegen der Staat seine selbst�ndige
Einnahme und hat er diese behufs Erf�llung sozialer Anforderungen auch
aufzubrauchen, so w�rden die Ausgaben nach dieser _eigenen_ Einnahme
sich zu richten haben und auch sogenannte �unproduktive� Aufwendungen,
sofern sie nur dem Gemeinwohl dienlich sein k�nnen, nicht nur
vern�nftig, sondern unter Umst�nden direkt geboten sein. Der Ertrag der
ins Auge gefa�ten Verm�genssteuer w�rde nun in jedem Falle weit
hinausgehen �ber die Gesamtsumme aller gegenw�rtigen effektiven Ausgaben
in Reich und Einzelstaaten zusammengenommen. Es w�rden also Reich und
Einzelstaaten mit der Umgestaltung des Steuersystems die Mittel zur
Erf�llung neuer gro�er Aufgaben gewinnen.

Und dieses w�rde sicher nicht zu fr�h kommen! Denn es ist hohe Zeit, da�
auch der Staat selbst auf ein h�heres Niveau der Lebensf�hrung gelange
als das jetzige ist -- welches, dicht am Existenzminimum stehend,
durchaus vergleichbar erscheint dem Lebensniveau seiner Proletarier.
Nicht zu reden von der F�rderung feinerer Kulturinteressen, in welcher
Deutschland seit einem Jahrzehnt in immer bedenklicher werdendem Grade
in R�ckstand kommt, gilt es vor allem, die zahlreichen Augiasst�lle
auszufegen, deren Fortbestehen als Quellen physischen Elends und
moralischer Erniedrigung ein Schandfleck ist auf dem Schild eines gro�en
Kulturvolkes. Es gilt, Millionen von B�rgern noch rechtzeitig vor
v�lliger physischer und sittlicher Verkommenheit zu retten, mit welchen
das Wohnungselend in den Industriest�dten und in gewissen Bezirken des
platten Landes, die zahlreichen Hungerindustrien, die es in Deutschland
gibt, und �hnliche Ursachen sie bedrohen. Also Aufgaben genug auch f�r
den zuk�nftigen =reichen= Staat!

       *       *       *       *       *

Niemand kann behaupten wollen, da� ein Steuersystem auf solcher
Grundlage steuertechnisch undurchf�hrbar sei. Denn Verm�gensteuer
besteht l�ngst in vielen L�ndern, in einigen kleinen Staatswesen sogar
in einer H�he bis 1 Proz., in welcher sie eine soziale Bedeutung schon
zu gewinnen anf�ngt. Genau so wie man in der �Erg�nzungssteuer� 1/2 pro
Mille einheben kann, lie�e sich auch 3 Proz. einheben.

Die H�rten zu vermeiden, welche in der �bergangszeit eintreten w�rden
dem Spargut und den kleinen Verm�gen gegen�ber, welche von
Arbeitst�tigen angesammelt wurden noch unter der Wirkung eines stark
verk�rzten Nettoertrages der Arbeit -- dazu g�be es viele Wege.

Auch dem andern praktischen Einwand, den man gewi� zuerst erheben wird:
da� bei starker Besteuerung des Verm�gens, wofern das gleiche nicht auch
anderw�rts geschieht, die Reichen aus dem Lande gehen w�rden, kann ich
eine ernstliche Tragweite nicht zugestehen. Es mag ja sein, da� unter
diesen manche eilen w�rden, den Staub deutschen Bodens von ihren
Pantoffeln zu sch�tteln, wenn auf ihm kein v�llig arbeitsloses Einkommen
mehr wachsen wollte -- und dann ginge der rechnungsm��igen Ziffer des
Nationalverm�gens eine gewisse Summe in der Tat verloren und dem Abwurf
der Verm�gensteuer der entsprechende Betrag. Der Staat als solcher
verl�re aber dabei nichts was er jetzt h�tte und die Volkswirtschaft
nichts was wirklich einen produktiven Wert besitzt. Denn die Objekte
dieser letzteren Art sind nicht transportabel und k�nnen nicht mit
auswandern wie das mobile Kapital. Zu gew�rtigen w�re also h�chstens ein
Defizit im fl�ssigen Betriebsfonds der Volkswirtschaft. Ein Staat indes,
der seine Finanzen auf eine so feste Grundlage gestellt h�tte wie es
mit dem Aufruf des ganzen Nationalverm�gens zur Steuerquelle gesch�he,
w�rde einen unerme�lichen Kredit besitzen und zur vorl�ufigen Erg�nzung
seines Betriebsfonds beliebig gro�e Summen aus der Fremde geborgt
bekommen, die dann doch nur so lange zu verzinsen w�ren, bis der Abgang
sich wieder ersetzt h�tte.

Endlich aber ist es auch kein Mangel, sondern ein deutlicher Vorzug der
reinen Verm�gensteuer, da� sie zum Unterschied von allen
Einkommensteuern zugleich die Wirkung einer richtigen und kr�ftigen
_Luxus_steuer insofern aus�ben mu�, als bei ihr alle Steuerobjekte zu
veranschlagen sind nach dem marktg�ngigen Nutzungswerte, den sie
objektiv als Mittel der G�tererzeugung haben, wenn sie wirtschaftlich
benutzt werden, und den sie auch dadurch nicht einb��en, da� der
Eigent�mer aus subjektiven Gr�nden sie zeitweilig nicht so benutzt oder
benutzen lassen will. Darin nun: wirtschaftlich wertvolle St�cke des
Nationalverm�gens -- wie z. B. Grund und Boden, Geb�ude u. a. m. -- dem
Dienst der nationalen Arbeit zu entziehen zum Zweck rein pers�nlichen
Gebrauchs, ist derjenige Luxus gegeben, dem als Luxus eine
volkswirtschaftliche und soziale Bedeutung allein zukommt und der unter
dem Gesichtspunkt von Luxus auch allein ein w�rdiges Steuerobjekt
abgibt. Den �edlen� Luxus dabei zu schonen macht keine Schwierigkeit.
Denn dieser ist schon �u�erlich daran zu erkennen, da� er nicht
egoistisch ist, sondern Quellen h�heren Lebensgenusses vielen zug�nglich
machen will. -- Es mutet sonderbar an, aus Anla� der landes�blichen
Suche nach �Steuerbarem�, in unseren Parlamenten fortw�hrend die ebenso
folgerichtigen wie menschenfreundlichen Argumentationen zu vernehmen,
die damit beginnen, f�r Luxus alles zu erkl�ren, was zum Leben nicht
unbedingt erforderlich, worin also Einschr�nkung ohne Schaden m�glich --
und damit enden, als _steuerbaren_ Luxus nicht etwa dasjenige zu
bezeichnen, was zu einer schon gehobenen Lebenshaltung entbehrlich,
sondern vielmehr solche Dinge, die den Massen, d. h. haupts�chlich den
Armen, zum Leben nicht unbedingt erforderlich sind -- obwohl darin f�r
viele fast das -- einzige von Gen�ssen, Reizen usw. gegeben ist, was
ihre physische Lebenshaltung von rein animalischem Dasein unterscheidet.
Indem man diese Dinge als angeblich entbehrlich besteuern will, aber
nicht etwa um den Luxus einzuschr�nken, sondern um Geld zu bekommen,
setzt die Absicht sich in logischen Widerspruch mit der Voraussetzung;
denn wenn das angeblich entbehrliche wirklich entbehrlich w�re, k�nnten
die Steuern nichts einbringen.

Niemand aber darf, angesichts des gegenw�rtigen Vorschlags, auf die
Wahrung der �idealen G�ter� der Gesellschaft sich berufen wollen, wie es
gegen�ber dem Enteignungsprogramm der Sozialdemokratie mit mehr oder
weniger Recht geschehen mag. Er m��te sich sonst sagen lassen, sein
Ideal sei das heckende, sich selbst vermehrende Geld -- was allerdings
ein sehr ideales Ding insofern ist, als in Wirklichkeit dergleichen
nicht existiert. -- Weder die Reichen, die f�r jede Million ihres
Verm�gens sei es z. B. 30000 Mk. an den Staat j�hrlich zu geben h�tten,
noch die Armen, welche dabei in ihrer Lebensf�hrung erleichtert w�rden,
brauchten deshalb irgendwie weniger gottesf�rchtig, kirchlich und
monarchisch gesinnt zu sein als sie es jetzt sein m�gen. Und der reiche
Mann bliebe nach wie vor derselbe reiche Mann, der alle Vorz�ge erh�hter
Lebenshaltung und alle Mittel zur Bet�tigung sittlich wertvoller
Privilegien des Reichtums in Wohlt�tigkeit, Freigebigkeit und edlem
Luxus behielte -- mit dem einzigen Unterschied, da� er jetzt diese
Mittel entweder in dem Ertrag seiner eigenen Arbeit oder in der Substanz
seines Verm�gens zu finden h�tte -- wie es vordem doch auch gewesen ist.

Die Unantastbarkeit des Eigentums, als strenge Rechtsforderung,
gebietet, den Mantel der Verj�hrung �ber die Wege zu decken, auf welchen
eine Hauptursache der jetzigen sozialen �bel, die exorbitante Gr��e
vieler Einzelverm�gen, entstanden ist. Soweit einmal diese Wege
au�erhalb des Gesichtskreises der lebenden Generation liegen, darf also
nicht mehr untersucht werden, wieviel von solchen gro�en Verm�gen durch
redlichen Erwerb irgend einer Art, wieviel durch blutige Gewalttat,
durch �Bauernlegen�, durch Arglist und Betrug oder durch schn�den Wucher
zusammengebracht sein mag. Alles mu� als jetzt unanfechtbares Eigentum
der jetzigen Besitzer anerkannt werden. Keine R�cksicht des Rechts aber
verbietet, Einrichtungen zu ver�ndern, auf Grund welcher die
Ungleichm��igkeit der Besitzverteilung fortgesetzt immer neue �bel
erzeugt. Wieviel immer von den Institutionen des Staates und der
Gesellschaftsordnung jemand zu den sakrosankten und unber�hrbaren Dingen
rechnen mag -- die konkreten Gesetze, welche die Wirtschaftst�tigkeit
gem�� den Anforderungen des Gemeinwohls regeln sollen, geh�ren ganz
gewi� nicht zu ihnen, und zu allerletzt das Steuersystem.

Dem Staat gegen�ber hat nun niemand ein _Recht_ auf zuk�nftige Vorteile,
welche das Fortbestehen von gewissen Einrichtungen ihm bringen w�rde,
oder ein Recht auf dieses Fortbestehen, weil es ihm bisherige Vorteile
erhalten w�rde. Sollte aber etwa unter dem Namen des Rechts das
Klassen_interesse_ derjenigen St�nde und Volkskreise, welchen die
gegenw�rtigen Einrichtungen zu besonderem Vorteil gereichen, ins Feld
gef�hrt werden -- dann m��te man auch die Frage aufwerfen: was ist das
Deutsche Volk? Sind es die paar Tausende, welche als Nachkommen
ehemaliger Feudalherren oder als deren Ausk�ufer und Hypothekengl�ubiger
die Besitztitel an gro�en St�cken deutschen Bodens inne haben? Sind es
die paar Hunderttausende, welche als Erben des alten Wohlstandes der
St�dte oder durch Gl�ck und eigene Tatkraft und beg�nstigt durch die
bisherigen Wirtschaftseinrichtungen, zu mehr oder minder gro�em Reichtum
gelangt sind?

Die richtige Antwort kann nur lauten: weder die einen noch die andern --
sondern mit beiden zusammen _auch_ noch von den f�nfzig Millionen die
neunundvierzig, die der weitaus gr��ten Zahl nach in t�glicher strenger
Arbeit ihr Dasein vollbringen, mit meist ganz geringem pers�nlichen
Anteil an den G�tern einer erh�hten Kultur, und die, jeder einzelne von
ihnen bedeutungslos wie der Tropfen im Meer, doch in ihrer Gesamtheit
das gro�e Reservoir abgeben, aus welchem alle wirtschaftliche und
geistige Aktion des Deutschen Volkes nicht minder wie die Verteidigung
seines Bodens in letzter Reihe ihre Kraft sch�pft -- die breiten
Schichten der namenlosen Geschlechter, zu welchen die oberen St�nde, die
Tr�ger von Bildung und Wohlstand, sich verhalten _nur_ wie Bl�ten und
Fr�chte des Baumes zu Stamm und Wurzel, aus denen Bl�te und Frucht ihre
Nahrung ziehen.

Und damit ist gesagt, da� unter dem Gesichtspunkt des _allgemeinen_ alle
St�nde gleichm��ig umfassenden Volkswohls kein Staatswesen eine
wichtigere Aufgabe haben kann als die Sorge, Wurzel und Stamm seines
Volkstums dauernd gesund und kr�ftig zu erhalten. Tr�ten nun sowohl
nackte Klasseninteressen allen Bestrebungen entgegen, welche auf
Beseitigung der am Volksk�rper nagenden sozialen �bel dringen, so w�rde
damit die Vertretung dieser Bestrebungen unter die Fahne gestellt sein:
_Solidarische Volksinteressen gegen�ber den Pr�tentionen bevorzugter
St�nde!_

Angesichts des immer deutlicher hervortretenden Kampfes der
Sonderinteressen um die Klinke der Gesetzgebung in Deutschland, scheint
es in der Tat Zeit zu sein, da� eine politische Partei, die eine
�Volkspartei� sich nennt, _ihre_ Bem�hung um Einwirkung auf die
Gesetzgebung deutlich unter _diese_ Fahne stelle und in diesem Sinne die
hier angeregte Reform der _Steuer_gesetzgebung in ihr Programm aufnehme.

Gegenw�rtig k�nnte dieses auch durch keine andere als eine politisch
radikale Partei geschehen -- radikal in dem Sinne: durch keine
R�cksichten gehindert sein, erkannten �beln an die Wurzel zu gehen und
nicht Halt machen m�ssen vor, irgend einem noli me tangere. Alles was
heute rechts von uns steht, ist als Partei unter den gegenw�rtigen
Umst�nden durchaus unf�hig, _wirkliche_ soziale Reformen in die Hand zu
nehmen, weil jeder Versuch dieser Art hoffnungslos bleibt, wenn er von
Anfang an innerer Folgerichtigkeit entsagen m��te. Alle diese anderen
Parteien aber brauchen einstweilen noch privilegierte St�nde als ihnen
unentbehrlich scheinende �St�tzen von Thron und Altar�. Wenn nun auch in
konservativen Kreisen -- wie allerlei Erscheinungen in der konservativen
Presse erkennen lassen -- neuerdings ein sehr bemerkenswertes
Verst�ndnis f�r die Absurdit�ten in unserer Wirtschaftsordnung zu finden
ist, soweit sie in Industrie und Handel zum Vorschein kommen, so n�tzt
dieses doch sehr wenig. Den Industrie-und Finanzbaronen von ihren
Privilegien manches abzukn�pfen, w�re man in diesen Kreisen schon
bereit; k�me aber einer, der meinte, die Konsequenzen solchen Vorgehens
d�rften auch die Landbarone nicht unber�hrt lassen, so w�rde es gleich
hei�en: ja, Bauer, das ist was ganz anderes! -- Von dieser Seite ist
also nur hartn�ckiger Widerstand zu erwarten.

Gegen�ber der Sozialdemokratie, anderseits, w�rde die Aufstellung eines
derartigen Programms -- zumal wenn ihm noch einiges hinzugef�gt w�rde,
was ich in der Fortsetzung meines Referats beizubringen gedenke -- den
Beginn einer wirksamen und ehrlichen Bek�mpfung bedeuten. -- Mit Polemik
sie bek�mpfen zu wollen, ist ein vollkommen nutzloses, sogar sch�dliches
Unternehmen. Durch geistreiche Parodie ihrer Gl�ckseligkeitstheorien
kann man zwar die Lacher auf seine Seite bringen und damit den Philister
h�heren und niederen Standes �ber den Ernst der Sache hinwegt�uschen,
indem man ihn glauben macht, da� es sich nur um solche �Theorien�
handele -- der unwiderstehlichen Kraft der Kritik aber, welche die
Sozialdemokratie an Einrichtungen und Zust�nden �bt, kann man damit
nicht um ein[en] Deut Abbruch tun. Denn diese Kritik hat nicht Meinungen
und Theorien zum Gegenstand, sondern Tatsachen. Tatsachen aber schafft
man nicht aus der Welt durch noch so geschickte Dialektik, vielmehr,
wenn man sie nicht mehr ableugnen kann, nur durch Beseitigung der realen
Ursachen, auf welchen sie beruhen.

So empfehle ich also der Freisinnigen Volkspartei meinen fr�her
ausgesprochenen Antrag noch speziell als Waffe zur _wirklichen_
Bek�mpfung der Sozialdemokratie.


B. Arbeiterschutz.


_Meine Herren!_

In dem ersten Teile meines Referats habe ich zur Begr�ndung der damals
empfohlenen Programmforderung zu zeigen gehabt, da� eine Quelle nicht
abzuleugnender wirtschaftlicher Mi�st�nde und sie begleitender sozialer
�bel _wirklich_ gegeben ist in dem gegenw�rtigen Verh�ltnis zwischen
Kapital und Arbeit, und zwar insofern, als die neuere Entwicklung der
Wirtschaftst�tigkeit das Kapital, d. h. allen Besitz, mehr und mehr aus
einer dem Verbrauch dienenden Verm�gensansammlung zu einem
unentbehrlichen Faktor aller produktiven Arbeit und damit die gesamte
Arbeitst�tigkeit vom Besitz abh�ngig gemacht hat. Ich habe dann aber
weiter gezeigt, da� die gegenw�rtigen nachteiligen Wirkungen dieses
Verh�ltnisses nicht begr�ndet sind in seinem Charakter selbst, d. h. in
der erw�hnten Abh�ngigkeit der Arbeit und auch nicht in dem pers�nlichen
Eigentum am Kapital, also der privatkapitalistischen Produktion, und da�
sie sogar nicht einmal eine notwendige Folge der sehr ungleichm��igen
Besitzverteilung sind, sondern ausschlie�lich entstehen durch das
Zusammentreffen dieser ungleichen Verteilung des Besitzes mit einer
privaten _Zins_wirtschaft. Der Weg zur Beseitigung der aus _dieser_
Quelle stammenden �bel erschien nun als innerhalb der bestehenden
Staats- und Gesellschaftseinrichtungen gegeben darin: der Staat besinne
sich darauf, da� er selbst der eigentliche rechtm��ige Nutznie�er des
gesamten Nationalverm�gens hinsichtlich alles reinen Zinsertrags sei und
hierin seine eigene selbst�ndige Einnahme habe, die er in Form der
Verm�gensteuer nur einzuziehen brauche, um aus dieser Quelle, statt aus
direkten oder indirekten Abz�gen vom Arbeitsertrag seiner B�rger, seine
Bed�rfnisse zu bestreiten und zugleich die gesamte Arbeitst�tigkeit des
Volkes von allem Druck durch Wirkungen der ungleichen Besitzverteilung
zu entlasten.

Der Fortgang meiner politischen Betrachtung f�hrt mich heute auf die
Er�rterung einer zweiten Quelle von sozialen �beln, welche ihrem Wesen
nach durchaus unabh�ngig ist von dem Verh�ltnis zwischen Besitz und
Arbeit und ausschlie�lich in dem Verh�ltnis verschiedener Klassen der
Arbeitst�tigen zueinander beruht.

Derselbe Zug der Wirtschaftsentwicklung, welcher den Ertrag
vorangegangener Arbeit als Kapital zu einem wesentlichen Faktor aller
nachfolgenden Arbeit machte, hat gleichzeitig auch die Form dieser
Arbeitst�tigkeit der V�lker durchgreifend ver�ndert und innerhalb der
Gesamtheit der Arbeitst�tigen durch Teilung der Funktionen den
Klassenunterschied zwischen selbst�ndiger und unselbst�ndiger Arbeit,
oder von Unternehmer und Arbeiter schlechthin, eingef�hrt. Beides, diese
Scheidung der Funktionen und jene Bewertung von Besitz und Verm�gen als
Arbeitswerkzeug, ist ganz gleichzeitig und in innerem notwendigen
Zusammenhang entstanden; erst in dieser Scheidung und verm�ge derselben
gewinnt der Besitz, seine Bedeutung als Kapital.

Vor 200 Jahren war alle wirtschaftliche T�tigkeit noch ganz und vor 100
Jahren noch fast ganz freie, selbst�ndige Einzelarbeit, f�r alle von
wesentlich gleichem Charakter, nur verschieden nach der Natur des
Arbeitsgegenstandes. Ausgenommen hiervon waren nur der Landbau in
denjenigen Bezirken, in welchen das Recht des Eroberers gegen�ber den
Besiegten noch fortwirkte, oder ausnahmsweise besondere
Rechtseinrichtungen dauernde Abh�ngigkeit einzelner von anderen
herbeigef�hrt hatten, im �brigen aber nur ganz vereinzelte Gewerke, wie
z. B. die Gewinnung und Vorbearbeitung der Metalle und anderer
Rohprodukte, die Schiffahrt u. a., bei denen die Unzul�nglichkeit der
physischen Kraft der einzelnen fr�hzeitig ein genossenschaftliches
Zusammenarbeiten vieler angebahnt hatte. Das typische Bild jener
urspr�nglichen Arbeitsform ist der alte Handwerksmeister, der mit
Lehrling und Gesellen als Gliedern seines Hausstandes, in der Wohnung
der Familie als Arbeitsst�tte, und ohne anderes Betriebskapital als sein
Werkzeug, sein Erzeugnis vom ersten bis zum letzten vollendete und
wirtschaftlich wie pers�nlich in keiner andern Beziehung oder
Abh�ngigkeit stand als zu seinesgleichen. Zwar gab es auch bei dieser
Arbeitsform unselbst�ndige Arbeiter; diese, die Lehrlinge und Gesellen,
standen aber dem Meister nicht als eine andere Klasse von Arbeitern
gegen�ber, ihre Unselbst�ndigkeit war vielmehr nur die Vorstufe und
Vorbereitung zu sp�terer Selbst�ndigkeit, die der Regel nach auch alle
erreichten; und ihre zeitweilige Abh�ngigkeit war dem Wesen nach nur die
Botm��igkeit des Lernenden gegen den Lehrmeister und die Unterordnung
des Hausgenossen unter das Familienhaupt, also nicht sowohl
wirtschaftlicher als vielmehr sittlicher Art.

Auch gegenw�rtig ist dieser Typus des alten Handwerksmeisters im Gewerbe
und das ihm Entsprechende in Landbau, Handel und Verkehrswesen noch
�berall vertreten, wo Kleingewerbe irgend einer Art sich erhalten hat.
�berall aber sehen wir auch diese Form der wirtschaftlichen Arbeit
zur�ckgedr�ngt und deutlich in fortdauerndem Zur�ckweichen begriffen vor
einer ganz andern, neuen Arbeitsform, gem�� welcher je eine gr��ere oder
kleinere Anzahl von Personen, jedenfalls immer ihrer viel mehr, als
jemals in ihrem Gewerke selbst�ndige Meister werden k�nnten, als dauernd
unselbst�ndige Arbeiter im Dienst von Unternehmern t�tig sind -- in
besonderen Arbeitsst�tten getrennt von ihren Familien, mit weitgehender
Teilung der verschiedenen technischen Verrichtungen f�r jedes einzelne
Arbeitserzeugnis und unter Benutzung elementarer Kraft, sowie wertvoller
Maschinen, gro�er Geb�ude und sonstiger Einrichtungen, welche durch
vorangegangene Arbeit anderer beschafft sind. Die T�tigkeit dieser
Unselbst�ndigen richtet sich bei den einzelnen nicht mehr auf Erzeugung
eines in sich fertigen Ganzen, sondern nur auf Herstellung von
Teilst�cken, welche nachher von andern Unselbst�ndigen zum Ganzen
zusammengef�gt werden -- alles nicht nach eigenen Intentionen, sondern
nach Plan und Vorschrift des Unternehmers, der allein eine wirkliche
Initiative beh�lt, Ziel und Verfahren der Arbeit bestimmt. Dabei
gesellen sich aber zur physischen Leistung und zur technischen
Fertigkeit der Arbeiter ganz neue Kr�fte, welche teils der Unternehmer
pers�nlich stellt, teils durch andere heranbringt, die gleichfalls als
Unselbst�ndige in seinem Dienst stehen. Es sind die geistigen Kr�fte der
Organisation, welche nicht nur die Gliederung und das richtige
Zusammenwirken der einzelnen Arbeitsverrichtungen fortgesetzt ordnen und
regeln, sondern zugleich immer neue Antriebe schaffen, neue Aufgaben
wirtschaftlicher und technischer Art aufwerfen, neue Wege ersinnen und
endlich auch noch die Funktionen des Kaufmanns der Gewerkst�tigkeit des
Ganzen einverleiben. -- Also die gemeinsame organisierte Arbeit vieler
gegen�ber der Einzelarbeit des alten Kleingewerbes.

Man braucht nur beides in seiner Eigenart klar sich vorzustellen, um
auch sofort zu wissen, _warum_ das Kleingewerbe von dem Gro�betrieb
zur�ckgedr�ngt ist und vor ihm immer weiter zur�ckweichen mu�. Nicht der
Vorteil der Gr��e an sich macht es; der rein �konomische Gewinn
verminderter Unkosten bei gr��erem Betriebsumfang ist durchaus die
Nebensache. Die Organisation ist es, welche die weit gr��ere, durch
nichts anderes zu ersetzende �berlegenheit verleiht, indem sie g�nzlich
verschiedene Kr�fte, die nie in einer Person vereinigt sein k�nnen, die
vielmehr von ganz verschiedenen Personen mit verschiedenen F�higkeiten
und verschiedener Ausbildung getragen werden, in solcher Art zum
Zusammenwirken bringt, da� sie sich gegenseitig erg�nzen und dadurch den
wirtschaftlichen Effekt riesenhaft gesteigerter K�rperkraft und
geistiger Potenz hervorbringen. -- Zugleich wird auch ersichtlich, da�
nicht das Kapital die kapitalistische Produktion geschaffen, sondern
umgekehrt die fortschreitende Einb�rgerung des organisierten
Zusammenarbeitens vieler dem Besitz und Verm�gen die Bedeutung von
Kapital als Arbeitsfaktor �berhaupt erst verliehen hat. Die
Dampfmaschine, als Werkzeug einzelner gedacht, ist das nutzloseste Ding
von der Welt, viel weniger wert als der einfache Hammer; erst als
Werkzeug der gemeinsamen Arbeit vieler verzehnfacht sie deren
K�rperkr�fte. Ehe irgend welche Maschinen f�r die Arbeit Wert gewinnen
konnten, mu�te schon Organisation da sein. Die kapitalistische
Produktion ist durchaus nichts anderes als die organisierte Produktion
-- und umgekehrt.

       *       *       *       *       *

Die Ver�nderungen, welche die fortschreitende Ausbreitung der neuen
Produktionsform bisher im Volksleben hervorgebracht hat und immer weiter
hervorzubringen in sichere Aussicht stellt, sind zum Teil durchaus
unerfreulicher Art. Das wichtigste ethische Moment in aller Arbeit, die
Freude am Schaffen selbst, die daraus entspringt, da� man seine Arbeit
wachsen und allm�hlich ein Ganzes werden sieht, ist dem unselbst�ndigen
Arbeiter infolge der Arbeitsteilung stark verk�mmert. Nicht mehr
lebendige Anschauung, nur verstandesm��ige �berlegung kann ihm noch zum
Bewu�tsein bringen, da� auch er an einem Ganzen arbeitet, welches, von
anderen vollendet, einen wirklichen Wert haben wird. Aus einer Quelle
unmittelbarer Lebensfreude wird also f�r sehr viele die Arbeit zur
pflichtm��igen Erf�llung eines Arbeitsvertrags gemacht. Dazu kommt noch
der Verlust der wohlt�tigen Anregungen, welche die M�glichkeit eigener
Initiative gew�hrt, und das Gef�hl pers�nlicher Unfreiheit aus der
strengen zeitlichen Gebundenheit der Arbeit und aus der notwendigen
Unterordnung unter andere Personen, welche die Arbeit zu leiten haben.
Die Arbeitsteilung hat aber auch noch unbestreitbare direkte Nachteile,
oder doch Gefahren, im Gefolge. Die gr��ere Einf�rmigkeit der Arbeit der
einzelnen, der Mangel �fteren Wechsels der Verrichtungen, macht die
T�tigkeit viel erm�dender, und kann sie, zumal wenn noch die sehr
gesteigerte Anspannung der Aufmerksamkeit bei der Arbeit mit Maschinen
hinzukommt, zu einer Ursache geistiger Abstumpfung machen. Die
Einseitigkeit der Besch�ftigung aber, welche f�r lange Zeit immer
dieselben Organe in Anspruch nimmt, ist geeignet, offensichtliche
Nachteile f�r das k�rperliche Wohl hervorzubringen.

Auf der anderen Seite ist jedoch gerade die Arbeitsteilung, nicht nur
hinsichtlich der ganz ungleichartigen Funktionen geistiger und
k�rperlicher T�tigkeit, sondern auch innerhalb des Gebietes der rein
technischen Verrichtungen, der wichtigste Hebel wirtschaftlichen
Fortschritts in aller gewerblichen T�tigkeit. Denn die Beschr�nkung des
Erlernens und der �bung auf einen engeren Kreis von Verrichtungen
steigert f�r _diese_ Verrichtungen Fertigkeit und Geschicklichkeit in
hohem Ma�e. Zehn einseitig geschulte Personen, die sich in ihrer Arbeit
gegenseitig gut erg�nzen, leisten nicht nur viel mehr, sondern auch viel
besseres als zehn andere, sonst gleiche, die vielseitiger ausgebildet
und ge�bt sind, wofern der Gegenstand sehr verschiedenartige
Verrichtungen erfordert. -- Die Alten unter meinen Arbeitsgenossen --
von denen ich einige in dieser Versammlung sehe -- erinnern sich noch
der Zeit, da in unserem Betrieb die Arbeitsteilung nur bis zur Scheidung
der technisch g�nzlich ungleichartigen Arbeiten fortgeschritten war. Sie
wissen, wieviel erfreulicher damals, vor 30 und auch vor 20 Jahren, ihre
Arbeit f�r sie alle noch war, als ihrer zwei, oder h�chstens drei,
zusammenwirkend ein kunstvolles Instrument aus den rohen Metall- und
Glasst�cken heraus bis zur letzten Vollendung fertig zu machen gewohnt
waren. Sie k�nnen aber auch bezeugen, da� was sie auf diese Art mit
allem Bem�hen zustande brachten, doch nicht entfernt dasjenige
erreichen konnte, was heute durch Zusammenarbeiten von zehn oder noch
mehreren viel leichter erreicht wird. Die technische Arbeitsteilung
steigert also nicht nur quantitativ die Leistungsf�higkeit der Arbeit,
sondern sie erh�ht auch das qualitative Niveau der Leistung.
Veranschlagt man hierzu nun noch die Bedeutung, welche die Teilung der
physischen und der geistigen Funktionen in der organisierten
wirtschaftlichen Arbeit dadurch gewinnt, da� sie eine st�ndige,
geregelte Mitwirkung besonders geschulter technischer und
kaufm�nnischer, geeignetenfalls auch wissenschaftlicher Kr�fte
herbeif�hrt; und rechnet man endlich noch hinzu den unmittelbar
ersichtlichen Vorteil, den die Organisation hat in der m�glichen und
tats�chlichen Benutzung des Kapitals als Arbeitsmittel, so kann kein
Zweifel daran bleiben, da� die neue Arbeitsform einen ganz
au�erordentlichen Fortschritt in der Wirtschaftst�tigkeit der V�lker
eingeleitet hat und weiterzuf�hren berufen ist.

       *       *       *       *       *

Damit ist aber auch gesagt, da� die der neuen Wirtschaftsform
charakteristische Scheidung der Arbeitst�tigen in Selbst�ndige und
Unselbst�ndige ein notwendiges Attribut der Wirtschaftsordnung geworden
ist. Diese k�nnte solche Personen, welche zwar selbst nicht unmittelbar
an der physischen Arbeit sich beteiligen, aber die gemeinschaftliche
Arbeit vieler organisieren und leiten und dazu sich f�hig gemacht haben,
durchaus nicht mehr entbehren. Das Unternehmertum in _diesem_ Sinn ist
also eine ganz notwendige Institution des Wirtschaftssystems geworden.
Und da der Natur der Sache nach nur relativ wenige jene besonderen
Funktionen aus�ben k�nnen, die weitaus gro�e Mehrzahl immer zu den
Organisierten und Geleiteten, d. h. den Unselbst�ndigen geh�ren mu�, so
besteht nun die _soziale_ Wirkung der organisierten Arbeit, in dem Ma�e,
als diese sich mehr ausbreitet, in der Scheidung des ganzen Volkes
hinsichtlich der Arbeitst�tigkeit in zwei _Klassen_, von ganz
verschiedenen Funktionen, dementsprechend verschiedenen Rechten und
Pflichten, und demgem�� notwendig verschiedenen Interessen, und zwar mit
der Nebenbestimmung: kleine Minderheit gegen gro�e Mehrheit -- Was viele
Jahrhunderte lang die festeste Grundlage, der eigentliche Kern des
Volkstums gewesen ist, der wirtschaftlich selbst�ndige und pers�nlich
unabh�ngige B�rger- und Bauernstand, mu� in dem Ma�e verschwinden, als
das Kleingewerbe in Industrie, Handel und Landbau zur�ckgedr�ngt wird,
soweit nicht etwa auf einzelnen Wirtschaftsgebieten, z. B. im Landbau,
der �bergang der Kleinen zur gemeinschaftlichen, organisierten Arbeit
auf dem Wege der Genossenschaftsbildung zwischen Gleichberechtigten sich
vollziehen mag.

Jene Klassen- und Interessenscheidung innerhalb der Gesamtheit der
Arbeitst�tigen ist aber so sehr im Wesen der neuen Arbeitsform
begr�ndet, da� selbst die radikalste Umw�lzung unserer Staats- und
Gesellschaftsordnung sie nicht aufheben k�nnte, au�er mittels
vollst�ndiger R�ckbildung aller Wirtschaftst�tigkeit zur alten
Einzelwirtschaft. Denn jener Gegensatz innerhalb der organisierten
Arbeitst�tigkeit ist seinem Wesen nach ganz unabh�ngig davon, ob der
eine Teil das Kapital besitzt oder nur verwaltet und ob dieser unter dem
Namen von Privatunternehmern oder Staatsbeamten fungiert. Er hat also
gar nichts zu tun mit der _privat_-kapitalistischen Produktion, sondern
nur mit der kapitalistischen, d. h. der organisierten Produktion. Auch
im �Zukunftsstaat� w�rden zum Schiffbau nicht nur geschickte Zimmerleute
ausreichen und im Maschinenbau selbst die t�chtigsten Schmiede nicht
zugleich die Ingenieure und Disponenten sein k�nnen. Auch der
Zukunftsstaat also verm�chte den Gegensatz der Interessen, welcher aus
der notwendigen Verschiedenheit der Funktionen und der Befugnisse
entspringt, nicht aufzuheben; er k�nnte nur durch vern�nftige
Rechtseinrichtungen seine Wirkungen regeln -- was der heutige Staat aber
gleichfalls kann, wenn er will.

       *       *       *       *       *

In dem vorher charakterisierten Gegensatz: Unternehmer und Arbeiter,
liegt aber auch der einzige wirkliche _Klassen_gegensatz, d. h.
Interessengegensatz zwischen bestimmten Personenklassen, den unter dem
wirtschaftlichen Gesichtspunkt unsere Gesellschaftsordnung einschlie�t.
Der Gegensatz von Kapital und Arbeit begr�ndet an sich einen solchen
nicht. Denn er ist seinem Wesen nach ein ganz unpers�nlicher Gegensatz
zwischen den beiden Wirtschaftsfaktoren, Besitz und Arbeitst�tigkeit,
und stellt nur die Interessen der Gesamtheit aller Arbeitst�tigen denen
der Gesamtheit aller Besitzenden gegen�ber. Diese Gesamtheiten aber
entsprechen keineswegs bestimmten abgegrenzten Klassen. Denn beide
Begriffssph�ren �berdecken sich zu einem gro�en Teil und nur an der
Peripherie entstehen da, wo sie ganz aussereinander liegen,
gegens�tzliche Gruppen, einerseits von solchen, die nichts besitzen und
viel arbeiten, anderseits von solchen, die viel besitzen und nichts
arbeiten, wirtschaftlich. Alle dagegen, die mit ihrem Besitz, sei er ein
kleiner Acker oder ein gro�es Verm�gen, selbst wirtschaften, sind
Kapitalisten im richtigen Sinn nur insoweit, als ihr Wirtschaftsertrag
auch die Quote reinen Zinses mit enth�lt, die ihnen im Schlaf zuflie�en
w�rde, wenn sie andere mit ihrem Besitz wirtschaften lie�en;
hinsichtlich alles dessen, was sie mehr als diesen Zins erzielen, sind
sie aber Arbeitst�tige. Hiervon sind selbst die Aktion�re der
Aktiengesellschaften nicht ausgeschlossen, insoweit ihre Dividenden �ber
den reinen hypothekenm��igen Kapitalzins hinaus noch Unternehmergewinn
einschlie�en. Denn letzterer beruht auf einer Arbeitst�tigkeit des
Unternehmers, und es macht dabei keinen Unterschied, da� jene solche
Arbeitst�tigkeit nicht selbst, sondern durch Mandatare aus�ben. -- Auf
der ganz unpers�nlichen Natur des Gegensatzes: Kapital und Arbeit,
beruht es auch, da� die Wirkungen, die an diesen Gegensatz sich kn�pfen
-- und damit die wirtschaftlichen Wirkungen des Unterschiedes von arm
und reich -- aufgehoben werden k�nnen durch Ma�regeln, welche das
wirtschaftliche Verh�ltnis des einzelnen zum einzelnen v�llig unber�hrt
lassen -- wie ich im ersten Teil meines Referats ausgef�hrt habe.

Demgegen�ber begr�ndet aber der Unterschied in den pers�nlichen
Funktionen und Rechten, der in aller organisierten Arbeit zwischen
Unternehmer und unselbst�ndigem Arbeiter gegeben ist, einen wirklichen
Klassenunterschied, weil er innerhalb der Gesamtheit der Arbeitst�tigen
wirtschaftliche und soziale Interessen bestimmter Personenklassen in
unvermeidlichen Gegensatz stellt. Dieser Gegensatz aber ist seinem Wesen
nach wieder ganz unabh�ngig von dem zwischen Kapital und Arbeit, nur
ganz �u�erlich f�llt er �fters mit ihm zusammen. Denn der P�chter, der
ein erpachtetes Gut bewirtschaftet, oder der Industrielle, der
vorwiegend mit fremdem Geld arbeitet, ebenso auch die Betriebsleiter in
irgend welchen wirtschaftlichen Unternehmungen, die, wie z. B. die
Direktoren der Aktiengesellschaften oder die leitenden Beamten der
Staatsbetriebe, nur als Mandatare der Kapitalbesitzer fungieren, stehen
als Arbeitst�tige dem Kapital genau so _gegen�ber_, wie ihre Arbeiter,
weil sie ja den Zins nicht bekommen, den das Kapital verlangt, sondern
mit den Arbeitern zusammen ihn aufzubringen helfen m�ssen; trotzdem aber
stehen auch sie als Unternehmer zu den unselbst�ndigen Arbeitern in
deutlichem Klassengegensatz hinsichtlich pers�nlicher und
wirtschaftlicher Interessen. Und wenn nun in vielen F�llen Kapitalist
und Unternehmer in einer Person zusammentrifft, wie z. B. beim
Gutsherrn, der sein Land selbst bewirtschaftet, oder beim Industriellen,
der nur mit eigenem Verm�gen arbeitet, so ist auch in diesen F�llen der
_Klassen_gegensatz nicht zu suchen in dem Verh�ltnis des Kapitalisten
zum Arbeiter, sondern nur in dem des Unternehmers zum unselbst�ndigen
Arbeiter.

Obwohl ich diese Unterscheidungen nur zum Hausgebrauch mir zurechtgelegt
habe, zur eigenen Orientierung in den verwickelten Erscheinungen meines
Beobachtungskreises, mu� ich hier doch ausdr�cklich auf sie hinweisen,
um die Gesichtspunkte meiner Ausf�hrungen gen�gend erkennbar zu machen.
-- Die Sozialdemokratie beurteilt das Verh�ltnis von Kapital und Arbeit
(von anderen Parteien ist nicht zu reden, weil sie es gar nicht
beurteilen) von dem ganz einseitigen Standpunkt des Klasseninteresses
der Arbeiter im engeren Sinn und sie kommt so dazu, den unpers�nlichen
Interessengegensatz von Kapital und Arbeit zu einem pers�nlichen
Klassengegensatz zwischen Kapital_isten_ und Arbeit_ern_ zu stempeln --
in welchen sie nun die heterogensten Dinge hineinpackt, alles unter der
ganz �u�erlichen R�cksicht, da� dadurch dem Arbeitsertrag der
eigentlichen Arbeiter Abbruch getan wird. Sie verdunkelt sich dabei
vollkommen die Ursachen der �bel, die sie beseitigen will, und versperrt
sich im besondern die Erkenntnis, da� es _zwei_ ganz verschiedene
Stellen sind, an welchen der wirtschaftlich-soziale Schuh dr�ckt -- zwei
Stellen, die, zwar �u�erlich dicht nebeneinander, doch auf ganz
verschiedene Art krank sind und durchaus verschiedene Heilmittel
erfordern, keineswegs mit einem Universalmittel kuriert werden k�nnen.

Aus vorhin gesagtem entnehmen Sie schon, da� meine Ansicht dahin geht:
es werde die organisierte Arbeit mehr und mehr zur Herrschaft �ber das
ganze Wirtschaftsgebiet gelangen und also zuletzt das _ganze_ Volk in
die vorher besprochene Scheidung zwischen selbst�ndiger und
unselbst�ndiger Arbeit hineinziehen, soweit nicht etwa in einzelnen
Kreisen der Wirtschaftst�tigkeit -- wie es f�r den Kleinbetrieb des
Landbaues wohl denkbar scheint -- der �bergang zur organisierten Arbeit
ohne v�lliges Aufgeben der Selbst�ndigkeit der einzelnen m�glich ist.

Nun gibt es allerdings noch manche, sogar noch Parteien, welche glauben
oder doch zu glauben vorgeben, es k�nne dieser Entwicklungsproze� zum
Stillstand, gebracht, vielleicht sogar dem Kleingewerbe aller Art ein
Teil des jetzt verloren gegangenen Terrains zur�ckerobert werden. Ich
sehe aber in dieser Meinung, da wo sie aufrichtig gehegt wird, die
denkbar gr��te und auch sch�dlichste Illusion, zu welcher die T�uschung
�ber die wahren Ursachen einer wirtschaftlichen Erscheinung nur immer
f�hren k�nnte. Wer aber die erw�hnte Umwandlung der Arbeitsform auf
einem einzelnen Arbeitsgebiet mit erlebt und pers�nlich mit �u�erstem
Widerstreben ihrem Fortgang hat folgen m�ssen, f�r den kommt zur
verstandesm��igen Erkenntnis ihrer Notwendigkeit und Unwiderstehlichkeit
auch noch die subjektive Gewi�heit, da� sie zum Stillstand bringen zu
wollen das gleiche besagt, wie ein Versuch, die Flutwelle im Ozean
aufzuhalten. Man mag menschlich alle Teilnahme haben f�r die, welche im
Kampf zweier Wirtschaftsformen zwischen Hammer und Ambo� geraten sind;
dieses kann aber die �berzeugung nicht �ndern, da� alle Versuche, f�r
das Kleingewerbe noch etwas zu retten -- nicht nur die kleinen und die
gro�en Kniffe, wie Schikanieren von Konsumvereinen, Z�nftlerei,
Judenhetze u. a. m., sondern leider auch die an sich verst�ndigen und
ehrenwerten Bestrebungen zur innern Hebung des Handwerks -- doch nichts
weiter mehr sind als: Ma�nahmen zur Verlangsamung eines Todeskampfes.
Die Zukunft geh�rt allein der organisierten Arbeit, und zwar auf allen
Gebieten wirtschaftlicher T�tigkeit, Handel und Landbau nicht
ausgeschlossen. In 30 oder 40 Jahren wird vom eigentlichen Handwerk
gewi� nichts mehr �brig sein als kleine Inseln solcher Arbeitst�tigkeit,
die entweder auf ganz individueller Kunst beruht oder ganz individuellen
Bed�rfnissen dienen will und aus dem einen oder dem anderen Grund immer
Einzelarbeit bleiben mu�.

An diesem Urteil k�nnen auch Erwartungen mich nicht irre machen, die
neuerdings von sehr beachtenswerter Seite ausgesprochen wurden im
Hinblick auf die Hilfe, welche das Kleingewerbe von der erleichterten
Benutzung der Naturkr�fte infolge der raschen Fortschritte der
elektrischen Kraftverteilung sehr bald zu hoffen haben werde. Die
Berechtigung solcher Erwartungen an sich durchaus zugegeben, wird diese
Hilfe doch nicht der Erhaltung und Ausbreitung des eigentlichen
Handwerks zugute kommen, sondern nur dem �bergang vieler vom Handwerk
zum Klein-Unternehmertum und der Konkurrenzf�higkeit des letzteren
gegen�ber der Gro�industrie. Die Verwendung von elementarer Kraft f�hrt
�berall, wo sie �berhaupt einen Vorteil bringt, aus der handwerksm��igen
Arbeit heraus und dr�ngt zur organisierten Arbeit, sei es auch in
kleinerem Ma�stab. Wie wichtig es nun in mehreren Beziehungen sein mag,
da� auch kleine Unternehmungen, die nur 10 oder 20 Personen vereinigen,
neben den gro�en, in denen Hunderte t�tig sind, noch existenzf�hig seien
und da� innerhalb des Unternehmertums noch eine Konkurrenz unter vielen,
kleinen und gro�en, m�glich bleibe, so gering ist die soziale Bedeutung
dessen in bezug auf die Hauptsache, die zunehmende Scheidung aller
Arbeitst�tigkeit in selbst�ndige und unselbst�ndige. Denn da� durch die
M�glichkeit kleiner Betriebe eine etwas gr��ere Zahl von Personen als es
sonst sein k�nnte noch selbst�ndig erhalten wird, �ndert nichts daran,
da� die Zahl dieser Selbst�ndigen schlie�lich doch nur ein ganz kleiner
Bruchteil der Gesamtzahl aller Arbeitst�tigen bleiben kann.

Ist man aber zu dem Einsehen gelangt, da� das Alte unab�nderlich
verloren ist und ein Neues notwendigerweise an seine Stelle treten mu�,
so gilt kein Str�uben und kein Lamentieren mehr, sondern nur die
besonnene Erw�gung: wie die Verluste zu ersetzen, die Nachteile des
Neuen unsch�dlich zu machen, seine Vorz�ge aber voll zur Geltung zu
bringen seien.

Wie meine vorherige Gegen�berstellung zeigte, ist der Verlust in der Tat
sehr gro�, zumal in Hinsicht auf die ethischen Faktoren menschlicher
T�tigkeit, also auf ideale G�ter des Lebens -- wofern man diese nicht
nur bei dem bevorzugten Teil, sondern auch bei dem zur�ckgesetzten sehen
will. Aber noch viel gr��er ist der Gewinn, den das Neue -- und zwar
keineswegs nur nach der materiellen Seite hin -- erbracht hat und noch
weiter zu erbringen in Aussicht stellt, und der �berschu� ist gro�
genug, um alle G�ter, die mit dem Alten verloren gegangen sind, durch
entsprechende G�ter vollwertig zu ersetzen -- wenn man es nur darauf
anlegen will.

       *       *       *       *       *

Nach den Erfahrungen dieses ganzen Jahrhunderts in allen den L�ndern,
die von der Umwandlung der Arbeitsform schon ergriffen wurden, kommt
aber diese g�nstige Bilanz, sofern sie nicht nur f�r einzelne oder f�r
einzelne Klassen, sondern f�r die ganzen V�lker einen wohlt�tigen
�berschu� ergeben soll, nicht von selbst zustande -- etwa als die
nat�rliche Resultante aus dem Wettstreit zwischen allen Einzel-Egoismen,
wie die alte National�konomie vermeinte. Angesichts der offenkundigen
Wirkungen des ungez�gelten Industrialismus in allen L�ndern ist dar�ber
kein Wort mehr zu verlieren. Und es w�re doch auch allzu merkw�rdig,
wenn blo�e Triebkr�fte des Eigennutzes, weil sie zwischen
Gleich-M�chtigen ein notd�rftiges Gleichgewicht zu erhalten ausreichen
m�gen, dasselbe Resultat auch ergeben h�tten oder ergeben k�nnten in
einem Interessenstreit, bei welchem der eine Teil von vornherein alle
Attribute wirtschaftlicher �bermacht auf seiner Seite hatte. Nur der
Staat, als Vertreter und Organ der Interessen der Gemeinschaft gegen�ber
denen aller einzelnen und aller Klassen, kann in seiner _Rechtsordnung_
die Garantien daf�r schaffen, da� auch in dem wirtschaftlichen Streit
zwischen Starken und Schwachen die Resultante noch dem Gemeinwohl diene.
Gegen�ber einer Ver�nderung der Volkswirtschaft, welche mehr und mehr
darauf hindr�ngt, neun Zehntel des ganzen Volkes in pers�nliche und
wirtschaftliche Abh�ngigkeit von der �brigbleibenden kleinen Minderheit
zu setzen, kann dem Staat auch keine wichtigere Aufgabe zugewiesen
werden als die, seine _Rechtseinrichtungen_ in bezug auf dieses neue
Verh�ltnis so auszubauen, da� aus ihm keine das Volk zerst�rende Wirkung
entspringen k�nne. Das Ziel aber, welches hier aller Staatskunst gesetzt
ist, steht klar vor Augen: es mu� sich darum handeln, denjenigen Stand,
der als Nachfolger des Handwerkerstandes und bald als dessen einziger
Erbe die k�rperliche Arbeit in der Wirtschaftst�tigkeit der Nation zu
leisten hat, _auf ein solches wirtschaftliches Niveau und auf solche
Rechtslage zu erheben_, da� er, trotz der Unselbst�ndigkeit der
einzelnen bei ihrer Arbeit, die feste, gesunde Grundlage des Volkslebens
an _Stelle des alten Handwerks_ zu bilden verm�ge.

Bis heute ist in dieser Richtung �berall noch sehr wenig geschehen, --
kaum mehr als die ersten Schritte, deren Hauptwert auch einstweilen noch
darin besteht, da� sie die grunds�tzliche Anerkennung einer sozialen
Aufgabe des Staates ausdr�cken. Und wenn auch Deutschland auf diesem
Gebiet anderen L�ndern zurzeit in einigen Punkten sogar um ein geringes
voraus ist, so liegt doch auch hier im gro�en und ganzen noch der
Zustand vor, da� die Rechtsbildung und die Rechtseinrichtungen hinter
der Entwicklung der tats�chlichen Verh�ltnisse _g�nzlich zur�ckgeblieben
sind_. In den wichtigsten Punkten steht das neue Verh�ltnis zwischen
selbst�ndiger und unselbst�ndiger Arbeit noch unter Rechtsanschauungen,
die zum ausschlie�lichen Vorteil des einen Teiles dem alten Verh�ltnis
zwischen Meister und Gesellen, wenn nicht gar dem zwischen Hausherrn und
Dienstboten, ganz �u�erlich abgeguckt sind und auf die total ver�nderte
Sachlage passen wie die Faust aufs Auge -- im �brigen aber ist alles
noch reines, ungest�rtes Faustrecht.

       *       *       *       *       *

Die b�rgerlichen Parteien haben meist in einer geflissentlich
antisozialen Auffassung des Staates und der Staatsaufgaben die richtige
und einzige Waffe zur Bek�mpfung der Sozialdemokratie zu finden
vermeint. Diese Auffassung, welche allen tats�chlichen Erscheinungen zum
Trotz, daran festh�lt, die Vergesellschaftung der Menschen im Staat
durchaus unter dem Bild des Sandhaufens betrachten zu wollen, in welchem
die Quarzk�rner auf- und nebeneinander liegend nur durch die
mechanischen Vorg�nge von Druck und Reibung in Wechselbeziehung stehen,
hat im besondern die Freisinnigen Parteien dazu gef�hrt, alle
Einmischung des Staates in die wirtschaftlichen Angelegenheiten nicht
sowohl unter dem Gesichtspunkt der Aus�bung notwendiger
organisatorischer Funktionen anzusehen, als vielmehr unter dem einer
Erweiterung der Polizeibefugnisse des Staates, welcher gegen�ber die
Freiheit der Quarzk�rner, sich nach Belieben dr�cken und reiben zu
k�nnen, im Namen b�rgerlicher Freiheit zu wahren sei. In j�ngster Zeit
hat aber, wie wir aus vielen Anzeichen wissen, auch in diesen Kreisen
die Ansicht, da� es doch nicht ganz so sei, mehr und mehr Boden
gewonnen, und von vielen Seiten her wird jetzt innerhalb der
Freisinnigen Volkspartei die Aufstellung eines positiven Programms f�r
die Mitarbeit zur besseren Regelung der wirtschaftlichen Verh�ltnisse
angeregt. Auch die Thesen von Max Hirsch, die in unserem Kreise schon
besprochen wurden, geben dieser Auffassung Ausdruck und stellen f�r
diesen Zweck mehrere konkrete Programmpunkte hin. Wir unserseits sind
mit allen diesen Punkten sachlich einverstanden und meinen nur, soweit
es sich um einzelnes handeln soll, es m��ten ihrer noch mehrere sein.
Viel wichtiger aber als alle Einzelforderungen scheint mir zurzeit, da�
die Freisinnige Volkspartei f�r ihre Stellungnahme zu den
wirtschaftlichen Fragen ein _allgemeines_ Programm annehme, in welchem
ein deutlicher Gesichtspunkt f�r die Beurteilung alles einzelnen
enthalten ist und welches den Rahmen gibt, innerhalb dessen konkrete
Forderungen mehr und mehr auszugestalten sind.

In diesem Sinne schlage ich Ihnen vor, da� wir, einstweilen ohne
Er�rterung ganz spezieller Punkte, zur Aufnahme in das Parteiprogramm
der Freisinnigen Volkspartei das Folgende, als allgemeine Forderung an
die Gesetzgebung des Reichs, empfehlen:

     Fortbildung der Reichsgewerbeordnung und der Arbeiterschutzgesetze
     zu einem wirklichen _Arbeiter- und Unternehmerrecht_, welches das
     Verh�ltnis zwischen selbst�ndiger und unselbst�ndiger Arbeit auf
     allen Gebieten der Wirtschaftst�tigkeit unter Gesichtspunkten
     �ffentlichen Rechts regelt -- nach der pers�nlichen Seite hin den
     unselbst�ndigen Arbeiter sichert gegen den Mi�brauch seiner
     Abh�ngigkeit zur Beschr�nkung seiner pers�nlichen und b�rgerlichen
     Freiheit -- nach der wirtschaftlichen Seite hin jede dem Gemeinwohl
     sch�dliche Ausnutzung der Volkskraft verhindert und im besondern
     den Unternehmergewinn haftbar macht f�r Erf�llung sozialer
     Pflichten, die aus dem wirtschaftlichen Verh�ltnis von Unternehmer
     und Arbeiter sich ergeben.

Indem ich zur weiteren Rechtfertigung dieses Verlangens �bergehe, komme
ich nat�rlich auf mancherlei einzelne Forderungen zu sprechen, die darin
begriffen sein m�ssen. Es geschieht dieses aber wesentlich nur im Sinne
von Erl�uterung und Exemplifikation, keineswegs mit dem Anspruch, dabei
solche Einzelforderungen f�r den Ausbau des allgemeinen Programms schon
zu formulieren.

       *       *       *       *       *

Ich betrachte zun�chst die pers�nliche Seite des Verh�ltnisses zwischen
Unternehmer und Arbeiter.

Selbstverst�ndlich legen die Anforderungen aller organisierten Arbeit
dem einen Teil in bezug auf alles, was seine Arbeitst�tigkeit betrifft,
eine weitgehende Unterordnung unter den andern, zur Organisation und
Leitung berufenen Teil oder dessen Organe auf und mancherlei
Einschr�nkungen individueller Freiheit, die das geordnete
Zusammenarbeiten vieler, zumal in gro�en Betrieben, unerl��lich macht.
Hiervon abgesehen, mu� aber jede unbefangene Erw�gung zu dem Schlu�
f�hren: da� dieses Verh�ltnis, soweit der einzelne dem einzelnen
gegen�bersteht, ein rein b�rgerliches Vertragsverh�ltnis geworden ist,
in welchem Leistung und Gegenleistung v�llig sich decken und keinerlei
Rest zwischen sich lassen, der durch etwas anderes als durch Arbeit oder
Bezahlung ausgeglichen werden m��te -- also seitens des Arbeiters etwa
durch pers�nliche Dankbarkeit, Unterordnung oder R�cksichtnahme
au�erhalb seiner Arbeitst�tigkeit.

In weiten Kreisen der oberen St�nde -- in Deutschland wenigstens --
steht dieser Auffassung eine ganz andere Meinung noch entgegen, die
jenes Verh�ltnis unter dem Schild: Arbeit_geber_ zu Arbeit_nehmer_, oder
unter dem noch deutlicheren Namen �Brotherr� f�r den ersteren,
interpretieren will als Quelle von weiteren Rechten und Anspr�chen
zugunsten der Unternehmer und aus dieser ableitet eine pers�nliche
Verpflichtung der Arbeiter zu Gehorsam und Botm��igkeit in _allen_
Angelegenheiten, namentlich auch hinsichtlich ihrer Bet�tigung
b�rgerlicher Rechte. -- Es klingt ja so vern�nftig zu sagen: �geben� ist
doch mehr als �nehmen�, d. h. sich geben lassen. Die Arbeiter m�ssen
also doch denen dankbar sein, die so wohlwollend sind, ihnen
Arbeitsgelegenheit zu geben -- sie m�ssen ja sonst hungern -- und sie
d�rfen doch nicht so schn�de sein, ihre Arbeitgeber oder Brotherren
immer zu �rgern, indem sie andere Gedanken und andere Bestrebungen
verfolgen wollen als jenen erw�nscht und angenehm sind! -- Da� auch der
Arbeiter sich als �Geber� hinstellen k�nnte, indem er dem andern sagte:
f�r die Arbeitsgelegenheit gebe ich Dir Unternehmungsgelegenheit, ohne
welche Du ja ebenfalls nichts zu leben h�ttest -- das vergi�t man dabei.

Es ist noch gar nicht lange her, da� wir -- bei Beratung der
Gewerbeordnungsnovelle und auch bei einer sp�teren Gelegenheit -- aus
dem Munde konservativer oder freikonservativer Herren auf der
Reichstagstrib�ne und auch aus dem Munde hoher Reichsbeamten am
Bundesratstisch Reden zu h�ren bekommen haben, Variationen auf das
Thema: �wes Brot ich e�, des Lied ich pfeif�, welche ziemlich unverbl�mt
die Idee des �Brotherrn� zur Richtschnur auch f�r alle gesetzliche
Regelung des Verh�ltnisses von Unternehmer und Arbeiter gemacht wissen
wollten. Die mechanische �bertragung der pers�nlichen Unterordnung der
Unselbst�ndigen, die beim alten Handwerk in _sittlichen_ Beziehungen
begr�ndet war, auf das nackte Interessenverh�ltnis zwischen Unternehmer
und Arbeiter ist aber durchaus nichts anderes als der Effekt
_plutokratischer Verdunkelung der Rechtsanschauung_. Wer das nicht
einsieht, wolle doch einmal ein dem Verh�ltnis von Arbeitgeber und
Arbeitnehmer ganz analoges Verh�ltnis, das von Hausherrn und Mieter, in
�hnlicher Art zurechtlegen, indem er es unter den Gesichtspunkt stellt:
Wohnunggeber zu Wohnung_nehmer_. Dann m��te er deduzieren: wie gut ist
es doch, da� so edle Wohnunggeber sich finden, die H�user bauen, um sie
gegen billiges Geld uns andern, die wir keine haben, zu vermieten, damit
wir mit unseren Familien nicht auf der Stra�e zu kampieren brauchen!
Solchen m�ssen doch wir Wohnungnehmer Dank und R�cksicht zollen, und
wenn einer von uns ein Konservativer w�re, sein Wohnunggeber aber ein
Sozialdemokrat, so d�rfte er doch diesen nicht damit kr�nken, da� er
dessen Ideen entgegentritt oder gar gegen sie agitiert! -- Woran liegt
es, da�, w�hrend man jeden, der so reden wollte, f�r einen Narren
erkl�ren w�rde, in bezug auf das andere Verh�ltnis ganz Entsprechendes
noch in unserem Parlament gesagt werden darf? Nun, in dem einen Fall
stehen sich, der allgemeinen Regel nach, Leute gleicher wirtschaftlicher
Kraft gegen�ber, in dem andern Fall aber der Unabh�ngige, Starke und der
Abh�ngige, Schwache -- und das mu� doch wohl f�r die Rechtsansicht einen
Unterschied machen!

Was ist aber die Wirkung solcher Pr�tentionen des Unternehmertums
dem Arbeiterstand gegen�ber? Sie treten �berall klar zutage als
pers�nliche Versch�rfung des in dem Verh�ltnis selbst liegenden
Interessengegensatzes. -- Es geh�rt der angeborene Hochmut des Junkers
oder der erworbene D�nkel des Protzen dazu, nicht sehen zu k�nnen, dass
die Tausende, die in ru�igem Kittel ihre t�gliche Arbeit im Dienst von
Unternehmern verrichten, nicht etwa Menschen einer inferioren Rasse
sind, sondern Glieder desselben Volkes, denen nichts weiter fehlt, als
da� ihre V�ter nicht reich genug waren, sie 6 oder 8 Jahre l�nger auf
der Schulbank zu belassen; dann w�rden sie alles, was jetzt ihre
Vorgesetzten zu leisten haben, im Durchschnitt ebensogut tun k�nnen --
etliche von ihnen aber noch viel besser. Leuten gegen�ber, die doch
nicht so dumm sind, solches nicht selbst zu wissen, mu� die Anforderung
von Botm��igkeit und Gehorsam notwendigerweise zum Erfolg haben: bei den
starken, widerstandsf�higen Naturen Erbitterung und grimmigen Ha�, bei
den schwachen aber Heuchelei oder Knechtsinn. -- Ich betrachte es als
ein wahres Gl�ck f�r das Deutsche Volk, da� es in seinen unteren
Schichten noch eine gen�gende Zahl von solchen enth�lt, die auf jene
Zumutungen reagieren m�ssen mit Erbitterung und Ha�. Denn viel schlimmer
als dieses akute Gift ist f�r die Volksseele das schleichende Gift der
Gew�hnung an Heuchelei und Knechtsinn. Kein Volk hat eine ehrenvolle
Stellung unter den V�lkern behaupten k�nnen, wenn seine Einrichtungen
dazu f�hrten, die Bediententugenden bei sich zu z�chten, Gehorsam und
Unterw�rfigkeit. Und diejenigen, welche der Sozialdemokratie gegen�ber
mit Vorliebe die �idealen G�ter� ausspielen, sollen besonders bedenken,
da� es f�r jeden, auch f�r den schlichten Arbeiter, eines von den
idealsten G�tern ist: sich nicht als Knecht eines �ndern f�hlen zu
m�ssen.

In den L�ndern englischer Zunge ist die zuvor bezeichnete Verirrung der
Rechtsanschauung jetzt vollst�ndig �berwunden. Auf den breiten, festen
Wegen b�rgerlicher Freiheit, auf denen dort die �ffentliche Meinung ohne
Mithilfe von Staatsanw�lten sich bildet und mi�liebige Regungen
einzelner St�nde nicht f�r Jahrzehnte mundtot gehalten werden k�nnen,
hat diese �ffentliche Meinung die Korrektur schon selbst gefunden. Dort
ist es so weit, da� ein Unternehmer, wenn er seine Arbeiter zur
Gefolgschaft in irgendwelchen b�rgerlichen Angelegenheiten durch
freundliches Zureden bewegen wollte, allerseits ausgelacht, wenn er es
aber durch Drohung oder Druck versuchen wollte, allerseits verachtet
w�rde. Bei uns in Deutschland gibt es unter den Unternehmern zwar auch
viele, die anst�ndig genug sind, sich nur zu �rgern, wenn ihre Leute
andere Ideen haben und verfolgen wollen als sie, ohne sie das weiter
entgelten zu lassen. Nur sehr wenige aber gibt es erst, die dabei nicht
denken, die Gro�m�tigen zu sein, vielmehr das Bewusstsein haben, dass es
ihre soziale Pflicht sei, als Unternehmer �ber jenes nicht einmal sich
zu �rgern. Bei uns also mu� wohl dem schwachen Rechtsbewu�tsein durch
eine gesetzgeberische Deklaration des �Brotherrn� unter die Arme
gegriffen werden, wenn die jetzt beliebte Auslegung nicht erst noch viel
gr��eren Schaden anrichten soll. Es erscheint mithin als sehr dringlich,
da� die Reichsgewerbeordnung -- und wenn sie f�r den Landbau eine
�Gesinde�-Ordnung bleiben m��te, dann auch diese -- bald einen Paragraph
bekomme, der kategorisch vorschreibt, neben den sonst durch Anschl�ge zu
verlautbarenden viel minder wichtigen Vorschriften m�sse in jedem Raum
in Stadt und Land, in welchem unselbst�ndige Arbeiter im Dienst irgend
eines Unternehmers verkehren, ein gedruckter Anschlag h�ngen etwa des
Inhalts: �_Alle Verpflichtungen aus dem Arbeitsverh�ltnis beziehen sich
ausschlie�lich auf die Leistung der vertragsm��igen Arbeit. Keinem darf
seitens des Arbeitgebers oder seiner Organe irgend welche sonstige
Botm��igkeit oder R�cksichtnahme direkt oder indirekt angesonnen
werden_.� In allen Staatsbetrieben aber m��te ein solcher Anschlag
besonders gro� gedruckt aush�ngen. Dann m��te es wohl endlich aufh�ren,
da� einige Millionen von deutschen B�rgern fast allw�chentlich einmal
die Beschimpfung und Herausforderung hinzunehmen haben, in der Zeitung
lesen zu m�ssen: der und der sei aus dem und dem Staatsbetrieb entlassen
worden, weil er an seinen Vorgesetzten mi�liebigen Bestrebungen
�ffentlich sich beteiligt, d. h. die gesetzlich allen gew�hrleisteten
b�rgerlichen Rechte nach seinem eigenen Ermessen ausge�bt habe.

       *       *       *       *       *

Ich wende mich nunmehr zu den materiellen Interessen, welche in dem
Verh�ltnis der selbst�ndigen zur unselbst�ndigen Arbeit einander
gegen�ber treten -- wobei ich hier auf das Markieren einiger Hauptpunkte
mich beschr�nken mu�.

Der Stand, welchen die _Rechts_entwicklung angesichts der seit einem
Jahrhundert erkennbaren, seit 50 Jahren ganz augenf�llig hervortretenden
Wirkungen der sich ausbreitenden organisierten Arbeitst�tigkeit, mit
Bezug auf diese T�tigkeit bis heute erreicht hat, wird am besten
gekennzeichnet durch einfaches Gegen�berstellen zweier Tatsachen:

Wenn einer im Rahmen dieser Arbeitst�tigkeit etwas unternimmt, was
raucht, stinkt oder L�rm macht und dadurch einige Nachbarn bel�stigen
oder sch�digen kann, so wird gem�� den Gewerbeordnungen sein Tun schon
lange der Obhut �ffentlichen Rechts f�r w�rdig befunden. Und wenn ihrer
viele zu Unternehmer-Assoziationen, wie Aktiengesellschaften u. dergl.
sich verbinden und dadurch ihr Auftreten einige verm�gensrechtliche
Konsequenzen f�r sie selbst und andere Besitzende gewinnt, so hat
_dieses_ Tun die Gesetzgebung auch schon l�ngst eingehender,
sorgf�ltiger Regelung und Ordnung f�r wert erachtet. In beiden F�llen
handelt es sich um Interessen solcher, die an Besitz oder Verm�gen
gesch�digt werden k�nnen.

Wenn dagegen einzelne, oder ihrer mehrere zusammen, als Unternehmer in
Aktionen eintreten, die keinen Rauch, Gestank oder L�rm verursachen und
keine verm�gensrechtlichen Kollisionen herbeif�hren, so k�nnen diese
Aktionen dadurch, da� viele in gleicher Art verfahren oder da� andere
durch den Zwang der Konkurrenz das gleiche zu tun vielleicht gen�tigt
werden, die allergr��te, einschneidendste Tragweite f�r das Gemeinwohl
haben und weite Volkskreise unmittelbar oder mittelbar stark
benachteiligen -- das �ffentliche Recht bek�mmert sich darum nicht.
Diejenigen, welche davon zun�chst allein betroffen werden, k�nnen der
Regel nach am Besitz nicht gesch�digt werden, weil sie keinen haben.

Kraft �wirtschaftlicher Freiheit� kann also jeder, der aus Tatendrang
oder auch nur aus Gewinnsucht die Funktionen des Unternehmers auszu�ben
w�nscht, dazu mitwirken helfen, da� immer mehr Menschen einen gewohnten
Beruf aufgeben und in den Industriezentren sich zusammendr�ngen ohne
irgend eine Gew�hr von Stetigkeit und Dauer ihrer neuen T�tigkeit. Er
kann ein begonnenes oder seit langer Zeit schon bestehendes Unternehmen
so lange fortsetzen, als es ihm noch gen�gend Vorteil zu bringen
scheint, und wenn er meint, da� er auf andere Art sich besser stehen
werde, etwa indem er seinen bis dahin gewonnenen Erwerb gr��er werdendem
Risiko entziehe, so kann er es zuschlie�en und diejenigen, welche
inzwischen von solchem Unternehmen abh�ngig geworden sind, m�gen sehen,
wo sie bleiben. Wenn Jahre g�nstigen Gesch�ftsganges ihm gro�e
�bersch�sse gelassen haben und dann Krisen oder sonstige St�rungen zu
zeitweiliger oder dauernder Einschr�nkung des Umfangs seiner
Unternehmungen n�tigen, so kann er pl�tzlich so viel Arbeiter entlassen,
als n�tig ist, um f�r ihn ein neues Gleichgewicht zwischen Ertrag und
Aufwendungen herbeizuf�hren; denn niemand kann ihm zumuten, den fr�heren
Gewinn wieder teilweise herauszugeben um anderen �ber Krisen
hinwegzuhelfen. Auch kann er alle, welche in seinem Dienst ihre Kr�fte
verbraucht haben oder sonst arbeitsunf�hig geworden sind, der
F�rsorge der Gemeinde �berlassen, soweit nicht neuerdings die
Versicherungsgesetzgebung in diesem Punkte einige Hilfe hat eintreten
lassen; denn weiteres tun zu sollen, w�rde gleichfalls eine
nachtr�gliche Herausgabe des Gewinnes besagen, den er fr�her von ihrer
T�tigkeit gehabt und l�ngst in sein pers�nliches Eigentum genommen hat.

Das sozialpolitisch bedeutsamste Moment in dem ungeregelten, sich selbst
�berlassenen Verh�ltnis zwischen Unternehmer und Arbeiter liegt aber in
den Wirkungen, welche die Konkurrenz der Unternehmer untereinander f�r
die Arbeiter gewinnt. Das wichtigste und meistgebrauchte Mittel in einem
nur durch R�cksichten des eigenen Vorteils geleiteten Wettbewerb ist
immer das Unterbieten anderer in den Preisen der Arbeitserzeugnisse,
und hierzu stachelt namentlich der Handel immer mehr an, je mehr er als
Vermittler zwischen Konsument und Produzent �berall sich eindr�ngt. Denn
der Zwischenhandel hat ein ganz besonderes Interesse daran, den Konsum
dahin zu lenken, wo der geringere Preis ihm Spielraum f�r gr��eren
eigenen Gewinn l��t. Der Unternehmer selbst will dabei von seinem
Verdienst m�glichst wenig abgeben und kann auch auf Arbeitsgebieten mit
sehr starker Konkurrenz �fters nicht anders, wenn ihm ein m��iges
�quivalent f�r eigene Arbeit noch �brig bleiben soll. Die Herabsetzung
des Produktionspreises in der Konkurrenz der Unternehmer geht daher,
soweit sie nicht durch die fortschreitende Verbesserung der
Arbeitsmethoden getragen ist, durchaus auf Kosten der Arbeiter. Sie
erzeugt die ausgesprochene Tendenz, f�r den gleichen Lohn gr��ere
Arbeitsleistung durch l�ngere Arbeitszeit oder st�rkere Anspannung der
Arbeitskraft zu gewinnen. Wo aber, nachdem auf vielen Gebieten der
Industrie das �u�erste von Ausnutzung der menschlichen Arbeitskraft auf
diesem Wege zustande gekommen, hierin ein Stillstand, an einigen Stellen
sogar schon ein erfreulicher R�ckgang eingetreten ist, beh�lt das
Streben der Unternehmer nach Verbilligung der Arbeitserzeugnisse zur
Erleichterung des Wettbewerbs mit anderen Unternehmern immer noch die
Tendenz, den Arbeitern einen Anteil an der fortschreitenden Steigerung
ihrer Leistungsf�higkeit durch Verbesserung der Methoden und
Einrichtungen, erweiterte Anwendung der Maschinen usw., m�glichst
vorzuenthalten. Die Verbilligung der Industrieerzeugnisse kommt aber nur
zu einem relativ kleinen Teil den Arbeitern selbst, zum weitaus gr��eren
Teil den wohlhabenden Klassen zu gut. Denn sie betrifft vorzugsweise
Gegenst�nde, die, soweit sie nicht wieder den Unternehmern als
Arbeitsmittel dienen, erst f�r eine gehobene Lebenshaltung Wert haben.
Auch hat die Verbilligung in sehr gro�em Umfang -- z. B. bei fast allen
Massenartikeln f�r Kleingebrauch und Luxus, also gerade in den
Industriezweigen, welche die gedr�ckteste Lage der Arbeiter aufweisen --
keineswegs die wohlt�tige Wirkung, diese Dinge auch solchen zug�nglich
zu machen, denen sie sonst versagt blieben, sondern sie veranla�t nur
eine ma�lose Vergeudung menschlicher Arbeit bei reich und arm, weil das
einzelne seiner Billigkeit wegen der Schonung gar nicht mehr
wertgehalten wird.

Die Wirkungen, welche die Ausbreitung der organisierten Arbeitst�tigkeit
unter dem Schutz wirtschaftlicher Freiheit bis jetzt hervorgebracht hat,
liegen in allen Industriel�ndern klar zutage -- als Massenarmut und
Massenelend, und als fortschreitende physische Degeneration gro�er
Volksschichten und sie begleitende Abstumpfung der sittlichen Kr�fte.
Schlimm aber w�re es f�r die menschliche Kultur, wenn der gro�e
Aufschwung wirtschaftlicher Aktion der V�lker, den die neue Arbeitsform
herbeigef�hrt hat, solche Folgen mit sich bringen _m��te_ -- und schlimm
f�r den heutigen Staat, wenn dieser im Rahmen seiner Staatseinrichtungen
ihrer nicht Herr zu werden verm�chte.

Wie nun im Zinswesen das Verh�ltnis des einzelnen zum einzelnen ein
redliches bleibt, Ungerechtigkeit und Widersinn erst zum Vorschein
kommen in dem Verh�ltnis der Gesamtheit der Zinsempf�nger zur Gesamtheit
der Zinszahler, so ist auch in dem eben betrachteten Interessenstreit
von Unternehmer und Arbeiter die Beziehung des einzelnen zum einzelnen
korrekt und unanfechtbar, wenn sie den privatrechtlichen Normen
entspricht, die Recht und Sitte f�r die gegenseitige Abgrenzung von
Einzelinteressen aufgestellt haben. In diesem Punkt k�nnte also
h�chstens einige Sch�rfung gewisser Rechtsbegriffe und Gew�hnung an
etwas strengere Sitte in Frage kommen. Ebensowenig aber, wie die
Wirkungen des Zinswesens vern�nftigerweise abgewandt werden k�nnten
durch Beseitigung des Zinsnehmens, ebensowenig lie�en sich die Folgen
der Klassenscheidung in der organisierten Arbeit aufheben durch
Au�erkurssetzen der Triebkr�fte, die der Wettbewerb und die Ausgleichung
von Angebot und Nachfrage in die Wirtschaftst�tigkeit einf�hren. So
sicher es nun ist, da� die im Staat gesammelte menschliche Gesellschaft
durch vern�nftige Einrichtungen nachteilige Wirkungen von Formen der
Wirtschaftst�tigkeit �berwinden kann, so sicher ist es also auch, da�
solche Einrichtungen nur zu finden sind unter dem Gesichtspunkt einer
Staatsidee, welche sich nicht ersch�pft in der Betrachtung des
privatrechtlichen Verh�ltnisses zwischen den einzelnen, sondern daneben
die gleichartige, �bereinstimmende T�tigkeit ganzer Klassen als
wesentliche Funktionen des Volksorganismus begreift.

Jede in diesem Sinne �organische� -- d. i. notwendigerweise �soziale� --
Staatsidee mu� aber zu der Einsicht f�hren, da�, nachdem das
Unternehmertum eine unentbehrliche Institution der Wirtschaftsordnung
geworden, seine Klassenfunktion ist: die physische Arbeitskraft des
ganzen Volkes, welche die arbeitenden Klassen in sich enthalten, zu
organisieren und zu leiten. Mag nun der Unternehmer als einzelner seine
T�tigkeit durchaus unter R�cksichten seines pers�nlichen Vorteils
betreiben, und mit dem Arbeiter als einzelnem kontrahieren nur nach den
Regeln von Angebot und Nachfrage in bezug auf die pers�nliche
Arbeitskraft, die letzterer zu Markte bringt -- die Gesamtheit der
Unternehmer benutzt und verwaltet dabei die k�rperliche Arbeitskraft des
gesamten Volkes, von welcher der einzelne Arbeiter je ein gewisses St�ck
inne hat. Unternehmer sein ist daher, unbeschadet des rein privaten
Charakters des einzelnen, hinsichtlich der T�tigkeit der Klasse eine
�ffentliche Funktion: _Verwaltung der nationalen Arbeitskraft in der
Wirschaftst�tigkeit des Volkes_ -- und diese Funktion mu� naturgem��
durch _�ffentliches_ Recht nach Anforderungen des Gemeinwohls geregelt
sein.

An zwei wichtigen Punkten, auf welche dieser Gedankengang sofort
hinf�hrt: _Vorsorge f�r Schonung und Erhaltung der physischen Volkskraft
und: Haftung f�r den regelm��igen Verbrauch dieser Volkskraft_ hat
unsere Gesetzgebung gl�cklicherweise schon die ersten Schritte zu
�ffentlich-rechtlicher Regelung der organisierten Arbeitst�tigkeit getan
-- zwar meist erst kleine und zaghafte Schritte, doch aber Schritte von
hoher grunds�tzlicher Bedeutung, insofern sie Konsequenzen einer
organischen Staatsidee auf dem Gebiet der Volkswirtschaft zum Ausdruck
bringen. Den ersten Punkt betreffen die Anf�nge des �Arbeiterschutzes�,
den zweiten die Arbeiter-Versicherungsgesetze. Die Aufgabe aller
Parteien, welche an der L�sung der sozialen Frage ernsthaft mitarbeiten
wollen, mu� es sein, an _diesen_ Stellen der Fortbildung des
�ffentlichen Rechts kr�ftige Impulse zu geben.

       *       *       *       *       *

In bezug auf den ersten Punkt: Vorsorge f�r Schonung und Erhaltung der
Volkskraft, bemerke ich, unter Absehen von allem mehr Nebens�chlichen,
folgendes:

Auf die mancherlei ung�nstigen Wirkungen physischer und psychischer Art,
welche die T�tigkeit unter weitgehender Arbeitsteilung �berhaupt und
namentlich die Arbeit an Maschinen begleiten, habe ich im Eingang meines
heutigen Vertrags schon hingewiesen. Alle diese Nachteile fallen ganz
und gar auf die unselbst�ndigen Arbeiter. Schon die staatserhaltende
Gerechtigkeit fordert, da�, wenn diese die Nachteile tragen m�ssen,
auch Mitgenu� der Vorteile ihnen nicht vorenthalten werde, welche die
organisierte Arbeit darin bringt, da� in ihr die Leistung des einzelnen
sich verzehnfacht -- sie fordert also, da� diese Steigerung der
Produktionsf�higkeit nicht ausschlie�lich dem Unternehmergewinn und der
Verbilligung der Erzeugnisse, sondern auch den Arbeitenden selbst durch
Verminderung ihrer zeitlichen Inanspruchnahme zugute komme. Es ist kein
w�rdiger Inhalt eines Menschendaseins, _nur_ Rad in einer Maschine zu
sein, was doch die Arbeitsteilung f�r die meisten w�hrend der
Arbeitsschichten bedeutet -- und es ist keine Grundlage f�r die
Erhaltung eines h�heren sittlichen und geistigen Niveaus und f�r die
Pflege gesunden Familienlebens in der Majorit�t des Volkes, da� der
Arbeiter keine andere Abwechselung habe als zwischen strenger Arbeit und
Befriedigung des dringendsten Ruhebed�rfnisses.

Das noch immer fortschreitende Herabgehen der k�rperlichen T�chtigkeit
in allen Industriebezirken zeigt aber auch die Notwendigkeit, behufs
Erhaltung der physischen Kraft und Gesundheit des Volkes den ung�nstigen
Einfl�ssen der modernen Arbeitst�tigkeit durch deren zeitliche
Beschr�nkung ein Gegengewicht zu bieten und die Erfahrungen, welche
England mit der gesetzlichen Beschr�nkung der industriellen Arbeit schon
vor langer Zeit gemacht hat, bezeugt zugleich die Wirksamkeit dieses
Gegengewichts. In diesem Land hat nun eben jetzt eine weitblickende
Regierung durch Einf�hrung des 8-Stunden-Tages in den Staatswerkst�tten
das Signal gegeben, nach welchem ohne Zweifel in kurzer Zeit die
Drittelung des Tages dort die allgemeine Norm f�r die industrielle
Arbeitsregelung werden wird. Nunmehr ist die Reihe an uns in
Deutschland, �ber die Bedeutung der Worte nachzudenken, die bei
Gelegenheit der fr�heren Parlamentsdebatten �ber die 10-Stunden-Bill
_Macaulay_ seinen Landsleuten gesagt hat: �Wenn jemals dieses Land (also
England) seinen alten Ruhm, das erste zu sein unter den
Industriel�ndern, einem andern Volk abzutreten haben sollte, so wird
dieses gewi� nicht ein Geschlecht von k�mmerlichen Zwergen sein, sondern
nur ein Volk, welches an k�rperlicher R�stigkeit und geistiger
Spannkraft dem unsrigen �berlegen ist!�

Ein ebenso kurzsichtiger wie engherziger Klassenegoismus der oberen
St�nde hat es in Deutschland dahin gebracht, da� die gerechteste und
vern�nftigste Bestrebung eines gesunden Klasseninteresses des
Arbeiterstandes, die Forderung verk�rzten Arbeitstages, fast ihre
ausschlie�liche Vertretung in der Sozialdemokratie findet, und p�nktlich
zu jedem 1. Mai bescheinigt in der �gutgesinnten� Presse der Hohn eines
�berm�tigen Unternehmertums unter dem Beifall des gesamten
Bildungsd�nkels im Land der Sozialdemokratie von neuem: da� sie immer
noch der einzige Hort _so vern�nftiger_ Bestrebungen geblieben sei.
Wolle nunmehr auch eine Partei, welche das Interesse des _ganzen Volkes_
zu vertreten sich vorgesetzt hat, zu dieser Frage bestimmte Stellung
nehmen und offen aussprechen: da� sie nicht nur f�r die gesetzliche
Einf�hrung eines Maximalarbeitstages nach dem Vorbild Englands
eintreten, sondern mit allen Kr�ften alle Bestrebungen des
Arbeiterstandes unterst�tzen werde, die darauf ausgehen, in absehbarer
Zeit auch in Deutschland die _Drittelung_ des Tages bei der
industriellen Arbeit zum festen Wirtschaftsfaktor f�r die Preisbildung
der Arbeitserzeugnisse zu machen.

       *       *       *       *       *

Betreffs des zweiten Punktes, Verbrauch der Arbeitskraft der
Unselbst�ndigen in der organisierten Arbeit -- der exzeptionell in der
Unfallgefahr, regelm��ig in der nat�rlichen Invalidit�t gegeben ist --
kann nicht zweifelhaft sein, da� f�r ihn diejenigen als _Gesamtheit_
aufzukommen haben, welche die Volkskraft in Benutzung und Verwaltung
nehmen. Wie in jedem geordneten Betrieb ein Amortisationskonto sein mu�,
welches der Abnutzung aller toten Betriebsmittel Rechnung tr�gt, so
verlangt die Wirtschaftst�tigkeit des ganzen Volkes ein
Amortisationskonto f�r den unvermeidlichen Verbrauch der menschlichen
Arbeitskraft bei der G�tererzeugung -- ein Konto, auf Grund dessen in
der Preisbildung f�r die Arbeitserzeugnisse dieser Verbrauch, ebenso wie
der regelm��ige Arbeitsaufwand selbst, zur Geltung kommen kann.

Es ist eine ganz willk�rliche, durch den tats�chlichen Stand der Dinge
auch �berall widerlegte Annahme, da� im Arbeitslohn selbst die
durchschnittliche Abnutzungsquote f�r die pers�nliche Arbeitskraft der
einzelnen schon mit enthalten sei und da� also Sparen oder
Privatversicherung aus diesem Arbeitslohn f�r die regelm��igen Wirkungen
des fortschreitenden Kr�fteverbrauchs aufzukommen habe. Der Staat selbst
erkennt hinsichtlich seiner Beamten das Unzutreffende jener Annahme an,
indem er in seinem Pensionsetat f�r den Kr�fteverbrauch in seinem Dienst
besonders aufkommt. In demselben Verh�ltnis aber, in welchem die Beamten
zum Staat stehen, stehen in diesem Punkte kraft der organisierten
Arbeitst�tigkeit die unselbst�ndigen Arbeiter zur Gesamtheit der
Unternehmer. Die vorher betonte �ffentliche Funktion des Unternehmertums
im Organismus der Volkswirtschaft, die Organisation und Verwaltung der
physischen Arbeitskraft des Volkes, weist jenem die Aufgabe zu, auch
aufzukommen f�r den Verbrauch dieser Arbeitskraft in seinem Dienst.

Als _haftbar_ f�r die Erf�llung dieser Aufgabe -- und noch einiger
andern, �ber die ich hier nicht rede -- mu� aber der Unternehmergewinn
angesehen werden. Dieser ist zwar �berall zu einem gewissen Teil
�quivalent f�r die pers�nliche T�tigkeit des Unternehmers und mag f�r
viele auch nicht mehr als dieses bedeuten; im gro�en und ganzen aber
sind in ihm Posten enthalten, die ganz au�er jedem m�glichen Verh�ltnis
von Leistung und Gegenleistung stehen und mit pers�nlicher T�tigkeit und
pers�nlichem Verdienst der Unternehmer gar nichts zu tun haben. Dieser
_�bersch�ssige_ Unternehmergewinn vieler, der hinausgeht �ber ein
vern�nftiges �quivalent pers�nlicher Leistungen, ist seinem Ursprung und
seinem Wesen nach durchaus nichts anderes als Anteil an dem allgemeinen
�berschu�, den regelm��ig oder zeitweilig die gesamte Arbeitst�tigkeit
des Volkes ergibt �ber die Summe aller anschlagsm��igen Ausgabeposten
hinaus -- als da sind: Verzinsung des ganzen Betriebsfonds, Amortisation
der dem Verbrauch unterliegenden Betriebsmittel und Lohn f�r alle
Arbeitst�tigkeit, Arbeiter und Unternehmer zusammengenommen. Die Anteile
an diesem Gesamt�berschu� verteilen sich auf Konto �Unternehmergewinn�
unter die einzelnen sehr ungleichm��ig und nach sehr verwickelten
Bedingungen. Eine gesunde Volkswirtschaft aber hat die Summe dieses
�berschusses anzusehen und zu behandeln als einen allgemeinen
R�cklagefonds in der Verwahrung der Unternehmer. Auf ihn ist einerseits
die regelm��ige Vermehrung des gesamten Betriebskapitals angewiesen, die
eine wachsende Bev�lkerung und die Steigerung der wirtschaftlichen
T�tigkeit erfordern, anderseits aber ist darauf auch anzuweisen die
Deckung der nicht-anschlagsm��igen Aufwendungen, zu denen gegenw�rtig
u. a. auch der Verbrauch der menschlichen Arbeitskraft in der
Wirtschaftst�tigkeit noch geh�rt. Im �brigen aber hat er als Reserve zu
dienen zur Deckung des Defizits, welches zeitweiliger R�ckgang der
Wirtschaftst�tigkeit f�r einzelne Perioden an Stelle jenes �berschusses
ergeben kann, also als Ausgleichungsfonds f�r die unvermeidlichen
Schwankungen im Haushalt des Volks.

Die Sozialdemokratie mag den in der Summe der _�bersch�ssigen_
Unternehmergewinne gegebenen durchschnittlichen Gesamt�berschu� der
Volkst�tigkeit seiner absoluten Gr��e nach wohl hoch �bersch�tzen, weil
sie ziemlich alles dazu rechnet, was au�er dem eigentlichen Arbeitslohn
noch tats�chliche Ausgabeposten sind. Er ist aber sicher vorhanden --
man mu� ihn nur nicht da suchen, wo er nicht ist, sondern da, wo er ist
-- nicht bei den kleinen Unternehmern, die in der Konkurrenz mit andern
g�nstiger gestellten wohl h�ufig kaum mehr, �fters weniger, als einen
angemessenen Arbeitslohn f�r sich �brig behalten, sondern bei den gro�en
Unternehmungen, die, wie z. B. zahlreiche gro�e Aktiengesellschaften,
unbeschadet der kleinen Lasten aus den Versicherungsgesetzen, nach sehr
reichlicher, zum Teil exorbitanter Entlohnung ihrer arbeitst�tigen
Organe, noch Dividenden auszahlen, die �ber die marktg�ngige
Kapitalverzinsung, zuz�glich einer vern�nftigen Risikopr�mie, sehr weit
hinausgehen. Und die Aufgabe aller sozialen Gesetzgebung mu� es sein,
allm�hlich die Wege zu ebenen, auf welchen jener �bersch�ssige
Unternehmergewinn seinen nat�rlichen Funktionen im Wirtschaftsorganismus
des Volks dienstbar, f�r die Erf�llung der sozialen Aufgaben gegen�ber
der Gesamtheit der unselbst�ndigen Arbeiter haftbar gemacht werden kann.

In den Kreisen derer, die unter den Einwirkungen des Klasseninteresses
der Unternehmer stehen, hat sich allerdings die Vorstellung schon
festgesetzt, als ob auch alles, was einem nicht durch seine pers�nliche
T�tigkeit, sondern nur _infolge_ derselben zuf�llt, bedingungsloses
Privateigentum sei, welches f�r Zwecke des Gemeinwohls anders als etwa
durch eine kleine Einkommensteuer heranziehen zu wollen, Konfiskation
des Eigentums bedeute. Der Vorzug des Unternehmers, aus der Beteiligung
an der organisierten Arbeitst�tigkeit unter Umst�nden viel mehr erzielen
zu k�nnen, als eine reichliche Gegenleistung f�r eine spezifische
T�tigkeit, wird dabei gedacht als Ausflu� allgemeiner Menschenrechte --
nicht etwa als Ausflu� der Gesellschaftsorganisation, welche doch allein
solche spezifische T�tigkeit erm�glicht. Das Unternehmerwesen erscheint
dabei als der gro�e Gl�ckstopf, an den heranzukommen, um recht tiefe
Griffe hinein zu tun, f�r ein besonders dankbares Gesch�ft gilt. -- Ich
w�re der letzte, der die qualifizierte Arbeit, die der Ordnung nach der
Unternehmer zu leisten hat, nicht eines reichlichen Lohnes wert hielte.
Wer aber nicht alles Augenma� f�r die nat�rliche Proportionalit�t der
Dinge verloren hat, mu� einsehen, da� die illimitierten Gewinne, die
Unternehmern mittelst der Arbeitst�tigkeit _anderer_ zuflie�en k�nnen,
unter dem Eigentumsbegriff etwas durchaus anderes bedeuten, als etwa die
unbeschr�nkten Einnahmen, welche ein ber�hmter K�nstler oder ein
gesuchter Arzt aus seiner rein pers�nlichen T�tigkeit gewinnen mag. Das
Nicht-Erkennen solchen Unterschieds, die Verwischung aller Grenzen
zwischen wirklich pers�nlichem Erwerb und blo�em Anteil an einem
Gemeingut ist wiederum ein handgreifliches Zeichen von _plutokratischer
Verdunkelung der Rechtsbegriffe_.

Unter den Versicherungsgesetzen, welche darauf ausgehen, die Deckung f�r
Verbrauch und Abnutzung der Arbeitskraft in der Volkswirtschaft in
geordnete Bahnen zu leiten, hat das erste, die Unfallversicherung, den
richtigen Gedanken konsequent durchgef�hrt: da� die Gesamtheit der
Unternehmer f�r solchen Verbrauch ausschlie�lich aufzukommen habe, und
hat dabei auch hinsichtlich des Ma�es der Leistungen einigerma�en
befriedigende Regelung geschafft. Die bekannte R�ckw�rtskonzentration
der sozialen Ideen hat aber nachher aus der andern, ihrer Intention nach
viel bedeutsameren Einrichtung, der Alters- und Invalidenversicherung,
einen �rmlichen Zwitter werden lassen, ohne innere Folgerichtigkeit im
Aufbau, und im Effekt nur eine etwas verbesserte Armenverpflegung -- und
zum Ungl�ck hat sie auch noch den wertvollen Gedanken der
berufsgenossenschaftlichen Organisation der Unternehmer gerade da
preisgegeben, wo er angefangen h�tte, eine wirkliche Bedeutung zu
gewinnen.

       *       *       *       *       *

Nach dieser positiven Begr�ndung meines vorher ausgesprochenen
Vorschlags bedarf es nur noch einiger Bemerkungen nach der negativen
Seite hin -- in Hinblick auf die Ansichten, welche die L�sung der
sozialen Frage von der �Selbsthilfe�, sei es von unten oder von oben
her, erhoffen.

Soweit die Selbsthilfe von unten her erwartet wird, sucht man sie in der
Vereinigung und Genossenschaftsbildung. Diese Bestrebungen haben sicher
einen sehr hohen -- auch sozialpolitischen -- Wert, insofern sie die
Wege er�ffnen und die Formen schaffen f�r eine kr�ftige und geordnete
Klassenvertretung der unselbst�ndigen Arbeiter. Sie leiten dadurch
zugleich -- wie wir jetzt in England sich vollziehen sehen -- den Streit
der einander gegen�berstehenden Interessen aus einem ewigen zerst�renden
Kriegszustand in die Bahnen mehr friedlicher Aktionen hinein. Dar�ber
hinaus aber, als Mittel wirklicher Konkurrenz mit dem Unternehmertum,
als Grundlage f�r Erhaltung oder Wiedereroberung der wirtschaftlichen
Selbst�ndigkeit f�r gr��ere Kreise des Volkes, hat die Vereinigung
meines Erachtens nur auf wenigen bestimmten Gebieten eine Bedeutung.
Denn Genossenschaftsbildung zu wirtschaftlicher T�tigkeit ist nur
m�glich unter Gleichartigen und Gleichberechtigten. Wesentliche
Unterschiede der Funktionen im Zusammenwirken heben die Gemeinsamkeit
der Interessen und die Gleichheit der Rechte auf. Wirklich
genossenschaftliche Vereinigung von so heterogenen Elementen, wie z. B.
in einem gr��eren Industriebetrieb zusammenzuwirken haben, erscheint
ganz aussichtslos. Daf�r fehlt einstweilen nicht nur jedes Vorbild und
jede Tradition, sondern auch jede Rechtsbildung. Der Verzicht aber auf
feinere Organisation durch Zusammenfassen mannigfaltiger Kr�fte w�rde in
der Industrie fast auf allen Gebieten gleichbedeutend sein mit
wirtschaftlicher Inferiorit�t und Konkurrenzunf�higkeit gegen�ber besser
organisierten Unternehmungen. Der Landbau d�rfte deshalb wohl das
einzige Gebiet sein, auf welchem in gr��erem Umfang genossenschaftliche
Vereinigung vieler die Vorteile des Gro�betriebes mit der Erhaltung der
Selbst�ndigkeit vereinigen und dadurch eine wirkliche soziale Bedeutung
gewinnen kann. Die _allgemeinen_ sozialen �bel sind also auf diesem Wege
nicht zu �berwinden. -- Der Hinweis auf die �Selbsthilfe�, soweit er auf
anderes sich bezieht als vorher angegeben, ist ein guter Rat f�r solche,
die keinen brauchen.

Noch weniger aber ist die Heilung zu erwarten von der entgegengesetzten
Seite her, von den Unternehmern. -- Allerdings gibt es Leute, welche da
glauben, Wohlwollen und Menschenfreundlichkeit der guten Unternehmer
werden die sozialen Kl�fte zuletzt mit Rosen ausf�llen und durch
Wohlfahrtseinrichtungen aller Art, -- Gewinnbeteiligung u. dergl. --
auch sonst unvermittelte soziale Interessengegens�tze schlie�lich in
eitel Harmonie aufl�sen. Ich will auch dar�ber meine Meinung kurz sagen
-- schon um mich gegen den Verdacht zu sichern, als ob ich in meinem
Umkreis solche Wege h�tte bahnen wollen: alles einzelne derart mag, f�r
sich betrachtet, sehr gut, sehr erfreulich und sehr n�tzlich sein und
mag den Arbeitern manche Annehmlichkeiten und kleine Vorteile
verschaffen, die sie sonst nicht h�tten. F�r den sozialen Fortschritt
haben aber alle solche Einrichtungen und Ma�regeln des Wohlwollens genau
dieselbe Bedeutung, die es f�r den Aufschwung der Kunst hat, wenn einer
sein verwittertes Haus anstreichen l��t: es sieht besser aus. Und wer
daran noch zweifelt, den mu� man auf die Tatsache hinweisen, da�, wenn
die Wohlfahrtsapostel unter sich sind, sie kein besseres Argument
wissen, sich in ihren Bestrebungen gegenseitig zu best�rken als die
Versicherung: alle solche Ma�regeln seien ja ganz �rentabel� -- die
Kosten k�men indirekt wieder herein. Gegenw�rtig aber ist das
Kennzeichen f�r alles, was wirklich sozialen Wert hat, da� es nicht
�rentabel� ist, vielmehr dem einen Teil Opfer auferlegt -- _wirkliche_
Opfer! -- Gesunder Klasseninstinkt l��t die Arbeiter gegen�ber all
solchen Bem�hungen des Wohlwollens, insoweit sie soziale Bedeutung zu
haben pr�tendieren, ganz k�hl sagen: Keine Wohltaten -- besseres Recht!

Von der T�tigkeit des einzelnen aber mehr zu erwarten, als jene
dekorative Verbesserung unserer Zust�nde, hie�e die Bedingungen v�llig
verkennen, unter welche die Konkurrenz das Tun aller gestellt erh�lt. In
Dingen, die wirklich Opfer auferlegen, kann keiner den anderen um mehr
voraus sein wollen als um sehr kleine Schritte -- sonst sorgt schon der
Wettbewerb derer, die solche Opfer nicht zu bringen f�r gut finden, da�
er ganz unsch�dlich werde. Wer in seinem eigenen Wirkungskreis redlich
sich bem�ht hat, �ber das Niveau der Wohlfahrtseinrichtungen
hinauszukommen, wei� ein Lied zu singen von der Ohnmacht des einzelnen.
Nur Toren k�nnten versuchen wollen, G�rten in der W�ste anzulegen --
damit in n�chster Nacht der W�stensand etwas zu begraben finde. Die
Oasen in der W�ste bleiben immer Oasen in einer _W�ste_ und m�ssen den
W�stencharakter ihrer Umgebung, nur etwas gemildert, �berall zur Schau
tragen. Alle vern�nftigen Bem�hungen der einzelnen auf sozialem Gebiet
k�nnen daher nur darauf hinzuwirken versuchen, da� das gesamte
Wirtschaftsfeld allm�hlich _weniger W�ste_ werde -- und dieses kann nur
die organisatorische Aktion des Staates zuwege bringen.

Der Erweiterung und Kr�ftigung organisatorischer Funktionen des Staates
auf dem Wirtschaftsgebiet noch im Namen der Freiheit entgegenzutreten,
w�re aber v�llig verfehlt. Die �wirtschaftliche Freiheit� der alten
National�konomie ist nichts anderes als wirtschaftliches Faustrecht --
das Recht der Starken, als Klasse, die Schwachen, als Klasse, ungest�rt
ausbeuten zu d�rfen. Und wie alle Kultur, und zumal alle Staatenbildung,
in der Einschr�nkung und �berwindung des Faustrechts im Verkehr der
Individuen ihren Anfang hat, so kann sie weiteren Fortschritt nur finden
in der �berwindung des _Klassen_faustrechts. Der b�rgerlichen Freiheit
aber tun die Einschr�nkungen, die dabei den einzelnen erwachsen m�gen,
keinen Abbruch. Absolute Freiheit fordert das Kulturinteresse nur f�r
ein einziges Gebiet -- die Propaganda der Ideen. In allem �brigen steht
jede Beschr�nkung durchaus nur unter der Frage: cui bono? -- f�r wen und
wem zulieb? und auch der freiheitliebende Mann kann in einer
Beschr�nkung seines Tuns keine Freiheitsbeschr�nkung finden, wenn sie
alle gleichm��ig zum Vorteil des Gemeinwohls betrifft.

       *       *       *       *       *

Das sind die Erw�gungen, auf welche hin ich den vorher schon
formulierten Anspruch an die Gesetzgebung f�r ein geeignetes soziales
Programm der Freisinnigen Volkspartei halte. Es bedarf aber kaum noch
eines Wortes, um erkennbar zu machen, da� eine solche Forderung in
innerem Zusammenhang mit dem politischen Programm der Partei steht, also
keineswegs Angelegenheiten zum Gegenstand hat, die ebensogut von andern
Parteien, oder au�erhalb aller politischen Parteien, verfolgt werden
k�nnten. Denn Kern und Mittelpunkt jener Programmforderung ist der
Gedanke: unseren _ganzen_ Arbeiterstand, unbeschadet der unvermeidlichen
Unselbst�ndigkeit der einzelnen in ihrer pers�nlichen Arbeit, auf das
_b�rgerliche_ Niveau des alten selbst�ndigen Handwerks zu erheben,
welches zurzeit nur seine obersten Schichten, in den bestsituierten
Industrien, erreichen -- und so auch unter den ver�nderten
Wirtschaftsverh�ltnissen den Tr�ger der physischen Arbeitskraft des
Volkes als dessen gesunden, festen Stamm zu erhalten. Dieses Ziel kann
aber ohne allerlei Wenn und Aber keine andere Partei sich aneignen als
eine solche, deren politisches Ideal ist: ein freies, selbstbewu�tes
B�rgertum, das in allen seinen Schichten wirklichen Anteil hat an den
G�tern der Kultur. Alles, was in der Scheidung der politischen Parteien
auf der konservativen Seite steht, ist als Partei unf�hig, solche
Aufgabe sich zu stellen. Denn dort braucht man als Tr�ger des
Staatswesens haupts�chlich �Autorit�t�. Diese aber ist um so mehr und um
so konzentrierter vorhanden, je kleinere Gruppen herrschen, je gr��ere
unselbst�ndig und abh�ngig bleiben. F�r gro�e und einflu�reiche Kreise
des konservativen Lagers ist deshalb, nachdem die H�rigkeit nicht mehr
zu haben, nunmehr eine �Gesindeordnung� das Ideal f�r die Regelung des
Rechtsverh�ltnisses zwischen den Selbst�ndigen und den wirtschaftlich
Unselbst�ndigen.

Also w�rde die Freisinnige Volkspartei mit der Annahme des
vorgeschlagenen Programmpunktes, verm�ge seiner innern Beziehung zu den
Grundlagen b�rgerlicher Freiheit, auch noch ein kr�ftigeres R�ckgrat f�r
ihre politischen Bestrebungen gewinnen.




Anhang.


Den beiden Vortr�gen �ber �Steuersystem� und �Arbeiterschutz�, die E.
ABBE auf Grund einer stenographischen Nachschrift nachtr�glich selbst
f�r den Druck ausgearbeitet und auch als Brosch�re (Jena, Bernh.
Vopelius 1894. Vergriffen.) ver�ffentlicht hat, folgte noch ein drittes
Referat �ber �Volksbildung�. Bei diesem verhinderte er eine Nachschrift
als �berfl�ssig, weil er sich besonders sorgf�ltig vorbereitet hatte und
daher des Wortlautes f�r eine sp�tere Drucklegung durchaus sicher
glaubte. Zu einer solchen ist er aber aus verschiedenen Gr�nden nicht
gekommen und damit ist eine eingehende Kenntnis seiner Ideen �ber diese
wichtige Frage unm�glich gemacht.

Als Ersatz werden deshalb hier die Stellen aus E. ABBEs �Entwurf zu
einem Statut der Carl Zeiss-Stiftung� und den �Motiven und Erl�uterungen
zum Entwurf eines Statuts der Carl Zeiss-Stiftung� wiedergegeben, die
seine Ansicht �ber Volksbildung in gedr�ngter Form zum Ausdruck bringen.
Die Wiedergabe dieser Abschnitte scheint auch deshalb angezeigt, weil
das am Schlusse des vorliegenden Bandes in seiner endg�ltigen Fassung
abgedruckte Statut �ber diesen Gegenstand nichts enth�lt; denn ABBE hat
sich den Bedenken angeschlossen, welche von seinen Freunden gegen die
praktische Ausf�hrbarkeit seiner dahingehenden Absicht erhoben waren und
auf Verwirklichung seines Planes durch die Organe der Carl
Zeiss-Stiftung verzichtet.

Hierzu mag noch bemerkt werden, da� nach ABBEs Hinscheiden der von ihm
gehegte Plan von j�ngeren Freunden ohne Kenntnis dieser Vorg�nge als
gewi� in seinem Sinne liegend aufgenommen und die Verwirklichung durch
eine von ihnen begr�ndete, aus freiwilligen Beitr�gen seiner Freunde und
Verehrer zu dotierende �Ernst Abbe-Stiftung� angebahnt wurde.

Der Herausgeber.


Aus �Entwurf zu einem Statut der Carl Zeiss-Stiftung (als Manuskript
gedruckt, d. d. Lugano, Mai 1895)�:


� 80.

Eine Verwendung von Stiftungsmitteln zum Vorteil einzelner bestimmter
Personen soll unter dem Titel des zweiten Absatzes sub B in � 1 g�nzlich
ausgeschlossen sein, au�er f�r den einen Fall, da� es geschieht, um
S�hnen des Arbeiterstandes die Wege zu h�herer Ausbildung zu er�ffnen --
aber abseits von jeglicher Wohlt�tigkeitsidee, allein unter dem
Gesichtspunkt: Talent und geistige Kraft in den unteren Volksschichten,
welche mangels der M�glichkeit gen�gender Ausbildung dem Dienst der
gr��eren Aufgaben im wirtschaftlichen und �ffentlichen Leben der Nation
fortgesetzt verloren gehen, zum Vorteil des Gemeinwohls f�r diesen
Dienst quasi zu rekrutieren und damit zugleich den oberen Volkskreisen,
der Leitung der wirtschaftlichen und �ffentlichen Angelegenheiten,
solche Elemente zuzuf�hren, die noch verm�ge der eigenen Lebenserfahrung
mit den arbeitenden Klassen F�hlung haben und die kastenartige Scheidung
der Berufsst�nde in ihren Personen durchbrechen k�nnen.

F�r den Fall, da� die Carl Zeiss-Stiftung sp�ter reichlichere Mittel zur
Verwendung nach au�en verf�gbar erhielte, soll der Stiftungsverwaltung
besonders empfohlen sein, auch solcher Aufgabe nach dem Sinne des
Stifters sich anzunehmen.


� 81.

Die Stiftung m�ge alsdann junge Leute, die auf irgend einer Stufe des
unteren oder des mittleren Schulwesens nicht sowohl als sogenannte gute
Sch�ler sich auszeichnen, als vielmehr, vielleicht ohne das zu sein,
deutliche Anzeichen besonderer geistiger Kraft oder ungew�hnlichen
Talents erkennen lassen, zu h�herer Ausbildung heranzuziehen suchen. Sie
wolle zun�chst den Angeh�rigen solcher ausreichende Mittel anbieten, um
ohne Opfer ihrerseits die Betreffenden auf einer geeigneten Schule
erhalten zu k�nnen -- m�glichst lange im Kreise der eigenen Familie und
jedenfalls unter Ausschlu� von Pensionatserziehung irgend einer Art; und
sie wolle dieselben nachher als �Stipendiaten der Carl Zeiss-Stiftung�,
unter Gew�hrung einer nicht �rmlichen Sustentation und mit Belassung
vollster Freiheit der Berufswahl ohne Gegenverpflichtungen, bis zum
Abschlu� einer ihren Neigungen und F�higkeiten entsprechenden Ausbildung
auf gelehrte oder technische Hochschulen oder sonstige h�here
Lehranstalten entsenden.

F�r die Auswahl solcher Stipendiaten soll nicht nur keinerlei
territoriale Beschr�nkung bestehen, sondern im Gegenteil tunlichst
weites Gebiet der Auslese besonders anzustreben sein. Es d�rfen jedoch
ausschlie�lich solche gew�hlt werden, deren V�ter mit ihrer H�nde Arbeit
ihr Brot zu verdienen hatten -- als industrielle Arbeiter, Kleinbauern,
Kleinhandwerker oder dergl.


Aus �Motive und Erl�uterungen zum Entwurf eines Statuts der Carl
Zeiss-Stiftung (als Manuskript gedruckt)�:


Zu �� 80, 81.

Zur Erl�uterung der in diesen Paragraphen angegebenen Richtschnur f�r
etwaige Verwendung von Stiftungsmitteln zugunsten einzelner Personen
bemerke ich folgendes:

Gem�� den -- menschlich auch mir h�chst achtenswerten -- Absichten der
bestehenden Einrichtungen zur Erleichterung der Ausbildung Unbemittelter
w�rde einem solchen bei Gew�hrung eines Stipendiums oder dergl. immer zu
sagen sein: �_Du verdienst_ wegen deines Verhaltens oder wegen deiner
F�higkeiten, da� man dir zur Erlangung h�herer Bildung und besserer
Lebensstellung behilflich sei.� Im Sinne meiner Anordnungen aber m��te
ihm vielmehr gesagt werden: �Du w�rdest wahrscheinlich gl�cklicher
werden, wenn man dich in Ruhe lie�e und in dem Stande, in welchem du
geboren bist; denn dann w�rdest du, weil gescheiter als die Mehrzahl
deiner Genossen, gegen�ber deiner Umgebung von selbst einigen Vorsprung
gewinnen und dann hinsichtlich des sp�teren Verh�ltnisses deiner
Bed�rfnisse zu den Mitteln f�r ihre Befriedigung und des Verh�ltnisses
deiner Kr�fte zu den Aufgaben, die dir zufallen, eines subjektiv
gr��eren �berschusses dich erfreuen, als in einem h�heren Lebensberuf
meist der Fall sein kann. _Aber_ -- die R�cksicht auf das Gemeinwohl
verlangt, da� man deine Kr�fte f�r den Dienst von wichtigeren und
schwierigeren Aufgaben zu gewinnen suchen mu�, damit dieser Dienst nicht
g�nzlich angewiesen bleibe auf die allzu beschr�nkte Auswahl an
�ber-mittelm��igen K�pfen, die der Nachwuchs der Reichen f�r sich allein
pr�stieren kann, usw.�

Die �� 80, 81 markieren demnach, neben einer allem Eud�monismus
abgewandten Lebensanschauung, den festen Standpunkt des Arbeitersohnes,
dessen Vater nur mit gr��tem Widerstreben Wohltaten sich gefallen lassen
mochte. Die Carl Zeiss-Stiftung soll also auch in diesem Punkt keine
�milde� Stiftung sein.

Meine Ansicht ist nicht, da� eine Bet�tigung der Carl Zeiss-Stiftung in
dieser Richtung, solange sie isoliert bleibt, gegen�ber der Gr��e der
Aufgabe eine nennenswerte praktische Bedeutung f�r das Gemeinwohl
gewinnen k�nne. Was in diesem Punkt von einer einzelnen Stelle aus
geschehen kann, wird immer �Tropfen auf einen hei�en Stein� bleiben.
Eine wirkliche L�sung kann das hier angedeutete soziale Problem erst
dann finden, wenn einmal der Unterrichtsminister eines gro�en Staates
begriffen h�tte, da� es f�r das Staatsinteresse noch nicht genug ist,
die n�tigen vielen Millionen j�hrlich aufzuwenden, um h�here
Unterrichtsanstalten aller Art auf bestem Fu� zu erhalten, sondern da�
noch einige Millionen mehr dazuzulegen seien, um auch daf�r geregelte
Vorsorge treffen zu k�nnen, da� jene Anstalten just von denen benutzt
werden m�ssen, an deren h�herer Ausbildung allein dem Staat selbst etwas
gelegen sein kann. Das w�rde besagen m�ssen: planm��iges Heranziehen der
h�her veranlagten K�pfe aus allen Schichten des Volkes, nach Analogie
der allgemeinen Wehrpflicht und der Rekrutierung f�r die Spezialwaffen
zum Dienst der leitenden Funktionen im �ffentlichen und wirtschaftlichen
Leben -- behufs Erh�hung des durchschnittlichen Niveaus der ganzen
geistigen Aktion des Volkes und behufs Beseitigung plutokratischer
Kastenbildung in den Berufsst�nden. Dazu aber w�rde geh�ren, nicht nur
sich hinwegsetzen zu k�nnen �ber den unvermeidlichen Mangel solcher
Ma�nahmen, da� dabei wegen der Schwierigkeit richtiger Auslese auch
manches Mittelgut auf �ffentliche Kosten zu erziehen w�re, sondern vor
allem, sich nicht f�rchten zu m�ssen vor den mancherlei einschneidenden
Konsequenzen, welche eine Wiederaufhebung des allm�hlich entstandenen
faktischen Bildungsmonopols der Wohlhabenden nach sich ziehen w�rde.

Solange es deshalb mit all diesem gute Wege hat, w�rde einem von der
Carl Zeiss-Stiftung etwa gemachten Anfang immerhin Wert und Bedeutung
des ersten guten Beispiels auf einem wichtigen Gebiet des allgemeinen
Volksinteresses verbleiben.

Fu�noten:

[Fu�note 2: [Nach der Angabe Bebels in seiner Er�ffnungsrede zum Jenaer
Parteitag (1905) fand dieser Vortrag schon 1869 statt.]]




II.

Ged�chtnisrede zur Feier des 50j�hrigen Bestehens der Optischen
Werkst�tte.

Gehalten am 12. Dezember 1896[3].


Hochgeehrte G�ste -- liebe Freunde und Mitarbeiter!

In diesen Wochen sind es 50 Jahre geworden, da� aus allerkleinstem
Anfang das Werk entstanden ist, das unter dem Namen von _Carl Zeiss_
heute die T�tigkeit einer gro�en Zahl von Menschen in dauerndem Verein
h�lt, ein wichtiges Element in der Wirtschaftst�tigkeit unserer Stadt
geworden ist und auch f�r manche Angelegenheiten allgemeineren
Interesses einige Bedeutung gewonnen hat.

Da der Begr�nder dieses Werkes nicht mehr lebt, sonach niemand mehr da
ist, der noch in seiner Person das Ende des 50j�hrigen Zeitabschnittes
mit seinem Anfang verkn�pfte und dessen Person so den Mittelpunkt einer
festlichen Erinnerung bilden k�nnte, haben wir von jeder Art besonderer
Feier abgesehen. Wir wollen den �u�eren Markstein auf dem Weg unserer
t�glichen Arbeit, den man in dem Ablauf eines halben Jahrhunderts zu
sehen gewohnt ist, lediglich zum Anla� nehmen, auf diesem Weg einen
Augenblick Halt zu machen und unsere Gedanken zu sammeln in einem
R�ckblick auf das hinter uns Liegende, und in dessen Betrachtung neue
Ermunterung zu r�stiger Fortsetzung unserer Arbeit, neues Vertrauen auf
ihre Zukunft suchen.

Die Geschichte dieser 50 Jahre enth�lt auch in dem sichtbar gewordenen
Geschehen, in dem Fortgang der �u�eren Entwicklung unseres Instituts
wohl manches, was dem Ged�chtnis aufbewahrt zu werden verdient --
manches, was f�r die N�chststehenden, manches, was auch f�r weitere
Kreise ein bleibendes Interesse hat, weil es entweder Merkzeichen
gewisser Fortschritte bietet, oder typische Vorg�nge der allgemeinen
Wirtschaftsentwicklung oder die Eigenart unseres besonderen
Arbeitsfeldes exemplifiziert.

Meine Absicht hier geht indes nicht auf alles dieses. Was _davon_
sp�terer Erinnerung festzuhalten angemessen erscheint, wird mein Kollege
CZAPSKI demn�chst in einer Darstellung der Geschichte unserer Werkst�tte
denen, die solches interessiert, zug�nglich machen[4]. _Meine_ Aufgabe
hier sehe ich nur darin, zu erz�hlen von der _inneren_ Geschichte
unserer Anstalt, von den Gedanken und Bestrebungen, die in ihr lebendig
und wirksam gewesen sind -- also von dem, was aus dem sichtbaren Verlauf
des Geschehens noch nicht ohne weiteres zu erkennen -- was vielmehr, um
dessen volles Verst�ndnis zu vermitteln, nur der beibringen kann, der
auch das innere Geschehen durch alle bedeutsamen Phasen seines Verlaufs
pers�nlich miterlebt hat.

Man wird nun zum voraus gew�rtig sein, da� in einem Gebilde menschlichen
Schaffens, welches durch ein halbes Jahrhundert hin �ber mehrfachen
Wechsel der Personen hinweg stetig in gleicher Richtung sich
fortentwickelt hat, nicht nur das Resultat von �u�eren Einwirkungen und
von Antrieben der Umgebung vorliegen werde -- deren fortw�hrender
Wechsel in unserer rasch lebenden Zeit doch nur aus blindem Zufall eine
konstante Bahn h�tte ergeben k�nnen. Man wird also zum voraus vermuten,
da� in solchem Gebilde etwas wirksam gewesen ist, was von innen heraus
den Gang der Entwicklung bestimmt hat -- eine durchgehende
lebenskr�ftige Idee, vergleichbar dem entwicklungsf�higen Keim, aus
welchem kraft innerer Anlage der Baum allm�hlich herausw�chst, in seinem
Wachstum nicht bestimmt, h�chstens nur beeinflu�t durch die Einwirkungen
der �u�eren Umgebung, f�rdernde und hemmende Umst�nde.

Was nun ist in unserem Fall der lebenskr�ftige Keim, aus dessen
inhaltsreicher Anlage dieser gro�e Baum entstanden ist |in dessen
Schatten jetzt zahlreiche flei�ige Menschen Obdach gefunden haben|? Was
ist der treibende Gedanke, der die Entwicklung dieses Unternehmens
geleitet hat?

Es entspricht ganz der Stimmung, in der wir heute uns hier vereinigt
haben -- der Stimmung piet�tvoller Erinnerung an den Mann, der vor 50
Jahren zu allem, was jetzt uns vor Augen steht, den Grund gelegt hat --
da� die Antwort auf diese Frage sofort die Bedeutung des pers�nlichen
Wirkens von _Carl Zeiss_, der von ihm getragenen Ideen aufdeckt -- und
so ihn gleich in den Mittelpunkt unserer Betrachtung r�ckt.

Schon vor acht Jahren, als wir den Begr�nder unserer Werkst�tte zu Grabe
geleiteten, habe ich an seinem Sarg in kurzen Worten ausgesprochen[5],
da� in ihm ein Mann geschieden sei, in dessen Wirken ein neuer
eigenartiger Gedanke Anfang und Vollendung gefunden hat; und bei einem
sp�teren Anla�[6] wurde im Sinne dessen als sein bleibendes Verdienst
hingestellt: das geordnete Zusammenwirken von Wissenschaft und
technischer Kunst auf seinem besonderen Arbeitsfeld zielbewu�t angebahnt
zu haben.

Der heutige Tag gibt nunmehr die Gelegenheit, dieses zu erl�utern, n�her
zu bestimmen und auch �ffentlich zu rechtfertigen.

Zusammenwirken von Wissenschaft und technischer Kunst ist in der Optik
allerdings eine sehr alte Sache. Denn auf ihrem Gebiet hat die
praktische Arbeit schon viel fr�her wie auf fast allen anderen Gebieten
der Technik in direkter Wechselwirkung mit wissenschaftlichen Ideen und
unter deutlicher Leitung solcher gestanden. Die nahe Beziehung aller
Leistungen der praktischen Optik auf gro�e wissenschaftliche Interessen
-- zu allererst der Astronomie -- brachte dieses von selbst mit sich.
Das Interesse an der Vervollkommnung der Beobachtungswerkzeuge hat fast
alle hervorragenden F�rderer der Naturerkenntnis auch zu F�rderern der
K�nste gemacht, die auf Herstellung der Beobachtungswerkzeuge und deren
Vervollkommnung ausgehen. Man braucht nur KEPLER und NEWTON zu nennen,
um markiert zu sehen, wie jeder Fortschritt in der wissenschaftlichen
Erkenntnis der Eigenschaften und Wirkungen des Lichts immer unmittelbar
die Bet�tigung praktischer Kunst zur Verwertung solchen Fortschrittes
neu angeregt hat. So sind seit fast drei Jahrhunderten alle neuen
Zielpunkte dieser Bet�tigung bewu�terweise aus der wissenschaftlichen
Lehre der Optik abgeleitet worden, die Mittel und Wege zur Bet�tigung an
der Hand der Doktrin gefunden worden.

Hierbei war aber der praktischen Arbeit des aus�benden Optikers immer
noch ein sehr weites Feld verblieben. Die Doktrin wies nur die typischen
Formen der Elemente der Konstruktionen nach, die bekannte Linsengestalt
der durch kugelf�rmige Fl�chen begrenzten Glasst�cke, und gab die
allgemeinen Direktiven f�r ihre richtige Kombination f�r die
verschiedenen Zwecke, wie z. B. die Regel f�r das Zusammenf�gen von zwei
solchen Glasst�cken aus verschiedenem Material behufs achromatischer
Lichtsammlung u. dgl. Sache der pers�nlichen Erfahrung des geschickten
Praktikers, seiner �bung in der Beurteilung des erzielten Effekts,
seiner Findigkeit in der vorteilhaften Kombination und Ab�nderung der
Elemente, blieb es dabei, die jeweils beabsichtigte Wirkung
_befriedigend_ herauszubringen, also ein _gutes_ Fernrohr oder ein
_gutes_ Mikroskop nach dem jeweiligen Ma�stab der Anforderungen
herzustellen; und auch der allm�hliche Fortschritt in der H�he der
Leistungen war nur zum geringeren Teil bedingt durch die Verbesserung
der technischen Ausf�hrung, in viel h�herem Grad durch das Auffinden von
vorteilhafteren, besseren Effekt herbeif�hrenden Kombinationen von
Linsen. Je h�her die Anforderungen an die Leistung der optischen
Instrumente wurden, zu je komplizierteren Zusammensetzungstypen man sich
dadurch gedr�ngt sah, desto gr��ere Bedeutung gewann die pers�nliche
Geschicklichkeit und praktische Begabung des aus�benden Optikers.

Beim Mikroskop hat schon in den ersten Dezennien dieses Jahrhunderts die
sich ausbreitende Anwendung des Instruments in der Erforschung der
organischen Welt und der hierbei rasch steigende Anspruch an hohe
Vergr��erung und vollkommene Bildsch�rfe, zu allm�hlich immer
verwickelteren Linsenkombinationen gef�hrt, f�r deren Aufbau den
Optikern zwar auch neue Direktiven von theoretischen Gesichtspunkten aus
gegeben worden waren, deren erfolgreiche Ausf�hrung an Hand dieser
Direktiven aber immer h�her werdende Anforderungen an die Kunst stellte.
|Namentlich der neue Zusammensetzungstypus, den AMICI auffand -- man
wei� nicht genau, in welcher Art des Ineinandergreifens von
theoretischer Betrachtung und praktischer Erfahrung -- der auf die
Immersionslinsen hinleitete, hat um die Mitte des Jahrhunderts den
Aufbau des Mikroskopobjektivs zu einer Kunst entwickelt, die in ihren
besten Vertretern, wie z. B. HARTNACK und einigen anderen, die
Bet�tigung einer ganz eigenartigen Form intuitiven Schaffens zeigt, weil
sie Leistungen zustande brachte, von denen damals niemand sich
Rechenschaft geben konnte -- am wenigsten die aus�benden Personen
selbst.|

_Carl Zeiss_ ist, als er, von SCHLEIDEN angespornt, bald nach seiner
Niederlassung in Jena der Mikroskop-Optik sich zuwandte, gleichfalls den
eben charakterisierten Weg gegangen, und hat zun�chst auf diesem,
schlecht und recht wie andere vor ihm und andere neben ihm, vorw�rts zu
kommen gesucht unter Anlehnung an die Vorbilder, die sich ihm in den
Leistungen der �lteren Meister boten. Kein Geringerer als SCHLEIDEN hat
ihm auch bezeugt, da� er nach kurzer Zeit zu sehr bemerkenswerten
Erfolgen gelangt ist. Zeiss selbst aber ist, wie er sp�ter erz�hlte,
hinsichtlich dieser Erfolge schon sehr fr�h recht skeptisch gewesen. Er
merkte, da� er, als Autodidakt an dieses Arbeitsfeld herangekommen, also
ohne Anteil an der Summe von traditioneller Erfahrung, die auf ihm
gewonnen war, den anderen gegen�ber, die schon [durch] Jahrzehnte hin
jene eigenartige Kunst ge�bt hatten, sehr im Nachteil sei, und als
Autodidakt auch frei von allzu gro�er Verehrung f�r das traditionell
Gegebene fand er bald, da� diese ganze Art des Arbeitens im letzten
Grund f�r die Optik eigentlich h�chst irrationell sei. Er sagte sich: da
alle Wirkungen, die eine Linsenkombination begleiten, auf Gesetzen
beruhen, die durch die wissenschaftliche Optik genau festgestellt, in
allen Einzelheiten mathematisch bestimmbar sind, und da auch alle
ma�gebenden Eigenschaften des wirksamen Stoffes, des Glases, auf das
strengste me�bar sind -- so mu� es f�r den Aufbau der Linsensysteme
jeder Art noch einen ganz anderen Weg geben, um eine verlangte Wirkung
mit Sicherheit des Erfolgs herbeizuf�hren. Es mu� auf diesem Gebiet noch
eine ganz andere Art des Zusammenwirkens von wissenschaftlicher Lehre
und technischer Kunst m�glich sein, als bisher bestanden hat; es mu�
m�glich sein, nicht nur die allgemeine Direktive f�r die zweckm��ige
Zusammensetzung der Elemente aus der Theorie zu entnehmen, sondern die
richtige Zusammensetzung selbst bis in ihre letzten Einzelheiten f�r
jede verlangte Wirkung. Wie der Architekt ein Bauwerk, bevor eine Hand
zur Ausf�hrung sich r�hrt, schon im Geiste vollendet hat, nur unter
Beihilfe von Zeichenstift und Feder zur Fixierung seiner Idee, so mu�
auch, dachte sich Zeiss, das komplizierte Gebilde von Glas und Metall,
wie das Mikroskop es erfordert, sich aufbauen lassen rein
verstandesm��ig, in allen Elementen bis ins letzte vorausbestimmt in
rein _geistiger_ Arbeit, durch theoretische Ermittlung der Wirkung aller
Teile, bevor diese Teile noch k�rperlich ausgef�hrt sind. Der
arbeitenden Hand d�rfe dabei keine andere Funktion mehr verbleiben, als
die genaue Verwirklichung der durch die Rechnung bestimmten Formen und
Abmessungen aller Konstruktionselemente und der praktischen Erfahrung
keine andere Aufgabe, als die Beherrschung der Methoden und Hilfsmittel,
die f�r letzteres, die k�rperliche Verwirklichung, geeignet sind. --
Also: eine andere Grenzregulierung zwischen der Arbeit des Verstandes
und der Arbeit der Hand, zwischen wissenschaftlicher Theorie und
praktischer Kunst, grunds�tzlich verschieden von der fr�heren Abgrenzung
der Funktionen beider. Das nun ist die Idee, die _Carl Zeiss_ in die
Mikroskop-Optik eingef�hrt und �ber alle Hindernisse hinweg zur
Verwirklichung gebracht hat: die Idee eines streng _rationalen_ Aufbaues
der optischen Konstruktionen f�r das Mikroskop; das ist der Keim, aus
dem alle inneren Fortschritte und alle �u�eren Erfolge, die sein Wirken
gebracht hat, hervorgegangen sind. Das soll es besagen, wenn als das
Verdienst von _Carl Zeiss_ hingestellt wurde: das geordnete (n�mlich das
_neu_geordnete) Zusammenwirken von Wissenschaft und technischer Kunst
auf seinem besonderen Arbeitsfeld zielbewu�t angebahnt zu haben.

Die hier bezeichnete und auf unserem Arbeitsfeld f�r _neu_ erkl�rte Art
der Verbindung von Wissenschaft und Technik ist uns durch ihre l�ngst
offenkundige Herrschaft auf vielen anderen Gebieten der Technik -- wie
im Maschinenbau, dem Ingenieurwesen und anderen -- jetzt schon so
gel�ufig, da� sie fast als etwas Selbstverst�ndliches erscheint und man
sich leicht wundern k�nnte, die Einf�hrung dieser Idee in unserem Gebiet
�berhaupt als etwas Bemerkenswertes und Bedeutsames hingestellt zu
sehen. K�nnte doch jetzt nur noch ein St�mper eine Dampfmaschine
wirklich zu bauen beginnen, ohne da� er vorher ganz genau w��te, wieviel
Pferdekr�fte sie entwickelt, wenn man sie, genau nach seinen
Vorschriften ausgef�hrt, zum erstenmal in Gang setzen wird; und wird
doch l�ngst keine eiserne Br�cke mehr gebaut, ohne da� der Erbauer, noch
ehe das Erz zu ihren Rippen aus der Erde geholt, schon genau angeben
kann, wieviel Zentimeter sie sich durchbiegen wird, wenn sie nach drei
oder vier Jahren fertig dasteht und der erste Eisenbahnzug sie bef�hrt.
So ist es aber auch auf diesen Gebieten nicht immer gewesen, und so auch
nicht in der Optik. |Eine alte Sache ist die vorher geschilderte Art des
Eingreifens der wissenschaftlichen Theorie in die Technik nur auf den
Gebieten der Technik, deren Erzeugnisse auf Bewegungseffekte, also
phoronomische, geometrisch bestimmbare Wirkungen ausgehen -- wie bei der
Mechanik im engeren Sinne. Die Idee, auch Gebilde, durch die nicht
k�rperliche Formen an sich, oder Bewegungsformen als Effekt bezweckt
werden, bei welchen vielmehr bestimmte k�rperliche Formen an bestimmten
Stoffen eine zum voraus bestimmte physische Wirkung hervorbringen sollen
-- die Idee, auch solche Gebilde auf die gedachte streng rationale Art
zu gewinnen, ist auf allen Gebieten der Technik sehr neu -- weil die
M�glichkeit solchen Verfahrens mehrere sehr schwer zu erf�llende
Postulate einschlie�t.| Und wenn es nicht immer so gewesen ist, so
bezeugt nun gerade die Ausbreitung und die Macht, die jener Gedanke des
rationalen Aufbaues k�rperlicher Gebilde behufs Erzielens bestimmter
physischer Effekte jetzt gewonnen hat das Verdienst derer, welche die
Pfadfinder dieses Gedankens gewesen sind. Und zu diesen Pfadfindern
geh�rt auch _Carl Zeiss_.

Zum erstenmal auf irgend einem Feld der Technik �berhaupt rein
durchgef�hrt ist jene Idee, glaube ich, erst im Anfang dieses
Jahrhunderts durch JOSEPH FRAUNHOFER, und zwar ist es zum erstenmal
geschehen gerade auf dem Feld der praktischen Optik -- und an einem
Objekt, das der n�chste Verwandte des Mikroskops ist -- dem
astronomischen Fernrohr. Denn die ersten Gebilde der bezeichneten
Kategorie, die streng auf diesem Weg zustande gekommen sind, also die
fr�hesten Zeugen der Bet�tigung jener Idee auf dem Gebiet praktischen
Schaffens, sind die Objektive zu Fernr�hren, die im Beginn der 20er
Jahre FRAUNHOFER von M�nchen aus den Astronomen in die Hand geben
konnte. Man darf also wohl die rationale Methode der Konstruktion
technischer Erzeugnisse zu physischen Effekten im allgemeinsten Sinne
die FRAUNHOFERsche Methode nennen.

Das Verdienst von Zeiss erleidet aber keine Einschr�nkung durch den
Umstand, da� der gleiche Gedanke gerade auf dem Gebiet der Optik, und an
einem dem Mikroskop so nahe verwandten Ding, wie das Fernrohr ist, schon
40 Jahre vorher mit Erfolg bet�tigt worden ist. Denn die genauere
W�rdigung aller sachlichen Momente f�hrt zu der Einsicht, da� diese
fr�here Bet�tigung durch FRAUNHOFER zwar wohl einen Wink f�r die
Anwendung der gleichen Grundidee auch dem Mikroskop gegen�ber gegeben
hat, aber kein irgendwie leitendes Vorbild f�r die Verwirklichung hat
bieten k�nnen -- trotz der Gleichheit des Arbeitsfeldes und trotz der
scheinbaren inneren Verwandtschaft der Aufgaben. Dieser auf den ersten
Blick befremdliche Schlu� beruht auf einem erst viel sp�ter[7] erkannten
Gegensatz der beiden Grundprobleme der praktischen Optik, des
Fernrohr-Problems und des Mikroskop-Problems, im Theoretischen sowohl
wie in wesentlichen praktischen Bedingungen -- einem Gegensatz, der es
mit sich bringt, da� die Aufgabe der rationalen Darstellung, auch
nachdem sie f�r das Fernrohr gel�st war, f�r das Mikroskop doch einen
neuen, selbst�ndigen Ansatz nehmen mu�te, keine �bertragung des
Verfahrens zulie�[8].

Da ich auf die Rechtfertigung dessen in meinem Vortrag nicht n�her
eingehen darf, begn�ge ich mich zur Erh�rtung des Gesagten mit dem
Hinweis auf eine �u�ere Tatsache, aus der hervorgeht, wie weit der
Gedanke von _Carl Zeiss_ dem Bewu�tsein gerade seiner Fachgenossen fern
gelegen hat -- nicht nur zur Zeit als jener ihm nachzugehen begann,
sondern noch viel sp�ter. Denn noch vor etwa 15 Jahren, also zu einer
Zeit, als l�ngst alle Dampfmaschinen und alle Eisenbahnbr�cken nach
FRAUNHOFERscher Art gebaut wurden, konnte behauptet werden: die
Mikroskope k�nnten auf diese Art _nicht_ gebaut werden, und ein
angesehener und unterrichteter Schriftsteller der Mikroskopie, der einem
der besten Optiker der alten empirischen Schule pers�nlich nahe stand
und daher das Arbeitsfeld kannte, konnte daraufhin die Richtigkeit der
Angabe: da� sie hier in Jena seit 10 Jahren so gebaut w�rden, auch
�ffentlich in Zweifel ziehen. Auch ist es noch gar nicht so lange her,
da� in den Augen vieler beim Mikroskop der Anspruch auf eine h�here
Wertsch�tzung seitens der Vertreter der alten empirischen Schule noch
mit der Erkl�rung begr�ndet werden konnte: von ihnen werde es _nicht_
wie in Jena gebaut. Erst seit etwa 10 Jahren ist die umgekehrte
Versicherung: es werde _genau wie_ in Jena gebaut, allgemein die St�tze
f�r den Anspruch auf die h�here Sch�tzung geworden -- wiederum Beweis
daf�r, da� die Idee des neuen Arbeitsplanes und die M�glichkeit ihrer
W�rdigung au�erhalb des Gesichtskreises der Zeitgenossen lag.

Die Geschichte unserer Werkst�tte ist nun hinsichtlich des ersten
30j�hrigen Abschnittes grundlegender T�tigkeit und zum Teil noch �ber
diese Zeit hinaus nichts anderes als die Geschichte der Bestrebungen, in
welchen jener Gedanke einer neuen, anders geregelten Art des
Ineinandergreifens von Wissenschaft und Technik an den Aufgaben der
Mikroskop-Optik sich bet�tigt und allm�hlich verwirklicht hat. -- Die
vorher zur Sprache gebrachten Umst�nde aber: einerseits die historische
Priorit�t FRAUNHOFERs hinsichtlich der erstmaligen Einf�hrung dieses
Gedankens in die Optik �berhaupt, anderseits die eben betonte innere und
�u�ere Selbst�ndigkeit seines nochmaligen Auftretens gegen�ber einer
anderen Aufgabe des gemeinsamen Arbeitsfeldes -- diese Umst�nde bringen
es mit sich, da� in meiner weiteren Betrachtung das hiesige Geschehen
�berall in Vergleich treten mu� mit der T�tigkeit FRAUNHOFERs. Ich mu�
so das Wirken meines verstorbenen Freundes heranr�cken an die
ph�nomenale Figur, die auf dem gleichen Arbeitsfeld aus einem armen
M�nchener Spiegelschleifer im Anfang dieses Jahrhunderts herausgewachsen
ist. In der N�he dieser Figur mu� allerdings manches kleiner sich
ausnehmen, was, in der gew�hnlichen Umgebung gesehen, mit weniger
abnormem Ma�stab gemessen, gr��er erscheinen w�rde. Es gibt aber gar
keinen anderen Standpunkt f�r eine richtige W�rdigung der Lebensarbeit
von _Carl Zeiss_, als ohne Scheu vor diesem Ma�stab ihre Erfolge in
Parallele zu setzen zu dem Wirken des gr��eren Vorg�ngers -- obwohl,
nachdem die geschichtliche Nachforschung auch auf die Einzelheiten
dieses Wirkens Licht geworfen, jetzt an manchen Punkten mit bezug auf
ihn zu sagen ist: mutato nomine fabula de te narratur -- unter anderem
Namen die Geschichte von Dir erz�hlt!

Es handelt sich n�mlich hier um einen Parallelismus in den Dingen
selbst, durchaus vergleichbar einer Erscheinung, die in der lebenden
Natur �fters uns entgegentritt. Wie etwa das Wirbeltierauge in ganz
verschiednen Tierreichen, ohne genealogischen Zusammenhang der
Entwicklung, sich wiederholt, und, irgendwo entstanden, immer wieder die
gleichen typischen Formen durchl�uft, nur in Nebens�chlichem modifiziert
durch die Verschiedenheit der �u�eren Bedingungen -- so hat in unserem
Interessenkreis die vorhin dargelegte Idee des verstandesm��igen
Aufbaues k�nstlicher Gebilde an zwei getrennten Stellen unabh�ngig
eingesetzt, nur �bereinstimmend in der Zweckbeziehung auf die Wirkungen
des Lichts, und hat einen ganz parallelen Gang der Entwicklung
durchlaufen, in den Abweichungen nur die Verschiedenheit des
Ausgangspunktes und der die Entwicklung begleitenden Nebenumst�nde
bekundend.

Es hat n�mlich die konsequente Verfolgung der zuvor charakterisierten
Idee in ihren beiden getrennten G�ngen nicht nur im allgemeinen zu
gleichartigem Endergebnis gef�hrt -- zu einem bedeutenden und dauernden
Fortschritt in der Leistungsf�higkeit und Vollkommenheit der Erzeugnisse
-- dort des Fernrohrs, hier des Mikroskops -- sondern der Weg des
Gelingens zeigt auch hier dieselben charakteristischen drei Etappen
wieder, durch die er bei FRAUNHOFER hindurchgegangen ist: als ersten
Schritt die Reform der Technik der praktischen Optik, die
Vervollkommnung der Methoden technischer Arbeit, als zweiten die
Vertiefung und Erg�nzung der theoretischen Grundlagen, welche die
Behandlung der Aufgabe brauchte, und als letzten die Reform der
praktischen Grundlagen, der Bedingungen f�r die Beschaffung des
Urmaterials, des optischen Glases. Die Wiederholung dieser drei Stufen
des Fortgangs in gleicher Reihenfolge ist aber durchaus nicht auch im
Sachlichen eine Wiederholung dessen, was FRAUNHOFER im Verfolg seiner
besonderen Aufgabe schon getan hat -- so da� etwa, nachdem inzwischen
die T�tigkeit FRAUNHOFERs im ersten Viertel des Jahrhunderts genauer
bekannt geworden, jetzt zu sagen w�re: wie schade, da� dasselbe zweimal
hat getan werden m�ssen! Ganz im Gegenteil, die Wiederholung desselben
Entwicklungsganges von einem ganz anderen Ausgangspunkt aus -- n�mlich
vom Mikroskop-Problem -- f�hrte in allen wesentlichen Punkten zu
wichtigen und unentbehrlichen Erg�nzungen der FRAUNHOFERschen Arbeit in
denjenigen sachlichen Momenten, die von seinem Ausgangspunkt aus nicht
in den Gesichtskreis der Aufgabe eintreten konnten -- so da� man
vielmehr sagen mu�: das nochmalige Einsetzen desselben Grundgedankens an
einer anderen Sonderaufgabe der Optik und das nochmalige selbst�ndige
Durchlaufen aller seiner Konsequenzen von dem neuen Ausgangspunkt aus
ist direkt notwendig gewesen, um diesem Grundgedanken eine vollst�ndige,
das ganze Feld der praktischen Optik beherrschende Entwicklung zu
erm�glichen. Und das verleiht nun dem Wirken von _Carl Zeiss neben_
FRAUNHOFER eine selbst�ndige Bedeutung.

Ich kann hier nicht auf die einzelnen Etappen des gemeinsamen
Entwicklungsganges eingehen, kann also auch nicht dartun, warum die
vorher bezeichneten drei Fortschritte notwendige Postulate der
Verwirklichung der Idee sind, warum verm�ge des gegens�tzlichen
Charakters des Grundproblems in Hinsicht auf das Mikroskop andere, neu
zu l�sende Aufgaben vorlagen. Alles das mu� ich der Vervollst�ndigung
dieses Vortrages bei seiner Drucklegung vorbehalten[9].

Nur zwei Punkte, die das einzelne betreffen, darf ich auch hier nicht
ganz �bergehen, weil in ihnen einzelnes eine besondere Bedeutung
gewinnt.

Die _Vervollkommnung der Technik_ optischer Arbeit gegen�ber dem, was
dem alten empirischen Verfahren gen�gen konnte, ist die allererste
Voraussetzung f�r die Verwirklichung der rationalen Methode. Deshalb ist
es f�r den Erfolg ganz wesentlich, da� _Zeiss_ gleich von Anfang an ein
ganz klares Bewu�tsein dessen hatte und gleich von Anfang an alles
darauf anlegte, in seiner kleinen Werkstatt eine sehr exakte Technik
einzub�rgern, die unsichere Geschicklichkeit der Hand �berall unter die
Kontrolle strenger Pr�fungsmethoden zu stellen.

Auf dem Weg dieser Bestrebungen ist nun auch genau das Verfahren,
welches f�r FRAUNHOFER, wie man jetzt wei�, eine wichtige Grundlage des
Erfolges wurde, selbst�ndig hier wieder erfunden worden, unter
Umst�nden, die jeden Zusammenhang seines hiesigen Auftretens mit seiner
ersten Entdeckung in M�nchen sicher ausschlie�en. Es ist dies die
sinnreiche Methode zur Pr�fung der Formen sph�rischer und ebener Fl�chen
mit Hilfe der sogenannten Farben d�nner Pl�ttchen, der Erscheinung, die
uns ungesucht im bunten Farbenspiel der Seifenblasen entgegentritt.
Diese Methode, nach welcher die Lichtwellen selbst den Ma�stab zur
Messung der allerkleinsten Form- und Gr��enunterschiede darbieten
m�ssen, ist seit Beginn der sechziger Jahre auch hier der wichtigste
Hebel gesteigerter technischer Leistungen geworden und das ABC-Buch der
damals in hiesiger Werkst�tte entstandenen neuen Schule exakter
optischer Technik.

_Zeiss_ hat indes diese technischen Fortschritte, wenn sie auch �berall
direkt unter der Leitung seiner Idee standen, doch nicht pers�nlich
vollziehen k�nnen. Schon �ber die Jahre hinaus, in denen Auge und Hand
noch schwierig zu erlernende Fertigkeiten sich aneignen k�nnen, und
auch durch viele andere Anspr�che in seiner Zeit viel zu sehr beschr�nkt
f�r m�hsame technische Studien war er darauf angewiesen, f�r diesen Teil
seiner Aufgabe von Anfang an die Geschicklichkeit, praktische Umsicht
und Findigkeit eines anderen zu benutzen, den er zum Gehilfen seiner
Arbeit fr�hzeitig gewonnen hatte. Er auch ist der Nacherfinder der eben
erw�hnten wichtigen Methode. Wir freuen uns alle, ihn heute noch unter
uns zu haben, unseren treuen alten AUGUST L�BER, den Begr�nder unserer
Schule subtiler Technik, den Senior unserer ganzen Genossenschaft und
den Lehrmeister, unmittelbar oder mittelbar, aller unserer t�chtigen
Optiker. F�r das Vorw�rtskommen von _Zeiss_ ist es von nicht geringer
Bedeutung gewesen, da� gleich der erste, den er in der Verfolgung seiner
Pl�ne als Mitarbeiter heranziehen konnte, so entgegenkommendes
Verst�ndnis f�r die eigenartigen Aufgaben, so hoch entwickelten Sinn f�r
Pr�zision und Exaktheit, und so volle Hingabe seiner ganzen Person ihm
entgegenbrachte. Solange also des Werkes von _Carl Zeiss_ gedacht wird,
in unserem Kreis und au�erhalb desselben, wird auch das Andenken an
seinen treuen fr�hesten Mitarbeiter lebendig bleiben, der am Gelingen
des Ganzen so wichtigen Anteil hat -- in dessen anspruchslosem Wirken
ein FRAUNHOFERscher Gedanke neu erwacht ist[10].

Als zweites erw�hne ich noch die Einwirkung, die auch hier, wie 50 Jahre
fr�her bei FRAUNHOFER, der Grundgedanke von _Zeiss_ auf die Reform der
_Darstellung des optischen Glases_ ge�bt hat, weil die Art, wie dieses
hier geschehen, ein lehrreiches Beispiel bietet f�r die Macht, mit der
die innere Folgerichtigkeit alles Geschehens �berall sich Geltung
schafft, wenn nur die Menschen ihren Faden nicht gewaltsam zerrei�en.
_Zeiss_ ist sehr fr�hzeitig zum Bewu�tsein gekommen, da� die Konsequenz
seines urspr�nglichen Programms auch die Notwendigkeit des Eingreifens
in die Darstellung des optischen Glases einschlie�en konnte, wenn jenes
Programm nicht auf halbem Wege Halt machen solle. Er hat aber -- und
nicht nur er -- an diesen Gedanken lange Zeit mit innerem Widerstreben,
um nicht zu sagen mit Abscheu, gedacht -- sehr begreiflich, angesichts
der ganz unabsehbaren Schwierigkeiten, die dem Eintreten in ein v�llig
fremdes Gebiet der Technik entgegenzustehen schienen. Das alles aber hat
nicht hindern k�nnen, da� jener Gedanke, wenn auch lange ganz unbewu�t,
immer st�rker die Behandlung der vorliegenden Aufgaben beeinflu�te und
leitete. Jahrelang haben wir neben wirklicher Optik sozusagen noch
Phantasieoptik betrieben, Konstruktionen in Erw�gung gezogen mit
hypothetischem Glas, das gar nicht existierte, indem wir die
Fortschritte diskutierten, die m�glich werden w�rden, wenn einmal die
Erzeuger des Rohmaterials dahin zu bringen sein sollten, f�r
fortgeschrittene Aufgaben der Optik sich zu interessieren -- was sie
aber nicht taten. Und diese fast widerwillige Besch�ftigung mit der
Frage, die Verfolgung von Konjekturen, die man damals kaum ernst nahm,
hat unbewu�t nachherigem Fortschritt auch in dieser Richtung ebenso
wirksam vorgearbeitet, wie es eine bewu�te planm��ige Behandlung kaum
besser h�tte tun k�nnen. Denn auch in diesem allerdings absonderlichen
Verfahren bestimmten sich schon alle Ziele und markierten sich schon
alle Richtungen f�r eine zuk�nftige Reform der Glastechnik auf
wissenschaftlicher Grundlage. Dem sp�teren wirklichen Anfang war damit
jedes Herumtasten nach Ziel und Richtung erspart. F�r den ideenreichen
und tatkr�ftigen Mann, den zu Anfang der 80er Jahre die dunkle Ahnung
seines eigentlichen Berufs in unseren Kreis gef�hrt hat, bedurfte es
jetzt nur ganz kurzer Zeit, um nicht allein alles, was durch den fr�hen
Tod FRAUNHOFERs verloren gegangen war, zu erneuern, sondern an Hand der
allgemeineren Aufgabenstellung, die der Ausgang vom Mikroskop-Problem
einschlo�, in wichtigen Punkten �ber die Ziele FRAUNHOFERs
hinauszugelangen -- so da� schon im Fr�hjahr 1887, als wir auch in
unserem Kreis das Andenken FRAUNHOFERs feierten, gesagt werden
durfte[11]: die Wiedererneuerung seiner verloren gegangenen Kunst und
ihre Fortentwicklung in seinem Geist sei der unverwelkliche Lorbeer, den
zu seinem 100j�hrigen Geburtstag unser Jena an seinem Grabe
niederzulegen habe.

Unser Freund _Otto Schott_ aber wird gewi� keine Verdunklung seines
pers�nlichen Verdienstes darin erblicken, wenn ich ausspreche: da� sein
erfolgreiches Eingreifen, welches anerkannterma�en allen Aufgaben der
praktischen Optik neue Bahnen er�ffnet hat, diesen Erfolg nicht gehabt
haben w�rde, wenn seine Arbeit nicht unmittelbar sich h�tte anschlie�en
k�nnen an die fast 20j�hrige Vorarbeit, die aus dem Ideenkreis der
Optischen Werkst�tte ihm entgegenkam. Hat er doch die praktische
Konsequenz dieses Gedankens r�ckhaltlos schon selbst gezogen darin, da�
er unter freiwilligem Verzicht auf die nat�rlichen Vorrechte, die ihm
aus der vollen Selbst�ndigkeit seiner Arbeit im Chemischen und
Technischen zustanden, auch sein Unternehmen in dauernden Zusammenhang
mit der Carl Zeiss-Stiftung setzte[12].

Nachdem ich so den leitenden Gedanken in dem Wirken von _Carl Zeiss_
nach seinen inneren Momenten betrachtet habe, mu� ich auch noch einige
Worte sagen �ber die besondere Art, wie seine Entwicklung durch die
�u�eren Umst�nde beeinflu�t worden ist.

_Carl Zeiss_ hat nicht, wie seinerzeit FRAUNHOFERs fast �bermenschliche
Kraft vermochte, alles selbst leisten k�nnen, was f�r die erfolgreiche
Verwirklichung seiner ersten Idee, f�r die volle Entwicklung ihres
inhaltreichen Keimes zu leisten war. Weil seinem pers�nlichen K�nnen
engere Grenzen gesteckt waren, ist er in viel h�herem Grad als
FRAUNHOFER auf die Mitarbeit anderer angewiesen und in seinem Erfolg von
dieser abh�ngig geblieben. Der Sch�tzung seines pers�nlichen Verdienstes
tut dieses keinen Eintrag. Die Schranken der eigenen Kraft k�hl ermessen
k�nnen, aus der Erkenntnis solcher Schranken aber nicht Entmutigung zu
sch�pfen, sondern den Antrieb zum fortgesetzten Suchen nach der
richtigen Erg�nzung ist auch ein Verdienst; nicht viele bringen es
fertig. Hat nun auch die Notwendigkeit solcher Erg�nzung seinen Erfolg
in h�herem Grad, als es sonst der Fall sein w�rde, von der Gunst �u�erer
Umst�nde abh�ngig gemacht -- solcher Umst�nde n�mlich, von denen das
Gewinnen geeigneter Mitarbeiter abh�ngig war -- so darf man doch nicht
sagen, da� sein Erfolg Sache des Gl�cks gewesen sei: er hat diese ihm
unentbehrlichen Mitarbeiter gefunden, weil er sie _gesucht_ hat -- und
unentwegt weiter gesucht hat noch in denjenigen Angelegenheiten,
hinsichtlich derer mehrfacher Mi�erfolg andere vielleicht von neuen
Versuchen abgeschreckt haben w�rde. Soweit man in seinem Fall von Gl�ck
reden darf, ist es also nur die Art von Gl�ck, die der Spruch meint: der
Mensch ist seines Gl�ckes Schmied.

Ein Moment aber bleibt doch �brig, auf welches dieses Wort nicht
Anwendung finden kann: der r�umliche und pers�nliche Zusammenhang seiner
Wirksamkeit mit unserer Universit�t -- die geistige Atmosph�re, in die
er durch seine Niederlassung gerade in Jena gekommen ist, und gerade in
einer Zeit, da aus dieser Atmosph�re neue aufstrebende Gedanken sich
erhoben. Wie ich vorher schon andeutete, hat JACOB SCHLEIDEN ihn zuerst
auf die Optik �berhaupt gelenkt und auf die besonderen Aufgaben, die das
Mikroskop darbot. SCHLEIDEN hat seine Arbeit fortgesetzt mit w�rmstem
Interesse begleitet, ihr immer neue Anregung und wichtige F�rderung
zuteil werden lassen. Noch in sp�ten Jahren hat _Zeiss_ mit Stolz
erz�hlt, wie der geistreiche Naturforscher stundenlang in seiner kleinen
Werkstatt gestanden, seine oder seiner Gehilfen Arbeit aufmerksam
verfolgend; und mit dem Gef�hl warmen Dankes hat _Zeiss_ jederzeit
ausgesprochen, da� sein Emporkommen ganz wesentlich bedingt gewesen ist
durch den R�ckhalt, den die Anerkennung und die Empfehlung SCHLEIDENS
ihm, dem unbekannten Anf�nger, damals geboten hat. Man w�rde aber sicher
fehlgehen, wenn man etwa in dem Interesse SCHLEIDENs nur, oder
wesentlich nur, den Ausdruck menschlicher Teilnahme f�r den t�chtigen
und strebsamen Mann erblicken wollte, als welchen SCHLEIDEN _Zeiss_ wohl
alsbald erkannt hat. Dem widerspr�che schon die Tatsache, da� _Zeiss_
damals noch Neuling war im Gebiet der praktischen Optik, technische
Vorbereitung nur f�r Arbeiten anderer Art besa� -- und aus blo�em
Wohlwollen treibt man nicht leicht jemand an, etwas ganz Neues zu
beginnen mit v�llig problematischer Aussicht des Erfolges. So mu� also
das Verh�ltnis beider M�nner zu einander wohl etwas anders gedacht
werden, denn als rein menschliche Anteilnahme des ber�hmten Mannes an
dem Fortkommen eines strebsamen Anf�ngers. Der Mitbegr�nder der
Zellenlehre greift in den Lebensgang von _Zeiss_ vielmehr deutlich ein
als der Vertreter der neuen Richtung wissenschaftlicher Interessen, die
um die Mitte des Jahrhunderts das Studium der lebenden Natur auf neue
Ziele und in neue Wege lenkte, zu ihrer Bet�tigung aber Hilfsmittel
verfeinerter Beobachtungskunst unentbehrlich fand und neue Kr�fte f�r
die Vervollkommnung solcher Hilfsmittel in ihren Dienst zu ziehen suchen
mu�te. In SCHLEIDEN und dessen Sch�lern hat die neue Richtung der
Biologie, die in den folgenden Jahrzehnten dem Mikroskop eine immer
wachsende Bedeutung f�r die wissenschaftliche Arbeit des Jahrhunderts
zugewiesen hat, gerade hier in Jena einen besonders kr�ftigen Anfang
genommen. Und das beleuchtet nun die tiefere Wechselbeziehung, die
zwischen dem geistigen Leben unserer Hochschule und der praktischen
Arbeit von _Carl Zeiss_ fr�hzeitig bestanden hat und die _innere_
Abh�ngigkeit seiner Erfolge von den Impulsen aus diesem Kreis.

Jene aus dem Verkehr der Personen sich ergebende Wechselwirkung hat �ber
SCHLEIDEN und seine n�chsten Sch�ler hinaus die Optische Werkst�tte
durch ihre ganze Geschichte begleitet und ihr namentlich aus dem
biologischen Interessenkreis fortgesetzt neue Anregungen und Antriebe zu
neuen Aufgaben zugef�hrt. Einige Zeitlang war sie vorwiegend durch meine
Person vermittelt, sp�ter hatte sie sehr mannigfaltige Wege gefunden. Um
wenigstens einen zu nennen, von den vielen aus dem Kreis der hiesigen
Hochschule, deren wir in diesem Zusammenhang dankbar zu gedenken haben,
nenne ich ANTON DOHRN, der bevor er sein k�hnes Unternehmen am Golf von
Neapel begann, durch einige Jahre, hin unserer Universit�t angeh�rte.
Auch aus seinem kraftvollen und antriebreichen Wesen sind Strahlen
damals in unser Haus eingedrungen.

Bei dem allen aber hat es sich keineswegs nur um ein Mehr oder Minder
von beg�nstigenden und f�rdernden Umst�nden gehandelt, sondern in
entscheidenden Punkten um Sein oder Nichtsein. Denn in der �u�eren
Geschichte der ersten 25 Jahre sind etliche Wendepunkte deutlich zu
erkennen, bei deren Betrachtung man zu dem Schlu� kommt: da� von allem,
was jetzt als Ausflu� der Wirksamkeit von _Carl Zeiss_ unmittelbar oder
mittelbar sich darstellt, nach menschlichem Ermessen heute _nichts_
bestehen w�rde, wenn sein Weg ihn nicht in die Kreise dieser Hochschule
und unter den direkten Einflu� eines gro�en, mit von ihr ausgehenden
Antriebs zur Vervollkommnung der Beobachtungswerkzeuge gef�hrt h�tte.

_Carl Zeiss_ hat seinerseits der Wissenschaft reichlich wiedergegeben
f�r das, was sie ihm dargeboten hat. Konnte er auch direkt an
wissenschaftlicher Arbeit sich nicht beteiligen, so hat er doch durch
sein Wirken der Wissenschaft wertvolle Dienste geleistet. Auch unsere
Universit�t hat diesem schon Ausdruck gegeben, indem sie ihn, der kein
schulgerechtes Studium pr�stiert, am Abend seines Lebens noch mit dem
Pr�dikat des berufsm��igen Gelehrten schm�ckte. Damals hat, im
Pers�nlichen, der ber�hmteste Vertreter der j�ngeren Schule Jenaer
Naturforscher[13] das Band erneuert, welches durch den ber�hmtesten
Vertreter der �lteren Schule ein Menschenalter zuvor gekn�pft worden
war. Und die innere Gerechtigkeit, die in den Dingen waltet, hat es sich
f�gen lassen, da� �ber alles Pers�nliche hinaus auch das Werk von _Carl
Zeiss_ selbst dauernde Beziehung gewonnen hat auf die Interessen unserer
Hochschule[14] -- so den Tribut des Dankes der Alma mater darbringt, die
seine Kindheit geleitet und geh�tet hat

In meiner bisherigen Betrachtung habe ich von der Person von _Zeiss_ so
gut wie gar nicht zu reden gehabt; nur von seinem Wirken und seinen
Bestrebungen. Denn es liegt in der Natur einer Betrachtung, welche nur
auf die innere Geschichte der hiesigen Unternehmungen ausgeht, da� in
ihr die Personen ganz zur�cktreten: sie erscheinen dabei nur sozusagen
als die zuf�lligen Akteure, in denen die Ideen Organe f�r ihre
Darstellung und Bet�tigung finden. Diejenigen Eigenschaften der Personen
aber, welche f�r ihre Rollen Bedeutung haben, kommen dabei ganz von
selbst zur Erscheinung, ohne da� es n�tig w�re, sie besonders zu
schildern.

So ist es also aus allem zuvor Gesagten schon ersichtlich geworden, da�
derjenige, an dessen Namen der Anfang unserer T�tigkeit sich kn�pft, ein
Mann von nicht gew�hnlicher Intelligenz und von nicht gew�hnlicher
Energie gewesen sein mu�, [und zur vollen W�rdigung dessen ist h�chstens
noch hinzuweisen auf die erschwerenden �u�eren Umst�nde, unter welchen
seine Berufsvorbereitung und namentlich der Beginn seiner selbst�ndigen
T�tigkeit gestanden haben.] Und noch ein anderes wird aus meinen
Ausf�hrungen gleichfalls klar ersichtlich: _Carl Zeiss_ mu� einer von
denen gewesen sein, die f�hig sind, Motive ihres Handelns, Argumente
ihrer Entschlie�ung durch das bestimmen zu lassen, was noch nicht ist,
was nur ihren Gedanken nach sein sollte -- in deren Sinnen und Trachten
so das Zuk�nftige die Kraft der Kausalit�t gewinnt, bildend und
gestaltend einzuwirken auf das Gegenw�rtige, Bestehende. So allein aber
vollzieht sich aller Fortschritt in menschlichen Dingen, gro�en und
kleinen.

Die weltklugen, die sogenannten praktischen Leute, die im genauesten
Sichanpassen an das jeweils Bestehende und Herrschende und in
m�glichster Unterordnung unter dessen Anspr�che am weitesten zu kommen
vermeinen, pflegen diese anderen, die sonderbarerweise Motive und
Argumente aus etwas sch�pfen, was noch gar nicht existiert, mit dem
bekannten Gemisch von Respekt und Geringsch�tzung �Idealisten� zu
nennen. Nun ja! Wenn das auch in den kleinen gleichg�ltigen Dingen des
allt�glichen Lebens nicht weiter zum Vorschein kam -- _Carl Zeiss_ war
wirklich ein solcher Idealist. Er war es in den Angelegenheiten, f�r die
er etwas bedeutet hat. Und weil er es war, hat sein Wirken auf seinem
Arbeitsfeld einen sichtbaren Fortschritt begr�ndet und Erfolge
gezeitigt, die sein pers�nliches Dasein �berdauern. Die anderen, die
�praktischen Leute� -- sie kommen, insoweit sie ihrer Maxime treu
bleiben, nicht in den Fall, wenn sie tot sind, f�r Fortschritte
verantwortlich gemacht zu werden.

Im �brigen aber gen�gt, es, das menschliche Bild des Begr�nders unserer
Firma noch in wenigen Z�gen zu vervollst�ndigen, die gleichfalls einige
Beziehung auf sein Wirken haben; was keine solche Beziehung hat, braucht
nicht sp�terem Ged�chtnis aufbewahrt zu werden.

Wohlwollend, teilnehmend und freundlich ist er zu allen gewesen, die in
seiner T�tigkeit ihm nahe traten; aber auch strenge Anforderungen
stellte er an alle, weil er an sich selbst sie zu stellen gewohnt war.
Um sie geltend zu machen, hat er aber Tadel und Vermahnung wenig
gebraucht; mit gutem Mutterwitz begabt, dirigierte er die anderen lieber
mit etwas Spott und etwas Ironie, gemildert durch liebensw�rdige
Bonhomie. So hat er Sie dirigiert, die alten unter meinen Mitarbeitern,
denen er vor 25 Jahren noch in alter patriarchalischer Art als der
gestrenge Prinzipal gegen�berstand -- so hat er als v�terlicher Freund
auch mich dirigiert, der ich als ganz junger Mann, gr�n und unerfahren,
in seinen Wirkungskreis eintrat.

Was ihn aber nach seinem Charakter sehr hoch stellt: er war ein Mann von
strengem Pflichtgef�hl und sehr entwickeltem Gerechtigkeitssinn. Zum
Beleg dessen k�nnte ich mancherlei anf�hren; ich erw�hne nur, was mich
selbst nahe ber�hrt: die liberale uneigenn�tzige Art, in der er meine
dauernde Mitarbeiterschaft seinerzeit sich zu sichern suchte, fern von
jedem Gedanken, die Abh�ngigkeit, in der ich ihm gegen�ber mich befand,
ohne Verm�gen und ohne sonstigen R�ckhalt im Leben, auch nur im
geringsten zu seinem Vorteil sich dienen zu lassen.

So steht also auch das menschliche Bild von _Carl Zeiss_ in der
Erinnerung aller derer, die ihn im Leben gekannt haben, und ihn gekannt
haben in der Zeit seines r�stigen Schaffens, da als ein erfreuliches
Vorbild menschlicher T�chtigkeit und Tugend.

Die ganzen ersten drei Dezennien seit dem Bestehen der Optischen
Werkst�tte m�ssen in der Geschichte des Instituts als die Periode des
grundlegenden Aufbaues angesehen werden. In diesem ganzen Zeitraum dreht
sich alles um die Vorbereitung und die Verwirklichung des neuen
Arbeitsplanes f�r die Konstruktion des Mikroskops -- um die Einb�rgerung
und Befestigung der verfeinerten Technik der optischen Arbeit, die
allm�hliche Beschaffung neuer theoretischer und experimenteller
Grundlagen und die erst erfolglosen, dann halb gelungenen, schlie�lich
erfolgreichen Versuche praktischer Durchf�hrung des Planes. Wenn auch im
dritten Jahrzehnt die Hauptfunktionen einerseits der feineren
technischen, andererseits der wissenschaftlichen Arbeit schon ganz an
andere �bergegangen waren, so steht doch in dem ganzen 30j�hrigen
Zeitraum _Zeiss_ selbst noch im Mittelpunkt aller Entwicklung, weil
alles, was in dieser Periode geschehen ist, noch als unmittelbare
Bet�tigung der ersten Grundgedanken, als Entwicklung aus den
urspr�nglichen Kleinanlagen sich darstellt.

Im vierten Jahrzehnt wird dieses allm�hlich anders. Gerade der g�nstige
�u�ere Erfolg, den die bis dahin gewonnenen Fortschritte gegen Mitte der
siebziger Jahre herbeif�hrten, hat damals mehr und mehr Aufgaben in den
Vordergrund ger�ckt, die au�erhalb des urspr�nglichen Ideenkreises
lagen. Jener �u�ere Aufschwung f�hrte bald zu einem Mi�verh�ltnis
zwischen der inneren Organisation und dem Umfang der gesch�ftlichen
T�tigkeit: hinsichtlich der ersteren stand die Werkst�tte in allen
wesentlichen St�cken noch auf dem Boden des kleingewerblichen Betriebs
-- in der Gliederung der technischen Arbeit, der inneren Einrichtung und
der kaufm�nnischen Verwaltung -- w�hrend der Umfang der Produktion, die
Gr��e des Personals und die Ausdehnung der gesch�ftlichen Beziehungen
l�ngst dem Kleingewerbe entwachsen waren und schon durchaus dem Ma�stab
der Gro�industrie entsprachen.

Es war also wiederum eine Disharmonie zwischen den verschiedenen
Faktoren der T�tigkeit eingetreten, wie solche schon in der fr�hesten
Entwicklung des Unternehmens lange Zeit bestanden hatte, damals in dem
Vorauseilen der technischen Leistungsf�higkeit vor der Gelegenheit zu
ihrer erfolgreichen Bet�tigung -- eine Disharmonie der sachlichen Natur
nach von dieser fr�heren zwar sehr verschieden, in ihrer Bedeutung f�r
die Fortentwicklung des Ganzen ihr aber gleich: wie jetzt zu erkennen
ist, deutliche Anzeichen einer Durchgangsphase, gleichsam eines neuen
Jugendzustandes, der auf eine neue Entwicklung hindr�ngt.

Es ist f�r den gedeihlichen Fortgang des Unternehmens von entscheidender
Wichtigkeit, da� der �bergang in eine neue, leistungsf�higere
Wirtschaftsform zur richtigen Zeit sich vollziehen konnte. Wenn damals
das Tempo verfehlt worden w�re, w�re es wahrscheinlich f�r alle Zeit
verfehlt gewesen. Denn in der Zwitterform zwischen Kleingewerbe und
Gro�industrie h�tte, der inneren Widerspr�che wegen, die Werkst�tte
nicht f�r lange Zeit sich halten k�nnen: ein blo�es Fortvegetieren w�re
ihr Schicksal geworden und dabei w�re der Fortschritt, den der
Grundgedanke von Zeiss in sich trug, auf halbem Wege stecken geblieben.
Denn seine Vollendung konnte dieser Fortschritt, wie der Ausgang des
vierten Jahrzehnts hat erkennen lassen, nur durch die L�sung von
Aufgaben finden, die im Rahmen einer d�rftigen Organisation und mit den
beschr�nkten Kr�ften und den bescheidenen Mitteln des Kleinbetriebes gar
nicht h�tten bew�ltigt werden k�nnen. Ohne diese sp�tere Vollendung
w�ren aber die Resultate der ganzen Arbeit der vorangehenden 30 Jahre
der Hauptsache nach geblieben: sch�tzbares Material f�r die Geschichte
der Optik und vielleicht gute Vorbilder und wertvolle Anregungen f�r
sp�tere Nachstrebende -- weiter nichts! Denn ein gesicherter Besitz der
praktischen Optik ist jener Fortschritt nur dadurch geworden, da� er in
seiner letzten Etappe -- welche die Reform der Glasschmelzkunst schon
zur Voraussetzung hatte -- die unbedingte �berlegenheit der neuen
Arbeitsmethode �ber die alte empirische deutlich erweisen konnte.

Aber auch die Dienste, die unsere Werkst�tte der Wissenschaft hat
leisten k�nnen, zumal in den 80er Jahren, nachdem die bahnbrechenden
Arbeiten von ROBERT KOCH der Mikroskopie ein neues wichtiges Arbeitsfeld
er�ffnet hatten, sind in nicht geringem Ma�e durch die erh�hte
quantitative Leistungsf�higkeit bedingt gewesen, welche die gewonnenen
Verbesserungen und Neuerungen rasch weiten Kreisen dienstbar zu machen
vermochte. F�r die Unterst�tzung und Ausbreitung der wissenschaftlichen
Bestrebungen, welche dem Mikroskop neue und besonders subtile Aufgaben
zuwiesen, war es durchaus nicht gleichg�ltig, da� verbesserte
Instrumente sehr vielen zug�nglich gemacht werden konnten. Selbst der
sichtliche Einflu�, den die hier erreichten Fortschritte auf die Hebung
des durchschnittlichen Niveaus der Leistungen auch der Mitbewerber auf
dem Arbeitsfelde in kurzer Zeit gewannen, h�ngt sehr von dieser
Massenwirkung ab, mit welcher er sich geltend machen konnte. Denn sie
hat aus blo�en Vorbildern kr�ftige Antriebe auch f�r andere gemacht, dem
Fortschritt nicht nur Ansehen, sondern auch Macht verliehen.

So weist alles auf die besondere Bedeutung hin, welche im Fortgang des
Unternehmens damals seine rechtzeitige �berf�hrung in die technisch und
wirtschaftlich leistungsf�higere Arbeitsform des organisierten
Gro�betriebs gewinnen mu�te.

Es ist aber wohl verst�ndlich, da� zur Initiative gegen�ber den ganz
neuen Aufgaben, die hierin sich einstellten, gerade diejenigen Personen
schon an sich wenig gestimmt und wenig geeignet sein konnten, deren
Interesse ganz von den Aufgaben des urspr�nglichen Ideenkreises in
Anspruch genommen war. Auch stand _Carl Zeiss_ damals schon in den
Sechzigen; und unter der Nachwirkung der ungew�hnlichen Anspannung
seiner Kr�fte, die das erste Mannesalter ihm auferlegt hatte, vielleicht
auch unter dem vorauseilenden Schatten des schweren Leidens, dem er
zuletzt erlag, begannen diese Kr�fte damals schon sichtlich
nachzulassen. So war es ein besonderes Gl�ck f�r unser Institut, da� zu
dieser kritischen Zeit die erlahmende Energie des Vaters sich
regenerieren konnte in der T�chtigkeit und jugendlichen Kraft seines
�ltesten Sohnes. Er, _Roderich Zeiss_, der im Beginn des vierten
Jahrzehnts in das Unternehmen eintrat, f�hrte ihm in seiner Person die
frische Kraft zu, die zur Bew�ltigung jener neuen Aufgaben unbedingt
n�tig war; und sein Anschlu� an den Vater l�ste auch den gesch�ftlichen
Unternehmungsgeist aus, der sich nicht mehr scheute vor dem
unvermeidlichen Risiko, wie es der �bergang zum Gro�betrieb mit sich
bringen mu�te.

So f�llt denn im vierten Jahrzehnt der Schwerpunkt derjenigen Aktion,
die f�r die zweite Periode in der Geschichte der Optischen Werkst�tte
das Spezifische ist, mehr und mehr in die Person von _Roderich Zeiss_.
Auf seiner Initiative beruhen die wesentlichen Schritte
organisatorischer Funktion, die in dieser Periode sich vollzogen oder
wenigstens einleiteten: die Einrichtung einer regelrechten
kaufm�nnischen Verwaltung, die Beschaffung neuer und ausdehnungsf�higer
Lokalit�ten, die gesteigerte Verwendung elementarer Kraft und vor allem
der Anfang zu rationeller Arbeitsteilung f�r die fabrikatorische
T�tigkeit, |die unter Einf�hrung verbesserter Arbeitsmaschinen und
Einrichtungen und unter Heranziehen neuer technischer Kr�fte damals
zun�chst f�r die im engeren Sinn mechanischen Arbeiten, die
Metallbearbeitung, in Gang gebracht wurde.| Dem schlie�t sich an die
Einrichtung eigener Hilfsbetriebe f�r Tischlerei, Gie�erei und anderer
Verrichtungen, um die t�gliche Arbeit von den vielen �u�eren
Erschwernissen zu entlasten, welche vorher die Abh�ngigkeit von Fremden
mit sich brachte. Endlich aber geh�rt hierher auch das Eintreten in die
Glasfabrikation, im Verein mit _Dr. Schott_, was ich vorher schon unter
einem ganz anderen Gesichtspunkt erw�hnte. Unter dem Gesichtspunkt der
Gesch�ftspolitik, die darauf ausging, die neue Produktionsst�tte f�r das
wichtigste Urmaterial des Optikers, das Glas, in r�umlichen und
pers�nlichen Zusammenhang mit der Optischen Werkst�tte zu bringen, ist
die Begr�ndung des Glaswerks als einer Tochteranstalt der letzteren
sogar der bedeutsamste Akt der organisatorischen Arbeit der zweiten
Periode, wie sich in der Folge gezeigt hat; er war aber auch der
schwierigste hinsichtlich der Entschlie�ungen, weil das neue Unternehmen
damals als ein kecker Sprung ins Dunkle sich darstellen mu�te, mit
betr�chtlicher Gefahr gro�en wirtschaftlichen Mi�erfolges verkn�pft.

Auch die Fortsetzung der inneren wirtschaftlichen und technischen
Arbeit, im Verfolg des urspr�nglichen Programms hat in der jetzt
betrachteten Periode, dem vierten Jahrzehnt, noch wichtige Fortschritte
gebracht, sogar erst diejenigen Fortschritte, in welchen der Gedanke der
rationellen Konstruktion des Mikroskops seine eigentliche Bew�hrung und
die Anerkennung unbestrittenen Erfolgs gefunden hat. Hinsichtlich ihrer
Bedeutung f�r die Fortentwicklung des Ganzen treten aber selbst diese
Fortschritte durchaus zur�ck hinter der organisatorischen T�tigkeit, die
den �bergang der Werkst�tte in die Wege des Gro�betriebs vermittelt hat.
Nur einer von den Arbeiten optischen Interesses mu� neben den
wirtschaftspolitischen Bestrebungen dieser Periode besonders gedacht
werden, weil sie zum Unterschied von den anderen gleichfalls au�erhalb
des Gedankenkreises der ersten Periode liegt und also einen neuen Anfang
bedeutet hat: n�mlich das Eintreten in diejenigen Aufgaben der Optik,
die auf die Anwendung der photographischen Methoden f�r Zwecke der
mikroskopischen Beobachtung, die Mikro-Photographie, Bezug haben.

Auch dieser Schritt, die Bet�tigung in den Konstruktionen f�r
mikrophotographische Zwecke, ist aus der pers�nlichen T�tigkeit von
_Roderich Zeiss_ hervorgegangen. Die Ergebnisse seiner gegen Mitte der
80er Jahre unternommenen selbst�ndigen Studien auf diesem Gebiet sind
die Grundlagen, auf denen auch heute noch fortgearbeitet wird; und seine
Darstellung der Methodik der mikrophotographischen Beobachtung ist, wenn
auch einzelnes inzwischen �berholt wurde, in der Hauptsache immer noch
das Beste, was als Anleitung f�r diese Art von mikroskopischer Arbeit
geboten werden kann.

So hat also die grundlegende Arbeit der drei ersten Jahrzehnte, die ihre
Ausgangspunkte in den Ideen und Pl�nen von _Zeiss_ Vater hat, in der
Zeit, da dessen pers�nliche Einwirkung auf die Fortentwicklung der
Werkst�tte allm�hlich zur�cktrat, noch eine erfolgreiche Fortsetzung und
wichtige Erg�nzungen in der T�tigkeit des Sohnes gefunden. Auch seinem
Wirken ist eine ehrenvolle Stelle in der Geschichte der Optischen
Werkst�tte gesichert und seinen besonderen Diensten die dankbare
Anerkennung derer, die die Angelegenheiten unseres Instituts auf von ihm
angebahnten Wegen weiter zu f�hren haben.

Noch zum dritten Male zeigt die Geschichte unserer Werkst�tte deutliche
Marksteine einer neuen Entwicklungsphase. Denn auch im letzten, f�nften
Jahrzehnt treten, neben dem Fortspinnen aller der F�den, die in der
Arbeit der vorangehenden Perioden angekn�pft worden sind, wiederum neue
Aufgaben hervor, die, ganz au�erhalb des bewu�ten Gedankenkreises dieser
fr�heren Perioden gelegen, der Arbeit des letzten Jahrzehnts ihr
besonderes Gepr�ge verleihen. Der Vorg�nge, die in diesem Sinn aus der
Fortentwicklung des vorher Begonnenen heraustreten und die ich deshalb
hier noch zu erw�hnen habe, sind es drei: die planm��ige _Ausdehnung des
Arbeitsfeldes_ der Werkst�tte; die _Regelung des Rechtsverh�ltnisses
ihres Personals_ und die _Umwandlung der �u�eren Verfassung der Firma_
durch ihre �berleitung an einen unpers�nlichen Inhaber.

       *       *       *       *       *

Das Arbeitsgebiet der Firma ist bis in den Anfang des f�nften
Dezenniums, also bis gegen Ende der 80er Jahre hinein, fast g�nzlich auf
die Mikroskopie beschr�nkt geblieben, auch nachdem sie l�ngst ein
Gro�betrieb mit fabrikatorischer Arbeitsorganisation geworden war und
die Ziffer ihres Personals schon bald die 400 erreicht hatte. Nur ein
kleines von jenem Gebiet abseits liegendes Feld des Instrumentenbaues
ist dabei, mehr nebenher, noch gepflegt worden, durch die fortgesetzte
Anfertigung solcher Instrumente, die urspr�nglich f�r Zwecke der
eigenen Arbeit und die mit ihr verkn�pften Studien hergestellt worden
waren.

In mehreren R�cksichten ist diese lange festgehaltene Einseitigkeit der
Bet�tigung und die mit ihr verbundene strenge Konzentration der
Interessen f�r die Intensit�t des Fortschrittes und die innere
Befestigung des Ganzen zweifellos wohlt�tig gewesen. Ebenso wichtig aber
ist es zweifellos f�r die Sicherung und die Fortentwicklung des Ganzen,
da� jene Beschr�nkung des Arbeitsfeldes auch noch zur rechten Zeit hat
aufgehoben werden k�nnen. Denn auf die Dauer h�tte sie nicht
fortbestehen d�rfen, ohne die Zukunft des Instituts ernstlich in Frage
zu stellen. Schon unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen
Interesses und des Interesses der zahlreichen Personen, die allm�hlich
von dem gedeihlichen Fortbestehen der Werkst�tte abh�ngig geworden
waren, mu�te die eine Spezialit�t als eine viel zu schmale Basis f�r die
Stabilit�t des Unternehmens erscheinen. Wenn es daf�r eines Beweises
bed�rfte, so w�re auch dieser in den Erfahrungen der letzten Jahre
inzwischen schon erbracht.

Aber noch, unter einem ganz anderen -- und wie ich glaube sogar
wichtigeren -- Gesichtspunkt bedeutete die enge Begrenzung des
Arbeitsfeldes eine Gefahr. Innerhalb eines so beschr�nkten
Aufgabenkreises mu� zu irgend einer Zeit einmal eine Periode der
Stagnation eintreten, weil Gedanken, die l�ngere Zeit treibende Kraft
bet�tigt haben, einmal ausgelebt und ersch�pft sein werden. Was als
Ganzes in eine solche Periode der Stagnation ger�t, verf�llt fast
rettungslos innerer Verflachung und dauerndem Verlust der tieferen
Triebkr�fte. Nur aus einer Mannigfaltigkeit von Aufgaben, und zwar von
Aufgaben, die in verschiedenen Interessen wurzeln, kann ein Unternehmen
fortgesetzt die neuen Anregungen und Antriebe sch�pfen, die, wenn auch
einzelnes zeitweilig stagniert, doch dem Ganzen das h�here Niveau der
T�tigkeit und Triebkr�fte neuen Fortschrittes erhalten.

Das schlie�liche Durchdringen dieser Erw�gungen hat die Bestrebungen
veranla�t und geleitet, die eine planm��ige Ausdehnung des Arbeitsfeldes
auf ganz verschiedene Gebiete der praktischen Optik im Laufe des letzten
Jahrzehnts herbeigef�hrt haben. Dabei hat noch die besondere R�cksicht
mitgesprochen, innerhalb der eigenen T�tigkeit eine Gegenwirkung zu
gewinnen gegen die nat�rliche Routinetendenz der fabrikatorischen
Arbeitsform -- durch Pflege gerade solcher Interessen des
Instrumentenbaues, die nicht auf vielf�ltige Reproduktion gleichartiger
Erzeugnisse hinf�hren. So sind, nach mancherlei inneren Vorbereitungen,
seit dem Ausgang der 80er Jahre zu dem alten Betriebe nach und nach noch
drei neue Betriebsabteilungen hinzugekommen, die nach ihren
wissenschaftlichen und technischen Grundlagen und teilweise auch in
ihren merkantilen Angelegenheiten ganz verschiedenen Zweigen der
praktischen Optik angeh�ren: der Bau _optischer Me�instrumente_ -- in
Ausdehnung der fr�her nur nebenbei betriebenen Spezialarbeiten dieser
Art -- die Konstruktion der Linsensysteme f�r die _Photographie_ und die
Herstellung von _terrestrischen Fernrohren_. Und wir hoffen jetzt, da�,
noch bevor das n�chste Jahr vor�bergeht, unsere Werkst�tte auch
beteiligt sein werde am Bau _astronomischer Fernrohre_[15] und da� damit
ihr Arbeitsgebiet seine nat�rliche Erg�nzung finde durch die Bet�tigung
auch an denjenigen Aufgaben des Instrumentenbaues, aus welchen die
praktische Optik die fr�hesten und kr�ftigsten Antriebe zum
Herauswachsen aus der Kunst des ehrsamen Brillenschleifers, der ihr
erster Vertreter war, empfangen hat. So w�re alsdann gerade mit
Vollendung des ersten 50j�hrigen Lebensabschnittes unseres Institutes
auch der Kreislauf vollendet, der die Arbeit von _Carl Zeiss_ in der
naturgem��en Entwicklung der in ihr enthaltenen Anlagen schlie�lich in
das eigene Arbeitsfeld seines gro�en Vorg�ngers FRAUNHOFER zur�ckleitet.

Das Tempo aber, in welchem diese �u�ere Erweiterung der T�tigkeit sich
vollzog, ist au�er durch naheliegende praktische Gr�nde auch noch durch
eine besondere selbstauferlegte R�cksicht beschr�nkt worden, die auf
gemeinsame Interessen des ganzen Industriezweiges sich bezieht --
�hnlich dem Gedanken, der seinerzeit alle Beteiligten bestimmt hat, die
Verbesserung des optischen Glases, als der Grundlage f�r alle
Fortschritte der Optik, ohne jeden Vorbehalt zugunsten der hiesigen
Werkst�tte, in den Dienst der Gesamtheit zu stellen.

Unser Eintreten in neue Betriebszweige mu�te n�mlich
unvermeidlicherweise uns in Wettbewerb bringen mit anderen, denen wir
bis dahin nicht als Konkurrenten gegen�berstanden. Es sollte nun dieser
neue Wettbewerb niemals darin bestehen, da� wir jenen anderen etwa
Terrain streitig machten, welches sie ihrerseits urbar gemacht hatten
und mit Erfolg bebauten; er sollte vielmehr nur in dem Ma� eintreten,
als wir neues, bis dahin nicht bebautes Terrain in dem gemeinsamen
Arbeitsfeld unsererseits urbar machen konnten und so dieses gemeinsame
Arbeitsfeld entsprechend dem wachsendem Umfang unserer eigenen
Beteiligung erweiterten. Dieser Richtschnur gem�� durften wir in neue
Gebiete der praktischen Optik nur eintreten mit solchen Erzeugnissen,
die, aus unserer eigenen Arbeit hervorgegangen, �berhaupt nicht oder
nicht in gleicher Art schon von anderen hergestellt waren. Da� wir aber
andererseits diejenigen Neuerungen, die wir aus unserem Ideenkreis
gewinnen, auch ganz in den Dienst der vorher dargelegten
Gesch�ftspolitik stellen wollen, liegt nicht nur im strengsten Sinn in
den Grenzen berechtigten Eigeninteresses, sondern ist auch sachlich
durchaus geboten. Denn, wie vielf�ltige Erfahrung lehrt, hat der
Fortschritt, der durch Neues m�glicherweise erreicht ist, nur dann
bestimmte Aussicht, wirklich sich Geltung zu verschaffen, wenn der
Urheber selbst ihn zu vertreten in der Lage ist.

So viel �ber den ersten Punkt. Der zweite, die Regelung der Rechte und
Interessen der arbeitst�tigen Personen zum Inhaber des Unternehmens, wie
sie im Laufe dieses letzten Jahrzehnts sich gestaltet hat, steht nicht
unter Gesichtspunkten innerer Gesch�ftspolitik, sondern durchaus unter
Gedanken des allgemeinsten sozialen Interesses.

Die immer zunehmende Zahl derer, die in ihrer ganzen b�rgerlichen und
wirtschaftlichen Existenz von unserem Unternehmen abh�ngig wurden und
die daraus in concreto ersichtliche Bedeutung, welche die Organisation
der Gro�industrie f�r die Gemeinden und f�r das Staatswesen gewonnen
hat, mu�te denen, welche zum Aufbau einer solchen Organisation
mitgewirkt hatten, mehr und mehr die _Verantwortung_ zum Bewu�tsein
bringen, unter die solche Mitwirkung sie stellt. Diese mu�ten sich
sagen, da� ihre wirtschaftliche T�tigkeit, wenn auch _gesetzlich_ sie
jetzt noch fast ganz als reine Privatsache gilt, wegen ihrer
einschneidenden Wirkung auf das Wohl und Wehe vieler und ihrer
offenkundigen Beziehung auf allgemeine Volksinteressen, in Wahrheit
schon l�ngst eine wichtige �ffentliche Funktion im gro�en
Volksorganismus geworden ist: gewisserma�en der Auftrag, in der
Organisation und Leitung der gemeinsamen Arbeit vieler mitzuarbeiten an
der Organisation und Leitung der wirtschaftlichen T�tigkeit des ganzen
Volkes. Damit aber ergab sich von selbst die Anerkennung der
grunds�tzlichen Forderung: da� die Bet�tigung der leitenden Funktion
des Unternehmers in der Gro�industrie nicht in erster Reihe unter
R�cksichten des eigenen Vorteils oder des Interesses einzelner stehen
d�rfe, sondern in _erster_ Reihe ge�bt werden m�sse unter den
R�cksichten, welche das soziale Interesse der staatlichen Gemeinschaft
fordert.

|Unter diesem obersten Gedanken hat die spezielle Richtschnur f�r die in
unserem Kreis allm�hlich angebahnte Ordnung des Verh�ltnisses zwischen
Personal und Unternehmer durch zwei Erw�gungen sich bestimmt, von denen
die eine auf die pers�nlichen Beziehungen, die andere auf das
wirtschaftliche Verh�ltnis ausgeht. Die erste ist: Indem die neuere
Wirtschaftsentwicklung unab�nderlich das selbst�ndige Kleingewerbe auf
den meisten Arbeitsgebieten immer weiter zur�ckdr�ngt und damit
unvermeidlich einen immer gr��er werdenden Teil des ganzen Volkes unter
wirtschaftliche Abh�ngigkeit von den Industrieunternehmungen bringt,
bedroht sie die Grundlagen eines gesunden Volkstums, wenn dieser Proze�
zur Folge hat, fortgesetzt eine immer wachsende Mehrheit des Volkes auch
in pers�nliche und b�rgerliche Abh�ngigkeit von der kleinen Minderheit
der selbst�ndig bleibenden Personen zu setzen, jene Mehrheit auch
menschlich und b�rgerlich unfrei zu machen und so den gr��eren Teil des
Volkes auf eine Zwischenstufe zum Helotentum herabzudr�cken. Also:
Garantien gegen den Mi�brauch der wirtschaftlichen Abh�ngigkeit zur
Beschr�nkung der pers�nlichen und b�rgerlichen Freiheit der
Unselbst�ndigen durch die Unternehmer und ihre Organe.

Die zweite Erw�gung ist: Indem die wirtschaftliche Unselbst�ndigkeit f�r
die gro�e Mehrheit in vielen R�cksichten die Bedingungen des �u�eren
Fortkommens gegen�ber den Verh�ltnissen, die fr�her die kleingewerbliche
Einzelarbeit darbot, verschlechtert, bedroht zum Schaden des ganzen
Volkes die jetzige Wirtschaftsentwicklung die arbeitenden Volkskreise
mit zunehmender Verschlechterung ihrer relativen Lebenslage, wenn ihnen
nicht auch Anteil an dem wirtschaftlichen Vorzug der neuen Arbeitsform
einger�umt wird. Die Gro�industrie hat aber in der Kraft der
Organisation, durch welche das planm��ige und stetige Zusammenarbeiten
vieler sich vom blo�en Nebeneinanderarbeiten vieler unterscheidet, eine
spezifische Quelle des Mehrertrags menschlicher T�tigkeit, einen dritten
Wirtschaftsfaktor neben Arbeit und Kapital, der den Wirtschaftsertrag
des organisierten Ganzen erh�ht �ber die Summe der m�glichen
Arbeitsertr�ge aller mitt�tigen Personen in der Einzelarbeit und des
marktg�ngigen �quivalents der Kapitalnutzung. Also: Einrichtungen, durch
welche dieser spezifische �berschu� aus der Organisation, der
eigentliche Unternehmergewinn, seiner nat�rlichen sozialen Aufgabe
dienstbar wird, das wirtschaftliche Niveau der in organisierter Arbeit
t�tigen Personen h�her zu stellen, als es in selbst�ndiger
kleingewerblicher Arbeit sein k�nnte[16].|

Die hier bezeichneten sozialen Bestrebungen haben die Regeln und Maximen
des praktischen Handelns in unserem Kreis schon seit l�ngerer Zeit
wesentlich bestimmt. In die Erscheinung getreten sind sie zuerst in dem
vor acht Jahren erlassenen gemeinsamen Pensionsstatut der Optischen
Werkst�tte und des Glaswerks, durch welches, im Gegensatz zu den
Pensionseinrichtungen in der Privatindustrie, den Angeh�rigen beider
Betriebe vertragsm��iger Anspruch auf Pension nicht gegen das Verm�gen
einer Pensionskasse, sondern gegen das Verm�gen der Firma selbst
einger�umt, der Unternehmer also grunds�tzlich verpflichtet wurde, in
seiner ganzen Wirtschaftsf�hrung dem normalen Verbrauch der menschlichen
Arbeitskraft in ganz gleicher Art Rechnung zu tragen wie der
Amortisation seiner leblosen Betriebsmittel. Den �u�eren Abschlu� haben
jene Bestrebungen k�rzlich in dem Statut der Carl Zeiss-Stiftung
gefunden, dessen einschl�gige Abschnitte die bisher praktisch ge�bten
Regeln, unter Erg�nzung derselben in den Einzelheiten, nunmehr
kodifizieren und so zu st�ndigen Rechtseinrichtungen unserer Firma
machen.

Mit einigen Worten habe ich endlich auch der dritten Arbeit dieses
letzten Jahrzehnts, der Umwandlung der �u�eren Verfassung der Firma, zu
gedenken, die teilweise unter denselben Gesichtspunkten wie das eben
Besprochene gilt.

Es ist eine fast typische Erscheinung der neueren Wirtschaftsentwicklung
geworden, da� Industrieunternehmungen, wenn sie eine gewisse �u�ere
Gr��e �berschritten haben, von den pers�nlichen Inhabern aufgegeben
und -- ausnahmsweise in Genossenschaften -- gew�hnlich in
Aktiengesellschaften oder �hnliche Formen �bergeleitet werden. Der
Vorgang wird fast regelm��ig gerechtfertigt mit dem Hinweis auf die
Bedenken und Gefahren, die bei gro�en Unternehmungen, die hohe
Anforderungen an einsichtsvolle Leitung stellen, aus der Abh�ngigkeit
von den pers�nlichen Eigenschaften und F�higkeiten des zuf�lligen
Besitzers sich ergeben und aus der Unberechenbarkeit der Umst�nde, die
den Besitzwechsel bestimmen. |Wenn man davon absieht, da� diese
Umwandlung des pers�nlichen Besitzes in unpers�nlichen Kollektivbesitz
gew�hnlich ganz einseitig nur der besseren Sicherung des in den
Unternehmungen investierten Kapitals dienen will und gew�hnlich auch zu
ganz einseitiger Herrschaft seiner Interessen f�hrt, und wenn man ferner
absieht von dem odiosen Beigeschmack, den das Gr�nderwesen dadurch
gewinnt, da� der gl�ckliche Vorbesitzer fast immer seine problematischen
Anwartschaften auf zuk�nftige Nutznie�ungsvorteile zum voraus
kapitalisiert sehen will -- ist jene Tendenz des Unpers�nlichwerdens der
gro�en Industriebetriebe eine im gro�en und ganzen wohl erfreuliche
Erscheinung. Denn unter dem mancherlei Widersinnigen, was die heutige
Wirtschaftsordnung einschlie�t, ist das Widersinnigste doch wohl dieses:
da� das Wohl und Wehe von beliebig vielen Menschen und ein vielleicht
wertvolles St�ck des Nationalverm�gens, das durch die Arbeit anderer
geschaffen wurde, unter dem Titel der Aus�bung zuf�lligen
Eigentumsrechts in die Hand von Personen kommen kann, die vielleicht
ganz unvorbereitet oder unf�hig zu irgend einer verantwortlichen
T�tigkeit sind. Angesichts dieser Gefahr ist es immerhin schon ein
Fortschritt, wenn die Verteilung des Eigentums auf eine gro�e Anzahl von
Personen, von denen keine viel zu sagen hat, die Wahrscheinlichkeit
er�ffnet, aus dem Unverstand der einen und der Klugheit der anderen
dauernd ein ertr�gliches Mittelma� von Verstand gesichert zu sehen.|

Auch in unseren Angelegenheiten hat ein �hnlicher Vorgang und aus
�hnlichen Gr�nden sich vollziehen m�ssen. Nur konnte dabei, gem�� den
vorher angedeuteten R�cksichten sozialen Interesses, das
Unpers�nlichwerden des Inhabers weder durch Genossenschaftsbildung unter
den zeitweilig t�tigen Personen herbeigef�hrt werden, noch durch
unpers�nliche Gestaltung des blo�en Eigentums an den Betriebsmitteln.
Das eine w�rde die Zukunft unter die Herrschaft der augenblicklichen,
ephemeren und zum Teil disparaten Interessen der zuf�llig mitt�tigen
Personen gestellt haben, das andere unter die Herrschaft des
sichmehrenwollenden Geldes. Beim einen wie beim anderen w�rden zum Herrn
Elemente geworden sein, die im Organismus des Ganzen in Wahrheit nichts
anderes sind als die dienenden Glieder, durch deren geordnete und
planm��ige Vereinigung die Organisation ihre spezifische
wirtschaftliche Kraft gewinnt, die sie zu einem dritten
Wirtschaftsfaktor macht, neben Arbeit und Kapital -- die Kraft, die
pers�nliche Arbeitst�tigkeit aller einzelnen und die Mitarbeit der toten
Arbeitsmittel in ihrem wirtschaftlichen Wert weit zu erh�hen �ber den
Wert, den alles an sich, au�erhalb des organisierten Ganzen, in der
Vereinzelung h�tte.

So ist nun -- vielleicht zum erstenmal -- unternommen worden, in unseren
Angelegenheiten diesen dritten Wirtschaftsfaktor, die Organisation als
solche, zum Tr�ger eines privaten Industrieunternehmens zu machen. Sie,
ihrer Natur nach etwas Unpers�nliches, hat in der Form der _Stiftung_,
der selbst�ndigen _juristischen_ Person, die Rechte und die
Handlungsf�higkeit einer lebendigen Person erhalten sollen. So
repr�sentiert also der jetzige Inhaber der Firma nicht die ephemeren
Interessen aller in ihrem Umkreis mitt�tigen Personen -- die von Jahr zu
Jahr wechseln -- und nicht die Interessen des in ihrem Betrieb
investierten Kapitals -- das dem Inhaber gar nicht zu geh�ren braucht
und auch jetzt nur teilweise ihm geh�rt; er repr�sentiert vielmehr den
Inbegriff alles dessen, was die T�tigkeit des Ganzen fortgesetzt und
wesentlich unterscheidet von dem blo�en Nebeneinanderarbeiten vieler
einzelner und dem mechanischen Lauf der Maschinen: die Summe der
technischen und wirtschaftlichen Erfahrung, die ein halbes Jahrhundert
angesammelt hat, die Kr�fte aus der Kontinuit�t aller Aktionen, die
Summe technischer Schulung in aller Arbeit, das planm��ige
Ineinandergreifen der T�tigkeit aller einzelnen, die nachwirkende Kraft
der Leistungen aller Vorg�nger, lebender und verstorbener -- also
sozusagen das ganze _geistige Kapital_, das in einer hochentwickelten
Organisation durch die stetige Arbeit vieler in diesen 50 Jahren
zusammengebracht ist und der folgenden Generation �berliefert werden
soll.

Die Leitung des Unternehmens durch den unpers�nlichen Inhaber soll also
grunds�tzlich ihren Rechtstitel haben in dem Eigentum an dem _geistigen
Betriebsfonds der Organisation_ -- und die pers�nlichen Organe, durch
die jener seine Funktion aus�bt, sollen so als die Vertreter der
Organisation erscheinen, also der dauernden Interessen des Ganzen
gegen�ber allen Elementen, die darin in Verein getreten sind. Das ist
der Sinn der Einrichtungen, welche die jetzige Verfassung der Firma
ausmachen.

Der Umstand, da� in diesem letzten Abschnitt der Geschichte unseres
Instituts die Initiative wesentlich mir selbst und meinen gegenw�rtigen
Mitarbeitern zugefallen ist, hat mich nicht abhalten d�rfen, die
bewegenden Ideen auch dieses letzten Abschnittes in gedr�ngtem Umrisse
hier zu kennzeichnen. Der Verzicht hierauf w�rde nicht nur das
geschichtliche Bild der 50j�hrigen Entwicklung in wesentlichen Punkten
unvollst�ndig gemacht, sondern auch jede Gelegenheit abgeschnitten
haben, heute des wichtigen Anteils zu gedenken, den auch _andere_ an dem
jetzt Erreichten haben und an dem, was etwa die Zukunft als seine
Erfolge zeitigen m�chte. Ich rede hier _nicht_ von denen, die in
t�glicher gemeinsamer Arbeit die M�hen und die Sorge dieser letzten
Jahre mit mir geteilt haben -- ohne deren hingebende, zum Teil
aufopferungsvolle Mitarbeit die neuen Aufgaben, vor welche dieses
Jahrzehnt uns gestellt hat, �berhaupt nicht h�tten bew�ltigt werden
k�nnen. _Sie_ haben das Bewu�tsein unmittelbaren Anteils an dem jetzt
Bestehenden. Wohl aber ziemt es sich, zum Eintritt unseres Instituts in
das zweite halbe Jahrhundert seiner T�tigkeit ausdr�cklich derer zu
gedenken, welche, _au�erhalb_ unseres engeren Kreises stehend, die
Erf�llung gerade der letzten Aufgaben in besonderem Ma�e erleichtert und
gef�rdert haben.

Dank der verst�ndnisvollen Teilnahme, mit welcher S. k�nigl. Hoheit
unser allverehrter Gro�herzog und der seinem hohen Beruf leider so fr�h
entrissene Erbgro�herzog Carl August die Bestrebungen begleiteten, die
auf Befestigung und Pflege des in unserer Stadt zur Bl�te gelangten
Zweiges feintechnischer Industrie abzielten, hat die Verfassung der
_Carl Zeiss_-Stiftung sich sozusagen anlehnen d�rfen an die
Institutionen des Staates, um dieser Verfassung, unbeschadet voller
Bewegungsfreiheit der Stiftung, einen festeren Halt zu verschaffen, als
eine rein private Organisation h�tte gew�hren k�nnen. Das warme
Interesse aber, welches au�er den genannten f�rstlichen Herren auch der
fr�here Staatsminister Gottfried Stichling und der ihm nachfolgende Chef
des Gro�herzogl. Kultus-Departements Adolf Guyet der Absicht
entgegenbrachte, die Unternehmungen der jetzigen _Carl Zeiss_-Stiftung
Zwecken des Gemeinwohls direkt dienstbar zu machen, hat alle
Schwierigkeiten und Bedenken �berwinden lassen, die zur entscheidenden
Zeit angesichts mancher damals noch prek�rer Umst�nde jener Anlehnung
entgegenstanden. Beide M�nner, denen unser Staatswesen und zumal unsere
Hochschule in vielem zu Dank verpflichtet ist, sind nun auch schon
heimgegangen. Unter den Lebenden aber sind noch die zwei, welche an dem
Ausbau unserer Einrichtungen im einzelnen pers�nlich am meisten
beteiligt waren: der Kurator unserer Universit�t, Geh. Staatsrat
EGGELING, dessen altbegr�ndete freundschaftliche Beziehung zu meiner
Person zu allem die ersten Wege ge�ffnet, dessen teilnehmender Rat auf
alles bedeutsamen Einflu� ge�bt hat -- und der damalige Chef des
Gro�herzogl. Finanzdepartements, wirklicher Geh.-Rat ROTHE. Er, der
erste Stiftungskommissar der _Carl Zeiss_-Stiftung, hat nunmehr durch
l�nger als 5 Jahre hin die Funktion ge�bt, die gem�� der Verfassung der
Stiftung als der praktisch wichtigste Ausflu� aus ihrer Anlehnung an die
Staatseinrichtungen angesehen werden mu�. Er hat damit die Wege anbahnen
und befestigen helfen, auf welchen die Angelegenheiten unseres
Unternehmens in Zukunft zu leiten sind -- auf welchen er auch
hoffentlich noch f�r recht lange Zeit seine wertvolle Mitwirkung wird
fortsetzen k�nnen. Ihm aber steht noch ein besonderer Anteil auch an der
Gestaltung der jetzigen Einrichtungen selbst zu. Denn sein
weitausblickender Rat hat die fr�her bezeichneten Bestrebungen zuerst in
die Richtung gelenkt, in welcher der entscheidende Schritt nachher
geschehen konnte: die Konstituierung der selbst�ndigen juristischen
Person als Tr�ger der hiesigen Unternehmungen. So ist er in diesem Sinn,
wie Freund SCHOTT in einem anderen Sinn, _Mitbegr�nder_ der _Carl
Zeiss_-Stiftung geworden.

Ihnen allen, die ich hier nannte, die au�erhalb unseres eigenen Kreises
die aufbauende Arbeit des letzten Jahrzehnts gest�tzt und gef�rdert
haben, sei am heutigen Tag warmer und aufrichtiger Dank im Namen derer
dargebracht, die an dieser aufbauenden Arbeit im Innern beteiligt waren.

       *       *       *       *       *

So bin ich nun in meiner r�ckw�rts schauenden Betrachtung an dem Punkt
angelangt, wo das Vergangene in das Zuk�nftige einm�ndet, das Geschehene
dem Kommenden die Hand reicht. Ich w�rde hier schlie�en k�nnen, wenn
nicht gerade die Gedanken der letzt betrachteten Periode eine besondere
Beziehung h�tten auf die Grundlagen der zuk�nftigen Fortentwicklung des
Werkes, dem unsere Betrachtung gilt. Sie fordern also direkt dazu auf,
dem R�ckblick auf das Vergangene noch einen Ausblick auf die Zukunft
folgen zu lassen -- nicht um ihren Schleier vorwitzig zu l�ften, sondern
um uns zu deutlicherem Bewu�tsein zu bringen, welche besonderen
Anspr�che die Zukunft an diejenigen stellen wird, die in unserem Kreis
ihren Aufgaben werden zu dienen haben.

Wir d�rfen uns nicht verhehlen, da� diese Anspr�che in mehreren Punkten
strengere sind, als auf dem Gebiet praktischer T�tigkeit der Regel nach
an die Personen und ihre Leistungen jetzt gestellt werden. Die
Unterordnung der Wirtschaftsf�hrung der _Carl Zeiss_-Stiftung unter
gr��ere soziale Aufgaben legt ihren Betrieben Pflichten und Lasten auf,
die andere Industrieunternehmungen zur Zeit noch nicht zu erf�llen
brauchen; und einstweilen ist es noch Sache nicht der Gewi�heit sondern
nur der Annahme, da� der Vorteil der Elimination des Nutznie�ung
suchenden Kapitalisten oder Unternehmers aus dieser Wirtschaftsf�hrung
auch auf die Dauer das ausreichende �quivalent f�r jene gr��eren Lasten
sein werde.

Was aber schwerer ins Gewicht f�llt und vielen Sorge macht, ist die
Notwendigkeit, aus unserem Wirkungskreis manches ausschlie�en zu m�ssen,
was zur Zeit meist f�r unentbehrlich in industriellen Unternehmungen
angesehen wird -- namentlich bei der Regelung der Rechte und Interessen
der verschiedenen Personengruppen innerhalb der Organisation. Wenn die
Einrichtungen der _Carl Zeiss_-Stiftung nicht in sich widerspruchsvoll
bleiben sollten, mu�ten insonderheit den leitenden Personen in allen
Stufen der inneren T�tigkeit manche Vorz�ge und Vorteile vorenthalten
werden, welche in der Gro�industrie �fters als die eigentlich wirksamen
Triebfedern erfolgreicher Bet�tigung gelten. Infolgedessen mu� unsere
Organisation auf Kr�fte und Eigenschaften der Menschen z�hlen, an deren
gen�gende H�ufigkeit nicht alle glauben wollen: weniger Selbstsucht,
mehr Gemeinsinn -- weniger �u�erer Ehrgeiz, mehr Sinn f�r den inneren
Wert menschlicher Arbeit -- weniger Gehorsam, mehr freie bewu�te
Pflichterf�llung und einiges mehr -- und wer m�chte bestreiten, da� der
im Nachteil ist, der in nicht ganz gangbarer M�nze rechnet?

       *       *       *       *       *

Keiner aber, der es unternimmt, in seinen Bestrebungen dem jeweils
Bestehenden und Geltenden einen kleinen Schritt vorauszukommen, darf
sich vermessen, etwas erreichen zu k�nnen, wenn er dabei _dauernd_ in
Gegensatz bliebe zu den herrschenden Ideen seiner Zeit. Was dauernd
vereinzelt bliebe, wird sicher einmal vom breiten Strom mitgenommen.

Die Hoffnung des Gelingens ist also in diesem Fall die Hoffnung auf den
Erfolg der Bestrebungen der vielen anderen, die in unserer Zeit darauf
ausgehen, auch die Wirtschaftst�tigkeit der V�lker sozialen und
sittlichen Ideen unterzuordnen, -- also die Erwartung: da� aus diesen
Bestrebungen der Zeitgenossen, trotz der heutigen gro�en Divergenz
ihrer Wege, doch allm�hlich eine gemeinsame Resultante sich ergeben
werde, kr�ftig genug, um die Denkungsart der Menschen und die
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einrichtungen in der Richtung
auf jenes Ziel zu beeinflussen und so die zeitweilige Isolierung
rechtzeitig wieder aufzuheben.

Sollte aber diese Erwartung sich nicht erf�llen, sollte die
hochentwickelte �u�ere Kultur des 19. Jahrhunderts schon dem
unabwendbaren Verh�ngnis verfallen sein, endg�ltig auslaufen zu m�ssen
in einen immer w�ster werdenden Kampf rein selbsts�chtiger Interessen,
so k�nnte es freilich geschehen, da� Einrichtungen, die auf die
Wirksamkeit edlerer Kr�fte gerechnet haben, gerade deswegen noch etwas
_fr�her_ zugrunde gehen m�ssen, als auch das andere seinen
wohlverdienten Untergang findet, was w�stem Kampf vollkommener sich
angepa�t erhalten hat. Und dann k�nnte es schon kommen, da� die
weltklugen, die praktischen Leute wieder einmal Recht behielten und eine
gewisse Zeitlang sagen d�rften: seht die Toren, die nicht im breiten
Strom mitschwimmen wollten, weil seine Wasser tr�b waren! Solchen
Bef�rchtungen �u�eren Mi�erfolgen gegen�ber darf es aber, wenn nicht
jeder Antrieb des Fortschrittes lahm gelegt, jedes Bewu�tsein sittlicher
Verantwortung in den Menschen aufgehoben sein soll, keine andere Antwort
geben, als das Wort des strengen R�mers: die siegreiche Sache hat den
G�ttern gefallen, die besiegte Cato!

       *       *       *       *       *

In unseren Verh�ltnissen liegt jedoch erfreulicherweise heute nichts,
gar nichts, was darnach angetan w�re, an das Gekr�chze der Raben zu
erinnern. Ganz im Gegenteil -- die �u�ere und innere Lage unseres
Instituts hat noch zu keiner fr�heren Zeit so gro�es Vertrauen in die
Zukunft gerechtfertigt, wie wir heute es haben d�rfen. Gar nicht zu
reden davon, da� die letzten Jahre seine wirtschaftlichen Grundlagen
schon in einem Ma� konsolidiert haben, wie es gewi� nur bei wenigen
Unternehmungen der Privatindustrie erreicht sein wird, und da� auch
seine innere Organisation jetzt viel besser ausgebaut und befestigt ist,
als es noch vor wenigen Jahren sein konnte -- vor allem liegen auch
erfreuliche Anzeichen daf�r vor, da� der _Geist_, in dem die Personen
zusammenzuwirken sich gew�hnt haben, den Anforderungen entgegenkommt,
die unsere Organisation zu stellen hat. Denn mit unverhehlter
Genugtuung darf ich es aussprechen, da� die Firma _Carl Zeiss_ in allen
Schichten ihres Personals, von den obersten Beamten bis zum schlichten
Arbeiter, eine sehr gro�e Zahl von solchen besitzt, die mit voller
pers�nlicher Hingabe ihren Aufgaben obliegen, viele weit �ber das Ma�
dessen hinaus, was man als pflichtm��ige Leistung fordern k�nnte. Auch
ist in dem unvermeidlichen Interessenstreit, der im Zusammenarbeiten
vieler fortgesetzt zum Austrag kommen mu�, die Firma durchaus verschont
geblieben von solchen Streitformen, wie sie anderw�rts die Beziehungen
zwischen Prinzipal und Gehilfen, Unternehmer und Arbeiter �fters
verbittern.

Aus all diesem darf vermutet werden, da� in weiten Kreisen meiner
Mitarbeiter, die gro�e Arbeiterschaft einbegriffen, bewu�tes Verst�ndnis
f�r das Wohl des Ganzen und Bereitwilligkeit zu steter R�cksichtnahme
auf dessen Interesse sich schon eingeb�rgert haben. Und hierauf vor
allem gr�ndet sich die Hoffnung, da� die Einrichtungen der _Carl
Zeiss_-Stiftung, auch wenn sie etwa eine Zeitlang gewisse Sonderheiten
im Vergleich zum allgemein Geltenden behalten, eine Zeitlang in einer
gewissen Isolierung verbleiben m��ten, die Nachteile solcher Umst�nde zu
�berwinden f�hig sein werden.

Sie, meine Mitarbeiter, aber darf ich heute wohl ausdr�cklich auf die
Bedeutung hinweisen, die in diesem Zusammenhang _Ihre_ Stellungnahme zu
unseren Einrichtungen f�r die Erhaltung und die gedeihliche
Fortentwicklung unseres Instituts gewinnt. Keine Einrichtung kann eitel
Harmonie zwischen den Interessen und W�nschen aller herstellen wollen.
Auch in unserer Organisation kann es sich nicht darum handeln, die
nat�rlichen Unterschiede und Gegens�tze der verschiedenen Interessen
aufzuheben oder zu verdecken, sondern nur darum, im Rahmen geordneter
Einrichtungen sie immer von neuem in vern�nftiges Gleichgewicht zu
setzen -- die Interessen der einzelnen und der Gruppe zueinander und zu
den dauernden Interessen der Gemeinschaft. Die Vertretung der
Sonderanspr�che aber darf dabei nicht das Bewu�tsein dessen verlieren,
da� in dem richtig verstandenen Eigeninteresse jedes einzelnen und jeder
Gruppe das dauernde Interesse des Ganzen immer eine wichtige Komponente
bildet -- damit jeder sich sage: nur ein Narr s�gt den Ast an, auf dem
er selbst sitzt.

Aber noch unter einem ganz anderen Gesichtspunkt sehe ich allen, die in
unseren Arbeitsverband, sei es auch nur vor�bergehend, eintreten, eine
besondere Verpflichtung auferlegt, an die ich heute namentlich unsere
Arbeiterschaft wohl ebenfalls erinnern darf. Wenn es, wie wenigstens
viele meinen, eine Lebensfrage auch f�r unser Volk geworden ist, da� auf
dem Weg _friedlichen_ Fortschritts seine breiten arbeitst�tigen
Schichten f�r die Vertretung ihrer Interessen gegen�ber denen anderer
St�nde bald den Schutz eines besseren _Rechts_ finden, so wird es f�r
eine Arbeiterschaft, die unter ein vorgeschrittenes Recht _schon
gekommen_ ist, eine Ehrenpflicht gegen die Gesamtheit der
Standesgenossen, den praktischen Beweis zu erbringen, da� solches Recht
durchaus vereinbar ist mit dem Fortbestand leistungsf�higer
Arbeitsorganisation auch auf einem T�tigkeitsgebiet, das besonders hohe
Anforderungen an wohlgeordnetes Zusammenwirken vieler stellen mu�.

Wie ich schon sagte: ich sehe erfreuliche Anzeichen daf�r, da� solche
R�cksichten und Pflichten hier Verst�ndnis finden.

So kann ich also meine heutige Betrachtung nun schlie�en mit dem
Ausdruck der _freudigen_ Hoffnung, da� nach abermals 50 Jahren ein
_anderer_ wiederum zu einem �hnlichen R�ckblick auf die alsdann
100j�hrige Geschichte unseres Instituts Veranlassung haben werde; und
da� dieser andere alsdann werde bezeugen k�nnen: die _zweite_ H�lfte des
100j�hrigen Zeitabschnittes habe ein Geschlecht vorgefunden, gewillt und
f�hig, dasjenige zu erhalten, fortzusetzen und zur Entwicklung zu
bringen, was durch die Arbeit der _ersten_ H�lfte begr�ndet wurde. Und
dann werden alle die vielen freundlichen und ermunternden W�nsche ihre
Erf�llung finden, die im Laufe der letzten Wochen von den
allerverschiedensten Seiten uns zugegangen sind -- von pers�nlichen
Freunden der Firma und ihrer Mitarbeiter, von Vereinen, Korporationen
und Instituten -- W�nsche, die s�mtlich zusammenstimmen mit dem Wunsch,
unter welchem ich schon vor einigen Monaten das Statut der Stiftung
meinen Mitarbeitern �berreichte: _da� die Optische Werkst�tte Carl Zeiss
auf den Grundlagen ihrer neuen Verfassung weiterhin bl�hen und gedeihen
m�ge -- zum Segen aller, die in ihren Verband eintreten, zum Dienste des
Gemeinwohls, zur Ehre deutscher feintechnischer Industrie!_

       *       *       *       *       *

Anhang 1. Der Gegensatz ist aber keineswegs, wie man zuerst vermuten
wird, in dem ganz verschiedenen Ma�stab der Konstruktionen an sich
begr�ndet, der das Verh�ltnis beider Dinge �u�erlich wie das der
Turmuhren zu den Taschenuhren erscheinen l��t. Selbst die technischen
Bedingungen der praktischen Ausf�hrung werden durch die Verschiedenheit
der Dimensionen nicht so verschieden gemacht, wie es bei anderen
technischen Erzeugnissen sein w�rde. Denn das hierf�r Entscheidende, der
Ma�stab f�r die Genauigkeit der Formgebung, ist doch noch f�r beides
trotz des Gr��enunterschiedes der gleiche, weil er f�r beides in der
Wellenl�nge des Lichts gegeben ist. Nur mittelbar hat auch der
Unterschied der Gr��en eine, allerdings sehr bedeutsame Verschiedenheit
in wesentlichen Bedingungen der Aufgabenstellung zur Folge. Beim
Fernrohr kann wegen der R�cksichten auf die Dimensionen und Massen von
vornherein nur ein System aus wenigen Elementen, 2 oder 3 getrennten
Glasst�cken, in Frage kommen; beim Mikroskop ist die Zahl der
verwendbaren Elemente praktisch fast unbegrenzt. Infolgedessen hat im
letzten Fall die Konstruktion einen Spielraum von M�glichkeiten und
Abwandlungen, die im ersten gar nicht in Betracht kommen; das Mikroskop
f�hrt also auf eine viel allgemeinere Form der optischen Aufgaben. Ganz
ausschlaggebend f�r den Gegensatz ist aber der antagonistische Zug der
beiden Probleme im Theoretischen, also hinsichtlich der Grundlagen f�r
die richtige und vollst�ndige Vorausbestimmung des beabsichtigten
Effekts. Dieser entspringt aus einem wesentlichen Unterschied in den
Bedingungen der optischen Wirkung selbst; denn wenn auch in beiden
Aufgaben im letzten und allgemeinsten derselbe physische Vorgang in
Frage steht, ein gewisser Effekt aus der Lichtstrahlung der Gegenst�nde,
der in beiden F�llen als Abbildung der letzteren erscheint, so bedeutet
es doch, wie man jetzt wei�, einen ganz durchgreifenden Unterschied in
wesentlichen Bedingungen f�r das Zustandekommen jenes Effekts, da� im
einen Fall die gro�en und fernen Gegenst�nde, die das Fernrohr abbildet,
in ihren Dimensionen au�erordentlich hohe Multipla von der L�nge der
Lichtwellen darstellen, die kleinen und nahen aber, die das Mikroskop
uns zeigen soll, in den Dimensionen auf die Gr��enordnung dieser
Lichtwellen selbst herunterr�cken. Und dieser letztere Umstand, im
Verein mit dem vorhererw�hnten anderen Unterschied, bedingt nun, da� die
Aufgaben der praktischen Optik nicht einem Grundproblem entsprechen,
sondern _zwei_ verschiedenen, deren L�sung dann aber auch den ganzen
jetzigen Aufgabenkreis -- wie er zurzeit in unserem Gesichtskreis liegt
-- ersch�pft, andere speziell verschiedene Ausgangspunkte nicht mehr
�brig l��t. Denn alles, was zwischen den beiden extremen Aufgaben liegt,
wie namentlich die neuerdings sehr in den Vordergrund des Interesses
ger�ckten Linsensysteme f�r photographische Abbildung, die das dritte,
das Projektions-Problem, darstellen, f�hrt immer teilweise auf das eine,
teilweise auf das andere Grundproblem zur�ck, wie auch der Erfolg
gezeigt hat. _Zeiss_ hat nun unter demselben leitenden Gedanken:
Bestimmung aller Elemente praktischer Konstruktionen durch ersch�pfende
Vorausbestimmung ihrer Wirkungen das zweite Grundproblem der praktischen
Optik zur Behandlung gebracht und einstweiliger Erledigung
entgegengef�hrt, wie 50 Jahre fr�her FRAUNHOFER das erste; er hat
dadurch, indem er dessen Grundidee selbst�ndig wieder aufnahm, dieser
Idee das ganze Gebiet der Optik unterworfen. Das ist, wie ich glaube,
der richtige Ausdruck zur Bezeichnung seines Verh�ltnisses zu dem gro�en
Vorg�nger.

Nur ganz kurz will ich die vorher angedeuteten, in beiden
Entwicklungsg�ngen gemeinsamen drei Etappen des Fortschrittes noch
betrachten, um auf die Unterschiede hinzuweisen, die der neue
Ausgangspunkt an dem in den allgemeinen Z�gen �bereinstimmenden Fortgang
mit sich gebracht hat.

Wie FRAUNHOFER -- was �brigens erst viel sp�ter weiteren Kreisen bekannt
wurde, lange nachdem _Zeiss_ seine Arbeit begonnen hatte -- die _erste_
Grundlage seines Erfolges in einer durchgreifenden Verbesserung der
Technik der optischen Arbeit sich geschaffen hat -- in der
Vervollkommnung der Arbeitsmethoden und namentlich in der Verfeinerung
der Hilfsmittel zur Regelung und Kontrolle der praktischen Arbeit -- so
hat auch Zeiss an diesem Punkte sein Wirken begonnen. Er hat von Anfang
an unter dem klaren Bewu�tsein gestanden, da� die rationale Konstruktion
des Mikroskops (in dem �fters erl�uterten Wortsinn) viel h�here
Anforderungen an die technische Arbeit zu stellen habe, als das damalige
empirische Verfahren -- da� sie viel exaktere Formgebung, viel
strengeres Einhalten ziffernm��ig vorgeschriebener Ma�e in allen
Elementen der Konstruktion verlangen m�sse, als die empirische Methode
es n�tig macht. Die letztere verlangt nur das Vermeiden _grober_ Fehler;
die kleinen bleiben innerhalb des Spielraums, den das empirische
Ausprobieren des besten Erfolges nicht nur zul��t, sondern sogar
w�nschenswert macht. Die richtige Ausf�hrung eines in allen Einzelheiten
durch Rechnung vorher festgestellten Linsensystems verlangt dagegen eine
ann�hernd mathematisch genaue Verwirklichung aller vorgeschriebenen
Formen und Ma�e, wenn nicht die ganze verstandesm��ige Vorarbeit
ihren eigentlichen Zweck verfehlen soll. Dieses aber m��te eintreten,
wenn sie aus einer Unsicherheit der technischen Formgebung und
Dimensionsbestimmung noch solche Abweichungen von den theoretisch
bestimmten richtigen Elementen �brig lie�e, da� befriedigender Erfolg
nur durch nachtr�gliches Zur�ckgreifen auf empirische Nachhilfe zu
gewinnen w�re.

F�r _Zeiss_ hat es die klare Erfassung dieser neuen Aufgabe der Technik
wohl erheblich erleichtert, da� er seine technische Schulung nicht in
der Optik, sondern in der sog. Pr�zisionsmechanik empfangen hat -- auf
einem Arbeitsgebiet, in welchem der Sinn f�r strenge und exakte
technische Arbeit eine bessere Erziehung fand, als au�erhalb M�nchens
damals die Technik der Optiker bieten konnte. So ist denn vom ersten
Anfang an sein Streben in seiner kleinen Werkstatt darauf gerichtet
gewesen, die Geschicklichkeit der Hand, die f�r alle feinere Arbeit
unentbehrlich ist, unter planm��ige strenge Kontrolle und .... [zu
stellen].

       *       *       *       *       *

Anhang 2. Dank der T�chtigkeit und dem unabl�ssigen Eifer L�BERs ist das
erste Postulat f�r die Durchf�hrung des leitenden Gedankens, die
Verfeinerung der Technik, sehr fr�h schon erf�llt gewesen -- viel
fr�her, als die Erf�llung anderer ebenso wesentlicher Postulate auch nur
ann�hernd �hnliche Fortschritte machen konnte. So hat denn diese
verfeinerte Technik lange Jahre hin noch der alten Methode der
Mikroskopkonstruktion dienen m�ssen, bei der Zeiss wohl oder �bel
einstweilen verbleiben mu�te, weil die neue Methode wegen des Fehlens
der �brigen Voraussetzungen noch nicht durchzuf�hren war. F�r diese alte
Methode aber war die exakte Formgebung, die keinen Spielraum f�r
zuf�llige Abweichungen l��t, nicht nur kein Vorteil, sondern eher eine
Beengung, weil sie die M�glichkeiten guten Gelingens verminderte, die
beim empirischen Verfahren gerade eine schlechtere Technik in der
Mannigfaltigkeit zuf�lliger Abweichungen der Konstruktionselemente offen
h�lt. Durch viele Jahre hin hat in der T�tigkeit von _Zeiss_ diese
Diskordanz zwischen ihren Faktoren bestanden, die ihn tats�chlich in
Nachteil setzte gegen�ber den anderen, welche das alte empirische
Verfahren rein und unverf�lscht handhabten, nicht angekr�nkelt durch die
[vorauseilenden Gedanken] aus einem fremdartigen Ideenkreis -- ein
Zustand, wieder vergleichbar einer Erscheinung in der organischen Natur:
da� in den Jugendzust�nden mancher Lebewesen �fters Organe sich finden,
die aller Zweckm��igkeit zu widersprechen scheinen, weil sie ihre
richtige Funktion erst in einem sp�teren Entwicklungsstadium gewinnen,
nachdem andere Organe, denen sie in der Entwicklung vorauseilten,
nachgewachsen sind. Das Nachwachsen des noch fehlenden erg�nzenden
Organs entspricht nun der vorhererw�hnten zweiten Etappe in der
Entwicklung der gleichen Grundidee auf FRAUNHOFERs Wegen.

Wie bei FRAUNHOFER die neue Technik erst leistungsf�hig wurde in
Verbindung mit den von ihm geschaffenen neuen Grundlagen f�r eine
ersch�pfende theoretische Bestimmung der in Betracht stehenden
Lichtwirkungen und zwar durch eine wesentliche Erg�nzung der damaligen
wissenschaftlichen Erkenntnisse der Optik, so ist auch in dem neuen
Entwicklungsgang der weitere Fortschritt von der L�sung
wissenschaftlicher Aufgaben getragen. Hier aber tritt nun die Bedeutung
des Ausgangspunktes deutlich hervor. _Zeiss_ selbst und diejenigen,
welche hinsichtlich der theoretischen Aufgaben seine Mitarbeiter wurden,
gingen von der als selbstverst�ndlich erscheinenden Annahme aus, da� das
Mikroskop-Problem im Grunds�tzlichen durchaus ebenso, und mit den
gleichen wissenschaftlichen Hilfsmitteln, ersch�pfend zu behandeln sei,
wie FRAUNHOFER das Fernrohr-Problem behandelt hat. Best�tigt hat sich
dies aber nur hinsichtlich einer gewissen Art von Mikroskopen von jetzt
ganz untergeordnetem Interesse, die in der Tat als verkleinerte,
umgekehrte Fernrohrobjektive sich behandeln lassen und auch schon von
FRAUNHOFER selbst so behandelt wurden. _Das_ Mikroskop dagegen, das den
subtileren Forschungen der biologischen Wissenschaft dient, war, wie
sich zeigte, auf diesem Weg absolut nicht zustande zu bringen; alle
Versuche zur theoretischen Konstruktion desselben blieben ganz und gar
erfolglos, solange sie unter obiger Voraussetzung geleitet wurden und an
den Konsequenzen der Voraussetzung streng festhielten. Dieses negative
Resultat aller Bem�hungen um die Verwirklichung des neuen
Konstruktionsplanes hat nun zu der Einsicht gef�hrt, da� in den
wissenschaftlichen Lehren der Optik, die sich an FRAUNHOFERs Aufgabe
v�llig bew�hrt hatten, da sie an der neuen Aufgabe versagten,
eine L�cke sein _m�sse_, da� also diese Lehren erst noch einer
Erg�nzung bed�rften, damit eine theoretische Vorausbestimmung auch der
Mikroskopkonstruktionen m�glich sei. Diese Erkenntnis hat nun auch die
erforderliche Erg�nzung herbeigef�hrt, indem sie hinleitete auf die
Untersuchung und Feststellung der besonderen Bedingungen, welche f�r die
Abbildung von Objekten in Geltung treten, deren Dimensionen nicht mehr
gro�e Vielfache von der L�nge der Lichtwellen sind -- und damit war nun
dem FRAUNHOFERschen Gedanken auch in der Mikroskop-Optik die dauernde
Herrschaft gesichert[17].

Hierbei hat aber dieser Gedanke dadurch, da� er von _Zeiss_ an einem
ganz anderen Ausgangspunkt wieder aufgenommen wurde, zum zweitenmal zu
einer Erweiterung auch der wissenschaftlichen Optik gef�hrt. In der Tat
gibt es keine sch�rfere Probe auf die Richtigkeit und Vollst�ndigkeit
wissenschaftlicher Theorien, als den Versuch, mit ihrer Hilfe
komplizierte Vorg�nge und Effekte, auf welche sie Anwendung finden, in
allen Einzelheiten vorauszubestimmen; jeder Mangel und jede L�cke kommt
dabei in dem Mi�erfolg des Versuchs sicher zum Vorschein. -- Unter den
Verdiensten von _Zeiss_ ist es gewi� nicht das kleinste, da� er in
festem Vertrauen auf die Kraft wissenschaftlicher Einsicht, auch f�r die
Behandlung praktischer Aufgaben, an seinem ersten Plane, trotz
jahrelanger Mi�erfolge, unentmutigt festgehalten und dadurch schlie�lich
eine Bereicherung der Wissenschaft herbeigef�hrt hat.

Der Grundgedanke, von dem die Arbeit von _Zeiss_ ausgeht, hat endlich
auch die Keimanlage noch f�r einen _dritten_, ganz anders gearteten
Fortschritt in sich enthalten, eine Anlage, die gleichfalls schon 50
Jahre fr�her bei FRAUNHOFER wenigstens den Anfang ihrer Entwicklung
zeigt -- n�mlich den Antrieb zur durchgreifenden Reform in der
Darstellung des optischen Glases.

Das alte empirische Verfahren in der Behandlung technischer Aufgaben
wird immer dabei stehen bleiben, die Eigenschaften des Rohmaterials, auf
dessen Benutzung die Aufgabe f�hrt, als etwas schlechthin Gegebenes
anzusehen. Denn jenes Verfahren hat keine eingehende, auf genauer
Erforschung aller Merkmale gerichtete Kenntnis der Eigenschaften des
Materials, und braucht sie nicht zu haben, kann also auch �ber die
Abh�ngigkeit der erreichten Erfolge von diesen Eigenschaften nicht im
einzelnen sich Rechenschaft geben.

Man benutzt also in diesem alten Verfahren das k�rperliche
Konstruktionsmaterial so wie es traditionell vorliegt, auf Grund der
Erfahrungen, welche gerade in _seiner_ Benutzung allm�hlich gewonnen
sind, und erst wenn etwas neues kommt, probiert man, ob dasselbe
vielleicht noch besser sich eigene. Das andere, das rationale Verfahren
-- um das mein Bericht �berall sich dreht -- welches ein technisches
Erzeugnis f�r bestimmte praktische Effekte aus wissenschaftlicher
Erkenntnis aller Bedingungen des gesuchten Effektes gewinnen will, hat
dagegen die Abh�ngigkeit aller Wirkungen von den besonderen numerisch
bestimmten Eigenschaften der angewandten Materialien bei jedem Schritt
im Auge und wird bei jedem Schritt die Einschr�nkung gewahr, welche der
meist ganz enge Spielraum des traditionell Gegebenen der m�glichst
zweckm��igen Auswahl der stofflichen Mittel auferlegt. So mu� die
_rationale_ Methode praktischer T�tigkeit -- und auch _nur_ diese --
�berall die Tendenz entwickeln, die Darstellung des Urmaterials f�r ihre
Arbeit unter die Leitung ihrer besonderen Zwecke zu bringen, auf
rationelle Anpassung seiner Eigenschaften an die besonderen
Anforderungen seiner Verwendung kr�ftig hinzudr�ngen. Wir sehen die
Wirkungen dessen jetzt auf allen Gebieten vorgeschrittener Technik.

Auch da, wo zum erstenmal der Gedanke streng rationalen Aufbaues
technischer Erzeugnisse in voller Reinheit sich bet�tigt hat, ist die
hier benannte Konsequenz desselben schon in die Erscheinung getreten.
Man wei� jetzt, da� schon FRAUNHOFER an die Darstellung des optischen
Glases f�r seine Fernrohre nicht nur pers�nlich herangetreten ist,
sondern herangetreten ist mit der deutlichen Idee, aus der Abh�ngigkeit
seiner optischen Eigenschaften von seiner chemischen Zusammensetzung und
durch rationelle Benutzung dieser Abh�ngigkeit der praktischen Optik
freiere Bahn f�r die Behandlung ihrer Aufgaben zu schaffen.

|Auch die Parallelentwicklung des FRAUNHOFERschen Grundgedankens in
unserem Kreis hat den gleichen Zielpunkt wiedergefunden.| Die Art aber,
wie dieses hier geschehen, bietet ein lehrreiches Beispiel f�r die
Macht.... [usw. wie oben im Haupttext S. 71].

Anhang 3. So habe ich nun auch diese letzte Etappe charakterisiert, in
welcher der Fortgang der von _Carl Zeiss_ begonnenen [Arbeiten]
schlie�lich nochmals mit FRAUNHOFERS Wegen zusammentrifft. Aber auch
hier zeigt sich am Ende wieder die Bedeutung des neuen eigenartigen
Ausgangspunktes darin, da� auch hier die Wiederholung desselben
Schrittes keine blo�e Wiedererneuerung FRAUNHOFERscher Arbeit geblieben
ist. Denn verm�ge der allgemeineren Aufgabenstellung, die das
Mikroskop-Problem gegen�ber dem Fernrohr-Problem auch in Hinsicht auf
die Anforderungen an das Urmaterial mit sich brachte, sind die Ziele des
neuen Anlaufes sofort �ber die Ziele hinausgegangen, die auch nur
m�glicherweise im Gesichtskreis FRAUNHOFERs liegen konnten. Das kommt
deutlich namentlich an einem Punkt zum Vorschein: obwohl in unseren
damaligen optischen Interessen eine R�cksichtnahme auf die besonderen
Bed�rfnisse der photographischen Optik noch nicht angebahnt war, zeigte
sich nachher, da� die letztere ganz [au�erordentlichen Gewinn von der
systematischen Vervollst�ndigung des Urmaterials ziehen konnte] ....[18]

Fu�noten:

[Fu�note 3: [Nach der von E. ABBE f�r den Vortrag selbst ben�tzten
Abschrift des Manuskripts. Einige Abschnitte, die im Manuskript allem
Anschein nach nur im Interesse der Abk�rzung des m�ndlichen Vortrags
gestrichen waren, sind entweder in | | im Text oder als Anhang am Schlu�
des Vortrags mit abgedruckt.]]

[Fu�note 4: [Zu dieser Darstellung bin ich leider nicht gekommen. Vieles
Dahingeh�rige finden Interessenten in �F. AUERBACH, Das Zeisswerk und
die Carl Zeiss-Stiftung in Jena�, 2. Aufl., Jena, G. Fischer, 1904.
Cz.]]

[Fu�note 5: [Das Konzept zu dieser Trauerrede ist abgedruckt in ABBE,
Gesammelte Abhandlungen, Bd. II, pag. 339-341.]]

[Fu�note 6: [Bei Errichtung der �Carl Zeiss-Stiftung� s. unten das
Statut der C. Z.-Stiftung, � 2, Name.]]

[Fu�note 7: [und zwar von E. ABBE.]]

[Fu�note 8: [s. hierzu die Ausf�hrungen im ersten Teil von Anhang 1 am
Schlu� des Vortrags.]]

[Fu�note 9: [Das hierzu vorliegende von A. selbst herr�hrende Material
ist leider unvollst�ndig, mag aber trotzdem und trotz der dadurch
herbeigef�hrten Wiederholungen in Anh�ngen am Schlu� dieses Vortrags
Platz finden; s. Anhang 1.]]

[Fu�note 10: [Vgl. die Erg�nzungen dieser und der folgenden Ausf�hrungen
in Anhang 2.]]

[Fu�note 11: [Vgl. die Gedenkrede auf J. FRAUNHOFER</SC> IN E. <SC>ABBEs
Gesammelten Abhandlungen, Bd. II, pag. 319-338.]]

[Fu�note 12: [S. die Erg�nzung dieser Ausf�hrungen in Anhang 3.]]

[Fu�note 13: [Gemeint ist offenbar ERNST HAECKEL.]]

[Fu�note 14: [Durch die Carl Zeiss-Stiftung. Vgl. insbesondere das
Erg�nzungsstatut am Schlusse des vorliegenden Bandes.]]

[Fu�note 15: Diese Hoffnung hat sich zur angegebnen Zeit erf�llt.]

[Fu�note 16: Beim m�ndlichen Vortrag hatte ABBE, unter Weglassung der
obigen Abschnitte in | |, gleich fortgefahren: �Ohne hier die besonderen
Erw�gungen anzuf�hren, die unter diesem obersten Gesichtspunkt das
Vorgehen zu leiten hatten, erw�hne ich nur, da� die hier bezeichneten
....... wesentlich bestimmt haben.�]

[Fu�note 17: Diese ganze Arbeit wurde bekanntlich von E. ABBE selbst
vollzogen.]

[Fu�note 18: Fortsetzung fehlt.]




III.

�ber Gewinnbeteiligung der Arbeiter in der Gro�industrie.

Vortrag, gehalten am 28. Januar 1897 in der Staatswissenschaftlichen
Gesellschaft zu Jena.

Jenaer Volksblatt vom 31. Januar, 2. und 3. Februar 1897, Nr. 26, 27,
28. Wiedergabe nachstehend nach dem vom Verfasser berichtigten
Sonderabdruck.


Meine Herren! Ich habe mir erlaubt, Ihre Aufmerksamkeit heute Abend in
Anspruch zu nehmen f�r das Thema: Die Gewinnbeteiligung der Arbeiter in
der Gro�industrie, also f�r eine Einrichtung des Lohnsystems, die, wie
der Name besagt, darauf abzielt, den Arbeitern und Angestellten der
Industriebetriebe _neben_ dem gew�hnlichen, vorher vereinbarten Lohn
oder Gehalt noch -- in irgend einer Form -- einen Anteil am Reinertrag
des Unternehmens zuzuweisen.

Ich hoffe aber, da� Sie mir dabei keine gr��ere Aufgabe stellen werden,
als ich erf�llen kann. Da der Gegenstand abseits von meinem
wissenschaftlichen Interessenkreis liegt, kann ich dar�ber nicht reden
wie ein National�konom, der eine eingehende systematische und
historische Behandlung der Frage zu geben in der Lage ist; ich kann
dar�ber nur sprechen, soweit die Frage in meinen eigenen Wirkungskreis
eingetreten ist, soweit ich in meiner praktischen T�tigkeit Anla�
gefunden habe, Stellung dazu zu nehmen -- also naturgem�� nur sehr
aphoristisch und unter Gesichtspunkten, deren Horizont �berall
beschr�nkt ist auf die eigene Erfahrung, nicht erweitert durch ein
planm��iges Studium des Gegenstandes. Ich h�tte also mein Thema
eigentlich bescheidener ausdr�cken sollen, dahin, da� ich eine Erkl�rung
geben will, �ber die _besondere_ Art der Gewinnbeteiligung, die
k�rzlich in einem hiesigen Betriebe, der Optischen Werkst�tte von _Carl
Zeiss_, auf meine Veranlassung eingef�hrt worden ist, und �ber ihr
Verh�ltnis zu den Einrichtungen gleichen Begriffs, die anderw�rts
eingef�hrt worden sind.

Ich glaube indes, da� auch bei so eng gefasster Aufgabe der Gegenstand
ein gewisses Interesse haben kann. Die Vorf�hrung eines einzelnen Falles
bietet Gelegenheit, die Anwendung allgemeiner Grunds�tze in concreto zu
exemplifizieren, und dazu ist der Gegenstand in der Tat besonders
geeignet, da er eine au�erordentlich strittige Materie darstellt. Denn
das Thema ist ein Tummelplatz f�r den Kampf zwischen den grunds�tzlich
verschiedenen Auffassungen volkswirtschaftlicher und sozialer Aufgaben.

Um hiervon einen Begriff zu geben, brauche ich nur die Urteile einander
gegen�ber zu stellen, die �ber diese Sache von verschiedenen
Standpunkten aus ergangen sind, in ihren schroffen unvermittelten
Gegens�tzen.

Die Sozialdemokraten kennzeichnen die fragliche Einrichtung mit den
wegwerfenden Worten: �Steine statt Brot� oder noch gr�ber: �Feigenblatt
f�r eine partie honteuse�.

Ihnen zur Seite stehen die Antisozialen, die offenen Vertreter von
Herrenrecht und Herrenmoral auf sozialem Gebiet; sie perhorreszieren die
Gewinnbeteiligung als �ersten Schritt auf der schiefen Ebene, die zum
Kommunismus f�hrt�. Diese Einrichtung m�sse -- sagen sie -- zur Folge
haben, den Arbeitern Handhaben zu schaffen, sich einzumischen in die
Angelegenheiten des Unternehmers, Anrecht zu gewinnen auf
Rechenschaftslegung und dergl.; der Unternehmer bleibe also dabei nicht
mehr �Herr im eigenen Haus�.

Gegen�ber diesen _beiden_ grunds�tzlichen Gegnern steht nun eine Reihe
�berzeugter Anh�nger -- Leute, welche die Gewinnbeteiligung als eine
ganz au�erordentlich wohlt�tige, vom sozialen Gesichtspunkt aus h�chst
wirksame Einrichtung preisen; manche von ihnen gehen soweit, da� sie
glauben, damit eigentlich die L�sung der ganzen sozialen Frage gefunden
zu haben.

Zu den Anh�ngern geh�ren namentlich die Praktiker auf diesem Gebiet,
eine Anzahl Unternehmer, welche diese Form des Lohnsystems eingef�hrt
haben. Etwas skeptischer, zum Teil sogar ablehnend, stehen zur Sache die
Theoretiker, die National�konomen, in deren Kreis, wenn ich recht
unterrichtet bin, der fr�her auch dort zu findende Enthusiasmus jetzt
einer recht k�hlen Stimmung Platz gemacht hat. Manche von ihnen rechnen
die Gewinnbeteiligung unter die Adiaphora der Volkswirtschaft, manche
stehen ihr noch kritischer gegen�ber. Aber einm�tig scheint das Urteil
auch in diesen Kreisen nicht zu sein. Kein geringerer als SCHMOLLER hat
noch im Jahre 1890 in einem Vortrage eine sehr warme Empfehlung dieser
Lohnform gerade unter sozialen Gesichtspunkten gegeben.

       *       *       *       *       *

Auf jene beiden _grunds�tzlich_ ablehnenden Standpunkte brauche ich
keine weitere R�cksicht zu nehmen, weil die Argumente, von denen sie
ausgehen, nicht diskutabel sind; es dr�cken sich darin nur die
Gegens�tze in den Grundanschauungen �ber die sozialen Angelegenheiten
aus.

Ich kann also meine weiteren Betrachtungen an die Ansichten ankn�pfen,
die ich zuletzt charakterisierte: auf der einen Seite die empfehlende,
auf der anderen die kritisch ablehnende Beurteilung, die doch aber
immerhin einen gemeinsamen Boden der Diskussion �brig lassen.

Die Anh�nger und Bef�rworter der Gewinnbeteiligung behandeln sie, wenn
ich die Sache vollst�ndig �bersehe, im wesentlichen unter drei
verschiedenen Gesichtspunkten. Dreierlei verschiedene Tendenzen werden
dabei verfolgt, die sich zwar nicht gegenseitig ausschlie�en, vielmehr
�fters Hand in Hand gehen, doch aber logisch unterschieden werden
m�ssen.

Die erste Gruppe, die repr�sentiert ist durch den, der die Einrichtung
zuerst eingef�hrt hat, den Franzosen JEAN LECLAIRE, verfolgt dabei sehr
hochfliegende soziale Ideen. Die Einrichtung soll im Sinne dieser Leute
auf nichts weniger ausgehen, als auf eine allm�hliche Umgestaltung
wesentlicher Grundlagen der wirtschaftlichen T�tigkeit; sie soll n�mlich
die Vorbereitung und Vorstufe zu einer genossenschaftlichen
Wirtschaftsform, zum allm�hlichen Erwerb des gesamten Betriebskapitals
seitens der Arbeiter und Angestellten sein. Die Behandlung der
Gewinnanteile ist unter solche Modalit�ten gestellt, da� diese
M�glichkeit nicht blo� er�ffnet, sondern ausdr�cklich als Zweck
vorgesehen erscheint. Also ein Gedanke von gro�er Tragweite: die
Wiederbelebung der alten Genossenschaften, die in den ersten Anf�ngen
der Schiffahrt, des Bergbaues, teilweise auch des Landbaues, die Form
des Zusammenarbeitens der _freien_ Leute war.

Es ist gar keine Frage, da� Bestrebungen dieser Tendenz, wenn sie im
gro�en Erfolg h�tten, eine ganz umw�lzende Bedeutung gewinnen m��ten.
Denn sie gehen darauf aus, die Trennung der Arbeiter vom
Arbeitswerkzeug, der Arbeit vom Kapital, und den historisch damit
verbundenen Gegensatz von Arbeiter und Unternehmer allm�hlich wieder
r�ckg�ngig zu machen. Man mu� also die Bedeutsamkeit dieser Bestrebungen
an sich anerkennen, aber ihre weitere W�rdigung steht g�nzlich unter der
Frage: inwieweit ist genossenschaftliche T�tigkeit heutzutage in der
Industrie _m�glich_ -- genossenschaftliche T�tigkeit, bei der die
Arbeitst�tigen in ihrer _Gesamtheit_ zugleich den Herrn des
Unternehmens, den Prinzipal, darstellen? Meine pers�nliche Meinung geht
dahin, da� diese M�glichkeit au�erordentlich beschr�nkt ist, und nur da
besteht, wo das Zusammenarbeiten vieler m�glich ist _ohne_ eine feinere
Organisation, ohne weitgehende Gliederung der Funktionen und ohne
Vereinigung sehr heterogener Elemente[19]. Und dieser Standpunkt wird
jetzt, glaube ich, nicht nur von der schulm��igen National�konomie,
sondern auch von den Theoretikern der Sozialdemokratie geteilt; auch
diese diskutieren jetzt die Bedingungen und Voraussetzungen, von denen
die _M�glichkeit_ erfolgreicher Genossenschaftsbildung in der Industrie
abh�ngt.

Wie ich schon bemerkte, hat der erste, der Gewinnbeteiligung eingef�hrt
hat, sie mit _dieser_ Tendenz eingef�hrt und durchgef�hrt, und wie es
scheint, mit dauerndem Erfolg. Aber abgesehen von einem anderen Moment,
welches dabei mitgewirkt hat, -- auf das ich nachher noch zu sprechen
komme -- ist, glaube ich, der Erfolg dadurch bedingt, da� diese
genossenschaftliche Bildung sich auf eine kleine Anzahl von auserw�hlten
Personen beschr�nkte, die allerdings vorher Arbeiter oder Angestellte
waren, denen gegen�ber jedoch die gro�e Mehrzahl im Verh�ltnis der
Abh�ngigkeit nach wie vor blieb. Ich wei� nicht viel von den Erfolgen
der anderen Versuche, die in gleicher Absicht, also zwecks allm�hlicher
�berleitung des ganzen Unternehmens in den Besitz der Arbeiter und
Angestellten, anderweit, namentlich in England und Amerika, unternommen
worden sind. Der einzige bekannte Versuch dieser Art in _Deutschland_,
der im Jahre 1868 beim Borchertschen Messingwerk in Berlin gemacht
wurde, ist v�llig fehlgeschlagen.

Auch neuerdings ist die Frage unter dem gleichen Gesichtspunkte wieder
aufgerollt worden, wiederum ohne jede Erw�gung der Voraussetzungen und
Bedingungen, von denen die Durchf�hrbarkeit der Idee abh�ngt -- in dem
naiven Glauben, was vor tausend Jahren m�glich war, m�sse doch auch
heute noch m�glich sein. Gegen�ber den Urhebern dieser neuesten
Vorschl�ge kann man kaum etwas anderes sagen als: gute Menschen und
schlechte Musikanten.

Mit den hochfliegenden Gedanken einer ersten Gruppe von Anh�ngern der
Gewinnbeteiligung kontrastiert sehr die n�chterne und hausbackene
Auffassung einer zweiten Gruppe, die darin im wesentlichen nur ein
Pr�miensystem erblickt -- ein Mittel, um die t�tigen Personen zu
animieren, recht sparsam mit dem Material zu verfahren und ihre Zeit
recht auszunutzen. Der Anteil am Jahresgewinn des ganzen Unternehmens
soll den Arbeitern einen Anteil verschaffen an dem, was durch besondere
Sparsamkeit, Achtsamkeit und Flei� mehr erworben wird. Also -- die
�lpr�mie, die Lokomotivf�hrer und Maschinenmeister auf erspartes
Schmiermaterial �fters erhalten, erweitert zu einer Generalpr�mie auf
Sparsamkeit und Flei� aller.

Es ist nicht zu leugnen, da� unter diesem Gesichtspunkte die
Gewinnbeteiligung, wenn die Voraussetzungen f�r die Wirksamkeit von
Pr�mien zutreffen, eine gewisse �konomische Wirkung haben wird. Dieser
Vorteil ist aber mehr merkantiler Art und hat nichts mit dem
wirtschaftlichen Verh�ltnis zwischen Unternehmer und Arbeiter zu tun,
verleiht der Einrichtung also keine soziale Bedeutung. Indes hat jene
�konomische Wirkung bei den gelungenen Versuchen mit der
Gewinnbeteiligung �fters eine gro�e Rolle gespielt. Gerade LECLAIRE
verdankt zweifellos einen gro�en Teil seines Erfolgs der Wirkung, welche
bei ihm der Gewinnanteil als Pr�mie �bte. Die Leute, um die es sich da
handelte, waren n�mlich Stubenmaler, also Leute, die nach der Art ihrer
T�tigkeit wenig zu beaufsichtigen und der Versuchung zu allerlei
Zeitvertreib ausgesetzt sind. Es ist ganz verst�ndlich, da� ihnen
gegen�ber die Gewinnbeteiligung als Generalpr�mie auf die
nichtvertr�delte Zeit und auf nichtversch�ttete Farbt�pfe einen ganz
besonderen Effekt gewinnen konnte. Solche Umst�nde aber werden nur
ausnahmsweise eintreten. In der Mehrzahl der F�lle wird der Spielraum
f�r die Wirksamkeit des Pr�mienmotivs f�r sparsames Umgehen mit dem
Material und flei�ige Ausnutzung der Arbeitszeit viel beschr�nkter sein
und wenigstens hinsichtlich des letzten Punktes nicht entfernt
heranreichen an die Wirkung eines rationellen Akkordlohnsystems. Denn
bei dem Pr�miensystem[20] bekommt der Arbeiter im g�nstigsten Falle
doch nur einen Teil von dem, was er durch besonderen Flei� und besondere
Umsicht erspart und auch diesen Teil nur bedingungsweise, n�mlich nur,
wenn auch alle anderen �hnlich verfahren. Beim Akkordlohn aber f�llt
alle Mehrleistung direkt in seine Tasche.

Eine gro�e und allgemeine Bedeutung wird man also, unter dem
Gesichtspunkte des Pr�miensystems, der Gewinnbeteiligung keinesfalls
zugestehen k�nnen.

Endlich wird noch von einem dritten Standpunkt aus die Gewinnbeteiligung
der Arbeiter empfohlen, ohne den Anspruch auf eine so tiefgehende
�nderung der ganzen Wirtschaftst�tigkeit, wie die Absicht der
Genossenschaftsbildung darstellt; aber andererseits auch ohne spezielles
Betonen der zuletzt erw�hnten rein �konomischen Vorteile. Sie wird
empfohlen als eine _f�r sich_ wertvolle und n�tzliche Einrichtung
sozialen Interesses. Sie soll sein �eines der wirksamsten Mittel zur
Hebung der wirtschaftlichen Lage des Arbeiterstandes und das wirksamste
Mittel zur Vers�hnung von Arbeiter und Unternehmer�. Das sind ungef�hr
die Worte, die noch ganz k�rzlich einer der bekanntesten Anh�nger der
Gewinnbeteiligung in Deutschland (FREESE) gebraucht hat. Die
Einrichtung, f�r die das gelten soll, besteht aber darin, da� eine
gewisse Quote des j�hrlichen Reinertrags -- gew�hnlich 10 Proz.
desselben, hie und da auch etwas mehr -- unter die Arbeiter und
Angestellten des Unternehmens verteilt wird, entweder gleichm��ig oder
nach irgendwelchen besonderen Abstufungen. Zu diesem Standpunkte mu� ich
etwas n�her Stellung nehmen; denn es handelt sich dabei um den typischen
Fall, da� eine Einrichtung zu _Unrecht_ den Anspruch macht, als ein
_soziales_ Element im Wirtschaftsleben zu gelten.

Wie also soll man jenes ansehen? Erstens: wie l��t sich die Annahme
rechtfertigen, da� durch diese Lohnform ein Mittel gegeben sei zur
Hebung der wirtschaftlichen Lage des Arbeiterstandes? Das w�rde nur
m�glich sein, wenn kraft der Gewinnbeteiligung der Arbeitsertrag ein
gr��erer w�rde, als er _unter sonst gleichen Umst�nden_ ohne die
Einrichtung sein w�rde, oder wenn er dabei eine mehr gesicherte Form
gew�nne, als es sonst sein k�nnte. Das letztere ist ausgeschlossen, weil
die Gewinnquote noch unsicherer ist als der gew�hnliche Lohn. Die
Wirkung kann also nur in der Erh�hung des Arbeitsertrags selbst gesucht
werden. Nun scheint es freilich ganz klar: Lohn plus Gewinnanteil ist
mehr als Lohn allein. Das ist richtig, aber doch nur so lange, als nicht
etwa _wegen_ der Gewinnquote der eigentliche Lohn sich entsprechend
vermindert. Wenn also die Einrichtung die Bedeutung haben soll, das
_Gesamt_einkommen zu erh�hen, so mu� eine Garantie da sein, da� das, was
der Unternehmer dem Arbeiter am Jahresschlu� zuwendet, nicht vorher am
Lohn erspart worden ist. Hierf�r aber bieten die jetzigen
Wirtschaftseinrichtungen auch nicht die geringste Garantie. Nach dem
geltenden Gewerberecht steht es dem Unternehmer frei, den Lohn jederzeit
beliebig herabzusetzen, entweder direkt, oder indem er dem Arbeiter
k�ndigt und am folgenden Tag, oder nach 14 Tagen, einen anderen
einstellt, der f�r geringeren Lohn zu arbeiten bereit ist. Der einzige
objektive, d. h. nicht auf den guten Willen der Personen gestellte
Regulator der Lohnbestimmung ist das Verh�ltnis von Bedarf und Angebot
in Arbeitskr�ften. Nach diesem aber reguliert sich nicht der Lohn f�r
sich, sondern das _Gesamt_einkommen des Arbeiters, also im Fall der
Gewinnbeteiligung die Summe von Lohn plus Gewinnquote. Letztere z�hlt
dabei mit ihrem mutma�lichen Betrag immer mit, bewu�t oder unbewu�t.

Nun mu� in Betracht gezogen werden, da� bei der gro�en Mehrzahl aller
industriellen Unternehmungen das Lohn- und Gehaltkonto der weitaus
gr��te Posten im Unkostenkonto ist, also mehr als jeder andere Posten
den Reinertrag beeinflu�t. Die kleinste Ersparnis nach dieser Richtung
hin bedeutet also eine relativ hohe Vermehrung des Reingewinns. So w�rde
in den meisten Betrieben, wenn am Lohn- und Gehaltkonto auch nur 3 Proz.
gespart werden, eine Vermehrung des Reingewinns um 10 Proz. oder mehr
herauskommen und verteilt werden k�nnen. Beim Fehlen jeder Einrichtung,
die ein Moment der Stetigkeit in die Lohnbestimmung bringen, den
Gesamtarbeitsertrag der blo�en Regulierung nach Angebot und Nachfrage
entziehen k�nnte, besteht also kein Hindernis, die Gewinnbeteiligung
einzuf�hren, die auf sie kommende Leistung aber an L�hnen und Geh�ltern
bis auf den letzten Pfennig wieder zu ersparen.

Bedenkt man nun das eben Gesagte, da� fast �berall eine kleine Ersparnis
am Lohn eine gro�e prozentige Steigerung der Gewinnquote herbeif�hrt, so
l��t sich nicht leugnen, da� die Gewinnbeteiligung unter Umst�nden sogar
die Tendenz gewinnen kann, den Arbeitsertrag herabzudr�cken, zu mindern.
Als Einrichtung beh�lt sie immer das Ansehen des Freundlichen und
Liberalen. Gerade in diesem sch�nen �u�eren liegt nun eine nicht zu
verkennende Gefahr. Hinter der Dekoration kann sich manches verbergen,
was ohne sie gleich erkannt sein w�rde.

Diese Betrachtungen m�ssen zu dem Resultat f�hren, da� in einem
Lohnsystem, welches durch keinerlei Normen in sich geregelt ist, die
daran geh�ngte Gewinnbeteiligung gar nicht die Bedeutung haben _kann_,
das Einkommen der wirtschaftlich abh�ngigen Personen zu erh�hen -- eher
einen entgegengesetzten Erfolg. Man braucht also der Einrichtung nicht
b�swillig gegen�berzustehen, braucht auch nicht puritanisch jeden
Schmuck an den Dingen abzulehnen und kann doch denen Recht geben, welche
meinen: einstweilen sei es besser, wenn auf dem Wirtschaftsgebiet die
W�nde kahl und nackt dastehen. Jeder sieht dann gleich, aus was f�r
Material sie aufgebaut sind. Wenn sie �bert�ncht und mit Arabesken
verziert sind, sieht man nicht mehr was dahinter steckt.

Als zweites wird von der Gewinnbeteiligung ger�hmt die Verbesserung der
pers�nlichen Beziehungen zwischen Arbeiter und Unternehmer, die
Milderung des Klassengegensatzes.

Gewi� wird das in Betracht stehende Lohnsystem, da seine Anwendung
keinem Zwang untersteht, rein aus freiwilliger Initiative des
Unternehmers hervorgeht, die Arbeiter freundlich ber�hren, insoweit sie
darin den Ausdruck wohlwollender und freundlicher Absicht erkennen. Die
vers�hnende Wirkung ruht dann aber nicht auf der Sache selbst, sondern
auf dem Glauben an die ihr zugrunde liegenden Motive; sie bleibt also
ganz und gar auf dem Niveau der Wirkungen, die liberale Gratifikationen
und sonstige Bet�tigung pers�nlichen Wohlwollens hervorbringen.
Hoffentlich gibt es heute nicht mehr sehr viele, die eine Vers�hnung
oder Milderung der sozialen Klassengegens�tze auf _diesen_ Wegen
erwarten.

Eine tiefer gehende Wirkung kann der Gewinnbeteiligung in diesem Punkt
nur ganz mittelbar beigemessen werden, in denjenigen Konsequenzen, deren
wegen die eingangs erw�hnten grunds�tzlichen Gegner sie perhorreszieren:
da� sie n�mlich Veranlassung bieten mu� zu Diskussionen zwischen
Arbeiter und Unternehmer. Sobald einmal eine solche Einrichtung
eingef�hrt ist, gewinnen die Arbeiter, wenn auch kein formelles, doch
sicher ein moralisches Recht, Erkl�rungen und Erl�uterungen zu verlangen
�ber das Mehr oder Minder, von dem ihr Anteil abh�ngt; es tritt also das
ein, was die Vertreter des Herrenstandpunktes nicht haben wollen: das
Dreinreden, die Kritik. Meiner Ansicht nach ist das allerdings eine sehr
wohlt�tige Wirkung, vorz�glich geeignet, die Klassengegens�tze zu
mildern. Indem man �ber solche Angelegenheiten diskutiert, selbst wenn
es nicht immer in den liebensw�rdigsten Formen gesch�he, mu� jeder sich
bem�hen, den Standpunkt des andern zu verstehen, mu� lernen, auf die
Ideen des andern einzugehen. Und das leitet auch die Vertretung
gegnerischer Interessen in friedliche Wege.

Nachdem in unserm hiesigen Betriebe die Gewinnbeteiligung eingef�hrt
ist, bin ich durchaus gew�rtig, da� obige Konsequenz auch bei uns einmal
kommen wird. Wenn ich es erlebe, f�rchten werde ich mich nicht davor;
indes darf ich auch nicht sagen, da� ich mich darauf freute. Jene
Wirkung wird n�mlich erst eintreten, wenn einmal schlechte Jahre kommen
-- was doch niemand herbeiw�nscht. Solange, es gut geht und ein
Gewinnanteil gezahlt werden kann, werden die Beteiligten stillvergn�gt
ihn einstecken und nichts sagen. Erst wenn er einmal ausbleibt oder
geringer ausf�llt wie erwartet, werden sie kommen und fragen: wie h�ngt
das zusammen, woher r�hrt das? Aber gerade dann wird es gut sein,
Auskunft und Erkl�rung geben zu m�ssen.

Das also w�re schlie�lich der einzige Vorteil, den man der
Gewinnbeteiligung unter dem Gesichtspunkt einer Einrichtung sozialen
Interesses wirklich zuzugestehen h�tte.

Meiner vorherigen Kritik steht nun aber die Tatsache gegen�ber, da� die
Anh�nger der Gewinnbeteiligung auf eine _Erfahrung_ sich berufen k�nnen,
welche das gerade Gegenteil von meiner Ausf�hrung zu beweisen scheint.
Die Statistik zeigt n�mlich, da� fast �berall, wo das System zur
Anwendung gekommen ist, es von guten Folgen begleitet war; �berall zeigt
sich Gewinnbeteiligung verbunden mit relativ hohen L�hnen und �berall,
wo sie eingef�hrt ist, besteht auch ein besonders gutes Verh�ltnis
zwischen Unternehmer und Arbeiter. Man meint, da� dieses Zusammentreffen
doch nicht zuf�llig sein k�nne und schlie�t daraus, da� es die
Wirksamkeit des neuen Lohnsystems beweise. Das scheint in der Tat sehr
einleuchtend. Nichtsdestoweniger kann ich in dieser Art von
Argumentation mit den Tatsachen nur eine grobe Verwechslung eines cum
hoc mit einem propter hoc erblicken.

Da� jenes Zusammentreffen nicht zuf�llig sei, ist auch meine Meinung;
aber es gibt daf�r eine ganz andere Erkl�rung. Bisher n�mlich ist -- von
wenigen zweifelhaften F�llen abgesehen -- die Einrichtung nur von sehr
anst�ndigen Unternehmern ins Werk gesetzt worden, von Leuten, die sich
redlich bem�hten, die Interessen ihres Personals in allem zu f�rdern,
ihren Arbeitern g�nstige Lohnverh�ltnisse zu verschaffen und zu
erhalten, freundliche und friedliche pers�nliche Beziehungen zu ihnen zu
pflegen. Die Einf�hrung des Gewinnanteils erscheint, ihren Motiven nach,
geradezu als Ausflu� und Symptom solcher Gesinnung. Wie k�nnte es nun
anders sein, als da� �berall, wo man sie findet, jene anderen g�nstigen
Umst�nde sie immer begleiten -- nicht als Wirkung und Erfolg des
Lohnsystems, sondern als Haupteffekt der tiefer liegenden gemeinsamen
Ursachen? Wenn auch die Rupps�cke unter den Unternehmern der Einrichtung
sich bem�chtigt h�tten -- was sie aus guten Gr�nden nicht getan haben
und wohl auch sobald nicht tun werden -- so k�nnte die Erfahrung ganz
anders aussehen; die Statistik h�tte dann vielleicht auch Material f�r
die Ansicht geliefert, da� die Gewinnbeteiligung der Deckmantel �dester
Lohndr�ckerei sein k�nne.

Wenn man aber an der Richtigkeit obiger Erkl�rung noch zweifeln k�nnte,
so w�rde der Zweifel gehoben werden bei genauerem Besehen des
Belegmaterials, das die Statistik beibringt. Denn dieses Material zeigt
die von den Anh�ngern der Gewinnbeteiligung behaupteten g�nstigen
Wirkungen auch in solchen F�llen, wo die Gewinnquote nur in ganz
geringen Dosen, beinahe hom�opathisch, zur Geltung gekommen ist -- z. B.
bei Gewinnanteilen, die im Durchschnitt einer Reihe von Jahren kaum mehr
als etwa 1 Proz. des sonstigen Lohnes des Arbeiters und nur in einem
einzigen Jahr �ber 2 Proz. desselben betragen haben. Wenn man auch hier
noch einen Erfolg des Systems vorfindet, so m�ssen seine Wirkungen ganz
geheimnisvoller Art sein. Nun gibt es zwar noch Leute, die in Sachen der
medizinischen Therapeutik an eine spezifische Wirksamkeit minimaler
Dosen glauben; in der sozialen Therapeutik aber gilt keine Hom�opathie.

Angesichts der offenbaren Schw�che des hier kritisierten Standpunktes
mu� wohl die Frage entstehen: wie kommt es, da� doch noch so viele an
diesem Standpunkt festhalten, die Gewinnbeteiligung warm empfehlen als
eine Einrichtung allgemeinen sozialen Interesses, insonderheit als
Mittel zur Hebung der Lage des Arbeiterstandes? Die Erkl�rung dessen
ergibt sich, glaube ich, aus dem fortw�hrenden Hereintragen
philanthropischer und humanit�rer Ideen in die Beurteilung der
Wirtschaftseinrichtungen auch nach der _sozialen_ Seite hin. Die an
sich hocherfreuliche Ausbreitung der Teilnahme an den sozialen
Angelegenheiten in den Kreisen namentlich der Gebildeten steht leider
zum Teil _nur_ unter _solchen_ Ideen, oder unter den Ideen der
christlichen Karitas. Diejenigen nun, deren Interesse an
wirtschaftlichen Einrichtungen aus Motiven _solcher_ Art entspringt,
suchen in diesen Einrichtungen unwillk�rlich in erster Reihe oder ganz
allein die Bet�tigung, wenn nicht von Barmherzigkeit und christlicher
N�chstenliebe, so doch von Wohlwollen und Menschenfreundlichkeit.

Die Ma�nahmen von wirklich sozialer Tendenz aber kommen dieser Stimmung
sehr wenig entgegen. Sie atmen durchaus nicht Wohlwollen und
Menschenfreundlichkeit; im Gegenteil: sie zeigen, nach ihren
unmittelbaren Folgen f�r viele einzelne angesehen, durchweg den Stempel
des Kalten, Harten, R�cksichtslosen. Ich erinnere nur an die offenbaren
H�rten, die das Verbot der Kinderarbeit in der Industrie und die
Einschr�nkung der Frauenarbeit f�r viele mit sich bringt. Erscheint es
nicht ganz abscheulich, armen Leuten zu verwehren, ihre Kinder
mitarbeiten zu lassen, damit sie weniger Hunger leiden m�ssen? �hnlich
aber ist es fast mit allem, was auf sozialen Fortschritt abzielt -- nur
bemerkt man es nicht so leicht. Auch solche Ma�regeln wie z. B.
Verk�rzung und strenge Regelung der Arbeitsdauer, Fixierung von
Minimall�hnen und dergl. sind -- was nur die meisten nicht sehen --
voller Ecken und Kanten f�r viele Beteiligte, f�r die schwachen, wenig
leistungsf�higen Elemente. Und das entspricht ganz der Natur der Sache.
Denn die sozialen Aufgaben beziehen sich nicht auf das Verh�ltnis von
Mensch zu Mensch als Personen, sondern allein auf das Verh�ltnis von
Klasse zu Klasse -- z. B. der Klasse der Lohnarbeiter zur Klasse der
Kapitalbesitzer oder zur Klasse der Unternehmer. Bei der Beurteilung der
Wirkung sozialer Einrichtungen mu� aber die h�here Gerechtigkeit und
Ethik, die auf das Wohl des Ganzen sieht, sich kalt hinwegsetzen �ber
die R�cksichten auf das Wohl einzelner, wo deren Interesse dem Interesse
der Klasse entgegen ist. Unverh�llt mu� also aus den sozialen
Einrichtungen die harte Notwendigkeit herausschauen, da� sozialer
Fortschritt �ber Leichen geht -- �ber die Schwachen und Unf�higen, die
nicht mitkommen k�nnen.

Das alles nun ist denen meist sehr unsympathisch, deren pers�nliche
Anteilnahme an den wirtschaftlichen Angelegenheiten in christlichen,
ethischen, humanit�ren Bestrebungen wurzelt. Daher richtet sich deren
Interesse ausschlie�lich auf solche Veranstaltungen, die in ihren
Triebfedern menschliches Wohlwollen, in ihren Wirkungen ungetr�bte
Zufriedenheit bezeugen. Bei der in Betracht stehenden Lohnform trifft
beides so sch�n zusammen wie kaum bei einer anderen wirtschaftlichen
Einrichtung. Von seinem Besitz an die weniger Beg�nstigten freiwillig
etwas abzugeben, was man von rechtswegen auch f�r sich behalten k�nnte,
ist ebenso menschenfreundlich, wie es f�r den andern Teil erfreulich
ist, etwas zu empfangen, was man nicht zu fordern h�tte. Bei der
Sch�tzung einer so sch�nen Sache kommt nun die Kritik leicht zu kurz.

So illustriert also der Streit um die Frage der Gewinnbeteiligung den
Wettstreit ganz verschiedener Standpunkte der Auffassung und Bewertung
wirtschaftlicher Einrichtungen. Da ist der philanthropische: Wohlergehen
f�r alle! -- damit alle sich gl�cklich und zufrieden f�hlen; da ist der
christliche: Kr�cken f�r die Schwachen! damit sie notd�rftig sich
fortschleppen, nicht ganz zusammensinken; da ist der soziale: _Schild
und Wehr f�r die Kr�ftigen!_ -- damit sie ihre Position behaupten, damit
dem arbeitst�tigen Volk breite Schichten kr�ftiger, widerstandsf�higer
Elemente erhalten bleiben. Dem letzteren Standpunkt allein untersteht
die Sch�tzung der _Einrichtungen_ im Gebiet der Wirtschaftst�tigkeit des
Volks in bezug auf ihre Bedeutung und Wirkung f�r das Ganze. Den beiden
anderen Standpunkten bleibt dabei auch noch ihr Recht -- n�mlich bei der
Beurteilung der Art, wie die Einrichtungen von den Personen angewandt,
gehandhabt werden; denn da verkehrt Mensch mit Mensch, da untersteht das
Tun aller den sittlichen Normen.

Meine vorherige Beleuchtung der Gewinnbeteiligung dr�ckt eine in der
Hauptsache _ablehnende_ Stellungnahme zu ihr aus. Nicht da� ich ihr
jeden Vorteil unter N�tzlichkeitsr�cksichten absprechen wollte; nur
bestreite ich ihr jede gr��ere und allgemeinere Bedeutung in R�cksicht
auf das wirtschaftliche Interesse des Arbeiterstandes. Damit aber meine
nachfolgende Ausf�hrung nicht als hierzu in Widerspruch stehend
erscheine, weise ich ausdr�cklich darauf hin, da� jenes ablehnende
Urteil die Sache nicht schlechthin und bedingungslos trifft, sondern nur
�angebrachterma�en�: _weil_ das Lohnsystem, dem der Gewinnanteil
angeh�ngt wird, im �brigen kein Element der Stetigkeit in sich enth�lt,
keinerlei Garantie daf�r bietet, da� nicht die Gewinnquote dem
gew�hnlichen Arbeitslohn vorher entzogen sei. In der logischen
Konsequenz meiner vorherigen Betrachtung liegt es mithin, da� die
Einrichtung auch eine andere Bewertung erfahren _k�nnte_, falls jenes
�weil� in Wegfall k�me, also die Voraussetzungen des fr�heren Urteils
sich �ndern sollten.

Mangels einer besonderen Veranlassung, die letztere Eventualit�t in
Betracht zu ziehen, habe ich mich f�r die Sache bis vor kurzem nicht
n�her interessiert. Ich bin �fters gefragt worden: wie es komme, da� in
der Optischen Werkst�tte, da in ihr doch mancherlei Einrichtungen zum
Vorteil des Personals best�nden, nicht auch die Gewinnbeteiligung
eingef�hrt sei? Darauf habe ich immer nur geantwortet: das werde mit der
Zeit vielleicht auch kommen, einstweilen aber habe man noch Wichtigeres
zu tun.

Erst vor etwa zwei Jahren hat sich mir der Gesichtspunkt f�r eine neue
Stellungnahme in dieser Angelegenheit ergeben -- als ich an die
Vorarbeiten f�r das im vorigen Jahre festgestellte �_Statut der Carl
Zeiss-Stiftung_� herantrat und dabei vor die Aufgabe mich gestellt sah,
die Grunds�tze der Lohnregulierung, die bei der Optischen Werkst�tte im
Lauf der Zeit sich herausgebildet hatten, zu fixieren, um ihnen auch f�r
die Zukunft dauernde Anerkennung zu sichern. Dabei wurde ich zu meiner
�berraschung inne, da� ich, mir selbst ganz unbewu�t, ein Anh�nger der
Gewinnbeteiligung geworden sei. Es stellte sich n�mlich heraus, da� die
Maximen f�r die Regelung der wirtschaftlichen Interessen des Personals,
die in dem hiesigen Betrieb bis dahin ohne rechtliche Verbindlichkeit,
nur praktisch ge�bt, zur Geltung gekommen waren, durchaus nicht anders
zu rechtsverbindlichen Vorschriften ausgestaltet werden konnten als
dadurch, da� in Zukunft der Arbeitsertrag des Personals zu einem
gewissen Teil von dem jeweiligen Reinertrag des Unternehmens in
geordneter Form abh�ngig gemacht, also in einen Gewinnanteil verwandelt
w�rde.

Die Grundz�ge der Lohnbestimmung, auf die ich hier Bezug nehme, sind in
der Hauptsache durch folgende, in Titel V des �Statuts der Carl
Zeiss-Stiftung�, �� 67, 77 ausgesprochene Vorschriften charakterisiert:

Jeder -- Arbeiter oder Angestellter -- mu� mit einem festen Zeitlohn pro
Woche oder pro Monat, eingestellt werden, der bei aller Akkord- oder
St�ckarbeit als Mindestverdienst gew�hrleistet ist.

Der Zeitlohn, den einer einmal erlangt und durch ein Jahr oder l�nger
fortbezogen hat, kann seitens der Firma nicht wieder herabgesetzt
werden, auch dann nicht, wenn bei ung�nstigem Gesch�ftsgang die Arbeit
eingeschr�nkt wird.

Dem Unternehmer bleibt als Ausweg in solchem Fall zwar die K�ndigung der
Arbeitsvertr�ge; diese jedoch ist vollkommen frei nur gegen�ber solchen,
die erst kurze Zeit im Betrieb t�tig waren. Allen, die drei Jahre oder
l�nger ihm angeh�ren, mu�, wenn ihnen nicht wegen eigenen Verschuldens,
sondern aus irgend welchen R�cksichten des Betriebsinteresses (also
z. B. wegen verminderter Arbeitsgelegenheit) gek�ndigt wird, eine
bestimmte Abgangsentsch�digung gew�hrt werden. Diese betr�gt mindestens
den Lohn f�r ein halbes Jahr, w�chst aber mit der L�nge der Dienstzeit
und erreicht f�r �ltere Leute ein Multiplum des ganzen Jahreslohnes.

Diese Vorschriften enthalten eine starke Beschr�nkung der sonst
geltenden gewerberechtlichen Vertragsfreiheit im Punkte der
Lohnvereinbarung. Der offenbare Sinn und Zweck dessen ist aber: dem
Lohnsystem ein Moment der Stabilit�t einzuf�gen, der Arbeiterschaft
einen gewissen _Mindest_verdienst zu gew�hrleisten, auf den sie im
grossen und ganzen auch in Jahren ung�nstigen Gesch�ftsganges noch
rechnen kann. Denn die Alternative: den festen Lohn ungeschm�lert
fortzuzahlen -- oder k�ndigen und das P�nale zahlen, welches f�r den
Fall der K�ndigung die Abgangsentsch�digung auferlegt, stellen den
Unternehmer unter starken Zwang, immer das �u�erste aufzubieten, um auch
in schlechter Zeit wenigstens die gro�e Mehrheit der Arbeiterschaft noch
auf einem gewissen Einkommensniveau zu erhalten.

Ich mu�te mir nun die Konsequenzen klar machen, die eine derartige
Einrichtung, nachdem sie unter rechtsverbindliche Vorschriften gestellt
ist, nach sich ziehen k�nnte, wenn ihr keinerlei Korrektiv beigef�gt
w�rde.

Angenommen, es h�tten sich im Rahmen jener Vorschriften die
Lohnverh�ltnisse des Betriebs zu irgend einer Zeit einem normalen,
_mittleren_ Gesch�ftsgang des betreffenden Industriezweiges angepa�t, so
da� bei Fortdauer eines solchen ein vern�nftiges Gleichgewicht zwischen
den wirtschaftlichen Interessen des Personals und denen des Unternehmers
dauernd bestehen w�rde. Folgte nun einer solchen Zeit eine Periode der
Depression, so w�rde die Unwiderruflichkeit der vordem gew�hrten
Lohns�tze gerade der Absicht der vorher charakterisierten Einrichtung
entsprechen, das Arbeitseinkommen des Personals nicht unter das Niveau
einer _mittelm��igen_ Gesch�ftslage herabsinken zu lassen. _Das_ zu
leisten soll dem Unternehmer zugemutet sein; und er wird es zu leisten
imstande sein, wofern das vorher angenommene Gleichgewicht bei mittlerem
Gesch�ftsgang ihm noch so viel �berschu� l��t, da� er gen�gende Reserven
gewinnt, um in schlechten Jahren n�tigenfalls zusetzen zu k�nnen.

Angenommen aber, es folge der zuerst gedachten Periode normalen
Gesch�ftsganges eine solche mit erheblich gesteigerter
Wirtschaftst�tigkeit des ganzen Industriezweiges -- was dann? Dann wird,
wenn sie nicht ganz vor�bergehend ist, das Arbeitseinkommmen des
Personals in allen Schichten desselben sicher steigen m�ssen und, falls
die g�nstige Konjunktur l�ngere Zeit anh�lt, allm�hlich einen ihr
entsprechenden H�hestand erreichen. Da� irgend ein Betrieb dieser
Konsequenz sich entziehen k�nnte, ist ganz ausgeschlossen. Dem Personal
einen Anteil an den offensichtlichen Vorteilen eines gehobenen
Gesch�ftsganges vorenthalten zu wollen, w�rde nicht nur eine grobe
Unbilligkeit bedeuten und als solche empfunden werden; es w�rde auch ein
derartiger Versuch, angesichts der in solcher Zeit gesteigerten
Nachfrage nach t�chtigen Arbeitern, das Unternehmen direkter Gefahr
aussetzen, seine besten Kr�fte gerade dann zu verlieren, wenn sie am
dringendsten gebraucht werden.

M��te nun die in solcher Zeit unvermeidliche Steigerung des
Arbeitseinkommens in der Form der _Lohn_erh�hung sich vollziehen, so
w�rden die vorher gekennzeichneten Vorschriften wirken wie ein Rad mit
Sperrklinke, das sich nur vorw�rts drehen l��t, nicht r�ckw�rts. Und
wenn dem gesch�ftlichen Aufschwung eine vielleicht anhaltende Periode
der Depression folgte, m��te der Betrieb mit einem Lohnkonto belastet
bleiben, wie es nicht einer mittelm��igen, sondern einer ungew�hnlich
g�nstigen Gesch�ftslage entspr�che. Und dabei k�nnte auch ein sehr gut
konsolidiertes Unternehmen leicht bankerott werden.

Es gibt nur _einen_ Weg, die vorher benannten Vorschriften der
Lohnregulierung durchzuf�hren und den zuletzt gedachten Konsequenzen
dabei zu entgehen: das tats�chliche Arbeitseinkommen des Personals mu�
in zwei Teile zerlegt werden; der eine von diesen, der Lohn (oder
Gehalt), der unwiderruflich sein soll, darf keiner R�cksicht auf
aufsteigende Konjunktur oder gehobenen Gesch�ftsgang unterworfen
sein, mu� vielmehr bemessen werden k�nnen nach den normalen,
durchschnittlichen Wirtschaftsbedingungen des Betriebes; der andere
Teil mu� sich, von der durch den Lohn gegebenen Grundlinie aus,
aufsteigendem Gesch�ftsgang anpassen und diejenige Erh�hung des
Arbeitsertrags bringen, die dem Personal als Anteil an den Vorteilen
g�nstiger Konjunktur zukommen mu�.

Dieser Gedankengang f�hrt ohne weiteres auf die Gewinnbeteiligung,
n�mlich auf die Erg�nzung des gew�hnlichen Lohnes durch eine vom
Reinertrag abh�ngige Zusatzquote; denn der Reinertrag des Unternehmens
gibt den einzigen objektiven Ma�stab f�r die g�nstige oder weniger
g�nstige Wirtschaftslage. Er f�hrt auch ohne weiteres auf die in � 98
des genannten Statuts vorgeschriebene _Form_ des Gewinnanteils: dieser
ist nach Schlu� eines jeden Gesch�ftsjahres auszuwerfen als
nachtr�glicher prozentualer Zuschlag auf _alle_ im Lauf des Jahres
ausbezahlten Geh�lter, Zeitl�hne und Akkordl�hne und ist in dem jeweils
festgestellten Prozentsatz ganz gleichm��ig an alle -- Arbeiter wie
Beamte -- auszubezahlen, jedem nach Verh�ltnis seines im abgelaufenen
Jahr tats�chlich verdienten Lohnes oder Gehaltes. Von dem Gewinnanteil
ausgeschlossen sind nur die Mitglieder des Vorstandes der Firma, n�mlich
die Personen, in deren Hand die Feststellung der Gewinnquote gelegt ist
-- damit ihnen dabei das Ansehen v�lliger Uninteressiertheit gewahrt
bleibe.

In obigem Zusammenhang erh�lt nun die Gewinnbeteiligung, wie sie im
vorigen Jahre bei der hiesigen Optischen Werkst�tte eingef�hrt wurde,
eine g�nzlich andere Beziehung auf die wirtschaftlichen Interessen der
Arbeiter (und Angestellten), als unter den von mir kritisierten anderen
Gesichtspunkten diesem Lohnsystem zugedacht war. Der Gewinnanteil soll
dem Arbeiter in guten Jahren durchaus nicht mehr zuwenden, als in
solcher Zeit auch sonst ihm zukommen w�rde; Lohn plus Gewinnquote soll,
der Absicht nach, nur _dasselbe_ sein, was ohne die Einrichtung der Lohn
allein ihm bringen m��te. Dennoch bedeutet die Einrichtung eine wichtige
Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Arbeiterschaft -- mittelbar,
durch dasjenige, was sie erm�glicht f�r _schlechte_ Jahre, f�r Zeiten,
wo von Gewinnquoten keine Rede ist. Denn sie erm�glicht (wie vorher
ausgef�hrt) Normen der Lohnvereinbarung festzustellen, die den Arbeiter
dagegen sichern, in schlechten Jahren seinen Arbeitsverdienst _unter_
ein bestimmtes Niveau herabgedr�ckt zu sehen. Die Gewinnbeteiligung
erscheint unter diesem Gesichtspunkt als unentbehrliches Erg�nzungsglied
eines strengeren Lohnsystems, welches darauf abzielt, den gew�hnlichen
normalen Lohn auch in Zeiten ung�nstiger Wirtschaftslage als
Mindestverdienst zu gew�hrleisten -- also dem vorbeugen kann, da� auf
der R�ckseite jeder Welle gehobener Wirtschaftst�tigkeit eine gro�e Zahl
von Existenzen mit dem Herabsinken in das Proletariat bedroht sei.

Die Zeit, die mein Vortrag in Anspruch nehmen darf, gestattet nicht,
auch noch darzulegen, wie die in dem hiesigen Betrieb eingef�hrte
Gewinnbeteiligung im einzelnen geregelt worden ist. Indes geh�ren diese
Einzelheiten auch nicht wesentlich zu meinem Thema. F�r letzteres gen�gt
es, die Gesichtspunkte dargelegt zu haben, unter welchen die Einrichtung
hier angesehen wird, und das Verh�ltnis, in welches sie daraufhin zu den
gleichnamigen Veranstaltungen in anderen Industriebetrieben tritt. Ich
schlie�e nun, um beides nochmals zusammenzufassen und um zugleich meine
pers�nliche Stellungnahme zu den er�rterten Fragen nochmals kurz
charakterisiert zu haben, mit einem Bild:

In dem Wirtschaftsgef�ge der Optischen Werkst�tte finden sich zwei
Balken, auf welche wichtige Interessen ihrer Arbeiterschaft sich
st�tzen. Der eine ist ein strenges Lohnsystem, durch welches der
Unternehmer zu bestimmten Mindestleistungen auch f�r Zeiten ung�nstiger
Wirtschaftslage wirksam engagiert wird; der andere ist die finanzielle
Kraft des Unternehmens, von der die Durchf�hrung jenes Lohnsystems
abh�ngt. Solange beide Balken zusammenhalten, hofft man, da� die
Arbeiterschaft auch in schlechten Zeiten festen Boden unter den F��en
behalten und da� in Jena die b�rgerliche Gemeinde dauernd von den Lasten
verschont bleiben werde, die anderw�rts ihr aus der Entwicklung der
Gro�industrie erwachsen sind. Damit aber beide Balken zusammenhalten,
m�ssen sie verbunden sein durch einen besonderen Bolzen: das ist die
Gewinnquote, die in guten Zeiten einen Teil des Arbeitseinkommens von
den Schwankungen des Gesch�ftsganges abh�ngig macht. An diesem Bolzen
sitzt nun auch, nach au�en allein sichtbar, eine h�bsche Rosette: das
Erfreuliche, was der Gewinnanteil f�r die Beteiligten hat. Das
Bedeutsame aber ist nicht die Rosette, sondern der Bolzen.

Fu�noten:

[Fu�note 19: [Dieser Gedanke ist im folgenden Vortrag weiter ausgef�hrt,
s. S. 120 ff..]]

[Fu�note 20: [d. h. diesem, nicht zu verwechseln mit den in neuerer Zeit
verschiedentlich versuchten und lebhaft diskutierten Pr�miensystemen von
HALSEY</SC>, <SC>ROWAN u. a.]]




IV.

�ber die Grundlagen der Lohnregelung in der Optischen Werkst�tte.

Rede, gehalten in einer allgemeinen Versammlung der Gesch�ftsangeh�rigen
der Firma Carl Zeiss am 15. Dezember 1897.

Als Manuskript gedruckt. Jena 1903,


[Aus dem Vorwort des Herausgebers zum erstmaligen Abdruck.

Als vor nahezu sechs Jahren eine _Neuregulierung der Akkords�tze_ in
mehreren Abteilungen des Betriebs sich erforderlich machte, wurde diese
Ma�regel von dem Senior der Gesch�ftsleitung, Herrn Professor ABBE, in
einer l�ngeren Rede eingehend erl�utert und begr�ndet. Es schien der
Gesch�ftsleitung zweckm��ig, den Inhalt jener Rede allen Mitgliedern des
Betriebs in Erinnerung zu bringen und sie zu diesem Zweck durch den
Druck vervielf�ltigen zu lassen.

Hierf�r stand nur eine auf Grund eines Stenogramms ausgearbeitete
Niederschrift des Herrn Redakteur Wolf zur Verf�gung. Leider war diese
Niederschrift trotz der angewandten Sorgfalt an mehreren Stellen zu
unvollst�ndig, um einen erkennbaren Sinn zu geben und es war auch leider
vers�umt worden, die Niederschrift gleich nach ihrer Fertigstellung, als
Sinn und Wortlaut der Rede noch in frischer Erinnerung stand, von
berufener Seite erg�nzen bezw. berichtigen zu lassen.

Angesichts dieser Sachlage schien es das Richtigste, _an dem
vorliegenden Text m�glichst wenig zu �ndern_. Nur hier und da ist eine
zum Verst�ndnis n�tige Partikel eingef�gt, eine offensichtlich falsche
Konjugationsform verbessert, die wenigen ganz unverst�ndlichen Abs�tze
sind weggelassen worden[21]; im �brigen aber ist die zur Verf�gung
stehende Niederschrift auf den folgenden Seiten _w�rtlich abgedruckt_.
Die vom Unterzeichneten zur Erleichterung des Verst�ndnisses hier und da
hinzugef�gten Worte sind durch [] als solche gekennzeichnet.

Auf diese Weise haften der Rede zwar alle stilistischen und sprachlichen
M�ngel noch an, die eine ganz frei, ohne jedes Konzept gehaltene, fast
drei Stunden w�hrende Rede wohl stets aufweisen wird und die durch eine
verh�ltnism��ig geringf�gige Umarbeitung h�tten beseitigt werden k�nnen.
Es ist aber daf�r die m�glichste Gew�hr gegeben, da� der _urspr�ngliche
Sinn der Ausf�hrungen unverf�lscht_ zur Wiedergabe gelangt. �ber jene
formellen M�ngel wird sich der um das Verst�ndnis der Sache, des Inhalts
der Rede, bem�hte Leser leicht hinwegsetzen. Hoffentlich findet der
Urheber der Rede selbst noch einmal die Mu�e, seine damaligen einen so
wichtigen Gegenstand behandelnden Ausf�hrungen durchzusehen, zu
�berarbeiten und zu vervollst�ndigen.

_Jena_, 20. August 1903.

                                        Dr. S. Czapski
                                                   i. A.]

       *       *       *       *       *


_Werte Arbeitsgenossen!_

Schon im vorigen Sommer habe ich aus einem �u�eren Anlasse Anregung
entnommen, in diesem Saale und in diesem Kreise Erl�uterungen zu dem
Statut der Carl Zeiss-Stiftung zu geben und zwar �ber das
Rechtsverh�ltnis der Betriebe der Carl Zeiss-Stiftung zu Staat und
Gemeinde[22]. Ich habe damals schon gesagt, da� ich wohl noch mehrmals
Veranlassung haben w�rde, auf allgemeine Angelegenheiten -- im Sinne
einer Erl�uterung des Statuts der Carl Zeiss-Stiftung -- zur�ckzukommen.

Ein solcher Anla� ist auch jetzt gekommen. Sie wissen aus den
Mitteilungen, die wir zun�chst dem Arbeiterausschu� gemacht haben und
die Ihnen inzwischen von diesen Herren zugegangen sind, da� in unserem
Kreise Interessenunterschiede, Interessengegens�tze sich herausgebildet
haben, die bisher ja auch bestanden, aber nur im kleinen, und die als
solche auch meist unter der Oberfl�che ausgetragen worden sind. Jetzt
eigentlich sind sie erst mit einem Male an die Oberfl�che gekommen und
erfordern eine planm��ige Ausgleichung. Da es sich dabei aber
haupts�chlich um die Frage einer ver�nderten Regelung der
Arbeitsl�hnung, um das Verh�ltnis der Akkord- zur Zeitarbeit handelt,
kann die Er�rterung der Gesichtspunkte, unter welchen diese spezielle
Angelegenheit von uns zu behandeln ist, nicht eher erfolgen, als bis die
Beteiligten sich klar machen, was _denn das Verh�ltnis sei zwischen
Unternehmer und Arbeiter in unserm Kreise_, zwischen der Firma als
Tr�gerin, Repr�sentantin und Inhaberin des Betriebes und der Gesamtheit
der arbeitst�tigen Personen im Betriebe -- zu denen ich bitte, auch mich
und alle meine Kollegen zu rechnen. Denn ich w�rde es sehr �belnehmen,
wenn man mich und alle diejenigen, welche nicht am Schraubstock und an
der Drehbank arbeiten, nicht zu den �_arbeitst�tigen_� Personen im
Betriebe z�hlen wollte. In diesem Sinne bedarf das im Statut fixierte,
seit dem vorigen Jahre bekanntgegebene Verh�ltnis zwischen Unternehmer
und Arbeiter in unserem Betriebe einer Erl�uterung, damit die richtigen
Gesichtspunkte f�r die Beurteilung und Ausgleichung dieser Differenzen
sich ergeben.

Ich mu� etwas weit ausholen und komme erst sp�t auf das eigentliche
Thema: die Darlegung unserer Stellungnahme, unserer Absichten auf
Erledigung der Sache im einzelnen, zu sprechen. Ich mu� Sie bitten, mir
Ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden und sich darauf gefa�t zu machen, da� Sie
mir vielleicht anderthalb Stunden zuh�ren m�ssen.

In gewisser Art haben unsere Einrichtungen eine Probe zu bestehen, ob
sie den Boden bilden k�nnen, auf welchem Interessengegens�tze,
Interessenstreite auf sachlichem Wege, ohne Ha� und Erbitterung, auf
friedlichem Wege, zum Austrag gebracht werden k�nnen. Ehe ich zu diesen
einleitenden Er�rterungen: welches ist das Verh�ltnis zwischen
Unternehmer und Arbeiter in unserem Betriebe, �bergehe, will ich aber
doch ein paar Worte vorausschicken, um die Mi�stimmungen, die ich aus
manchen Anzeichen und �u�erungen entnommen habe, zu beschwichtigen und
die Bef�rchtungen zu zerstreuen, als ob unsere Arbeiter der Gefahr einer
schweren Beeintr�chtigung ihrer Interessen ausgesetzt seien. Hierzu will
ich kurz bemerken: es handelt sich bei allen um eine materiell relativ
geringf�gige Sache, um eine K�rzung der Akkords�tze in einem gewissen
prozentischen Verh�ltnis. F�r diejenigen, welche die Reform am
h�rtesten trifft, w�rde es bei gleich g�nstigen Resultaten des
Gesch�ftsganges wie im vorigen Jahre nicht mehr bedeuten, als eine
K�rzung um 5 oder 6 Proz. des Einkommens ausmacht, das sie bei dem
Fortbestand der bisherigen Einrichtung erhalten w�rden. Das ist eine
Sache, die materiell keine gr��ere Bedeutung hat, als in
entgegengesetztem Sinne die Einrichtung, welche wir vor 3 Jahren
begonnen und in diesem Jahre zu Ende gef�hrt haben, verm�ge welcher
jeder 16 Tage im Jahre, die er nicht arbeitet, voll bezahlt erh�lt. Das
hat auch etwa 5 Proz. des gesamten Arbeitsertrages, im Sinne einer
_Erh�hung_, ausgemacht und mehr ist es f�r keinen, was ihm
m�glicherweise entgehen k�nnte. Und ferner handelt es sich nicht etwa --
was ich ganz besonders hervorheben m�chte -- um das Bem�hen, den
Arbeitsertrag der einzelnen zu mindern, damit die _Firma_ einen gr��eren
Ertrag erh�lt, sondern lediglich darum, eine _gerechtere und
vern�nftigere Verteilung_ des Arbeitsertrages in seiner unverminderten
Gr��e herbeizuf�hren. Alle diejenigen, welchen infolge der
beabsichtigten �nderungen etwas entzogen wird, haben das Minder nicht
abzugeben an die Firma, sondern nur an ihre Genossen, an andere, die
bisher benachteiligt waren.

Dieses alles vorausgeschickt, komme ich zu dieser Frage: was ist das
Verh�ltnis zwischen Arbeiter und Unternehmer in unserem Kreise? Was ich
er�rtern will, geschieht unter Berufung auf Titel III, IV und VI des
Statuts der Carl Zeiss-Stiftung. Ich will auf einzelnes dabei nicht
eingehen, ich sage nur: wer diese Titel aufmerksam liest, mu� sofort zu
dem Resultate kommen, da� die Optische Werkst�tte, wie sie seit
Errichtung des Statuts der Carl Zeiss-Stiftung dasteht, seit 1890,
nichts anderes ist, als eine _Produktivgenossenschaft in Beziehung auf
die wirtschaftlichen Interessen_. Denn seit dieser Zeit -- bekannt ist
dieser �bergang erst seit Juli 1891, w�hrend die Firma tats�chlich seit
1. Oktober 1890 nicht mehr auf Rechnung der fr�heren Inhaber, sondern
auf Rechnung der Carl Zeiss-Stiftung gef�hrt wurde -- gelten die Normen,
welche im vorigen Jahre ver�ffentlicht worden sind[23]. Danach ist also
der Inhaber der Firma kein einzelner, kein Mensch, auch keine Mehrheit
von Menschen; es ist eine _juristische Person_. Eine juristische Person
aber ist ein Wesen, welches nicht i�t und nicht trinkt, welches sich
nicht zu kleiden braucht, keine Luxusbed�rfnisse hat, keine
Verschwendung treiben und sich nicht bereichern kann, auch keinen
pers�nlichen Vorteil herbeif�hren kann aus seiner Stellung als
Unternehmer. Diese juristische Person vertritt auch nicht, wie etwa bei
Aktiengesellschaften, das Interesse von Kapitalisten oder
kapitalistisches Interesse �berhaupt; denn das Kapital, welches wir
brauchen, das mu� die Stiftung f�r die Arbeit der Firma dieser in der
H�he zur Verf�gung stellen, wie es die fortschreitende Entwicklung eines
Betriebes erfordert, ohne da� sie nach Dividenden fragt, oder danach, ob
sich die Hergabe des Kapitals rentiert. Die Rentabilit�t braucht niemals
�ber den gew�hnlichen Hypothekenzinsfu� hinauszugehen und kann deshalb
auch nicht geeignet sein, den Wert des Kapitals sp�ter zu steigern. Es
ist nicht so, wie bei Aktien, die sp�ter verkauft werden zu einem
Mehrwert von 150 bis 200 Proz. Das gibt es bei uns nicht. Das Kapital
hat der Arbeit gegen�ber lediglich zu beanspruchen den festen
Hypothekenzins, zu dem zurzeit Kapital hierzulande verliehen wird, und
eine Risikopr�mie von 1 Proz. f�r die Verlustgefahr, der jede solche
Hypothek ausgesetzt ist und die auch f�r die unsrige in Anrechnung
gebracht werden mu�. Wir haben beinahe 1/2 Million Mark bei einem
derartigen wie dem gegenw�rtigen Gesch�ftsgang in Ausstand, und da kann
es leicht vorkommen, da� bei Handelskrisen oder Kredit�berstiegen uns
gr��ere Verluste erwachsen. Deshalb mu� auch bei uns die Arbeit noch 1
Proz. extra dem Kapitalbesitzer abgeben.

Dieser Kapitalbesitzer ist zum Teil die Stiftung selbst, zum Teil sind
es fremde Gl�ubiger, die ihre 4 Proz. bekommen auf Grund der
ausgegebenen Obligationen. Dadurch wird dem Bed�rfnis der Arbeit, durch
bessere Werkzeuge usw. sich g�nstigere Bedingungen zu schaffen, gen�gt.
Dieses Kapital mu� die Stiftung immer zur Verf�gung stellen und zwar in
dem Betrage, in dem es die fortschreitende Entwicklung eines Betriebes
erfordert. Wenn Sie auf dem heute ausgeteilten Blatt[24] die Ziffern
ansehen, so k�nnen Sie leicht ausrechnen, wie gro� unser Kapitalbedarf
ist. Jeder Arbeiter bei uns, vom j�ngsten bis zum �ltesten, braucht
ungef�hr 3000 Mark und f�r jeden einzelnen, der in unseren Betrieb
eintritt, wird dieser Betrag zur Verf�gung gestellt, so da� es so gut
ist, als ob er selbst diese 3000 Mark mitbr�chte.

Der Umstand, da� dieses Kapital immer da ist, nicht entzogen werden
kann, nicht in der Lage ist, Dividenden zu fordern, nicht mehr als den
blo�en Zins, bedeutet praktisch, _da� bei uns das Kapital nicht Herr der
Arbeit ist, sondern Diener der Arbeit_. Der Zins mu� in derselben Weise
gegeben werden, wie man zum Beispiel seinen Diener bezahlen mu�. Es
bedeutet aber weiter noch, da� dieses _Kapital tats�chlich den Charakter
eines Kollektivbesitzes erh�lt_ und zwar gegen�ber der Gesamtheit der
Personen, die in unserem Betriebe t�tig sind. Mit diesem Kapitalbesitz
der Stiftung verh�lt es sich ungef�hr so, wie mit dem Kapitalbesitz
einer Gemeinde gegen�ber ihren B�rgern; es geh�rt den B�rgern, nicht
einzelnen, aber sie haben als Gesamtheit das Kapital zur Verf�gung in
den Wirtschaftsbetrieben der Gemeinde, zur Erleichterung der Lasten usw.
Also alle haben teil an dem Vorteil, obwohl sie keinen pers�nlichen
Anspruch besitzen; es geh�rt ihnen und auch nicht, denn sie k�nnen es
nicht wegnehmen, nicht an ihre Kinder vererben, sondern nur an ihre
Nachfolger, an zuk�nftige B�rger.

Ganz so ist es in bezug auf das Verh�ltnis des Kapitalbesitzes der
Stiftung zu der Arbeitst�tigkeit unserer Genossenschaft: es ist wie ein
Kollektivkapital, welches nicht einem einzelnen gegeben, ihm aber auch
nicht entzogen werden kann. Es ist ganz �hnlich wie in einer
Genossenschaft, welche aus ihren Mitteln einen Kapitalbesitz erworben
hat zu gemeinsamer Arbeit, nur mit dem Unterschied, da� dies Kapital
nicht weggetragen werden kann. Von einer Genossenschaft unterscheidet
sich unser Verh�ltnis nur dadurch, da� es bei dem Austritt eines
einzelnen aus unserm Kreise keine K�ndigung und keine R�ckzahlung des
auf ihn entfallenden Kapitalbetrages gibt, wie es ja beim Eintritt auch
keine Einzahlung gibt.

Nun ist die Frage: welches Interesse vertritt denn nun die Firma als
Unternehmer dem einzelnen gegen�ber, wenn sie nicht das Interesse des
Kapitals vertritt? Die Frage ist nur so zu beantworten: sie vertritt das
_Interesse der Gesamtheit aller arbeitst�tigen Genossen gegen�ber dem
Interesse aller einzelnen_, das Interesse der _dauernden Gemeinschaft
aller_ gegen�ber den Interessen, _welche die einzelnen jeweils_ haben.
Sie hat also im besonderen die _Verteilung des Ertrags der Arbeit_
zwischen den Arbeitenden und der Genossenschaft zu regeln, und es ist
die Firma Carl Zeiss nur der Name f�r diese Arbeitsgenossenschaft in
ihrem dauernden Bestand, nach der Idee eines dauernden, bleibenden
Wesens -- im Unterschied zu dem zuf�lligen Personenkreis, der jeweils
die Genossenschaft bildet.

Fragen wir danach: _Inwiefern sind denn diese Interessen verschieden_,
das Interesse der Genossenschaft als solcher und das Interesse der
einzelnen? Es scheint auf den ersten Blick, als ob da gar kein
Unterschied vorhanden w�re, als ob das ein und dasselbe sei. Aber das
ist nur scheinbar. In der Tat besteht zwischen diesen beiden Dingen,
zwischen der Gesamtheit aller einzelnen, die jeweils eine Genossenschaft
bilden, ihrem Interesse und dem Interesse der Genossenschaft als solcher
ein sehr deutlicher Unterschied. Erstens besteht das Interesse eines
einzelnen Gliedes einer Genossenschaft darin, einen m�glichst gro�en
Vorteil an der gemeinsamen Arbeit zu haben, ohne jede weitere R�cksicht
auf andere Personen und Umst�nde; jeder steht sich am besten, wenn er zu
irgend einer Zeit m�glichst viel bekommt. Dagegen hat die Genossenschaft
ein Interesse daran, _nicht_ den ganzen Arbeitsertrag zu verteilen,
sondern einen Teil des Ertrags dieser gemeinsamen Arbeit
zur�ckzubehalten als gemeinsamen Besitz, als Kollektiveigentum f�r die
verschiedensten Interessen, die ich noch erw�hnen werde.

Diese Interessen stehen zu einander im deutlichen Gegensatz, genau so
wie die Gesamtheit aller B�rger einer Gemeinde im Gegensatz steht zur
Gemeinde als solcher. Die Gesamtheit der B�rger in Jena w�rde sich
beispielsweise am besten stehen, wenn die Gemeinde eines sch�nen Tages
ihr ganzes Eigentum unter die B�rger verteilte, es k�me dann auf jeden
einzelnen gewi� der Betrag von 20 M. Viele w�rden sicher damit
einverstanden sein. W�rde die Gemeinde aber nicht besser tun, wenn sie
die Ertr�gnisse dieses gemeinsamen Besitzes, die �bersch�sse etwa aus
der Brauerei und dem Gaswerk, statt sie zu verteilen, zu n�tzlichen
Anlagen und andern der Gesamtheit dienenden Einrichtungen verwendete?
Gewi�! Und jedermann sieht, da� die erste Methode vollkommen widersinnig
ist. Die Verteilung darf nicht eintreten, obwohl sie dem Interesse des
einzelnen entspr�che; die Gemeinde darf sie deshalb nicht vollziehen,
weil sie auch das Interesse derjenigen B�rger wahrzunehmen hat, welche
nach 20 oder 30 Jahren kommen. Der Kollektivbesitz mu� gewahrt und
erhalten werden, und seine Ertr�gnisse d�rfen als Kollektiverwerb nicht
verteilt werden.

Genau so ist es in unserm Kreis. Obwohl von der Stiftung kein anderes
Interesse vertreten werden kann, als das Interesse einer Genossenschaft
als solcher, so ist damit ein _Interessengegensatz_ gegeben, der in alle
Angelegenheiten hineinspielt. Aus materiellen Gesichtspunkten mu� die
Firma darauf halten, einen Teil des gesamten Arbeitsertrages als
Kollektivbesitz zu erhalten und nicht zur Verteilung zu bringen. Es
entsteht die Frage: nach welchen Grunds�tzen und Theorien soll dieser
Teil ermittelt werden?

Sie werden mir nun freilich sagen, wenn ich behaupte, in Hinsicht auf
die Regelung der wirtschaftlichen Interessen sei die Firma eine
Produktivgenossenschaft: das ist mir eine sch�ne Genossenschaft, bei der
die Genossen in wichtigen Dingen, in bezug auf Leitung und Verwaltung
des Ganzen, _nichts zu sagen haben_. In einer Genossenschaft hat die
Generalversammlung zu bestimmen; sie kann einen Vorstand oder
Aufsichtsrat, mit dem sie nicht mehr zufrieden ist, absetzen und einen
neuen w�hlen. Viele von Ihnen werden sagen: Hier m�ssen wir uns einen
von dem Stiftungsstatut[25] oktroyierten Vorstand gefallen lassen, von
dem vielleicht viele der Meinung sein werden, da� sie ihn im n�chsten
Jahre absetzen w�rden, wenn sie dar�ber zu bestimmen h�tten!

Ich bin weit entfernt, Sie �ber diesen Unterschied hinwegt�uschen zu
wollen. Im Gegenteil; wenn ich Veranlassung genommen habe, zu sagen, da�
die Firma hinsichtlich der Regelung ihrer wirtschaftlichen Interessen
seit sieben Jahren eine _Produktivgenossenschaft_ geworden ist, so habe
ich ein besonderes Interesse, gleich hinzuzuf�gen: aber _nur
hinsichtlich der Regelung der wirtschaftlichen Interessen -- nicht auch
in Hinsicht auf die Verwaltung und Leitung_. Ich achte den, der sagen
wird: ich w�rde die Genossenschaft ganz anders leiten. Ich berufe mich
aber darauf: _alle die Schritte, welche seit zwanzig Jahren zum Wohle
der Firma unternommen worden sind, w�rden niemals getan worden sein von
dem gew�hlten Genossenschaftsvorstand einer Generalversammlung_, weil es
schon Schwierigkeiten genug gemacht hat, nur zwei bis vier Personen zu
�bereinstimmenden Entschlie�ungen zu bringen. Alle diese Entschlie�ungen
w�ren nicht zustande gekommen, wenn auch nur zehn Personen dabei
mitzuwirken gehabt h�tten.

_Wir sind keine Genossenschaft in Bezug auf Verwaltung und Leitung der
Aktion_. Und im Vertrauen sage ich Ihnen: Seien Sie alle froh dar�ber!
Denn es ist noch kein Versuch gelungen, Genossenschaften auf
industriellen Gebieten mit Erfolg zu halten, die auch hinsichtlich der
Verwaltung und Leitung Genossenschaften gewesen w�ren. Meinem verehrten
Freunde ROTHE[26] bin ich jeden Tag dankbar daf�r, da� er vor zehn
Jahren einen ziemlich chaotischen Gedankenkreis bei mir auf einmal
erleuchtete mit dem Wort �Juristische Person�. Er hat damit den Weg
gezeigt, in unserem Kreise alle Vorteile der genossenschaftlichen
Organisation hinsichtlich der Regelung der wirtschaftlichen Aktion zu
erreichen und in weiter Ferne die Klippen zu lassen, an denen alle
�hnlichen Versuche bisher gescheitert sind, weil der einf�ltigste
Unternehmer immer noch der gescheitesten Genossenschaft voraus ist.

Nun m�gen Sie aber hier�ber denken wie Sie wollen; wenn Sie auch
vielleicht der Meinung sind, es st�nde besser, wenn dieser Verband von
1000 Personen auch hinsichtlich der Leitung der Aktionen eine
Genossenschaft w�re -- bestreiten k�nnen Sie nicht, da� diese Leute, die
diesen oktroyierten Vorstand bilden, _keine anderen Interessen
vertreten k�nnen_, als ein Vorstand, den Sie vielleicht in einer
Generalversammlung w�hlen w�rden. Der Sache nach kann auch dieser
gegebene Vorstand kein anderes Interesse vertreten, als das der
Genossenschaft als solcher, mit R�cksicht auf deren dauernden Bestand
gegen�ber dem Interesse der jeweils in ihr befindlichen Personen, der
einzelnen und der einzelnen Gruppen.

Ich habe vorhin schon gesagt, was denn der entscheidende Punkt sei, in
welchem die Interessen der Genossenschaft als solcher nicht
zusammentreffen mit den Interessen der Gesamtheit der in ihr verbundenen
Personen, n�mlich da� _der gemeinsame Arbeitsertrag nicht vollst�ndig
aufgeteilt werden d�rfe_, sondern da� ein Teil als Kollektiverwerb
angesehen werden m�sse und der Verteilung entzogen bleibe -- wenigstens
in guten Zeiten.

_F�r welchen Zweck soll das geschehen_? Welches Zweckes wegen soll das
n�tig sein, da� nicht der gesamte Ertrag verteilt wird? N�tig ist das
wesentlich wegen dreier besonderer Anforderungen:

Erstens mu� ein Teil des Arbeitsertrages zur�ckbehalten werden zur
Deckung der gegen�ber den Genossen selbst �bernommenen _zuk�nftigen
Leistungen_, wenn solche der Gesamtheit aller einzelnen
zugesichert werden, wie das ja bei uns der Fall ist durch die
_Pensionseinrichtungen_ und die _Arbeitslosenversicherung_ in der Form
der _Abgangsentsch�digung_.

Zweitens ist es notwendig, da� ein Teil des Arbeitsertrages
zur�ckbehalten wird zur sp�teren Verteilung nicht an die Kinder, sondern
an die Nachfolger. Ich spreche von der Notwendigkeit, einem _wachsenden
Kapitalbedarf durch Mehrung eigenen Verm�gens und erh�hter
Kreditf�higkeit gerecht_ werden zu k�nnen; einem wachsenden
Kapitalbedarf, der dadurch gegeben ist, da� die Genossenschaft ihren
Wirkungskreis durch Aufnahme weiterer Mitglieder quantitativ erweitern
kann, wie dies bei uns sichtlich geschehen ist.

Drittens ist es die _Vorsorge f�r schlechte Zeiten_ im Interesse der
Erhaltung des Ganzen und im Interesse aller jeweils zu der betreffenden
Zeit vorhandenen Genossen. Die Genossenschaft mu� sich so einrichten,
da� sie in schlechten Zeiten mit stockendem Gesch�ftsgang zusetzen kann.

Das sind drei Zwecke, die es n�tig machen, da� eine Genossenschaft unter
allen Umst�nden darauf hinzuwirken hat, da� sie einen angemessenen Teil
des _Arbeitsertrages als Kollektivbesitz_ f�r sich beh�lt, obgleich es
f�r die Genossen immer angenehmer und vorteilhafter w�re, wenn alles
verteilt w�rde.

Ich will zu dieser Aufstellung der drei Zwecke kurz noch einige
Erl�uterungen geben. Zun�chst der letzte: eine Genossenschaft mu� sich
einrichten f�r die Zeit eines eventuellen schlechten Gesch�ftsganges.
Wenn sie das nicht tut, mu� sie gew�rtig sein, da� eine l�nger
anhaltende schlechte Gesch�ftsperiode sie nicht nur unf�hig macht, ihre
Genossen �ber Wasser zu halten, sie nicht auf ein tieferes
Wirtschaftsniveau herabsinken zu lassen, sondern sie mu� auch
bef�rchten, da� sie bankerott wird und die jahrzehntlange gemeinsame
Arbeit verloren geht. Sie kann sich aber darauf nur einrichten, wenn sie
in guten Zeiten einen angemessenen Betrag des gemeinsamen
Arbeitsertrages zur�ckbeh�lt.

Das andere, das Bed�rfnis wachsenden Kapitalbedarfs decken zu k�nnen,
das spitzt sich unter dem Gesichtspunkt meiner Betrachtung dahin zu --
ohne da� die Arbeit in den Dienst des Kapitals kommt, ohne Anerbietung
von Dividenden -- da� die Genossenschaft _kreditf�hig_ bleibt, neues
Kapital heranzuziehen blo� gegen gew�hnlichen Zins, damit der Arbeit
nicht mehr entzogen wird, als �berall der Zins betr�gt.

Der erste Punkt war, da� die Genossenschaft R�cklagen braucht zur
Erf�llung zuk�nftiger Leistungen, welche sie ihren Genossen zugesichert
hat. Das hat bei uns die aktuelle Bedeutung, da� wir Vorsorgen f�r
Deckung von zweierlei Arten von Lasten, die wir �bernommen haben.
Erstens ist es die _Pensionszusicherung_ sowohl f�r die Hinterbliebenen
als auch f�r den Invalidit�tsfall, dann die Zusicherung der
_Altersrente_, wenn ein Genosse ein bestimmtes Lebensalter
zur�ckgelegt hat und ferner das, was bei uns unter dem Namen einer
_Abgangsentsch�digung_ kodifiziert ist, was aber eigentlich nichts
anderes als eine Arbeitslosenversicherung ist.

Ich setze voraus, da� Sie dieser Angelegenheit ein gewisses Verst�ndnis
entgegenbringen. Ich wei� nicht, ob ich schon einmal in einem gr��eren
Kreise mich dar�ber besonders ge�u�ert habe; deshalb will ich heute
einige Erl�uterungen dazu geben. Wir m�ssen 7 Proz. im Durchschnitt
dessen, was wir im Laufe des Jahres an die arbeitst�tigen Personen
abgeben k�nnen, also der L�hne und Geh�lter, als R�cklage zum Zwecke der
Deckung der _Pensionslasten_ rechnen und zwar 7 Proz. schon jetzt, in
der Zeit, wo diese Lasten noch sehr gering sind, damit der Prozentsatz
nicht in sp�teren Jahren sehr viel h�her wird. Wir haben Unterlagen,
nach denen sich einigerma�en sch�tzen l��t, was auf Grund unseres
Pensionsstatuts diese Lasten in sp�teren Jahren betragen werden, wenn
die Zusammensetzung unseres Personals sich einem Ruhepunkt, einem
Beharrungszustand, n�hert. Die verschiedenen Arbeitsklassen unseres
Personals sind jetzt meist aus j�ngeren Leuten zusammengesetzt. Das
Resultat ist, da� wir gefa�t sein m�ssen, j�hrlich etwa 11 oder 12 Proz.
des gesamten Lohn- und Gehaltkontos noch als Pension auszuzahlen.

Es wird Ihnen die Berechnung vielleicht befremdlich hoch erscheinen. Das
wird nicht mehr der Fall sein, wenn ich Ihnen sage, was die
_Witwenpension_ bei uns bedeutet, n�mlich: da� durchschnittlich jeder
verheiratete Mann mit 7-8000 M. von uns in die Lebensversicherung
eingekauft ist zugunsten seiner Hinterbliebenen f�r den Todesfall. Die
H�lfte von den Betr�gen, welche den Jahresaufwand daf�r bilden,
bezahlen die Verheirateten an die Firma ab in der Form der
Pensionsbeitr�ge. Die andere H�lfte dieser Betr�ge zahlt die Firma. In
diesem Jahre hat dieselbe nur etwa 7000 M. betragen[27], in 20 oder 30
Jahren wird sie sich auf etwa 30-40000 M. belaufen.

Noch h�here Zahlen bekommt man, wenn man die Bedeutung unserer
_Altersversicherung_ betrachtet. Jeder, der 65 Jahre alt wird, ist --
wenn er nicht sp�ter als nach dem 25. Lebensjahre in einen
Stiftungsbetrieb eingetreten ist -- mit dem Recht ausgestattet,
dreiviertel seines ihm zuletzt gew�hrten Zeit- oder Wochenlohnes als
Altersrente zu beanspruchen. Die Statistik ergibt, da� auf je 90 Leute
zwischen 18 und 65 Jahren immer einer 65 Jahre alt ist, d. h. da� bei
einer 900 Personen z�hlenden Arbeiterschaft, wenn sie die angegebene
Zusammensetzung aufweist, in jedem Jahre immer zehn das 65. Lebensjahr
erreichen und dann den Anspruch auf die Gew�hrung der Altersrente
besitzen. Nun ist aber die wahrscheinliche Lebensdauer eines 65j�hrigen
Mannes immer noch 10 Jahre. Was ein solcher dann als [kapitalisierte]
Altersrente zu fordern h�tte, betr�gt also immer noch das Neunfache
seines Pensions-Jahresanspruches. Im Durchschnitt werden alle, die bei
uns 65 Jahre alt werden, einen Betrag von 1000 M. als [j�hrliche]
Altersrente beziehen. Zehn erhalten also in einem Jahre 9000 M., in 10
Jahren folglich 90000 M.

Wenn Sie diese Ziffern in Betracht ziehen, wird es Ihnen nicht
auff�llig erscheinen, wenn unsere Rechnung ergibt, da� wegen der
Pensionseinrichtungen 7 Proz. der im Laufe eines Jahres als Lohn und
Gehalt ausgezahlten Summe zur�ckbehalten werden mu�, damit die
durchschnittliche Belastung niemals h�her als 7 Proz. betr�gt, damit die
sp�teren Lasten eine Vorausdeckung haben, damit die Zukunft nicht
ungeb�hrlich belastet wird.

Wir haben noch eine zweite Einrichtung dieser Art und zwar die
Einrichtung, welche bei uns unter dem Namen der _Abgangsentsch�digung_
besteht, die in Wirklichkeit aber, wie ich schon gesagt habe, eine
Versicherung gegen Arbeitslosigkeit ist. Was hei�t es, wenn im Statut
steht, da� jedem, der 3 Jahre bei uns gewesen ist, wenn er nicht mehr
besch�ftigt werden kann -- z. B. in Zeiten schlechten Gesch�ftsganges --
der Betrag seines festen Lohnes f�r ein halbes Jahr bei seiner
Entlassung gew�hrt werden mu�? Das w�rde immerhin gegen�ber dem, was
sonst durch die Einrichtung der Arbeitslosenversicherung geleistet wird,
eine sehr erhebliche Schadloshaltung und Versicherung sein des
pl�tzlichen Arbeitsloswerdens.

F�r denjenigen, der zwischen den Zeilen zu lesen versteht, hat das
aber noch eine ganz andere Bedeutung. Meine Nachfolger in der
Gesch�ftsleitung m��ten n�rrische Kerle sein, wenn sie sich nicht
an den Fingern abz�hlen sollten, da�, wenn 50 Leute zuviel w�ren,
es t�richt w�re, diese ohne weiteres zu entlassen und ihnen die
Abgangsentsch�digung auszuzahlen. Ihnen den halbj�hrigen Lohn mit auf
den Weg geben hei�t soviel, als wenn man sie 3 Jahre lang besch�ftigt
und sie jede Woche einen Tag spazieren gehen l��t oder 1-1/2 Jahre 2 Tage
in der Woche. Nun ist zwar selbstverst�ndlich, da� mit Herausgabe der
Abgangsentsch�digung eine Minderung der Produktion erreicht werden kann,
eine Minderung der laufenden Lasten; man kann dasselbe aber erreichen,
wenn man in dem vorbezeichneten Sinne eine Beschr�nkung der Arbeitsdauer
vornimmt. Praktisch bedeutet diese Zusicherung f�r den Fall der
Nichtbesch�ftigung eine Versicherung dagegen, da� auch in schlechten
Zeiten _solche Leute, die einmal bei uns 3 Jahre lang besch�ftigt sind
und sonst ihren Mann stehen, �berhaupt entlassen werden_.

Dieser zweite Teil unserer Versicherungseinrichtung erfordert auch eine
gewisse R�cklage, die wir auf 2 Proz. berechnet haben. Demnach m�ssen
wir also f�r die �bernommenen Zukunftsleistungen 9 Proz. des gesamten
Arbeitseinkommens dem Arbeitsertrag des einzelnen entziehen und in
R�cklage zu bringen suchen.

Viele von Ihnen werden mir gewi� sagen: Mir w�re es lieber, wenn mir
diese 9 Proz. ausbezahlt w�rden. Manche werden auch sagen: Andere Leute
haben ja auch keine Pension f�r ihre Frauen und Kinder -- �Was schiert
mich Weib, was schiert mich Kind? La� sie betteln gehn, wenn sie hungrig
sind!� Wenn ich invalid werde, bin ich gleichzeitig auch Reichsinvalide;
ich lasse mir den Bettelsack stempeln und dann wird es schon gehen.
Vielleicht wird man unsere F�rsorge deshalb eine dumme Einrichtung
nennen. Nun, ich hoffe ja nicht, da� viele unter uns sind, die solche
Gedanken hegen; sollten aber doch mehrere darunter sein, so sage ich: Es
ist recht gut, da� das _Zwangs_-Einrichtungen sind, denen sich im
eigenen Interesse niemand entziehen kann. Denn es w�re h�chst
_unanst�ndig_ f�r eine Genossenschaft, welche auf einem so g�nstigen
Arbeitsgebiete t�tig ist, wie die unsere, wenn sie der Gemeinde
Armenlasten verursachen wollte. Hier mu� die _Ehre des Unternehmens_
gewahrt werden. _Genossen, die anders denken, wollen wir hier lieber
nicht haben_.

Aber einige sind da, welche sagen k�nnen, ohne da� man sie tadeln kann:
wir haben ja gar kein Interesse an den Abz�gen, weil wir gar nicht
beabsichtigen, dauernd hier zu bleiben. Diese h�tten ein Recht, sich
dar�ber zu beschweren, wenn ich nicht zu ihrem Troste sagen k�nnte, da�
trotz dieser Abz�ge f�r die Zwangseinrichtungen das, was ihnen als
Arbeitsertrag �brig bleibt, sicherlich nicht geringer ist, als es sein
w�rde, wenn sie anderw�rts unter den gleichen Umst�nden ihre
Arbeitskraft anb�ten! Das kommt darauf hinaus, da� ich Ihnen nachweisen
kann, da� diese 9 Proz., welche wir f�r die angegebenen
Versicherungszwecke den Genossen vorenthalten und zur�cklegen m�ssen,
weit weniger betragen, als der gew�hnliche Unternehmergewinn, den jeder
Unternehmer dem Arbeiter abziehen mu�, wenn er nicht dieselben Quellen
des Unternehmergewinnes hat, die uns durch unsere Organisation der
Arbeit erschlossen sind. Also auch diejenigen Leute, die sich diese
Abz�ge indirekt gefallen lassen m�ssen, ohne da� sie Vorteile davon zu
erwarten haben, sind _nicht gesch�digt_ gegen�ber denen, die unter
anderen Umst�nden den Ertrag ihrer Arbeit genie�en.

(Pause.)

Nach den Darlegungen, die ich Ihnen gegeben habe, steht nun die
Er�rterung �ber die Grundlage der Lohnregelung bei der Firma CARL ZEISS
unter der bestimmten Fragestellung: _Wie h�tte eine Genossenschaft den
gesamten Ertrag ihrer T�tigkeit zu verteilen, im Verh�ltnis zu der
Gesamtheit aller Mitarbeiter einerseits und der Genossenschaft als
solcher andererseits?_ Wie h�tte der Vorstand einer Genossenschaft diese
Verteilung zu regeln, wenn er _vern�nftig_ und _gerecht_ sein will?

Die erste Frage ist, was kann und was soll von dem Gesamtertrag
zur�ckbehalten, wenigstens in _guten_ Jahren nicht verteilt werden? was
soll der _Genossenschaft_ als _Kollektivbesitz_ erhalten bleiben? Die
zweite Frage ist dann, nach welchen Grunds�tzen soll nun das zur
Verteilung Bestimmte unter die verschiedenen Gruppen und die einzelnen
verteilt werden? Als erste Frage verbleibt uns also: _Was_ soll verteilt
werden? als zweite Frage: _Wie_ soll verteilt werden?

Wo findet sich etwas in dem gemeinsamen Arbeitsertrag, der durch das
Zusammenarbeiten von 900 oder 1000 Personen gewonnen wird, was der
Verteilung entzogen werden mu�? Es ist nun leicht nachzuweisen, da� jede
Genossenschaft, wie auch jeder Einzelunternehmer in der blo�en
_Organisation der Arbeit_ als solcher eine _Quelle hat f�r den
Mehrertrag der Gesamtarbeit gegen�ber der Einzelarbeit aller Genossen_.

Wenn irgend einer Geld zusammenbringt, um Maschinen und Geb�ude zu
kaufen, Einrichtungen schafft und dann f�nfzig oder hundert Leute in
seinen Dienst nimmt, um irgend eine Marktware herzustellen, f�r die der
Markt noch aufnahmef�hig ist -- wenn das der Einzelunternehmer tut,
entweder f�r sich oder in Form der Bildung einer Genossenschaft, so kann
dieser den Arbeitenden sagen: dadurch, da� Ihr hier zusammenarbeitet,
Kapital zur Verf�gung habt, Maschinen und elementare Kraft benutzen
k�nnt, dadurch, da� die Arbeit verteilt ist, jeder die Arbeit macht, f�r
welche er sich am besten eignet, da� kaufm�nnische Verwaltung
eingerichtet wird, der Absatz geregelt, kaufm�nnischer Vertrieb der
Waren eingef�hrt wird, -- _durch all das wird der Ertrag gr��er, als
wenn jeder nach seinen F�higkeiten allein arbeiten wollte_. Die
Organisation also und das Zusammenarbeiten heterogener Elemente ist die
Quelle eines Mehrwertes und Mehrertrages der Arbeit.

Es gibt einen _Organisationsgewinn_, der einfach daraus entspringt, da�
viele zusammenarbeiten und sich gegenseitig erg�nzen und gemeinsames
Kapital benutzen und dadurch in 5 Tagen oder einer Woche soviel oder
mehr arbeiten k�nnen, als ihnen dies einzeln, getrennt und ohne
gegenseitige Unterst�tzung, in 9 oder 10 Tagen zu leisten m�glich w�re.

Also jede gew�hnliche Organisation, wenn sie nur diese gew�hnlichen
Faktoren erh�hter wirtschaftlicher Leistung der gemeinsamen Arbeit
benutzt, im �brigen nur das macht, was hundert andere ebenfalls machen
-- jede Organisation ist an sich die Quelle eines Organisationsgewinnes.
Und jede dieser Organisationen h�tte so gut wie jeder Privatunternehmer
oder eine Genossenschaft das Recht zu sagen: ein Teil dessen, was auf
diese Weise mehr erreicht wird, als was die einzelnen ohne die
Organisation oder ohne die Genossenschaft erreichen k�nnten, darf nicht
verteilt werden, mu� dem Unternehmen oder dem Unternehmer verbleiben.

Das ist der gew�hnliche �Wald- und Wiesen�-Unternehmergewinn, der hier
seine Wurzel und eine gewisse Berechtigung hat, auch da, wo weiter
nichts hinzukommt als das, was ich Ihnen angef�hrt habe: zweckm��ige
Einrichtung der Arbeitsmethode, kaufm�nnischer Vertrieb usw.

Wir haben selbstverst�ndlich in unserem Betriebe auch diesen �Wald- und
Wiesen�-Unternehmergewinn zur Verf�gung. Wir k�nnen jedem einzelnen und
jeder Gruppe sagen: wenn Sie es versuchen wollten allein zu arbeiten,
ohne Teil des Ganzen zu sein und ohne die Vorteile als Teil des Ganzen
zu haben, wenn Sie dann auch den Unternehmergewinn ganz verteilen
w�rden, so h�tten Sie immer noch weniger als das, was Sie hier erhalten.

Nun gibt es aber au�erdem noch in einem anderen Sinne eine Organisation,
die Quelle eines _speziellen_ Unternehmergewinnes werden kann. Das sind
n�mlich diejenigen _feineren Organisationen_, welche aus der gemeinsamen
Arbeit noch mehr Vorteile zu ziehen wissen, als es sonst, mit
gew�hnlichen Mitteln, m�glich ist. Gerade auf unserem Industriegebiete
gibt es solche Einrichtungen, welche die M�glichkeit einer weiteren
Quelle des Mehrwertes der Arbeit bieten, neben diesem gew�hnlichen
Unternehmergewinn. Unsere Erzeugnisse haben z. B. einen h�heren
Verkaufswert, als gleichartige Erzeugnisse anderer Firmen, in welche
dieselbe technische Arbeit hineingelegt wird, die aber doch
_minderwertig im Gebrauch_ sind, weil die Erzeugnisse unserer
Organisation noch das f�r sich haben, da� sie _Repr�sentanten
fortschreitender Verbesserung sind in bezug auf die Erh�hung der
Leistung der Erzeugnisse_. Das erh�ht deren Marktwert im Verh�ltnis zu
der in sie hineingelegten mechanischen, �u�eren Arbeit. Das dr�ckt sich
darin aus, da� das, was wir machen -- und manche andere auf unserem
Arbeitsfelde ebenfalls -- keine gew�hnliche Marktware ist, wie sie von
vielen neben uns gemacht wird. Unsere Erzeugnisse stehen nicht unter der
allgemeinen Konkurrenz; sie genie�en die besondere Wertsch�tzung aller
derjenigen, die sie gebrauchen. Die Leistung unserer Fabrikate ist eine
gr��ere, als derjenigen, die von anderen Firmen verfertigt werden; diese
k�nnen ihnen nicht dasselbe Ansehen geben. Wir haben in diesem Ansehen
unserer Erzeugnisse dadurch, da� sie keine gew�hnliche Marktware sind,
da� sie nur einer beschr�nkten, in manchen Dingen gar keiner Konkurrenz
unterworfen sind, eine Quelle _h�heren_ Verkaufswertes, die ziffernm��ig
nachzuweisen ist.

Hinsichtlich eines Teiles unserer Produktion kommt noch hinzu, da� sie
_unter Patentschutz steht_; ja, fast die H�lfte unserer ganzen
Jahresproduktion, deren Ziffern Sie auf dem zur Verteilung gelangten
Blatt[28] finden, steht unter Patentschutz. Was hei�t das? Antwort: sie
sind auch �u�erlich gekennzeichnet als _Erzeugnisse besonderer
erfinderischer T�tigkeit_, in denen neue Ideen zum Ausdruck kommen, die
dadurch einen Mehrverkaufswert haben als andere Erzeugnisse, die
technisch gleich gut hergestellt sind.

Es kann nun die Frage sein, ob sich das auf alles erstreckt, auch auf
das, was _nicht_ patentiert ist. Und dann die weitere Frage: mit welchen
_Ziffern_ soll man diesen h�heren Verkaufswert veranschlagen?

Die erste Frage ist die, ob sich das Gesagte nur auf das bezieht, was
unter Patentschutz steht. Ich kann darauf kurz sagen, da� die _f�r
unsere Angelegenheiten wertvollsten Patente diejenigen sind, welche wir
�berhaupt nicht genommen haben und nicht zu nehmen brauchten_. Denn
dieses Ansehen eines h�heren Wertes gegen�ber den Produkten
gleichartiger Arbeit brauchen wir nicht erst durch die Abstempelung des
Patentamtes zu erlangen; das haben auch die anderen Erzeugnisse, welche
jeder nachmachen kann. Das Ansehen haben sie mit Recht, trotzdem sie
nicht durch Patente u. dergl. der Konkurrenz vorbeugen, deswegen, _weil
sie Repr�sentanten fortschrittlicher Leistung sind_. Also ich kann
sagen: wir d�rfen diesen Vorzugswert und und diese Werterh�hung unserer
Erzeugnisse auf _alle_ Arten derselben ausdehnen, ohne R�cksicht darauf,
ob sie patentiert sind oder nicht.

Der Umstand aber, da� ann�hernd die H�lfte unserer Erzeugnisse von
anderen nicht gemacht werden darf, gibt mir eine erw�nschte Unterlage
f�r die Sch�tzung dessen, was der materielle Betrag dieses Mehrwertes
sei. Viele von Ihnen wissen das vielleicht schon, was ich Ihnen sage: es
ist _mindestens 10 Proz. des Einzelverkaufswertes_; denn es gibt ja
andere Leute -- Fabrikanten in Paris, London, New York usw. -- die f�r
die blo�e _Erlaubnis_, das machen zu d�rfen, was wir machen, an uns 10
Proz. des Verkaufswertes als _Lizenzgeb�hr_ zahlen.

Was folgt daraus, da� es Leute gibt die uns 10 Proz. des Erl�ses
abgeben, blo� f�r die Erlaubnis, Erzeugnisse nach unserem Muster
anzufertigen, um sie dann f�r den gleichen Preis wie wir
weiterzuverkaufen? Daraus folgt mit absoluter Sicherheit, da� dieser
Aufschlag von 10 Proz. auf den Einzelverkaufswert diesen Mehrwert
ausdr�ckt; denn es w�rde doch kein Fabrikant so dumm sein und uns 10
Proz. auf unsere festgesetzten Preise abgeben, wenn der Wert unserer
Produkte nicht tats�chlich um 10 Proz. h�her st�nde, als derjenige aus
anderen Betrieben. Auch er will trotz dieser Abgabe von 10 Proz. immer
noch seinen gew�hnlichen Unternehmergewinn haben. Und ich behaupte ganz
keck, da� das, was ich hier bez�glich des Mehrwertes von den
patentierten Erzeugnissen gesagt habe, auch auf die nichtpatentierten
Gegenst�nde zutrifft; das Ansehen erhalten sie nicht allein durch die
mechanisch-technische Arbeit, sondern dadurch, da� in ihnen _neue Ideen_
zum Ausdruck kommen, die diesen Mehrwert auch bei ihnen auf mindestens
10 Proz. sch�tzen lassen.

Wir haben also hier die Quelle eines Unternehmergewinnes, welcher der
Arbeit einen erh�hten Mehrwert gibt, von dem mit Sicherheit zu behaupten
ist, _da� er nicht verteilt werden darf, weil er nicht Verdienst
derjenigen ist, welche diese Sachen anfertigen_, ein Mehrwert, der nicht
vorhanden w�re, wenn die technische Arbeit und die gesch�ftliche
Bet�tigung genau dieselbe bliebe, wenn wir aber statt der bevorzugten
Erzeugnisse solche machen w�rden, welche der allgemeinen Konkurrenz
unterliegen. Dieser Gewinn, welcher hinzukommt zu dem Wert, den die
Bet�tigung der einzelnen in der Zusammenarbeit ergibt, bildet also die
Quelle des _Kollektiverwerbs_. Der Kollektiverwerb aber ist ein Erwerb,
der nicht zu verteilen ist, weil er gar nicht von den einzelnen
herr�hrt. Dieser Gewinn r�hrt her aus den feineren Eigenschaften unserer
Organisation, die nicht blo� Kapital in Form von Geb�uden und Maschinen,
nicht blo� Arbeitsteilung und kaufm�nnische Verwaltung eingerichtet hat
und zur Verf�gung stellt, sondern die durch lange Traditionen ein viel
intensiveres Zusammenwirken ganz heterogener Elemente herbeigef�hrt hat,
die zusammen Werte erzeugen, welche die einzelnen nicht gewinnen k�nnen.

Ich will, weil das ein sehr wichtiger Punkt ist, noch etwas n�her
erl�utern, warum dieser Organisationsgewinn nicht verteilt werden darf;
zun�chst will ich mich aber nur an die Ziffern halten. Also, wenn dieser
besondere Gewinn, der �ber den Mehrwert aus der Organisation zu dem
gew�hnlichen Unternehmergewinn -- den ich als den �Wald- und
Wiesen-Unternehmergewinn� bezeichnet habe -- hinzukommt, zu dem, was die
Arbeitst�tigkeit der einzelnen hineinlegt, wenn das 10 Proz. vom
Einzelverkaufswert ist, wie ich Ihnen ziffernm��ig nachgewiesen habe --
wieviel Prozent macht das auf die darin enthaltene Arbeit aus, wenn wir
die gesamte, als Lohn- und Gehaltszahlung in die Erscheinung kommende
Entsch�digung als Ma�stab f�r die in den Erzeugnissen enthaltene Arbeit
ansehen?

Auf Grund der Ihnen vorgelegten Ziffern, f�r deren Richtigkeit ich mich
verb�rge, k�nnen Sie sich sehr leicht ausrechnen, da� im Durchschnitt
der beiden letzten Jahre diese 10 Proz. von dem Einzelverkaufswert _der
Produktion_ nicht mehr und nicht weniger sind als 24 oder 25 Proz. von
dem Betrag, der im Laufe des letzten Jahres f�r _Arbeitsleistungen_
gezahlt worden ist. Daraufhin kommt man zu dem Ergebnis: wenn die Firma
als nicht verteilbar blo� dasjenige hinstellt, was sie in jener Quelle
hat, in diesem Mehrwert unserer Arbeit, der also von mir gegen�ber dem
gew�hnlichen Unternehmergewinn als spezieller Unternehmergewinn
hingestellt worden ist, wenn sie nur das von dem Gesamtertrag der
gemeinsamen Arbeit zur�ckbehalten wollte, so w�rde das ein Betrag sein,
der ungef�hr 24-25 Proz. der Summe f�r die bezahlte Arbeit gleichkommt.

Ich bitte Sie, sich daraufhin die Ziffern der Aufstellung etwas genauer
anzusehen. Dann wird es Ihnen nicht verwunderlich erscheinen, wenn ich
Ihnen sage -- unter Berufung auf das, was ich noch erl�utern will: wenn
unsere Einrichtungen dazu f�hren, da� der Anteil der Firma an dem Ertrag
der gemeinsamen Arbeit, abgesehen von den 9 Proz. Vorausdeckung f�r
k�nftige Lasten, wenn dieser Anteil auf 24-25 Proz. von dem gesunken
ist, was im Laufe des Jahres f�r die Arbeit bezahlt wurde, _dann hei�t
es: Bis hieher und nicht weiter!_ Denn dann k�me etwas zur Verteilung,
was seinem Wesen nach nicht verteilt werden darf, was Kollektivbesitz
ist, und das w�re eine �Auspowerung� der Genossenschaft als solcher
durch ihre Mitglieder, also ein vollkommener _Raubbau_.

Sie sehen, da� diese Sache mir sehr ernst ist; ich will Ihnen auch
erkl�ren, warum mir das so ernst ist, weshalb ich in diesem Punkte nicht
mit mir handeln lasse: die 10 Proz. Lizenzgeb�hren, welche uns die
anderen in Paris, London usw. bezahlen, die m�ssen an diese die dort
Arbeitenden auch bezahlen. Wenn Sie dort arbeiteten, dann m��ten Sie von
dem Ertrag Ihrer Arbeit auch soviel abgeben an die Stelle, wo der
Ursprung dieser fortschrittlichen Erzeugnisse sich befindet.

[Hier folgen einige unverst�ndliche d. h. allzu unvollkommen
stenographierte Ausf�hrungen.]

       *       *       *       *       *

Ich habe mich nun noch zu bem�hen, Ihnen einen Begriff davon zu geben,
warum diese 10 Proz., die den Kollektiverwerb darstellen, _nicht
verteilt werden d�rfen_. Warum ist das, was aus unserem Wirkungskreis
hervorgeht, mit dem Gepr�ge erfinderischer T�tigkeit, einer
fortschrittlichen Bet�tigung und erh�hter Leistung ausger�stet? warum
ist gerade das _Kollektiverwerb_?

Ich glaube, es gibt nicht viele Leute, die pers�nlich so berufen sind
wie ich, daf�r Zeugnis abzugeben. Ich kann das sagen, _denn ich bin 30
Jahre dabei gewesen, wo solcher Mehrwert entstand_. Ich w�nsche, da� es
mir gelingen m�ge, Ihnen eine Idee davon beizubringen, da� dieser
unantastbare Besitz, der Kollektiverwerb, keiner Verteilung unterworfen
werden darf. Dazu mu� ich aber etwas weiter ausholen und Ihnen
Mitteilungen aus meinem Leben und aus meinen Erfahrungen machen.

Ich erinnere mich noch sehr genau, wie vor 25 Jahren mein alter Freund
ZEISS zu mir kam -- ich wohnte damals in der Neugasse -- und mir
mitteilte, da� die Tantiemen, die mir auf Grund getroffener
Vereinbarungen von den Mikroskopen zustehen sollten, die seit dem Jahre
1871 im wesentlichen nach meinen Angaben gemacht wurden, die H�he von
ganzen 800 Talern erreicht h�tten. Ich war damals ganz aus den Wolken
gefallen, um so mehr als Herr ZEISS mir sagte, da� ein gro�er Erfolg mit
meinen neu berechneten Objektivkonstruktionen erreicht sei und da� im
n�chsten Jahre meine Tantieme noch um vieles h�her sein w�rde. Ich habe
damals geglaubt, es h�tte �ein Affe mich geleckt� -- so verwundert war
ich �ber den unerwarteten Erfolg meiner langen m�hsamen T�tigkeit, von
der ich mir niemals einen hohen wirtschaftlichen Gewinn versprochen
hatte.

Ich habe nun aber den lieben Gott nicht einen guten Mann sein lassen,
sondern ich habe mir das als Anla� genommen, dar�ber nachzudenken,
welchem Umst�nde es wohl zuzuschreiben sei, da� ich f�r meine
wissenschaftlichen Arbeiten so unerwartete Vorteile erzielte. Und da
h�tte ich denn ein einf�ltiger Tor, ein dummer Egoist sein m�ssen, wenn
ich jemals auf den Gedanken h�tte kommen sollen, da� der Vorteil mein
ausschlie�liches pers�nliches Verdienst w�re.

Seit dieser Zeit, seitdem die Konstruktion der Mikroskope auf meine
Theorie gegr�ndet war, hat die Firma CARL ZEISS wenigstens f�r 10
Millionen Mark Mikroskope produziert, und wenn der Mehrwert daraus, wie
bei der Patenttaxe, wirklich nur 10 Proz. w�re, so w�re das ein
wirtschaftlicher Erfolg aus meinem Zusammenarbeiten mit der damals
kleinen Optischen Werkst�tte, dessen H�he jetzt weit �ber 1 Million
betragen w�rde. Und mein alter Freund ZEISS hat mir vollkommen
zugegeben, da� es ohne diesen Erfolg mit ihm zu Ende gewesen w�re; mit
seiner gewohnten Ehrlichkeit hat er mir gesagt, da� er von anderen
�berholt worden sei, und wenn es nicht gel�nge, einen neuen Anlauf zu
nehmen, so w�rde der bisherige Erfolg wieder verloren gehen. Auf seine
Autorit�t hin kann ich nun sagen: _von diesen 10 Millionen Mark
Mikroskopen w�ren 9-1/2 Millionen sicher nicht erzeugt worden, wenn ich
nicht dabei gewesen w�re_.

Trotzdem aber sage ich, habe ich niemals auf den Gedanken kommen k�nnen,
da� der Erfolg mein pers�nliches Verdienst sei, oder da� ich einen
pers�nlichen Anspruch auf den erzeugten Mehrwert oder auf mehr als einen
bescheidenen Teil desselben h�tte. Warum nicht? Weil au�er mir noch
mehrere da waren, die mit dem gleichen Rechte wie ich h�tten sagen
k�nnen: wenn ich nicht dabei gewesen w�re, w�re der Erfolg sicher auch
nicht so gro� gewesen. Da war zun�chst unser alter L�BER, der dasselbe
von sich h�tte sagen k�nnen; da war auch der alte ZEISS selber. Ohne ihn
h�tte ich gar nicht die Antriebe und Mittel zu meinem Wirken gehabt, um
diese Idee zu verwirklichen. Aber noch andere waren da: eine ganze
Gruppe unserer alten Arbeiter, alle von ganz spezifischer Bedeutung,
t�chtige leistungsf�hige Optiker, die ebenfalls von sich sagen konnten,
da� sie in gleicher Weise Anteil an dem Aufbl�hen des Unternehmens
hatten. Aber was w�re das f�r ein Verh�ltnis, wenn einer nach dem andern
kommen w�rde, um seinen vermeintlichen Anteil an dem Mehrwert
einzufordern? Wenn Sie �ber diese eigent�mlichen Unterschiede
nachdenken, wenn mehrere etwas gemeinsam machen und jeder sagen kann:
ohne mich w�re nur ein bestimmter Teil der Produktion vorhanden, wobei
es selbstverst�ndlich w�re, da� der von ihm reklamierte Teil ihm zuk�me,
und sich fragen, wie sollten seine Anspr�che gedeckt werden -- so
werden Sie zu dem Resultat kommen: entweder steht ihm ein Anrecht zu auf
das _Ganze_ oder auf _Nichts_.

Und ich sage: das ist das richtige Zeichen des Kollektiverwerbs, da�
mehrere gleichzeitig sagen k�nnen: ohne mich w�re nichts oder doch nicht
soviel da von dem tats�chlich vorhandenen Erwerb. Dann ist dieser
gemeinsame Erwerb als Kollektiverwerb nicht Eigentum einer einzelnen
oder mehrerer Personen, ein Erwerb, den keiner in Besitz nehmen, nicht
an seine Kinder vererben kann, sondern _gemeinsames Besitztum_, das auf
den _Rechtsnachfolger_ �bergeht, nur an diejenigen, die zu dauernder
Gemeinschaft in der Genossenschaft zusammengetreten sind.

Und wie es nun mit diesem einen Beispiele ist, was ich mit Bezug auf
meine pers�nliche T�tigkeit erw�hnt habe, so haben wir es wiederholt
erlebt in den folgenden Jahren. Wir haben es wieder erlebt bei all den
kleinen und gro�en einzelnen Fortschritten, die gemacht worden sind in
den 70er und 80er Jahren. Wir haben es ferner wieder erlebt in den 90er
Jahren dank der Initiative unseres Freundes Dr. RUDOLPH, nach dessen
Angaben die Firma in ein ganz neues Gebiet eintreten konnte, so da� der
Gesamtwert der Jahresproduktion auf mehrere Millionen gewachsen ist.
Aber wieder war es ein derartiges Zusammenarbeiten mehrerer, welches
genau unter dieselben Bedingungen f�llt, die ich schon wiederholt
angegeben habe. Und dasselbe wiederholt sich allw�chentlich, bei den
kleinsten und primitivsten Arbeiten, die alle die Tr�ger steten
Fortschritts sind. Aus der gemeinsamen T�tigkeit finden viele Personen
immer, fortw�hrend Anregung zur L�sung neuer Aufgaben und au�erdem
finden sie bei uns noch die _Mittel zur Verwirklichung der Ideen_,
Mittel, die sie nicht haben w�rden, wenn sie au�erhalb unserer
leistungsf�higen Werkst�tte st�nden.

Das wird noch weiter erl�utert durch die bekannte Erfahrung, die so
viele Erfinder machen m�ssen, die nicht so vom Gl�ck beg�nstigt sind,
da� sie ihre geistige Arbeit in Zusammenhang setzen k�nnen mit einer
gro�en Arbeitsorganisation. Bekanntlich werden �ber 90 Proz. aller
Patente �berhaupt niemals benutzt, obwohl in vielen gute Ideen enthalten
sind; sie verfallen ganz einfach. Erst in 10 oder 20 Jahren werden die
guten Ideen benutzt von solchen, die gerade Gelegenheit haben, dieselben
f�r ihre Zwecke anzuwenden. In der Regel k�nnen die Erfinder mit ihren
Gedanken hausieren gehen; sie werden entweder ausgelacht oder mit
dilatorischen Redensarten abgetan. Es ist wie im Lotteriespiel; nur
wenige haben das Gl�ck, einen Vorteil ihrer erfinderischen T�tigkeit zu
genie�en. Das h�ngt damit zusammen -- und ich wei� das aus eigener
Erfahrung: wenn einer etwas ausgedacht hat, es aber nicht selbst
ausf�hren kann, sondern es andern anbieten mu�, so ist er erstens im
Nachteil durch das Angebot -- er verkauft die �Katze im Sack� -- und
zweitens hat er den passiven Widerstand derjenigen zu besiegen, welche
die Ideen benutzen sollen und welche auf dem Gebiete schon mit Erfolg
gearbeitet haben. Diese haben ein nat�rliches Interesse daran, da� ihnen
keine Konkurrenz gemacht wird. Denn, wenn etwas in den Handel gelangt,
was nicht ihrer eigenen Arbeit entstammt, wird ihnen die Nahrungsquelle
geschm�lert. Im allgemeinen werden also diejenigen, welche im gro�en
Ma�stabe neue Sachen einf�hren k�nnen, diesen theoretischen Erfindungen
sehr k�hl gegen�berstehen. Ist aber diese Idee herausgewachsen aus der
gemeinsamen T�tigkeit vieler, so hat sie auch die Mittel zur Verf�gung,
die eine sofortige Verwirklichung erm�glichen. Daher ist die _Wurzel des
Erfolges wesentlich gekn�pft an dieses Zusammenarbeiten_. Es werden dann
aber immer mehrere da sein, welche sagen k�nnen: wenn ich nicht dabei
gewesen w�re, so w�re der Erfolg nicht so zustande gekommen. Der
Erfinder allein vermag nichts, die technische Arbeit ohne denselben
ebenfalls nichts.

Das sind die Erw�gungen, die ich vor vielen Jahren schon in unbestimmter
Form angestellt habe und die mich jetzt auf den festen Standpunkt
f�hren: Was in einer solchen Genossenschaft, die auf die Organisation
der Arbeit gegr�ndet ist, sich als wirtschaftlicher Erfolg ergibt aus
dem _Zusammenwirken_ geistiger und technischer Arbeit, ist seinem Wesen
nach _Kollektiveigentum_. Soweit sich diese T�tigkeit bei uns ausdr�ckt
in der vorher benannten Lizenztaxe, soweit ist der Betrag, welcher
dieser Ziffer entspricht, unantastbares Kollektiveigentum.

Das ist also die Antwort auf die grunds�tzliche Frage: Was darf in
unserem Kreise von der gemeinsamen Arbeit _nicht verteilt_ werden?
Mindestens nicht die 10 Proz., die alle abgeben m��ten als Lizenzgeb�hr,
wenn sie anderw�rts dieselben Erzeugnisse machen m��ten; mindestens
nicht die 24 Proz., die dementsprechend auf die j�hrliche Lohn- und
Gehaltszahlung entfallen. Und ich scheue mich nicht, ganz fest
auszusprechen: _Wenn in unseren Einrichtungen irgend etwas zum Vorschein
kommt, was_ _die Tendenz oder den Erfolg hat, da� diese 24 Proz. zur
Verteilung gelangen, so sage ich, die Vertretung unserer Firma m��te
geteert und gefedert werden, wenn sie diese Verteilung geschehen lie�e.
_

       *       *       *       *       *

Nun kommt der zweite Punkt. Wenn jetzt festgelegt ist, was _nicht_
verteilt werden darf, wie soll nun das �brigbleibende unter diejenigen
verteilt werden, welche daran Anteil haben, unter die verschiedenen
Gruppen und einzelnen? Nach welchen Grunds�tzen soll diese Verteilung
geregelt werden?

Unsere Lohnregelung steht grunds�tzlich auf dem Boden der Voraussetzung
einer genossenschaftlichen Arbeit. Diese Frage f�hrt in allem hin auf
die Schwierigkeiten, welche unsere gegenw�rtige wirtschaftliche
Organisation einschlie�t, n�mlich auf diese Widerspr�che und
Anst��igkeiten, die zum Ausdruck kommen in den gro�en Unterschieden bei
der relativen Bewertung der Arbeit verschiedener Art -- die darin zum
Ausdruck kommen, da� die Arbeit eines gew�hnlichen, ungelernten
Arbeiters so unverh�ltnism��ig niedriger angesehen ist ihrem Tageswert
nach als die Arbeit eines speziell, auf feinere Kunstfertigkeit,
gelernten Mannes. Und die Arbeit des letzteren wird wieder viel
niedriger bewertet, als im Durchschnitt die Arbeit eines studierten
Mannes. Die Frage der Lohnregelung f�hrt auf alle diese Schwierigkeiten
und Widerw�rtigkeiten. Aber das kann uns nicht abhalten, einen festen
Ma�stab f�r die Verteilung zu finden in der _relativen Bewertung der
verschiedenen Arbeitskr�fte auf den verschiedenen Konkurrenzgebieten_.
Im wesentlichen wird derselbe zu finden sein in der _Regelung des
Wettbewerbs von Angebot und Nachfrage_. Denn wir in Jena k�nnen doch die
Welt nicht anders machen, wie sie einmal ist. Wir k�nnen auf dem
gegebenen Boden unsere Angeh�rigen _m�glichst g�nstig_ stellen, aber
_nicht andere als wirtschaftliche Normen_ daf�r ma�gebend sein lassen.
Wir k�nnen nicht etwa sagen, da� diejenigen, welche viele Kinder haben,
deshalb einen h�heren Lohn als die �brigen haben m�ssen. Wenn wir das
tun wollten, dann w�rden wir in 10 Jahren eine Versammlung von Leuten
mit vielen Kindern sein; die anderen aber, welche nicht soviele Kinder
haben, w�rden nicht zu uns kommen, weil sie nicht entsprechend bezahlt
w�rden. Bei allem Bedauern dar�ber, da� dieser allgemeine Ma�stab der
Bewertung der einzelnen Arbeitst�tigkeit auf dem Arbeitsmarkt soviele
unerfreuliche Seiten hat, m�ssen wir diesen Ma�stab doch auch bei uns
durchf�hren, weil es keinen anderen gibt, der uns nicht hinderte, f�r
die verschiedenen Arbeiten t�chtige Leute, die wir haben m�ssen, zu
bekommen.

Der Ma�stab bei uns mu� also sein: _Jeder, der bei uns arbeitet, mu�
soviel erhalten, wie er nach der Wertsch�tzung seiner F�higkeiten und
seiner pers�nlichen Leistungsf�higkeit anderw�rts daf�r bekommen w�rde_
-- nicht soviel, wie ihm _m�glicherweise_, wenn er _Gl�ck hat_, geboten
werden kann, sondern soviel, als er mit _Wahrscheinlichkeit_ anderswo
erh�lt, wenn er hier eben nicht bleiben will. Wie wenig uns das
sympathisch sein mag -- wir m�ssen uns danach einrichten, da� der
Ma�stab der Bezahlung der einzelnen dem entnommen werden mu�, was die
betreffende Art der Arbeitst�tigkeit unter Ber�cksichtigung der
pers�nlichen Bef�higung ihnen Anspruch gibt, anderw�rts, ohne Gl�ck zu
haben, unter den _gew�hnlichen Verh�ltnissen zu erwarten_.

Nun k�nnen wir aber versuchen, auf dem Boden einer derartigen Regelung
_m�glichst allen mehr zu geben_, als sie anderw�rts erhalten, weil sie
unserer Genossenschaft angeh�ren. Das gibt uns dann die Sicherung, da�
wir hinsichtlich aller Arbeiter nicht nur die _gleichen_ Chancen haben
wie andere Unternehmer, sondern sogar noch etwas _g�nstigere_ -- eben
weil wir besser bezahlen. Wir k�nnen dann aber auch weiter mit
Sicherheit darauf rechnen, f�r _alle Arbeitskategorien t�chtige Kr�fte
zu haben_.

Das sind die allgemeinen Regeln. Wir k�nnen daraufhin abwehren jede
Argumentation, welche darauf hinausgeht: wie hart ist es doch, da� ein
Mann, der f�nf Kinder hat, f�r 24 M. im Zeitlohn arbeiten mu�!
Menschlich ist diese Argumentation ja sehr berechtigt; f�r uns kann sie
aber keine Richtschnur sein. Ob es dem Betreffenden schwer oder leicht
sein wird -- er mu� diese Verh�ltnisse so gut wie wir mit in den Kauf
nehmen und er kann von uns nicht eine h�here Bezahlung verlangen, als er
auch anderw�rts erhalten w�rde. Wir m�ssen die Welt nehmen, wie sie ist,
und k�nnen f�r ihre Gestaltung nicht verantwortlich gemacht werden.

       *       *       *       *       *

Neben dieser allgemeinen Richtschnur, die ganz durchg�ngig ist, kommt
f�r uns noch eine besondere Frage zur Er�rterung, n�mlich die Frage des
_Verh�ltnisses, in welchem die Zeitarbeit zu der Akkordarbeit steht_.
Das f�hrt mich auf den Punkt, der Veranlassung zu der heutigen
Versammlung gewesen ist.

In unserem Betriebe zerf�llt die Arbeiterschaft in zwei Gruppen, in eine
kleinere Gruppe, die nur im Zeitlohn arbeitet -- dazu geh�ren die
Beamten, die gleiches Interesse haben mit den Arbeitern im Zeitlohn --
und in eine gr��ere Gruppe, die im Akkord arbeiten, und denen durch die
St�ckarbeit die M�glichkeit geboten ist, in derselben Zeit mehr zu
verdienen, als die anderen im Zeitlohn. Die Frage ist nun: _nach welcher
Richtschnur soll das Verh�ltnis des Arbeitsertrages bei sonst gleicher
T�tigkeit im Akkord- und Zeitlohn geordnet werden?_ Wir sind leider zu
sp�t aufmerksam geworden auf die Bedeutung, welche eine Regelung dieses
Verh�ltnisses f�r uns hat. Es sind Abnormit�ten entstanden, die jetzt
korrigiert und beseitigt werden m�ssen.

Welches sind die Grunds�tze, welche meiner Meinung nach anerkannt werden
m�ssen? Es steht ganz fest, da� die Besch�ftigung in St�ckarbeit f�r
_den Unternehmer wie f�r den Arbeiter_, also f�r beide Teile,
_vorteilhafter_ ist und _nicht mi�br�uchlich zu sein braucht_. F�r den
Unternehmer ist sie deshalb vorteilhafter, weil unter diesem System mit
denselben Mitteln und denselben Personen mehr geleistet wird, als bei
Einf�hrung des Zeitlohnes -- und f�r die Beteiligten deshalb, weil sie
die M�glichkeit haben, _wenn die Einrichtungen danach sind, mit m��iger
Mehranspannung_ der Kr�fte eine entsprechend h�here Leistung und einen
_Mehrertrag ihrer Arbeit zu erzielen_.

Wenn ich sage: �die Einrichtungen m�ssen danach sein�, so hat das seinen
guten Grund; denn ich will nicht haben, da� man sagen kann:
�Akkordarbeit ist Mordarbeit!� Das setzt also voraus, da� die
Einrichtungen so beschaffen sein m�ssen, da� sie wirklich einen
Mehrertrag der Arbeit im Akkordlohn gegen�ber dem Zeitlohn sichern.

Unsere Einrichtungen gingen von jeher ihrer Absicht nach darauf hinaus,
die Akkordarbeit so zu regeln, da� jeder Neueintretende die bestimmte
Aussicht hat, mit gew�hnlicher Anspannung seiner Kr�fte durch gr��ere
�konomie der Zeit, durch gr��ere Aufmerksamkeit, in derselben Zeit mehr
zu verdienen, als wenn er die Arbeit im Zeitlohn verrichten m��te. Das
mu� also im Prinzip anerkannt werden, da� es immer so sein mu�. Die
Frage ist nur die nach dem �Mehr� oder �Minder�. Wenn der Betreffende
wirklich nach der Mehranstrengung seiner Kr�fte mehr verdienen soll --
wie mu� man dann den Akkordertrag regeln im Verh�ltnis zu einer gleich
langen Zeitarbeit? Dar�ber k�nnen die Meinungen sehr auseinandergehen
und es kann auch nur auf Grund einer gewissen Sch�tzung eine Norm
gefunden werden.

Ich habe mich seit langer Zeit schon an den Gedanken gew�hnt, da� man
anzunehmen hat, da�, wenn jemand gleichartige Arbeit im Zeitlohn macht,
der Antrieb zur Arbeit ein geringerer ist, und da� ein _Akkordarbeiter
ohne besondere Anstrengung es dahin bringt, in f�nf Tagen soviel fertig
zu machen als ein Arbeiter im Zeitlohn in sechs Tagen_. Ich w�rde das
jedem zugeben, der versichert, das durch gute Ausnutzung der Zeit
erreicht zu haben, ohne da� man von ihm w�hrend der Zeitlohnarbeit sagen
kann, er faulenzt. Wenn aber einer sagt: Ich bringe unter den gleichen
Bedingungen in vier Tagen soviel fertig als ein anderer im Zeitlohn in
sechs Tagen, so w�rde ich ihm sagen: Lieber Freund! Entweder Du bist
einer von denen, auf welche das Wort �Akkordarbeit ist Mordarbeit�
Anwendung findet -- Du l��t dich verleiten, Deinen K�rper ungeb�hrlich
zu schinden und dem k�nnen wir nicht Vorschub leisten -- oder Du meinst,
wenn Du im Zeitlohn arbeitest, d�rftest Du nach Belieben faulenzen! Das
wollen wir uns auch nicht gefallen lassen. Denn wenn einer im Zeitlohn
arbeitet, ist er _auch_ verpflichtet, angemessen und geb�hrend flei�ig
zu sein, da wir zum _Vergn�gen niemand_ in die Werkstatt stellen. Zu
dieser Bet�tigung im Zeitlohn geh�rt ebenfalls geb�hrender Flei� und
pflichtm��ige Erf�llung des Arbeitsvertrages.

Zwischen dieser Bet�tigung im Zeitlohn, dem Pflichtm��igen, und im
Akkordlohn, der Mehrleistung, mu� irgend ein Verh�ltnis sein und ich bin
der Meinung, da� man das einigerma�en richtig sch�tzen wird im g�nstigen
Sinne f�r den Arbeitenden, wenn man sagt: es mu� einer, wenn er _im
Akkord_ arbeitet, _mindestens 20 Proz. mehr verdienen k�nnen_, als wenn
er unter sonst gleichen Bedingungen dauernd im Zeitlohn arbeiten mu�.
Aber nun wohl gemerkt: _20 Proz. von dem Zeitlohn, den man ihm geben
m��te, wenn er dauernd gleichartige Arbeit im Zeitlohn zu leisten
h�tte_.

In der Nichtbeachtung dieser genauen Bestimmung liegt die Quelle von
manchen Mi�verh�ltnissen und Mi�verst�ndnissen. Es ist offenbar, da� auf
meine �u�erungen hin angenommen worden ist, da� dabei gemeint sei,
jeder m��te sich einen Abzug bis zu 20 Proz. �berverdienst _von seinem
Wochenlohn_ gefallen lassen. Wir k�nnen nicht f�r alle unsere Leute den
Wochenlohn auf die H�he ihres tats�chlichen Verdienstes stellen und zwar
nicht im Hinblick auf die praktische Bedeutung des Wochenlohnes f�r
unseren Betrieb. Der Wochenlohn bildet bei uns den Ma�stab f�r die
Arbeitslosenversicherung d. h. f�r diejenige Zeit, in welcher einer
nicht arbeitet, sondern spazieren geht oder gehen mu�; der Wochenlohn
liegt ferner auch den Anforderungen an den Pensionsfonds zu Grunde. Alle
diese Umst�nde veranlassen uns zu einer gewissen _Zur�ckhaltung_
bez�glich dessen, was wir als Wochenlohn gew�hren und zwar nach den
Bestimmungen des Statuts als einen _unwiderruflichen_. Wenn wir Leuten
Gelegenheit geben k�nnen, eine erheblich h�here Einnahme durch die
Akkordarbeit zu haben, so m�ssen sie es sich auch gefallen lassen, wenn
sie mit einem relativ geringen Wochenlohn dauernd in Zeitlohn angestellt
werden.

       *       *       *       *       *

Ich glaube, damit haben wir also drei feste Punkte gewonnen in dieser
Er�rterung �ber die Grunds�tze der Lohnregelung in unserem Betrieb:

1. Es gibt bei uns einen Teil des Arbeitsertrages der Gesamtheit, der
seinem Wesen nach _unverteilbar_ ist, der in guten Zeiten der Verteilung
entzogen werden und als _Kollektivgewinn der Genossenschaft verbleiben_
mu�, damit diese die Leistungen erf�llen kann, die ihr aufgegeben sind,
damit sie zusetzen kann in schlechten Zeiten, damit sie zweitens
kreditf�hig bleibt gegen�ber wachsendem Kapitalbedarf, damit sie nicht
abh�ngig ist von Dividenden, und drittens, da� sie diejenigen
Verpflichtungen erf�llen kann, die sie ihren Genossen zugesagt hat.

Unmittelbar sind also mindestens die 10 Proz. der Patenttaxe,
umgerechnet auf den gesamten Arbeitsertrag der Arbeitenden zu 24-25
Proz. in guten Zeiten [unverteilbar], unter Zurechnung von etwa 9 Proz.,
welche im Sinn der vorherigen Bemerkungen eigentlich nur ein �quivalent
sind f�r den gew�hnlichen Unternehmergewinn, den wir zur�ckhalten zur
Deckung unserer Verpflichtungen f�r Pension und Abgang.

2. Die _Norm f�r das Teilungsverh�ltnis_, welches zwischen den einzelnen
Personengruppen und den einzelnen zustande zu kommen hat, mu� sich
richten nach dem _Marktwert_ der verschiedenen Arbeiterkategorien unter
Ber�cksichtigung der pers�nlichen Leistungsf�higkeit des einzelnen.

3. Es ist notwendig, das _Verh�ltnis zwischen dem Ertrag von
Akkordarbeit zu dem Ertrag gleichartiger Zeitarbeit_ vern�nftig und
gerecht zu regeln, so da� denen, die in Akkordarbeit stehen, der
angemessene Mehrertrag ihrer Arbeit zugesichert wird -- aber nicht unter
unbilliger Benachteilung derjenigen, die keine Gelegenheit haben, im
Akkord zu arbeiten.

(Pause.)

Ich bitte Sie nun noch einmal, mir eine Zeitlang Ihre Aufmerksamkeit zu
schenken; zun�chst um Ihnen die Tabellen etwas zu erl�utern, in denen
wir die wesentlichsten Zahlen unseres Gesch�ftsgangs und unserer
Einrichtungen hinsichtlich der Verteilung des Arbeitsertrages
zusammengestellt haben[29].

Sie sehen aus diesen Ziffern, da� wir in den letzten drei Jahren eine
wesentlich fortschreitende Entwicklung zu verzeichnen gehabt haben; die
Jahresproduktion ist stetig gestiegen, das Betriebskapital ist
entsprechend gewachsen, das gesamte Lohn- und Gehaltkonto hat ebenfalls
best�ndig zugenommen; die darunter stehenden Ziffern zeigen Ihnen
weiter, da� auch eine Zunahme des Durchschnitts-Arbeitseinkommens
stattgefunden hat, jedenfalls gegen�ber dem, was im Gesch�ftsjahre
1894/95 bestanden hat. Auch das laufende Gesch�ftsjahr kann mit dem
Pr�dikat �gut� bezeichnet werden; Es waren mehrere Jahre vorangegangen,
in denen ein verminderter Gesch�ftsgang eingetreten war, und wo wir,
sollte der Betrieb nicht erheblich eingeschr�nkt werden, auf Vorrat
arbeiten mu�ten. Mit dem Jahre 1894/95 war f�r uns diese absteigende
Konjunktur �berwunden; anderw�rts ist sie noch viel h�rter empfunden
worden. Wir haben dann in 6 Tagen der Woche bei t�glich 9st�ndiger
Arbeitszeit nicht mehr produziert, als wir gleichzeitig leicht verkaufen
konnten. In den folgenden 3 Jahren, bis 1896/97, haben wir einen
besonders guten Gesch�ftsgang gehabt. Das bedeutete f�r uns, da� wir
Jahre gehabt haben, in denen die Arbeit unter dem Antrieb einer
Mehrleistung stand. Wir haben sogar unsere Auftr�ge nicht in dem
gew�nschten Tempo erledigen k�nnen. Diese besonders guten Gesch�ftsjahre
hatten nat�rlich zur Folge, da� die Mehrleistung auch eine gr��ere Quote
des Reingewinns herbeif�hrte.

Wenn Sie diese Ziffern unter 2 und 4 vergleichen, k�nnen Sie ersehen,
wie hoch die allgemeinen Unkosten sein m�ssen. Diese allgemeinen
Unkosten bleiben dieselben bis auf Material und Arbeitslohn, die
infolgedessen einen besonders hohen Anteil am [d. h. Einflu� auf den]
Reingewinn haben. So in sehr guten Gesch�ftsjahren. Ein schlechtes
Gesch�ftsjahr w�re f�r uns ein solches, wenn wir 6 Tage und 9 Stunden
arbeiten und _mehr_ leisten, als wir verkaufen k�nnen, also Vorr�te
ansammeln m��ten, und ein ganz schlechtes, wenn die Arbeit eingeschr�nkt
werden m��te.

Wir haben also ein gutes und zwei sehr gute Gesch�ftsjahre
hintereinander gehabt. Wenn die Ziffern in der ersten Reihe von 3 und 8
anscheinend einen R�ckgang verzeichnen in dem durchschnittlichen
Jahresverdienst aller Personen, so besagt das gar nichts; es dr�ckt nur
aus, da� in diesen Jahren sehr viele junge Leute hinzugetreten sind, die
nur einen Wochenlohn von 5-6 M. haben, die aber doch als Personen z�hlen
und in der Division die Ziffern herunterdr�cken. Das Resultat ist, da�,
wenn wir den Durchschnitt der beiden letzten Gesch�ftsjahre vergleichen
mit dem vorhergehenden von 1894/95, in der Hebung des Einkommens der
Arbeiter �ber 24 Jahre, deren Anzahl 393 betr�gt, eine Steigerung von
170-180 M. j�hrlich eingetreten ist. Wenn Sie zu diesen Ziffern, die
hier genannt sind, die Nachzahlungen hinzurechnen, welche im letzten
Jahre 8 Proz., in diesem Jahre rechnerisch 4 Proz. (5 Proz. sind
ausgezahlt worden) betragen haben, so ergibt sich eine durchschnittliche
Steigerung des Jahreseinkommens gegen das erste Jahr von 180 M. Dabei
mu� ber�cksichtigt werden, da� in den beiden letzten Jahren 2 und 7
Arbeitstage, welche an Urlaub gew�hrt wurden, mit bezahlt wurden, was in
den fr�heren Jahren nicht geschehen ist.

Diese Steigerung des Arbeitseinkommens um 180 M. pro Jahr summiert sich
bei den 400 Personen, welche daran Anteil hatten, auf �ber 70000 M.,
d. h. in dem letzten Gesch�ftsjahre sind an unsere erwachsenen Arbeiter
70000 M. an Lohn mehr ausgezahlt worden, als nach dem Durchschnittssatz
des guten Gesch�ftsjahres 1894/95. Daraus geht hervor, da� eine
merkliche Steigerung des Arbeitseinkommens unserer Arbeiter eingetreten
ist, und wir erblicken darin ein Zeichen erfreulichen Fortschritts, eine
Hebung der wirtschaftlichen Lage unserer Arbeiterschaft.

Warum ist denn das nun nicht in jeder Art erfreulich? Das Kennzeichen,
da� ein unerfreuliches Moment vorhanden ist, liegt darin, _da� unsere
Gewinnbeteiligung nicht mehr so arbeitet, wie es sein sollte_. Unsere
Gewinnbeteiligung hat in diesem Jahre nur 4 bezw. 5 Proz. betragen,
w�hrend wir im vorigen Jahre 8 Proz. auszahlen konnten; nach allem, was
wir erwarten konnten, h�tte sie aber mindestens 8-9 Proz. betragen
m�ssen. Wir hatten unsere Bankiers schon angewiesen, da� sie uns nicht
40 000, sondern 80-90 000 M. bereit halten sollten.

Warum ist das, was wir erwartet haben, nun nicht eingetreten? An sich
k�nnte uns das ja ganz gleich sein, ob der Mehrertrag der
Arbeitsleistung sich erh�ht durch Mehrzahlung im Laufe des Jahres oder
durch Nachzahlung am Schlusse desselben. Aber der Umstand, da� die
Gewinnquote kleiner geworden ist, hat uns darauf hingewiesen, da�
_irgend etwas nicht in Ordnung_ ist. Nun hat aber unsere
Gewinnbeteiligung einen ganz bestimmten Zweck in unserem Lohnsystem.
Durch sie soll ein Teil des Arbeitsertrages, auf den jeder in einem
guten Gesch�ftsjahre Anspruch hat, in der Form einer vom Gesch�ftsgang
abh�ngig gemachten Quote gezahlt werden. Wenn wir nun aber ein
zweifellos gutes Gesch�ftsjahr gehabt haben und diese Quote derartig
gering ist, so funktioniert irgend etwas nicht richtig. Wir wollen
unseren Gesch�ftsangeh�rigen durch die Gewinnbeteiligung nicht etwa eine
Gratifikation gew�hren oder ihnen ein Geschenk machen, sondern nur einen
Teil des gesamten Arbeitsertrages, auf den sie Anspruch haben, in dieser
Form auszahlen, weil wir denselben nicht in der Form eines entsprechend
erh�hten Wochenlohnes, der nach unserem Statut dauernd und
unwiderruflich ist, gew�hren k�nnen.

Ein Betrieb, der seine L�hne beliebig festsetzen kann, vermag dieselben
bei intensiver Arbeit und erh�htem Gewinn entsprechend zu erh�hen, bei
schlechtem Gesch�ftsgang aber auch wieder herabzusetzen. In unserem
Betrieb aber ist dies nicht m�glich, weil, wie ich schon gesagt habe,
_unsere L�hne unwiderruflich sind_. W�rden wir z. B. in einem guten
Gesch�ftsjahr die L�hne erh�hen, so m��ten sie in den folgenden
mittelm��igen oder schlechten Gesch�ftsjahren in der gleichen H�he
fortbezahlt werden. Wir haben einen Ausweg gefunden durch die
_Gewinnbeteiligung_. In diesem Jahre ist aber in Form von Lohn und
Gehalt ein gr��erer Teil ausgezahlt worden, als eigentlich recht und
richtig war, und es h�tte ein gr��erer Teil auf die Nachzahlung in Form
der Gewinnbeteiligung fallen m�ssen.

Wie kommt es, da� dieser Umstand erst in diesem Jahre in die Erscheinung
getreten ist? Unsere anf�ngliche Sch�tzung von 8 Proz. war ziemlich
richtig auf Grund der Bilanz und der Norm, die schon in Anwendung
gekommen ist. Die Erkl�rung ist darin gegeben: es ist im vorigen Jahre
ein Umstand nicht zum Bewu�tsein gekommen, der eine wesentliche
Entscheidung bewirkt hat. Das Jahr 1895/96 hat noch unter den
Nachwirkungen des fr�heren schlechten Gesch�ftsganges gestanden und zwar
dadurch, da� noch Vorr�te vorhanden waren, die erst in diesem Jahre
verkauft wurden. Infolgedessen sind die Verkaufsziffern h�her geworden
als sie gewesen w�ren, wenn nur das, was wirklich produziert worden ist,
Absatz gefunden h�tte. Demzufolge war auch der Reingewinn ein bedeutend
h�herer, aber nicht auf nat�rliche Weise. Da dieser Umstand nicht
bemerkt worden ist, hat er uns nicht zum Bewu�tsein gebracht, da�
eigentlich nur scheinbar ein normales Verh�ltnis vorhanden war, dazu
angetan, schon im n�chsten Jahre unsere Einrichtung der
Gewinnbeteiligung nicht mehr funktionieren zu lassen.

Nun hat nachgeforscht werden m�ssen nach den Ursachen dieser auff�lligen
Erscheinung. Da haben wir uns �berlegen m�ssen, inwieweit denn nun die
durch diese Ziffern gekennzeichnete Lage unserer Betriebe den
Anforderungen entspricht, welche nach den voraufgegangenen Erl�uterungen
der Normen und Grunds�tze als Ma�stab f�r unsere Betriebe zu gelten
haben. --

[Hier, bei dem Vortrag der Rechnungen, ist das Stenogramm so
unvollst�ndig, da� es keinen erkennbaren Sinn ergibt. Cz.] --

nur 23 Proz. als Nettoanteil der Firma an dem Gesamtertrag der Arbeit,
also schon etwas unter der Grenze dessen, was ich als verteilbar
gekennzeichnet habe.

Das ist der Punkt, der etwas Unerfreuliches hat. Wenn unsere
Einrichtungen nicht modifiziert werden, so w�rde im folgenden Jahre
�berhaupt kein Gewinnanteil mehr ausgezahlt werden k�nnen. Der Anteil
der Firma reduziert sich auf 29 zu 100, also auf 20 Proz. statt auf etwa
24 oder 25 Proz. Die allgemeine Konsequenz aus diesem ist, da� wir auf
diese Prozente nicht kommen, als eine unerfreuliche Konsequenz ergibt
sich ganz allgemein, da� wir bei einem guten Gesch�ftsgang schon
angekommen sind an der Grenze, wo es hei�t: bis hierher und nicht
weiter, hinsichtlich der Verteilung des Arbeitsertrags.

Es folgt daraus, da� wir in dem Bem�hen, die wirtschaftliche Lage
unserer Arbeiter zu verbessern, nicht mehr weiter gehen k�nnen, solange
nicht die Verh�ltnisse auch anderw�rts ge�ndert werden -- sonst k�me es
hinaus auf eine Verteilung dessen, was im Sinne meiner vorherigen
Erkl�rungen in guten Gesch�ftsjahren nicht verteilt werden darf. Wir
k�nnen unsere Arbeitszeit nicht weiter verk�rzen, solange zu zwei
Dritteilen oder mehr der anderen Betriebe auf demselben Industriegebiete
noch 10 oder 12 Stunden gearbeitet wird[30]. Wir k�nnen nicht weitere
Erleichterungen gew�hren, auch den Mehrertrag der Akkordarbeit nach
seinen jetzigen Normen nicht erh�hen, solange anderw�rts die
Akkordarbeit ungebunden ist, als sie nicht geregelt ist durch die
Forderung des entsprechenden Mehrertrages. Wir k�nnen andere
Erleichterungen nicht eintreten lassen, solange es anderw�rts m�glich
ist, durch die Lehrlingsz�chterei billige Arbeitskr�fte zu erlangen und
dadurch den Preis der Arbeit zu unterbieten. Denn wir k�nnen den
Verkaufswert unserer Erzeugnisse nicht beliebig in die H�he steigern,
nicht weiter, als dieser Mehrwert von einer besonderen Organisation der
Arbeit herr�hrt. Alles das h�ngt ab von dem Angebot �hnlicher Arbeit aus
anderen Betrieben. Solange andere billiger arbeiten als wir, k�nnen wir
nicht steigern. Wir k�nnen aber auch nicht versuchen, den Mehrwert
unserer Erzeugnisse h�her als auf 10 Proz. zu bemessen; denn wir w�rden
dann gar bald die Erfahrung machen, da� die Abnehmer sich mit
minderwertiger Ware begn�gen. Wir m�ssen damit zufrieden sein, wenn wir
unseren Organisationsgewinn auf der bisherigen H�he von 10 Proz. halten
k�nnen, _weil wir uns mitten im allgemeinen Wettbewerb befinden und
nicht auf einer Insel im indischen Ozean_, die vielleicht jede
Konkurrenz unm�glich machte. _Wir sind mit dem, was wir leisten, unter
solchen Gesichtspunkten an der Grenze der M�glichkeit angekommen, die
wir ohne ernste Gefahr nicht �berschreiten k�nnen._

Also die Quelle dieser Diskordanz liegt darin, da� trotz eines sehr
guten Gesch�ftsganges die Verteilungsquote unter das erwartete und
folgerichtige Niveau herabgegangen ist, so da� sich darin zweifellos
eine Quelle vieler Abnormit�ten herausstellte, _namentlich aber ein
Mi�verh�ltnis in der Bezahlung der Akkordarbeit zur Zeitarbeit_.

Leider ist unsere Lohnstatistik noch nicht eingehend genug[31], um
ziffernm��ig nachweisen zu k�nnen, da� der gr��ere Teil dieser
Steigerung des Arbeitseinkommens (seit 1895 auf die beiden n�chsten
Jahre von 180 M. pro erwachsene Person) nur auf diejenigen kommt, welche
mehr Gelegenheit hatten, im Akkord zu arbeiten. Welches der
Akkord�berverdienst gewesen ist bezw. der Akkordabschlag, k�nnen wir nur
in einzelnen Gruppen feststellen, aber nicht als vergleichbaren
Durchschnitt f�r den ganzen Betrieb. F�r einzelne Gruppen ist auch
festgestellt worden, da� im Durchschnitt der Mehrertrag der Akkordarbeit
gegen�ber den Wochenl�hnen ganz au�erordentlich hohe Prozente erreicht
hat, in manchen z. B. 60 und 70 Proz., im Durchschnitt aber 40-50 Proz.
Vollkommen zugeben will ich, da� dabei Wochenl�hne zugrunde gelegt sind,
bei denen den Betreffenden nicht zugemutet werden kann, da� sie dauernd
zu denselben arbeiten; _nicht abzuleugnen ist indes, da� in dem
bestehenden Verh�ltnis eine unbillige Bevorzugung der Akkordarbeit
gegen�ber der Lohnarbeit hinsichtlich ihres Anteils am Arbeitsertrag
besteht_. Dieser Anteil geht erheblich �ber das hinaus, was die
Akkordarbeiter ihrer Anstrengung gem�� wirklich mehr verdienen d�rften.

Es ist ein ganz anderes Verh�ltnis als das von 5 zu 6, welches ich
vorhin beispielsweise angegeben habe, auch wenn wir nicht unsere
Wochenl�hne, sondern andere Zeitl�hne zugrunde legen w�rden, die man
sch�tzungsweise anerkennen k�nnte; solche L�hne, die unsere Arbeiter in
unseren Betrieben festhalten w�rden, wenn sie dieselben dauernd
erhielten. Das f�hrt zu der Folgerung, da� _in diesem System etwas
ge�ndert werden mu�_. Die praktischen Konsequenzen machen sich jetzt
schon bei uns auf allerlei Art bemerkbar. _Es findet sich bald niemand
mehr, der ohne Maulh�ngen Zeitarbeit leisten will._ Gar bald wird auch
niemand mehr geneigt sein, Werkmeistergehilfe oder selbst Werkmeister zu
werden, weil er dann nicht mehr so bezahlt werden k�nnte, wie als
einfacher Akkordarbeiter.

Wenn das so bleibt und unsere festen L�hne stark in die H�he getrieben
w�rden, so w�rde das zur Folge haben, da� im n�chsten Jahre von einer
Gewinnbeteiligung �berhaupt nicht die Rede sein k�nnte, ja, da� sogar
der Anteil der Firma unter den Satz herunterginge, auf den sie in guten
Jahren halten mu�. Wir k�nnen also nicht auf diese Weise die
Ausgleichung bewirken, deshalb mu� es auf andere und zwar _in der Weise
geschehen, da� wir diese nicht gerechtfertigten Vorz�ge der
Akkordarbeit, welche in den letzten Jahren sich bemerkbar gemacht haben,
in der angemessensten und schonendsten Art r�ckg�ngig machen_. Das ist
der Gesichtspunkt der von uns ausgesprochenen Absicht: da� wir die
Vorteile der Akkordarbeit etwas einschr�nken werden, weil sie eine
unverh�ltnism��ige Beg�nstigung bedeuten gegen�ber denjenigen, welche im
Zeitlohn arbeiten, denen wir aber keine Gelegenheit zur Akkordarbeit
bieten k�nnen.

Ich glaube, mit dieser Erkl�rung die ganzen Mi�verst�ndnisse beseitigt
zu haben.

Nun bleibt uns die weitere Frage: in welchem Ma�e ist eine Reduktion
n�tig, und wie soll diese ausgef�hrt werden, zur Beantwortung �brig. Das
Ma� dessen, was wir brauchen, ist gegeben dadurch, da� in guten Zeiten
eine angemessene Quote verbleibt als Nachtragszahlung in Form der
Gewinnbeteiligung. Diese Quote mu�, wenn sie ihren Zweck erf�llt, in
guten Jahren wenigstens 8-10 Proz. des im Laufe des Jahres gezahlten
Lohn- und Gehaltkontos erreichen. Erreicht sie diese H�he nicht und
findet nur der kleinste Nachla� statt, so ist das ein Zeichen daf�r, da�
mehr als zul�ssig war zur Verteilung gelangt ist. Wir werden die
Ausgleichung nicht bewirken k�nnen durch Erh�hung des Zeitlohns, sondern
durch K�rzung des Akkordlohns, um im n�chsten Jahre statt 4 Proz.
wenigstens 8-9 Proz. verteilen zu k�nnen bei gleich gutem Gesch�ftsgang.
Nach unseren �berschl�gen macht es sich n�tig, die Akkords�tze um etwa
12 Proz. zu verk�rzen; einzelne, welche besonders beg�nstigt sind,
m�ssen sich auch 15 Proz. gefallen lassen, aber immer unter
Ber�cksichtigung, da� sie am Schlu� des Jahres, wenn der Gesch�ftsgang
ein g�nstiger ist, 8-9 Proz. zur�ckerhalten. Daf�r k�nnen wir nat�rlich
keine Garantie leisten, denn es ist auch m�glich, da� je nach dem
Gesch�ftsgang nur 6 Proz. zur Verteilung gelangen.

Wir wollen nun, da� eine diesen Zwecken entsprechende Neuregelung der
Akkords�tze herbeigef�hrt wird. Ich mu� Ihnen offen sagen, es w�rde mir
sehr unliebsam sein, wenn man behaupten wollte, da� die K�rzung der
Akkords�tze auf Rechnung der Arbeiter der Firma zugute k�me. _Die Firma
hat davon keinerlei Vorteil, wenn der einen oder anderen Gruppe etwas
abgeknappst wird; es kommt nur der gesamten Arbeiterschaft wieder
zugute._ Ich sage das ausdr�cklich, weil unsere gesch�ftliche Situation
nicht eine solche ist, da� eine empfindliche Herabsetzung der Lohn- und
Arbeitsbedingungen stattfinden m��te. Wir haben ein Interesse daran, da�
diese Bedingungen auch in der Zukunft bestehen bleiben; eine
Herabsetzung w�re erst zu bef�rchten, wenn der Gesch�ftsgang sich
bedeutend verschlechterte. Gerade _weil_ keine Zwangslage vorhanden ist,
m��ten es sich alle gefallen lassen, wenn sie aufgefordert werden,
zugunsten des Ganzen ein kleines Opfer zu bringen. Die Einrichtungen
lassen sich so modifizieren, da� die Firma auf jeden Vorteil verzichten
mu�.

Das ist also der Grundsatz. F�r die Ausf�hrung desselben bleibt gar
nichts anderes �brig, als die jetzigen Akkords�tze zum Ausgangspunkt zu
nehmen und die Reduktionen vorzunehmen, selbstverst�ndlich unter
Ber�cksichtigung der besonderen Verh�ltnisse der einzelnen Gruppen. Es
wird zugrunde gelegt werden der Verdienst im Zeitlohn, und die
Akkords�tze werden so geregelt werden, da� unter den von mir schon n�her
bezeichneten Umst�nden ein Mehrverdienst von 20 Proz. gegen�ber dem
Zeitlohn erreicht werden kann. F�r dieses Jahr w�rde also ein Betrag von
60 000 Mk. zu erreichen sein, und das w�rde zur Folge haben, da� unsere
Gewinnbeteiligung wieder funktioniert. Die Regelung im einzelnen wird
uns vorbehalten bleiben m�ssen, da dies zur Vermeidung von H�rten in
einzelnen Gruppen geboten ist.

Wie bemerkt, sind wir an der Art, wie diese Abstriche gemacht werden
sollen, uninteressiert. Wir h�tten als Vertreter der Firma gar kein
Interesse, uns einzumischen in diese Regelung. Wir haben auch gar nichts
dagegen, wenn Sie versuchen wollen, diese Frage auf dem Wege der
Verhandlung unter einander auszumachen. Es w�rden da allerdings sehr
komplizierte Sachen auszugleichen sein, und es m��ten dabei
haupts�chlich drei Bedingungen erf�llt werden: Erstens, die Diskussionen
d�rfen nicht w�hrend der Arbeitszeit gef�hrt werden; zweitens, die
Diskussionen m�ssen ruhig und sachlich gef�hrt werden, damit der
�Landfrieden� nicht gest�rt wird, und drittens m��te bis zum neuen Jahre
eine provisorische Anordnung, die diesen Voraussetzungen entspricht,
getroffen werden.

Ob Sie es mit einer Lohnkommission versuchen wollen, �berlassen wir
Ihrer Entscheidung; wir nehmen keine Stellung dazu. Wenn die Bedingungen
erf�llt werden, und es zu einer Verst�ndigung und besseren Regelung der
inneren Zust�nde kommt, so ist das uns sehr angenehm. Es wird das Ziel
aber nicht auf dem Wege einer Verst�ndigung zu erreichen sein, da nun
einmal ein Streit dieser Art nicht mit F�usten, sondern mit Gr�nden
ausgefochten wird. Deshalb mu� eine unparteiische Instanz herangezogen
werden. Wenn Streit entsteht, w�rden wir dazu Stellung nehmen m�ssen.
Sie m�ssen also suchen, einen Unparteiischen zu finden. Es gereicht mir
zu einiger Genugtuung, da� unsere Einrichtungen derart getroffen worden
sind, da� die _erforderlichen Unparteiischen existieren_. Es sind das
bei uns drei, wenn ich Schott nicht mitz�hle, welche alle die
Qualifikation daf�r haben, vor allem die n�tige Sachkenntnis besitzen,
um den Ma�stab f�r die Sch�tzung des relativen Wertes der verschiedenen
Arbeitskategorien anlegen zu k�nnen. Sie eignen sich aber noch ganz
besonders dadurch, weil sie kein Interesse daran haben, da� eine
Gewinnbeteiligung herauskommt. _Diese drei sind die Mitglieder der
Gesch�ftsleitung_. Wenn Sie versuchen, sich unter einander zu einigen,
so werden Sie, wenn das Ergebnis der Verhandlungen kein gl�ckliches ist,
ein Schiedsgericht brauchen. Da k�nnen Sie dann zur Gesch�ftsleitung
gehen, die jedenfalls unparteiisch ihren Spruch f�llt.

Weil ich eben nicht annehmen kann, da� Sie die gew�nschte Regelung unter
sich vornehmen k�nnen, deshalb schlage ich Ihnen vor, da� Sie von
vornherein darauf verzichten, und das akzeptieren, was wir vorl�ufig
unter Vermeidung aller Unbilden und H�rten nach bestem Gewissen
anzuordnen gedenken.

Indem ich mich auf diese Angaben beschr�nke, m�chte ich noch eine
Bemerkung machen: wir verlangen nicht von Ihnen, und erwarten es auch
nicht, da� diejenigen, welchen infolge dieser ganzen Er�rterung der
Mi�verh�ltnisse und der ganzen Konsequenzen daraus, zugemutet werden
soll, einen gewissen Vorteil abzugeben, dazu ein freundliches Gesicht
machen. Aber was wir glauben erwarten zu k�nnen, ist, da� diejenigen,
welche sich �rgern, das auf dieselbe Weise tun, wie _wenn sie ein paar
Stunden bei sch�nem Wetter spazieren gegangen sind und dann in einen
Platzregen kommen_. Sie sollen nicht grimmig sein und den Ha� auf andere
Menschen werfen; sondern sie m�ssen sich sagen in einem solchen Falle:
wie gut war es doch, da� du wenigstens ein paar Stunden vorher
Sonnenschein genie�en konntest. _Die an Sie gestellte Zumutung ist nicht
eine solche, da� Sie ein wohlerworbenes Recht aufzugeben haben, sondern
nur einen Vorteil, den Ihnen der Zufall ein paar Jahre hindurch gew�hrt
hat, auf den Sie aber einen rechtlichen Anspruch nicht hatten_. Ich
w�nsche also noch, da� Sie diese Tatsache, den Vorteil nur vor�bergehend
und nicht dauernd besessen zu haben, nicht zum Gegenstand von
unsachlichen und unfreundlichen Diskussionen machen!

Damit m�chte ich schlie�en.

       *       *       *       *       *


Anhang.

---+------------------------------------+-----------+-----------+-----------
   |                                    |  1894/95  |  1895/96  |  1896/97
   |                                    |           |           |
   | Jahresproduktion                   |           |           |
   |                                    |           |           |
1. |   Einzelverkaufswert (Katalogwert) | 1 776 000 | 2 094 000 | 2 401 000
2. |   Netto-Verkaufswert               | 1 505 000 | 1 775 000 | 2 035 000
   |                                    |           |           |
3. | Betriebskapital am Schlu� des      |           |           |
   |     Gesch�ftsjahres                | 1 784 000 | 2 006 000 | 2 391 000
   |                                    |           |           |
4. | Gesamte Lohn- und Gehaltszahlung   |   642 700 |   829 000 | 1 060 000
   |                                    |           |           |
5. |   L�hne (Zeit- und Akkordl�hne)    |   478 300 |   628 600 |   797 900
6. |   Monatsgehalte                    |   164 400 |   200 400 |   262 500
7. |   Verh�ltnis von Gehalt zur Summe  |           |           |
   |     von Lohn und Gehalt            |   1:3,91  |   1:4,13  |   1:4,04
   |                                    |           |           |
---+------------------------------------+-----------+-----------+-----------
8. | Durchschnittlicher Jahresverdienst |   1110    |   1175    |   1133
   |   =aller= Arbeiter                 | (431      | (535      | (704
   |   (jugendliche einbegriffen)       | Personen) | Personen) | Personen)
   |                                    |           |           |
9. | Durchschnittl. Jahreseinkommen     |    --     |   1343    |   1377
   |   aller �ber 18 Jahre alten        |           |(523 Pers.;|(558 Pers.;
   |   Arbeiter (Zeitlohn und Akkord)   |           |   313     | 313 Tage)
   |                                    |           | bezahlte  |
   |                                    |           |   Tage)   |
   |                                    |           |           |
10.| Durchschnittl. Jahreseinkommen     |   1384    |   1465    |   1493
   |   aller �ber 24 Jahre alten        |  (307     |(317 Pers.;|(393 Pers.;
   |   Arbeiter                         | bezahlte  | 313 Tage) | 313 Tage)
   |                                    |   Tage)   |           |
   |                                    |           |           |
11.| Durchschnittl. Jahreseinkommen     |   1492    |   1593    |   1665
   |   aller �ber 24 Jahre alten        | (307 Tage)|(224 Pers.;|(238 Pers.;
   |   Arbeiter, die 3 Jahre oder       |           | 313 Tage) | 313 Tage)
   |   l�nger im Betrieb                |           |           |
   |                                    |           |           |

Fu�noten:

[Fu�note 21: Das betrifft nur zwei oder drei f�r das Verst�ndnis des
Ganzen zum Gl�ck unwichtige Stellen, von denen die eine, S. 150,
wenigstens bruchst�ckweise wiedergegeben ist.]

[Fu�note 22: [Der Niederschlag dieser Ausf�hrungen ist enthalten in den
�Erl�uterungen zu Titel I und II des Statuts usw.�, die weiter unten
abgedruckt sind.]]

[Fu�note 23: [Durch Ausgabe des Statuts der Carl Zeiss-Stiftung. Cz.]]

[Fu�note 24: [s. Anhang.]]

[Fu�note 25: [soll wohl hei�en: von der Stiftungs_verwaltung_. Cz.]]

[Fu�note 26: [Der erste Stiftungskommissar, sp�tere Staatsminister -- zu
der Zeit, von der hier die Rede ist, Regierungsrat im Kultusdepartement
des Gro�h. S�chs. Staatsministeriums.]]

[Fu�note 27: [Im Betriebsjahre 1901/02 betrug sie rund 16000 M. Im
Betriebsjahre 1904/05 rund 26000 M. Cz.]]

[Fu�note 28: [Am Schlusse des Vortrags abgedruckt.]]

[Fu�note 29: [s. Anhang.]]

[Fu�note 30: [Die Arbeitszeit ist am 29. M�rz 1900 auf 8 Stunden
verk�rzt worden. Cz.]]

[Fu�note 31: [Jetzt, seit mehreren Jahren, ist sie es. Cz.]]




V.

Zur Frage der Sonderbesteuerung des Konsum-Vereins.

Vortrag in der Versammlung des Freisinnigen Vereins am 27. Oktober 1898.
(Beilage zum Jenaer Volksblatt, Nr. 256 vom 1. November 1898.)


Meine Herren! Das Thema meines Vertrags ist kein im engeren Sinne
politisches. Die Bestrebungen der auf wirtschaftliche Selbsthilfe
gerichteten Genossenschaften kn�pfen sich nicht an ein bestimmtes
Parteiprogramm. Angeh�rige der verschiedenen politischen Parteien k�nnen
in ihrer Stellungnahme zu jenen Bestrebungen Hand in Hand gehen, wie
auch umgekehrt diese Stellungnahme innerhalb derselben Partei �fters
verschieden befunden wird. Indes sind gerade die linksstehenden
politischen Parteien von jeher der genossenschaftlichen Selbsthilfe
kr�ftige St�tzen gewesen -- wie schon die Namen SCHULZE-DELITZSCH unter
den Alten, MAX HIRSCH unter den J�ngeren bezeugen. Es versteht sich also
ganz von selbst, da� unser Verein Interesse nimmt an den Vorg�ngen, die
das Genossenschaftswesen ber�hren, und da� wir die Fragen diskutieren,
die mit bezug hierauf k�rzlich auch bei uns in Jena aktuell geworden
sind.

Um was es sich dabei handelt, wissen Sie alle. Der hiesige Gewerbeverein
will, auf Anregung der Kramerinnung, bei den Gemeindebeh�rden den Erla�
eines Ortsstatuts beantragen, welches _Konsum_vereinen eine
Sonderbesteuerung, und zwar eine Umsatzsteuer, auferlegt. Ich habe also
in meinem Referat Stellung zu nehmen zu diesem Antrag, zu seiner Tendenz
und zu seiner Begr�ndung, und daran Kritik zu �ben, falls dazu
Veranlassung vorliegt.

Meine Kritik wird etwas scharf ausfallen -- das bringen die Umst�nde so
mit sich. Deshalb ist es mir besonders erw�nscht, mich auf Tatsachen
berufen zu k�nnen, die glaubhaft machen, da� meine Stellungnahme v�llig
frei ist von pers�nlicher Animosit�t gegen die Vertreter des
gegnerischen Standpunktes -- da� meine Kritik sich also lediglich gegen
diesen Standpunkt richtet, nicht gegen die beteiligten Personen. Mit
vielen von diesen stehe ich n�mlich auf ganz gutem Fu�, vielen davon bin
ich ein guter alter Kunde. Denn ich halte darauf, da� in meinem Haushalt
_alle_ Bed�rfnisse, die in der Art, wie ich sie brauche, in Jena im
Verkehr sind, von hiesigen Gesch�ftsleuten entnommen, nicht in
Postpaketen aus Leipzig oder Berlin oder sonst woher bezogen werden. Und
ich habe keine pers�nliche Sympathie f�r _die_ Konsumvereine, die darauf
ausgehen, die Vorteile des Genossenschaftswesens just den Wohlhabenden
recht dienstbar zu machen. Nicht als ob ich etwa diesen das Recht hierzu
bestreiten wollte; das Recht gestehe ich allen zu. Ich meine aber, da�
nicht jeder von jedem beliebigen Recht auch jeden beliebigen Gebrauch
machen m�sse, ohne R�cksicht darauf, wie andere dadurch ber�hrt werden.
In dem Interessenkampf, den die fortschreitende Umgestaltung der
Wirtschaftst�tigkeit und der Wirtschaftsformen mit sich bringt, sollten
meiner Meinung nach gerade die besser situierten Kreise Teilnahme
bekunden f�r die Lage solcher Erwerbsgruppen, die dabei zwischen Hammer
und Ambo� geraten sind, und sollten, unter freiwilligem Verzicht auf
manche Vorteile, lieber mildernd und ausgleichend zu wirken suchen,
statt zur Versch�rfung der Schwierigkeiten beizutragen.

F�r den vorliegenden Fall ist indes die Stellungnahme durch ganz andere
R�cksichten gegeben. Denn es handelt sich um den Versuch, die _Gemeinde_
zu einseitiger Parteinahme in dem Interessenstreit zwischen
verschiedenen Gruppen der Gemeindeangeh�rigen zu verleiten -- um die
Absicht, die Machtmittel der Gemeinde in Bewegung zu setzen zugunsten
der einen Gruppe gegen die andere, und zwar zugunsten des st�rkeren
Teils, auf Kosten des schw�cheren Teils. Der Konsumverein, der in Jena
dem Kleinhandel Abbruch tut, ist keine Veranstaltung der Wohlhabenden;
er dient ausschlie�lich den Interessen der kleinen Leute. Und wie wenig
die Angeh�rigen der Kramerinnung und der ihr nahestehenden Erwerbskreise
auf Rosen gebettet sein m�gen -- so viel ist sicher, da� ihre
wirtschaftliche Position im Durchschnitt immer noch viel g�nstiger ist
als die durchschnittliche Wirtschaftslage derjenigen Klassen, die
vermittels des Konsumvereins eine Besserung erstreben.

Was nun die Kritik des vorher erw�hnten Antrages auf Einf�hrung einer
Umsatzsteuer f�r Konsumvereine anlangt, so ist mir in diesem Punkt mein
Referat au�erordentlich erleichtert durch zwei vorz�gliche Artikel, die
das �Jenaer Volksblatt� in der Dienstag-und Mittwoch-Nummer voriger
Woche unter dem Titel �Gewerbeverein contra Konsumverein� gebracht hat.
Die Bedeutung dieser Artikel liegt darin, da� sie die Verteidigung der
bedrohten Interessen wieder auf einen festen und sicheren Rechtsboden
stellen, nachdem bei der Diskussion innerhalb des Gewerbevereins in
diesem Punkt ein Fehler begangen worden war. In dieser Diskussion haben
n�mlich Verteidiger der Konsumvereins-Interessen zu einem Zugest�ndnis
sich verleiten lassen, welches schon ein Preisgeben des korrekten
Rechtsstandpunktes einschlie�t. Sie haben, augenscheinlich verbl�fft
durch die emphathische Betonung der angeblichen �Gerechtigkeit� der
geforderten Umsatzbesteuerung, auf das neue weimarische Steuergesetz
verwiesen, nach welchem vom 1. Januar 1899 ab auch Konsumvereine auf
ihre Dividenden etc. besteuert werden sollen, und haben erkl�rt, da�
durch diese jetzt bevorstehende Besteuerung der Gerechtigkeit nunmehr
entsprochen sei. _Das_ aber ist absolut verfehlt. Ganz im Gegenteil --
dieses Steuergesetz ist schon der Anfang und das Vorbild der groben
_Un_gerechtigkeit und der tendenzi�sen Parteinahme, die in gleichem
Sinne weiter fortzusetzen jetzt von der Gemeinde verlangt wird. Die
angezogenen Artikel des �Jenaer Volksblatts� haben das Verdienst, dieses
klipp und klar darzulegen. Sie zeigen, da� ein Konsumverein, sofern er
seinem statutarischen Zweck gem�� als Einkaufs-Genossenschaft verf�hrt
und die Abgabe der eingekauften Waren auf seine Mitglieder beschr�nkt,
keinen Gewinn haben kann, also keine �Einnahme� im steuerrechtlichen
Sinne. Was ein solcher Verein am Ende des Jahres unter dem Namen einer
Dividende seinen Mitgliedern auszahlt, ist nur das Geld, was er im Lauf
des Jahres den einzelnen bei der Verteilung der Waren zuviel abgenommen
hat -- aus Gr�nden der Zweckm��igkeit und zur Sicherung einer geordneten
Finanzwirtschaft, es ist aber kein �Gewinn�, den der Verein wirklich
gemacht h�tte. Und f�r das einzelne Mitglied ist die Dividende, die es
vom Verein empf�ngt, ebenfalls kein �Gewinn�, d. h. kein neuer Erwerb,
sondern lediglich die _Minderung an Ausgaben_, die es dadurch erreicht,
da� es seine Bed�rfnisse in Gemeinschaft mit anderen im gro�en
eingekauft und bar bezahlt hat. Alle Einkommenbesteuerung hat nun bisher
streng die beiden Grunds�tze respektiert: erstens, da� lediglich der
_Erwerb_ steuerpflichtig sei, nicht die Ersparnis an Ausgaben, die einer
haben kann, indem er sich besser einrichtet als ein anderer; zweitens,
da� jeder Erwerb nur einmal zu besteuern sei, nicht ein und derselbe
Erwerb ein und derselben Person unter anderem Namen zum zweiten Male
herangezogen werden d�rfe. Gegen beide Grunds�tze verst��t aber die
Einkommenbesteuerung, die das neue Weimarische Gesetz von jetzt ab den
Konsumvereinen auferlegt. Denn diese Besteuerung trifft keinen Erwerb,
sondern trifft die Ersparnis an Ausgaben; und sie ist eine
Doppelbesteuerung, weil die Ersparnis, die in Form der Dividende den
Mitgliedern des Konsumvereins erw�chst, von jedem einzelnen schon vorher
als Teil seines Erwerbs steuerpflichtig gewesen und versteuert worden
ist. Was einer in seinen Ausgaben ersparen kann, mu� er doch schon
besitzen; also mu� er es auch als Erwerb oder Einkommen schon versteuert
haben. Die landesgesetzlich jetzt eingef�hrte Besteuerung der
Konsumvereine f�r Staat und Gemeinde ist also, weit davon entfernt,
einer Gerechtigkeitsforderung zu entsprechen, selbst schon eine
Ausnahmema�regel, eine willk�rliche Sonderbesteuerung derjenigen
Volkskreise, die durch den Anschlu� an eine Einkaufsgenossenschaft
Erleichterung ihrer Wirtschaftsf�hrung suchen.

Dieser Charakter der Ausnahmema�regel und der Willk�r kommt im neuen
Weimarischen Steuergesetz auch sehr pr�gnant zum Ausdruck. In � 4 dieses
Gesetzes sind unter 6 Nummern alle diejenigen aufgez�hlt, die
einkommensteuerpflichtig sein sollen, und die letzte Nummer besagt:

     6. Gesellschaften und Genossenschaften, welche auf Gegenseitigkeit
     beruhen und ihren Gesch�ftsbetrieb ausschlie�lich auf ihre
     Mitglieder beschr�nken, jedoch nur hinsichtlich ihres Einkommens
     aus Grundbesitz im Gro�herzogtum.

Nun f�llt ein Konsumverein zweifellos unter den Begriff einer
�Genossenschaft, die auf Gegenseitigkeit beruht und ihren
Gesch�ftsbetrieb ausschlie�lich auf ihre Mitglieder beschr�nkt�.
Jedermann mu� also aus der Bestimmung unter Nr. 6 entnehmen, da� ein
solcher Verein nur auf etwaiges Einkommen aus Grundbesitz zu besteuern
sei. Ja wohl! -- aber unmittelbar vorher in � 4 steht ein besonderer
Absatz:


5. Konsumvereine.

Die unvermittelte Aufeinanderfolge beider sich widersprechenden
Bestimmungen des Gesetzes schl�gt sogar der Logik ins Gesicht. Man wei�
aber, wie das gekommen ist. In der Regierungsvorlage hat Nr. 5 nicht
gestanden; erst der Landtag hat sie nachtr�glich eingeschoben. Die
Regierung hat den korrekten Standpunkt vertreten, da� Besteuerung einer
Einkaufsgenossenschaft steuerrechtlicher Nonsens sei. Der Landtag aber
will �Mittelstandspolitik� getrieben wissen. Und die bringt es mit sich,
da� man die Ersparnisse der _kleinen_ Leute, die zu Konsumvereinen
zusammentreten, besteuert, weil diese Ersparnisse angeblich dem Erwerb
anderer, n�mlich der Kr�mer, vorenthalten werden. Die Ersparnisse der
Reichen, die j�hrlich Tausende auf die hohe Kante legen und dadurch dem
Konsum anderer entziehen, die besteuert man nicht. _Das_ nennt sich
Mittelstandspolitik.

Bei dem Antrag des Gewerbevereins handelt es sich nun nicht einmal um
diese landesgesetzliche Einkommenbesteuerung. Der Antrag verlangt
vielmehr, da� dem Konsumverein neben der Einkommensteuer auf seinen
angeblichen Gewinn f�r Staat und Gemeinde noch eine Extrasteuer auf den
_Umsatz_ durch Ortsstatut auferlegt werde, da� also die Gemeinde eine
Art von Oktroi einsacken solle auf alles, was hiesige Einwohner von
Waren und Gebrauchsartikeln durch gemeinsamen Einkauf _mittels_ des
Konsumvereins beziehen. Die Gutm�tigen wollen diesen Oktroi auf 2 Proz.
des Umsatzes, d. h. des Verkaufswertes, beschr�nken, die Schneidigen
unter den Verfechtern des Antrags wollen 3 Proz. erhoben wissen. Das
letztere w�re der Prozentsatz, zu welchem die Gemeindesteuer die
gr��eren Einkommen heranzieht. Der Konsumverein, also die Gesamtheit der
zu gemeinsamem Einkauf vereinigten Personen, soll hiernach, wenn er im
ganzen f�r 200 000 Mk. Waren einkauft und an seine Mitglieder verteilt,
daf�r eine _Extra_steuer entrichten in gleicher H�he wie ein Kaufmann,
der einen Jahres_gewinn_ von 200 000 M. erzielt. Er soll also seinen
ganzen Umsatz _wie Gewinn_ versteuern, neben der Steuer, die ihm
landesgesetzlich auf seine angebliche Dividende auferlegt wird. Nun --
ich glaube, es gen�gt, den steuerrechtlichen Widersinn schon dieser
Dividendenbesteuerung nachgewiesen zu haben, um die Ungeheuerlichkeit
des Verlangens nach nochmaliger Sonderbesteuerung ohne jedes weitere
Wort gekennzeichnet zu wissen.

Das Schikanieren der Konsumvereine ist ja nun nichts Neues mehr; im
K�nigreich Sachsen sind daf�r schon viele Beispiele gegeben. F�r das
Vorgehen in Jena ist aber zweierlei charakteristisch, wodurch der Anlauf
der hiesigen Mittelstandspolitiker das Gepr�ge einer gewissen,
anderw�rts nicht zu findenden Originalit�t erh�lt.

Erstens: da� man hier _keine_ Umsatzsteuer will, sondern nur eine
Einkommensteuer �bemessen nach dem Umsatz�. Jedes Kind wei� freilich,
da� Umsatz einerseits und Einkommen, d. h. Gewinn aus dem Umsatz,
anderseits in gar keiner Beziehung zu einander stehen, weil das eine
beliebig gro� und gleichzeitig das andere beliebig klein sein kann. Der
Gedanke ist also h�chst originell, unserem Gemeinderate das Problem
aufzugeben, da� er das eine nach dem andern �bemessen� solle -- und
zwar, genau betrachtet, ein Einkommen, das �berhaupt nicht existiert,
nach einem Umsatz, der bei einem Konsumverein auch nicht existiert. Denn
�Umsatz� im vern�nftigen kaufm�nnischen Sinn kann niemand mit sich
selbst haben, kann also auch eine Genossenschaft nicht haben, die Waren
nur einkauft, um sie selbst zu verbrauchen, nicht um sie an andere
weiterzugeben. -- Man darf gespannt darauf sein, wie der
Gemeindevorstand diese harte Nu� knacken wird. Der Vorschlag an sich
aber zeugt schon von b�sem Gewissen. Man hat den Mut nicht, offen und
direkt die Umsatzsteuer zu fordern -- damit w�re doch allzusehr der Katz
die Schelle angeh�ngt. Also sucht man ein M�ntelchen in der unschuldiger
klingenden Forderung einer Einkommensteuer.

Zweitens ist f�r die Jenaer Mittelstandspolitik charakteristisch, da�
sie ihre Pr�tensionen unter die Parole stellt: gleiches Recht f�r alle!
-- was zu tun man anderw�rts sich noch nicht getraut hat. Also: gleiches
Recht f�r alle! -- weil alle anderen B�rger nur besteuert werden auf ihr
Einkommen, ihren Erwerb, sind Konsumvereinsmitglieder zu besteuern auf
ihre Ersparnisse; und ferner: gleiches Recht f�r alle! -- weil alle
Kaufleute nur besteuert sind auf ihren Gewinn, mu� ein Konsumverein
besteuert werden auf seinen Umsatz! -- Dem einen Kommentar hinzuzuf�gen,
w�re �berfl�ssig. Wenn man also nicht annehmen will, da� die Berufung
auf das Recht der reine Hohn hat sein sollen, ist es immerhin noch
erfreulich, in den Kreisen des Gewerbevereins den guten alten
Grundsatz: gleiches Recht f�r alle! so hoch gehalten zu sehen.
Das verdient alle Sympathie, zumal in Steuersachen. Vielleicht
�bt der Gewerbeverein nach diesem Grundsatz auch einmal Kritik
an dem notorischen Bestreben hiesiger Gesch�ftsleute, bei der
Steuereinsch�tzung sich und ihre Freunde auf l�cherlich kleines
Einkommen veranlagt zu sehen -- unter Hinweis darauf, da� doch die
anderen, die der Steuerfiskus leichter fassen kann, ihren Erwerb auf
Heller und Pfennig versteuern.

�berlassen wir aber nunmehr das steuerrechtliche Ungeheuer seinen
Widerspr�chen und fragen wir uns noch: welchen Zweck kann der Antrag
haben? welche Absicht k�nnen die Antragsteller damit verfolgen wollen?

Da� die geforderte Besteuerung des Konsumvereins den hiesigen
Kleinh�ndlern einen Vorteil bringen werde, kann ernsthaft niemand
glauben. Da der Verein bei Abgabe der Waren zu den orts�blichen
Detailpreisen seinen Mitgliedern jetzt 10 Proz. gew�hrt, so ersparen die
Mitglieder jetzt 10 Proz. auf ihren Verbrauch, wenn sie nicht bei den
Kleinh�ndlern kaufen. Durch das geforderte Ortsstatut w�rde nun
allerdings, bei 3 proz. Umsatzsteuer, diese Ersparnis auf 7 Proz. sich
mindern. Wird aber wohl ein einziger deshalb vom Verein abgehen und
einen Vorteil von 7 Proz. verschm�hen, weil er nicht mehr 10 Proz. haben
kann? Und wird auch nur ein einziger, der sonst dem Verein beitreten
m�chte, das unterlassen, weil eine Ersparnis von nur 7 Proz. ihm nicht
mehr die M�he lohnt?

Auf eine Verbesserung der Lage des Detailhandels in Hinsicht auf die
Konkurrenz des Konsumvereins kann also der Antrag keinesfalls abzielen.
Mit Forderungen der ausgleichenden Gerechtigkeit l��t er sich aber
vollends nicht rechtfertigen; denn _diese_ stehen ihm schnurstracks
entgegen. Der Antrag dient daher weder einem materiellen Interesse
seiner Bef�rworter, noch einem idealen Interesse der Allgemeinheit; das
einzige, was er bezwecken und erreichen kann, ist: den Mitgliedern des
Konsumvereins Nachteil, Schaden zuzuf�gen -- sie zu strafen daf�r, da�
sie von den Rechten und Vorteilen der Genossenschaftsbildung Gebrauch zu
machen sich erk�hnen. Das beantragte Ortsstatut m��te also, falls es
erlassen wird, den Titel f�hren: �Ortsstatut zur Sch�digung des
Konsumvereins.�

Wenn jemand etwas anstrebt, was ihm selbst nichts n�tzt und was auch
nicht der Gerechtigkeit dient, sondern lediglich einem andern Schaden
zuf�gt, so bezeichnet man das Motiv dessen mit dem Wort �Bosheit�.
Vielleicht aber nehmen die Vertreter des Besteuerungsantrages
Veranlassung, um wenigstens dieses Odium abzuwehren, den Antrag
nachtr�glich noch so zu modifizieren, da� dabei ein Vorteil f�r die
Kleinh�ndler herausschaut. Das k�nnten sie auf zweierlei Art. Wenn sie
n�mlich statt der 3 Proz. mindestens 10 Proz. Umsatzsteuer verlangen
wollten, so w�rde ihnen wirklich gen�tzt werden k�nnen. Denn damit w�re
in der Tat dem Wettbewerb des Konsumvereins mit den Kr�mern die Spitze
abgebrochen, der Vorteil des Genossenschaftswesens gegen�ber dem
Detailhandel w�re eliminiert, und die Kr�merinnung k�nnte nunmehr von
dem Ortsstatut eine wirkliche Besserung ihrer Gesch�fte erwarten. Falls
man aber sich nicht getraut, eine so hohe Besteuerung zu fordern, bliebe
noch ein anderer Weg �brig, um zu einem Vorteil zu gelangen. Man m��te
dem beabsichtigten Antrag noch einen Zusatz beif�gen, etwa des Inhaltes:
�Mehr als 3 Proz. Steuer auf den Umsatz kann man nicht gut beantragen.
Uns, den Detaillisten, ist damit indes nichts gen�tzt, denn dabei wird
die Sch�digung, die der Konsumverein uns zuf�gt, noch genau dieselbe
bleiben. Nun soll doch aber die Ma�regel dem �Mittelstand� dienen,
n�mlich uns. Wir setzen also als selbstverst�ndlich voraus, da� die
4-6000 Mark, die der Gemeinderat k�nftig dem Konsumverein j�hrlich
abkn�pfen wird, nicht im Stadts�ckel verbleiben, sondern der
Kr�merinnung zur Verteilung an ihre Angeh�rigen �berwiesen werden.� --
Durch jene Ab�nderung oder diese Erg�nzung w�re der Antrag wenigstens
unter ein vern�nftiges Motiv gestellt; ohne das eine oder das andere hat
er nicht einmal das f�r sich.

Der Kritik scheint damit genug getan. Ich komme also nunmehr zu der
Frage: Was kann der Konsumverein tun, um die ihm, d. h. seinen
Mitgliedern, drohende Sch�digung abzuwenden?

Zun�chst wird man sich noch mit dem Gedanken tr�sten k�nnen: das neue
Ortsstatut ist ja noch nicht da, und es ist wohl auch noch fraglich, ob
der Gemeinderat den Antragstellern den Gefallen tun wird, es zu
beschlie�en. -- Da� unsere Stadtv�ter die ihnen vorgehaltene neue
Steuerquelle als _solche_ mit besonderem Wohlgefallen betrachten
sollten, ist wohl kaum anzunehmen. Der Stadts�ckel kann freilich Geld
immer brauchen. Aber ein Extraoktroi von 4-6000 Mark j�hrlich auf den
Konsum gerade der wenigst bemittelten Bev�lkerungsschicht -- _das_ w�re
doch dreckiges Geld! Und wenn der Vorteil des Stadts�ckels bei der
Entscheidung keine Rolle spielt, so h�tte allerdings der Gemeinderat
allen Grund, die Sache sich zehnmal zu �berlegen -- schon der
Konsequenzen wegen. Wohin wollte man kommen, wenn -- gleiches Recht f�r
alle! -- jede Interessengruppe, die sich dar�ber �rgert, da� die
Interessen einer anderen Gruppe den ihrigen Abbruch tun, von der Stadt
die Einf�hrung einer Sch�digungssteuer f�r ihren Gegner verlangen w�rde?
Wenn das jetzt zugunsten der ge�rgerten Kr�mer gesch�he, w�rden bald gar
viele kommen. Zun�chst k�nnten die Hausbesitzer und diejenigen, die
gewerbsm��ig Mietsh�user zum Verkauf bauen, sich dar�ber beschweren, da�
eine Baugenossenschaft -- auch so eine Art Konsumverein! -- ihren Erwerb
beeintr�chtige, indem sie selbst H�user baut f�r den Bedarf der Genossen
-- und jene k�nnten nun eine Extrabesteuerung der Baugenossenschaft
verlangen. Und dann w�rden die Barbiere kommen und klagen, da� sie in
ihrem Erwerb gesch�digt w�rden, weil immer mehr Leute sich die B�rte
wachsen lassen -- und denen zuliebe m��te nun die Stadt durch Ortsstatut
gar eine Einkommensteuer, �bemessen� nach den B�rten, einf�hren; denn
was den Kr�mern recht, ist den Barbieren billig. Und dabei w�re gar kein
Ende abzusehen. Ob aber diese und andere Gr�nde den Gemeinderat wirklich
zur Ablehnung des Antrages bestimmen werden, kann man nicht wissen. Denn
dank der Teilnahmlosigkeit weiter Kreise der Einwohnerschaft in bezug
auf �ffentliche Angelegenheiten liegt bei ihm die Entscheidung in der
Hand derselben Interessengruppe, die im Gewerbeverein das letzte Wort
behalten hat. Mit der M�glichkeit der Annahme des Besteuerungsantrages
im Gemeinderat mu� also jedenfalls gerechnet werden.

Nun k�nnte der Konsumverein seine Hoffnung noch darauf setzen, da�
vielleicht die Regierung einem derartigen Ortsstatut die Genehmigung
nicht erteilen werde. Nach deren Stellungnahme zur Konsumvereinsfrage
bei Beratung des � 4 des neuen Steuergesetzes ist in der Tat anzunehmen,
da� sie die geforderte Sonderbesteuerung weder f�r vern�nftig noch f�r
gerecht ansehen wird. Zweifelhaft bleibt aber jedenfalls, ob ihr die
rechtliche Handhabe gegeben ist, der Gemeindevertretung in den Arm zu
fallen, wenn diese das betreffende Ortsstatut beschlie�t; denn in
Sachsen hat bekanntlich gerade die Regierung die Schikanierungscampagne
eingeleitet und die Rechtm��igkeit der ihr dienenden Ma�nahmen
vertreten: Aber ganz abgesehen von diesem Zweifel w�rde ich es f�r
durchaus verfehlt halten, wenn man durch Anrufen der Regierung die
drohende Sch�digung abzuwenden versuchen wollte. Das k�me darauf hinaus,
den Ruf der andern nach Polizei zu beantworten mit dem Ruf nach noch
mehr Polizei. Wer Wert darauf legt, da� den Gemeinden ihr bi�chen
Selbstverwaltungsrecht nicht noch weiter verk�rzt werde, soll solche
Wege grunds�tzlich nicht beschreiten. Der Selbstverwaltung wegen mu�
eine Gemeinde das Recht haben, auch Torheiten zu begehen, wenn sie nicht
anders kann, und die Korrektur dagegen mu� nicht von au�en her gesucht
werden, sondern von innen, bei den B�rgern selbst. Schlie�lich aber
meine ich auch noch, da�, wer ein gutes Recht zu vertreten hat, sich
schon etwas vergibt, wenn er um dessen Anerkennung petitionieren geht.
Um sein Recht petitioniert man nicht, man verteidigt es. Und ein ehemals
Sachsen-Weimarischer Staatsminister hat daf�r das richtige Rezept
gegeben mit den Worten:

     Auf groben Klotz -- ein grober Keil! Auf einen Schelmen --
     anderthalbe!

So steht also meine weitere Betrachtung des Falles ganz und gar unter
der Fragestellung:

     Was ist f�r diesen Klotz der rechte Keil?

     Wie ist die Schelmerei einer Kramerinnung zu �berwinden durch
     anderthalbfache Schelmerei eines Konsumvereins?

Damit aber ist gesagt: die Kreise, in deren Interesse der Schutz der
Genossenschaftst�tigkeit liegt, sollen _nicht_ fragen, wie etwa durch
Vorstellungen und gute Worte noch verhindert werden k�nnte, da� ein
Ortsstatut im Sinne des Gewerbevereins zustande kommt; sie sollen
vielmehr angesichts des Vorgehens der Genossenschaftsfeinde sofort in
die _andere_ Erw�gung eintreten: Was k�nnen wir, wenn das Statut
erlassen wird, tun, um die damit beabsichtigte Sch�digung nicht nur
abzuwenden, sondern m�glichst in _ihr Gegenteil zu verkehren_? _Das_
ist, meines Erachtens, die richtige Stellungnahme. Denn der erhobene
Arm, bereit, den drohenden Schlag kr�ftig zu parieren, ist auch taktisch
eine bessere Figur als der krumme Buckel, der nur gegen den Streich sich
ducken will.

Selbstverst�ndlich k�nnen die Ma�regeln der Abwehr im einzelnen erst
diskutiert werden, wenn man genau wei�, was abzuwehren ist. Schon vorher
aber kann man die Richtungen ins Auge fassen, in denen die Wege zur
Abwehr zu finden sein m�ssen.

_Ein_ solcher Weg ist ganz von selbst gegeben. Er ist auch in Sachsen an
mehreren Orten mit Erfolg beschritten worden: rasche Ausdehnung der
Gesch�ftst�tigkeit des Vereins, um den Verlust von einigen Prozenten des
Umsatzwertes durch Steigerung der Umsatzziffern, g�nstigere
Einkaufsbedingungen und Verminderung der Generalunkosten wieder
auszugleichen. Das h�ngt in der Hauptsache, wenn der Verein in seiner
Organisation gen�gend gefestigt ist, nur ab von der M�glichkeit,
gr��eres Kapital f�r seinen Betrieb zu gewinnen, mehr als die Mitglieder
selbst in kurzer Zeit aufbringen k�nnten. Immerhin ist es nur ein
schlechter Trost, da� auf diesem Wege der unmittelbare Verlust durch die
Umsatzbesteuerung f�r den _einzelnen_ wieder eingebracht werden kann;
denn die Summe, die dabei im _ganzen_ den beteiligten Kreisen -- der
Hauptsache nach den Arbeitern -- ungerechterweise von der Gemeinde
weggenommen w�rde, w�re nicht kleiner, sondern noch viel gr��er als sie
bei gleichbleibendem Betrieb zu sein brauchte. Deshalb ist es wichtig,
auch noch andere Wege in Betracht zu ziehen, auf denen eine radikalere
Art der Abwehr als m�glich erscheint.

Solche Wege sind unter allen Umst�nden vorhanden. Denn, wie immer auch
das zu gew�rtigende Ortsstatut lauten m�chte, soviel ist sicher, da� es
die Besteuerung auf den Umsatz an _bestimmte_ Voraussetzungen kn�pfen
mu�. Da� es etwa der Umsatzbesteuerung alle diejenigen unterwerfen
k�nnte, die der Gemeinderat oder die Kramerinnung nach freiem Ermessen
jeweils f�r besteuerungs_w�rdig_ erachtet -- das ist gl�cklicherweise
ausgeschlossen. _Bestimmte_ Voraussetzungen lassen sich aber immer f�r
ein bestimmtes Steuersubjekt auch _aufheben_ -- und dann ist f�r
_dieses_ Subjekt das Ortsstatut nicht mehr vorhanden. W�rden z. B., wie
beantragt werden soll, _nur_ Konsumvereine der Umsatzsteuer unterworfen,
Einzelkaufleute nicht, so w�re dem Konsumverein durch seine
Entwicklungsgeschichte der Weg gezeigt, auf dem er sich steuerfrei
erhalten kann. Er brauchte nur seine Gesch�ftst�tigkeit in geeigneter
Art zur�ckzubilden in das _reine_ Lieferantengesch�ft, mit dem er vor 10
Jahren sie begonnen hat -- und er selbst h�tte dann keinen �Umsatz�
mehr; denn die Summe alles Konsums seiner Mitglieder w�re wieder Umsatz
eines Einzelkaufmanns oder mehrerer Einzelkaufleute. Und dann h�tte man
in Jena einen Konsumverein und h�tte auch ein Ortsstatut, um ihn auf
Umsatz kr�ftig zu besteuern, der Konsumverein aber h�tte keinen Umsatz
und der Umsatz h�tte keinen Konsumverein. -- Da� solches erreichbar sein
werde, ohne da� der Konsumverein seine wichtigsten Errungenschaften
wieder preiszugeben h�tte, erscheint auf den ersten Blick zwar
befremdlich. Es _ist_ aber m�glich, und zwar ohne da� dabei die
Mitglieder des Vereins irgend einen Vorteil zu verlieren brauchten, den
sie jetzt aus der eigenen Gesch�ftsf�hrung haben, und ohne da� der
Verein das Heft der Aktion auch nur vor�bergehend aus der Hand zu geben
n�tig h�tte.

Ein Ortsstatut, welches solche Wege dadurch verlegte, da� es allen
Detailhandel, auch den der Kaufleute, einer Umsatzbesteuerung nach
gleicher Norm unterw�rfe, ist f�r Jena unm�glich. Das ist sofort
ersichtlich, wenn man an unsere guten Postverbindungen denkt und an das
Gaudium, welches eine allgemeine Extrabesteuerung des hiesigen
Detailhandels den Warenh�usern in Berlin und Leipzig und anderen
ausw�rtigen Kaufleuten bereiten m��te. Es k�nnte sich also, falls die
Umsatzsteuer nicht g�nzlich auf Konsumvereine beschr�nkt w�rde,
h�chstens um solche Ma�regeln handeln, die andere Kaufleute mitbetr�fen,
_wenn_ sie Lieferanten f�r Konsumvereinsmitglieder werden. Darauf kann
ich es einstweilen ankommen lassen. Falls ein solches Ortsstatut -- es
m��te schon ein Kunstst�ck sein -- erst da ist, dann k�nnen wir uns ja
weiter sprechen.

_Eine_ Voraussetzung mu� allerdings gemacht werden, wenn die
Abwehrma�regeln, auf die ich hier ganz im allgemeinen hingewiesen habe,
ins Werk zu setzen sein sollen: der Verein darf nicht g�nzlich auf sich
und seine Mitglieder angewiesen sein -- er mu� Bundesgenossen zur
Verteidigung seiner Position finden. Diese Voraussetzung aber ist sicher
erf�llbar kraft der Interessengemeinschaft, die zwischen der Hauptgruppe
seiner Mitglieder, der Arbeiterschaft, und anderen Kreisen der Stadt in
bezug auf die Angelegenheiten genossenschaftlicher Selbsthilfe ganz von
selbst gegeben ist. Was ich meine, wird man verstehen, sobald man sich
klar macht, da� Ma�regeln, die auf Verteuerung der Lebenshaltung der
arbeitenden Klassen in Jena hinauslaufen, eine direkte Benachteiligung
aller industriellen T�tigkeit am Ort bedeuten m�ssen. Wenn daraufhin der
Konsumverein R�ckhalt bei denen sucht, welche die Interessen der
Industrie und ihrer ungest�rten Entwicklung zu vertreten haben, so
vergibt er seiner Selbst�ndigkeit nichts. Denn er kommt nicht als
Bittender, mit leeren H�nden, der nur Beistand f�r _seine_ Sache, sucht,
sondern als Bundesgenosse der andern, der in seiner Organisation und in
seinen geschulten Kr�ften die Waffen zur Abwehr gemeinsamer Gefahr in
der Hand hat. Und er kann daraufhin die Bedingungen gemeinsamen
Vorgehens seinerseits so regeln, da� aus dem zeitweiligen Hand-in-Hand
gehen mit andern seiner eigenen Selbst�ndigkeit kein Abbruch geschieht.
Das m��te der Gesichtspunkt sein, unter den die Abwehr des Vorsto�es der
Genossenschaftsfeinde sich zu stellen h�tte.

Der hiesige Konsumverein hat, nach der Meinung vieler, ein entschiedenes
Verdienst um die Entwicklung des wirtschaftlichen Lebens unserer Stadt.
Er hat zuerst die Idee genossenschaftlicher Selbsthilfe in die Kreise
der arbeitst�tigen Bev�lkerung Jenas hineingetragen und zuerst Erfolg
und Anerkennung ihr erstritten. Die j�ngere Vereinigung gleichen
Charakters, die Baugenossenschaft, w�rde schwerlich so schnell, wie es
geschehen, zu erfreulicher Konsolidierung gelangt sein, wenn nicht durch
die Vorarbeit der �lteren die Genossenschaftsidee gerade in den
Arbeiterkreisen hier schon eingeb�rgert und Schulung vieler in
genossenschaftlicher T�tigkeit gewonnen worden w�re. Diesem Ruhm kann,
wie ich glaube, der hiesige Konsumverein vielleicht noch ein weiteres
Verdienst hinzuf�gen, dessen Bedeutung m�glicherweise sogar �ber die
�rtlichen Grenzen hinausreichen w�rde, wenn er in dieser Zeit der
Anfechtung genossenschaftlicher Bestrebungen nicht nur kr�ftig sie
vertritt, sondern f�r diese Vertretung auch Wege anbahnt, die bisher
noch nicht beschritten wurden. Dann k�nnte er, der eigenen Sache
dienend, zugleich andern, die anderw�rts vor den gleichen Anfechtungen
stehen, ein Vorbild geben.




VI.

Die rechtswidrige Beschr�nkung der Versammlungsfreiheit im Gro�herzogtum
Sachsen.

Rede, gehalten in �ffentlicher Volksversammlung zu Jena am 17. November
1900[32].


_Geehrte Versammlung!_

�ber die �u�ere Veranlassung zu dieser Versammlung brauche ich mich
nicht n�her auszusprechen. Da� die dreiundeinhalb Versammlungsverbote,
die unter Berufung auf die ��ffentliche Ordnung und Sicherheit� k�rzlich
in rascher Aufeinanderfolge hier in Jena ergangen sind, nicht den
Gegenstand meiner Rede bilden sollen, sondern nur den _Ansto�_ zur
heutigen Versammlung gegeben haben, ist Ihnen schon durch die Benennung
des Themas, in den Worten �Versammlungsfreiheit _im Gro�herzogtum
Sachsen_� gen�gend erkennbar gemacht. Ich brauche daher nur dar�ber
Erkl�rung zu geben, warum Angeh�rige der nicht-sozialdemokratischen, der
sog. _b�rgerlichen_ Parteien sich veranla�t sehen, die Frage dieser
Versammlungsverbote im Gro�herzogtum zur �ffentlichen Diskussion zu
stellen, obwohl diese Verbote �berall, wie hier in Jena,
_ausschlie�lich_ die Versammlungen der sozialdemokratischen Partei
betroffen haben. _Das_ will ich zun�chst in kurzen Worten erledigen.

Nach Aufhebung des Sozialistengesetzes, unseligen Angedenkens, besteht
auch im Gro�herzogtum kein _Ausnahme_gesetz mehr gegen die
sozialdemokratische Partei. Die Verbote ihrer Versammlungen ergehen also
unter _gemeinem_ Recht des Landes, welches auf _alle_ B�rger gleichm��ig
Anwendung findet. Unter denselben Voraussetzungen, unter denen die
Polizeibeh�rden kraft dieses Landesrechts die Versammlungen _einer_
Partei verhindern d�rfen, d�rften sie, sobald es ihnen zweckm��ig
erscheint, _alle_ Versammlungen im Lande verhindern. Die bewu�ten
Verbote ber�hren daher ganz unmittelbar, und in ganz eminentem Grad, die
Frage des verfassungsm��igen Rechtes _aller_ B�rger in unserem Lande,
die Frage der b�rgerlichen Freiheit �berhaupt gegen�ber der
Polizeigewalt -- und damit in bezug auf den Charakter unseres ganzen
Staatswesens die Frage: _Rechts_staat oder _Polizei_staat?

An den Fragen _dieser_ Art sind aber alle gleichm��ig interessiert,
nicht nur die Sozialdemokraten und nicht nur die Liberalen, sondern
ebensosehr auch die Konservativen -- soweit sie wirklich �Konservative�
sind, nicht reine R�ckschrittler, deren offenkundiges Ideal der reine
Polizeistaat ist. Denn es gibt nur _eine_ Art von staatsb�rgerlichem
Recht: _das_ Recht, welches alle gleichm��ig sch�tzt, vom Minister bis
zum letzten Tagel�hner; und es gibt nur _eine_ Art von politischer und
b�rgerlicher Freiheit: _die_ Freiheit, an der alle gleichm��ig
teilhaben, vom Minister bis zum letzten Tagel�hner. Eine Freiheit, die
einzelne, oder bestimmte Kreise, oder ganze Parteien, _des_halb
genie�en, weil die Polizei f�r gut findet, _sie_ nicht zu beschr�nken --
diese Freiheit �von Polizei Gnaden� ist _keine_ Freiheit. Der Sklave,
der von seinem Herrn nicht mi�handelt wird, ist kein _freier_ Sklave.

Soweit nun die Anh�nger der Sozialdemokratie fordern, ihre Ansichten und
Ideen innerhalb der Grenzen des _gesetzlich_ Erlaubten _kraft gemeinen
Rechtes des Landes_ ebenso in Versammlungen �ffentlich vertreten zu
k�nnen, wie andere Parteien die ihrigen, verfechten sie kein
Parteiinteresse, sondern verfechten sie das verfassungsm��ige Recht
aller. Kein Gezeter der �staatserhaltenden� Parteien �ber den Vorschub,
der der Sozialdemokratie aus den Kreisen des B�rgertums geleistet werde,
wird meine Gesinnungsgenossen und mich abhalten, sie kr�ftig zu
unterst�tzen �berall, wo ihre Forderungen _diese_ Bedeutung gewinnen.
_Die Sozialdemokratie soll sich nicht r�hmen d�rfen, die einzige Partei
geworden zu sein, die in unserem Land oder_ _in dieser Stadt
verfassungsm��iges Recht und staatsb�rgerliche Freiheit noch
verteidigt!_

       *       *       *       *       *

Nach diesem Vorwort komme ich nun zur Sache.

Da� ich die in Betracht stehenden Verwaltungsma�nahmen unter
_rechtlichem_ Gesichtspunkt anfechten will, bringt schon das Thema
meines Vortrages zum Ausdruck. Indes l��t dieses noch unbestimmt, ob ich
dabei nur das Recht seiner allgemeinen Idee nach, oder das konkrete, in
den geschriebenen Gesetzen gegebene Recht im Auge habe -- ob ich also
die Versammlungsverbote anfechten will durch Kritik der
Rechtsanschauungen, von denen sie geleitet sind, und vielleicht
verlangen will, da� _diese_ lege ferenda zu korrigieren seien -- oder ob
ich sie anfechten will durch Kritik de lege lata, auf dem Boden des
positiven Rechtes, unter der Behauptung falscher, _gesetzwidriger_
Anwendung der geltenden Gesetze.

Vom ersteren Standpunkt aus w�rde Gegenstand meiner Kritik die _Absicht_
sein m�ssen, die in diesen Verboten offen zum Ausdruck kommt: die Ideen
und Bestrebungen einer bestimmten Partei unter der Behauptung ihrer
Staatsgef�hrlichkeit mit den _�u�eren_ Machtmitteln des Staates
bek�mpfen, _gewaltsam_ unterdr�cken oder hemmen zu wollen -- sowie die,
wie ich glaube, verh�ngnisvolle _Wirkung_, die derartiger Gebrauch der
Staatsgewalt in Aussicht stellt. Und f�r eine Kritik von _diesem_
Standpunkt aus h�tte ich in der Tat kr�ftige Waffen. Ich k�nnte, im
Punkte Vernunft und Gerechtigkeit, hinweisen auf den pr�gnanten
Ausspruch eines sehr konservativen Historikers, Heinrich von Treitschke,
der einmal gesagt hat:

     Keine Kunst der Rede vermag den _ketzerrichterlichen_ Geist zu
     verh�llen, der aus der Behauptung spricht: irgend eine Idee, oder
     Meinung, oder Lehre sei _staats_gef�hrlich!

Und im Punkte praktischer Staatsklugheit k�nnte ich die Tatsache
hervorheben, da� das ketzerrichterliche Gesetz, das zehn Jahre �ber
Deutschland geherrscht hat, das _kl�glichste_ Fiasko bedeutet, das seit
der Begr�ndung des Reichs irgend einer gesetzgeberischen Aktion in
Deutschland beschieden war.

Aber alles das will ich nicht weiter verfolgen. Denn meine Absicht ist
heute, die Angelegenheit dieser Versammlungsverbote _nur_ von dem
anderen, zu zweit bezeichneten Standpunkte aus, also de lege lata, zu
er�rtern. Nicht darum also soll es sich heute abend handeln: ob diese
Ma�nahmen der Verwaltung unter Gesichtspunkten von Vernunft und
Gerechtigkeit weise oder t�richt, gerecht oder ungerecht, ob sie unter
Gesichtspunkten des Staatsinteresses in ihren Wirkungen staatserhaltend
oder staatszerst�rend seien -- sondern lediglich um _die_ Frage: ob sie
_angesichts der im Gro�herzogtum geltenden Gesetze_ gesetz_m��ig_ oder
gesetz_widrig_ und ob ihre Sanktionierung seitens der oberen, f�r die
Handhabung der Gesetze _verfassungsm��ig_ verantwortlichen
Staatsbeh�rden verfassungs_gem��_ oder verfassungs_widrig_ sei?

       *       *       *       *       *

Ich bin aber durchaus gew�rtig, da� sehr _viele_ in dieser gro�en
Versammlung eine solche Erkl�rung mit �u�erstem Befremden anh�ren
werden. Besonders im Kreise der politisch mir N�chststehenden wird man
sich fragen: Ist es nicht h�chst _un_klug, die Bek�mpfung des neuerdings
beliebten Verwaltungsverfahrens von einer so _schwachen_ Position aus zu
versuchen? Besteht doch allgemeines Einverst�ndnis dar�ber, da� unsere
_schlechten Gesetze_ an allem schuld sind -- da� unser Landtag in der
Zeit der Reaktion der 50er Jahre durch das Polizeigesetz vom
7. Jan. 1854 das verfassungsm��ige Recht der B�rger _an die Polizei
ausgeliefert_ hat -- und da� angesichts dieses �heillosen� Gesetzes die
Polizei eben alles sich erlauben darf, ohne da� man die _formelle
Legalit�t_ zu bestreiten verm�chte! -- Haben wir, die Freisinnigen und
die b�rgerlichen Demokraten im Land, nicht gerade deshalb vor zwei
Jahren Petitionen an den Landtag um Erla� eines _anst�ndigen_
Versammlungsgesetzes in Umlauf gebracht? Wie kommt der Redner dazu,
alles das jetzt v�llig zu ignorieren?

Alle, die so fragen, bitte ich aber, ihre Ansicht auf kurze Zeit
zur�ckzusetzen und meine Rede bis zu Ende anzuh�ren. Ich hoffe sie dann
_�berzeugt_ zu haben, da� jene allgemein verbreitete Annahme �ber die
Inferiorit�t unserer Gesetze und die Hoffnungslosigkeit unserer
gegenw�rtigen Rechtslage nichts anderes ist als ein grobes _Vorurteil_,
ein gro�es _Mi�verst�ndnis_ -- nur daraus erkl�rlich, da� der lebenden
Generation l�ngst der Zusammenhang des Textes jenes fast 50 Jahre alten
Gesetzes mit den Gedanken und den Absichten des _Gesetzgebers_ v�llig
verloren gegangen ist. So paradox es im Augenblick vielen klingen mag --
das Ergebnis meiner heutigen Er�rterung wird _da_hin gehen:

da� _kein_ Land in Deutschland in bezug auf die _politischen_ Rechte der
B�rger und auf _gute_ gesetzliche Umgrenzung der Polizeigewalt einer
_besseren_ Rechtslage sich erfreut, als _nach den jetzt geltenden
Gesetzen_ das Gro�herzogtum Sachsen -- wenn nur diese Gesetze richtig,
d. h. dem Willen des Gesetzgebers entsprechend, angewandt werden;

da� im besonderen dieses alte, verrufene �Polizeigesetz� vom Januar 1854
in Wahrheit geradezu ein _wertvolles Erbst�ck darstellt, welches unserem
Land �brig geblieben ist aus einer Zeit, da Regierung und Landtag noch
durchdrungen waren vom Geist des Verfassungsstaates_;

und da� die Diskreditierung dieses Gesetzes in der �ffentlichen Meinung
_bitteres Unrecht_ den M�nnern getan hat, die damals an unserer
Gesetzgebung beteiligt waren.

Ich spreche alles dieses, meinen Ausf�hrungen absichtlich vorgreifend,
schon jetzt aus, damit Sie nicht, befangen in dem Glauben an die
angeblich verzweifelte Rechtslage, diese Ausf�hrungen anh�ren mit dem
tr�ben Gedanken: es hilft ja doch nichts! _Es wird etwas helfen_, wenn
Sie mir Gelegenheit geben, meine Behauptungen hier, in breiter
�ffentlichkeit, _eingehend_ zu rechtfertigen!

Da ich aber einmal vorgegriffen habe, will ich auch noch die Konsequenz,
die meine Er�rterung in Hinsicht auf das _Taktische_ nach sich ziehen
mu�, gleich hier zum voraus aussprechen:

Es ist der gr��te Mi�griff gewesen -- ich selbst habe ihn mitgemacht --
Petitionen an den Landtag um Erla� eines besonderen Gesetzes �ber
Vereins- und Versammlungswesen zu richten; und es ist ein wahres Gl�ck
f�r uns, da� der Landtag diese Petitionen rund abgelehnt hat, und
zugleich in einer _Form_ sie abgelehnt hat, die _uns_ v�llig
dispensiert, je wieder darauf zur�ckzukommen. Denn alles, was wir
_jetzt_ erlangen k�nnten, w�rde in bezug auf Vereins- und
Versammlungsfreiheit unvergleichlich viel _schlechter_ uns stellen, als
wir nach unserem ehrlichen _alten_ Recht gestellt sind. Was wir zu tun
haben, ist ganz allein: dieses gute alte Recht kr�ftig zu _verteidigen_,
auf da� es noch auf weitere 50 Jahre hin ganz unge�ndert fortbestehe,
und dabei kr�ftig einzutreten f�r seine _richtige_, gesetz_m��ige_
Anwendung -- kr�ftig den _Mi�brauch_ des Gesetzes abzuwehren, der allein
es erm�glicht hat, da� Polizeiwillk�r hinter ihm Deckung finden konnte.

Indem ich nunmehr zur _Begr�ndung_ dieser bis jetzt ohne Beweis
hingestellten Ansichten �bergehe, habe ich zun�chst in aller K�rze die
_Tatsachen_ zusammenzustellen, welche die bisherige Praxis der
Versammlungsverbote im Gro�herzogtum kennzeichnen.

W�hrend der Geltung des Sozialistengesetzes waren nat�rlich alle
Versammlungen mit erkennbarer sozialdemokratischer Tendenz auch
bei uns kraft Reichsgesetz verboten. Aber auch in dieser Zeit sind
die Anh�nger dieser Partei -- zu _Ehren_ der damaligen Verwaltung
bezeuge ich es -- in unserem Land nicht _schikaniert_ worden. Selbst
allgemein bekannte F�hrer der Partei, die gem�� dem Zweck des �kleinen
Belagerungszustandes� in Norddeutschland fast �berall herumgehetzt
wurden, haben im Gro�herzogtum _un_bel�stigt verkehren k�nnen. Einer von
diesen F�hrern, der damals �fters in Jena war und dem schon fr�her
pers�nlich n�her gekommen zu sein ich mir als besondere Gunst anrechne,
hat mir selbst gesagt: wie er sich jedesmal freue, wenn er in das Gebiet
der schwarz-gr�n-gelben Pf�hle komme -- _da_ habe er doch keinen
Polizeispitzel mehr auf den Fersen!

Kurz vor Aufhebung des Sozialistengesetzes, also wohl aus Anla� der
bevorstehenden Aufhebung, ist -- nach �u�erungen in unserem Landtag zu
schlie�en -- unterm 1. September 1890 aus dem Ministerium eine
�Unterweisung� an die B�rgermeister ergangen, deren Text ich nicht n�her
kenne, die aber inhaltlich besagt haben mu�: da� auch _nach_ Wegfall des
genannten Gesetzes die Polizeibeh�rden aus � 1, Ziff. 2 des Gesetzes vom
7. Jan. 1854 befugt sein w�rden, politische Versammlungen �_bei
dringender Gefahr f�r die �ffentliche Ordnung und Sicherheit_� zum
voraus zu verbieten. Diese -- durchaus korrekte und sachgem��e --
Unterweisung hat aber zur Folge gehabt, da� durch viele Jahre hin keine
_einzige_ Versammlung im Gro�herzogtum verboten wurde, weil _keine_ den
geringsten Anla� zu Bef�rchtungen f�r �ffentliche Ordnung und Sicherheit
gab. W�hrend es, bei uns wie anderw�rts, sehr oft vorkommt, da�
Versammlungen, die unter dem Szepter des Gambrinus tagen, zu Unordnung,
Tumult usw. f�hren, ist derartiges -- wie ich ausdr�cklich konstatiere
-- _bis auf den heutigen Tag_ noch niemals bei _politischen_
Versammlungen eingetreten -- auch nicht bei sozialdemokratischen, und
auch nicht in den erregtesten Zeiten der Reichstagswahlen. Und obwohl
sozialdemokratische Versammlungen inzwischen zu vielen Hunderten im
Lande stattgefunden haben, ist es -- soviel bekannt -- bei uns nicht
ein _einziges Mal_ vorgekommen, da� wegen der Reden oder Handlungen in
einer solchen Versammlung der Staatsanwalt Anla� zu nachtr�glichem
Einschreiten gefunden h�tte. Alles das hebe ich hier besonders hervor.

Vor einigen Jahren h�rte man nun, zum erstenmal nach Aufhebung des
Sozialistengesetzes, wieder von dem Verbot einer sozialdemokratischen
Versammlung im Gro�herzogtum, und zwar in Eisenach -- unter Umst�nden,
die sofort erkennen lie�en, da� es sich dabei um etwas _Neues_ handelte.
Das Verbot war, unter Bezugnahme auf das erw�hnte Polizeigesetz, wegen
�dringender Gefahr f�r die �ffentliche Ordnung und Sicherheit� ergangen.
Da nun kein vern�nftiger Mensch von der fraglichen Versammlung
Ruhest�rung und sonstige Gesetzwidrigkeit hatte erwarten k�nnen, so
mu�te also einer einen _neuen Einfall_ gehabt, n�mlich die Entdeckung
gemacht haben, da� unter den �dringenden Gr�nden des �ffentlichen
Wohls�, derentwegen nach dem Polizeigesetz polizeiliche Verbote zul�ssig
sein sollen, auch etwas ganz _anderes_ verstanden werden k�nne, als man
bis dahin darunter verstanden hatte. Der Urheber dieser Entdeckung ist
-- meines Wissens -- der fr�here Oberb�rgermeister von Jena, _Eucken_,
jetzt Bezirksdirektor in Eisenach, derselbe, der hier unter der Geltung
des Sozialistengesetzes amtierte und durch seine _hiesige_ T�tigkeit das
Ansehen besonderer Objektivit�t und strengster Unparteilichkeit, auch in
politischen Dingen, sich erworben hatte.

Die Entdeckung Euckens hat aber nur sehr allm�hlich Verst�ndnis und
Anklang gefunden. Weitere Versammlungsverbote erfolgten zun�chst ganz
vereinzelt und auch als sie sich mehrten, lange Zeit ganz systemlos;
bald ein _Verbot_ -- bald, unter �u�erlich ganz gleichen Umst�nden,
_kein_ Verbot. Jahrelang entsprach die Praxis deutlich der Devise:

    Die Wetterfahnen, sie sind verlegen,
    Sie wissen nicht, wohin sich bewegen.

Erst _neuerdings_ lassen die Wetterfahnen �berall die bekannte
�bereinstimmende Windrichtung erkennen.

Man st�nde aber angesichts dieser wegen �dringender Gefahr f�r die
�ffentliche Ordnung und Sicherheit� ergehenden Verbote noch heute vor
einem vollst�ndigen _R�tsel_, wenn nicht zwei Verhandlungen in unserem
Landtage Licht -- und die zweite ein sehr helles Licht -- auf die Sache
geworfen h�tten. Schon in der ersten von diesen Verhandlungen, die der
_Abg. Baudert_ zu Anfang 1898 provozierte, wurde mit einiger
Zur�ckhaltung, in der zweiten aber, im Dezember 1899, die unsere
Petitionen wegen eines Vereins- und Versammlungsgesetzes zum Gegenstand
hatte, mit h�chster Deutlichkeit und Unumwundenheit von den
konservativen Abgeordneten _und vom Regierungstisch_ die Ansicht
proklamiert: die Sozialdemokratie sei _an sich_ eine �Gefahr f�r die
�ffentliche Ordnung und Sicherheit�, _des_halb m�sse die Propaganda f�r
ihre Lehren, auch wenn sie g�nzlich auf dem Boden der Gesetze sich h�lt,
aus �dringenden Gr�nden des �ffentlichen Wohls� m�glichst _beschr�nkt_
werden. Und der oberste Verwaltungschef hat damals mit anerkennenswerter
Ehrlichkeit und Offenheit seinen Standpunkt _da_hin (dem Sinne nach)
erl�utert: Andere Staaten in Deutschland seien mit der Aufhebung des
Sozialistengesetzes dieser staatsfeindlichen Partei gegen�ber wehrlos
geworden; das Gro�herzogtum aber sei in der gl�cklichen Lage, in seinen
_Landes_gesetzen (n�mlich in dem Polizeigesetz vom 7. Januar 1854)
gen�gende Waffen zu besitzen, um auch _ohne_ Ausnahmegesetz die Gefahr
abwehren zu k�nnen -- wenn nur die Polizeibeh�rden �berall richtiges
_Verst�ndnis_ besitzen f�r die �dringenden Gr�nde des �ffentlichen
Wohls�, die dabei in Frage kommen. Und er hat _unumwunden zugestanden_,
durch Instruktion der Bezirksdirektoren sowie durch Belehrung der
B�rgermeister auf die Verbreitung dieses Verst�ndnisses _amtlich_
hingewirkt zu haben.

Hiernach steht jetzt ganz _authentisch_ fest:

     Die Versammlungsverbote im Gro�herzogtum erfolgen, mangels jeder
     vern�nftigen Bef�rchtung von St�rung der _�u�eren_ Ordnung und
     Sicherheit, _tats�chlich nur_ wegen _der_ Gefahr, die nach der
     Meinung der _oberen_ Verwaltungsbeh�rden aus der Propaganda f�r die
     Ideen und die Lehren der Sozialdemokratie dem ��ffentlichen Wohl�
     drohen soll.

Neben _dieser_ Feststellung habe ich aber in bezug auf das Tats�chliche
in der jetzigen Verwaltungspraxis noch zwei _besondere_ Punkte
hervorzuheben.

_Erstens_. Auch bei der jetzigen Auslegung des Gesetzes vom 7. Januar
1854 liegt die Anwendung dieses Gesetzes ganz in der Hand der _unteren_
Polizeibeh�rden, der B�rgermeister. _Sie_ haben die Verbote zu erlassen
oder nicht zu erlassen, nach _eigenem_ pflichtm��igem Urteil. Zwar
k�nnen auch die Bezirksdirektoren, �ber den Kopf des B�rgermeisters
hinweg ein Verbot aussprechen sie k�nnen aber keinen B�rgermeister
_anhalten_, es seinerseits zu tun, wenn er die gesetzlichen
Voraussetzungen daf�r nicht gegeben findet. Instanzenm��ig steht auch
jetzt den oberen Beh�rden _nur_ die Nachpr�fung der Verbote im Falle
einer Beschwerde zu. Das wird durch ganz konkludente Tatsachen, auch
noch aus j�ngster Zeit, erh�rtet.

_Zweitens_. Auch _nach_ den vorhin mitgeteilten Erkl�rungen des
Verwaltungschefs in �ffentlicher Landtagssitzung am 5. Dezember 1899 ist
noch kein einziges Verbot ergangen, das _offen und ehrlich_ mit der
_sozialdemokratischen Tendenz der Versammlung_ begr�ndet w�re. Ganz
charakteristisch bleibt vielmehr f�r alle diese Verbote, da� sie, soweit
sie nicht lediglich die typische Formel �dringende Gefahr etc.�
benutzen, zur _Motivierung_ angebliche _Tatsachen_ heranziehen, die
_geeignet_ sind, die Meinung zu erwecken oder wenigstens noch Spielraum
zu lassen f�r die Meinung: da� von der Versammlung _als solcher �u�ere_
Unordnung oder Gesetzwidrigkeit bef�rchtet werde. Fast regelm��ig kehrt
einer von folgenden Gr�nden wieder: das Thema sei geeignet, _aufreizend_
zu wirken -- der Redner sei _bekannt_ wegen �seiner _aufreizenden
Redeweise_� -- der Redner sei _bekannt_ als _gewerbsm��iger_ Agitator.
-- Von dem Mangel an Aufrichtigkeit, der aus Motivierungen dieser Art
spricht, rede ich gar nicht weiter. Konstatieren mu� ich aber, da� dabei
sogar mit der _Wahrheit_ oft sehr unglimpflich umgegangen worden ist.
F�r mindestens _drei_ F�lle unter denen, die mir selbst bekannt geworden
sind, steht es ganz sicher fest, da� objektiv _wahrheitswidrige_
Behauptungen amtlich verbreitet worden sind, wenn ich auch gern annehmen
will, da� die betreffenden Beamten dabei in gutem Glauben waren, da� sie
_nur_ sich haben anl�gen lassen. Mit dem Epitheton �_bekannt_ wegen
aufreizender Redeweise� sind n�mlich -- und zwar wiederholt -- auch die
beiden Reichstagsabgeordneten _Klo�_-Stuttgart und _Molkenbuhr_-Hamburg
in unserem Land geziert worden, f�r die das gerade Gegenteil _wahr_ ist:
da� sie _bekannt_ sind als _besonders_ ruhige, besonnene,
leidenschaftslose Redner. Und in _einem_ Fall, in welchem vom
Gemeindevorstand in Neustadt der �gewerbsm��ige� Agitator ausgespielt
wurde, wei� ich zuf�llig ganz genau, da� der Betroffene _nicht_
gewerbsm��iger _Agitator_, sondern gewerbsm��iger _Maschinenschlosser_
ist, und _gewerbsm��ig_ auch _nur_ Maschinenschlosser -- ein Mann, der
die vertragsm��igen Obliegenheiten in seinem Arbeitsverh�ltnis seit
Jahren tadellos erf�llt und in der Lage ist, zu beweisen, da� er seine
rednerische T�tigkeit immer -- genau wie ich! -- nur �zum Vergn�gen�,
_nicht_ gegen Entgelt, betreibt.

In Ansehung, da� es _Beleidigung_ bleibt, anst�ndigen Leuten in der
einen oder der andern Art einen Makel anzuheften, selbst wenn die
Betroffenen Sozialdemokraten sind, ist also auch die Immunit�t gegen
� 186 des Strafgesetzbuchs, die das _Akten_papier gew�hrt, mehrfach
_mi�braucht_ worden. -- Indes ist derartiges unter dem Gesichtspunkt
meiner heutigen Betrachtung nur nebens�chlich. Wenn mein Programm mit
sich br�chte, da� ich von den _demoralisierenden_ Wirkungen und von der
_Sch�digung des Ansehens unseres Beamtenstandes_ reden m��te, die das
Hereinziehen der Verwaltungsorgane in den Dienst der ketzerrichterlichen
Anschauungen _der herrschenden Partei_ zur Folge haben mu� -- _dann_
h�tte ich noch ganz anderes zu sagen!

       *       *       *       *       *

Ich gehe nunmehr dazu �ber, die hier nach Seite des _Tats�chlichen_
gekennzeichnete Praxis der Versammlungsverbote zu _vergleichen_ mit den
Vorschriften der _Gesetze_, auf die sie sich st�tzt -- und komme damit
zum wichtigsten Teil meiner heutigen Aufgabe: darzulegen, wie diese
Gesetze die politischen Rechte der B�rger unseres Landes bestimmt haben
und _welche_ Befugnisse sie den _Polizei_beh�rden in Hinsicht auf jene
Rechte einr�umen.

Es existiert bei uns nur eine einzige _gesetzes_kr�ftige Vorschrift,
die _besonders_ auf die spezifisch politischen Angelegenheiten,
Vereins- und Versammlungswesen, Bezug hat. Sie betrifft ausschlie�lich
die politischen _Versammlungen_ und ist enthalten in zwei
Ministerial_verordnungen_, vom 15. Juli 1874 und vom 21. April 1875.
�ber das _Vereins_wesen besteht von gesetzlichen Bestimmungen bei uns
�berhaupt _nichts_, nachdem eine Verordnung, die im Jahre 1856 im Sinne
eines Beschlusses des seligen Bundestags erlassen wurde, im Jahr 1868
auf Andr�ngen des Landtags wieder au�er Kraft gesetzt worden ist. Die
angezogene Ministerialverordnung von 1874/75 aber ist �u�erst
_liberalen_ Geistes. Sie enth�lt eigentlich nur _Ordnungs_vorschriften,
und zwar von h�chst verst�ndiger Art, bringt aber gar keine _sachliche_
Beschr�nkung des �Versammlungsrechts�, dessen _Freiheit sch�tzen_ zu
wollen sogar direkt in ihr ausgesprochen ist. Sie verlangt keine
�Genehmigung� einer Versammlung, sondern lediglich �Anmeldung�
derselben mindestens 12 Stunden vor ihrem Beginn, und zwar _nur_
Anmeldung von _Ort_ und _Zeit_, also von Lokal und Stunde des Beginnes,
_nicht auch_ Angabe des Verhandlungsthemas und des Redners. Dieses
letztere aber ist von _besonderer_ rechtlicher Bedeutung. Denn wenn
Bezeichnung von Thema und Redner gefordert w�rde, w�re das Tun in der
Versammlung ganz au�erordentlich beschr�nkt: jede Abschweifung vom
angegebenen Gegenstand und jedes Auftreten eines anderen Redners w�rde
sofort den Tatbestand einer nichtangemeldeten Versammlung begr�nden. Bei
uns aber ist die Erf�llung _aller_ gesetzlichen Vorschriften schon dann
gesichert, wenn -- wie es z. B. f�r die heutige Versammlung geschehen
ist -- die Anmeldung bewirkt wird durch eingeschriebenen Brief _mit
R�ckschein_ -- ohne Angabe von Thema und Redner. Wenn der R�ckschein der
Post das Datum des vorangehenden Tages tr�gt, ist er hinreichender
Beweis daf�r, da� die Anmeldung _rechtzeitig_ bei den Akten der Beh�rde
gewesen ist, _allen_ Anforderungen der Verordnung also gen�gt war.

Abgesehen von jenen Ordnungsvorschriften unterliegen demnach Vereine und
Versammlungen, und alles Tun und Lassen _in_ solchen, gegenw�rtig keinen
andern _gesetzlichen_ Beschr�nkungen, als das Reichsstrafgesetzbuch
insofern aufrichtet, als es Vereine und Versammlungen zu
gesetz_widrigen_, d. h. gesetzlich _verbotenen_ Zwecken, und _geheime_
Verbindungen, sowie Gesetzesverletzungen beim Reden usw. ausdr�cklich
unter Strafandrohung stellt.

Ich sehe unter dem Gesichtspunkt staatsb�rgerlicher Freiheit in dem
_Nicht_vorhandensein eines besonderen Vereins- und Versammlungsgesetzes
einen fast _idealen_ Zustand. Denn Gesetze bedeuten immer und �berall
nur _Beschr�nkungen_, keine Rechte -- n�mlich Beschr�nkungen des
einzelnen zugunsten der Interessen der Gesamtheit, die der Staat
repr�sentiert. Ein �Recht� k�nnen sie nur ganz indirekt und
negativerweise begr�nden, nachdem sie _vorher_ Beschr�nkungen begr�ndet
haben -- n�mlich _das_ Recht, da� die Beschr�nkung nicht _weiter_ gehen
d�rfe, als das Gesetz bestimmt hat. _Je weniger Gesetze also, desto mehr
Freiheit!_

Das steht nun freilich in starkem Widerspruch zu Ansichten, die bei uns
mehrfach -- sogar in unserem Landtag -- ausgesprochen worden sind: da�
-- von wegen der Polizei! -- die B�rger dieses Landes ein �Recht�, _sich
zu versammeln_, bis jetzt �berhaupt noch nicht haben, weil es noch kein
�Gesetz� gibt, welches ihnen das _erlaubte_. Aus dieser spezifisch
Weimarischen Theorie von den Rechten, die erst _aus Gesetzen_ entstehen,
habe ich indes nichts weiter zu entnehmen vermocht als die -- vielleicht
litterar-historisch verwertbare -- Konjektur: ob nicht etwa diese im
Jahr 1899 im Weimarischen Landtag verhandelte Theorie der Gegenstand
sei, auf den _Schiller_ mit dem Distichon in den Xenien:

    Jahrelang schon bedien ich mich meiner Nase zum Riechen;
    Hab' ich denn wirklich an sie auch ein erweisliches Recht?

vorahnend hat anspielen wollen.

       *       *       *       *       *

Nun hat allerdings, unbeschadet unseres _gesetzlich_ fast ganz
_un_beschr�nkten Versammlungs_rechts_, auch die _Polizei_ gewisse
Befugnisse in bezug auf das _tats�chliche_ Sich-Versammeln der B�rger;
weil die Polizei _gewisse_ Befugnisse besitzt, und besitzen mu�, in
bezug auf _alle_ Ereignisse und Vorkommnisse im Land, die -- wie z. B.
�berschwemmungen, Feuersbr�nste, Herumlaufen bissiger Hunde u. dgl. --
obwohl sie das �ffentliche Interesse erheblich ber�hren k�nnen, doch
nicht _gesetzlich_ geregelt sind. In der Tat ist es ganz in der Ordnung,
da� der polizeilichen Kognition auch _das_ Vorkommnis unterliege,
welches gegeben ist mit dem Sich-Versammeln einer gr��eren Anzahl von
Personen an einem bestimmten Ort, die eine Rede anh�ren oder �ffentliche
Angelegenheiten diskutieren wollen. Denn auch derartige Vorkommnisse
k�nnen just solche �ffentliche Interessen ber�hren, die der _Polizei_ zu
wahren obliegt -- wenn z. B. anzunehmen w�re, da� die betreffenden
Personen �bles im Schild f�hren, oder Tumult, Aufruhr u. dgl.
veranlassen k�nnten.

Die Frage aber: _welche_ Befugnisse die Polizei in bezug auf
_Versammlungen_ habe, f�llt bei _uns_ g�nzlich zusammen mit der Frage:
_welche_ Befugnisse sie _�berhaupt_ habe gegen�ber _allen_ Vorkommnissen
und Handlungen, die nicht gesetzlich besonders geregelt sind. Denn das
einzige Gesetz, welches in unserem Land die Befugnisse der
Polizeibeh�rden _bestimmt_ -- das vorher schon erw�hnte Gesetz vom 7.
Januar 1854 -- enth�lt keinerlei Sondervorschriften f�r den Fall von
_Versammlungen_. Ihnen gegen�ber haben demnach diese Beh�rden absolut
keine _andere_ Kompetenz, als ihnen auch in bezug auf alles �brige
zusteht.

Damit gelange ich denn nunmehr zum Hauptpunkt meiner heutigen Aufgabe --
zur Er�rterung der Frage: _welche allgemeinen Befugnisse_ legt das
genannte Gesetz den Polizeibeh�rden bei, _und welche nicht_? Was ihnen
nicht _allgemein_ zusteht, steht ihnen auch nicht bei _Versammlungen_
zu. F�r die Behandlung der genannten Frage aber mu� ich jetzt noch
l�ngere Zeit Ihre Geduld in Anspruch nehmen.

       *       *       *       *       *

Wenn man den Text des Gesetzes, wie Sie ihn gedruckt vor sich haben,
unschuldigen Gem�tes ansieht, scheint er den �beln Ruf, in dem das
Gesetz steht, gar nicht zu rechtfertigen. Da die �verfassungsm��ige
Zust�ndigkeit� der Polizeibeh�rden, auf die gleich im Eingang des � 1
Bezug genommen ist, doch jedenfalls gewisse _Grenzen_ hat, so erscheint
zun�chst schon hierdurch vieles zum voraus als ausgeschlossen. Weiter
aber kn�pft auch das Gesetz jede Befugnis zu polizeilichen Geboten oder
Verboten an die Voraussetzung, da� _entweder_ die betreffende Handlung
schon gesetzlich geboten oder verboten sei, _oder_ da�, wenn solches
nicht der Fall, �_dringende_ Gr�nde des �ffentlichen Wohls� das
Eingreifen rechtfertigen m�ssen. Damit ist doch gesagt, da� nur _sehr_
wichtiger, _besonders_ bedeutsamer R�cksichten wegen ein polizeiliches
Eingreifen stattfinden darf. Und wenn nun auch sofort einleuchtet, da�
_dieser_ Begriff der �dringenden Gr�nde� �u�erst dehnbar und _sehr_
weiter Auslegung f�hig ist, so scheint doch ein Schutz gegen allzu gro�e
Willk�r schon darin gegeben, da� in � 2 auch die _Justiz_beh�rden sich
hingewiesen sehen auf �unter den in � 1 bezeichneten Voraussetzungen
erlassene .... Verf�gungen�, also _un_abh�ngig von der Verwaltung das
Zutreffen dieser Voraussetzungen nachpr�fen k�nnen.

Ja, unschuldiges Gem�t! -- hat man mir gesagt -- das w�re alles sehr
sch�n, wenn nicht in � 2 �die Frage �ber die Notwendigkeit oder
Zweckm��igkeit� des polizeilichen Eingreifens der Kognition der Gerichte
_ausdr�cklich entzogen_ w�re. Da _diese_ Frage sich vollkommen deckt --
sagte man mir -- mit der Frage des Vorliegens �dringender Gr�nde des
�ffentlichen Wohls�, so ist mit dem Ausschlie�en der ersteren dem
Richter auch jede Nachpr�fung der Voraussetzungen des � 1 v�llig
entzogen. Es hat also lediglich die _Verwaltungs_beh�rde zu bestimmen,
was jeweils zu den Voraussetzungen der polizeilichen Gebote und Verbote
geh�ren soll, und _daran_ ist dann der Richter immer _gebunden_. Dieses
Gesetz erm�chtigt also die Polizei, alles zu _ge_bieten, was nicht durch
ein anderes Gesetz _ver_boten ist, und alles zu _ver_bieten, was nicht
durch ein anderes _ge_boten, oder wenigstens ausdr�cklich erlaubt ist;
es begr�ndet f�r unser Land f�rmliche _Polizei-Allmacht_! Angesichts
dessen ist es nun ganz gleichg�ltig, da� � 1 auf die �verfassungsm��ige
Zust�ndigkeit� der Polizeibeh�rden hinweist. Diese _Zust�ndigkeit_ ist
eben _durch_ dieses Gesetz ins _Ungemessene erweitert_ worden.

Wenn dem so w�re -- wie es allerdings zu sein _scheint_ -- so w�re
allerdings jeder Versuch, irgend eine Ma�regel der Verwaltung
anzufechten, wenn sie den W�nschen der _obersten_ Verwaltungsinstanz
entspricht, g�nzlich hoffnungslos. Die B�rger dieses Landes h�tten dann,
_theoretisch_ das denkbar _beste_ Recht, _praktisch_ aber w�ren sie
dabei, der Polizeigewalt gegen�ber, _rechtlos_.

Aber gerade _diese_ Behauptung: da� _durch_ das Gesetz die Zust�ndigkeit
der Polizei ins Ungemessene erweitert sei, hat mich stutzig gemacht, als
ich daran ging, seinen Text mir _genau_ anzusehen und seinen inneren
_Aufbau_ mir klar zu machen. Ist doch in der ersten Zeile des � 1 auf
die �verfassungsm��ige Zust�ndigkeit� der Polizeibeh�rden als auf etwas
_Gegebenes_, unabh�ngig von dem Gesetz schon _Bestehendes_ Bezug
genommen. W�re das nun nicht der �rgste Widersinn, wenn diese
Zust�ndigkeit erst durch eine nachfolgende Bestimmung des Gesetzes
selbst begr�ndet werden sollte? Und w�re es nicht, logisch, die reine
Gaukelei, im � 2 die Verpflichtung der Gerichte zur Anerkennung
polizeilicher Verf�gungen ausdr�cklich an die Bedingung zu kn�pfen, da�
diese Verf�gungen �unter den im � 1 bezeichneten Voraussetzungen
erlassen� seien, durch das nachfolgende Ausschlie�en aber einer Pr�fung
der �Notwendigkeit oder Zweckm��igkeit� _jede_ Pr�fung des Erf�lltseins
obiger Bedingung unm�glich zu machen? Sollten, so fragte ich mich, die
reaktion�ren Herren, die dieses Polizeigesetz gemacht haben, wirklich so
gro�e Schwachk�pfe gewesen sein, da� sie bei ihrem Tun nicht einmal mit
der Logik auf anst�ndige Art sich abzufinden wu�ten? Weiter aber sagte
ich mir: wenn wirklich die Absicht gewesen ist, durch � 1, Ziffer 2 des
Gesetzes der Polizei alles zu erlauben, was nicht durch besondere
Gesetze verboten ist, warum hat man dann den Begriff �Gr�nde des
�ffentlichen Wohls� durch das hinzugef�gte Attribut �dringende� wieder
_eingeengt_? W�re es dann nicht kl�ger gewesen, nur von �Gr�nden des
�ffentlichen Wohls� schlechthin zu reden, statt diese Gr�nde noch unter
ein Sondermerkmal zu stellen? Wenn schon dieses Merkmal, wie man jetzt
annimmt, dem subjektiven Ermessen der Beh�rden unbeschr�nkten Spielraum
l��t, so ist es doch immerhin geeignet, jeden _gewissenhaften_ Beamten
fortw�hrend vor Skrupel zu stellen -- wegen der Frage, ob im gegebenen
Fall seine �Gr�nde� wirklich _so_ wichtig, _so_ triftig seien, da� sie
mit Fug als �dringende� gelten m��ten.

Diese Erw�gungen brachten mich auf den Gedanken: sollte vielleicht die
jetzt verbreitete Annahme �ber die Bedeutung des Wortes �dringende� im
� 1, Ziffer 2 irrt�mlich sein? Sollte vielleicht gar dieses Wort die
Determination einer _besonderen Art_ von �Gr�nden� durch ein Merkmal
geben wollen, das unabh�ngig von der �Notwendigkeit oder Zweckm��igkeit
einer Strafandrohung� bestehen oder nicht bestehen kann? _Dann_ w�re auf
einmal vom Standpunkt der Logik nichts mehr gegen den Aufbau des
Gesetzes einzuwenden; seine Auslegung aber k�me unter g�nzlich _andere_
Gesichtspunkte als bisher daf�r gegolten haben! Und nun besann ich mich
darauf, da� ja das Wort �dringend�, als Adjektiv gebraucht, urspr�nglich
eine _rein zeitliche_ Bedeutung hat und etwas bezeichnet, was
_sofortige_ Beachtung verlangt oder _sofort_ zu geschehen hat, im
Gegensatz zu dem, was, wie wichtig es auch sonst sein mag, doch �gute
Weile� hat -- also _nur_ das �dring_lich_� in bezug auf die _Zeit_. Erst
die allm�hliche Verschiebung des Sprachgebrauchs im Sinne
fortschreitenden Verwischens der feineren Unterschiede hat es mit sich
gebracht, da� man jenes Wort _jetzt_ auch gebrauchen darf, und sogar mit
Vorliebe gebraucht, f�r �sehr wichtig�, �bedeutsam� usw. in rein
_sachlichem_ Sinn, also ohne jede Beziehung auf die Zeit. Ich glaubte
mich aber zu erinnern, da� in meiner Schulzeit -- also just in den
Jahren, als das Gesetz entstand -- ich das Wort noch _nicht_ in der
letzteren Bedeutung in einem Aufsatz h�tte gebrauchen d�rfen, ohne einen
roten Strich oder wenigstens ein Fragezeichen des Lehrers zu riskieren.
So war also f�r mich die Frage gegeben: haben nicht Regierung und
Landtag bei Verabschiedung dieses Gesetzes -- Ende 1853 -- im � 1,
Ziffer 2 desselben �_dringliche_� Gr�nde des �ffentlichen Wohls _d. h.
solche besondere_ Gr�nde gemeint, die _sofortige_ Ber�cksichtigung,
_sofortiges_ Handeln gerade der _Polizei_beh�rden �erheischen�?

Um _hier_�ber sichere Auskunft zu erhalten -- und zun�chst auch nur zu
diesem Zweck -- habe ich k�rzlich die Landtagsverhandlungen des Jahres
1853 mir geliehen und bin daran gegangen, in diesen alten vergilbten
Quartb�nden von zusammen beil�ufig 3000 eng gedruckten Seiten --
�Schriftenwechsel� und �Protokolle� zusammengenommen -- die an nicht
weniger als neun verschiedenen Stellen zerstreuten Verhandlungen �ber
unser Polizeigesetz vollst�ndig zusammenzusuchen und aufmerksam zu
lesen.

Und _nun_ will ich Ihnen in m�glichst gedr�ngter �bersicht die
merkw�rdigen _Entdeckungen_ vortragen, die ich bei diesem Studium
gemacht habe, und die mir die Unterlage f�r die vorher schon
ausgesprochenen, allen bisherigen Ansichten widerstreitenden
Behauptungen �ber unsere gegenw�rtige Rechtslage gegeben haben.

Ich habe hierbei drei Punkte speziell zu er�rtern:

_erstens_ -- die _Bedeutung_ der Worte �innerhalb ihrer
verfassungsm��igen Zust�ndigkeit� im Eingang des � 1;

_zweitens_ -- die _Auslegung_ der �dringenden Gr�nde etc.� in � 1,
Ziffer 2;

_drittens_ -- die _Tragweite_ der Worte �unter den in � 1 bezeichneten
Voraussetzungen erlassenen .... Verf�gungen� im Eingang des � 2.

       *       *       *       *       *

Mit vollster Sicherheit ergibt sich aus diesen Landtagsverhandlungen in
bezug auf den _ersten_ Punkt die Feststellung:

Die in der ersten Zeile des � 1 angezogene �verfassungsm��ige
Zust�ndigkeit� der Polizeibeh�rden besagt in der Tat, wie die Logik es
verlangt, die Zust�ndigkeit, die damals schon, unabh�ngig von dem neuen
Gesetz, _gegeben_ war. Die Zust�ndigkeit dieser Beh�rden reicht _heute_
keinen Deut weiter, als sie im Jahre 1853 reichte; und sie haben sogar,
_kraft dieses Gesetzes_, heute keine Befugnis, die sie nicht auch schon
im Jahre 1853, _sachlich_ unbeanstandet, aus�ben durften. Denn Regierung
und Landtag sind _dar�ber_ vollst�ndig einig, da� der Zweck des
neu zu erlassenden Gesetzes lediglich der sei: diejenigen Befugnisse
der Polizeibeh�rden, die diese bis dahin, ohne Widerspruch im
Sachlichen; ausge�bt hatten, bis zum Erla� eines vollst�ndigen
�Polizeistrafgesetzes� durch eine gesetzliche _Deklaration_ einstweilen
zu _sanktionieren_, um Zweifel formaljuristischer Art zu beseitigen, die
das Appellationsgericht in Eisenach in bezug auf gewisse Ma�nahmen der
Verwaltung (die keine Beziehung auf politische Angelegenheiten erkennen
lassen) damals erhoben hatte. Das Gesetz _soll_ also �berhaupt nur
�Deklaration� eines damals schon bestehenden und im Sachlichen nicht
strittigen Rechtszustandes sein Nun zum _zweiten_ Punkt! Durch
_alle_ Verhandlungen �ber das zu erlassende Gesetz -- Motive zur
Regierungsvorlage, Ausschu�berichte und Debatten -- zieht sich als roter
Faden deutlich die _zwiefache_ Fragestellung:

Erstens -- wie lassen sich die den Polizeibeh�rden verfassungsm��ig
zustehenden Befugnisse so �deklarieren�, da� einerseits diese Beh�rden
die Aufgabe der Polizei erf�llen k�nnen -- die B�rger zu sch�tzen in
Person und Eigentum, Ordnung und Sicherheit im Lande zu halten,
Verletzungen der Gesetze vorbeugend zu verhindern -- _und da�
andererseits den Grunds�tzen des Rechtsstaates, die deutliche Scheidung
von Gesetzgebung und Verwaltung fordern, nichts vergeben wird?_

Zweitens -- wie lassen sich die Befugnisse dieser Beh�rden im Gesetz so
�deklarieren�, da� alle _B�rgermeister_ in Stadt und Land sie _auf Grund
eigenen Urteils richtig_ anwenden k�nnen, _ohne da� bei ihnen besondere
Gesetzeskenntnis, juristische Schulung oder sonst h�here Bildung
vorauszusetzen w�re?_

Unter dem Gesichtspunkt der ersteren Frage sind Regierung und Landtag
vollkommen einig in dem Gedanken: Handlungen zu gebieten oder zu
verbieten, die noch durch kein Gesetz geboten oder verboten sind, ist
ein Akt der _Gesetzgebung_. Indem man den Polizeibeh�rden, den
B�rgermeistern, eine solche Befugnis einr�umt, macht man sie tats�chlich
zu �kleinen Gesetzgebern� -- und das ist grunds�tzlich der Idee des
Verfassungsstaates, des Rechtsstaates _zuwider_. Es ist praktisch nicht
zu vermeiden, weil die Gesetze nicht _alles_ zum voraus regeln k�nnen --
weil fortw�hrend Umst�nde und Ereignisse eintreten, die _nicht
vorauszusehen_ sind, denen gegen�ber aber das �ffentliche Wohl
_sofortiges_ Eingreifen n�tig macht. _Und hierauf m�ssen im
Verfassungsstaat die �gesetzgeberischen� Funktionen der
Verwaltungsbeh�rden beschr�nkt bleiben._

Diesem Gedankengang entsprechend zieht sich nun durch alle Verhandlungen
hindurch die Berufung auf die �dringenden _F�lle_� -- wobei darauf
exemplifiziert wird: da� Wassersnot in irgend einem Teil des Landes
eintritt, zu deren Bek�mpfung doch nicht erst der _Landtag_ einberufen
werden k�nne -- da� ein Brand ausbricht -- da� ein toller Hund im Ort
heruml�uft u. dergl.; und nicht ein einziger �Fall� kommt zur Sprache,
bei dem es sich um etwas anderes handeln k�nnte, als um sofortiges
Eingreifen wegen _direkter_, _gegenw�rtiger_ Gefahr f�r das �ffentliche
Wohl aus dem _einzelnen_ in Betracht stehenden Ereignis. Weder hat die
Regierung dem Landtag zumuten wollen, seine verfassungsm��ige Mitwirkung
bei Erla� _neuer_ �Gebote� und �Verbote� zu Gunsten der
Verwaltungsbeh�rden einzuschr�nken, noch hat der Landtag selbst die
leiseste Neigung bekundet, auf seine Mitwirkung bei gesetzgeberischen
Akten auch da zu verzichten, wo diese vern�nftigerweise _m�glich_ w�re.

Also: die Gesetzgebung des Gro�herzogtums erm�chtigt in � 1, Ziffer 2
die _Polizei_beh�rden zu Geboten und Verboten _lediglich_ f�r den Fall,
da� _dringliche_ Gr�nde des �ffentlichen Wohls sofortiges Handeln dieser
_Polizei_beh�rden erheischen; sie gibt der Polizei diese Erm�chtigung
_nicht_, soweit es sich um _andere_ �Gr�nde des �ffentlichen Wohls�
handelt, deren Wahrung durch die zur Gesetzgebung _berufenen_ Faktoren
_m�glich_ ist.

Unter dem Gesichtspunkt der vorhin an _zweiter_ Stelle benannten Frage
bestand gleichfalls Einigkeit zwischen Regierung und Landtag in bezug
auf folgende Punkte.

Die Anwendung der Befugnisse, die das zu erlassende Gesetz deklarieren
soll, liegt in erster Reihe ganz in der Hand der _unteren_
Verwaltungbeh�rden, der B�rgermeister in Stadt und Land; sie sind
berufen, das Gesetz _selbst�ndig_, nach eigenem Urteil anzuwenden, die
oberen Verwaltungsbeh�rden haben instanzenm��ig nur die Nachpr�fung und
eventuelle Korrektur im Fall erhobener Beschwerde. Diese B�rgermeister
(anderw�rts auf dem Land auch Ortsvorsteher, Schulzen etc. genannt) sind
nun zum weitaus gr��eren Teil sehr einfache Leute, meist ohne alle
juristische Schulung und ohne Verst�ndnis f�r Dinge, die abseits liegen
von ihrem gew�hnlichen Interessenkreis. _Des_halb mu� -- und das hat
namentlich der Landtag besonders betont -- die gesetzliche Deklaration
der Befugnisse der Polizeibeh�rden so _einfach_ sein, da� jedermann mit
etwas gesundem Menschenverstand diese Befugnisse sozusagen �aus dem
Handgelenk� _richtig_ anwenden kann. Wenn Umfang und Grenzen derselben
nur auf Grund von besonderen Kenntnissen oder von schwierigen Urteilen
zu ermessen w�ren, dann -- so wurde im Landtag gesagt -- werden die
B�rgermeister aus Furcht, nicht das richtige zu tun, _gar nichts tun_!

Dieser Standpunkt des Landtags, dem die Regierung keineswegs
entgegengetreten ist, wird ganz evident durch die Tatsache: da� die
_Regierungs_vorlage f�r das Gesetz vom Landtag _abgelehnt_ wurde, _weil_
sie eine _Definition_ der �Polizeivergehen� unter Bezugnahme auf das
Strafgesetz geben wollte. Das fand man schon _zu viel_ f�r die
_B�rgermeister_! Der Landtag hat _des_halb -- und zwar unter Zustimmung
der Regierung -- ein Amendement des Abgeordneten _M�ller_-Neustadt
angenommen, demzufolge nur zwei Paragraphen der urspr�nglichen Vorlage,
der Hauptsache nach unver�ndert, in das Gesetz gekommen sind, alles
�brige aber _unterdr�ckt_ wurde.

Hieraus aber folgt nun, da� alles was im Gesetz steht, _bewu�t_ und
_absichtlich_ auf das Verst�ndnis und die Fassungskraft der _unteren_
Polizeibeh�rden berechnet ist. Also sind auch die �Gr�nde des
�ffentlichen Wohls�, derentwegen Verbote und Gebote erlassen werden
d�rfen, �berhaupt nur _solche_ �Gr�nde des �ffentlichen Wohls�, die
jeder B�rgermeister im Land _selbst�ndig_ zu erkennen und zu beurteilen
vermag -- unter Ausschlu� aller Gr�nde und R�cksichten h�herer
Staatsweisheit, die, wie wichtig und selbst wie �dringend� die _oberen_
Beh�rden sie befinden m�chten, au�erhalb des Gesichtskreises der
_B�rgermeister_ liegen. _Und das gilt auch f�r die Befugnisse der oberen
Beh�rden selbst._ Denn das Gesetz erlaubt ihnen kein T�ttelchen mehr als
es _allen_ Polizeibeh�rden erlaubt. Also kann selbst die oberste
Staatsbeh�rde auf Grund _dieses_ Gesetzes Gebote und Verbote nur unter
denselben Voraussetzungen erlassen, unter denen auch der letzte
Dorfb�rgermeister sie erlassen d�rfte.

Aus allem, was ich hier �ber die Entstehungsgeschichte unseres
Polizeigesetzes Ihnen dargelegt habe, ergibt sich mit voller Sicherheit,
da� dieses vielbescholtene Gesetz, weit davon entfernt, den
Polizeibeh�rden _alles_ zu erlauben, ganz im Gegenteil nach dem
�bereinstimmenden Willen der gesetzgebenden Faktoren ihre Befugnisse in
bezug auf Gebote und Verbote _ganz au�erordentlich eng_ umgrenzt. Soweit
es sich nicht lediglich darum handelt, gem�� � 1, Ziffer 1 Gebote und
Verbote, die schon kraft Gesetz _bestehen_, durch Androhung von
Zwangsma�regeln wirksam zu machen -- soweit vielmehr, gem�� � 1, Ziffer
2, Erla� _eigener_ Gebote und Verbote, also die subsidi�re Aus�bung
_gesetzgeberischer_ Funktionen aus �Gr�nden des �ffentlichen Wohls� in
Frage kommt, m�ssen _zwei_ Voraussetzungen zusammentreffen, damit
�berhaupt die _Polizei_beh�rden zum Eingreifen befugt werden:

erstens, die �Gr�nde� m�ssen, der Art nach, _B�rgermeister-Gr�nde_ d. h.
aus dem Gesichtskreis und dem Verst�ndnis der B�rgermeister hergenommen
sein; zweitens, sie m�ssen _dringlich_ sein in bezug auf die Zeit,
d. h. sie m�ssen rechtfertigen, da� die _Polizei_ und nicht der
ordentliche Gesetzgeber ein Gebot oder Verbot erlasse.

Jede Verf�gung einer Polizeibeh�rde aus � 1, Ziffer 2 des Gesetzes, die
nicht diesen _beiden_ Voraussetzungen entspricht, ist also
gesetz_widrig_.

       *       *       *       *       *

Mit bezug auf den _dritten_ Punkt endlich habe ich in den alten
Quartb�nden, die �ber die Entstehung des Gesetzes berichten, eine sehr
deutliche Aufkl�rung �ber _die_ Frage gefunden: inwieweit Regierung und
Landtag die Ma�nahmen der Polizeibeh�rden der richterlichen Nachpr�fung
haben entziehen wollen, _und inwieweit nicht_. Und zwar hat sich mir
ergeben, da� nach dem �bereinstimmenden Willen der gesetzgebenden
Faktoren _lediglich_ die Frage der Notwendigkeit oder Zweckm��igkeit der
�Strafandrohung�, d. h. der einzelnen Zwangsma�regel, den Gerichten
entzogen, _alles �brige aber kraft der im Eingang des � 2 eingef�gten
Worte_: �unter den in � 1 bezeichneten Voraussetzungen erlassenen� der
richterlichen Nachpr�fung ausdr�cklich hat vorbehalten bleiben _sollen_
-- und da� daraufhin die Gerichte befugt, also auch verpflichtet sind,
in jedem einzelnen Fall zu pr�fen, ob das polizeiliche Gebot oder Verbot
_als solches_, d. h. abgesehen von den Zwangsmitteln, den gesetzlichen
Voraussetzungen entspricht oder nicht.

_Diese_ Bedeutung der soeben angezogenen Worte im Eingang des � 2 wird
aber bezeugt durch einen sehr charakteristischen Vorgang.

Die Regierungsvorlage enth�lt in ihrem � 6 einen Satz, der, gem�� den
Erkl�rungen der �Motive�, direkt besagt: die Gerichte _sind befugt zu
pr�fen_, ob eine polizeiliche Verf�gung den Voraussetzungen des Gesetzes
(die jetzt der � 1 angibt) entspricht oder nicht; nur sollen sie
(nachfolgender Satz des � 6) _nicht_ pr�fen, ob die Verf�gung _auch
notwendig_ oder _zweckm��ig_ war, _wenn_ sie als _gesetzm��ig_ zu
befinden ist.

Der Gegenentwurf des Abg. _M�ller_ enth�lt den ersten Satz nicht,
sondern nur in � 1 die Bezugnahme auf die �verfassungsm��ige
Zust�ndigkeit� und im Eingang des � 2 die Einf�gung: �unter den in � 1
bezeichneten Voraussetzungen erlassenen� -- als Kennzeichen _der_
Verf�gungen, denen �gem�߫ die Gerichte erkennen sollen.

Wie aus den Reden des Abg. _M�ller_ in der _ersten_ Debatte �ber das
Gesetz hervorgeht, hat er urspr�nglich _gemeint_ und, wie es scheint,
auch _gew�nscht_ -- wenigstens ist er dahin verstanden worden -- durch
_seine_ Fassung die Zust�ndigkeit der Gerichte enger begrenzt zu haben,
als es in der Regierungsvorlage geschehen war; wobei �brigens seiner
ehrlichen Versicherung wohl zu glauben ist, da� er dabei lediglich
Zweckm��igkeitsgr�nde im Auge hatte und auch _wirklich_ der �berzeugung
war, in der �verfassungsm��igen Verantwortung� der obersten
Verwaltungsinstanz, auf die er immer wieder hinweist, sei schon
gen�gender Schutz gegen _willk�rliche_ Ausdehnung der Polizeimacht
gegeben. Schon die Debatten zeigen aber, da� _M�ller_ mit seinem Wunsch
(wenn er ihn wirklich hatte) allein stand; und der Landtags-_Ausschu�_
hat dann in seinem Bericht �ber den _M�ller_schen Gegenantrag
_einstimmig_ empfohlen, letztern _nur_ anzunehmen mit einem _Zusatz_,
der dem erw�hnten ersten Satz in � 6 der Regierungsvorlage w�rtlich
entspricht. In der Verhandlung �ber den Ausschu�bericht erkl�rte aber
der Abg. _M�ller_, er habe �sich mit dem Referenten des Ausschusses
�berzeugt� -- d. h. er habe sich �berzeugt und _auch_ den Referenten --
da� die in � 2 seines Antrags stehenden Worte: �unter den in � 1
bezeichneten Voraussetzungen erlassenen� schon dasselbe besagten, was
der beantragte Zusatz ausdr�cken solle, und da� demnach dieser Zusatz
_�berfl�ssig_ sei. Und auf _diese_ Erkl�rung hin hat dann der Landtag
_ohne weitere Diskussion_ den _M�ller_schen Entwurf _ohne_ den Zusatz
angenommen.

Hiernach steht fest, da� auch das jetzt vorliegende Gesetz dem Richter
genau dieselben Befugnisse einr�umt, die er nach der Regierungsvorlage
haben sollte:

alle polizeilichen Verf�gungen zu pr�fen auf ihre _Gesetzgem��heit_
(nach � 1, Ziffer 1 oder Ziffer 2 des Gesetzes) -- nur nicht _au�erdem_
noch auf ihre Notwendigkeit oder Zweckm��igkeit.

Als sicher sehe ich hiernach an, da� Regierung und Landtag das
Verh�ltnis der Polizeibeh�rden _zu den Gerichten_ in bezug auf die
Materien dieses Gesetzes nach folgenden Grunds�tzen haben regeln wollen:

Im Rechtsstaat setzt _jeder_ von den Polizeibeh�rden durch
Strafandrohung oder dgl. ge�bte Zwang das Bestehen eines _rechtm��igen_
Gebotes oder Verbotes in bezug auf die betreffende Handlung voraus.
_Insoweit_ diese Voraussetzung erf�llt ist, erfolgt die Aus�bung des
Zwanges (die �Strafandrohung�) immer kraft des verfassungsm��igen
Auftrags der Verwaltung, f�r die Durchf�hrung der Gesetze zu sorgen. Die
Frage der Notwendigkeit oder Zweckm��igkeit der _Zwangsma�regeln_ kann
daher g�nzlich der instanzenm��ig geordneten Beurteilung der
_Verwaltungs_beh�rden anheimgestellt werden. _Ob_ aber jene
Voraussetzung erf�llt ist oder nicht, ist eine Frage _ganz f�r sich_,
durchaus verschieden von der Frage: ob, wenn sie erf�llt ist, das
polizeiliche Eingreifen auch notwendig oder zweckm��ig war. Sie ist nun
erf�llt, erstens, wenn die Gesetzgebung _selbst_ die betreffende
Handlung schon geboten oder verboten, aber lex imperfecta gelassen hat,
die gem�� � 1, Ziffer 1 des Gesetzes von den Polizeibeh�rden nur erg�nzt
wird; zweitens, wenn in bezug auf Handlungen, die der ordentliche
Gesetzgeber (Regierung und Landtag) nicht geboten oder verboten hat, die
_besonderen_ Voraussetzungen zutreffen, auf welche hin nach � 1, Ziffer
2 dieser ordentliche �gro�e� Gesetzgeber den �kleinen� Gesetzgeber (den
B�rgermeister) ausdr�cklich legitimiert hat, der �dringenden F�lle�
wegen, _eigene_ gesetzgeberische Funktionen durch Verf�gungen, Verbote
usw., sozusagen stellvertretend auszu�ben. _Ob_ nun die Vorbedingung von
polizeilichen Zwangsma�regeln, ein _rechtm��iges_ Gebot oder Verbot, in
der _einen_ oder in der _anderen_ Art erf�llt ist -- _dar_�ber hat im
Zweifel nicht die Verwaltung, sondern der _Richter_ zu befinden. Und so
sicher es ist, da� gegen�ber einer auf � 1, Ziffer 1 gegr�ndeten
polizeilichen Strafandrohung die Gerichte zu pr�fen haben, ob das
behauptete _gesetzliche_ Verbot oder Gebot _wirklich_ vorliegt, so
sicher ist es auch, da� sie gegen�ber den Strafandrohungen aus � 1,
Ziffer 2 pr�fen m�ssen, ob die in der Strafandrohung einbegriffene
_eigene_ Verf�gung der Polizeibeh�rde den _Bedingungen_ entspricht,
unter denen der �gro�e� Gesetzgeber den �kleinen� zu solchen eigenen
Verf�gungen erm�chtigt hat.

Die beiden Begriffe: �Notwendigkeit und Zweckm��igkeit einer
polizeilichen Strafandrohung� einerseits, und �Rechtm��igkeit der ihr zu
Grunde liegenden Verf�gung� -- n�mlich: da� diese �unter den in � 1
bezeichneten Voraussetzungen erlassen� ist, anderseits, umfassen also
v�llig auseinanderfallende Begriffssph�ren. Das Ausschlie�en der
ersteren von der richterlichen Kognition bedeutet also _nicht_ zugleich
Ausschlie�en der letzteren, wie man bisher geglaubt hat. Die Gerichte
haben vielmehr, _gem��_ dem Gesetz vom 7. Januar 1854, das Recht und die
Pflicht zur Nachpr�fung jeder auf Grund desselben ergangenen Verf�gung
in Hinsicht auf ihre _Begr�ndung_ aus � 1, Ziffer 10 der Ziffer 2 -- und
zwar im vollen Umfang ihrer allgemeinen Befugnis zur _Auslegung der
Gesetze_.

Ich glaube Ihnen hiermit schon alle Unterlagen zur Pr�fung meiner im
Eingang ausgesprochenen Behauptung �ber unsere _guten Gesetze_, unsere
_gute Rechtslage_ gegeben zu haben und meine, da� mir jetzt nur noch
�brig bleibt, aus dem Gesagten die _Folgerungen_ zu ziehen in bezug auf
die aktuelle Frage, die uns heute besch�ftigt, die tats�chliche
_Beschr�nkung_ der Versammlungsfreiheit im Gro�herzogtum. Ehe ich dazu
�bergehe, m�ssen Sie mir indes noch gestatten, in aller K�rze den
_allgemeinen_ Eindruck Ihnen zu schildern, den das Studium jener fast 50
Jahre zur�ckliegenden Landtagsverhandlungen mir erweckt hat; denn er ist
ganz besonders geeignet, Licht zu werfen auf die Absichten und und
Bestrebungen der damaligen Gesetzgeber unseres Staates.

       *       *       *       *       *

An die verstaubten alten Quartb�nde, von denen Sie einen hier sehen, bin
ich zuerst herangegangen mit entschiedener Mi�empfindung. Gem�� dem
allgemein verbreiteten Vorurteil habe ich kaum zu hoffen gewagt, etwas
f�r mich Erfreuliches darin zu finden. Weil ich aber annehmen durfte, es
w�rden die dem Gesetz nachgesagten ganz reaktion�ren Tendenzen nicht
ohne den sch�rfsten Widerspruch der im damaligen Landtag noch
vorhandenen Vertreter liberaler Anschauungen die Oberhand erlangt haben,
so sagte ich mir obendrein: das wird eine sch�ne Katzbalgerei sein, �ber
die du den Bericht zu lesen hast!

Aber nichts von alle dem!

Was zu allererst in die Augen springt: diese ganzen Verhandlungen, die
schriftlichen wie die Debatten, stehen auf einem bemerkenswert _hohen_
Niveau -- auf unvergleichlich viel _h�herem_ Niveau als die politischen
Verhandlungen in unserem Landtag w�hrend der letzten Jahre.

_Angenehm_ ber�hrt die Urbanit�t, mit der die Vertreter gegnerischer
Standpunkte unter einander sich behandeln -- und die Urbanit�t, mit der
die Vertreter der Opposition auch vom Regierungstisch behandelt werden.

Geradezu _wohltuend_ aber wirkt es, zusehen, wie der Geist des
_Verfassungs_staates, des _Rechts_staates, alle diese Verhandlungen
durchdringt -- wie in einer Zeit, da fast �berall in Deutschland eine
ungez�gelte Reaktion schon zur Herrschaft gelangt war, im �F�rstenhaus�
zu _Weimar_ Regierung und Abgeordnete _dar_�ber diskutieren: wie man der
Polizei die ihr unentbehrliche Macht sichern k�nne, _ohne_ der Idee des
Verfassungsstaates etwas zu vergeben -- _ohne_ einen R�ckschritt nach
dem _Polizei_staat hin bef�rchten zu m�ssen.

Und wer waren die M�nner, die damals an der gesetzgeberischen T�tigkeit
in unserem Land teil nahmen? Auf Seiten der Regierung waren es, au�er
dem noch �brig gebliebenen �M�rzminister� _Wydenbrugk_, _Watzdorf_ und
_Thon_, und -- als Regierungsvertreter meist t�tig -- _Stichling_, der
sp�tere Staatsminister; also M�nner, denen unser Land viel zu verdanken
hat, deren Andenken auch �berall im Land hoch in Ehren steht. Auf seiten
des Landtages aber sind es vorwiegend _Konservative_, die in den
Verhandlungen hervortreten; die meisten von ihnen der �lteren Generation
unter uns gleichfalls noch in Person bekannt. Und alle Hochachtung vor
diesen Konservativen, die das Gegenteil sind von R�ckschrittlern! Unter
ihnen tritt besonders hervor der Abg. _M�ller_-Neustadt, der Vater des
Gesetzes in der jetzt vorliegenden Fassung -- ein sehr konservativer
Herr, und ein ehrlicher, r�ckgratfester Mann. Weil er M�ller hie�, und
Hugo, und Bezirksdirektor im V. Verwaltungsbezirk war, hat man ihn Hugo
V. genannt, unter welchem Namen er in einem Teil des Gro�herzogtums eine
ganz volkst�mliche Gestalt gewesen ist. Er w�rde sich im Grabe umdrehen,
wenn er erfahren k�nnte, _welchem_ Gebrauch sein Gesetz zuletzt hat
dienen m�ssen!

Der Kontrast zwischen den damaligen Verhandlungen _unseres_ Landtages
und dem, was zu gleicher Zeit unter der r�ckl�ufigen Str�mung der
f�nfziger Jahre anderw�rts in Deutschland vor sich gegangen ist, hat
mich zuerst geradezu befremdet. Dann aber besann ich mich, da� ja diese
Verhandlungen stattfanden ganz kurze Zeit nach dem Regierungsantritt
unseres allverehrten Gro�herzogs _Carl Alexander_, und da� dieses Gesetz
das erste _politische_ Gesetz gewesen ist, welches unter _seinem_ Namen
erlassen wurde. Und zuf�llig bemerkte ich auch in demselben Band der
Landtagsverhandlungen, der die betreffenden Protokolle enth�lt, ein
Aktenst�ck, das direkt auf den Regierungsantritt Bezug hat. Es gibt die
�Versicherung� wieder, die der Gro�herzog -- an Stelle eines
Vefassungseides -- damals pers�nlich zu H�nden des Landtagspr�sidenten
_v. Schwendler_ dem Landtag �bergeben hat, sowie darauf folgend den
�Huldigungseid�, durch den die Landtagsabgeordneten f�r sich und f�r die
von ihnen Vertretenen feierlich geloben, dem Gro�herzog treu und redlich
zu dienen und in allem das �Beste des Landes� wahrnehmen zu wollen.
Gestatten Sie mir, da� ich jene landesherrliche �Versicherung� in ihrem
Wortlaut aus diesem alten Quartband Ihnen vorlese! Sie lautet:

     _Carl Alexander,_

     _von Gottes Gnaden Gro�herzog von Sachsen etc. �Wir erkl�ren
     hiermit bei f�rstlichen Worten und Ehren, da� Wir die Verfassung,
     welche Unser in Gott ruhender Herr Gro�vater und Vorfahr in der
     Regierung, der Gro�herzog Carl August, K�nigliche Hoheit,
     �eingedenk der Vorschrift und des Sinnes des deutschen
     Bundesvertrags� dem Gro�herzogthume durch das Grundgesetz vom 5.
     Mai 1816 erneuert, best�tiget und gesichert, und welche Unser nun
     ebenfalls in Gott ruhender Herr Vater und Vorfahr in der Regierung,
     der Gro�herzog Carl Friedrich, K�nigliche Hoheit, mit gleicher
     ausdr�cklicher Beziehung auf den deutschen Bundesvertrag treulich
     gewahrt und durch das revidirte Grundgesetz vom 15. Oktober 1850
     fortgebildet hat, wie genannte Unsere Vorfahren, ihrem ganzen
     Inhalte nach, auch w�hrend Unserer Regierung genau beobachten,
     aufrecht erhalten und besch�tzen wollen._

     _De� zu Urkund haben Wir, gem�� der Bestimmung im � 67 des
     revidirten Grundgesetzes vom 15. Oktober 1850 �ber die Verfassung
     des Gro�herzogthums vom 5. Mai 1816, vorstehende landesf�rstliohe
     Versicherung h�chsteigenh�ndig vollzogen und mit Unserem
     Gro�herzoglichen Staatssiegel bedrucken lassen, auch angeordnet,
     da� dieselbe im Archive des getreuen Landtags niedergelegt und
     durch den Druck �ffentlich bekannt gemacht werde._

_Weimar, am 28. August 1853._      Carl Alexander.�


Aus all diesem wurde mir mehr und mehr einleuchtend, da� Regierung und
Landtag damals unter besonderen, sozusagen _ethischen_ Beweggr�nden und
Antrieben gestanden haben. Regierung und Abgeordnete waren sich noch
v�llig _bewu�t_, da� zum �Besten des Landes�, das zu wahren sie gelobt
hatten, auch das _ideale_ Gut geh�rt, das dieses Land gewonnen hat in
dem Ruhm, die Wiege des Verfassungsstaates in Deutschland gewesen zu
sein; und zu ihrem Gel�bnis, dem Gro�herzog treu und redlich zu dienen,
rechneten sie auch _die_ Verpflichtung, darauf hinzuwirken, da� in Bezug
auf _ihn_, und auf _seine_ Regierung, dereinst gesagt werden m�sse: er
habe _ebenfalls_ das ehrenvolle Erbe seines Gro�vaters �treulich
gewahrt�, die Verfassung des Landes �genau beobachtet� �aufrecht
erhalten� und �besch�tzt�.

Unter der Wirkung dieses Gedankens habe ich mich gefragt, ob ich nicht
meine heutige Rede direkt _kennzeichnen_ solle als einen _piet�tvollen_
R�ckblick auf die gesetzgeberische T�tigkeit in unserem Land in der Zeit
vor einem halben Jahrhundert -- und ob ich deshalb f�r mein Thema, statt
des herbe klingenden Titels �rechtswidrige Beschr�nkung etc.� nicht
lieber einen recht freundlichen w�hlen solle, z. B. �Als der Gro�vater
die Gro�mutter nahm�[33] -- wobei ich zugleich den Beweis erbracht
h�tte, da� man just in _unserem_ Land _hoch_politische Themata unter so
stimmungsvollem Titel mit Fug und Recht behandeln k�nne. Indes bin ich
davon zur�ckgekommen, weil es nicht angemessen gewesen w�re, den Schein
zu erwecken, als ob meine Rede _nur_ Schalmeienklang sein werde. Daf�r
aber habe ich mir nun vorgenommen, die _gesamten_ Landtagsverhandlungen,
die das Gesetz vom 7. Januar 1854 betreffen -- Schriftenwechsel und
Protokolle -- _neu drucken_ und im Land m�glichst _verbreiten_ zu lassen
-- als eine _Ehrentafel zum Ged�chtnis der M�nner, die damals in
Regierung und Landtag an der Gesetzgebung beteiligt waren_ -- und zur
_S�hne des Unrechts_, welches ihnen mit der Diskreditierung jenes
Gesetzes so lange Zeit hindurch angetan worden ist! Und solches wird
nebenbei noch den Nutzen haben, da� falls etwa demn�chst die _Gerichte_
mit dem Gesetz sich zu befassen h�tten, die Richter die Unterlagen f�r
dessen Auslegung nicht erst m�hsam in 3 oder 4 alten Quartb�nden
zusammensuchen m�ssen, sondern alles in einem sauberen Neudruck
wohlgeordnet vorfinden -- sogar diejenigen Stellen f�r das Auge
~gekennzeichnet,~ die auf die _grunds�tzlichen_ Fragen der Auslegung Bezug
haben.

       *       *       *       *       *

Nach dieser Abschweifung komme ich nunmehr zum letzten Teil meiner
Aufgabe, indem ich an Hand meiner vorher gegebenen Darlegungen jetzt
noch die Frage er�rtere:

Wie stellen sich die _Versammlungsverbote_ im Gro�herzogtum zu den
_Gesetzen_ des Landes?

Diese Frage ist sehr einfach zu beantworten.

Es gibt, wie fr�her angef�hrt, in unserem Land _kein_ Gesetz, das
�Versammlungen,� d. h. ein Sich-Versammeln von beliebig vielen Personen
an einem beliebigen Ort, verb�te oder auch nur, abgesehen von der
Anmeldepflicht, unter gesetzliche Beschr�nkungen stellte; und es gibt
nach Aufhebung des Sozialistengesetzes auch _kein_ Gesetz, welches
irgend einer Partei die �ffentliche, m�ndliche Propaganda f�r
irgendwelche, seien es selbst -- nach der Meinung bestimmter Kreise --
�staatsgef�hrliche� Ideen und Bestrebungen verb�te, soweit diese
Propaganda die Schranken respektiert, die das Strafgesetzbuch errichtet
hat. Folglich kann im Gro�herzogtum das Verbot einer Versammlung
lediglich auf � 1, Ziffer 2 des Gesetzes vom 7. Januar 1854 sich
st�tzen; und die _Legalit�t_ des Verbotes h�ngt g�nzlich davon ab, ob
die �Gr�nde des �ffentlichen Wohls�, derentwegen es erlassen wird, den
_beiden_ Bedingungen gen�gen, an die der _Wille des Gesetzgebers_ die
Befugnisse der _Polizei_beh�rden zu Verboten gekn�pft hat: da�, erstens,
diese �Gr�nde�, der _Art_ nach, wie ich sie vorhin nannte,
_B�rgermeister-Gr�nde_ seien, und da� sie, zweitens, �dringend� im
_Sinne des Gesetzes_ seien.

Beide Voraussetzungen sind zweifellos erf�llt, wenn eine Versammlung
_gegenw�rtige_ Gefahr f�r die _�u�ere_ Ordnung und Sicherheit im
_Gemeindebezirk_ herbeif�hrt, d. h. wenn vern�nftigerweise und mit
erheblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, es werde entweder _in_
der Versammlung selbst, oder _durch_ sie au�erhalb, Tumult, Schl�gerei,
Landfriedensbruch oder sonstige Gesetzwidrigkeit veranla�t werden. _Das_
zu erkennen und in seinen Wirkungen zu beurteilen vermag in der Tat
jeder B�rgermeister, wenn er die Verh�ltnisse seines Bezirks und die
Personen notd�rftig kennt und im �brigen das gew�hnliche Ma� von
gesundem Menschenverstand besitzt. Und ebenso sicher ist auch, da�
_dann_ einer von den �dringenden F�llen� gegeben ist, in welchen die
_Polizei_beh�rden befugt sein sollen, Handlungen zu verbieten, die der
Gesetzgeber nicht verboten hat.

_Beide_ Voraussetzungen sind aber zweifellos _nicht_ erf�llt, wenn eine
Versammlung polizeilich verhindert wird, _ohne_ da� von ihr
vern�nftigerweise �u�ere Ordnungsst�rung oder gesetzwidrige Handlungen
zu gew�rtigen waren, wenn sie vielmehr verboten wird wegen _der_ Gefahr,
die angeblich dem �ffentlichen Wohl aus der Verbreitung der
Sozialdemokratie droht. Weder geh�rt _dieser_ Grund zu den
B�rgermeister-Gr�nden, noch ist er, der einzelnen Versammlung gegen�ber,
ein �dringender� Grund, nachdem gleichartige Versammlungen durch Jahre
hin stattgefunden haben und _jahrelang Zeit gewesen ist, der angeblichen
Gefahr durch ein Gesetz zu begegnen_. Ich m�chte wohl _den_ sehen, der
zu behaupten wagt, die Erkenntnis der _Staatsgef�hrlichkeit_
sozialistischer Lehren und das Verst�ndnis f�r die Weisheit,
Zweckm��igkeit und _Dringlichkeit_ ihrer Bek�mpfung mit dem
Polizeikn�ppel -- sei Sache des gesunden Menschenverstandes! Zur
_Ketzerrichterei_, mit _Treitschke_ zu reden, geh�rt doch etwas ganz
anderes -- geh�rt doch _der_ feinere staatsm�nnische Blick, die h�here
staatsm�nnische Einsicht, die erst durch jahrelange Schulung des Geistes
_an den Ideen der jeweils herrschenden Partei_ erworben werden! Wie
k�nnte die Gesetzgebung Funktionen jener Art in die Hand der
_B�rgermeister_ legen wollen -- in die Hand von Leuten, die der gro�en
Mehrzahl nach nicht einmal studierenshalber sechs Semester an einer
Universit�t sich aufgehalten haben?

Hiernach steht vollkommen fest, da� in unserem Land der �kleine�
Gesetzgeber _legaler_weise nicht dazu gebraucht werden kann, die
Propaganda irgend einer politischen Partei zu unterdr�cken oder
einzuschr�nken. W�re letzteres f�r das Staatswohl n�tig, w�re wirklich
zu bef�rchten, da� ohne Unterdr�ckung der sozialdemokratischen Ideen mit
den �u�eren Machtmitteln des Staates der �Zukunftsstaat� just in unserem
Land zur Einf�hrung kommen werde, so h�tte der �gro�e� Gesetzgeber,
Regierung und Landtag, den _Mut_ fassen m�ssen, durch ein besonderes
Gro�herzoglich S�chs. Sozialisten_gesetz_ die �dringende Gefahr�
rechtzeitig abzuwenden. _Dem_ h�tten sich alle innerhalb der Grenzen des
Landes f�gen m�ssen. Weil jenes aber nicht geschehen ist, behaupte ich
-- bereit, diese Behauptung vor _jedem_ Forum zu vertreten -- jetzt
_�ffentlich_:

     _Alle Versammlungsverbote, die im Gro�herzogtum erlassen wurden,
     ohne da� vern�nftigerweise von der Versammlung selbst gegenw�rtige
     Gefahr f�r die �u�ere Ordnung und Sicherheit zu bef�rchten war,
     sind gesetzwidrig erlassen; sie beruhen nicht auf irgend einer
     m�glichen Gesetzesauslegung, sondern lediglich auf
     Gesetzesbeugung;_

     _die Sanktionierung dieser Verbote seitens der oberen
     Verwaltungsbeh�rden ist verfassungswidrig;_

     _die Ermunterung zu solchen Verboten seitens der obersten,
     verfassungsm��ig verantwortlichen Instanz in �ffentlicher
     Landtagssitzung, sowie die zugestandene amtliche Beeinflussung
     nachgeordneter Beh�rden in gleichem Sinne, ist flagrante
     Verfassungsverletzung._

Ausdr�cklich verwahre ich mich hierbei gegen die Annahme, als ob ich
irgend jemand unter denen, die meine Anklage trifft, den Vorwurf machen
wolle, wider besseres Wissen gehandelt zu haben. Den _guten Glauben_
gestehe ich allen zu. Ist er doch auch immer billig zu haben, wenn kein
besonderer Grund vorliegt, die Voraussetzungen seiner Richtigkeit
besonders _streng_ zu pr�fen. In gegenw�rtiger Sache aber gebe ich sogar
zu, da� allgemein verbreitete Vorurteile geeignet waren, von strengerer
Pr�fung abzuhalten. Das alles aber �ndert nichts an der Tatsache, da�
Gesetzes_verletzung_ in gutem Glauben objektiv immer Gesetzesverletzung
bleibt, und deren Sanktionierung in gutem Glauben objektiv immer
Verfassungs_verletzung_.

       *       *       *       *       *

Ich komme zum Schlu�.

Durch Jahre hin hat sich unser B�rgertum die Theorie von der
_Polizeiallmacht_ in unserem Land gefallen lassen, auch da, wo ihre
Proklamierung zuletzt mit deutlichem Hohn verbunden war. Seines guten
Rechtes unbewu�t hat dieses B�rgertum in unglaublicher Langmut der
Bet�tigung immer sch�rferer Reaktion nur _Klagen_ und _Bitten_
entgegengestellt_. Nun_ aber ist es, meine ich, Zeit, die willk�rliche
Beschr�nkung der b�rgerlichen Rechte in unserem Land nicht mehr
abzuwehren mit Klagen und Bitten, mit Beschwerden und Petitionen,
sondern sie abzuwehren durch _laute Anklage_ und _scharfen Protest_. Und
angesichts der lange ge�bten Geduld mu� nun, meine ich, diese _Abwehr_
�berall im Land deutlich unter die Ciceronianische Fragestellung kommen:

     _Quousque tandem, Catilina, abutere patientia nostra?_

auf deutsch, in etwas freier �bersetzung:

     _Wie lange noch, Catilina, wirst Du die Gesetze unseres Landes
     mi�brauchen?_

wobei jedem Freiheit belassen ist, wen er unter Catilina von Fall zu
Fall sich vorstellen will.

     Den _Widerstand_ gegen

     die _gesetz_widrige Beschr�nkung der Versammlungsfreiheit im
     Gro�herzogtum Sachsen

unter _diese_ Fragestellung zu bringen, will ich heute abend den Anfang
gemacht haben, indem ich, wie vorhin geschehen, den Rechtsboden
feststelle, auf dem der _Schutz der Gerichte_ gegen die �bergriffe der
Polizei angerufen werden kann. Zu den Gerichten des Landes aber habe ich
das Vertrauen, da� sie nach sorgf�ltiger Pr�fung aller Unterlagen meiner
Anklage Recht geben und dadurch die schimpfliche _Bescholtenheit_ heilen
werden, unter die unser Staatswesen vor ganz Deutschland gekommen ist
durch die kecke Behauptung: in unserem Land k�nne _kraft
Polizeiallmacht_ den B�rgern alles verboten werden, was nicht durch ein
besonderes Gesetz ihnen ausdr�cklich _erlaubt_ worden ist.

Und so wird dann auch, hoffe ich, endlich und endg�ltig das _Odium_
wieder beseitigt werden, das _auf Land und Personen_ gefallen ist durch
Verbreitung des falschen Glaubens:

_im ersten Jahre der Regierung des Gro�herzogs Carl Alexander und durch
eines von den ersten unter seinem Namen ergangenen Gesetzen sei der
Verfassungsstaat des Gro�herzogs Carl August in den Polizeistaat
zur�ckrevidiert worden._


I.

Gesetz �ber das Strafandrohungsrecht der Polizeibeh�rden.


Wir Carl Alexander,

von Gottes Gnaden Gro�herzog von Sachsen-Weimar-Eisenach, Landgraf in
Th�ringen, Markgraf zu Mei�en, gef�rsteter Graf zu Henneberg, Herr zu
Blankenhayn, Neustadt und Tautenburg etc. etc. haben, ~zur Beseitigung
vorgekommener Zweifel,~ mit Zustimmung des getreuen Landtags zu verordnen
beschlossen, wie folgt:

� 1. Die Polizeibeh�rden haben ~innerhalb ihrer verfassungsm��igen
Zust�ndigkeit~ und vorbehaltlich des Rechts eines jeden Betheiligten, im
Verwaltungswege gegen derartige Verf�gungen auf den Ausspruch der
betreffenden Oberbeh�rden Berufung einzuwenden, die Befugni�:

     1. Zur Aus- und Durchf�hrung solcher von ihnen zu handhabender
     ~gesetzlicher~ Vorschriften, welche gewisse Handlungen zwar ~gebieten
     oder verbieten,~ aber f�r die Uebertretung eine bestimmte Strafe
     nicht androhen, diese ~Strafandrohung auszusprechen~.

     2. Wenn ~dringende~ Gr�nde des �ffentlichen Wohls oder Abwendung von
     Gefahr f�r das Leben, die Gesundheit oder das Verm�gen ~es
     erheischen,~ und insofern bestehende Landesgesetze nicht verletzt
     werden, ~Gebote und Verbote zu erlassen,~ bez�glich derartige, in
     ihren Gesch�ftsbereich einschlagende, fr�her erlassene Verordnungen
     theilweise oder g�nzlich au�er Kraft zu setzen.

Halten Ortspolizeibeh�rden f�r nothwendig, bei Strafandrohung das Ma�
von f�nf Thalern Geldstrafe oder zehn Tagen Haft zu �bersteigen, so
haben sie in der Regel vorher, in allen F�llen aber, wo mit dem Verzuge
Gefahr verbunden seyn w�rde, nachtr�glich die ausdr�ckliche Genehmigung
des Bezirksdirektors einzuholen.

Der Strafe darf auch die Androhung der Confiscation oder Entfernung
verbotswidriger oder gef�hrlicher Dinge, namentlich Waaren, Anlagen und
Einrichtungen substituirt oder hinzugef�gt werden.

� 2. Die Justizbeh�rden sind verpflichtet, vorkommenden Falls nach
Ma�gabe der ~unter den[34] im � 1 bezeichneten Voraussetzungen
erlassenen,~ in orts�blicher oder in einer sonst f�r gen�gend
anzuerkennenden Weise bekannt gemachten polizeilichen ~Verf�gungen~ zu
erkennen, ohne die Frage �ber die ~Nothwendigkeit oder Zweckm��igkeit~
einer polizeilichen ~Strafandrohung~ zum Gegenstand der richterlichen
Entscheidung zu machen.

Urkundlich dessen haben wir dieses Gesetz h�chsteigenh�ndig vollzogen
und mit unserm Gro�herzoglichen Staatsinsiegel versehen lassen.

So geschehen und gegeben
Weimar, am 7. Januar 1854.

Carl Alexander.
v. Watzdorf. v. Wydenbrugk.
G. Thon.


II.

Ministerialverordnung vom 15. Juli 1874.

� 1. 1. Oeffentliche Versammlungen zu politischen (einschlie�lich
sozialpolitischen oder kirchlichpolitischen) Zwecken,

2. Versammlungen von Vereinen, welche politische (einschlie�lich
sozialpolitische oder kirchlichpolitische) Zwecke haben, sind vor deren
Abhaltung der Ortspolizeibeh�rde rechtzeitig, d. h. ~mindestens zw�lf
Stunden vor dem Zusammentritt~ der Versammlung, ~unter Angabe von Zeit und
Ort~ derselben, ~anzumelden~. Sind eine Anzahl von Bewohnern des
Gro�herzogthums Mitglieder eines Vereins mit politischen (einschlie�lich
sozialpolitischen oder kirchlichpolitischen) Zwecken, der au�erhalb des
Gro�herzogthums seinen Sitz hat, so sind Versammlungen dieser Mitglieder
den unter Ziffer 2 der oben gedachten Versammlungen eines Vereins gleich
zu achten.

Ebenso steht einer solchen Vereins-Versammlung gleich die Versammlung
von Delegierten von Vereinen der bezeichneten Art, welche im
Gro�herzogtum oder au�erhalb desselben ihren Sitz haben.

Anmerkung. Die Anmeldepflicht besteht auch bei Vereins-Versammlungen,
welche statutenm��ig nach Ort und Zeit im Voraus festgesetzt worden
sind.

� 2. Die Polizeibeh�rde ist befugt, in die im � 1 dieser Verordnung
gedachten Versammlungen, sofern der Vorstand dieser Beh�rde der
Versammlung nicht selbst beiwohnen will, einen oder mehrere
Polizeibeamte zu senden. Die letzteren m�ssen sich auf Erfordern des
Unternehmers oder des Vorsitzenden der Versammlung als amtlich
Beauftragte durch schriftlichen Vorweis legitimiren.

Dem Vorstande der Polizeibeh�rde, sowie dessen Beamten mu� ein nach
deren Daf�rhalten angemessener Platz in der Versammlung einger�umt,
sowie �ber die Person der Redner Auskunft ertheilt werden.

Die in Gem��heit dieser Bestimmung in den betreffenden Versammlungen
erschienenen Polizeibeamten haben in Vertretung der Polizeibeh�rde die
Befugni�, eine Versammlung aufzul�sen und die Anwesenden aufzufordern,
sich aus dieser Versammlung sofort zu entfernen.

� 3. St�rungen der in Gem��heit des � 1 dieser Verordnung angemeldeten
Versammlungen, sofern zu ihrer Beseitigung der Einflu� des Vorsitzenden
der Versammlung nicht ausreicht, sind von den anwesenden (� 2)
Polizeipersonen zu r�gen, und zu verhindern. Diese Polizeipersonen sind
berechtigt, die St�rer aus der Versammlung zu weisen, und ~durch
geeignete polizeiliche Ma�regeln die Freiheit des Versammlungsrechts zu
sch�tzen.~

� 4. An Geld bis zu 50 Thalern (150 Mark) oder mit Haft bis zu sechs
Wochen werden bestraft:

1. die Unternehmer, Vorsteher, Leiter oder die beauftragten
Vertrauensm�nner der Versammlungen und Vereine, welche die im � 1 dieser
Verordnung bestimmte Verpflichtung nicht erf�llt haben,

2. alle diejenigen, welche einem von der Polizeibeh�rde innerhalb deren
Zust�ndigkeit erlassenen, in orts�blicher Weise publicirten oder sonst
zu ihrer Kenntni� gelangten Verbote der im � 1 erw�hnten Versammlungen
zuwider dennoch an der verbotenen Versammlung theilnehmen,

3. diejenigen, welche nach Aufl�sung einer Versammlung durch den
Vorstand der Polizeibeh�rde oder durch die nach � 2 dieser Verordnung
beauftragten und kraft dieses Auftrages hierzu legitimirten
Polizeibeamten sich aus dieser Versammlung nicht sofort entfernen,

4. diejenigen, welche den in Gem��heit des � 3 dieser Verordnung von
Polizeipersonen an sie gerichteten Aufforderungen und gegebenen
Anordnungen sich ungehorsam erweisen.

=Gro�h. S. Staats-Ministerium,
Depart. des �u�ern und Innern.=
=v. Gro�.=


III.

Ministerialverordnung vom 21. April 1875.

� 1. Schulkindern, ingleichen solchen Personen, welche noch in dem f�r
den Besuch der Fortbildungsschule vorgeschriebenen Alter stehen, ohne
Unterschied, ob sie zum Besuch einer solchen jeweilig herangezogen sind
oder nicht, ist die Theilnahme an Versammlungen und Vereinen zu
politischen (einschlie�lich sozialpolitischen und kirchlichpolitischen)
Zwecken verboten.

� 2. Die Uebertretung dieses Verbots wird mit Geld bis zu 60 Mark oder
mit Haft bis zu 14 Tagen bestraft.

� 3. Die Polizeibeh�rden haben die Befolgung des Verbots streng zu
�berwachen; insbesondere sind die Polizeibeamten, welche nach � 2 der
Verordnung vom 15. Juli 1874 politischen Versammlungen beiwohnen,
verpflichtet, vorkommenden Falles die Entfernung der in Ziffer 1
bezeichneten Personen aus der Versammlung zu veranlassen. Dieselben sind
befugt, eine Versammlung aufzul�sen, wenn ihrem Entfernungsgebot keine
Folge geleistet wird.

=Gro�h. S. Staats-Ministerium,
Depart. des �u�ern und Innern.=
=v. Gro�.=

Fu�noten:

[Fu�note 32: _Mit Anhang_:

1. Gesetz �ber das Strafandrohungsrecht der Polizeibeh�rden vom 7.
Januar 1854.

2./3. Ministerialverordnungen vom 15. Juli 1874 und vom 21. April 1875,
betreffend Versammlungen.]

[Fu�note 33: Bezieht sich auf die Tatsache, da� in Jena kurz vorher eine
Versammlung mit diesem Thema zwar nicht direkt verboten, doch aber, als
_nicht geh�rig angemeldet_, beanstandet worden war -- weil dieses Thema
nicht zu einer �politischen� Versammlung passe.]

[Fu�note 34: In der amtlichen Ausgabe des Gesetzes (Regierungs-Blatt von
1854, Nr. 4, pp. 17, 18) _fehlen_ die Worte �unter den�; der Satz des
� 2 erscheint daher dort sprachlich als unverst�ndlich. -- Der
vorstehende Abdruck gibt w�rtlich den Text, mit welchem, gem�� den
Landtagsverhandlungen, der Landtag das Gesetz angenommen hat.]




VII.

Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Verk�rzung des industriellen
Arbeitstages.

Zwei Vortr�ge, gehalten in der Staatswissenschaftlichen Gesellschaft zu
Jena am 6. November und 5. Dezember 1901.

(Nach einem Stenogramm.)[35]


1. Vortrag.


Meine Herren!

Die Wirkungen, die sich an die fortschreitende Verk�rzung der
Arbeitszeit kn�pfen, sind zweifellos Gegenstand eines gro�en und
allgemeinen Interesses vom volkswirtschaftlichen, volkshygienischen und
auch nationalpolitischen Gesichtspunkt aus. Man braucht nur auf eine
Tatsache hinzuweisen, die allbekannt ist -- auf den Unterschied zwischen
Deutschland und England in bezug auf die Regelung der Arbeitszeit in der
Industrie. In England ist schon seit langer Zeit die Maximal-Arbeitszeit
mit wenigen Ausnahmen 10 Stunden, die weitaus gr��te Zahl aller Arbeiter
braucht nur 9 Stunden t�glich zu arbeiten, und eine recht betr�chtliche
Zahl -- nach den Mitteilungen des englischen Statistikers JOHN RAE,
schon �ber 1 Million -- ist bei der achtst�ndigen Arbeitszeit angelangt.
Durch das k�hne Vorgehen der englischen Regierung, die vor 10 Jahren, im
Jahre 1891, die s�mtlichen Arbeiter in den Werkst�tten der englischen
Heeresverwaltung und der englischen Admiralit�t, im ganzen 29000 Mann,
von der fr�her neunst�ndigen auf die achtst�ndige Arbeitszeit setzte,
ist die Propaganda f�r die Verk�rzung der Arbeitszeit in England so
kr�ftig geworden, da� man annehmen kann, in wenigen Jahren werden dort
wohl ein paar Millionen Arbeiter, n�mlich alle Arbeiter der besser
situierten Industrien, keine l�ngere als achtst�ndige Arbeitszeit mehr
haben. In Deutschland dagegen haben wir im Durchschnitt noch eine _mehr_
als zehnst�ndige Arbeitsdauer; viele Industrien haben noch 11 Stunden
oder mehr, nur wenige sind bei 9 Stunden angelangt und nur ein kleiner
Bruchteil aller Industriearbeiter hat den Achtstundentag erreicht. Die
Zahl der letzteren ist sicher im ganzen Deutschen Reich noch weniger als
15000.

An die Betrachtung dieses Unterschiedes kn�pft sich sofort eine Frage
von gro�er Tragweite: Welche Bedeutung hat dieser Unterschied f�r den
Wettbewerb der volkswirtschaftlichen T�tigkeit zwischen England und
Deutschland? Ist diese Verschiedenheit ein Vorteil zugunsten von England
oder zugunsten von Deutschland, und die zu erwartende bedeutende
Vergr��erung der Konkurrenz -- welchem von beiden L�ndern wird sie
zugute kommen?

Aber weiter, wenn, wie man jetzt als sicher annehmen kann, die
Verk�rzung der Arbeitszeit keine Verminderung der Arbeitsproduktion
bewirkt, so kann das doch nur dadurch geschehen, da� die Arbeiter den
Ausfall in der L�nge der Arbeitszeit auszugleichen verm�gen durch
entsprechend intensivere Arbeit, und dann ist die Vermutung nicht zum
voraus abzuweisen, da� eine solche intensivere T�tigkeit -- sei es auch
durch besondere Gew�hnung -- einen st�rkeren Kr�fteverbrauch, eine
st�rkere Anspannung des einzelnen involviert, da� sie die Arbeit
aufreibender macht. Wenn aber die Arbeitskraft des Menschen rascher
verbraucht wird, so ist das eine Sache von gro�er sozialer und
volkswirtschaftlicher Tragweite.

Es gen�gt, auf diese beiden Punkte nur hingewiesen zu haben, um
erkennbar zu machen, da� es in der Tat von gewi� gro�em, allgemeinem
Wert sein wird, Material zu haben, welches geeignet ist, die
Stellungnahme zu dieser Frage: was ist der Vorteil und Nachteil der
verk�rzten Arbeitszeit, zu kl�ren, und Unterlagen f�r ein pr�zise
Beantwortung zu schaffen.

Ich glaube nun in der Lage zu sein, etwas beitragen zu k�nnen zur
Beschaffung derartigen Materials. Obwohl der Gegenstand meiner
eigentlichen Berufst�tigkeit etwas fern liegt, habe ich Gelegenheit zu
selbst�ndigen Beobachtungen gehabt infolge des Umstandes, da� die
Optische Werkst�tte, deren Vorstand ich angeh�re, vor etwa 1-1/2 Jahren
die bis dahin neunst�ndige Arbeitszeit pl�tzlich auf 8 Stunden
herabsetzte und zwar in einer Zeit des st�rksten Gesch�ftsganges.

Die Beobachtungen, die meine Freunde und ich bei diesem Versuch gemacht
haben, nachdem derselbe ein ganzes Jahr fortgesetzt worden war, und
nachdem dann diese versuchsweise eingef�hrte Einrichtung zu einer
endg�ltigen erkl�rt worden ist, bieten eine sehr wertvolle Erg�nzung des
Beobachtungsmaterials, welches bisher in England gewonnen ist. Man
findet dieses zusammengestellt in dem Buch von JOHN RAE von 1894,
welches 1897 in Weimar in deutscher �bersetzung erschienen ist[36].

Unsere Beobachtungen best�tigen in der Hauptsache und im wichtigsten
Punkt: welche Wirkungen die Verk�rzung der Arbeitszeit auf die
_Arbeitsleistung_ hat -- vollst�ndig das, was in England {aus Versuchen}
in viel gr��erem Ma�stabe abgeleitet worden ist. Sie f�hren zu der
Feststellung, da� diese Verk�rzung von neun auf acht Stunden, also um
mehr als 10 Proz. in einem Sprung, keine Minderung der Tagesleistung
herbeigef�hrt hat, sondern in unserem Falle eine nachweisbare
_Erh�hung_, wenn auch nur um einen kleinen Betrag.

Soweit unsere Erfahrungen nichts anderes ergeben als die schon fr�her
gemachten, w�rde es sich eigentlich nicht lohnen, davon zu reden; es
w�re damit nur zum hundertsten Male bewiesen, was schon 99 mal bewiesen
worden ist. Unsere Beobachtungen nehmen aber ein gewisses selbst�ndiges
Interesse in Anspruch, weil sie eine wirklich ziffernm��ige Begr�ndung
m�glich machen. Die Resultate aller Beobachtungen in England sind nur
sch�tzungsweise, in Bausch und Bogen gewonnen; man hat niemals
ziffernm��ige Beweise vor sich. Die gro�e Zahl der in England
ausgef�hrten Experimente, die �bereinstimmung der Sch�tzungen sehr
vieler F�lle ersetzen zwar die mangelnde Sicherheit des einzelnen
Falles, aber immerhin ist es wertvoll, da� nun auch eine Beobachtung
vorliegt, die diesen Mangel des Ziffernm��igen ausschlie�t, die genaue
Beweise gestattet.

In Deutschland liegen Erfahrungen eigentlich gar nicht vor, mit
Ausnahme einiger weniger, die sich auf kleinere Betriebe beziehen.
Darunter ist allerdings eine Feststellung -- vor mehreren Jahren in
BRAUNs Archiv mitgeteilt -- , die sich auf die Jalousiefabrik von
FREESE in Berlin und Hamburg bezieht und auch Ziffern gibt; doch
ist das Beobachtungsmaterial, welches zugrunde liegt, so gering,
da� diese Ziffern eine Beweiskraft kaum beanspruchen k�nnen.

Abgesehen hiervon haben unsere Beobachtungen noch den Vorteil, da� sie
eine Frage zur endg�ltigen Beantwortung bringen, die bisher �berhaupt
noch nicht angeschnitten wurde, n�mlich die Frage: welche Wirkung hat
die Verk�rzung der Arbeitszeit, wenn dabei der Effekt der Verk�rzung
ausgeglichen wird durch Intensit�t der Arbeit, auf die _Person_?
Bedeutet sie einen gr��eren Kr�fteverbrauch; bedeutet sie, da� die
Arbeit aufreibender geworden ist, oder bedeutet sie das nicht? Unsere
Beobachtungen gestatten mit Sicherheit festzustellen, da� das _nicht_
eintritt, da� die Leute, die in 8 Stunden dasselbe gemacht haben, was
sie fr�her in 9 Stunden machten, _keiner_ gr��eren Anstrengung sich zu
unterziehen gebraucht haben, obwohl sie zweifellos w�hrend dieser 8
Stunden intensiver arbeiten mu�ten. Diese Beobachtungen geben nun noch
weiter einen Einblick nach der rein tats�chlichen Seite in die
Triebfedern, welche es herbeif�hren, da� bei Verk�rzung der Arbeitszeit
die Intensit�t der Arbeit sich steigert, und zwar sich so steigert, da�
im allgemeinen der Effekt der k�rzeren Arbeitsdauer ausgeglichen wird.

Eine andere Frage ist, ob dabei ein besonderer Antrieb, ein besonders
guter Wille einiger, oder die Kaptivierung ihres materiellen Interesses
bei St�cklohn, wo die Tendenz {auf Mehrverdienst} einen nat�rlichen
Sporn bedeutet -- ob derartige Motive wirksam sind oder nicht. Unsere
Antwort ist: _Sie sind nicht wirksam_. M�gen die Leute guten Willen
haben, m�gen sie angetrieben werden durch ihr materielles Interesse oder
nicht -- der Erfolg tritt immer ein. Ich sehe dies als einen der
wichtigsten Punkte an, der sich durch Kombination der von uns und der
anderw�rts gemachten Erfahrungen ergeben hat.

Endlich haben unsere Beobachtungen Gelegenheit geboten, den Zusammenhang
der Vorg�nge zu erkl�ren, wie es denn komme, da� bei Verk�rzung der
Arbeitszeit das Arbeitstempo sich der verk�rzten Arbeitszeit anpa�t, da�
es die Tendenz auf gleiche Leistung hat; es ist meines Wissens noch
niemals versucht worden, das zu erkl�ren.

Unsere Beobachtungen haben uns einen Leitfaden gegeben, diesen
Zusammenhang, diese auf den ersten Blick paradoxe Tatsache nachzuweisen,
da� eine Verk�rzung der Arbeitszeit unter gewissen Umst�nden eine
_Steigerung des Tagwerks_ herbeif�hrt.

Es wird nicht ohne Interesse sein, den Weg n�her zu beleuchten, auf
welchem ich meine Beobachtungen gesammelt habe, {und daran zu erinnern}
wie in der hiesigen Optischen Werkst�tte die allm�hliche Verk�rzung der
t�glichen Arbeitszeit im Laufe der letzten 30 oder 35 Jahre schrittweise
zustande gekommen ist.

In der Zeit, als ich zuerst meinem verstorbenen Freund CARL ZEISS n�her
trat, als ich in der Werkst�tte zu verkehren anfing, war dort noch eine
beinahe zw�lfst�ndige Arbeitszeit; Sommer und Winter von morgens 6 bis
abends 7 Uhr mit einer Stunde Mittagsruhe und einer viertelst�ndigen
Fr�hst�ckspause, also 11-3/4 Stunden effektive Arbeitszeit. Im Laufe der
Jahre ist diese infolge meiner pers�nlichen Anregungen allm�hlich
verk�rzt worden, immer um je eine halbe Stunde, bis wir im Jahre 1891
bei der neunst�ndigen Arbeitszeit angekommen waren; diese hat bis zum
Fr�hjahr 1900 bestanden. Da haben wir nach l�ngeren Diskussionen mit
unserer Arbeiterschaft, entgegen dem Antrag, den der Arbeiterausschu�
selbst vertrat im Sinne eines Vermittlungsvorschlages -- da� wir auch
wieder eine halbe Stunde aufgeben sollten, um dann zu sehen, wie sich
die Erfahrung stellt -- entgegen diesem Antrage erkl�rt: entweder es
bleibt bei 9 Stunden, wie bisher, oder wir gehen sofort zur
achtst�ndigen Arbeitszeit �ber, und zwar mit der Ma�gabe, da� bei allen
Zeitlohnarbeiten in Zukunft f�r 8 Stunden dasselbe bezahlt wird, wie
bisher f�r 9 Stunden, da� alle Akkordl�hne aber unver�ndert bleiben, in
der ausgesprochenen Erwartung, es werden alle es fertig bringen, in
diesen 8 Stunden nun noch dasselbe zu leisten, wie bisher in 9 Stunden.

Denn wir w�ren �blamierte Europ�er� gewesen, wenn wir in einer Zeit des
st�rksten Gesch�ftsganges es fertig gebracht h�tten, durch ein t�richtes
Experiment die Leistungsf�higkeit der Werkst�tte herunterzusetzen, wenn
auch nur um 5 oder 10%, und damit obendrein die Lebenshaltung unserer
Leute herunterzudr�cken.

Ich will mich jedoch dabei nicht weiter aufhalten und will lieber
sogleich von dem Beobachtungsmaterial, welches wir im letzten Jahr
gewonnen haben, zun�chst das darlegen, was eine doppelte Bestimmung der
_�konomischen Wirkung_ enth�lt.

Sie finden auf dem einen der beiden Bl�tter[37] die Zusammenstellung der
Ziffern:

    I. eine Bestimmung auf Grund unserer Lohnstatistik,

    II. eine Bestimmung, die entnommen ist aus der Vergleichung des
    Nutzeffektes unserer Maschinen in den letzten 4 Wochen vor
    Einf�hrung, und in den ersten 4 Wochen _nach_ Einf�hrung des
    Achtstundentages.

Ich will weiter die Beobachtungen mitteilen, die Bezug haben auf die
Einwirkung der verk�rzten Arbeitszeit auf die Person --, also die Frage
ber�hren, ob die intensivere Arbeit eine gr��ere Strapaze, einen
gr��eren Kr�fteverbrauch der Personen hat erkennen lassen -- welche
Frage ganz konnex ist mit dem Nachweis der Umst�nde, die erkennen
lassen, welche Ursachen, welche Antriebe bei der Steigerung der
Intensit�t der Arbeit wirksam gewesen sein m�ssen.

Ich will dann drittens dazu �bergehen, die Erkl�rung zu geben, welche,
wie ich glaube, alle Beobachtungen, die wir gemacht haben, und die ihre
Erg�nzung durch die Beobachtungen in England und die sonst vorliegenden
finden, in befriedigender Art deutet.

Ich habe zu dem Zweck ein zweites Blatt[38] beilegen lassen, um den
Gedankengang dieser Erkl�rung zu fixieren. Sto�en Sie sich nicht daran,
da� eine mathematische Formel vorkommt; die mathematische Formel hat
nichts mit dem Wesen der Sache zu tun. Der Gedankengang l��t sich durch
einige Erw�gungen verdeutlichen; nur wenn man ihn in wenigen kurzen
Zeilen fixieren will, da geht es nicht gut anders, als da� man die
Zeichensprache benutzt, welche die Mathematik zur Verf�gung stellt, denn
sonst h�tte ich 2 Seiten Text weitspurige Erkl�rungen schreiben m�ssen.

Und dann werde ich eigentlich erst zu dem Thema meines heutigen
Vortrages kommen, zur Er�rterung der _volkswirtschaftlichen Bedeutung_,
die auf Grund dieser Feststellungen der Verk�rzung der Arbeitszeit
beizulegen ist.

Diesen letzteren Teil werde ich heute aber nicht erledigen k�nnen; ich
bitte, in der Annahme, da� die Sache im Kreise dieser Gesellschaft
gen�gendes Interesse hat, diesen das eigentliche Thema behandelnden Teil
in einem zweiten Vortrag im Dezember folgen lassen zu d�rfen.

Ich gehe jetzt dazu �ber, zun�chst ein paar Erl�uterungen zu geben zu
der auf dem ersten Blatt auf Grund unserer Lohnstatistik
zusammengestellten Vergleichung.

Wir haben damals, vor 1-1/2 Jahren, im M�rz 1900, diese Entschlie�ung --
�bergang zur achtst�ndigen Arbeitszeit -- unter die Erkl�rung gestellt:
Wir seien bereit, alsbald den Achtstundentag einzuf�hren, wenn
mindestens drei Viertel aller erwachsenen Betriebsangeh�rigen in einer
geheimen Abstimmung sich daf�r erkl�ren w�rden, unter der Fragestellung,
wer traut sich zu und ist gewillt, in acht Stunden dasselbe zu leisten,
wie bisher in _neun_; wer es sich zutraut, stimme mit ja, wer nicht, mit
_nein_ -- und unter einigen Vorbehalten, die nebens�chliche Dinge
betrafen.

Die Abstimmung ergab statt einer 3/4 eine 6/7 oder 7/8 Majorit�t. Wir
haben damals erkl�rt: die ganze Einrichtung gilt zun�chst f�r ein Jahr;
wir behalten uns vor, sie nach einem Jahr zu redressieren, wenn es sich
herausstellt, da� ein merklicher Arbeitsausfall eingetreten ist oder
Anzeichen daf�r kommen, da� die Arbeit, wenn auch nur f�r einen Teil der
Arbeiterschaft, aufreibender geworden ist.

Bevor das Jahr zu Ende war, im M�rz dieses Jahres, wu�ten wir nach
allgemeinen Sch�tzungen, da� keine Minderung der Leistung zu
registrieren sei, und auch, da� keine Anzeichen vorl�gen, welche
bef�rchten lie�en, sei es auch nur f�r die �lteren unter unseren Leuten,
da� die Arbeit strapazi�ser, aufreibender geworden sei.

Wir haben daher schon vor Ablauf des Jahres die Erkl�rung abgegeben, wir
seien bereit, die Einrichtung als dauernd beizubehalten, wenn die
Arbeiterschaft bereit sei, einige nebens�chliche Bedingungen als dauernd
verbindlich anzuerkennen.

Wir haben damals kaum gedacht, da� es m�glich sein w�rde, die Ergebnisse
anders als durch Sch�tzung in Bausch und Bogen festzustellen. Erst als
wir der Sache n�her traten und die darauf bez�glichen Tatsachen aus
unseren B�chern zu ermitteln suchten, zeigte es sich, da� wir ein ganz
wertvolles Erfahrungsmaterial hatten, dessen Durcharbeitung zweifellos
der M�he lohne.

Dank der sehr eingehenden Lohnstatistik, die Herr Dr. CZAPSKI schon seit
mehreren Jahren organisiert hat, ist es m�glich, von jedem unserer
Arbeiter f�r jeden Tag auf Jahre zur�ck genau nachzuweisen, wieviel
Stunden er davon im Zeitlohn oder im St�cklohn gearbeitet und was er an
diesem Tage f�r die Arbeit der einen und der anderen Art verdient hat.

Wir sind zun�chst auf diese Lohnstatistik zur�ckgegangen, um von
denjenigen Arbeitern, die in St�cklohn arbeiten, zu ermitteln, wie sich
denn deren Arbeitsverdienst beim �bergang zum Achtstundentag im
Verh�ltnis zum letzten Jahr der neunst�ndigen Arbeitszeit ver�ndert
hat. Denn bei Leuten, die im St�cklohn arbeiten, und zwar zu
unver�nderten Akkords�tzen, die die Dauer der Arbeit eliminieren m�ssen,
ist die Gr��e ihrer Arbeitsleistung proportional dem Lohn, den sie
verdienen.

Wir haben diejenigen Personen ausgesucht, die einwandsfreie Vergleichung
in den beiden Jahren erm�glichten. Es mu�ten alle ausgeschieden werden,
von denen anzunehmen war, da� ihre T�tigkeit in beiden Jahren nicht
unter vollst�ndig konstanten Bedingungen gestanden habe; in erster Reihe
alle j�ngeren Leute und namentlich solche, die noch nicht lange Zeit im
Betriebe waren, welche also naturgem�� in einem sp�teren Jahre mehr
leisten m�ssen. Das ist in der Weise geschehen, da� wir unseren Nachweis
auf solche Personen beschr�nkt haben, die ein Jahr vor Einf�hrung des
Achtstundentages mindestens 21 Jahre alt und mindestens schon 3 Jahre in
unserem Betriebe t�tig, also ordentlich eingearbeitet waren, die zur
Zeit des Wechsels also schon mindestens 22 Jahre alt und mindestens 4
Jahre t�tig waren.

Wir haben weiter nach derselben mechanischen Norm alle ausgeschieden,
die etwa im Laufe der beiden Jahre die Werkstattsabteilung gewechselt
haben, die zu anderer Arbeit �bergegangen sind; weiter alle, die mehr
als 300 Stunden im ganzen Jahr vers�umt hatten infolge von Krankheit
oder aus anderen Gr�nden, weil hier sofort die Vermutung besteht, da�
denen nicht nur die Zeit der Krankheit entgangen ist, sondern da� deren
Arbeitsf�higkeit auch eine Zeit vor- oder nachher bedeutend
heruntergedr�ckt war. Ferner sind alle ausgeschieden, die nicht
mindestens die H�lfte der ganzen Zeit im St�cklohn gearbeitet haben,
weil bei solchen, die nicht _vorwiegend_ im St�cklohn arbeiten, dann die
M�glichkeit nicht auszuschlie�en ist, da� sie wechselnde Arbeiten,
Arbeiten verschiedener Art, die nicht vergleichbar sind, gemacht haben.

Nach diesem rein mechanischen Aussieben sind etwa 250 Leute �brig
geblieben; von diesen sind noch gegen 20 ausgeschieden worden auf Grund
besonderer Umst�nde, z. B. Leute, die kr�nklich gewesen sind, usw. Unser
Herr Dr. PETRENZ, der diese Zusammenstellungen gepr�ft hat, hat aber
au�erdem nicht unterlassen, eine besondere Untersuchung dar�ber
anzustellen, welchen Einflu� dieses nach einem gewissen willk�rlichen
Ermessen erfolgte Ausscheiden auf das Endresultat gehabt hat, indem er
feststellte, da� diese 20 Personen, f�r sich berechnet, eine Steigerung
des Arbeitsverdienstes nicht nur von 100:116,2, sondern von 100:120
gehabt haben w�rden. Damit ist erwiesen, da� es das Endresultat nicht
im Sinne der Steigerung, sondern im Sinne der Minderung ver�ndert hat.

Die Endziffer sagt also, da� sich der Stundenverdienst im Verh�ltnis von
100:116,2 erh�ht hat; das Verh�ltnis von 8:9 ist aber 100:112,5 Wenn der
Stundenverdienst im Verh�ltnis von 100:112,5 in die H�he gegangen w�re,
so h�tten die Leute in 8 Stunden genau _dasselbe_ verdient, wie fr�her
in 9 Stunden und auch dasselbe gemacht, da der Arbeitsverdienst zugleich
das Ma� der Arbeitsleistung ist, insofern die Akkords�tze dieselben
geblieben sind. Wenn nun das Verh�ltnis nicht 100:112,5, sondern
100:116,2 ist, also 3-3/10% mehr, so ist die Tagesleistung um 3-3/10%
gestiegen, das hei�t, es hat sich die Tagesleistung um 1/30 der fr�heren
Tagesleistung _erh�ht_. Es haben also im zweiten Jahre von diesen 233
Leuten je 30 dasselbe gemacht, was im Jahr vorher 31 gemacht haben, oder
jeder hat im zweiten Jahr die Arbeit von 10 Tagen mehr gemacht. Das ist
also kein ganz unbedeutender Unterschied.

Wir sind nun nicht bei dieser Feststellung stehen geblieben, die die
Gesamtheit dieser Akkordarbeiter in Bausch und Bogen umfa�t, sondern
haben mit den Herren unseres Personalbureaus �ber diese 233
�Versuchskarnickel� nach allen Richtungen hin diskutiert. Die beiden
wichtigsten Ergebnisse sind in beiden folgenden Aufstellungen:

a) Spezifikation nach Altersklassen,

b) Spezifikation nach Betriebsabteilungen,

zusammengestellt.

Es hat ein besonderes Interesse, zu ermitteln, ob denn diese Steigerung
der Leistung etwa wesentlich oder vorwiegend von j�ngeren Leuten
herr�hrt, ob m�glicherweise die �lteren gar keinen Anteil daran haben.
Die Antwort auf diese Frage ist in der ersten Tabelle gegeben, wo die
Leute nach Altersklassen klassifiziert sind. Diese Tabelle zeigt in den
letzten Ziffern kleine Unterschiede, aber in einem unregelm��igen Gang.

Die j�ngste Altersklasse hat allerdings die h�chste Ziffer, aber nur
eine sehr wenig h�here, als die h�chste Altersklasse; die Unterschiede
sind in maximo so klein, da� sie wohl kaum aus den Grenzen der
wahrscheinlichen Zufallsschwankung heraustreten. Auf keinen Fall ist ein
nennenswertes Zur�ckbleiben der �lteren Leute zu konstatieren. Damit ist
auch konstatiert, da� die j�ngeren, die Leute der ersten Klasse, das
Mittel nur ein ganz klein wenig �berschreiten, wie man es zum voraus
erwarten durfte. Wenn diese Ziffer etwas beeinflu�t sein sollte durch
den Umstand, da� doch die Leistungsf�higkeit der j�ngeren Klasse noch
etwas im Steigen ist, so wird das gewi� kompensiert dadurch, da� in der
letzten Altersklasse eine ganze Anzahl sind, deren Leistungsf�higkeit
f�r feinere Arbeiten schon etwas im Abnehmen ist.

Man kann aus dieser ersten Spezifikation sehen: der Erfolg trifft
gleichm��ig alte und junge Leute ohne einen merklichen Unterschied.

Die zweite Spezifikation scheidet die Leute nach der Art der Arbeit. Sie
zeigt, da� bei so ganz heterogenen Arbeiten, wie sie in unserem Betriebe
vorkommen, von ganz subtilen Arbeiten der Feinmechanik und Optik bis zur
handwerksm��igen T�tigkeit etwa der Tischler, Dreher und Fr�ser, �hnlich
den Arbeiten in Gewehrfabriken usw. -- da� trotz dieser gro�en
Verschiedenheit der technischen Arbeiten keine merklichen Differenzen
vorkommen, vielleicht 2-4%. Das sind kleine Ziffern, bei denen aber
immer zu ber�cksichtigen ist, da� sie der Durchschnitt aus einer relativ
kleinen Anzahl von Personen sind.

Das einzige, was man ersehen kann, ist, da� die h�heren Ziffern
vorwiegend die Arbeiten treffen, die gr�berer Art sind; die Gruppen 4, 7
und 11, die zum gr��ten Teil Maschinenarbeiter sind, zeigen die h�chste
Steigerung. Im Durchschnitt liegt die geringste Zunahme bei den
Feinarbeitern der Optik und Mechanik. Es ist nur eine einzige Gruppe von
20 Personen, also nicht ganz der zehnte Teil der Vergleichspersonen, in
welcher diese Durchschnittsleistung, die Steigerung von 100:112,5 nicht
erreicht ist. Diese ist, w�hrend das Mittel um 3-3/10% �berschritten
wurde, um ungef�hr 3% zur�ckgeblieben. Es ist wahrscheinlich, da� das
nicht zuf�llig ist, und da� hier wirklich mit der Verk�rzung der
Arbeitszeit das Optimum �berschritten gewesen ist. Was wir in bezug auf
diese Ausnahme zu sagen haben, ist: die Ausnahme best�tigt die Regel;
doch will ich das nicht weiter ausf�hren.

Welche Bedeutung ist nun schlie�lich dem Umstand beizulegen, da� die
Endziffer eine Steigerung des Tagewerks um 3-3/10 Proz. ergibt. Man wird
auf den ersten Blick geneigt sein, zu sagen, mit 1/30 ist nicht viel zu
argumentieren, das liegt doch sozusagen innerhalb der Grenzen der
Zufallsschwankung. Wie leicht kann die Arbeitsleistung eines Mannes um
10 Proz. variieren, wenn er sich in schlechter Lage befindet, wenn er
Familiensorgen hat, wenn irgendwelche Umst�nde einen Druck auf seine
Arbeitsleistung legen.

Das ist ganz richtig f�r den einzelnen Mann. Seit LAPLACE wei� man aber,
da� alle derartigen Schwankungen, die leicht in dem einen oder anderen
Sinne wirken k�nnen, um so vollst�ndiger sich eliminieren, je gr��er die
Zahl der einzelnen Personen wird, und vermindert werden in diesem Mittel
nach dem Verh�ltnis der Quadratwurzel aus der Zahl der einzelnen F�lle;
die Quadratwurzel aus 233 ist nun etwa 15. Alle solche Schwankungen
m�ssen bei 233 Beobachtungsf�llen, wenn sie bei einzelnen selbst 20
Proz. erreichen k�nnen, im Mittel auf den f�nfzehnten Teil reduziert
sein.

Eine Abweichung des Mittels um 3,3 Proz. gleicht in dem Verh�ltnis des
einzelnen einer Abweichung um 50 Proz., und es ist doch absolut
ausgeschlossen, da� aus solchen Ursachen, die in dem einen Jahr jemand
einmal treffen k�nnen, die Leistungsf�higkeit eines Mannes von einem zum
anderen Jahr um 50 Proz. schwanken k�nne, wenn auch Schwankungen von
10-20 Proz. m�glich sind.

Und so kann ich, ohne da� ich die Ziffern genau nachgerechnet habe[39],
mit einer Wahrscheinlichkeit von vielen Tausenden gegen Eins behaupten,
da� diese 3,3 Proz. nicht vom Zufall herr�hren, sondern von Ursachen,
die das ganze Jahr fortgewirkt, die alle 233 Personen gleichm��ig
ber�hrt haben, oder wenigstens den gr��ten Teil in ein und demselben
Sinne.

Ich habe mir nun sehr den Kopf dar�ber zerbrochen, was f�r Ursachen
dieser Art k�nnen mitgewirkt haben?

Eine ist von vornherein ausgeschlossen, n�mlich eine _Verschiedenheit im
Gesch�ftsgang_ der beiden Jahre; in der Inanspruchnahme der Werkst�tte
ist kein Unterschied gewesen. [Das ist von Bedeutung.] Denn sobald auf
die Arbeit nicht gewartet wird, hat das Einflu�, weil die Leute wissen,
es kann nicht alles, was sie machen k�nnten, gebraucht werden und
umgekehrt. In diesem Punkte sind die beiden Jahre so �bereinstimmend
gewesen, wie irgend m�glich: es ist in beiden Jahren auf die Arbeit
gewartet worden; jeder hat gewu�t, soviel er machen kann, das wird
gebraucht; und die kleinen Stockungen, die in gro�en Betrieben immer
unvermeidlich sind -- da� einmal eine Abteilung im R�ckstande ist und
eine andere warten mu� -- sind in beiden Jahren vorgekommen. Ich bin
zuletzt darauf gekommen, ob nicht das _Wetter_ in beiden Jahren
verschieden gewesen ist, weil es einen gro�en Unterschied macht, ob wir
einen kalten Winter oder hei�en Sommer haben, oder nicht, denn die
Temperaturextreme l�hmen die Arbeit sehr. Aber die meteorologischen
Tabellen zeigen, da� die beiden Jahre auch in bezug auf das Wetter
�bereinstimmen.

Es bleibt mir nichts weiter �brig als zu sagen, das, was diese
Abweichung von 1/30 des Tagesertrages herbeigef�hrt hat, ist eben die
�nderung der Arbeitszeit und was mit ihr konnex ist. Ich glaube, da� wir
in unserem Falle das mit Bestimmtheit sagen k�nnen, was in fr�heren
F�llen gelegentlich [als Vermutung] ausgesprochen ist, da� die
Verk�rzung der Arbeitszeit nicht nur keine Minderung, sondern da� sie
sogar eine _Steigerung_ des Arbeitsresultats herbeif�hren kann -- so
paradox das klingen mag.

Dieser bis jetzt beschriebene Nachweis betrifft ausschlie�lich solche
Leute, die im St�cklohn gearbeitet haben, f�r die im vornherein das
eigne Interesse als wirksam anzusehen ist, welches sie veranla�t,
m�glichst die Verk�rzung der Arbeitszeit auszugleichen, um keinen
Verdienstausfall zu haben. Es ist von Wert, da� wir noch eine zweite
Probe haben, die wir der Aufmerksamkeit verdanken, in der der
Maschinenmeister der Firma Carl Zeiss, Herr BRUNO KLEMM, seines Amtes
waltet, da� wir die M�glichkeit gewonnen haben, die �nderung des
Nutzeffektes unserer s�mtlichen Arbeitsmaschinen, die infolge der
Verk�rzung der Arbeitszeit eingetreten ist, ziffernm��ig feststellen zu
k�nnen.

Unsere etwa zusammen 650 Werkzeugmaschinen werden s�mtlich getrieben
durch Elektromotoren von einem einzigen Drehstromdynamo, dessen Strom
nicht etwa f�r Licht mit verbraucht wird. Dieser Drehstromdynamo
gestattet unter Ber�cksichtigung der Spannung zu ermitteln, was f�r
Stromverbrauch in jeder Stunde stattgefunden hat, und dar�ber hat Herr
Klemm genau Register gef�hrt von Stunde zu Stunde.

Dabei ist nun in Erw�gung zu ziehen, da� die Arbeitsleistung, die diesem
Stromverbrauch entspricht, sich aus 2 Teilen zusammensetzt; I. aus
derjenigen Arbeit, die geleistet werden mu�, wenn die s�mtlichen
Maschinen arbeitsbereit sind, aber nicht benutzt werden, wenn also alle
Transmissionen, Riemscheiben und Motoren laufen, aber die Arbeiter die
Maschinen noch nicht benutzen. Das ist der Zustand, wie er 1 oder 2
Minuten vor Beginn der Arbeitszeit besteht; dann l�uft der ganze
Betrieb, aber keine Maschine ist t�tig. Das ist der sogenannte Leergang.

In dem Moment, in welchem die Arbeiter an ihre Maschinen treten, kommt
der Kraftverbrauch hinzu, welchem die Arbeitsleistung der Maschine
entspricht. Das ist der eigentliche Nutzeffekt.

Die Schaltbrettablesungen ergeben zun�cht nur den Bruttoverbrauch an
Strom und zeigten, da� derselbe in den letzten 4 Wochen vor der �nderung
im Durchschnitt 49,2 Kilowattstunden gewesen ist; durch eine besondere
Feststellung ist ermittelt worden, da� um diese Zeit der Leergang der
Maschinen 26 Kilowattstunden, etwas �ber die H�lfte jener Ziffer,
beansprucht hat.

Man wei� also, da� der Nutzeffekt bei Benutzung s�mtlicher Maschinen im
Durchschnitt 23,2 Kilowattstunden, in dem gew�hnlichen Arbeitsma�,
gewesen ist. Demgegen�ber sind nun die Angaben gestellt, die sich auf
die nachfolgenden 4 Wochen beziehen, mit Ausscheidung der Osterwoche und
des 1. Mai, und die zeigen, da� dieser durchschnittliche Stromverbrauch,
pro Stunde gerechnet, von 49,2 auf 52 Kilowatt gestiegen ist. Wenn man
nachrechnet, was dabei der Stromverbrauch des Tages gewesen ist, so
kommen bei 9 Stunden f�r den Tag 443, bei 8 Stunden 416 Kilowatt heraus;
durch die Verk�rzung der Arbeitszeit ist demnach eine Arbeitsleistung
von 27 Kilowattstunden pro Tag gespart worden.

Wenn man diese Ziffern sieht, so sieht man sofort, da� etwas besonderes
vorliegt, denn die Arbeitsdauer ist ja im Verh�ltnis von 9:8 reduziert
worden. Es h�tte daher eine ganze Stunde, also 49 Kilowattstunden
erspart werden m�ssen, da wir doch die Maschinen eine ganze Stunde
weniger gebraucht haben. Es sind aber nur 27 erspart worden. Wo ist dann
das andere geblieben?

Der Umstand, da� die Ziffer 27 fast genau dem Stromverbrauch f�r
Leergang entspricht, hat sofort auf den richtigen Weg geleitet: es ist
erspart worden die Arbeitsleistung, die unsere Maschinen n�tig haben,
wenn man sie 1 Stunde _leer laufen l��t_, es ist aber nicht erspart
worden die Arbeitsleistung einer Stunde, wenn sie _arbeiten_. Daraus
folgt, da� also in den 8 Stunden, die sie in der zweiten Periode
gelaufen sind, die _Arbeitsleistung_ ungef�hr _dieselbe_ gewesen sein
mu�, wie in der vorangegangenen 9 Stunden-Periode.

Nun zeigt die Tabelle etwas n�her auch f�r die auf die �nderung
folgenden 4 Wochen das Mittel jeder Woche, und es ist ausgerechnet,
wieviel nach Abzug des Leergangs Arbeit auf den Nutzeffekt kommt. Die
letzte Zahl gibt dann das Verh�ltnis des Nutzeffektes zum Durchschnitt
der vorangehenden 4 Wochen.

Die Steigerung zeigt im Durchschnitt das Verh�ltnis 100:112 -- sonach
das Verh�ltnis, welches der Verk�rzung der Arbeitszeit entspricht.
Daraus kann man ersehen, es hat eine intensivere Benutzung der Maschinen
in bezug auf die ihnen entnommene Arbeitsleistung stattgefunden,
ungef�hr in dem Sinne einer vollst�ndigen Ausgleichung der Verk�rzung
der Arbeitszeit.

Wie das zustande gekommen ist, das ist leicht zu erkl�ren. Unsere
Maschinen sind zum gr��ten Teil nicht automatische, sondern Maschinen,
deren sich der Arbeiter bedient wie der Werkzeuge. Der Arbeiter hat an
der Hand, sie intensiver zu benutzen, zun�chst einmal dadurch, da� er
die Pausen verk�rzt, die zwischen den einzelnen Benutzungsakten liegen,
da� er sich etwas mehr anstrengt, z. B. beim Fr�sen kr�ftigere Sp�ne
nimmt usw.; er kann weiter auch beim Schleifen oder Polieren kr�ftigeren
Druck �ben, immer unter der Bedingung, da� er sehr viel aufmerksamer
arbeiten mu�. So erkl�rt es sich, wie es m�glich ist, bei einem gro�en
Teile unserer Maschinen die von ihnen zu leistende Arbeit in weiten
Grenzen zu steigern.

Die Steigerung scheint nun, da sie im Durchschnitt das Verh�ltnis
100:112 ergibt, ann�hernd der Ausgleichung des Zeitausfalls zu
entsprechen. Bei genauem Besehen zeigt sich jedoch, da� diese Ziffer f�r
alle diejenigen Maschinen, deren der Arbeiter sich wirklich bedient,
eine viel h�here Steigerung bedeutet. Es sind n�mlich eine Anzahl der
Maschinen automatische; der Arbeiter kann vielleicht dadurch mehr
leisten, da� er sie aufmerksamer beobachtet, da� er den Proze�, den sie
ausf�hren, achtsamer beaufsichtigt. Diese Steigerung r�hrt daher in
Wahrheit nur von einem Teile der Maschinen her, der andere Teil ist
unwirksam dabei gewesen. Und wenn man nun annimmt, da� auch nur ein
Viertel von diesen 650 Maschinen derart gewesen w�re, da� der Arbeiter
an ihnen nichts oder nur wenig mehr machen kann, so sieht man sofort,
da� bei drei Viertel aller Maschinen eine Intensit�tssteigerung von
100:116 herzuleiten ist.

Ich schlie�e aus diesen Erw�gungen, da� auch diese Ziffern beweisen, wir
haben die Verk�rzung der Arbeitszeit auch bei der Maschinenarbeit nicht
nur _ausgeglichen_, sondern tats�chlich die Arbeitsleistung _h�her
gebracht_.

Sehr bemerkenswert ist ein Blick auf die Ziffern von Arbeitswoche zu
Arbeitswoche. Die erste Woche zeigt eine ganz pl�tzliche Steigerung von
49,2 im Mittel auf 53,7; der Brutto-Stromverbrauch springt pl�tzlich um
4,5 Kilowatt, in der zweiten Woche ist ein starker R�ckgang, in der
dritten Woche erholt sich das wieder und in der vierten Woche ergibt
sich das Mittel. Es wird noch viel auff�lliger, wenn man die einzelnen
Tage vergleicht. Die Ziffer f�r die erste halbe Woche zeigt eine
Steigerung von 49,2 auf 55,7 Kilowattstunden, um beinahe 15 Proz. des
fr�heren Stromverbrauches, und im Verh�ltnis von 100:124; die n�chsten
Tage geht es zur�ck. Als ich diese Ziffer zuerst sah, bin ich
erschrocken bei dem Gedanken, was w�re passiert, wenn wir erst ein Jahr
sp�ter die Verk�rzung der Arbeitszeit eingef�hrt h�tten, dann w�re
uns[40] am ersten Tage der Drehstromdynamo entzwei gebrannt, also eine
ganz schwere Betriebsst�rung eingetreten, und niemand h�tte erraten
k�nnen, woher das r�hrt.

Ich rate keinem, unter �hnlichen Umst�nden bei starkem Betriebe, wenn
seine Motoren �berlastet sind, eine Verk�rzung der Arbeitszeit
einzuf�hren, sonst kann es ihm passieren, da� sie in die Luft fliegen.
Man sieht, die Leute mit Maschinenarbeit haben einen ganz kolossalen
Anlauf genommen, haben sich und ihre Maschinen auf das unglaublichste
strapaziert, sie haben eine gro�e Mehrsteigerung �ber die
Durchschnittszahl hinaus herbeigef�hrt. Aber das haben sie nicht lange
aushalten k�nnen, denn in der zweiten Woche ist ein starker R�ckgang
eingetreten, und erst in der dritten und vierten Woche hat sich das
wieder erholt und die Arbeit ist gleichm��ig geworden.

Man wird sagen, neue Besen kehren gut; aber ich habe dem hinzuzuf�gen,
der neue Besen hat nur in der ersten Woche gut gekehrt, in der zweiten
schlecht, und erst in der dritten und vierten Woche, als es kein neuer
Besen mehr war, kehrte er wieder normal.

Ich ziehe aus dieser Beobachtungsreihe den Schlu�, da� der Abfall in der
zweiten Woche die Reaktion des ungeb�hrlich starken Anlaufs gewesen ist,
da� die Leute mit au�erordentlichem Eifer versucht haben, ja keinen
Arbeitsausfall eintreten zu lassen.

       *       *       *       *       *

Die andere Frage: wie steht es denn mit der Wirkung der zweifellos
vorhandenen Steigerung der Intensit�t auf die Person -- hat sie eine
Mehrstrapaze herbeigef�hrt oder nicht -- ist ganz konnex mit derjenigen,
welche Triebfedern n�tig gewesen sind, diese Steigerung herbeizuf�hren,
ob bewu�ter Wille, ob das Sichantreiben, oder was sonst.

Die Antwort auf diese Frage l��t sich nat�rlich nicht ziffernm��ig
geben. Eine Wirkung der �beranstrengung k�nnte ja erst nach vielen
Jahren objektiv in die Erscheinung treten. Immerhin ist es m�glich
gewesen, auf Grund der subjektiven Wahrnehmung vieler Personen mit
Sicherheit festzustellen, da� eine besondere Anstrengung, abgesehen von
den ersten Tagen, _nicht_ stattgefunden hat, da� vielmehr die
Akkommodation an ein rascheres Tempo der Arbeit, die tats�chlich
stattgefunden haben mu�, bei Akkord- und Zeitlohnarbeitern sich nach
ganz kurzer Zeit gewohnheitsm��ig vollzogen hat.

Die Leute haben sich, wie mir ganz bestimmt gesagt worden ist, nach ganz
kurzer Zeit gew�hnt, etwas rascher zu arbeiten, und sich gar nicht mehr
anzutreiben brauchen, und viele sind wirklich, wie man zu sagen pflegt,
flei�iger geworden. Vielen ist das so unbewu�t geworden, da� sie mir
bestritten haben, da� sie mehr gearbeitet h�tten und ich es ihnen erst
beweisen mu�te.

Ich habe, um Auskunft zu erhalten, gleich nachdem einige Wochen nach
Einf�hrung der Verk�rzung der Arbeitszeit verlaufen waren, Gelegenheit
genommen, alle mir bekannten �lteren Leute, gelegentlich wenn ich sie
traf, ganz unauff�llig �ber die verschiedenen Fragen zu interpellieren:
nun was meinen Sie, was diese �nderung f�r einen Erfolg haben wird?
meinen Sie, da� Sie den Ausfall der Zeit nachholen, da� Sie dabei eine
Mehranstrengung haben, da� die Arbeit aufreibender wird? finden Sie, da�
Ihnen die letzte halbe Stunde jetzt schwerer wird, wie fr�her bei neun
Stunden?

Das Endresultat aus allen diesen Antworten ist, da� keiner auch nur
gesagt hat, da� die letzte Stunde ihm schwerer falle, au�er im Hinblick
auf die ersten Tage. Alle haben gesagt, nach einiger Zeit sei ihnen die
Arbeit in der letzten Stunde auch nicht schwerer gefallen, nur da� sie
nat�rlich nicht so frisch wie am Morgen seien; aber es sei immer noch
ertr�glich. Viele sagten direkt, sie h�tten gar nicht n�tig gehabt, sich
zusammenzunehmen; es w�re ganz von selbst gegangen. Die meisten meinten,
in den ersten Tagen h�tten sie sich zusammennehmen m�ssen, dann aber
seien sie das gewohnt geworden; sie brauchten gar nicht mehr daran zu
denken.

Sehr charakteristisch waren einige �u�erungen von Akkordarbeitern, die
noch nicht Gelegenheit gehabt hatten, aus ihren Lohnb�chern den Effekt
zu sehen; sie sagten: Ja, in den ersten Tagen haben wir uns sehr bem�ht
mehr zu leisten, wir haben uns au�erordentlich angestrengt, wir haben
uns den ganzen Tag angetrieben, wir haben sicher in der ersten Zeit viel
mehr gemacht, wir werden in dieser Zeit in 8 Stunden dasselbe geleistet
haben, als fr�her in 9 Stunden; aber das haben wir nicht aushalten
k�nnen, das kann auf die Dauer niemand aushalten, das hat uns die ganze
Arbeit verekelt; dann haben wir das sein lassen und arbeiten nun so
flei�ig wie fr�her, flei�iger k�nnen wir nicht. Wenn wir jetzt nur 8
Stunden arbeiten, dann k�nnen wir eben nur weniger liefern, und am Ende
des Jahres mu� das die Firma merken; wenn andere meinen, sie k�nnten das
ausgleichen, dann t�uschen sie sich. Es waren das also Leute, die direkt
sagten, sie betrachteten den ganzen Versuch, in der k�rzeren Zeit
dasselbe zu leisten, als mi�lungen, weil sie an sich bemerkt h�tten, da�
sie das nicht lange aushalten k�nnten.

Diese �u�erungen hatten mich stutzig gemacht, ich war etwas verbl�fft;
in der Aufstellung �ber den Nutzeffekt der Maschinen haben wir nun den
Schl�ssel zum Verst�ndnis dieser �u�erungen. In der Tat haben sich die
Leute zuerst ganz gewaltig angetrieben und sind �ber das Ziel
_hinausgeschossen_. Das haben sie nicht dauernd fortsetzen k�nnen, sie
haben an sich gemerkt, da� sie nachlassen m��ten. Sie lie�en nach ihrer
Meinung nach in dem Bem�hen, das Ziel zu _erreichen_, w�hrend sie in dem
Bem�hen nachgelassen haben, das n�mliche Ziel zu _�berschie�en_.

Einer sagte mir, dieses Antreiben hat uns die ganze Arbeit �verekelt�;
die Schaltbrettablesung zeigt diese �verekelte� Woche. Alles das weist
darauf hin, da� vielen Leuten die tats�chlich dauernd hergestellte
Beschleunigung des Arbeitstempos so unbewu�t geblieben ist, da� sie
�berhaupt nicht daran geglaubt haben, da� sie meinten, sie arbeiteten
genau so wie fr�her.

Diese Wahrnehmung, da� diese Anpassung sich automatisch vollzieht,
unbewu�t, ohne Willen des einzelnen, findet eine ganz eklatante
Best�tigung in einer anderen Wahrnehmung und namentlich noch in einer
Tatsache, die die Beobachtungen in England ergeben haben.

Schon seit l�ngerer Zeit hat sich gerade bei den Einsichtigeren aus dem
Kreise unserer Werkmeister die Meinung eingeb�rgert, da�, wenn
zeitweilig die Arbeit dr�ngte und �berstunden eingelegt, die 9 Stunden
zeitweilig auf 10 verl�ngert wurden, man nur ganz kurze Zeit einen
Erfolg habe -- vielleicht 14 Tage, nicht l�nger; dar�ber hinaus fleckt
es nicht mehr, obwohl die Leute diese �berstunden mit 25 Proz. [Zuschu�]
bezahlt bekommen. Nach kurzer Zeit werden die Leute verdrossen und
borstig und machen den Werkmeistern das Leben noch schwerer, als sie es
sonst schon zu tun gewohnt sind.

Ich habe an der Richtigkeit dieser Meinung gezweifelt und mich einmal
verleiten lassen, selbst einen Versuch zu machen, und bin kl�glich
abgefallen. Ich habe den Versuch gemacht, wo die Leute mir direkt den
Gefallen tun wollten, und es mir versprochen hatten, denn es w�re ihnen
sehr erw�nscht, wenn sie vor Weihnachten -- es war im November -- noch
eine kleine Extraeinnahme h�tten. Jedoch schon nach einer Woche ging die
Leistung zur�ck, in der dritten und vierten Woche war sie faktisch Null
geworden.

Es ist also nicht m�glich, selbst bei gutem Willen und Sichantreiben,
l�nger als eine kurze Zeit die Arbeitsleistung �ber das Tagewerk hinaus
zu steigern.

Ich freue mich, dasselbe konstatiert zu sehen in dem amtlichen Bericht
des Gewerbeaufsichtsbeamten der Provinz Brandenburg f�r 1900. Nach
Angabe eines Fabrikanten hat dieser die Erfahrung gemacht, da�, wenn man
versucht hat, zeitweilig wegen dringender Arbeit die Leute wieder einmal
9 Stunden arbeiten zu lassen, das nur etwa 14 Tage lang Erfolg habe;
dann gehe die Leistung nach und nach zur�ck. Das sind dieselben 14 Tage,
die wir beobachtet haben.

Ich schlie�e daraus, welche Bedeutung guter Wille und das Sichantreiben
haben: wenn guter Wille und Motive des eigenen Interesses nicht _f�hig_
sind, bei der Verl�ngerung der t�glichen Arbeitsdauer auf l�ngere Zeit
hin eine Mehrleistung zu erzielen, so ist guter Wille auch nicht
_erforderlich_, um bei Verk�rzung der Arbeitszeit eine Minderleistung zu
verhindern. Wenn sie wirklich verhindert wird, so ist das nicht durch
guten Willen und nicht durch solche Antriebe, wie sie beispielsweise in
der Akkordarbeit gegeben sind.

Das wird nun noch best�tigt durch eine besondere Erfahrung, die man in
England gemacht hat, n�mlich in den Regierungswerkst�tten im
Woolwich-Arsenal. Die Leute arbeiten dort nur in Zeitlohn, und die
Erfahrung hat gezeigt, da� die Verk�rzung der Arbeitszeit von neun auf
acht Stunden keinen Arbeitsausfall gebracht hat, sie leisten dasselbe
Ma� von Arbeit wie fr�her auch nachher.

Nun mu� man daran denken, da� diese Leute in England, die gehobenen
Arbeitsgebieten, wie Maschinenbau, Schiffsbau, Metallbearbeitung,
angeh�ren, alle unter der Direktion der Trade-Unions und ganz in deren
Ideenkreis stehen, und da� zu diesem Ideenkreis vor 10 Jahren ganz
vorwiegend der Gedanke geh�rte, Verk�rzung der Arbeitszeit mu� _Platz
schaffen f�r Arbeitslose_, mu� die Reservearmee vermindern, mu� den
Unternehmer zwingen, f�r dieselbe Arbeit mehr Leute einzustellen. Die
Leute in diesen Branchen haben nun zum voraus nicht eine besondere
Ambition gehabt, dem englischen Staatsfiskus durch vermehrte Arbeit
diese Stunde wieder zur�ckzugeben, sie haben keinen positiven Antrieb
gehabt, und sie haben es ganz sicher als gegen ihr Standesinteresse
angesehen, wenn sie auch nur den Versuch machen wollten, durch
intensivere Arbeit etwas nachzuholen. Dennoch ist der Fall eingetreten,
da� sie nolens volens flei�iger geworden sind.

Ich betrachte damit die Frage als endg�ltig erledigt, da� es gar keiner
Motive bedarf, gar keines guten Willens, keiner Motive des Interesses,
um diese Anpassung der Arbeitsgeschwindigkeit an die Arbeitszeit
herbeizuf�hren, da� sie sich vielmehr automatisch herstellt, sogar da,
wo gewisserma�en ein b�ser Wille anzunehmen ist.

Wie ist das nun zu erkl�ren, da� eine solche automatische Anpassung
unbewu�t zustande kommt? Wie diese scheinbar paradoxe Tatsache
verst�ndlich zu machen ist, die bei uns zutage getreten ist und sogar
eine Steigerung des Tagewerks veranla�t hat, das mu� ich auf den
n�chsten Vortrag verschieben.




2. Vortrag.


Geehrte Versammlung!

In dem Vortrage, den ich vor ungef�hr 4 Wochen in Ihrem Kreise gehalten
habe, habe ich zun�chst berichtet �ber die Erfahrungen, die in der
hiesigen Optischen Werkst�tte bei Einf�hrung der Verk�rzung der
Arbeitszeit von bis dahin 9 auf 8 Stunden gewonnen worden sind, und ich
habe diese Erfahrungen, die sich innerhalb meines eigenen
Beobachtungsgebietes ergeben haben, zu verkn�pfen versucht mit dem
gr��eren Ma�stabe der zahlreicheren Erfahrungen, die namentlich in
England gewonnen worden sind in R�cksicht auf die Leistung der Arbeiter.

Ich bin dabei auf Grund des rein tats�chlichen Materials zu bestimmten
Feststellungen gelangt, die ich hier kurz wiederhole.

Sie bestanden darin:

Erstens, auf allen Arbeitsgebieten, die in dieser gro�en
Beobachtungsreihe Gegenstand der Beobachtung geworden waren, hat die
Verk�rzung der t�glichen Arbeitszeit keine _Herabsetzung_ der
Tagesleistung, in sehr vielen F�llen deutliche Anzeichen der
_Steigerung_ der Tagesleistung zur Folge gehabt -- wie es auch bei uns
der Fall war. Ich konnte auf Grund mehrerer von einander unabh�ngigen
Feststellungen konstatieren, da� in unserem Betriebe in dem letzten
Jahre bei achtst�ndiger Arbeitszeit 30 Leute soviel fertig gebracht
hatten, wie in dem vorangegangenen Jahre bei neunst�ndiger Arbeitszeit
ihrer 31.

Es war weiter festgestellt, da� dieses selbe Resultat, also das
Konstantbleiben bezw. Steigen des Tagewerks, eingetreten ist bei den
allerverschiedenartigsten Arbeiten, nicht nur in dem Spielraum der
Verschiedenheit, wie er in unserem Betriebe gegeben ist, der im
wesentlichen doch feinere Arbeiten umfa�t, sondern auch auf
Arbeitsgebieten g�nzlich anderer Art. Ich konnte aussprechen, da� das
gleiche Resultat in Schneiderwerkst�tten, auf der anderen Seite in
Kanonenschmieden, bei Feinoptikern und bei Kohlenh�uern -- auf
Arbeitsgebieten g�nzlich heterogener Art nach rein tats�chlichen
Feststellungen eingetreten ist, und da� der Eintritt dieses Erfolges
g�nzlich unabh�ngig sei -- und darauf habe ich besonders Wert gelegt --
von der Frage, ob die beteiligten Personen mit ihrem _Willen_ darauf
hinwirken, einen Arbeitsausfall bei verk�rzter Arbeitszeit zu
verhindern, oder ob sie diesen Willen nicht, ob sie gar kein Interesse
daran haben.

Ich konnte darauf hinweisen, da� trotz guten Willens und trotz deutlich
erkennbaren Interesses bei einer Verl�ngerung der Arbeitszeit eine
Steigerung der Arbeitsleistung _nur ganz vor�bergehend_ eintritt, und
nach ganz kurzer Zeit die Leistung in der verl�ngerten Arbeitszeit nur
noch derjenigen in der k�rzeren Zeit entspricht. Ich konnte konstatieren
auf der anderen Seite, da�, wo die Leute gar kein Interesse daran gehabt
haben, bei verk�rzter Arbeitszeit dasselbe zu leisten, wo sie im
Gegenteil ein gewisses Interesse gehabt haben, das zu verhindern,
dennoch derselbe Erfolg eingetreten ist, da� keine Minderung
stattgefunden hat.

Ich habe auf die letztere Feststellung ganz besonders Wert gelegt, weil
ich aus ihr den Schlu� zu ziehen f�r berechtigt halte, da� diese
Anpassung der Intensit�t der Arbeit an die Dauer -- in der Art, da� der
k�rzeren Arbeitsdauer eine gesteigerte und der l�ngeren eine verminderte
Intensit�t entspricht -- sich vollzieht den einzelnen vollkommen
unbewu�t, automatisch sozusagen, und zwar so unbewu�t, wie die
Beobachtungen in meinem Erfahrungskreis ergeben haben, da� viele, da�
die meisten gar keine Ahnung davon gehabt haben, im Gegenteil gar nicht
daran geglaubt haben, und erst nachtr�glich dar�ber belehrt werden
mu�ten, da� sie intensiver gearbeitet haben.

Ich habe damals -- in diesem fr�heren Vortrage -- erkl�rt, da� ich auch
in der Lage zu sein glaube, von diesen scheinbar befremdlichen, in
manchen Punkten sogar paradoxen Beobachtungen die _Erkl�rung_ zu geben,
und dazu will ich nun heute �bergehen, wobei ich glaube, da� es sich
nicht nur um ein theoretisches Interesse handelt, eine merkw�rdige
typische Erscheinung auf ihre Ursachen zur�ckf�hren zu k�nnen, sondern
um einen Vorgang auch von einem praktischen Wert, weil, wenn man die
Bedingungen des Eintretens irgend einer bestimmten Wirkung erfassen
kann, man die Unterlagen gewinnt zu sicheren Schlu�folgerungen f�r die
Fortsetzung der Erfahrung.

Solange man nur auf blo�e Tatsachenfeststellungen angewiesen ist, ist
jede Fortsetzung der Schl�sse �ber das Unmittelbare hinaus Sache der
rein mechanischen Induktion. Wenn man in 99 F�llen nicht wei�, worauf
etwas beruht, untersteht man der Unsicherheit, ob nicht im hundertsten
Falle andere Bedingungen eintreten. Wenn man aber die Unterlagen
gewonnen hat, um die Bedingungen nachzuweisen -- sei es, wenn nicht in
99, auch nur in 3 oder 4 F�llen -- von denen ein bestimmter Erfolg
abh�ngig ist, so hat man in der Erkenntnis eine viel sicherere Basis,
um �ber das unmittelbare Beobachtungsgebiet hinaus sagen zu k�nnen: in
dem Falle wird ein �hnlicher Erfolg eintreten, in dem Falle wird er
nicht eintreten.

Meine Erkl�rung des so vorher kurz in der Zusammenfassung meiner
fr�heren Mitteilungen gegebenen Beobachtungsresultates geht nun aus von
einer ganz einfachen Erw�gung. Ich sage: das Charakteristische dieser
Wahrnehmungen besteht darin, da� sie ein durchaus �bereinstimmendes
Verhalten bekunden von Leuten g�nzlich verschiedener Besch�ftigungsart,
so verschieden, wie eben Grobschmied und Schneider, Feinoptiker und
Kohlenh�uer, und ein ganz �bereinstimmendes Verhalten von Leuten ganz
verschiedener Nationalit�t, ganz verschiedener Lebensweise, ganz
verschiedenen Lebensgewohnheiten. Auf der einen Seite die englischen
Arbeiter in den Maschinenfabriken und Kohlenbergwerken von
Northumberland und Durham, auf der anderen Seite unsere th�ringischen
Industriearbeiter und die anderen Gruppen von Arbeitern, in bezug auf
welche �hnliche Beobachtungen schon in Deutschland gemacht worden sind.
Ich sage, was sich zeigt als vollkommen �bereinstimmende Reaktion bei so
ganz verschiedenen Leuten hinsichtlich derselben Einwirkung, n�mlich
Verk�rzung der t�glichen Arbeitszeit, das kann seinen Grund nur haben in
_Ursachen_, die _allen gemeinsam sind_, die _auf alle in derselben Art
wirken_; und da bleiben nur �brig nach der objektiven Seite hin, n�mlich
unter dem Gesichtspunkte der Verschiedenheit der Bet�tigung der
Personen, solche Ursachen, die _aller industriellen Arbeit_, so wie sie
sich jetzt gestaltet hat, in _gleicher Art zukommen_, und nach der
subjektiven Seite hin, insoweit die Person dabei beteiligt ist, k�nnen
nur solche Ursachen betrachtet werden, denen _alle Menschen �berhaupt
unterliegen_, d. h. _also gewisse allgemeine Bedingungen im menschlichen
Organismus_.

So bin ich denn am Leitfaden dieser allgemeinen Erw�gungen zur
Fragestellung gekommen:

1. Was ist gemeinsam in Hinsicht auf die Bet�tigung der Personen auf so
ganz heterogenen Arbeitsgebieten?

2. Was ist in Hinsicht auf die zu betrachtende Wirkung allen Menschen
gemeinsam, die den gew�hnlichen Bedingungen, die der menschliche
Organismus bietet, unterliegen?

Hinsichtlich des ersten: was ist das Gemeinsame so verschiedener
Bet�tigung der Personen? ist es nun in der Tat m�glich, etwas
nachzuweisen, was alle verkn�pft. Das ist ein gemeinsames Merkmal all
der Arbeitst�tigkeit, die man jetzt bezeichnet als _industrielle
Arbeit_, im bewu�ten Gegensatz zu der Arbeitsbet�tigung z. B. in der
Landwirtschaft oder Forstwirtschaft, im Gegensatz weiter zur
Arbeitsbet�tigung im alten Handwerk, im Handwerk alten Stils -- nicht
etwa was man jetzt Kleingewerbe nennt, n�mlich die Wirkungen, welche die
_Arbeitsteilung_ herbeigef�hrt hat.

Alles, was unsere industrielle Arbeit von anderen Arbeitsgebieten
unterscheidet, ist charakterisiert durch ein ganz durchgehendes Merkmal,
welches mit dem Stichwort �Wirkungen der Arbeitsteilung� zu bezeichnen
ist. N�mlich 1. die fortdauernd t�glich ganz gleichm��ig quantitativ und
qualitativ sich _wiederholende_ T�tigkeit, die immer sich wiederholende
_Einseitigkeit_, mit der sie ge�bt wird, die Tag f�r Tag dieselbe Art
von Anstrengung bringt, dieselben Muskelpartien erm�det, dieselbe Art
von K�rperhaltung aufn�tigt, dieselbe Gruppe von T�tigkeiten, von
Einzelaktionen aufzwingt, im Gegensatz zu der Mannigfaltigkeit der
Besch�ftigung, wie sie fr�her, in der alten Zeit, das Handwerk bot, wo
der Handwerksgeselle aus dem Rohprodukt heraus, um das fertige Erzeugnis
herzustellen, die allerheterogensten Dinge zu betreiben hatte, auch im
Gegensatz zu der Bet�tigung in der Landwirtschaft, wo viel vom Wetter
abh�ngt, und der eine Tag diese, der andere Tag eine ganz andere
T�tigkeit auferlegt.

Ich sage, diese Arbeitsteilung, die Voraussetzung geworden ist f�r alle
technischen Fortschritte im Laufe der letzten Jahrzehnte -- wenn man
auch ihre Wirkungen in vielen Punkten beklagen mag, die aber nicht mehr
zu redressieren ist -- dr�ckt der industriellen Arbeit ihren ganz
bestimmten Stempel auf in der _Gleichf�rmigkeit der Inanspruchnahme_ der
Menschen. Mit dieser Gleichf�rmigkeit und fortgesetzt �bereinstimmenden
Einf�rmigkeit ist nun gegeben die fortgesetzte Erm�dung immer derselben
Organe, derselben Muskelgruppen, derselben Nervenzentren, derselben
Gehirnpartien, weil alle Verrichtungen, m�gen sie in Muskel- oder
Sinnesarbeit bestehen, immer in derselben Weise von Fr�h bis Abend, Tag
f�r Tag, jede Woche, sich wiederholen.

Ich sage, das ist das Gemeinsame, was so verschiedene Arbeitsgebiete
�bereinstimmend charakterisiert -- unter dem Gesichtspunkte
�bereinstimmend, ob N�hnadel oder Schmiedehammer, wenn nur der Schmied
nicht schneidern will und umgekehrt, wenn nur jeder die ihm gewohnte
Arbeit verrichtet, f�r die er ge�bt ist, da� es in beiden F�llen die
Inanspruchnahme derselben Organe und derselben Sinne ist.

Das zweite, das Gemeinsame was �bergreift �ber die Verschiedenartigkeit
der Nationalit�t, was also zum Ausdruck kommt in der �bereinstimmung des
Erfolges bei Th�ringer Arbeitern und bei Englischen Arbeitern, kann nun
nichts anderes sein, als irgend ein gemeinsamer Grund, der im
menschlichen Organismus bedingt ist im Hinblick auf die Wirkungsweise
gleichartiger, Tag f�r Tag sich wiederholender, erm�dender
Besch�ftigung. Und da ist es denn nun sehr leicht, wenn man das beides
kombiniert, den Gesichtspunkt zu finden f�r die Erkl�rung, die ich,
glaube den vorher charakterisierten Beobachtungen geben zu k�nnen.

Wenn durch eine t�glich sich wiederholende T�tigkeit, die in denselben
Bahnen, in denselben Formen sich wiederholt, am Ende des Tages jeder,
der daran teil nimmt, sich erm�det hat, so kann diese T�tigkeit nicht
mehr Tag f�r Tag fortgesetzt werden, au�er wenn bis zum Morgen des
folgenden Tages, durchschnittlich Tag f�r Tag, diese Erm�dung vollkommen
durch die bis zum Wiederbeginn am n�chsten Tage dazwischen liegende
Ruhezeit und durch die Wirkung der Ern�hrung _ausgeglichen_ ist. Wenn
man annehmen wollte, da� zwischen der Erm�dung durch die Arbeit und der
Ausgleichung derselben, der Erholung bis zum n�chsten Tage, das
geringste Defizit bliebe, das f�r den einzelnen Tag gar nicht bemerkbar
sei, aber sich t�glich wiederholt, so m��te die Konsequenz notwendig
sein, da� die betreffende Person nach einem k�rzeren oder l�ngeren
Zeitraum physisch herunterkommt. Es ist dasselbe, als wenn jemand
t�glich Geld ausgibt, wenn auch nur wenig mehr als er einnimmt, aber
wenn das dauernd so fortgeht, so vermehrt sich sein Verlust und er mu�
bankerott werden.

Ich kann also sagen: es mu� f�r alle Arbeiter, die unter diesen
Bedingungen stehen, t�gliche Wiederholung eines bestimmten
Kr�fteverbrauches und t�glicher Ersatz durch Ruhe und Ern�hrung, dem
Durchschnitt nach Tag f�r Tag ein vollst�ndiges _Gleichgewicht_
hergestellt werden. Die Erm�dung oder der Kr�fteverbrauch mu� im
Durchschnitt Tag f�r Tag vollkommen Ausgleichung finden durch den
Kr�fteersatz oder die Erholung, in der Ruhe und Ern�hrung, weil das
geringste Defizit sich fortw�hrend summieren und schlie�lich zerst�rend
wirken m��te.

Es w�rde auf Grund einer solchen Erw�gung m�glich sein, zu
Schlu�folgerungen zu kommen, auch wenn man in Hinsicht auf die dabei
gebrauchten Begriffe -- Kr�fteverbrauch oder Erm�dung und Kr�fteersatz
oder Erholung -- stehen bleiben m��te bei den popul�ren Vorstellungen,
die im wesentlichen an subjektive Empfindungen appellieren, was Erm�dung
oder Erholung sei. F�r die weitere Pr�fung meiner Schlu�folgerungen ist
es aber nicht ohne Bedeutung, da� ich hinzuf�gen kann: diese scheinbar
vagen Begriffe entsprechen nachweisbar gewissen ganz bestimmten
quantitativen Ver�nderungen im k�rperlichen Organismus, die unmittelbar
durch Gr��en-Bestimmungen zu fassen sind.

Es ist n�mlich ein feststehendes Ergebnis der physiologischen Forschung,
da� alles, was wir Erm�dung nennen, in letzter Instanz ist eine �nderung
der stofflichen Zusammensetzung in den letzten Elementen des Menschen,
eine St�rung im Wesen des Protoplasma der Zelle, da� alle Erm�dung
infolge der Arbeitst�tigkeit der Organe ihren Grund hat in einem
Verbrauch an bestimmten Stoffen, deren Vorhandensein unentbehrlich ist
f�r die normale Funktion der Organe, und zum anderen Teile besteht in
der Anh�ufung von Stoffen in den Elementen des Organismus, die st�rend
wirken f�r die normale Fortsetzung der Funktionen, die wie Gift wirken.
Alle akuten Erm�dungserscheinungen, wie sie gelegentlich vorkommen, sind
notorisch Vergiftungserscheinungen.

Wir haben also in dem, was wir Erm�dung nennen, eine Summe von
stofflichen Ver�nderungen, die teilweise besteht in dem Eintreten eines
Defizits an Stoffen, die notwendig f�r die Erhaltung der normalen
Funktionen sind, andererseits besteht in einem �berschusse von Stoffen,
die nachteilig sind.

Diese Erm�dung, die sich durch die Stoffver�nderungen ergibt, trifft in
erster Reihe und zun�chst diejenigen Organe, die der Erm�dung
unmittelbar ausgesetzt sind, also bei schwerer Muskelarbeit die Muskeln,
bei intensiver Nervenarbeit, bei angespannter Aufmerksamkeit, in erster
Reihe die Zusammensetzung der Nerven, vielleicht die Gehirnpartien, die
Organe, die in erster Reihe die T�tigkeit vermitteln. Durch die Wirkung
des Blutkreislaufes wird aber die spezifische Erm�dung immer ausgedehnt
auf den ganzen K�rper, so da� eine Erm�dung durch geistige T�tigkeit
zugleich eine Erm�dung des K�rpers bez�glich der Muskelt�tigkeit
involviert und umgekehrt. Es wird also der �berschu� an sch�dlichen
Bestandteilen allm�hlich auf den ganzen K�rper verteilt und gibt eine
allgemeine Erm�dung.

Ich f�hre das hier blo� zu dem Zwecke an, um erkennbar zu machen, da�
meine weiteren Deduktionen eine feste Basis haben, da�, wenn ich also im
Sinne der vorhin vorangestellten Betrachtungen sage, die Erhaltung des
menschlichen Organismus erfordert, da� Tag f�r Tag der durch die
T�tigkeit bedingte Kr�fteverbrauch ausgeglichen wird durch einen
entsprechenden Kr�fteersatz, durch Ruhe und Ern�hrung, oder wenn ich
sage, es mu� die Erholung der Erm�dung gleich sein, ich dabei mit realen
Begriffen argumentiere.

Nun scheint die Berufung auf eine solche Forderung der Gleichheit
zwischen dem t�glichen Durchschnitt von Kr�fteverbrauch und Kr�fteersatz
eine sehr triviale Sache zu sein; es gewinnt aber dieser Satz die
Bedeutung einer Grundlage f�r weitere wichtige Schlu�folgerungen, sowie
man daran geht sich klar zu machen, von welchen Umst�nden h�ngt denn auf
der anderen Seite das ab, was ich Kr�fteverbrauch oder Erm�dung und
Kr�fteersatz oder Erholung nenne.

Da ist denn nun bei leichter �berlegung sofort zu sagen -- was ich Ihnen
als Hauptargument hier vorf�hre -- da� wir in dem, was bei der t�glich
wiederkehrenden Arbeit eines Mannes die Erm�dung begr�ndet, _drei
deutlich unterschiedene Teile_ haben, die additiv sich zusammensetzen.

Der eine Teil ist bestimmt lediglich durch die _Gr��e des t�glichen
Arbeitsproduktes_, und zwar unabh�ngig von der Zeit, in welcher es
geleistet wird. Z. B. wenn ein Mann an einer Drehbank, und zwar ein
Mann, der eine bestimmte Fertigkeit besitzt, etwa 50 gleiche Drehst�cke
herzustellen hat, so geh�rt f�r ihn dazu eine bestimmte Anzahl
aufeinanderfolgender Handgriffe und eine bestimmte Zahl von
Sinneswahrnehmungen f�r die Kontrolle seiner Arbeit, eine ganz bestimmte
Anzahl von Willensimpulsen, die er braucht, um seine Arbeit zu leisten;
und wenn er statt 50 100 St�ck hergestellt hat, so hat er alle diese
einzelnen Akte in doppelter Zahl n�tig gehabt, ganz unabh�ngig davon, ob
er 5, 6 oder 10 Stunden gebraucht hat.

Es ist in der Gr��e des Arbeitsproduktes ein Ma�stab gegeben f�r die
_Gr��e des Kr�fteverbrauchs_. F�r verschiedene Personen ist das
verschieden. Wer gr��ere Erfahrung, gr��ere Fertigkeit hat, wer mit
gr��erer Umsicht und Zweckm��igkeit zu arbeiten gelernt hat, wei� es
fertig zu bringen, da� er mit viel geringerem Kr�fteverbrauch dasselbe
macht wie ein anderer, mit _einem_ Blick das �bersieht, wozu ein
anderer _drei_ Blicke n�tig hat; doch ist unter denen, die unter
denselben Bedingungen arbeiten, jedenfalls ein Teil, dessen
Kr�fteverbrauch in der t�glichen Arbeitszeit pure proportional ist der
Gr��e seines Arbeitsproduktes.

Ein zweiter Teil ist abh�ngig von der _Geschwindigkeit_, mit der die
Arbeit geleistet wird. Im allgemeinen wird anzunehmen sein, da�, wenn
dieselbe Leistung in k�rzerer Zeit erfolgen soll, das Tempo beschleunigt
werden mu�, das eine gr��ere Anstrengung bedeuten wird. Es ist aber
gleich in bezug hierauf zu sehen, nach Anleitung naheliegender
Erfahrungen, die jeder an sich selbst machen kann, da� dieser Teil des
Kr�fteverbrauchs, der von der Geschwindigkeit der Arbeitsleistung
abh�ngt, der also steigt, wenn man verlangt, da� schneller gearbeitet
wird, da� dieser in weiten Grenzen konstant bleibt und erst beim
Erreichen einer sehr _gro�en Geschwindigkeit_ merklich in Betracht
kommt. Es braucht sich nur jemand zu �berlegen, da�, wenn er etwa einen
bestimmten Weg, sagen wir von 4 km, einmal langsamer und einmal
schneller geht, die Verschiedenheit der Kraftanstrengung unmerklich,
n�mlich so lange dieselbe ist, als er nicht etwa zum Laufschritt
�berzugehen hat. Dasselbe, glaube ich sagen zu k�nnen, tritt auch f�r
alle technischen Arbeiten ein, solange noch die Verschiedenheiten der
Geschwindigkeit in den Grenzen liegen, in denen gewohnheitsm��ig
gearbeitet werden kann -- _etwas_ rascher oder langsamer -- und es ist
nicht anzunehmen, da� �etwas rascher� einen besonderen Kr�fteverbrauch
bedeutet. Etwas anderes ist es aber, wenn die Beschleunigung, die
Forderung, in der k�rzeren Zeit dasselbe zu leisten, n�tigt, sich
anzutreiben, etwa die Operationen unter fortw�hrenden Willensimpulsen
aufeinanderfolgen zu lassen; dann ist allerdings anzunehmen, da� die
Beschleunigung des Arbeitstempos eine _bedeutende_ Steigerung des
Kr�fteverbrauchs herbeif�hren w�rde.

So haben wir zun�chst in dem, was ich Kr�fteverbrauch oder Erm�dung
nenne, zwei deutlich verschiedene Teile, einen, der nur abh�ngig ist von
der Gr��e des t�glichen Arbeitsprodukts -- den andern, der daneben nun
noch abh�ngig ist von der Geschwindigkeit, von dem Tempo, in welchem es
zu leisten ist. Dieser zweite Teil ist im allgemeinen zweifellos
wachsend, wenn verlangt wird, da� dasselbe Tagewerk in der k�rzeren Zeit
zu leisten ist.

Das wichtigste ist aber nach meiner Meinung der dritte Bestandteil, der
sich in diesem Kr�fteverbrauch des industriellen Arbeiters in seinem
Tagewerk nachweisen l��t, der durchaus analog ist mit dem, was man bei
den Maschinen �Kraftverbrauch f�r Leergang� nennt.

Die vorhin charakterisierte Konsequenz der Arbeitsteilung, die
au�erordentliche Gleichf�rmigkeit der T�tigkeit bringt es mit sich, da�
mit wenigen Ausnahmen alle Arbeit der Industrie gemacht werden mu� von
Leuten, die den ganzen Tag entweder zu stehen oder zu sitzen haben; ganz
wenige haben Gelegenheit, innerhalb der Tagesperiode eine nennenswerte
Abwechslung zu haben. Wenn Sie sich vorstellen, was das hei�en wollte,
wenn ein Mann gar nicht zu arbeiten h�tte, aber angehalten w�re,
dieselbe K�rperhaltung 8 oder 10 Stunden fortzusetzen, wie z. B. an der
Drehbank 8 oder 10 Stunden t�glich zu stehen, oder in einer gewissen
K�rperhaltung zu sitzen, wie man sie etwa bei Ausf�hrung feiner Arbeiten
n�tig hat, so w�rde ein solcher am Ende der 8 oder 10 Stunden sehr
erm�det sein, obwohl er gar nichts getan hat.

Ich behaupte nun, da�, wenn diese Erm�dung einem Kr�fteverbrauch
entspricht, der lediglich bedingt ist durch das blo�e _Verweilen_ an der
Arbeitsst�tte in derjenigen K�rperhaltung, die seine Arbeit n�tig macht,
und in der Umgebung, in der er dabei ist, demselben Ger�usch, demselben
L�rm ausgesetzt, unter demselben Zwange der Aufmerksamkeit -- wenigstens
da wo Maschinenbetrieb ist -- sich zu sichern, da� er kein Unheil
anrichtet, oder da� ihm nicht Unheil angerichtet werde, -- ich sage;
da�, wenn diese rein passive Erm�dung einen ganzen gro�en Teil des
Tagewerks der Leute bedeutet, jede _Verk�rzung der Arbeitszeit_, die
also bewirkt, da� diese Leistung in der verk�rzten Arbeitszeit sich
zusammendr�ngt, ein _reiner Gewinn an Kraft f�r die beteiligten_
Personen sein mu�.

Wenn ich mir nun denke, ein Mann k�nne ein bestimmtes Tagewerk in 8
Stunden leisten, und man n�tigt ihn, 10 Stunden darauf zu verwenden, so
ist das ganz genau dasselbe, wie wenn man ihm erlaubt, seine Arbeit in 8
Stunden fertig zu machen, ihm aber zumutet: du mu�t nun noch 2 Stunden
hier bleiben in derselben K�rperhaltung, sitzend oder stehend, dasselbe
Ger�usch h�ren, dieselbe Aufmerksamkeit anwenden, um Gefahr abzuwenden,
jedoch ohne etwas zu tun. Ich sage, genau in derselben Art, wie die
Verk�rzung der Arbeitszeit von 9 auf 8 Stunden uns eine bedeutende
Ersparung gebracht hat f�r den _Leergang der Maschinen_, so bedeutet
die Verk�rzung der Arbeitszeit eine entsprechende Ersparung am
Kraftverbrauch f�r den _Leergang der Menschen_. Dieser Nachweis des
dritten Bestandteils f�r den gesamten Kr�fteverbrauch weist hin auf den
wichtigsten Teil unserer Betrachtung.

Ich habe ganz kurz nun noch auf der anderen Seite auf das von mir vorhin
geforderte Gleichgewicht zwischen Kr�fteverbrauch und Kr�fteersatz
hinzuweisen. Der Kr�fteersatz durch Ern�hrung und Ruhe -- wovon h�ngt
der ab? Da ist zuerst zu sagen, er mu� bei einem Mann abh�ngen von der
physischen Beschaffenheit der Person, von seiner Robustheit, von seiner
Gesundheit, von seinem Ern�hrungszustande. Ein Mann von kr�ftiger
Ern�hrung in jungen Jahren, von normaler Lebensweise, wird imstande
sein, in einer gewissen Ruhezeit eine vorangehende Erm�dung sehr viel
eher v�llig auszugleichen, wie ein �lterer Mann oder ein durch Krankheit
geschw�chter oder einer, der durch unsolides Leben die Bedingungen des
Wiederersatzes seiner Kr�fte verschlechtert hat. Aber f�r ein und
denselben Mann wird zweifellos die Zeit entscheidend sein, die ihm f�r
diesen Kr�fteersatz gegeben ist. Es kann auch nicht dem geringsten
Zweifel unterliegen, da� jemand, der ein bestimmtes Tagewerk hinter sich
hat und bis zum Wiederbeginn des folgenden gleichen Tagewerks 16 Stunden
Zeit hat f�r relative Ruhe, die wenigstens die Organe ruhen l��t, die
bei seiner normalen Arbeit die st�rkst erm�deten sind, ein gr��eres Ma�
vorangegangener Erm�dung wird ausgleichen k�nnen, wie jemand, der nur 10
Stunden unter ganz gleichen Umst�nden f�r Erholung zur Verf�gung hat.
Das kann jedermann an sich probieren.

Es mu� also notwendig in bezug auf die Bedingungen dieses Kr�fteersatzes
au�er dem jeder einzelnen Person eigent�mlichen Faktor, den man nennen
k�nnte die Intensit�t des Stoffwechsels oder die Intensit�t seiner
Lebensfunktionen, nun noch ma�gebend sein eine Zeitbestimmung, n�mlich
die _Dauer der ihm gelassenen Ruhezeit_. Nun hat aber der Tag nur 24
Stunden; infolgedessen mu� die Zeit der Ruhe zwischen jeder Tagesarbeit
einfach die Differenz zwischen 24 Stunden und der Arbeitszeit sein; bei
8 Stunden Arbeit 16 Stunden Ruhe, bei 10 Stunden Arbeit nur 14 Stunden
Ruhe.

So sieht man am Leitfaden dieser ganz einfachen Betrachtung, da� in
Hinsicht auf die Herstellung dieses Gleichgewichtes zwischen
Kr�fteverbrauch und Kr�fteersatz, zwischen Erm�dung und Erholung, die
Arbeitszeit dreimal zur Geltung kommt; zweimal auf der Seite der
Bestimmung des Kr�fteverbrauches -- das eine Mal im ung�nstigen Sinne
f�r die Verk�rzung, insofern als die Verk�rzung der Arbeitszeit
intensivere Arbeit n�tig macht, vorausgesetzt, da� ein gewisses Ma� der
Geschwindigkeit nicht �berschritten wird, ein zweites Mal aber im
ung�nstigen Sinne, n�mlich durch Verminderung, nach Analogie der
Maschinen, der Leergangsarbeit des Menschen -- da� aber au�erdem nun
noch dieselbe Gr��e der t�glichen Arbeitszeit eine Rolle spielt auf der
anderen Seite der Gleichung, in bezug auf den Kr�fteersatz und zwar in
_g�nstigem_ Sinne, da die Verk�rzung der Arbeitszeit und eine l�ngere
Ruhepause den Ersatz eines gr��eren Kr�fteverbrauchs vermittelt.

Ohne da� man den mathematischen Zusammenhang nun weiter darzulegen
braucht, wie ich es �berfl�ssigerweise getan habe[41], ohne da� man auf
diese n�heren mathematischen Beziehungen einzugehen braucht, ist sofort
zu sehen, da�, wenn diese Zusammenh�nge richtig aufgefa�t sind, es
verst�ndlich ist, da� eine Verk�rzung der Arbeitszeit nicht nur das
Tagesprodukt unge�ndert lassen, sondern unter Umst�nden die Tendenz
haben kann, die Arbeitsleistung zu steigern, wie wir es in unseren
Beobachtungen glauben konstatiert zu haben.

Es mu� n�mlich, wenn man den mathematischen Zusammenhang genau ansieht,
f�r jede bestimmte Art von Verrichtungen und jede bestimmte Person ein
Optimum existieren, n�mlich eine k�rzeste Arbeitszeit, bei der das
gr��te Arbeitsprodukt herauskommt. Wo dieses liegt, wird wesentlich von
der Art abh�ngen, wie sich die einzelnen Bestandteile des n�heren
bestimmen.

Wie gro� dieser Kr�fteverbrauch f�r Nichtarbeit, f�r Leergang, und f�r
den Geschwindigkeitswiderstand, den bei intensiverem Tempo die Arbeit
mit sich bringt, im einzelnen Falle ist, ist im wesentlichen
Tatbestandsfrage. Es ist denkbar, da� es gewisse Verrichtungen gibt,
welche ein Arbeiter 10 oder 9 Stunden lang macht, bei welchen aber eine
weitere Beschleunigung des Tempos mit einer so gro�en Steigerung des
Kr�fteverbrauchs verbunden sein kann, da� er, wenn er auf 8 Stunden
�bergeht, weniger leistet.

Indem ich mich nun auf unsere Erfahrungen berufe und auf die Erfahrungen
�hnlicher Art, die namentlich in England gemacht worden sind, kann ich
nur sagen, diese Erfahrungen rechtfertigen die Annahme, da� f�r
wenigstens drei Viertel aller industriellen Arbeiter -- das Wort in dem
Sinne gebraucht, wie ich es vorhin gebraucht habe -- wahrscheinlich auch
f�r einen gr��eren Bruchteil bei _9 Stunden das Optimum noch nicht
erreicht und_ bei _8 Stunden noch nicht �berschritten_ ist, und da�
daher diese Beobachtungen, wie sie vorliegen, am Leitfaden dieser
Erkl�rung die Meinung rechtfertigen, da� es m�glich sein wird, auf fast
allen Gebieten der industriellen T�tigkeit in Deutschland ohne jede
Einbu�e, ohne jede Herabsetzung des Tagewerks, in einem vern�nftigen
Tempo, nicht etwa nur zum Neunstundentag, sondern zum Achtstundentag
�berzugehen. Selbstverst�ndlich meine ich nicht pl�tzlichen �bergang,
sondern es kann sich nur darum handeln, allm�hlich die Menschen daran zu
gew�hnen, die jetzt gewohnt sind, ihre Arbeitskraft zu vertr�deln, die
gewisserma�en normale Erm�dung sich anzuschaffen, die sie gerade noch
bis zum folgenden Tage durch Ruhe und Ern�hrung ersetzen k�nnen. Wie ich
vorhin sagte, hat eine solche Erkl�rung zugleich die Bedeutung, da� sie
nicht nur Aufschlu� gibt �ber das, was wirklich beobachtet ist, sondern
da� sie auch einen Leitfaden gibt, um �ber das Gebiet der unmittelbaren
Beobachtungen hinaus Schlu�folgerungen zu ziehen.

Ich will, um nicht ins Weite zu gehen, nun nur noch ganz kurz erl�utern,
wie sich am Leitfaden dieser Erkl�rung ganz charakteristische Tatsachen,
die auf den ersten Blick als au�erordentliche erscheinen, als etwas ganz
Selbstverst�ndliches darstellen.

Ich habe damals erz�hlt, als ich in unserer Werkst�tte mit einer Gruppe
von Leuten den Versuch gemacht habe, sie zu veranlassen, sie m�chten
einmal mir zu Gefallen und wegen ihrer eigenen Interessen, als wir noch
neunst�ndige Arbeitszeit hatten, 10 Stunden arbeiten, da� diese nach
einer Woche zu mir kamen und meinten: die angeh�ngte letzte Stunde
dr�cke vom fr�hen Morgen ihre Arbeit herab, ich sollte ihnen ihr
Versprechen zur�ckgeben. Und auf der anderen Seite ebenso die Tatsache,
da� die Anh�nger der Trade-Unions, wie im Woolwich-Arsenal, welche der
Meinung waren, da� die Verk�rzung der Arbeitszeit von 9 auf 8 Stunden
Platz schaffen m�sse f�r die Arbeitslosen, die Reserve-Armee vermindern
m�sse, die also gewi� der Ansicht waren, sie w�rden nicht in 8 Stunden
dasselbe arbeiten wie vorher in 9 Stunden, dennoch dasselbe geleistet
haben. Dies alles erkl�rt sich am Leitfaden einer solchen Betrachtung
ganz einfach als etwas Selbstverst�ndliches.

Unsere Leute, die damals den Anlauf nahmen, haben ganz gewi� in den
ersten 9 Stunden des damals verl�ngerten Arbeitstages genau so
gearbeitet, wie in der Woche vorher ihre 9 Stunden; da sie aber dann
noch eine Stunde l�nger arbeiteten, haben sie sich in 10 Stunden mehr
erm�det und das vorher bestehende Gleichgewicht verschoben. Das haben
sie am ersten Tag nicht bemerkt, auch am zweiten Tag nicht, aber
allm�hlich ist das Defizit zum Vorschein gekommen, und da mu�te einmal
der Punkt kommen, wo die Bilanz stark gest�rt war; dann tritt das in die
Erscheinung, was die Werkmeister Unmut und Verdrossenheit nennen; das
sind die Waffen, mit denen der K�rper sich wehrt. In dem Ma�e, als sich
das Defizit anh�uft, dr�ckt es auf ihre Arbeit vom fr�hen Morgen an; so
verlangsamt sich das Tempo, bis es nach 14 Tagen so verlangsamt ist, da�
die Tagesleistung trotz der �berstunde nur dieselbe ist, wie ohne
�berstunde.

Und umgekehrt die englischen Arbeiter, die gar kein Interesse daran
hatten, diesen Ausfall der geschenkten Stunde nachzuholen, weil sie in
Zeitlohn arbeiteten, die im Gegenteil darauf rechneten, da� durch diese
Stunde so viele von ihren arbeitslosen Kollegen im n�chsten Jahr Arbeit
haben w�rden, haben diese 8 Stunden genau so gearbeitet, wie die ersten
8 Stunden ihrer vorher neunst�ndigen Arbeitszeit, und sind dann eine
Stunde fr�her vergn�gt nach Hause gegangen, weniger erm�det als fr�her,
und so haben sie Tag f�r Tag einen kleinen �berschu� an Kraft behalten,
der, nachdem er eine gewisse Gr��e erreicht hatte, bewirkte, da� sie vom
fr�hen Morgen an ihre Arbeit mit gr��erer Frische begonnen haben, da�
sie, ohne es zu wissen und ohne es zu wollen, dem englischen
Staatsfiskus den Gefallen getan haben, in 8 Stunden dasselbe zu leisten
wie vorher in 9 Stunden.

Diese Beispiele zeigen, wie diese automatische Anpassung des Tempos der
Arbeit an die Dauer der t�glichen Arbeitszeit bei den einzelnen sich
vollzieht.

       *       *       *       *       *

Ich habe mit dieser Betrachtung, die also, glaube ich, den Nachweis
f�hrt, da� das wesentlichste Moment unter volkswirtschaftlichen
Gesichtspunkten bei Verk�rzung der Arbeitszeit besteht in der Ersparnis
eines gro�en Kraftverbrauches f�r unn�tzen �Leergang� der Menschen --
den terminus technicus von Maschinen auf den Menschen �bertragen -- die
_eine_ volkswirtschaftliche Bedeutung der Verk�rzung der Arbeitszeit
festgestellt.

Ich kn�pfe meine weiteren Ausf�hrungen an die Frage, mit der ich vor 4
Wochen meinen ersten Vortrag einleitete, indem ich auf die Tatsache
hinweise, da� in England jetzt schon die durchschnittliche Arbeitszeit
der gesamten industriellen Arbeiterschaft auf weniger als 9 Stunden
herabgesunken ist, weil es nur ganz wenige Industriezweige, abgesehen
von der Textilindustrie, gibt, die l�nger als 9, aber schon sehr viele,
die weniger als 9 Stunden arbeiten, und gegenw�rtig nicht weniger als
eine Million englischer Arbeiter in den etwas gehobenen Industrien beim
Achtstundentag angekommen sind; und bei den rapiden Fortschritten, die
die Bewegung auf Verk�rzung der Arbeitszeit macht, ist anzunehmen, da�
in ganz kurzem Zeitraum wohl der Achtstundentag in England die
herrschende Arbeitszeit sein wird.

Demgegen�ber ist in Deutschland die normale durchschnittliche
Arbeitszeit derselben Gruppen von Industriearbeitern sicher �ber 10
Stunden, weil es noch eine gro�e Anzahl von Arbeitsgebieten der
verschiedensten Art gibt, in denen noch 11 Stunden gearbeitet wird, und
nur relativ wenige, 6-8000, haben in Deutschland die achtst�ndige
Arbeitszeit.

Angesichts dieses Unterschieds mu� die Frage entstehen, welchem von
beiden L�ndern kommt dieser Unterschied in Hinsicht auf den Wettbewerb
mit anderen L�ndern zunutze? Wird England mit seiner kurzen oder
Deutschland mit seiner langen Arbeitszeit einen Vorteil in Hinsicht auf
den Wettbewerb mit anderen Nationen haben?

Ich will gleich das Resultat voraussagen, zu dem ich durch meine
Betrachtungen gef�hrt werde. Es besagt, da� es ganz zweifellos ein
Vorsprung sein wird, den England hat, da� England kraft dieser
Verk�rzung der Arbeitszeit eine sehr erh�hte Leistungsf�higkeit im
ganzen Wirtschaftsleben hat, und da�, wenn Deutschland darin
zur�ckbleiben sollte, wenn England dauernd diesen Vorsprung behalten
sollte, f�r Deutschland die direkte Gefahr einer gro�en schweren
Sch�digung seiner Volkswirtschaft im Wettbewerb mit anderen V�lkern,
insbesondere mit dem fortgeschrittenen England, besteht.

Es k�nnte auf den ersten Blick fraglich sein, ob sich aus meinen
fr�heren Ausf�hrungen ein derartiger Schlu� begr�nden l��t, denn es wird
durch Verk�rzung der Arbeitszeit das Tagewerk nicht vermindert,
vielleicht sogar etwas gesteigert. Aber diese Steigerung wird man
keinesfalls hoch anschlagen k�nnen: wir selbst haben ja auch nur eine
Steigerung von ein paar Proz., die k�nnen ja doch nichts
Ausschlaggebendes sein. Ob ein paar Proz. im g�nstigsten Falle mehr oder
weniger -- in der Hauptsache wird es dasselbe sein, ob die Leute 10 oder
8 Stunden arbeiten; es wird eben ungef�hr dasselbe produziert.

Es sind damit zwar die Bef�rchtungen widerlegt, mit denen man fr�her den
Bestrebungen auf Verk�rzung der Arbeitszeit entgegentrat, da� die
wirtschaftliche Konkurrenzf�higkeit eines Landes gel�hmt werden k�nnte,
wie auch die Hoffnungen widerlegt sind, da� die Verk�rzung Platz
schaffen werde f�r die Arbeitslosen; aber im �brigen bleibt doch
h�chstens der kleine Vorteil �brig, welchen die kleine Ersparnis an
Betriebsunkosten bedeutet.

Wir d�rfen annehmen, da� in unserem Betriebe, der Optischen Werkst�tte,
die Ersparnis im Kohlenverbrauch, an Heizerl�hnen, f�r Beleuchtung und
Beheizung auf den Kopf des Arbeiters 6-8 M. j�hrlich betr�gt; zwischen
10 und 8 Stunden Arbeit k�nnte man diese Ersparnis somit doch h�chstens
auf 15-20 M. anschlagen. Wenn man annimmt, da� in Deutschland 3
Millionen Leute sind, die in 8 Stunden ebensoweit k�men in ihrer Arbeit
wie in den jetzt durchschnittlich 10 Stunden, so w�rde dieser Vorteil
immer nur mit 30-40 Millionen Mark anzuschlagen sein, was in der Bilanz
eines gro�en Landes ja nur eine ganz geringe Bedeutung hat.

Man w�rde sagen k�nnen, diese Frage hat gar keine besondere
wirtschaftliche Bedeutung, sie ist mehr Sache des subjektiven Ermessens,
ob man f�r besser und angenehmer finden will, da� die Leute 8 Stunden
arbeiten und 16 Stunden Ruhe haben, oder 10 und 11 Stunden arbeiten und
nur 14 oder 13 Stunden Ruhe haben.

Aber mit nichten! Bei dieser �berlegung w�rde man vergessen, da� zwar
der Kraftverbrauch f�r Leergang der Maschinen, der seinen Ausdruck
findet in dem nutzlosen Verbrennen von 30-40 Millionen M. mehr Kohlen,
in Deutschland verschwendet ist, da� die Hauptsache aber die
Kraftverschwendung in dem nutzlosen Leergang von 3 oder 4 Millionen
_Menschen_ in Deutschland ist. Und da ist die Frage: was bedeutet
denn diese Kraftverschwendung, die zweifellos da ist, wenn es m�glich
ist, da� diese selben Menschen dasselbe in 8 Stunden leisten, was sie
bisher in 10 Stunden gemacht haben? Auf wessen Kosten geht denn
diese Kraftverschwendung? Geht dieselbe nur auf Kosten der
Lebensannehmlichkeit der Leute, die es erfreulicher finden werden, wenn
sie nur 8 Stunden in der Werkst�tte zu stehen haben, oder geht sie auf
Kosten eines Faktors, der eine bestimmte volkswirtschaftliche Bedeutung
hat? Ich meine das letztere ist der Fall!

_Diese Kraftvergeudung durch nutzlosen Leergang des Menschen geht auf
Kosten der Mitwirkung der Intelligenz und der geistigen Regsamkeit des
Menschen, und bedeutet, da� ein wertvolles Kapital, welches Deutschland
besitzt in der nat�rlichen Intelligenz seiner arbeitenden Schichten, zum
gro�en Teil brach liegen bleibt, weil die Bedingungen abgeschnitten
sind, unter denen diese Intelligenz voll zur Geltung kommen k�nnte._

Um das aber zu verstehen, diesem Leergang der Menschen eine so
weittragende Bedeutung beizulegen, mu� ich nochmals darlegen, und jetzt
unter einem etwas anderen Gesichtspunkte, was ich als die Wirkungen der
Arbeitsteilung besprochen habe. Diese Arbeitsteilung -- es w�re die
reine Torheit, sie beklagen zu wollen, so bedauerlich ihre Wirkungen
sind -- hat zur Folge die _geistige Ver�dung der Menschen_, weil sie
intelligente Personen n�tigt, ihr Tagewerk auf eine einf�rmige Art zu
verrichten, weil die Arbeit, bis auf einen ganz kleinen Bruchteil
bevorzugter Arbeiten, aus sich selbst heraus gar keinen Antrieb, keine
Anregung enth�lt, weil die Arbeiter immer nur Teile unter ihren H�nden
haben -- und eine Arbeit, die andererseits, um vorteilhaft und
zweckm��ig ausgef�hrt zu werden, hohe Anforderungen an die geistige
T�tigkeit der Leute stellt, aber hohe Anforderungen nur in der Art, wie
die Leute das zweckm��ige, geschickte Arbeiten zu erlernen haben. Die
Ablieferung des t�glichen Arbeitsproduktes ist unter dem Prinzip der
Arbeitsteilung reine Routinesache, sie kommt zur Geltung nur in
ausgetretenen Bahnen. Aber die Art, wie einer gelernt hat, die t�gliche
Arbeit abzuliefern, zweckm��iger oder unzweckm��iger, mit gr��erer
Kr�fteersparnis oder gr��erem Kr�fteverbrauch, das ist in ganz gro�em
Ma�e Sache der Intelligenz, so da� kein Arbeiter ein geschickter
Arbeiter wird, wenn es nicht ein intelligenter Mann ist, weil man ihn
diese Zweckm��igkeit nicht lehren kann: er mu� sie selbst erlernen
k�nnen.

Wenn man nun auf der einen Seite zugestehen mu�, da� die t�glich gleiche
Arbeit direkt abstumpfend wirkt, auf der anderen Seite die technischen
und wissenschaftlichen Anforderungen eine fortw�hrende Anspannung der
Intelligenz n�tig machen, so gibt es eben nur einen Weg, um das
Gleichgewicht zu schaffen, das ist: die Bahn frei zu machen daf�r, da�
die nat�rliche Intelligenz dennoch sich bet�tigen kann, da� sie nicht
abgestumpft wird, d. h. also, m�glichstes Zusammendr�ngen der t�glichen
Arbeit auf einen kurzen Zeitraum und m�glichstes Verl�ngern des
Zeitraumes zwischen den t�glichen Arbeitszeiten, das die M�glichkeit f�r
geistige Anregung anderer Art gew�hrt, da� solche Leute nicht stupid
werden, da� sie trotz der Einf�rmigkeit ihrer t�glichen Arbeit noch die
F�higkeit behalten, mit dem Verstand mitzuwirken, mit Interesse Dinge zu
betrachten, die nicht unmittelbar in der Arbeit vorkommen.

So sage ich: alles was darauf ausgeht, die Leistungsf�higkeit des
Deutschen Volkes zu heben -- und Deutschland darf sich r�hmen, da� es in
Hinsicht auf die Intelligenz seiner arbeitenden Volksschichten keinem
anderen Lande nachsteht, aber Intelligenz ohne Bet�tigung ist Gold im
Scho� der Erde -- alles was darauf ausgeht, dieses gro�e geistige
Kapital wirtschaftlich in Bet�tigung zu stellen, das mu� unter die
Parole sich stellen; _m�glichste Verk�rzung der Arbeitszeit in der
Industrie, m�glichste Verminderung der Kraftvergeudung infolge Leergang
durch Verl�ngerung der Ruhezeit_.

Und wenn es nun nach meinen fr�heren Darlegungen richtig ist, da� man
sagen darf, f�r den weitaus gr��ten Teil der industriellen Arbeiter ist
mit 9 Stunden das Optimum noch nicht erreicht und mit 8 Stunden noch
nicht �berschritten, so mu� f�r die Zukunft die Parole aller sein, denen
daran liegt, das wirtschaftliche Leben Deutschlands zu lieben,
_Drittelung des Tages_: _8 Stunden Unternehmerdienst -- 8 Stunden Schlaf
-- 8 Stunden Mensch sein._

Pause.

Es gibt meiner Meinung nach nur _einen_ Standpunkt, von welchem aus mit
einiger inneren Folgerichtigkeit das angefochten werden k�nnte, was ich
vorhin als Resultat meiner Ausf�hrungen hingestellt habe: da� die
Verk�rzung der Arbeitszeit zum Zwecke der Hebung der Menschen in
Hinsicht auf die Bet�tigung der Intelligenz und zur wirtschaftlichen
Hebung des Volkes n�tig ist Das ist der Standpunkt derer, die ihre
Beurteilung wirtschaftlicher und sozialer Zeitfragen unter die Parole
stellen, _wir wollen Herren bleiben im eigenen Haus_. Vom Standpunkt
dieser Leute aus gibt es in der Tat ein anderes Ideal, sie m�ssen
konsequenterweise verlangen einen Arbeiterstand, der m�glichst gen�gsam
ist, m�glichst nahe an der Grenze des Helotentums steht. Es liegt eine
Erscheinung vor, in der dieses Ideal entsprechend verwirklicht gewesen
ist, das ist der Arbeiterstand in den 30er und 40er bis 50er Jahren in
den englischen Industriebezirken Birmingham, Manchester, Liverpool.

Nach dem �bereinstimmenden Urteil von Leuten jener Zeit waren das
Arbeiter, die Tag f�r Tag 14, 15 und 16 Stunden an ihren Maschinen
standen, jeden Abend geknickt nach Hause schlichen, notd�rftig ihren
Hunger stillten und schlafen gingen, am Sonnabend aber nach Empfang des
Wochenlohnes sich besoffen, am Sonntag ihren Rausch ausschliefen, um am
Montag das gleiche Wochenwerk wieder zu beginnen.

Das andere Ideal, auf welches meine Parole hinweist, ist nun auch
ann�hernd verwirklicht, just in demselben Lande, in demselben
Arbeiterstande, in denselben englischen Industriebezirken. Im Laufe von
etwa zwei Generationen ist aus dieser damals physisch und intellektuell
verelendeten Bev�lkerung infolge der Wirkungen der Verk�rzung der
Arbeitszeit ein Arbeiterstand hervorgegangen, der heute in Hinsicht auf
die Leistungsf�higkeit, die Bet�tigung von Intelligenz und Tatkraft kaum
noch seines gleichen findet, der allerdings nicht gef�gig, sondern sehr
�begehrlich� ist, der nicht nur Anerkennung vollst�ndiger b�rgerlicher
Gleichberechtigung, sondern auch h�here L�hne heischt, als f�r �hnliche
Arbeit irgendwo sonst in Europa gezahlt werden, der aber so gutm�tig
ist, dabei dem Unternehmer -- das Verh�ltnis zwischen Lohn und Leistung
zum Ma�stab genommen -- _billigere_ Arbeit zu leisten, als im
Durchschnitt irgendwo sonst in Europa geliefert wird.

Wenn nun meine Betrachtung dahin ausm�ndet, da� die Verk�rzung der
t�glichen Arbeitszeit in der Industrie einzuf�hren sei -- wobei das
Gebiet der Arbeitst�tigkeit in Frage kommt, welches unter der Devise der
modernen Arbeitsteilung steht, gegen�ber anderen Arbeitsgebieten, die
andere Bedingungen menschlicher Bet�tigung darbieten -- da� es die
Aufgabe sei, durch die Verk�rzung der Arbeitszeit die wirtschaftliche
Leistungsf�higkeit des ganzen Volkes durch Erh�hung der
Leistungsf�higkeit der Arbeiter zu heben -- so ist es sicher
gerechtfertigt, auch der Vorg�nge zu gedenken, welche die Bewegung zur
Verk�rzung der Arbeitszeit eingeleitet haben.

Da habe ich denn zu konstatieren, da� der Ausgangspunkt alles dessen,
was von Fortschritten in dieser Richtung bis heute zu verzeichnen ist,
in einem Akt weitblickender Gesetzgebung liegt. Ich meine, da� auf dem
ganzen Gebiet von Sozialpolitik und Arbeiterschutz neben dem Gesetz
Mosis �sechs Tage sollst du arbeiten und den siebenten ruhen� nur noch
_eine_ gesetzgeberische Ma�regel gro�en Stils existiert, das ist die
_Einf�hrung der Zehnstundenbill in England_. Diese Zehnstundenbill in
England hat alle derartigen Bestrebungen ausgel�st, hat erst den Boden
geschaffen, Erfahrungen zu gewinnen f�r die richtige Beurteilung dieser
Verh�ltnisse.

Wie bekannt ist, hat im Jahre 1847 das englische Parlament nach langem,
hartem Kampfe dekretiert, da� in den englischen Spinnfabriken Frauen und
Kinder nicht l�nger als 10 Stunden t�glich arbeiten d�rften, w�hrend sie
vorher 14, 15 und 16 Stunden hatten arbeiten d�rfen. Frauen und Kinder
-- weiter niemand -- fielen unter das Gesetz, und es war auch beschr�nkt
auf das Gebiet der Textilindustrie, Anh�nger und Gegner dieser Ma�regel
wu�ten aber, da� die Bedeutung derselben nicht liege im Schutz von
Frauen und Kindern -- da� diese auf 10 Stunden beschr�nkt w�rden --
sondern darin liege, da� diese Ma�regel auf ein paar hunderttausend
erwachsene _m�nnliche_ Arbeiter �bergreifen w�rde, da� diese ein paar
Stunden weniger ausgebeutet w�rden. Denn auf diesem Arbeitsgebiete ist
die Arbeit der Frauen und Kinder mit derjenigen der M�nner in solcher
Art konnex, da� eine Einschr�nkung der einen gar nicht m�glich ist ohne
Einschr�nkung der anderen. Die am sch�rfsten Widerstrebenden hatten ihre
Argumente nicht in Nachteilen f�r die Frauen und Kinder, sondern in den
Nachteilen, die die gleichzeitige Beschr�nkung der Arbeit der M�nner
bef�rchten lie�e.

Die n�chste Folge dieser Gesetzgebung war ein gro�er Jammer in England,
der Jammer dar�ber, da� eine gro�e, wichtige und bedeutsame Industrie
vernichtet sei, da� sie in der Konkurrenz mit dem Auslande wehrlos
geworden sei, da� das Kapital auswandern m�sse, um nur die notd�rftigste
Rentabilit�t zu erzielen.

Wenige Jahre haben ausgereicht, um ein vollkommen anderes Urteil �ber
diese Ma�regel zu erm�glichen. Es zeigte sich n�mlich nach wenigen
Jahren: das englische Kapital wanderte _nicht_ aus, die englische
Textilindustrie ist gar nicht benachteiligt worden; man hat bessere
Maschinen angeschafft, hat die Spindeln schneller laufen lassen, hat
ein und demselben Mann doppelt so viel Spindeln zu bedienen gegeben, und
hat gefunden, da� dabei die Unternehmer ein vorz�gliches Gesch�ft
machten -- da� sie mit 10 Stunden viel leistungsf�higer geworden waren,
als vorher mit 14 oder 16 Stunden.

Das Bemerkenswerte war, da� in diesem Fall ein Gesetz, das nur f�r
England galt, allgemeines Gesetz geworden ist, da� dieses tats�chlich
die Bedeutung eines internationalen Gesetzes gewonnen hat, in der Art,
da� man sagen kann, der Widerschein des Lichtes, welches eine
weitblickende Gesetzgebung damals in England hat aufleuchten lassen, hat
ganz Europa erleuchtet.

Und davon kann ich noch pers�nlich Zeugnis ablegen. Ich selbst habe mit
meinen eigenen Augen den Widerschein gesehen. Denn mein Vater war
Spinnmeister in Eisenach; er hat bis Anfang der 50er Jahre jeden Tag,
den Gott werden lie�, 14, 15, 16 Stunden bei der Arbeit stehen m�ssen:
14 Stunden, von morgens 5 bis abends 7, bei normalem Gesch�ftsgang; 16
Stunden, von morgens 4 bis abends 8 Uhr bei gutem Gesch�ftsgang -- und
zwar ohne jede Unterbrechung, selbst ohne Mittagspause. Ich selbst habe
als Junge zwischen 5 und 9 Jahren jeden Tag abwechselnd mit meiner um
ein Jahr j�ngeren Schwester, wenn das Wetter nicht gar zu schlecht war
und die Mutter den sehr weiten Weg dann lieber selber machte, meinem
Vater das Mittagsbrot gebracht. Und ich bin dabei gestanden, wie mein
Vater sein Mittagsessen, an eine Maschine gelehnt oder auf eine Kiste
gekauert, aus dem Henkeltopf mit aller Hast verzehrte, um mir dann den
Topf geleert zur�ckzugeben und sofort wieder an seine Arbeit zu gehen.

Mein Vater war ein Mann von H�nengestalt, einen halben Kopf gr��er als
ich[42], von unersch�pflicher Robustheit, aber mit 48 Jahren in Haltung
und Aussehen ein Greis; seine weniger robusten Kollegen waren aber mit
38 Jahren Greise. Das ist in Deutschland am =gr�nen= Holz geschehen;
denn die Eisenacher Fabrikherren waren menschlich hochstehende Leute,
wohlwollend und f�rsorglich f�r ihre Arbeiter, wie ich an mir selbst
erfahren habe. Was sie damals geschehen lie�en, haben sie, des bin ich
sicher, geschehen lassen mit �u�erstem Widerstreben, in dem wehm�tigen
Gedanken, es =k�nne= nicht anders sein; und sie haben den Ruhm f�r sich,
da� sie unter den ersten gewesen sind, die in Deutschland die
Verh�ltnisse gebessert haben, als bekannt geworden war, da� in England
mit einer viel k�rzeren Arbeitszeit dasselbe wie mit der l�ngeren
Arbeitszeit geleistet w�rde.

Sie haben alsbald sich ebenfalls neue Maschinen angeschafft, haben eine
viel gr��ere Zahl von Spindeln demselben Mann zur Bedienung gegeben, und
haben erreicht, da� wenige Jahre nachher die Arbeitszeit ganz bedeutend
reduziert werden konnte. Ich habe noch gesehen, wie mein Vater Ende der
50er und in den 60er Jahren nicht mehr 16 Stunden sondern nur noch 12
und zuletzt nur noch 11 Stunden zu arbeiten und dabei eine Mittagsstunde
hatte, so da� er nicht mehr aus dem Henkeltopf sondern zu Hause in der
Wohnung aus Sch�ssel und Teller sein Mittagsmahl einnehmen konnte. Ich
sage also: den Widerschein des Lichtes in England habe ich in
Deutschland mit meinen eigenen Augen gesehen.

Dank der Fernwirkung, welche die englische Gesetzgebung auf den
Kontinent gehabt hat, ist Deutschland verschont geblieben vor den Folgen
des ungez�gelten Industrialismus. Die k�rperliche Verunstaltung durch
das unmenschlich lange Stehenm�ssen, das sogenannte �Fabrikbein�, ist in
Deutschland fast gar nicht in die Erscheinung getreten, weil just noch
rechtzeitig dieser Mi�brauch der Menschen inhibiert wurde durch das
Beispiel Englands.

Gutes Augenma� f�r die Bemessung gro�er Ereignisse oder gl�cklicher
Instinkt hat die Sozialdemokratie dazu geleitet, jetzt den 1. Mai zum
internationalen Arbeiterfeiertag zu erkl�ren. In der Tat, der 1. Mai des
Jahres 1848, der Tag, an dem in England die Zehnstunden-Bill in Kraft
getreten ist, ist _der_ Tag, mit Bezug auf welchen der Arbeiterstand der
ganzen Welt sagen kann: Der Mai ist gekommen, die B�ume schlagen aus!

Die Konstatierung, da� es eine gesetzgeberische Ma�regel gewesen ist --
wenn auch aus einer Zeit, wo noch keine Gesetzgebung unter dem
Stichwort: �Sozialpolitik� oder �Arbeiterschutz� stand -- die eine
Verk�rzung der Arbeitszeit herbeigef�hrt hat, legt zweifellos die Frage
nahe, ob man nun nicht das, was ich vorhin als das Postulat meiner
Erw�gungen hingestellt habe, auf gesetzgeberischem Wege erreichen zu
k�nnen hoffen d�rfe. Ich will mich dar�ber ganz kurz aussprechen --
einfach im _verneinenden_ Sinne: ich halte das _nicht mehr_ f�r m�glich.

Man mu� sich klar machen, was denn gegenw�rtig noch, nachdem wir �ber 50
Jahre weiter sind, von gesetzgeberischen Ma�regeln von Nutzen sein
k�nnte. Ein Zehnstundentag, wenn er nicht nur das Textilgebiet betr�fe,
w�rde ja freilich einen gewissen Bruchteil der deutschen Arbeiterschaft,
die jetzt noch unter einer l�ngeren Arbeitszeit seufzt, befreien, im
�brigen aber mehr hemmend als f�rdernd sein. Mit einer solchen
gesetzlichen Normierung der Arbeitszeit w�re der Umschwung zur k�rzeren
Zeit, der Impuls auf eine _viel_ k�rzere Arbeitszeit gel�hmt, da dann
auch die Fortgeschritteneren meinen w�rden, sie brauchten nur zu 9
Stunden �berzugehen.

Vor etwa 20 Jahren, im Anfang der 80er Jahre, hatte es noch eine gewisse
Bedeutung f�r den allgemeinen Fortschritt, da� die Schweiz und
�sterreich speziell f�r die Textilindustrie einen elfst�ndigen
Maximalarbeitstag einf�hrten, eine durch vielerlei Ausnahmen
durchl�cherte Reform, die aber zur Folge hatte, da� nach kurzer Zeit 10
Stunden das Normale geworden sind.

Gegenw�rtig k�nnte eine F�rderung der Bewegung von gesetzgeberischer
Seite nur dann erwartet werden, wenn diese eine neunst�ndige Arbeitszeit
als gesetzliche erkl�ren w�rde. Dazu aber wird die Gesetzgebung nicht
f�hig sein -- aus dem einfachen Grunde, weil dazu Motive n�tig sein
w�rden, die g�nzlich au�erhalb des Rahmens _der_ Motive liegen, die
bisher die sozialpolitische und auf Arbeiterschutz gerichtete
Gesetzgebung geleitet haben.

Jeder Versuch, eine gesetzliche Fixierung von 9 Stunden zu erreichen,
w�rde scheitern an dem Argument: Leute, die nur 10 Stunden zu arbeiten
haben, _sind ja nicht mehr zu bedauern_ -- warum wollen sie die Hilfe
der Gesetzgebung? Denn alles, was wir in Deutschland Sozialpolitik und
Arbeiterschutz nennen, steht unter den Motiven des _Mitleids_ f�r
diejenigen Leute, die in exzeptioneller Art gedr�ckt oder mi�braucht
werden. Es ist also keine Hoffnung, da� der Fortschritt der Bewegung
durch die Gesetzgebung weiter gef�rdert werden k�nnte.

Auf die einfache Frage: was kann man denn hoffen? will ich meine Meinung
kurz sagen. Ich meine, was auf diesem Gebiete weitere Fortschritte
erm�glichen kann, das wird nur sein die _Vertretung der Interessen des
Arbeiterstandes_. _Wenn_ es diesem gelingt, f�r seine Standesinteressen,
die in eminentem Grade Interessen des ganzen Volkes sind, eine wirksame,
nachhaltige Vertretung in kr�ftigen Organisationen zu gewinnen, und
_wenn_ die Leitung dieser Organisationen zu dem Einsehen gelangt, da� es
sich in dieser Angelegenheit nicht handelt um den schablonenm��igen
Gegensatz: Arbeiter gegen Unternehmer, sondern um den spezifischen
Gegensatz: Arbeiter und fortgeschrittene Unternehmer gegen r�ckst�ndige
Unternehmer -- wenn diese beiden Voraussetzungen einmal erf�llt sein
sollten, dann k�nnte eine einzige Welle aufsteigender wirtschaftlicher
T�tigkeit in Deutschland, die doch einmal wiederkommen wird, gen�gen, um
den Vorsprung, den England inzwischen dank der Nachwirkung seiner 50
Jahre alten Gesetzgebung gewonnen hat, einzuholen, oder wenigstens das
Einholen in absehbarer Zeit in sichere Aussicht zu stellen.

Ich komme nun zum Schlu� und schlie�e, indem ich erinnere an den
lapidaren Satz, mit dem im Jahre 1847 Macaulay im englischen Parlament
der Zehnstunden-Bill die 8 oder 9 Stimmen Majorit�t verschafft hat, mit
der sie nach langen K�mpfen das Parlament passiert hat; er hat damals
gesagt:

     �Wenn jemals England seinen alten Ruhm, das erste zu sein unter den
     Industriel�ndern, an ein anderes Land abzutreten haben sollte, so
     wird das ganz gewi� nicht geschehen an ein Volk von k�mmerlichen
     Zwergen, sondern nur an ein Volk, welches in k�rperlicher Tatkraft
     und geistiger Regsamkeit dem englischen Volke �berlegen ist.�

An uns in _Deutschland_ ist jetzt, meine ich, die Reihe, �ber die
Bedeutung dieser Worte nachzudenken! Denn f�r England bedarf es dieser
Mahnung nicht mehr. Die fr�heren Klagen �ber die Benachteiligung der
englischen Industrie -- durch die Verk�rzung der Arbeitszeit und durch
die steigenden L�hne, die die gehobene Lebenshaltung des dortigen
Arbeiters fordert -- diese Klagen sind schon lange Zeit verstummt. Ganz
im Gegenteil, es vermehren sich von Jahr zu Jahr die Stimmen derer, die
etwas verstohlen sich zuraunen: wenn doch nur unsere Vettern auf dem
Kontinent recht lange bei ihrem alten Aberglauben bleiben wollten, da�
lange Arbeitszeit und d�rftige L�hne _billige_ Arbeit gew�hrten, wenn
sie nur nicht gar zu bald zum Einsehen kommen wollten, da� das Gegenteil
der Fall ist, da� kurze Arbeitszeit und gehobene Lebenshaltung der
Arbeiter eine eminente _Steigerung_ der Arbeitsleistung des
Arbeiterstandes zur Folge hat! Wenn es nur gel�nge, diese Einsicht noch
recht lange als Geheimnis zu bewahren! Dann d�rfte England hoffen, auf
mehrere Generationen hin vor seinen Konkurrenten auf dem Kontinent einen
ganz gewaltigen Vorsprung zu behalten.

Diese Stimmen aber kommen nicht etwa aus den Kreisen der _Arbeiter_, sie
kommen aus den Kreisen der wohlsituierten englischen _Unternehmer_. In
Deutschland dagegen ist die Diskussion dieser ganzen Frage in den
Kreisen der Unternehmer, wie �berhaupt in den Kreisen des gebildeten
B�rgertums, bisher deutlich unter der Einwirkung eines _roten Lappens_
verblieben. So ist es gekommen, da� die Sozialdemokratie sich r�hmen
darf, da� sie Jahrzehnte lang der _einzige_ Hort gewesen sei f�r
Bestrebungen, die in ganz hervorragendem Ma�e auf die Interessen des
Gemeinwohls, auf die Hebung der Leistungsf�higkeit des ganzen Volkes
abzielen.

Ich habe nur Eins noch hinzuzuf�gen: wenn das Festhalten an diesem
Standpunkt seitens unserer b�rgerlichen Kreise bisher Unverstand und
Torheit gewesen ist, so wird das weitere Festhalten an diesem Standpunkt
f�r die Zukunft _Frevel_ zu nennen sein.


Anhang 1.

Ergebnisse der Einf�hrung der achtst�ndigen Arbeitszeit in der Optischen
Werkst�tte von Carl Zeiss, Jena.

1. Vergleichung

des Stunden_verdienstes von 233_ Akkord_arbeitern im_ letzten Jahre _des
Neunstundentags (1. April 1899-April 1900) und im_ ersten Jahre _des
Achtstundentags (1. April 1900-1. April 1901)_.

     Diese 233 Mann umfassen _s�mtliche_ Arbeiter des Betriebes, die 1.
     in jedem von beiden Jahren mindestens die H�lfte der gesamten
     Arbeitszeit auf St�ckarbeit (mit unge�nderten Akkords�tzen)
     besch�ftigt gewesen sind; 2. zur Zeit des Wechsels der Arbeitsdauer
     (1. April 1900) mindestens 22 Jahre alt und mindestens schon 4
     Jahre im Dienst der Firma waren -- _mit Ausschlu�_ solcher, die
     innerhalb des zweij�hrigen Zeitraums vom 1. April 1899 bis 1. April
     1901 die Art der Arbeit gewechselt oder in einem der beiden Jahre
     mehr als 300 Stunden wegen Krankheit oder aus sonstigen Gr�nden
     vers�umt haben.

---------+--------------------------+--------------+----------+-------------
         |      Gesamtzahl der      |Daf�r bezahlte|Verdienst |
  Jahr   |      Akkordstunden       |  Lohnsumme   |pro Stunde| Verh�ltnis
         |                          |    in M.     |  in Pf.  |
---------+--------------------------+--------------+----------+-------------
1899/1900|         559 169          |   345 899    |   61,9   |}
         |(Durchschn. pro Mann 2400)|              |          |}
         |                          |              |          |} 100: 116,2
1900/01  |         509 559          |   366 484    |   71,9   |}
         |(Durchschn. pro Mann 2187)|              |          |}
         |                          |              |          |


a) Spezifikation nach Altersklassen.

     (Die Altersangaben beziehen sich auf das Datum des 1. April 1900.
     Als _Dienst_alter ist nur die _nach Vollendung des 18.
     Lebensjahres_ im _Dienst der Firma_ verbrachte Zeit gerechnet.)

Spalten�berschriften:
A - Durchschnittliches Lebensalter
B - Durchschnittliches Dienstalter
C - Durchschnittlicher Akkordverdienst pro Stunde in Pf.
D - Neunstundentag
E - Achtstundentag

-------------+--------+----------+----------+---------------+------------
             |        |          |          |               |
Altersklasse |  Zahl  |   A      |   B      |       C       | Verh�ltnis
(Lebensalter)|  der   |          |          +-------+-------+
             |Personen|          |          |   D   |   E   |
-------------+--------+----------+----------+-------+-------+------------
  22-25 Jahre|   34   | 23,5     |  5,5     |  55,3 |  65,2 | 100:117,9
  25-30   "  |   69   | 27,3     |  7,9     |  62,2 |  72,6 | 100:116,7
  30-35   "  |   69   | 32,2     | 10,1     |  65,1 |  74,8 | 100:114,9
  35-40   "  |   40   | 37,7     | 12,7     |  60,6 |  70,2 | 100:115,8
�ber 40   "  |   21   | 45,3     | 15,3     |  63,3 |  74,3 | 100:117,4
-------------+--------+----------+----------+-------+-------+------------
  Zusammen   |  233   | 31,6[43] |  9,6[44] |  61,9 |  71,9 | 100:116,2
             |        |          |          |       |       |


b) Spezifikation nach Betriebsabteilungen.

Spalten�berschriften:
A - Zahl der Personen
B - Durchschnittliches Lebensalter (Jahre)
C - Durchschnittliches Dienstalter (Jahre)
D - Verdienst pro Stunde in Pf. (Neunstundentag)
E - Verdienst pro Stunde in Pf. (Achtstundentag)
F - Verh�ltnis

--------------------------------------+-----+-----+-----+-----+-----+-----------
                                      |     |     |     |     |     |
Betriebsabteilung                     |  A  |  B  |  C  |  D  |  E  |     F
                                      |     |     |     |     |     |
--------------------------------------+-----+-----+-----+-----+-----+-----------
                                      |     |     |     |     |     |
Optik.                                |     |     |     |     |     |
                                      |     |     |     |     |     |
1.  Linsenfasser -- Feine Handarbeit  |  21 |31,1 |12,7 |72,8 |84,9 | 100:116,6
2.  Schleifer der Mikroskop.-Abt. --  |     |     |     |     |     |
    Desgl.                            |  20 |33,2 |13,8 |79,1 |86,5 | 100:109,4
3.  Sonstige Handschleifer und        |     |     |     |     |     |
    Zentrierer -- Ausschl. Handarbeit |  59 |26,1 | 7,5 |60,4 |70,5 | 100:116,7
4.  Maschinenschleifer --             |     |     |     |     |     |
    Ausschlie�lich Maschinenarbeit    |  19 |32,1 | 5,8 |52,2 |62,0 | 100:118,8
                                      |     |     |     |     |     |
                                      |     |     |     |     |     |
Mechanik und Hilfsbetriebe.           |     |     |     |     |     |
                                      |     |     |     |     |     |
5.  Justierwerkst�tten --             |     |     |     |     |     |
    Ausschlie�lich Handarbeit         |  22 |31,7 | 8,2 |65,5 |76,7 | 100:117,1
6.  Montierwerkst�tten -- Vorwiegend  |     |     |     |     |     |
    Handarbeit                        |  20 |36,9 |11,6 |66,6 |78,5 | 100:117,9
7.  Dreherei und Fr�serei --          |     |     |     |     |     |
    Ausschlie�lich Maschinenarbeit    |  23 |35,2 |11,1 |57,6 |68,0 | 100:118,1
8.  Polierer und Lackierer -- Nur     |     |     |     |     |     |
    Handarbeit                        |  17 |34,7 |11,2 |53,8 |63,3 | 100:117,7
9.  Graveure -- Nur Handarbeit        |   5 |27,2 | 6,8 |56,1 |66,9 | 100:119,3
10. Gie�er (Former) -- Nur Handarbeit |   6 |36,2 | 9,7 |56,4 |64,8 | 100:114,9
11. Tischler -- zum Teil Hand-,       |     |     |     |     |     |
    zum Teil Maschinenarbeit          |  15 |35,2 |10,5 |52,3 |62,9 | 100:120,3
12. Buchbinder(Etuisarbeiter) --      |     |     |     |     |     |
    Vorwiegend Handarbeit             |   6 |30,4 | 6,4 |55,7 |62,8 | 100:112,7
                           -----------+-----+-----+-----+-----+-----+-----------
                                      |     |     |     |     |     |
                            Zusammen  | 233 |31,6 | 9,6 |61,9 |71,9 | 100:116,2
                                      |     |     |     |     |     |


II. Vergleichung

_des Kraftverbrauchs der s�mtlichen Arbeitsmaschinen im Betrieb in den_
letzten vier _Arbeitswochen des Neunstundentags und den_ ersten vier
_Arbeitswochen des Achtstundentags_.

Zusammen 650 Werkzeugmaschinen: gr��ere und kleinere Drehb�nke,
Fr�smaschinen, Schleif- und Poliermaschinen, Holzbearbeitungsmaschinen
etc., beil�ufig zur H�lfte von Lohnarbeitern, zur H�lfte von
Akkordarbeitern benutzt.

Der Stromverbrauch jeder Lohnwoche -- Donnerstag bis Mittwoch -- ist
ermittelt durch _st�ndlich_ wiederholte Ablesungen am Schaltbrett. Der
Stromverbrauch f�r _Leergang_ -- s�mtliche Motoren, Transmissionen,
Riemenscheiben etc. _laufend_, s�mtliche Arbeitsmaschinen _ausger�ckt_
-- betrug zur betreffenden Zeit 26,0 Kilowatt.

Spalten�berschriften:
A - Gesamtverbrauch (Kilowattstunden)
B - Gesamtverbrauch pro Stunde (Kilowatt)
C - Nutzeffekt nach Abzug des Leergangs (Kilowatt)
D - Verh�ltnis des Nutzeffekts


------------------------------------+-------+-------+-------+-----------
Lohnwoche                           |   A   |   B   |   C   |    D
------------------------------------+-------+-------+-------+-----------
                                    |       |       |       |
Neunstundentag                      |       |       |       |
                                    |       |       |       |
 1. M�rz-7. M�rz (53,5 Stdn.)       |  2621 |  49,0 |       |
 8. M�rz-14. M�rz (53,5 Stdn.)      |  2617 |  48,9 |       |
15. M�rz-21. M�rz (53,5 Stdn.)      |  2681 |  50,1 |       |
22. M�rz-28. M�rz (53,5 Stdn.)      |  2603 |  48,6 |       |
------------------------------------+-------+-------+-------+-----------
Im Durchschnitt von 24 Arbeitstagen |       |  49,2 |  23,2 |
                                    |       |       |       |
------------------------------------+-------+-------+-------+-----------
                                    |       |       |       |
Achtstundentag                      |       |       |       |
                                    |       |       |       |
29. M�rz-4. April (47,5 Stdn.)      |  2552 |  53,7 |  27,7 | 100:119,5
5. April-11. April (47,5 Stdn.)     |  2397 |  50,5 |  24,5 | 100:105,5
12. April-18. April (Osterwoche)    |            _vakat_
19. April-25. April (48 Stdn.)      |  2475 |  51,6 |  25,6 | 100:110,2
26. April-2. Mai, exkl. 1. Mai      |       |       |       |
    (40 Stdn.)                      |  2086 |  52,2 |  26,2 | 100:112,9
------------------------------------+-------+-------+-------+-----------
Im Durchschnitt von 23 Arbeitstagen |       |  52,0 |  26,0 | 100:112,0
                                    |       |       |       |




Anhang 2.

Bedingungsgleichung f�r das physiologische Gleichgewicht der
industriellen Arbeitsleistung:

t�glicher Kr�fte-Verbrauch (Erm�dung) = t�glicher Kr�fte-Ersatz
(Erholung).

V = E


1. V setzt sich additiv zusammen aus _drei_ Teilen:

=a=) einem Teil, der f�r je eine bestimmte Person lediglich der Gr��e
des t�glichen _Arbeits-Produktes_ (P) proportional ist, aber unabh�ngig
von dem Tempo der Arbeit, also unabh�ngig von der zur Herstellung von P
verwandten Zeit;

=b=) einem Teil, der gleichfalls dem Arbeitsprodukt proportional ist,
aber au�erdem abh�ngt von der _Geschwindigkeit_ der Arbeitsleistung und
mit deren Beschleunigung (d. h. mit Verk�rzung der auf die Herstellung
von P verwandten Zeit) im allgemeinen _w�chst_ (Kraftverbrauch f�r
Geschwindigkeits-Widerstand);

=c=) einem dritten Teil, der, unabh�ngig von den beiden ersten Teilen,
lediglich der t�glichen Arbeitszeit (a) proportional ist -- entsprechend
dem Kraftverbrauch f�r �Leergang� bei Maschinen. -- Also:

V = alpha P + beta P � f(1/a) + gamma � a

Hierin bezeichnen:

=a= die t�gliche Arbeitszeit in _Stunden_;

alpha, beta, gamma numerische Koeffizienten, die f�r eine bestimmte Art
der Arbeit und f�r eine bestimmte Person je konstant sind;

=f= (.) eine Funktion, die mit wachsendem Argument (d. h. mit
abnehmenden =a=) _w�chst_.

2. E h�ngt ab von der Energie der Lebensfunktionen (Intensit�t i des
Stoffwechsels), die von Person zu Person je nach Lebensalter,
R�stigkeit, Ern�hrungszustand etc. verschieden ist, und au�erdem von der
Dauer der _t�glichen Ruhezeit_, die, in Stunden, 24 - =a= betr�gt:

E = i � phi(24 - a)

wo \phi (.) eine Funktion bezeichnet, die mit wachsendem Argument
jedenfalls _w�chst_.

Hiernach wird die physiologische Bilanzgleichung zwischen Arbeitsprodukt
und Dauer der t�glichen Arbeitszeit:

alpha P + beta P � f(1/a) + gamma � a = i � phi(24 - a)

F�r jede bestimmte Person und jede bestimmte Art der Arbeit wird also
das t�gliche Arbeitsprodukt bei einer bestimmten Dauer der t�glichen
Arbeitszeit ein _Maximum_, und _Verk�rzung der Arbeitszeit_ mu� so lange
noch _Erh�hung der Tagesleistung_ zur Folge haben, als der Gewinn f�r
den t�glichen Kr�fteersatz aus der verl�ngerten Ruhezeit und die
Ersparnis an Kraftverbrauch f�r �Leergang� zusammen noch _gr��er_ sind
als der Kraftverbrauch f�r Beschleunigung des Arbeitstempos.

Fu�noten:

[Fu�note 35: [Dies Stenogramm ist von E. ABBE selbst einer -- allerdings
fl�chtigen -- Durchsicht unterzogen. Cz.]]

[Fu�note 36: [JOHN RAE, Der Achtstunden-Arbeitstag. Weimar, E. Felber,
1897.]]

[Fu�note 37: [Abgedruckt am Schlu� des zweiten Vortrags.]]

[Fu�note 38: [Ebenfalls am Schlu� des zweiten Vortrags abgedruckt.]]

[Fu�note 39: [Sp�ter hat E. ABBE die betreffenden Ziffern genauer, nach
den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung, diskutiert und das ganz
seiner fr�heren Annnahme entsprechende Ergebnis in engerem Freundeskreis
vorgetragen.]]

[Fu�note 40: [n�mlich, infolge der inzwischen eingetretenen
Gesamtsteigerung des Stromverbrauchs, die bis an die Grenze der
Leistungsf�higkeit der damaligen Maschine ging]]

[Fu�note 41: [S. 2. Anhang �Bedingungsgleichung usw�.]]

[Fu�note 42: ABBE selbst ma� fast 2 m, war aber sehr hager.]

[Fu�note 43: Maximum 53, Minimum 22 Jahre.]

[Fu�note 44: Maximum 33, Minimum 4 Jahre.]




VIII.

�ber die Aufgaben des Arbeiterausschusses.

Vortrag, gehalten in der Sitzung des Arbeiterausschusses der Firma Carl
Zeiss am 27. Januar 1902.

Nach einem vom Vortragenden durchgesehenen Stenogramm (bereits 1903 bei
_Vopelius_ in _Jena_ als Manuskript gedruckt nach einer nicht vom
Vortragenden durchgesehenen Kopie des Stenogramms).


M. H.! Ich begr��e den neugew�hlten Arbeiterausschu�, ich begr��e die
alten Mitglieder, die wir zum Teil seit Jahren hier zu sehen gewohnt
sind, wie auch diejenigen, die zum ersten Male sich hier eingefunden
haben, und spreche den Wunsch aus, da� auch in diesem Jahre, wie fr�her,
unsere Verhandlungen der Arbeiterschaft und dem Betriebe zum Vorteil
gereichen m�gen.

Ich bitte Sie nun, mir zu erlauben, bevor Sie zur Tagesordnung
�bergehen, einen allgemeinen �berblick �ber die Einrichtung, die wir
unter dem Namen Arbeiterausschu� haben, zu geben und dabei die
Auffassung darzulegen, die meine Kollegen und ich dar�ber auf Grund der
Erfahrungen w�hrend des letzten f�nfj�hrigen Zeitraumes gewonnen haben,
und Ihnen zu sagen, wie nach unserer Meinung im weiteren Verlauf der
n�chsten Jahre die Angelegenheiten, die der Arbeiterausschu� zu
behandeln hat, gef�hrt werden sollten.

Der Anla� dazu ist zun�chst in dem Umstande gegeben, da� f�nf Jahre
verflossen sind, seit die Einrichtung des st�ndigen Arbeiterausschusses
in unserem Betriebe besteht. Ein f�nfj�hriger Zeitraum bei einer neuen
Einrichtung bietet immer Anla� zu einem R�ckblick auf das, was man in
diesen f�nf Jahren an Erfahrungen gewonnen hat, und zu einer
Zusammenfassung dessen, was man auf diese Erfahrungen hin f�r die
Zukunft empfehlen zu sollen glaubt. Es kommt ferner noch ein besonderer
Umstand hinzu, n�mlich der, da� gerade in letzter Zeit die Einrichtung
des Arbeiterausschusses, wie sie bei uns besteht, mehrfach Gegenstand
�ffentlicher Kritik gewesen ist. Einmal geschah dies in einer
Versammlung, die vom Arbeitersekretariat im Laufe des letzten Sommers
einberufen worden war, wo unter den Gegenst�nden der Verhandlungen ein
Vortrag �ber Arbeiteraussch�sse angesetzt war, und ein zweites Mal in
einer Versammlung einer hiesigen Gewerkschaft und zwar ebenfalls im
Anschlu� an einen Vortrag �ber Arbeiteraussch�sse. Diese Kritik ist
meist abf�llig gewesen, in manchen Punkten unserer Auffassung nicht ganz
entsprechend, hat uns aber auch manche n�tzliche Winke gegeben.

In Hinsicht auf diese beiden Umst�nde, da� wir auf eine f�nfj�hrige
T�tigkeit zur�ckblicken und da� au�erdem auch von anderer Seite
�u�erungen hinzugekommen sind, die eine gewisse Ber�cksichtigung in
Anspruch nehmen k�nnen, m�chte ich nun einmal ganz allgemein die Frage
besprechen: Welche Aufgaben und Zwecke kann eine solche Einrichtung
vern�nftigerweise unter den gegebenen Verh�ltnissen erf�llen und welche
nicht? und danach dann weiter fragen: Was ist das Resultat eines
R�ckblickes auf die letzten f�nf Jahre und welches sind die Direktiven
f�r die Zukunft, die wir daraus entnehmen?

Ich beginne damit, in Erinnerung zu bringen, da� die Grundlage, auf
welcher der Arbeiterausschu� beruht, gegeben ist in einer Bestimmung des
Titels V des Stiftungsstatutes, die im allgemeinen nicht vorschreibt,
da� ein solcher st�ndiger Ausschu� bestehen _m�sse_, die aber besagt,
da�, _wenn_ einem Ausschu� allgemeinere Befugnisse zustehen sollen, er
bestimmten Anforderungen entsprechen m�sse -- da� er n�mlich aus
mindestens 12 Mitgliedern bestehen m�sse, da� er jedes Jahr einer
vollst�ndigen Erneuerung durch direkte geheime Wahl unterliege seitens
s�mtlicher �ber 18 Jahre alter Betriebsangeh�riger und da� das passive
Wahlrecht beschr�nkt sein m�sse auf die vollj�hrigen, seit mindestens
einem Jahre im Betriebe t�tigen, im gew�hnlichen Lohnverh�ltnis
stehenden Arbeiter. Ferner m�sse der Ausschu� befugt sein, auch ohne
Einberufung durch die Gesch�ftsleitung zusammenzutreten, und das Recht
haben, in allen Angelegenheiten des Betriebes auf seinen Antrag von der
Gesch�ftsleitung _geh�rt_ zu werden.

Um den Animus zu kennzeichnen, in dem diese Bestimmungen gegeben worden
sind, will ich den Herren vorlesen, was ich vor 6 Jahren in den Motiven
zum Statut �ber diesen Punkt niedergeschrieben habe; es bezieht sich das
auf den jetzigen � 64 des Statuts:

     �Bisher ist in den Stiftungsbetrieben noch kein Anla� gewesen,
     Rechte, welche jedem einzelnen Arbeiter und andererseits der
     Gesch�ftsleitung zustehen, _st�ndig_ auf eine besondere
     Zwischeninstanz zu �bertragen; man hat nur in einigen F�llen behufs
     Verhandlung bestimmter Angelegenheiten die Wahl eines Ausschusses
     ad hoc herbeigef�hrt. Wenn aber, wie es wahrscheinlich ist, �ber
     kurz oder lang auch hier eine st�ndige Zwischeninstanz Bed�rfnis
     wird, so soll diese eine _wirkliche_ Arbeitervertretung sein, nicht
     eine Kulisse, hinter welcher zuletzt wieder der Unternehmer stecken
     kann. Sie soll also in allen St�cken so konstituiert sein, da� sie
     das volle Vertrauen der Arbeiterschaft haben mu�, eine Vertretung
     _ihrer_ Interessen zu sein -- damit die Gesch�ftsleitung, wenn sie
     in irgend einer Sache mit dieser Vertretung ins reine gekommen ist,
     annehmen kann, auch mit der ganzen Arbeiterschaft im reinen zu
     sein.�

Ich berufe mich darauf gegen�ber der Generalisation, die in Hinsicht auf
Arbeiteraussch�sse gemacht worden ist, wie sie vielfach bestehen, von
denen man sagt, sie seien wesentlich �dekorativer� Art. Ich sage, wenn
das anderw�rts wahr ist, so habe _ich_ das Recht in Anspruch zu nehmen,
zu sagen: �_mit Ausnahme des Arbeiterausschusses der Firma Carl Zeiss_.�

Da� wir einen derartigen Zweck nicht verfolgen, sehen Sie genau aus der
Art und Weise, wie wir es mit dem Arbeiterausschu� halten. Wenn jemand
dekorativ, um die sozialen Kl�fte mit Rosen zu �berdecken, einen
Arbeiterausschu� einrichtet, dann hat er nicht die Beflissenheit, eine
selbst�ndige, von dem Einflu� des Unternehmers unabh�ngige Vertretung zu
schaffen, dann bem�ht er sich nicht daf�r zu sorgen, da� ja nicht bei
der Auswahl der Personen der Unternehmer dahinter stecken kann und da�
nicht die Betriebsbeamten eine Rolle dabei spielen; er gibt dem Ausschu�
vor allen Dingen nicht das Vorrecht, da� er unabh�ngig und ohne
Mitwirkung des Unternehmers zusammentreten k�nne und in allen
Angelegenheiten geh�rt werden m�sse.

Das will ich nur gegen die Meinung sagen, da� _alle_ Arbeiteraussch�sse
dekorativer Art sein m��ten; der hiesige ist es _nicht_. Wie gering
oder wie hoch man im �brigen seinen Wert anschlagen mag, Dekoration ist
er _nicht_.

Richtig ist, da� der Arbeiterausschu� geringe Befugnisse hat; er hat im
wesentlichen nur die Befugnis, in allen Angelegenheiten �_geh�rt_� zu
werden, eine _beratende_ Mitwirkung in allen Angelegenheiten, die das
Interesse der Arbeiterschaft ber�hren. Es ist sehr wenig, wenn man sagt
�beratend�, dabei ist aber zu unterscheiden, ob jemand seinen Rat zu
geben das Recht hat, nur wenn er _gefragt_ wird oder auch, wenn er
_nicht_ gefragt wird -- unser Arbeiterausschu� hat das Recht zu raten,
auch wenn er _nicht_ gefragt wird. Das ist das erste. Zweitens: Das
Recht, geh�rt zu werden, scheint zun�chst nicht viel zu besagen; es
besagt noch nicht einmal, da� der, der etwas anh�rt, es dann auch _tun_
m�sse. Nun ist es aber in Deutschland nur der Bundesrat, der dem
Reichstag gegen�ber so verf�hrt, da� er dem, der das Recht hat, geh�rt
zu werden, keine Antwort gibt; bei jedem andern wird man das als grob
und unpassend ansehen. Da Sie nun immer annehmen d�rfen, da� diese
Bestimmungen des Statuts niedergeschrieben und getroffen sind unter der
Voraussetzung, da� es sich um den Verkehr zwischen anst�ndigen Leuten
handelt, so k�nnen Sie die Sicherheit haben, da� damit ausgedr�ckt
werden soll, da� die Gesch�ftsleitung nicht nur alles, was der Ausschu�
vorbringt, _anh�ren_, sondern auch immer eine _Antwort geben_ wird, die
anst�ndigerweise auch immer mit _Gr�nden_ versehen sein mu�. Ich glaube,
bei n�herem Zusehen werden Sie finden, da� das Recht, geh�rt zu werden,
schon ein gewisses wertvolles Recht ist, _wenn man es richtig zu
gebrauchen versteht_.

Immerhin bleibt nun die Frage: was f�r Rechte _k�nnte_ denn ein Ausschu�
noch haben? Es ist ja wiederholt in der �ffentlichen Diskussion darauf
hingewiesen worden, die Rechte seien so unbedeutend, da� es sich
�berhaupt nicht lohne, dar�ber zu reden; der Ausschu� k�nne ja in keiner
Sache ein entscheidendes Wort sprechen, er sei immer nur darauf
angewiesen, mit der Gesch�ftsleitung zu _verhandeln_, und m�sse sich
gefallen lassen, da� nur das geschieht, was die Gesch�ftsleitung
akzeptiert, und das nicht, was sie nicht akzeptiert.

Welche Befugnisse ein solcher Ausschu� unter anderen als den
gegenw�rtigen Verh�ltnissen, welche Befugnisse er etwa im
�Zukunftsstaate� haben k�nnte, dar�ber k�nnen wir hier nicht
diskutieren. Wir m�ssen mit den gegebenen Verh�ltnissen rechnen. Und da
sage ich: alle _Befugnisse_, Entscheidungen zu treffen, sind nach zwei
Richtungen hin ganz eng begrenzt und m�ssen es bleiben; erstens _in
R�cksicht_ auf diejenigen, welche der Ausschu� vertreten soll, _auf die
gesamte Arbeiterschaft_. Jedes Recht zu entscheiden, das dem Ausschu�
beigelegt wird, bedeutet eine entsprechende Verminderung der Rechte der
�brigen, es bedeutet, da� der Arbeiterausschu� in Sachen entscheidet, in
denen jeder einzelne dann nicht mehr zu entscheiden hat. Also
beispielsweise, wenn wir �bereinkommen w�rden, da� durch Arbeitsvertrag
vereinbart werde, da� gewisse Sachen, z. B. kleine Abweichungen von der
regelm��igen Arbeitszeit und andere Angelegenheiten, die wir bisher
immer durch Abstimmung in der Werkst�tte erledigt haben, in Zukunft
durch den Ausschu� entschieden w�rden, so hei�t das: die Rechte der
_einzelnen_ schm�lern; der Vertreter hat dann das Recht, nach seinem
Daf�rhalten abzustimmen, selbst wenn die von ihm Vertretenen anderer
Meinung sind. Nun, ich alter Demokrat werde niemals einer Einrichtung
zustimmen, welche die Rechte der Vertretenen beschr�nkte zum Vorteil der
Vertreter. F�r mich ist jede parlamentarische Einrichtung immer nur ein
Mittel, um �ber das Hindernis hinwegzukommen, mit einer gro�en Mehrheit
verhandeln zu m�ssen, also nur ein Mittel zum Zweck. Wenn dem Ausschu�
�berhaupt entscheidende Befugnisse beizulegen w�ren, wo es sich um
Sachen von gr��erer Bedeutung handelt, w�rde ich also immer sagen: unter
dem Vorbehalt des _Referendums_. Es ist das auch bisher geschehen;
nachdem die Angelegenheit im Ausschu� gen�gend gekl�rt war, wurde die
Abstimmung der Gesamtheit �berlassen.

Das ist, sage ich, eine Beschr�nkung in bezug auf die m�glicherweise dem
Arbeiterausschu� beizulegenden Befugnisse; eine Beschr�nkung nach der
_anderen_ Richtung w�re es, dem Arbeiterausschu� Befugnisse beizulegen,
die nach der jetzigen Einrichtung und den bei uns gegebenen
Verh�ltnissen die _Gesch�ftsleitung_ bisher gehabt hat. Zur
Voraussetzung w�re dabei zu machen, da� dem Arbeiterausschu� auch die
_Verantwortung_ �bertragen w�rde; es gebietet dies sachgem�� die
R�cksicht auf die Existenz des Betriebes. Wenn im �Zukunftsstaat� etwa
die Arbeiteraussch�sse die gro�en Betriebe dirigieren sollten, so w�rde
das auch nur dann m�glich sein, wenn sie die Verantwortung haben. Wenn
es sich aber _heute_ darum handelt zu fragen, ob wir nicht dem
Arbeiterausschu� Rechte einr�umen k�nnten, die bisher die
Gesch�ftsleitung gehabt hat, so k�nnen wir vern�nftigerweise nur die
_jetzigen_ Verh�ltnisse dabei zugrunde legen, indem wir uns fragen: kann
die Gesch�ftsleitung unter den jetzigen Verh�ltnissen vern�nftigerweise
die Verantwortung auf den Ausschu� abw�lzen?

Ich sage also: Wenn es auch nicht ausgeschlossen ist, da� nach beiden
Richtungen hin vielleicht einmal ein Ausschu� au�er den ihm bisher
zugestandenen Rechten noch weitere Befugnisse entscheidender Art h�tte,
die einerseits die Arbeitsgenossen und andererseits die Gesch�ftsleitung
respektieren m��ten, so wird das unter den jetzigen Verh�ltnissen doch
immer nur in relativ engbegrenztem Spielraum m�glich sein, und ich
betone das nur, damit vern�nftige Leute uns nicht den Vorwurf machen,
da� hier unvern�nftige Dinge bestehen oder versucht werden.

Nun, das betrifft im allgemeinen die Frage, welche Befugnisse und Rechte
sich eine Arbeitervertretung f�r die Zukunft im Anschlu� an die
bestehenden allm�hlich erwerben k�nnte -- da� Rechte _geschenkt_ werden
sollen, wird �berhaupt niemand verlangen wollen.

Nun wende ich mich zu der anderen Frage: was hat denn unser
Arbeiterausschu� in den letzten f�nf Jahren geschaffen? Eine
Zusammenstellung der verschiedenen Gegenst�nde der Verhandlungen dieser
f�nf Jahre ergibt, da� wir einerseits eine gro�e Anzahl von Einzelfragen
diskutiert haben, die kaum ein erhebliches Interesse f�r die Gesamtheit
haben; wir haben aber auch andererseits eine gro�e Anzahl wichtiger
Angelegenheiten unter dem Standpunkt des Interesses der Arbeiterschaft
nicht nur diskutiert, sondern auch gef�rdert. Gleich im Jahre 1897 ist
der Anfang gemacht worden mit einer wichtigen Sache, die freilich nicht
in der zuerst geplanten Weise zur Ausf�hrung gekommen ist, die aber
anderen eine Anregung gegeben hat, ich meine die Verhandlungen �ber den
_Bau von Arbeiterwohnungen_. Durch die damaligen Diskussionen ist die
Anregung zur Gr�ndung der Jenaer Baugenossenschaft gegeben worden, die
vielleicht sonst jetzt noch nicht best�nde. Es sind dann au�erdem im
Laufe dieser f�nf Jahre wiederholt Besprechungen �ber Verbesserung der
Betriebseinrichtungen, _Kantine und Badeanstalten_ gewesen. Wir haben
sehr lange diskutiert �ber die _Fortbildung des Arbeitsvertrages_. Der
jetzige Arbeitsvertrag tr�gt auf dem Titelblatt den Hinweis auf die drei
Stadien, die er durchlaufen hat. Im Jahre 1897 wurde der urspr�ngliche
Text festgesetzt, dann ist hinzugekommen Anfang 1900 die R�cksichtnahme
auf � 616 des B�rgerlichen Gesetzbuches und endlich ebenfalls im Jahre
1900 die Vereinbarung, die zur Einf�hrung der _achtst�ndigen
Arbeitszeit_ gef�hrt hat.

Ich hebe diese wichtigeren Punkte, von denen niemand bestreiten wird,
da� die Diskussionen im Ausschu� zu Ma�nahmen gef�hrt haben von
allgemeinem Interesse, nur hervor, um darauf hinzuweisen, da� es nicht
richtig ist, wenn in den �ffentlichen Diskussionen gesagt wurde, es
haben die Arbeiteraussch�sse unter den gegenw�rtigen Verh�ltnissen
keinen anderen Zweck, als die Funktionierung gro�er Betriebe zu
erleichtern. Da� der Ausschu� dies _auch_ tue, ist sehr richtig; denn
eine gute Funktionierung hat zur Voraussetzung, da� eine regelm��ige
Verst�ndigung zwischen Betriebsunternehmer und Arbeiter m�glich sei,
damit etwaige �belst�nde und Beschwerden zur rechten Zeit erledigt
werden k�nnen. Insoweit ein Arbeiterausschu� diese Funktion erf�llt, die
zwar nicht ausschlie�lich dem Interesse der Arbeiter dient, aber doch
wesentlich mit dient -- denn die richtige Funktionierung ist in erster
Reihe im Interesse der Arbeiter -- hat er auch schon eine wichtige
Rolle. Aber das ist nach unseren Erfahrungen nicht die einzige Funktion.
Er soll auch ein Organ sein f�r die _Fortbildung des kollektiven
Arbeitsvertrages_, das daf�r sorgt, da� das Rechtsverh�ltnis zwischen
Arbeiter und Unternehmer in einer Form geregelt werde, die wie f�r den
einen, so auch f�r alle gilt, und da� alles, was mit einzelnen
vereinbart wird, zugleich Bedeutung hat f�r alle. Die Fortbildung des
Arbeitsvertrages geh�rt auch tats�chlich mit zu den Angelegenheiten, in
denen unser Arbeiterausschu� in diesen f�nf Jahren t�tig gewesen ist.

Man kann also meiner Meinung nach nicht billigerweise behaupten, da�
etwa wegen der geringen Befugnisse, die dem Arbeiterausschusse zustehen,
diese Einrichtung nicht dem Interesse der Arbeiter gedient habe. Ich
berufe mich darauf, da� die Erfahrung zeigt, da� eine gro�e Zahl von
Angelegenheiten gef�rdert worden ist, von denen man sagen kann, da� sie
�berhaupt nicht oder nur viel sp�ter gef�rdert worden w�ren ohne diese
Einrichtung. Man k�nnte nun zwar sagen, da� das, was durch diese
Einrichtung erreicht worden ist, m�glicherweise auch ohne sie erreicht
werden konnte. Aber das ist nicht richtig. Es bleibt vielmehr dabei
bestehen: wenn diese Einrichtung nicht dagewesen w�re, so w�re es nicht
erreicht worden, weil dann das Organ gefehlt h�tte, welches zur rechten
Zeit die Initiative ergreift.

Ich betone dies angesichts des Standpunktes, da�, weil ja der
Arbeiterausschu� nicht entscheidend, sondern nur beratend mitwirke, es
sich nicht lohne, sich �berhaupt daran zu beteiligen. Wer aber immer
noch auf diesem Standpunkt beharrt, unter dem ganz sicher
unvermeidlichen Zugest�ndnis, da� der Arbeiterausschu� gen�tzt habe in
diesen f�nf Jahren, trotz der beschr�nkten Rechte, der ist in meinen
Augen ein Beispiel f�r die Denkungsart jenes bekannten Jungen, der da
sagte: �Es geschieht meinem Vater schon ganz recht, wenn ich die Pfoten
erfriere -- warum hat er mir keine Handschuhe gekauft.�

       *       *       *       *       *

Nun weiter: was _k�nnen_ wir aus unseren Erfahrungen der zur�ckliegenden
f�nf Jahre und aus der Kritik, die gegen uns ge�bt worden ist, f�r die
Zukunft _lernen_? Wir k�nnen mancherlei lernen �ber die Art und Weise,
wie wir in der n�chsten Zeit versuchen k�nnen, die Einrichtung noch
wirksamer zu machen, als sie bisher gewesen ist. Ich will die
Hauptsachen, die unter diesem Gesichtspunkt von seiten der
Gesch�ftsleitung in Anregung gebracht werden sollen, erw�hnen, unter dem
Vorbemerken, da� es freisteht, da� auch von Ihrer Seite Anregungen
kommen -- und dazu sind in erster Linie diejenigen verpflichtet, die da
sagen, die jetzige Einrichtung n�tze ja nichts.

Ich will zun�chst zwei Hauptpunkte markieren, in denen wir vollkommen
mit den Ansstellungen der Kritik �bereinstimmen. Es ist erstens die
Frage, ob die jetzige _Zusammensetzung des Ausschusses_, die nach dem
bisher gehandhabten Wahlmodus zu einer Ziffer von 66 Mitgliedern gef�hrt
hat, wirklich zweckm��ig ist oder ob nicht ein _wesentlich kleinerer
Ausschu�_ die Funktionen besser, leichter und einfacher wahrnehmen
w�rde. Das ist aus dem Kreis der Arbeiter im vorigen Sommer auch
�ffentlich ge�u�ert worden, und es ist auch unser Gedanke schon seit
l�ngerer Zeit gewesen. Der Umstand, da� fast jeder Arbeitsraum seinen
Vertreter hat, hat allm�hlich zu einer Mitgliederzahl gef�hrt -- im
ersten Jahr waren es nur 32, jetzt sind es 66 -- die alle Aktionen sehr
schwerf�llig macht. Ein Arbeiterausschu�, der aus vielen Vertretern
besteht, wird gel�hmt eben durch die gro�e Zahl seiner Mitglieder.
Namentlich zeigt sich das bei den Verhandlungen �ber unbedeutende Dinge;
denn wenn viele Leute �ber eine Kleinigkeit zu reden haben, wird die
Verhandlung immer sehr breit, weil ein jeder etwas sagen will und ein
jeder eine andere Meinung dar�ber hat. Dreht es sich dagegen um eine
wichtige Sache, so sind in der Regel nur zwei grunds�tzlich verschiedene
Meinungen vorhanden, und die Verhandlung geht dann viel schneller. Ich
habe mich gewundert, da� man noch nicht von seiten der Arbeiterschaft an
den Ausschu� herangetreten ist mit der Aufforderung, er solle doch den
Antrag an die Gesch�ftsleitung stellen, da� der Ausschu� in Zukunft
anders zusammengesetzt werde. Da es bis jetzt nicht geschehen war,
hatten wir zun�chst keine Veranlassung, die Sache unsererseits als
dringlich anzusehen; wir wollten es darauf ankommen lassen. Aber ich
m�chte Ihnen nun in erster Reihe empfehlen, in Erw�gungen dar�ber
einzutreten, ob Sie nicht Ihren ersten Antrag dahin stellen sollen, den
Ausschu� neu zu w�hlen, mit geringerer Personenzahl, unter
Verzichtleistung auf die bisherige �bung, einen Vertreter f�r fast jeden
Arbeitsraum zu haben. Wir w�rden jede kleinere Ziffer von nicht unter 15
akzeptieren, wenn dabei vorgesehen ist, da� die verschiedenen
Interessengruppen unseres Betriebes eine angemessene Vertretung finden.
Wenn also ein Wahlmodus getroffen w�rde, etwa wie bei dem
Krankenkassenvorstande, wobei der gro�e Betrieb nach seinen
Hauptbetriebsabteilungen w�hlt, so da� jede Abteilung 1 oder 2 Vertreter
stellt, so w�rde dadurch erreicht sein, da� die verschiedenen Gruppen im
Arbeiterausschu� vertreten sind. Auch w�rde auf diese Weise die
Lokalfrage wesentlich erleichtert. Das ist das erste, was ich Ihnen
seitens der Gesch�ftsleitung zu erw�gen anheimgebe.

Das zweite, auf das ich Sie aufmerksam machen m�chte -- und das stimmt
ebenfalls mit den �ffentlichen Einw�nden �berein -- geht nach einer
Richtung, in der, wie ich glaube, wir auch versuchen k�nnen, die
Einrichtung wirksamer zu machen. Sie haben n�mlich bisher von einem
wertvollen Rechte, das durch statutarische Bestimmung festgesetzt ist,
gar keinen Gebrauch gemacht, n�mlich: _zusammenzutreten ohne Einberufung
durch die Gesch�ftsleitung_. Es hat noch nie in den f�nf Jahren eine
Versammlung stattgefunden, ohne da� die Gesch�ftsleitung ausdr�cklich
hinzugezogen worden w�re. Nach Bestimmung von � 64 des Statuts sind Sie
befugt, zusammenzutreten �auch ohne Einberufung� und das hei�t: ohne
Mitwirkung der Gesch�ftsleitung. Von diesem Rechte ist noch niemals
Gebrauch gemacht worden. Ich glaube nun, es w�rde durch die
Zusammenberufung, ohne da� die Gesch�ftsleitung zur Teilnahme
aufgefordert wird, namentlich bei einer kleineren Versammlung die
M�glichkeit gegeben sein, viele Angelegenheiten -- und namentlich
solche, die eine freiere Aussprache -- bedingen viel besser
vorzubereiten, als es bisher m�glich gewesen ist, ehe sie zu einer
Diskussion mit der Gesch�ftsleitung kommen. Ich stelle Ihnen also
anheim, in Erw�gung zu ziehen, ob Sie nicht Angelegenheiten, die Sie mit
der Gesch�ftsleitung diskutieren wollen, besser vorher erst selbst unter
sich beraten, damit Ihre Ansichten sich kl�ren und damit das, was der
Arbeiterausschu� vortr�gt, auf Grund der besseren Kl�rung auch ein
besseres Ansehen beanspruchen kann. Sie haben dabei ja nat�rlich
vollkommene Freiheit, wie Sie die Sache handhaben wollen, auf
Einberufung des Vorsitzenden oder auf Antrag der Mitglieder in einem
beliebigen Lokal -- selbstverst�ndlich steht Ihnen ein solches hier
immer zur Verf�gung -- zusammenzukommen und dann von Ihrem Standpunkt
und in Ihrem Interesse zu verhandeln, bis Sie an die Gesch�ftsleitung
herantreten.

Das dritte, was wir Ihnen in bezug auf Verbesserungen vorschlagen
m�chten, betrifft die _Beschr�nkung der Diskussionen_ zwischen dem
Arbeiterausschu� und der Gesch�ftsleitung auf solche Angelegenheiten,
die wirklich _die Arbeiterschaft im allgemeinen_ interessieren und die
nicht nur f�r einzelne Personen oder einzelne Abteilungen von Interesse
sind, sondern wenigstens f�r einen gr��eren Teil des Betriebes. Wir
haben zwar auch fr�her schon immer darauf hingewiesen, da� ja doch der
richtige Gegenstand der Verhandlungen darin gegeben sei, da� man Dinge
zur Sprache bringe, die mit den einzelnen nicht besprochen werden k�nnen
und die �ber das Einzelinteresse hinausgehen. Es trifft uns aber der
Vorwurf, da� wir viel zu oft uns auf Beschwerden eingelassen haben, die
nur einzelne Personen oder einzelne Abteilungen ber�hrten und bei denen
die Unterlagen nicht vorher festgestellt waren. Wir haben dabei oft
leider das norddeutsche Sprichwort vergessen: �eines Mannes Rede ist
keines Mannes Rede, man mu� sie h�ren alle beede� -- da sind wir
manchmal b�se reingefallen. Wenn wir Vorhaltungen machten, erfuhren wir
oft, entweder da� sich die Tatsachen gar nicht so verhielten, wie sie
uns vorgebracht waren, oder da� noch andere Tatsachen mit zu
ber�cksichtigen waren. Auf diese Weise sind wir wiederholt in eine
schiefe Lage gekommen, und es geschah uns recht. Wir waren unvorsichtig
gewesen und hatten uns angesichts einer solchen Angelegenheit auf
Zusagen festgenagelt, aber am folgenden Tage, wo wir es mit dem
Werkmeister zu tun hatten, wurde die Stellungnahme eine andere.

Wir wollen es also in Zukunft zur festen Regel machen: Alle
Angelegenheiten kann der Arbeiterausschu� zum Gegenstande seiner
Er�rterungen machen und in allen Angelegenheiten kann er geh�rt werden
-- letzteres aber erst dann, wenn es eine Sache geworden ist, welche f�r
die Arbeiterschaft im allgemeinen Interesse hat. Handelt es sich um die
Interessen einzelner oder einzelner Abteilungen, so ist _zun�chst_ zu
versuchen, die Sache auf dem gew�hnlichen Instanzenweg durch den
direkten Verkehr zu erledigen, und erst dann, wenn die Art der
Erledigung noch etwas �brig l��t, woran die Arbeiterschaft Ansto� nehmen
kann, mag der _Ausschu�_ die Angelegenheit vor die Gesch�ftsleitung
bringen. Wir werden in dieser Richtung ganz streng verfahren. Damit wird
auch von selbst abgeschafft werden, was sich recht unerfreulicherweise
herausgebildet hat, da� einige einen gewissen Sport darin suchen, sich
hier an den Werkmeistern zu reiben, und da� wir dann solche Sachen, die
kurzer Hand h�tten erledigt werden k�nnen, hier breit treten. Ich berufe
mich darauf, da� auch �ffentlich darauf aufmerksam gemacht worden ist,
da� hier Dinge verhandelt wurden, die ebensogut zwischen den einzelnen
und der Gesch�ftsleitung und in den einzelnen Abteilungen verhandelt
werden konnten.

Dies sind die Punkte, auf die ich hier hinweisen wollte, um zu zeigen,
wie wir aus den bisherigen Erfahrungen und der Kritik n�tzliche Winke
f�r die Zukunft entnehmen k�nnen.

       *       *       *       *       *

Ich bin damit in der Hauptsache zu Ende und will nur noch ein paar Worte
hinzuf�gen in bezug auf die _Redewendungen_, mit denen die Kritik �ber
unsere Einrichtung verbr�mt worden ist, weil diese Redewendungen einiges
Aufsehen erregt haben. Es ist, glaube ich, die _Dorfzeitung_ gewesen,
die der Katze die Schelle angeh�ngt hat. Zum gr��ten Gaudium aller
Scharfmacher in Deutschland verbreitete sie das Ger�cht, die Firma Carl
Zeiss sei mit ihrer Arbeiterschaft aufs sch�rfste verkracht. Ich habe
einen Schreibebrief erhalten von einem bekannten Scharfmacher, der
offenbar sein Vergn�gen daran hatte, zu h�ren, da� wir verkracht seien.
Nun, wir haben das mit dem gr��ten Humor angesehen. Ich mu� Ihnen aber
sagen, da� auch in unseren Arbeiterkreisen solche Scharfmacher sind. Es
gibt eine Anzahl Leute, die alles behandeln unter dem Stichwort des
�Klassenkampfes� und die meinen, sie k�nnten dem Arbeiterinteresse nur
gerecht werden, indem sie immer die Streitaxt in die H�he halten. Ich
sage nur, das m�gen sehr t�chtige und ehrenwerte Leute sein,
Kampfnaturen, denen es Vergn�gen macht, wenn sie die Streitaxt schwingen
k�nnen; es k�nnen sehr anst�ndige Leute sein und an manchen Orten in
Deutschland sehr am Platze -- _bei uns aber haben sie ihren Beruf
verfehlt, weil hier gar kein Unternehmer da ist_, der unter dem Zeichen
des Klassenkampfes sich bek�mpfen lie�e.

Meine Kollegen und ich m�ssen uns an das halten, was gegeben ist, wir
k�nnen unsere Einrichtungen nicht auf die Anforderungen des
Zukunftsstaates zuschneiden. Aber innerhalb der uns gegebenen Grenzen
bem�hen wir uns redlich, die Interessen unserer Mitarbeiter zu f�rdern.
Es mag Interessenstreitigkeiten geben, weil die Arbeiter in gewissen
Punkten entgegengesetzter Meinung sind und manche Sonderinteressen
haben, und ich bin gewi� der letzte, der meinte, es sei alles Harmonie;
_aber innerhalb unseres Betriebes gibt es keinen �Klassenkampf�_
-- der geh�rt in die politische Arena, in den Reichstag. _Bei uns
gibt es nur ein Zusammenarbeiten auf dem Boden der friedlichen
Interessenausgleichung._ Wer das verkennt und hier auch meint, er k�nne
Arbeiterinteressen nur in der Positur des Kampfhahnes vertreten, der hat
seinen Beruf verfehlt. Der Kampfhahn, dem nicht ein anderer in derselben
Positur gegen�bersteht, ist eine l�cherliche Figur, und das Kikeriki,
dem nicht ein anderes Kikeriki entgegent�nt, ist ein komisches Ger�usch!

Indem ich mich dahin ausspreche, da� wir gegen�ber solchen Anfechtungen
unempfindlich sein werden, gebe ich Ihnen nochmals die Versicherung, da�
wir auf dem Boden der gegebenen Verh�ltnisse bestrebt sind, die
Interessen des Arbeiterstandes zu f�rdern und da� wir die, die nicht auf
diesem Boden mit uns diskutieren wollen, nicht ernsthaft nehmen.

Ich berufe mich darauf, da� alle Fortschritte auf sozialem Gebiete nicht
geschehen sind unter der Parole �Arbeiter gegen Unternehmer�, sondern
unter der anderen Parole �fortgeschrittene Arbeiter und fortgeschrittene
Unternehmer gegen r�ckst�ndige Arbeiter und r�ckst�ndige Unternehmer�.
Und das ist die Parole, unter der ich Sie bitte, da� Sie die Arbeit in
diesem Kreise mit uns wieder aufnehmen wollen.




IX.

Statut der Carl Zeiss-Stiftung zu Jena.


     [Nachstehend ist das Stiftungs-Statut in dem Wortlaut
     wiedergegeben, den es verm�ge der gem�� � 117 vorgenommenen
     Neuredaktion k�rzlich erhalten hat. In dieser Gestalt ist es unter
     dem 5. Dezember 1905 vom Gro�h. S. Staatsministerium Departement
     des Innern genehmigt und alsbald ver�ffentlicht worden und am 1.
     Januar 1906 in Kraft getreten.[45]

     Es d�rfte jedoch manche Leser interessieren, auch den
     urspr�nglichen, noch ganz von E. ABBE selbst herr�hrenden bezw.
     angenommenen Text, ausgegeben im August 1896, kennen zu lernen und
     daraus zugleich Art und Umfang der Ab�nderungen und Erg�nzungen zu
     ersehen.

     Zu diesem Zwecke sind -- unter Fortlassung von wenigen ganz
     unbedeutenden und rein redaktionellen Ab�nderungen -- in dem
     nachfolgenden Abdruck

     a) alle in dem =urspr�nglichen Text vom August 1896 nicht
     enthaltenen= Worte bezw. S�tze =kursiv= gedruckt, m�gen sie =neu
     hinzugef�gt= oder =an die Stelle= von anderen =getreten= sein,

     b) diejenigen Worte bezw. S�tze des alten Statuts, welche in der
     _neuen Ausgabe weggefallen_ oder durch andere _ersetzt_ sind, an
     den zugeh�rigen Stellen in _Anmerkungen_ wiedergegeben.

     _Die Marginalien sind Zusatz des Herausgebers._]

[Dem Text der Erstausgabe des Statuts gingen die folgenden beiden
Erkl�rungen voraus.]

In Erf�llung fr�herer Zusagen gebe ich vor Ablauf des 50. Jahres seit
dem Bestehen der Optischen Werkst�tte den Beamten und der Arbeiterschaft
dieser und des Glaswerks die Einrichtungen bekannt, welche behufs
endg�ltiger Ordnung der Verfassung beider Firmen, sowie behufs Regelung
des Wirkungskreises der CARL ZEISS-Stiftung �berhaupt, getroffen worden
sind -- indem ich s�mtlichen Betriebsangeh�rigen das nunmehr
festgestellte und landesherrlich best�tigte


Statut der Carl Zeiss-Stiftung

hiermit �berreiche.

Die Angeh�rigen der Optischen Werkst�tte im besondern bitte ich, dieses
Statut und die darin ihnen gebotenen Garantien f�r dauernde Geltung
derjenigen Grunds�tze, die in der Leitung und Verwaltung der Firma
bisher bet�tigt worden sind, als die Festgabe ansehen zu wollen, welche
ich als fr�herer Mitinhaber der Firma zum Eintritt derselben in das
zweite halbe Jahrhundert ihrer T�tigkeit der Gesamtheit meiner
Mitarbeiter darbringe.

Ich w�nsche und hoffe hierbei, da� die Optische Werkst�tte und das
Glaswerk auf den Grundlagen, auf welche dieses Statut beide
Unternehmungen stellt, weiterhin bl�hen und gedeihen m�gen -- zum
Vorteil aller, die in ihren Verband eintreten, zum Dienst des
Gemeinwohls, zur Ehre deutscher feintechnischer Industrie!

_Jena_, den 26. August 1896.
Dr. Ernst Abbe.

       *       *       *       *       *

Nachdem die durch Urkunde vom 19. Mai 1889 begr�ndete, unterm 21. Mai
1889 landesherrlich best�tigte und mit dem Recht der juristischen Person
bekleidete �Carl Zeiss-Stiftung zu Jena� am 1. Juli 1891 auf Grund
vertragsm��iger Vereinbarungen mit dem Stifter und den damaligen
Mitinhabern der Firma Carl Zeiss und der Firma Schott & Gen. in Jena
alleiniger Inhaber der �Optischen Werkst�tte� daselbst und Mitinhaber
des dortigen �Glaswerks f�r wissenschaftliche und technische Zwecke�
geworden, ist behufs endg�ltiger Regelung des seitdem erweiterten
Aufgaben- und Wirkungskreises der genannten Stiftung das nachstehende


Statut der Carl Zeiss-Stiftung

durch den Stifter errichtet worden.

Dasselbe soll nach erfolgter landesherrlicher Best�tigung vom 1. Oktober
1896 ab an die Stelle der Stiftungs-Urkunde vom 19. Mai 1889 treten und
diese insoweit au�er Wirksamkeit setzen, als nicht ihr Inhalt in diesem
Statut ausdr�cklich als in Geltung verbleibend erkl�rt ist.


Titel I.

Konstituierende Bestimmungen.

� 1.


_Zwecke der Stiftung._

[Sidenote: Zwecke der Stiftung.]

Die Zwecke der Carl Zeiss-Stiftung sind:

A.

[Sidenote: A. im Rahmen der Stiftungsbetriebe.]

1. Pflege der Zweige feintechnischer Industrie, welche durch die
Optische Werkst�tte und das Glaswerk unter Mitwirkung des Stifters in
Jena eingeb�rgert worden sind, durch Fortf�hrung dieser Gewerbsanstalten
unter unpers�nlichem Besitztitel; im besondern:

2. Dauernde F�rsorge f�r die wirtschaftliche Sicherung der genannten
Unternehmungen sowie f�r Erhaltung und Weiterbildung der in ihnen
gewonnenen industriellen Arbeitsorganisation -- als der Nahrungsquelle
eines zahlreichen Personenkreises und als eines n�tzlichen Gliedes im
Dienst wissenschaftlicher und praktischer Interessen;

3. Erf�llung gr��erer sozialer Pflichten, als pers�nliche Inhaber
dauernd gew�hrleisten w�rden, gegen�ber der Gesamtheit der in ihnen
t�tigen Mitarbeiter, behufs Verbesserung ihrer pers�nlichen und
wirtschaftlichen Rechtslage.


B.

[Sidenote: B. au�erhalb der Stiftungsbetriebe.]

1. F�rderung allgemeiner Interessen der obengenannten Zweige
feintechnischer Industrie im eigenen Wirkungskreis der Stiftungsbetriebe
wie au�erhalb desselben;

2. Bet�tigung in gemeinn�tzigen Einrichtungen und Ma�nahmen zugunsten
der arbeitenden Bev�lkerung Jenas und seiner n�chsten Umgebung;

3. F�rderung naturwissenschaftlicher und mathematischer Studien in
Forschung und Lehre.

Die unter A bezeichneten Zwecke sind durch die Stiftung ausschlie�lich
verm�ge statutengem��er Verwaltung ihrer Gewerbsinstitute und innerhalb
dieser zu erf�llen.

Die unter B benannten Aufgaben sollen der Stiftung obliegen als dem
Nutznie�er der Ertr�gnisse, welche ihre Unternehmungen �brig lassen
m�gen, nachdem den erstgenannten Aufgaben in ihnen gen�gt ist.


� 2.

_Name._

[Sidenote: Name.]

Die Stiftung soll f�r alle Zeit den Namen �_Carl Zeiss-Stiftung_� f�hren
zu Ehren des Mannes, der zu obengenannten Unternehmungen den ersten
Grund gelegt hat und zur dauernden Erinnerung an sein eigenartiges
Verdienst: geordnetes Zusammenwirken von Wissenschaft und technischer
Kunst auf seinem besondern Arbeitsfeld zielbewu�t angebahnt zu haben.


� 3.

_Domizil._

[Sidenote: Sitz.]

Der rechtliche Sitz der Stiftung ist Jena.


_Organe der Stiftung._

� 4.

[Sidenote: Organe der Stiftung.]

F�r die Vertretung der Carl Zeiss-Stiftung als juristischer Person, die
Verwaltung ihres Verm�gens und die oberste Leitung ihrer Angelegenheiten
soll stets eine besondere �_Stiftungsverwaltung_� bestehen.

F�r die Leitung der industriellen T�tigkeit der Stiftung und die
Verwaltung ihrer Gesch�ftsbetriebe sollen durch dieses Statut als die
weiteren geordneten Organe der Stiftung neben der Stiftungsverwaltung
eingesetzt sein:

die �_Vorst�nde_� (�Gesch�ftsleitungen�) der jeweils bestehenden
Stiftungsbetriebe;

ein zur Vertretung der Stiftungsverwaltung bei diesen Betrieben
berufener st�ndiger Kommissar (�_Stiftungskommissar_�).

welche beide, Vorst�nde und Stiftungskommissar, durch die
Stiftungsverwaltung zu ernennen sind, gem�� nachfolgenden Bestimmungen
dieses Statuts.


� 5.

[Sidenote: Stiftungsverwaltung (St. V.) und Stiftungskommissar
(St. K.).]

Die Rechte und Obliegenheiten der Stiftungsverwaltung sollen demjenigen
Departement des Gro�herzogl. S�chs. Staatsministeriums zustehen, dem
die Angelegenheiten der Universit�t Jena jeweils unterstellt sind.

Zum =st�ndigen= Stiftungskommissar ist =von der Stiftungsverwaltung= ein
oberer Beamter des Gro�herzogl. S�chs. Staatsministeriums oder sonst ein
aktiver oberer Beamter des �ffentlichen Dienstes in au�eramtlichem
Auftrag zu bestellen, unter Gew�hrung einer jeweils fixierten, Tantiemen
und �hnliche Bez�ge ausschlie�enden Entsch�digung aus Mitteln der
Stiftung.

Stiftungsverwaltung und Stiftungskommissar sind verpflichtet, die
Angelegenheiten der Carl Zeiss-Stiftung in allem nach den Vorschriften
dieses Statuts und gem�� den aus ihm erkennbaren Absichten des Stifters
zu leiten. Sie d�rfen dabei auf Staatsinteressen, welche den
ausgesprochenen Zwecken der Stiftung fremd sind, nicht weitergehende
R�cksicht nehmen, als auch f�r Privatpersonen gesetzlich geboten ist.


Titel II.

Organisation der industriellen T�tigkeit der Stiftung.

_Einrichtungen._

� 6.

[Sidenote: Gegenw�rtige Gesch�ftsunternehmungen.]

Die gegenw�rtigen Gesch�ftsunternehmungen der Carl Zeiss-Stiftung -- die
Optische Werkst�tte (Firma Carl Zeiss) und das Glaswerk (Firma Schott &
Gen.) zu Jena -- sind dauernd jede unter ihrer eigenen Handelsfirma, mit
abgesondertem Verm�genskomplex f�r ihr Betriebskapital und in
selbst�ndiger Verwaltung unter ihrem besonderen Vorstand fortzuf�hren.


� 7.

[Sidenote: Organisation der Gesch�ftsleitungen (G. L.).]

Als Vorst�nde der Stiftungsbetriebe sollen stets kollegialische
Gesch�ftsleitungen aus gleichberechtigten Mitgliedern fungieren.

Die Zahl der Mitglieder einer Gesch�ftsleitung darf nicht �ber vier
betragen.

Sobald diese Zahl, au�er in den durch die �� 32, 34 geregelten F�llen,
auf zwei herabgegangen ist, mu� binnen Monatsfrist ein neues Mitglied
bestellt werden.

Mindestens ein Mitglied der Gesch�ftsleitung der Optischen Werkst�tte
mu� zugleich dem Vorstand des Glaswerks angeh�ren.


�8

[Sidenote: Befugnisse der G. L.]

Dem Vorstand eines jeden Stiftungsbetriebes untersteht die gesamte
innere Betriebsleitung, die kaufm�nnische Verwaltung und die ganze
�u�ere gesch�ftliche Aktion der Firma, einschlie�lich der Bestellung und
Abberufung von Prokuristen und anderen Bevollm�chtigten, der Anstellung,
Entlassung und Pensionierung der Beamten, Gesch�ftsgehilfen und
Arbeiter, der Regelung ihrer Obliegenheiten und ihrer Bez�ge und der
Ordnung ihrer Rechtsverh�ltnisse zur Firma gem�� den Bestimmungen dieses
Statuts.

In allen Angelegenheiten eines Stiftungsbetriebes k�nnen g�ltige
Anordnungen nur durch seinen Vorstand nach dem durch nachfolgende ��
dieses Statuts geregelten Verfahren getroffen werden.

Jeder Stiftungsbetrieb kann Dritten gegen�ber in allen seinen
Angelegenheiten, nach innen und nach au�en, gerichtlich und
au�ergerichtlich, nur durch Mitglieder seines Vorstandes und die von
letzterem bestellten Bevollm�chtigten vertreten werden.


� 9.

[Sidenote: Vertretung der St. nach au�en in Angelegenheiten der
einzelnen Fa.]

Behufs Vertretung der Stiftung in den Angelegenheiten der einzelnen
Firma ist entweder ein bestimmtes Mitglied des Vorstandes durch die
Stiftungsverwaltung zum �Bevollm�chtigten der Carl Zeiss-Stiftung� und
ein zweites Mitglied zu dessen Stellvertreter zu bestellen und jeder von
diesen beiden f�r seine Person zur Zeichnung der Firma schlechthin zu
legitimieren; oder es ist Anordnung zu treffen, da� je zwei von den
Mitgliedern des Vorstandes gemeinsam diese Vertretung aus�ben k�nnen.

Denjenigen Mitgliedern des Vorstandes, welchen nicht gem�� vorstehender
Bestimmung weitergehende Vertretungsbefugnis f�r ihre Person �bertragen
ist, ist Einzel-Prokura zu erteilen.

Die jeweils getroffenen Anordnungen bez�glich der Vertretung der
Stiftungsbetriebe nach au�en sind in handelsrechtlich wirksamer Form zu
verlautbaren.


� 10[46].

[Sidenote: Einwirkung der St. V. auf die Gesch�ftsf�hrung.]

=Eine Einwirkung der Stiftungsverwaltung auf die Gesch�ftsf�hrung der
Stiftungsbetriebe findet nur insoweit statt, als dieses Statut bestimmt
und mir durch Vermittelung des Stiftungskommissars.=


� 11.

[Sidenote: Obliegenheiten des St. K.]

Dem Stiftungskommissar liegt ob, die Gesch�ftsf�hrung der Betriebe in
allen ihren Zweigen fortgesetzt zu beaufsichtigen, Ordnungsm��igkeit der
Verwaltung und Statutenm��igkeit im Verfahren der Gesch�ftsleitungen zu
�berwachen, sowie bei allen wichtigeren Akten der Gesch�ftsf�hrung nach
dem durch die �� 13 bis 20 dieses Statuts geordneten Verfahren
beschlie�end oder beratend mitzuwirken.


� 12.

Der Stiftungskommissar hat �ber den Gang aller Angelegenheiten der
inneren Verwaltung wie des �u�eren Verkehrs fortdauernd sich
unterrichtet zu halten.

Er ist befugt, zu diesem Zweck jederzeit in alle Gesch�ftsb�cher und
Korrespondenzen Einsicht zu nehmen und in allen Teilen der Betriebe
durch Augenschein und m�ndliche Vernehmung selbst�ndig sich zu
informieren.

Die Gesch�ftsleitungen der Stiftungsbetriebe sind verpflichtet, von sich
aus dem Stiftungskommissar alle =wichtigen= Angelegenheiten ihrer Firma
vollst�ndig offen zu legen.


=Ordnung des Verfahrens.=

� 13.

[Sidenote: Abgrenzung der Befugnisse der G. L.-Mitglieder.]

Die Verteilung der laufenden Gesch�fte unter die Mitglieder der
Vorst�nde bleibt deren jeweiligem �bereinkommen �berlassen.

Im Umfang der gew�hnlichen Gesch�fte und Vorkommnisse ist jedes einzelne
Mitglied f�r die Gesch�ftsleitung zu handeln ohne weiteres befugt,
soweit Entscheidungen nach feststehender �bung oder sonst klare F�lle in
Frage sind. In allen anderen F�llen darf, soweit nicht Gefahr im Verzug,
nur auf Grund gemeinsamer Verhandlung entschieden und vorgegangen
werden, in Abwesenheit eines Mitgliedes nur, wenn die Sache
entsprechenden Aufschub nicht gestattet, und gegen die ausgesprochene
oder vorauszusehende Willensmeinung des Abwesenden nur auf Grund der in
� 15 gegebenen Vorschrift.


� 14.

[Sidenote: Notwendigkeit der Anh�rung des St. K.]

Alle Angelegenheiten und Vorkommnisse, welche aus dem gew�hnlichen
Gesch�ftsgang heraustreten, m�ssen, wenn nicht Gefahr im Verzug ist, vor
der Beschlu�fassung dem Stiftungskommissar vorgebracht und vor ihm
verhandelt werden.


� 15.

[Sidenote: Entscheidung durch den St. K. bei Nicht-�bereinstimmung der
G. L.]

Falls in einer Sache Einstimmigkeit der Gesch�ftsleitung nicht besteht,
ein Beschlu� aber gefa�t werden mu� oder von einem Mitglied des
Vorstandes gefordert wird, ist stets die Entscheidung des
Stiftungskommissars herbeizuf�hren und demjenigen Votum Folge zu geben,
welchem der Stiftungskommissar beitritt.


� 16.

[Sidenote: Ausdr�ckliche Zustimmung des St. K. erfordernde Handlungen
der G. L.]

Ausdr�ckliche Zustimmung des Stiftungskommissars haben die Vorst�nde
auch im Falle einstimmiger Beschl�sse f�r folgende Handlungen
einzuholen:

Ver�u�erung oder Belastung von Immobilien, Verpf�ndung beweglichen
Inventars der Firma und Eingehen von Schuldverpflichtungen irgend einer
Art, welche nicht im regelm��igen Gesch�ftsgang oder in Ausf�hrung
ordnungsm��iger Beschl�sse der Vorst�nde erwachsen und dementsprechende
Abwickelung finden.

Kapitalaufwendungen f�r neue gesch�ftliche Unternehmungen
(einschlie�lich Neuanlagen, Betriebserweiterungen u. dergl.), welche
innerhalb eines Gesch�ftsjahres die H�lfte des auf die betreffende Firma
entfallenden Anteils am �Erneuerungs- und Betriebserweiterungskonto� im
Reservefonds der Stiftung �bersteigen, sowie Aufwendungen auf
Unkostenkonto innerhalb eines Gesch�ftsjahres f�r genannte Zwecke in
H�he von mehr als einem Zehntel des Anteils der Firma am �allgemeinen
R�cklagekonto� in diesem Reservefonds, beides ohne R�cksicht darauf, ob
dabei tats�chliche Entnahmen aus dem Reservefonds eintreten oder nicht.
-- Die genannten Betr�ge sind zu bemessen nach dem Stand des
Reservefonds zu Beginn des betreffenden Gesch�ftsjahres gem�� den
Vorschriften in den �� 23 und 45 dieses Statuts.

Aufwendungen f�r neue gesch�ftliche Unternehmungen, welche,
Kapitalanlagen und Unkostenaufwand zusammen genommen, mehr als zwei
Drittel vom Betriebs�berschu� der Firma im vorangehenden Gesch�ftsjahr
betragen, wenn schon im Laufe der letzt vorangehenden zwei
Gesch�ftsjahre dem Reservefonds im ganzen mehr, als die im vorigen
Absatz benannten Quoten ergeben, f�r dergleichen Zwecke tats�chlich
entnommen worden ist. -- Der Betriebs�berschu� bestimmt sich hierbei
nach der Vorschrift in � 23; die stattgehabten Entnahmen aus dem
Reservefonds sind zu beziehen auf dessen Stand zu Beginn des laufenden
Gesch�ftsjahres.

Errichtung von eigenen Gesch�ftsstellen, Zweig- oder
Handelsniederlassungen der Firma au�erhalb des Deutschen Reichs.

Erteilung von Prokura f�r die Firma an andere Personen als an Mitglieder
ihres Vorstandes.

Bestimmung der Gehaltsbez�ge der Vorstandsmitglieder und Gew�hrung
sonstiger Vorteile an letztere.

Entlassung und Pensionierung derjenigen wissenschaftlichen, technischen
und kaufm�nnischen Beamten der Firma, welchen die Leitung von
Abteilungen oder die Leitung von Hauptzweigen der Verwaltung und des
Betriebes �bertragen ist, sowie aller auf Lebenszeit angestellten
Beamten.

�nderungen des Pensionsstatuts und des Krankenkassenstatuts.

Eintritt in Prozesse oder Schiedsverfahren �ber Streitfragen, welche
nicht aus dem gew�hnlichen Gesch�ftsgang sich ergeben.

Nach Art oder H�he ungew�hnliche Ehrenausgaben und sonstige nach Art
oder H�he ungew�hnliche Aufwendungen, die, als nicht unmittelbar
gesch�ftlichen Zwecken dienend, gem�� � 22 auf Dispositionskonto der
Gesch�ftsleitung zu verrechnen sind -- mit der Ma�gabe, da� regelm��ige
Leistungen solcher Art, welche bei Lebzeiten des Stifters auf
Dispositionskonto einer Gesch�ftsleitung �bernommen wurden, so lange auf
diesem Konto fortzusetzen sind, als die urspr�ngliche Veranlassung zu
denselben fortbesteht.

Gew�hrung von fortlaufenden Unterst�tzungen an ehemalige
Gesch�ftsangeh�rige oder deren Hinterbliebene, die �ber die rechtlichen
Verpflichtungen der Firma hinausgehen und nicht erforderlich sind, um
zu verhindern, da� solche Personen in unverschuldete Not geraten oder
da� den Gemeinden des Bezirks Armenlasten von Seiten des Betriebes
erwachsen.

Aufwendungen f�r Wohlfahrtseinrichtungen und f�r �hnliche Ma�nahmen
innerhalb des Betriebes, die nicht schon durch R�cksichten des
gesch�ftlichen Interesses geboten sind.


� 17.

[Sidenote: Sonstige Rechte und Pflichten des St. K. in Angelegenheiten
der Betriebe.]

Der Stiftungskommissar ist berechtigt, in Angelegenheiten der Betriebe
selbst Antr�ge zu stellen und alsbaldige Beschlu�fassung der beteiligten
Gesch�ftsleitung �ber dieselben zu verlangen, wofern nicht bei
Abwesenheit eines Mitgliedes die �brigen Mitglieder �bereinstimmend
Aufschub f�r geboten halten.

Der Stiftungskommissar ist verpflichtet, gegen�ber Antr�gen der
Mitglieder einer Gesch�ftsleitung, welche gem�� � 15 seiner Entscheidung
oder gem�� � 16 seiner ausdr�cklichen Zustimmung bed�rfen, sein Votum
zur Sache alsbald abzugeben, wofern auch etwa abwesende Mitglieder der
Gesch�ftsleitung ihre Meinung ausgesprochen haben und die anwesenden
�bereinstimmend Aufschub f�r nachteilig halten.


� 18.

[Sidenote: Form des Verkehrs mit dem St. K.]

Die gesamte Mitwirkung des Stiftungskommissars bei der Gesch�ftsf�hrung
der Stiftungsbetriebe hat in m�ndlichem Verfahren an Ort und Stelle zu
geschehen. Abgesehen von den �blichen Jahresberichten und �bersichten
bei Gelegenheit der j�hrlichen Bilanzabschl�sse sind schriftliche
Berichte oder Verhandlungen in Sachen der Gesch�ftsf�hrung von den
Vorst�nden der Betriebe nicht zu fordern.


� 19.

[Sidenote: Anh�rung der Gesch�ftsangeh�rigen.]

In allen Angelegenheiten der Gesch�ftsf�hrung mu� den au�er den
Vorstandsmitgliedern jeweils beteiligten Beamten und den sonst in der
Angelegenheit sachverst�ndigen Gesch�ftsangeh�rigen Gelegenheit zu
eingehender Meinungs�u�erung und angemessener Mitwirkung gegeben
werden.


� 20.

[Sidenote: Gesch�ftsordnung der G. L.]

Die Gesch�ftsordnungen der Vorst�nde und Ab�nderungen derselben sind
zwischen den Vorst�nden der Betriebe und dem Stiftungskommissar zu
vereinbaren.


_Verwaltungsvorschriften._

� 21.

[Sidenote: Normen der gesch�ftlichen Verwaltung der St.-Betriebe.]

Die innere Verwaltung, die Buchf�hrung und die Rechnungslegung hat bei
den Stiftungsbetrieben stets in denjenigen Formen und Einrichtungen zu
geschehen, welche bei wohlgeleiteten Privatunternehmungen von
entsprechendem Gesch�ftsumfang als ordnungsm��ig anerkannt sind.

Der zur regelm��igen Gesch�ftsf�hrung erforderliche fl�ssige
Betriebsfonds oder Bankkredit ist jedem Stiftungsbetrieb zu eigener
Verwaltung zu belassen.

Die j�hrlichen Inventuren und Bilanzen sind in den handelsrechtlich
vorgeschriebenen Formen unter Verantwortung der Gesch�ftsleitungen
aufzustellen und seitens des Stiftungskommissars nach stattgehabter
Pr�fung mit anzuerkennen.

B�cherrevisionen sind durch kaufm�nnische Sachverst�ndige zu bewirken.


� 22.

[Sidenote: Dispositionskonto der G. L.]

Alle Aufwendungen aus Mitteln der Stiftungsbetriebe, welche nicht auf
rechtlicher Verpflichtung beruhen und nicht unmittelbar gesch�ftlichen
Zwecken dienen, doch aber wesentlich auf den Interessenkreis der
Betriebe und ihres Personals sich beziehen und demgem��, als nicht unter
� 1, B dieses Statuts fallend, Namens der Firma eines Stiftungsbetriebes
zu erfolgen haben, sind unter den Unkosten der Firma auf einem besondern
Konto (Dispositions-Konto der Gesch�ftsleitung) im einzelnen
nachzuweisen.


� 23.

[Sidenote: Statistische Aufstellungen.]

Diejenigen statistischen Aufstellungen au�erhalb der regelm��igen
Jahresinventuren und Bilanzen, welche behufs richtiger Anwendung
nachfolgender Paragraphen dieses Statuts in authentischer Form zu
erfolgen haben (Feststellung der Jahresausgabe jedes Betriebs, des
Betriebs�berschusses oder -defizits, des durchschnittlichen
Arbeitsverdienstes erwachsener Arbeiter und des durchschnittlichen
Gehalts bestimmter Beamtenklassen, des Kapitalwertes laufender
Rentenverpflichtungen etc.), sind f�r jeden Betrieb von Jahr zu Jahr
durch die Gesch�ftsleitung zu bewirken und vom Stiftungskommissar mit
anzuerkennen.

[Sidenote: Jahresausgabe.]

Als Jahresausgabe hat zu gelten die Summe aller tats�chlichen Ausgaben
und �bernommenen Schuldverpflichtungen innerhalb des Gesch�ftsjahres,
welche zur geregelten Fortf�hrung des Betriebes gedient haben,
einschlie�lich der in � 24 bezeichneten Ausgaben und der Verzinsung des
fremden Betriebskapitals in ihm, aber ausschlie�lich des Aufwandes f�r
Vermehrungen auf Grundst�ck-, Geb�ude-, Maschinen- und Werkzeug-Konto
und f�r Erwerb von Rechten, welche einen Geldwert darstellen.

[Sidenote: Betriebs�berschu�.]

Als Betriebs�berschu� oder Betriebsdefizit, hat zu gelten die Differenz
zwischen der vorher benannten Jahresausgabe und der Summe aller
tats�chlichen Eing�nge an Geld oder Geldeswert w�hrend des
Gesch�ftsjahres, zuz�glich des Zuwachses, abz�glich der Minderung an
realisierbaren Forderungen der Firma.

[Sidenote: Jahresgewinn.]

Der Jahresgewinn eines jeden Betriebes ist nach den handelsrechtlichen
Regeln festzustellen unter Einf�hrung sachgem��er Abschreibungen auf
alle der Wertminderung unterliegenden Betriebsmittel und einer
Kapitalverzinsung, welche neben dem jeweils geltenden Hypothekenzinsfu�
nur einer Risikopr�mie Rechnung tr�gt, entsprechend der
durchschnittlichen Verlustgefahr bei Kapitalanlagen in realen Werten auf
dem betreffenden Industriegebiet.


� 24.

[Sidenote: Pensionen usw. sind Betriebsunkosten.]

Die j�hrlichen Ausgaben, welche auf Grund von statuten-oder
vertragsm��igen Pensionsverpflichtungen und auf Grund des � 77 dieses
Statuts geleistet werden, haben, auch wenn sie etwa zeitweise dem
Reservefonds der Stiftung zur Last fielen, nicht als Leistungen der Carl
Zeiss-Stiftung, sondern als Unkosten der Gesch�ftsbetriebe zu gelten und
sind dementsprechend bei den j�hrlichen Bilanzen und bei den in � 23
benannten statistischen Aufstellungen in Ansatz zu bringen.

[Sidenote: Desgl. Leistungen aus � 95 u. auf Dispos.-Ko.]

Das Gleiche gilt auch f�r etwaige Leistungen, welche Gesch�ftsangeh�rige
der Betriebe in Gem��heit des � 95 oder des � 98 dieses Statuts
au�erhalb ihres regelm��igen Lohnes oder Gehaltes aus den
Gesch�ftskassen empfangen, und f�r alle Ausgaben der letzteren, die nach
� 22 auf Dispositions-Konto der Gesch�ftsleitungen zu verrechnen sind.


_Pers�nliche Verh�ltnisse der Vorstandsmitglieder._

� 25.

[Sidenote: Ernennung der G. L.-Mitglieder.]

Die Mitglieder der Vorst�nde (Gesch�ftsleitungen) der Stiftungsbetriebe
werden durch die Stiftungsverwaltung nach Anh�ren des
Stiftungskommissars und der bei dem betreffenden Betrieb schon in
Funktion stehenden Mitglieder ernannt. Gegen das einstimmige Votum
dieser Mitglieder kann niemand ernannt werden.

Die Ernennung begr�ndet kein besonderes Amt, sondern nur den Auftrag zur
Teilnahme an den in �� 8 u. f. dieses Statuts bezeichneten Funktionen.


� 26.

[Sidenote: Voraussetzungen der Ernennbarkeit der G. L.-Mitglieder.]

Zu Vorstandsmitgliedern[47] k�nnen nur Personen bestellt werden, welche
Fachm�nner sind in Ansehung entweder wissenschaftlicher oder technischer
oder kaufm�nnischer Interessen des betreffenden Betriebs und =bei
bestehenden Stiftungsbetrieben nur solche, die au�erdem= mindestens
schon zwei Jahre innerhalb der letzten vier Jahre bei einem der Betriebe
als obere Beamte oder als Sozien der Stiftung t�tig waren.

Soweit Beamte, m�ssen sie bei einem von den Stiftungsbetrieben durch
Vertrag auf Lebenszeit gem�� � 59 dieses Statuts angestellt sein.

Jedenfalls ein Mitglied in jedem Vorstand mu� Fachmann sein hinsichtlich
wissenschaftlicher Interessen des Betriebes.


� 27.

[Sidenote: Eintritt in die G. L. als V. M.]

Zum Eintritt in den Vorstand eines Stiftungsbetriebes k�nnen die Beamten
dieser Betriebe wider ihren Willen nicht angehalten werden.

Die Bestellung zum Vorstandsmitglied kann nicht auf Widerruf erfolgen,
sondern nur entweder auf einen bestimmten, zum voraus vereinbarten
Zeitraum oder auf Lebenszeit =bezw. bis zum Eintritt vertragsm��iger
Pensionierung=.

[Sidenote: Abberufung eines V. M.]

Abberufung eines Vorstandsmitgliedes wird, au�er im Fall freiwilligen,
von der Stiftungsverwaltung angenommenen R�cktritts desselben
von den Funktionen, lediglich begr�ndet durch den Ablauf des daf�r
vereinbarten Zeitraumes und durch Beendigung oder Aufhebung des
Vertragsverh�ltnisses, auf Grund dessen die Ernennung gem�� � 26
erfolgte. =Nach Vollendung des 60. Lebensjahres ist jedes Mitglied zum
R�cktritt berechtigt, wenn es dabei auf den als Funktionszulage
geltenden Teil seines Gehaltes verzichtet.=


� 28.

[Sidenote: Besondere Verpflichtungen der V. M.]

Die Mitglieder der Vorst�nde (Gesch�ftsleitungen) bei den
Stiftungsbetrieben m�ssen neben ihrer besonderen Funktion fortgesetzt
eine regelm��ige Mitarbeit in den wissenschaftlichen, technischen oder
kaufm�nnischen Angelegenheiten in einem von den Betrieben aus�ben,
hinsichtlich welcher T�tigkeit sie der betreffenden Gesch�ftsleitung als
Kollegium wie alle �brigen Beamten der Firma untergeordnet bleiben.

Sie d�rfen au�er dem Dienst der Stiftung kein besoldetes Amt bekleiden.

Sie d�rfen, abgesehen von den Sozien der Stiftung hinsichtlich ihres
eigenen Betriebes, in keiner Form Bez�ge haben, deren H�he abh�ngig ist
vom Bruttogewinn, Reingewinn oder Betriebs�berschu� der ihrer Leitung
unterstellten Firma oder eines Betriebszweiges derselben.

Sie d�rfen keinen auf ihre Funktion bez�glichen Titel f�hren.


� 29.

[Sidenote: Allgemeine Pflichten der V. M.]

Die Mitglieder der Vorst�nde sind gehalten, neben der Erf�llung der
Auftr�ge, welche ihre sonstige Stellung hinsichtlich der Mitarbeit bei
einem von den Stiftungsbetrieben ihnen zuweist, ihre ganze Kraft
einzusetzen f�r die richtige Vertretung der ihnen unterstellten Firma,
die Wahrnehmung ihrer Interessen und die Bef�rderung aller ihrer
Angelegenheiten, und dabei in allem nach bestem Wissen und Gewissen auf
die Erf�llung der Aufgaben hinzuwirken, welche der Stiftung gem�� den
erkennbaren Absichten des Stifters gestellt sind.

Sie haben mit Annahme ihrer Ernennung als auf gegenw�rtiges Statut
verpflichtet zu gelten, soweit dessen Inhalt unmittelbar oder mittelbar
auf ihre Funktionen Bezug hat.


� 30.

[Sidenote: Haftung der V. M.]

Die Mitglieder der Vorst�nde bei den Stiftungsbetrieben haften
solidarisch f�r Schaden, der ihrer Firma oder der Stiftung durch
�berschreiten ihrer Vollmachten und Befugnisse erw�chst und sind in
allem verantwortlich f�r die Sorgfalt eines ordentlichen Gesch�ftsmannes
bei Aus�bung ihrer Funktionen.

Pflichtverletzung und Vernachl�ssigung der Obliegenheiten hinsichtlich
dieser besonderen Funktionen bedingen die gleichen Rechtsfolgen, welche
solche Verfehlungen hinsichtlich der gew�hnlichen T�tigkeit des
Mitgliedes gem�� seinem Anstellungs- oder sonstigen Vertragsverh�ltnis
zur Firma eines Stiftungsbetriebes nach sich ziehen, gleichg�ltig, ob
der dieses Verh�ltnis regelnde Vertrag auf denselben oder auf einen
anderen Stiftungsbetrieb Bezug hat.

Kautionsleistung darf nur insoweit gefordert werden, als die
Betreffenden eigenes Verm�gen besitzen.


� 31.

[Sidenote: Rechtsverh�ltnis der V. M. zur Stiftung (Verbot von
Sondervertr�gen).]

Das durch Ernennung zum Vorstandsmitglied eines Stiftungsbetriebes
begr�ndete besondere Rechtsverh�ltnis desselben zur Carl Zeiss-Stiftung
wird lediglich durch die Vorschriften dieses Statuts bestimmt.

Durch Sondervertrag oder Dienstanweisung k�nnen einem solchen
hinsichtlich seiner Funktionen andere Verpflichtungen als dieses Statut
vorsieht mit rechtlicher Wirkung nicht auferlegt, andere Rechte nicht
einger�umt werden.


_Schlu�bestimmungen_.

� 32.

[Sidenote: Geltungsbereich des St.-Statuts f�r das Glaswerk; Vertretung
der St. bei diesem.]

F�r die Verwaltungen des Glaswerks gelten die Bestimmungen des Titels II
dieses Statuts mit der Ma�gabe, da�, so lange das jetzige
Gesellschaftsverh�ltnis bei der Firma Schott & Gen. fortbesteht, die
Carl Zeiss-Stiftung behufs ihrer Vertretung in dieser Firma einen zur
Zeichnung der Firma legitimierten Bevollm�chtigten zu bestellen hat,
welcher gemeinsam mit dem Mitinhaber des Glaswerks die Funktionen des
Vorstandes desselben aus�bt.

Zum Bevollm�chtigten der Stiftung beim Glaswerk ist ein Mitglied der
Gesch�ftsleitung der Optischen Werkst�tte zu bestellen.

Die Vorschriften der �� 13 bis 20 dieses Statuts gelten in dieser Zeit
auch f�r die Gesch�ftsf�hrung des Glaswerks, nur bez�glich des � 15 mit
dem Zusatz: da� in Angelegenheiten der Firma Schott & Gen. nichts gegen
den Willen des Mitinhabers geschehen kann.


� 33.

[Sidenote: Vertretung der St. f�r neubegr�ndete Betriebe.]

Falls die Carl Zeiss-Stiftung zu irgend einer Zeit ein neues
Betriebsunternehmen in oder au�erhalb Jena errichtet oder �bernimmt,
welches nicht dauernd oder vor�bergehend durch die Gesch�ftsleitung
eines schon bestehenden Stiftungsbetriebes zu verwalten ist, so haben
hinsichtlich seiner Verwaltung alle Bestimmungen des Titels II dieses
Statuts gleichfalls in Geltung zu treten.

Seiner besonderen Gesch�ftsleitung mu� jedenfalls ein Mitglied des
Vorstandes der Optischen Werkst�tte oder des Glaswerks als Mitglied
angeh�ren.


� 34.

Falls die Carl Zeiss-Stiftung in ein neues Betriebsunternehmen eintritt
im Gesellschaftsverh�ltnis mit einem andern, so d�rfen hinsichtlich
seiner Verwaltung die Vorschriften dieses Titels II auch f�r die Dauer
des Gesellschaftsverh�ltnisses keinen weitergehenden Ab�nderungen
unterworfen werden, als � 32 hinsichtlich des Glaswerks vorsieht.

Vertr�ge, welche dem entgegen w�ren, darf die Stiftung nicht eingehen.


Titel III.

Allgemeine Normen f�r die gesch�ftliche T�tigkeit der Stiftung.

� 35.

[Sidenote: Arbeitsgebiet der St.-Betriebe.]

Die gewerbliche T�tigkeit der Carl Zeiss-Stiftung soll jederzeit auf
dasjenige Arbeitsgebiet beschr�nkt bleiben, dem die jetzigen
Gesch�ftsunternehmungen angeh�ren. Sie darf also, abgesehen von jeweils
erforderlichen Hilfsbetrieben irgend welcher Art, fortgesetzt nur in
solchen Zweigen der Optik, der Glastechnik, des Instrumentenbaues und
verwandter Industrieen gewerblich sich bet�tigen, welche die jetzige
engere Verbindung zwischen Technik und Wissenschaft in den Betrieben der
Stiftung, sei es im Gebrauchszweck der Erzeugnisse, sei es in den
Herstellungsbedingungen derselben, aufrecht erhalten.

Das Eintreten der Stiftung in gewerbliche Unternehmungen anderer Art und
ihre aktive Beteiligung an solchen bleibt, selbst zum Zweck blo�er
Verm�gensanlage, dauernd ausgeschlossen.

=Durch die vorstehenden Bestimmungen ist insbesondere nicht
ausgeschlossen die Beteiligung der Carl Zeiss-Stiftung an solchen
fremden Unternehmungen, die sich mit dem Absatz der in den
Stiftungsbetrieben fabrizierten Waren oder mit der Beschaffung der zu
dieser Fabrikation erforderlichen Rohmaterialien und Halbfabrikate
befassen; es soll jedoch in diesen F�llen die Stiftung selbst weder an
der Vertretung nach au�en noch an der aktiven Leitung teilnehmen und das
finanzielle Risiko auf einen bestimmten Betrag beschr�nkt bleiben.=


� 36.

[Sidenote: Erweiterungsbereich der Aktion der St.-Betriebe.]

Gesundem Unternehmungsgeist, den die Organe der Stiftung
bet�tigen k�nnen, um deren Wirksamkeit als Tr�ger industrieller
Arbeitsorganisation durch Ausdehnung ihrer gesch�ftlichen Unternehmungen
fortgesetzt zu steigern, soweit solches unter Wahrung aller R�cksichten
auf die Sicherung des Bestehenden jeweils tunlich erscheinen mag, sollen
andere Schranken als � 35 vorsieht nicht gesetzt sein. Es d�rfen also
nicht nur die jetzigen Stiftungsbetriebe durch Eintreten in neue
Betriebszweige ihr Arbeitsfeld und durch Errichtung von neuen
Gesch�ftsstellen und Handelsniederlassungen im Inland und im Ausland
ihre kaufm�nnische Aktion beliebig ausdehnen, sondern es k�nnen
geeigneten Falls auch weitere, unter selbst�ndiger Firma zu f�hrende
Betriebsunternehmungen auf dem in � 35 umschriebenen Arbeitsgebiet in
oder au�erhalb Jena errichtet oder �bernommen werden.

Unternehmungen der zuletzt gedachten Art k�nnen jedoch jederzeit nur
eingeleitet werden durch den Vorstand eines der jeweils bestehenden
Stiftungsbetriebe, im Sinne einer Gesch�ftsaktion des letzteren, und
sollen nicht zul�ssig sein gegen den einstimmigen Einspruch des
Vorstandes eines der in � 6 benannten Stiftungsbetriebe.


� 37.

[Sidenote: Ver�u�erung von St.-Betrieben.]

Nach Sinn und Zweck der Stiftung ist unbedingt ausgeschlossen, da� sie
ihrer Besitztitel auf die gegenw�rtigen Stiftungsbetriebe oder der
diesbez�glichen vertragsm��ig gegebenen Anrechte durch Verkauf oder
Abtretung, oder der Last eigener Verwaltung derselben durch Verpachtung,
Aufnahme neuer Sozien oder dergleichen jemals ganz oder teilweise sich
entledigen d�rfte.

Das Gleiche soll auch hinsichtlich jedes andern, etwa in Zukunft von der
Stiftung im Gebiet des Deutschen Reiches begr�ndeten oder �bernommenen
neuen Betriebsunternehmens dann in Geltung treten, wenn dasselbe einmal
durch f�nf Jahre oder l�nger im Besitz oder Mitbesitz der Stiftung
gewesen ist.

Sollte zu irgend einer Zeit die weitere Fortf�hrung eines unter die
obigen Vorschriften fallenden Stiftungsbetriebs ohne Sch�digung oder
Gef�hrdung der �brigen oder der Stiftung selbst unm�glich werden, so ist
dieser Betrieb unter tunlichster Schonung der beteiligten Interessen
endg�ltig aufzul�sen, seine Firma aber nach Abwicklung aller
Verbindlichkeiten endg�ltig zu l�schen.


� 38.

[Sidenote: Eintreten der St. in Gesellschaftsverh�ltnisse.]

Falls die Carl Zeiss-Stiftung zu irgend einer Zeit in ein neues
gewerbliches Unternehmen eintritt im Gesellschaftsverh�ltnis mit einem
andern, so mu� der Gesellschaftsvertrag ausdr�cklich vorsehen, da� mit
dem Ausscheiden des urspr�nglichen Sozius aus der aktiven Teilnahme an
der Leitung dieses Unternehmens dasselbe an die Stiftung zur alleinigen
Vertretung und Verwaltung �berzugehen habe.

Vertr�ge, welche dem entgegen w�ren, darf die Stiftung nicht eingehen.

=Die vorstehenden Bestimmungen gelten nicht bei Beteiligungen, der in
� 35 Abs. 3 genannten Art.=


� 39.

[Sidenote: Verlegung der St.-Betriebe von Jena.]

Eine Verlegung der in � 6 benannten Stiftungsbetriebe an Orte au�erhalb
der n�chsten Umgebung von Jena ist unstatthaft.


� 40.

[Sidenote: Allgemeine Direktiven f�r die Gesch�ftspolitik der
St.-Betriebe.]

Gem�� den in � 1 der Stiftung zugewiesenen Aufgaben hat ihre
gesch�ftliche Aktion unter dem wirtschaftlichen Gesichtspunkt als Ziel
zu verfolgen nicht sowohl m�glichste Mehrung der Reingewinne oder
Betriebs�bersch�sse ihrer Unternehmungen, als vielmehr die Steigerung
des wirtschaftlichen Gesamtertrages, welchen diese Unternehmungen dem
ganzen in ihnen vereinigten Personenkreis, die Stiftung als Unternehmer
einbegriffen, mit Aussicht auf l�ngeren Fortbestand noch zu gew�hren
verm�gen.

Dabei ist jedoch stets darauf hinzuwirken, da� der Stiftung, als dem
unpers�nlichen Tr�ger der Organisationen, derjenige Anteil an dem Ertrag
der gemeinsamen T�tigkeit noch verbleibe, welcher in der organisierten
Arbeit nicht von den einzelnen, auch nicht in ihrer Gesamtheit,
pers�nlich erarbeitet ist, sondern als Ausflu� der Organisation selbst,
der durch sie erhaltenen Kontinuit�t aller T�tigkeit und der in ihr
fortwirkenden Leistungen aller Vorg�nger angesehen werden mu�; welcher
Anteil, indem er gerechterweise allen einzelnen vorenthalten bleibt,
gerechterweise den dauernden Interessen ihrer Gemeinschaft und Zwecken
des allgemeinen Wohls zu dienen hat.


� 41.

[Sidenote: Ma�stab f�r die wirtschaftliche Gesamtleistung der
St.-Unternehmungen.]

Um f�r die Organe der Stiftung wesentliche Unterlagen f�r eine
sachgem��e Anwendung der in � 40 ausgesprochenen Richtschnur immer
evident zu erhalten, ist von Jahr zu Jahr der gem�� � 23 festgestellte
bilanzm��ige Reingewinn eines jeden Stiftungsbetriebes ohne R�cksicht
auf die H�he des Betriebskapitals zu berechnen nach seinem Verh�ltnis
zum gesamten Lohn- und Gehaltkonto des Betriebs in demselben
Gesch�ftsjahr, also derjenige Prozentsatz vom gesamten Arbeitsertrag
aller mitt�tigen Personen nachzuweisen, der dem Betrieb als
Unternehmergewinn geblieben ist.

Daneben ist, so genau es angeht, zu veranschlagen, welcher
durchschnittliche Prozentsatz von jenem Personalunkostenkonto in
Ansehung der hierf�r ma�gebenden Faktoren jeweils als durch die in Titel
V dieses Statuts den Stiftungsbetrieben auferlegten besonderen Lasten
zum voraus belegt anzusehen, also als j�hrlicher Mindestbetrag dem
Reservefonds zuzuf�hren und von dem zuerst bestimmten Prozentsatz in
Abzug zu bringen ist, um denjenigen Bruchteil vom Arbeitsertrag des
Personals zu erhalten, welcher dem Betrieb als wirklicher Nettogewinn
aus der Organisation zugekommen ist.

In Anbetracht der besonderen Bedeutung der Organisation als
Wirtschaftsfaktor auf dem in Frage stehenden Industriegebiet ist die
Lage eines Stiftungsbetriebes als der in � 40 Abs. 2 ausgesprochenen
grunds�tzlichen Forderung nach dem jetzt gegebenen Ma�stab gen�gend nur
dann anzusehen, wenn der zuletzt bezeichnete Nettoanteil der Stiftung am
Gesamtertrag in Jahren, die nicht ungew�hnlich ung�nstige
Wirtschaftsbedingungen aufweisen, mindestens noch ein F�nftel vom Anteil
der Gesamtheit der mitt�tigen Personen und zugleich nicht weniger als
ein Zehntel der Jahresausgabe erreicht.


� 42.

[Sidenote: Ideale Aufgaben der St.-Betriebe.]

Bei den Bem�hungen um die Erhaltung und Mehrung der Wirksamkeit der
Stiftung nach der wirtschaftlichen Seite hin ist fortgesetzt im Auge zu
behalten, da� gem�� den in � 1, A bezeichneten Stiftungszwecken ihre
Unternehmungen neben dem Erwerb auch dem allgemeinen Fortschritt der in
ihnen vertretenen technischen K�nste, der Steigerung ihrer Leistungen
und dadurch mittelbar den Interessen der wissenschaftlichen Forschung,
sowie erh�htet Befriedigung der auf diese K�nste angewiesenen
Bed�rfnisse der Technik und des b�rgerlichen Lebens dienen sollen.

Im Aufgabenkreis der Stiftungsbetriebe und im nat�rlichen Auftrag ihrer
Leiter liegt es also, auch solcher Zwecke nach Kr�ften sich anzunehmen,
deren Verfolgung unmittelbaren Vorteil nicht verspricht, aber geeignet
erscheint, allgemeine Interessen der feintechnischen Industrie oder
besondere Angelegenheiten ihrer Technik oder besondere Bed�rfnisse der
Wissenschaft und des praktischen Lebens innerhalb der Stiftungsbetriebe
zu bef�rdern.


� 43.

Die Organe der Stiftung haben besonders darauf hinzuwirken, da� auch in
Zukunft die Stiftungsbetriebe fortgesetzt und in m�glichstem Umfang an
solchen Aufgaben ihres Arbeitsgebietes sich bet�tigen, welche technisch
hochstehende Einzelarbeit erfordern und welche deshalb, wenn sie auch
wirtschaftlich wenig Vorteil bringen, dem Ganzen ein h�heres Niveau
technischer Leistungsf�higkeit erhalten und ein Gegengewicht gegen die
Routinetendenz rein fabrikatorischer T�tigkeit darbieten.


� 44.

[Sidenote: Beschr�nkung der Patentnahme.]

In bezug auf solche aus dem Wirkungskreis der Stiftungsbetriebe
hervorgehende neue Erzeugnisse, Verbesserungen u. dergl., welche ihrer
Bestimmung nach wesentlich Zwecken des Studiums und der
wissenschaftlichen Forschung dienen, darf auch in Zukunft eine
Beschr�nkung des Wettbewerbes anderer durch Patentnahme oder �hnliche
Ma�regeln nicht herbeigef�hrt werden.


Titel IV.

Reservefonds.

Substanz.

� 45.

[Sidenote: Zweck u. Bestandteile des Reservefonds (R. F.)]

Behufs m�glichster Sicherung dauernder Erf�llung der in diesem Statut
den Stiftungsbetrieben auferlegten Pflichten und der der Stiftung selbst
zugewiesenen Aufgaben hat die Stiftung aus den �bersch�ssen der
Gesch�ftsunternehmungen und den sonstigen Ertr�gnissen ihres jeweiligen
Verm�gens einen vom Gesch�ftsverm�gen der Stiftungsbetriebe
abgesonderten Reservefonds anzusammeln und diesen tunlichst auf solche
H�he zu bringen, bezw. nach zeitweiliger Minderung seines Bestandes
wieder zu solcher H�he zu erg�nzen, da� in ihm enthalten ist:

I. Das Deckungskapital f�r alle jeweils den Gesch�ftsfirmen auf Grund
der �� 72, 73 oder auf Grund von besonderen Anstellungsvertr�gen und der
Stiftung selbst aus sonstigen Vertr�gen tats�chlich erwachsenen
Rentenverpflichtungen, alle einzelnen Posten nach ihrem wahrscheinlichen
Kapitalwert veranschlagt -- soweit dieses Deckungskapital hinausgeht
�ber ein Drittel des Buchwertes des der Stiftung geh�rigen sonst
unbelasteten Betriebskapitals der Stiftungsfirmen.

II. An R�cklagen:

a) eine Personallasten-Reserve zur Sicherung der Deckung demn�chst zu
gew�rtigender Pensionsanspr�che gegen die Gesch�ftsfirmen und etwaiger
auf Grund des � 77 dieses Statuts n�tig werdender Aufwendungen, in H�he
von einem Drittel des j�hrlichen Lohn- und Gehalt-Kontos der
Stiftungsbetriebe nach dem Durchschnitt der letztverflossenen drei
Gesch�ftsjahre;

b) ein Erneuerungs- und Betriebserweiterungs-Fonds f�r die
Gesch�ftsunternehmungen, in H�he von einem Drittel des jeweiligen
Buchwertes aller der Abnutzung unterliegenden Betriebsmittel (Geb�ude,
Maschinen etc.);

c) eine allgemeine R�cklage zur Sicherung der Aktionsf�higkeit der
Stiftung und ihrer Gesch�ftsfirmen, sowie zur Deckung etwa eintretender
Betriebsausf�lle oder Verluste, im Betrag einer durchschnittlichen
Jahresausgabe der Stiftungsbetriebe nach dem Durchschnitt der
letztverflossenen drei Gesch�ftsjahre, gem�� der Vorschrift in � 23
dieses Statuts berechnet.


� 46.

[Sidenote: Substanz des R. F.]

Als dem Reservefonds der Stiftung zugeh�rig haben alle nicht besonderen
stiftungsgem��en Zwecken gewidmeten Verm�gensobjekte zu gelten, welche
jeweils im Eigentum der Stiftung und nicht im Gesch�ftsverm�gen der
Stiftungsfirmen, als Bestandteile des Betriebskapitals dieser, sich
befinden.


� 47.

[Sidenote: Mindestzuweisungen an den R. F.]

So lange der Reservefonds die in � 45 bezeichnete H�he noch nicht
erreicht, bezw. nach stattgehabter Minderung noch nicht wiedererreicht
hat, soll ihm von Jahr zu Jahr nicht weniger als die H�lfte aller nach
Deckung etwaigen Kapitalbedarfs der Stiftungsbetriebe je noch verf�gbar
bleibenden Betriebs�bersch�sse und Zinsertr�ge zugef�hrt werden. Jedoch
sind Aufwendungen f�r stiftungsgem��e Zwecke nach � 1, B bis zum
j�hrlichen =reinen Zinsabwurf (Saldo) des Stiftungsverm�gens=[48]
jederzeit zul�ssig[49].

[Sidenote: Entnahmen aus dem R. F.]

Herausnahmen aus dem Kapitalbestand des Reservefonds d�rfen in dieser
Zeit, =au�er zur Erf�llung rechtlicher Verpflichtungen=, f�r keine
anderen Zwecke als f�r solche der Gesch�ftsunternehmungen erfolgen.

Die vertragsm��ige Abzahlung fremder Kapitalposten im Betriebskapital
der Gesch�ftsfirmen darf bis zum gedachten Zeitpunkt aus dem
Kapitalbestand des Reservefonds nur insoweit erfolgen, als Heranziehen
andern fremden Kapitals in Form unk�ndbarer amortisierbarer Anleihe
nicht m�glich w�re, au�er zu h�herm Zinsfu� als ein Prozent �ber dem
jeweiligen Hypothekenzinsfu�.


� 48[50].

=Ist weggefallen.=


� 49.

[Sidenote: Beschr�nkung der Ansammlung des R. F.]

Wenn der Reservefonds die in � 45 bezeichnete H�he erreicht hat, ist ihm
von da ab nicht mehr als die H�lfte der j�hrlich verf�gbar bleibenden
Betriebs�bersch�sse und Zinsertr�ge zuzuf�hren und, wenn der nicht auf
Abteilung I entfallende Teil des Reservefonds das Einundeinhalbfache des
nach � 45 sich ergebenden Gesamtbetrages �berschreitet, nicht mehr als
ein Viertel dieser �bersch�sse.


� 50.

[Sidenote: Verbot weiterer Erh�hung des R. F.]

Ist der Reservefonds zu irgend einer Zeit so weit angewachsen, da� er
au�er dem im � 45 unter I benannten, den dritten Teil des buchm��igen
Anteils der Stiftung am Betriebskapital der Stiftungsfirmen
�berschreitenden Deckungskapital die unter II a bis c dort bezeichneten
R�cklagen mit dem Doppelten der in � 45 angegebenen Betr�ge enth�lt, so
soll von da ab, so lange diese Voraussetzung fortbesteht, weitere
Verm�gensansammlung au�erhalb des Betriebskapitals der Stiftungsbetriebe
der Carl Zeiss-Stiftung versagt sein.


� 51.

[Sidenote: Ausgabezwang bezw. des Gesch�ftsgewinnes. Ausgabezwang bezw.
der Zinsen des R. F.]

Nach Eintritt des in � 49 vorgesehenen Falles hat die Stiftung
mindestens die H�lfte, bezw. mindestens drei Viertel, der jeweils
verf�gbar bleibenden Jahres�bersch�sse aus den Ertr�gnissen der Betriebe
und dem Zinsabwurf des Reservefonds, und nach Eintritt des in � 50
gedachten Falles diese gesamten Jahres�bersch�sse f�r aus � 1, B
stiftungsgem��e Zwecke nach den Bestimmungen in Titel VII dieses Statuts
fortgesetzt zur Verausgabung zu bringen. Jedoch bleibt jederzeit
gestattet, �bersch�sse, welche nach � 49 oder � 50 zur Verwendung
bestimmt sind, behufs Ansammlung der Mittel zu gr��eren einmaligen
Aufwendungen f�r zum voraus bestimmte Zwecke, in Form von besondern
Fonds zeitweilig noch im Reservefonds der Stiftung zu belassen.


_Verwaltung_.

� 52.

[Sidenote: Normen f�r die Verm�gensanlagen des R. F.]

F�r die Verm�gensanlagen des Reservefonds soll jede Art von Spekulation,
sei es auf Konstellationsgewinn, sei es auf hohe Zinsen, unbedingt
ausgeschlossen sein, im �brigen aber keine Beschr�nkung wegen besonderer
Sicherheitsanforderungen bestehen.

Ein Teil seines Verm�gensbestandes ist in Grundbesitz, ein anderer Teil
dagegen, =in m�glichst liquider Form und zwar zu einem angemessenen
Betrag auch in sicheren ausl�ndischen Werten anzulegen=[51].


� 53.

[Sidenote: Desgl. f�r die Verwahrung der Best�nde des R. F.]

Im �brigen ist das den Reservefonds bildende Verm�gen der Carl
Zeiss-Stiftung nach den jeweilig f�r die Verwahrung und Verwaltung von
Staatsgeldern geltenden Normen zu verwahren und zu verwalten, jedoch
ohne da� hierdurch dem Staat eine Haftpflicht erwachsen darf.

Insoweit Verm�gensobjekte der Stiftung oder Besitztitel begr�ndende
Urkunden bez�glich solcher nicht nur vor�bergehend f�r kurze Zeit
zusammen mit Staatsgeldern verwahrt werden, mu� das Eigentum der
Stiftung an ihnen jederzeit offensichtlich gehalten werden.

Insoweit dergleichen Objekte abgesondert verwahrt werden, sind sie unter
doppeltem Verschlu�, seitens des Kassebeamten und eines Beauftragten der
Stiftungsverwaltung, zu halten.

=F�r Barmittel, die zur Bestreitung von Ausgaben bereit gehalten werden
m�ssen, sowie f�r Zinsscheine der zum Reservefonds geh�rigen Wertpapiere
soll es jedoch nur des Verschlusses seitens des Kassebeamten bed�rfen.=


� 54.

[Sidenote: Trennung der Bestandteile des R. F.]

Die in � 45 aufgez�hlten Bestandteile des Reservefonds sollen bei der
Verwaltung des Fonds weder getrennter Rechnungsf�hrung noch
tats�chlicher Absonderung, sondern nur buchm��iger Scheidung
unterliegen.

Nach der j�hrlich zu erneuernden Berechnung des in � 45 unter I
bezeichneten Deckungskapitals f�r alle laufenden Rentenverpflichtungen
der Stiftungsbetriebe und der Stiftung ist das gesamte buchm��ige
Verm�gen des Reservefonds mit Beginn eines jeden Gesch�ftsjahres, nach
buchm��iger Dotierung der etwa gem�� � 51 zur zeitweiligen Ansammlung
von �bersch�ssen f�r vorausbestimmte Zwecke angelegten Separatkonten, in
seinem in Abteilung II einzustellenden Betrag auf die drei Konten =a=,
=b= und =c= rechnerisch zu verteilen nach Verh�ltnis der drei
Grundsummen, welche nach � 45 jeweils sich ergeben.


� 55.

[Sidenote: Verf�gung �ber den R. F. und Verwaltung desselben.]

Die Verf�gung �ber den Reservefonds und die Verwaltung desselben
untersteht allein der Stiftungsverwaltung, vorbehaltlich der aus Titel
II dieses Statuts sich ergebenden Rechte der Vorst�nde der
Stiftungsbetriebe.

�ber seinen Stand, die Art seiner Anlagen und seinen Zinsertrag sind der
Stiftungskommissar und die Gesch�ftsleitungen der Stiftungsbetriebe
fortdauernd unterrichtet zu halten.


Titel V.

Rechtsverh�ltnis der Angestellten und Arbeiter in den
Stiftungsbetrieben.

_Pers�nliche Rechte._

� 56.

[Sidenote: Neutralit�t bei Anstellung und Bef�rderung der Angestellten
und Arbeiter.]

Bei Anstellung der Beamten der Stiftung und der Stiftungsbetriebe, der
Gesch�ftsgehilfen und Arbeiter mu� jederzeit ohne Ansehen der
Abstammung, des Bekenntnisses und der Parteistellung verfahren werden.

Die Fortsetzung der eingegangenen Anstellungs- und Arbeitsvertr�ge,
sowie die Bef�rderung der Angestellten und Arbeiter in Hinsicht auf
Funktion und Entlohnung darf nur von ihren F�higkeiten und Leistungen,
der Pflichtm��igkeit ihres dienstlichen Verhaltens und von R�cksichten
auf andere wesentliche Interessen des Betriebs abh�ngig gemacht werden,
vom au�erdienstlichen Verhalten aber nur insoweit, als dasselbe die
Erf�llung ihrer Dienstpflichten oder ihr pers�nliches Ansehen in
R�cksicht auf b�rgerliche Ehre und gute Sitte ber�hrt.


� 57.

[Sidenote: Zul�ssiger Inhaltsbereich der Dienstvertr�ge.]

Das in den Stiftungsbetrieben durch den Dienstvertrag begr�ndete
Pflichtverh�ltnis der Beamten, Gesch�ftsgehilfen und Arbeiter zur
Stiftung, zu ihrer Firma und zu allen Vorgesetzten erstreckt sich
lediglich auf die vertragsm��ige Arbeitsleistung und die sonstigen
Dienstgesch�fte, und zwar in Hinsicht auf folgende Punkte:

     Art und Ma� der Arbeitsleistung und der sonstigen Obliegenheiten;

     Leitung und Beaufsichtigung der dienstlichen T�tigkeit durch die
     dazu bestellten Organe;

     Obhut �ber Eigentum der Firma und Eigentum Fremder, welches
     einzelnen oder mehreren verm�ge ihrer dienstlichen T�tigkeit
     anvertraut oder zug�nglich ist, und Wahrung sonstiger ihnen darin
     anvertrauter Interessen der Firma und Fremder;

     Wahrung von Sicherheit und Ordnung in Betrieb und Verwaltung;

     Verkehr der einzelnen mit Vorgesetzten, Mitarbeitern und
     Untergebenen innerhalb des Dienstes;

     Schutz von Eigentum und sonstigen Interessen der
     Betriebsangeh�rigen, insoweit solches Eigentum den Angestellten und
     Arbeitern verm�ge des Dienstverh�ltnisses zug�nglich ist, oder
     solche Interessen ihnen darin anvertraut sind;

     Wahrung solcher R�cksichten, welche den in Vertrag Stehenden aus
     Treu und Glauben gegenseitig, also je in gleicher Art auch der
     Firma und ihren Vertretern dem einzelnen Angestellten und Arbeiter
     gegen�ber obliegen.

Verpflichtungen, welche in keinem von diesen Punkten auf die dienstliche
T�tigkeit Bezug haben, k�nnen niemand auferlegt werden. Handlungen und
Unterlassungen, welche in keinem von diesen Punkten die dienstliche
T�tigkeit ber�hren, begr�nden unbeschadet ihrer sonstigen Beurteilung
keine Verletzung des Dienstvertrags oder vertragsm��iger Pflichten.

Anordnungen, welche behufs Beaufsichtigung der in Lehrvertrag stehenden
Lehrlinge und der unter 18 Jahre alten Betriebsangeh�rigen getroffen
werden, fallen nicht unter die Beschr�nkungen dieses Paragraphen.


� 58.

[Sidenote: Gew�hrleistung pers�nlicher Freiheit au�erhalb des Dienstes.]

In der freien Aus�bung =der allgemeinen=[52] pers�nlichen und
=staat=sb�rgerlichen Rechte au�erhalb des Dienstes darf, abgesehen von
der Beaufsichtigung von Lehrlingen und unter 18 Jahre alten Personen,
niemand unmittelbar oder mittelbar behindert werden.

In der Vertretung ihrer Interessen, einzeln oder gemeinsam, innerhalb
der Grenzen des gesetzlich Erlaubten, und[53] der im Anstellungs- oder
Arbeitsvertrag �bernommenen Pflichten, d�rfen die Angeh�rigen der
Betriebe in keiner Art beschr�nkt werden.


� 59.

[Sidenote: Anstellung auf Lebenszeit.]

Der Anstellungsvertrag der auf Lebenszeit angestellten Beamten darf
Dienstentlassung nur vorsehen wegen grober Pflichtverletzung, wegen
fortgesetzter Vernachl�ssigung der Obliegenheiten und wegen solcher
Anst�nde im au�erdienstlichen Verhalten, welche b�rgerliches Ansehen
oder pers�nliches Vertrauen aufheben, Pensionierung nur wegen solcher
Tatsachen, welche auch dem Angestellten vertragsm��igen Anspruch auf
Pensionierung geben.

Au�erdienststellung dieser Beamten ohne vertragsm��ig begr�ndete
Dienstentlassung oder Pensionierung ist unzul�ssig.


� 60.

[Sidenote: Konkurrenzklausel.]

Vertragsm��ige Beschr�nkungen hinsichtlich der T�tigkeit nach etwaigem
Austritt aus dem Dienst der Stiftungsbetriebe d�rfen nur den gem�� � 59
auf Lebenszeit angestellten Beamten auferlegt werden.


� 61.

[Sidenote: Arbeitszeit der Lohnarbeiter.]

Der Arbeitsvertrag darf die im gew�hnlichen Lohnverh�ltnis stehenden
Angeh�rigen der Stiftungsbetriebe nur zu einer bestimmten t�glichen
Arbeitszeit verpflichten, die in den Arbeiten des laufenden Betriebs
nicht l�nger als neun Stunden sein soll.

[Sidenote: �berarbeit.]

Zur Leistung von �berstunden oder Feiertagsarbeit im Betrieb darf, au�er
f�r den Fall einer stattgehabten Betriebsst�rung, niemand verpflichtet
oder angehalten werden.

Vereinbarungen wegen zeitweiliger Leistung von �berarbeit im ungest�rten
Betrieb d�rfen nicht f�r l�nger als vier Arbeitswochen verbindlich
gemacht werden.


� 62.

[Sidenote: Urlaub.]

Alle �ber 18 Jahre alte, nicht in vertragsm��igem Lehrverh�ltnis
stehende Angeh�rige der Stiftungsbetriebe haben Anspruch auf Urlaub f�r
zw�lf Arbeitstage j�hrlich, wegen dessen Benutzung sie auf Vereinbarung
mit der Gesch�ftsleitung des Betriebes oder deren Beauftragten
angewiesen sind.

Ordnungsm��ig beantragter Urlaub auf nicht mehr als drei Arbeitstage, im
einzelnen Fall und innerhalb eines Monats, darf nur wegen erweislichen
besonderen Nachteils f�r die Firma oder f�r andere Betriebsangeh�rige
verweigert werden.

Allgemeine Beschr�nkung alles Urlaubsanspruchs auf einzelne
Zeitabschnitte im Jahre ist nur hinsichtlich solcher zul�ssig, die mit
kontinuierlichem Feuer arbeiten, oder sonst an Arbeiten beteiligt sind,
deren Unterbrechung regelm��ig mit besonderem Nachteil verbunden ist

Angeh�rigen der Betriebe, Arbeitern wie Beamten, welche zu
ehrenamtlicher T�tigkeit im Reichs-, Staats- oder Gemeindedienst berufen
werden, mu� der zu ordnungsm��iger Aus�bung dieser T�tigkeit n�tige
Urlaub auf ihren Antrag stets gew�hrt werden.


� 63.

[Sidenote: Verwaltung der Krankenkasse.]

Die Krankenkasse der Stiftungsbetriebe soll auch in Zukunft der
Selbstverwaltung der Versicherten in der Art unterstellt bleiben, da�,
abgesehen von der gesetzlich gebotenen Mitwirkung der Vertreter des
Betriebsunternehmers, die Gesch�ftsleitungen der Stiftungsbetriebe nicht
mitbeschlie�end, sondern nur beratend und die Statutenm��igkeit des
Verfahrens beaufsichtigend, Einflu� auf ihre Verwaltung aus�ben.


� 64.

[Sidenote: Arbeitervertretungen.]

Arbeitervertretungen in den Stiftungsbetrieben, welchen Befugnisse
zustehen sollen gegen�ber der Gesamtheit einer Arbeiterschaft oder einem
nicht nur auf Lehrlinge und unter 18 Jahre alte Personen beschr�nkten
Kreis derselben oder gegen�ber der Gesch�ftsleitung des Betriebes,
m�ssen g�nzlich aus direkter geheimer Wahl seitens der s�mtlichen �ber
18 Jahre alten Betriebsangeh�rigen hervorgehen, von Jahr zu Jahr
g�nzlicher Erneuerung unterliegen und aus nicht weniger als zw�lf
Mitgliedern bestehen; die W�hlbarkeit zu ihnen mu� aber beschr�nkt sein
auf vollj�hrige, seit mindestens einem Jahr im Betrieb t�tige, im
gew�hnlichen Lohnverh�ltnis stehende Arbeiter und darf weitern
Beschr�nkungen nicht unterworfen sein.

Sie sind befugt, auch ohne Einberufung durch die Gesch�ftsleitung ihres
Betriebes zusammenzutreten und haben das Recht, in allen Angelegenheiten
ihres Betriebes auf ihren Antrag von dieser Gesch�ftsleitung geh�rt zu
werden.


� 65.

[Sidenote: Strafen.]

Gegen alle Strafen, welche von der Gesch�ftsleitung eines Betriebs oder
deren Vertretern auf Grund der Betriebsordnung oder auf Grund sonstiger
Satzungen ausgesprochen werden k�nnen, mu� Berufung auf richterliche
oder schiedsrichterliche Entscheidung oder Berufung an eine den
Vorschriften des � 64. entsprechende Arbeitervertretung zugelassen
bleiben.


_Wirtschaftliche Anrechte im Dienstverh�ltnis._

� 66.

[Sidenote: Gew�hrleistung eines festen Zeitlohns.]

Alle Arbeiter und Gesch�ftsgehifen in den Stiftungsbetrieben m�ssen
gegen einen mit jedem zum voraus vereinbarten festen Zeitlohn, pro Woche
oder pro Monat, eingestellt werden.

Dieser ist auch f�r die in die Arbeitswoche fallenden gesetzlichen
Feiertage fortzugew�hren, im �brigen aber nur nach Verh�ltnis der
tats�chlich geleisteten Arbeitszeit, soweit Verk�rzung dieser nach dem
eigenen Willen des Betreffenden oder durch Behinderung auf seiner Seite
oder infolge von gleichzeitiger Abwesenheit der Mehrheit in einer
Betriebsabteilung stattgefunden hat, und nicht � 70 zur Anwendung kommt.


� 67.

[Sidenote: Verbot bezw. Einschr�nkungen der Herabsetzung des Zeitlohns.]

Der feste Lohn oder Gehalt, der in einem Stiftungsbetrieb einem
Arbeiter, Gesch�ftsgehilfen oder Beamten einmal ohne ausdr�cklichen
Vorbehalt gew�hrt, oder ungeachtet solchen Vorbehalts f�r l�nger als ein
Jahr einmal fortgew�hrt worden ist, darf auch bei zeitweiliger, oder
dauernder Verk�rzung der t�glichen Arbeitszeit nicht wieder herabgesetzt
werden, sofern nicht der Betreffende zu ordnungsm��iger Fortsetzung
seiner fr�heren T�tigkeit unf�hig wird und deshalb, oder sonst aus
Gr�nden, die in seiner Person liegen, zu einer andern Arbeitsstellung im
Betrieb �bergeht.


� 68.

[Sidenote: Zuschl�ge bei �berarbeit pp.]

F�r vereinbarungsm��ig geleistete �ber- oder Feiertagsarbeit
mu�, soweit solche nicht zum Ersatz f�r Arbeitsausfall durch
Betriebsunterbrechungen dient, den im gew�hnlichen Lohnverh�ltnis
stehenden Personen neben dem entsprechenden Zeit- oder St�cklohn stets
eine im Arbeitsvertrag zum voraus festgesetzte besondere Verg�tung von
nicht weniger als 25 Prozent des festen Zeitlohnes gew�hrt werden.


� 69.

[Sidenote: Lohngarantie bei Akkordarbeit.]

Bei aller Akkord- oder St�ckarbeit ist der dem Arbeiter zukommende feste
Zeitlohn nach Verh�ltnis der aufgewandten Arbeitszeit als
Mindestverdienst zu gew�hrleisten.


� 70.

[Sidenote: Bezahlter Urlaub.]

Arbeiter und Gesch�ftsgehilfen, welche �ber 21 Jahre alt und seit
mindestens einem Jahr im Dienst von Stiftungsbetrieben gewesen sind, ist
f�r j�hrlich sechs Arbeitstage vereinbarungsgem�� nach � 62 Abs. 1
erteilten Urlaubs der feste Zeitlohn fortzugew�hren.

Betriebsangeh�rigen, welche Urlaub auf Grund des � 62 Abs. 4 genommen
haben, ist der feste Zeitlohn oder Gehalt f�r die ganze Dauer des
erforderlichen Urlaubs fortzugew�hren, soweit ihnen nicht entsprechende
Entsch�digung f�r Zeitaufwand aus �ffentlichen Mitteln zusteht.


� 71.

[Sidenote: Mindests�tze der Krankenkasse.]

Die Krankenkasse der Stiftungsbetriebe darf auch in Zukunft den
Versicherten nicht weniger bieten, als

     volle Kassenleistung f�r ein halbes Jahr;

     drei Viertel des versicherungsf�higen Lohnes als Krankengeld;

     Mitversicherung der n�chsten Familienmitglieder;

     freie Wahl des Arztes unter den approbierten �rzten des Wohnortes;

     Beitragsleistung der Betriebsinhaber gleich dem Gesamtbeitrag aller
     Versicherten im Jahr.

Ausdehnung der Kassenleistungen auf ein ganzes Jahr hat einzutreten,
wenn die Generalversammlung der Krankenkasse solche beantragt.


_Pensionsrechte._

� 72.

[Sidenote: Pensionsanspruch.]

Beamte, Gesch�ftsgehilfen und Arbeiter, welche vor Vollendung ihres 40.
Lebensjahres in den Dienst eines Stiftungsbetriebes eingetreten sind,
haben nach f�nfj�hriger Dienstzeit klagbaren Anspruch auf Pension gegen
ihre Firma, sowohl f�r sich selbst, falls sie w�hrend des
Dienstverh�ltnisses durch Alter oder dauernde Krankheit oder sonst ohne
eigenes grobes Verschulden zur Fortsetzung ihrer T�tigkeit unf�hig
werden, wie auch f�r den Fall ihres Todes zugunsten ihrer
Hinterbliebenen.

F�r die Regelung dieser Anspr�che bleibt hinsichtlich aller nicht in
besonderen Vertr�gen stehenden Betriebsangeh�rigen das �Gemeinsame
Pensions-Statut� der Firmen Carl Zeiss und Schott & Gen. vom =1.
September 1897=[54] in seinen Hauptbestimmungen:

     Beginn der pensionsf�higen Dienstzeit mit Vollendung des =18.=[55]
     Lebensjahres;

     Maximalbetr�ge des pensionsf�higen Monats -- Lohnes oder -Gehaltes
     nach 5-, 10- und 15j�hriger Dienstzeit

     =100=[3] Mk., =120=[3] Mk., =140=[56] Mk. f�r Arbeiter,
     =120=[4] Mk., =160=[4] Mk., =200=[57] Mk. f�r Werkmeister,
     Kontoristen und sonstige Gesch�ftsgehilfen;

     Invalidenpension zwischen dem 5. und dem 15. Dienstjahre 50 Proz.
     des jeweils pensionsf�higen Lohnes oder Gehaltes, von da ab um je 1
     Proz. j�hrlich steigend bis zum 40. Dienstjahre;

     Witwenpension 4 Zehntel, Waisenpension 2 Zehntel, zusammen bis zu 8
     Zehntel, der Invalidenpension;

     Invalidenpension ohne Invalidit�t als Ruhegehalt nach Vollendung
     des 65. Lebensjahres und zugleich mindestens 30j�hriger Dienstzeit;

solange ma�gebend, als die Stiftung nicht weitergehende Leistungen
�bernommen hat.


� 73[58].

=Ist durch die Neuredaktion von � 72 erledigt.=


� 74.

[Sidenote: Pensionsbeitr�ge.] [59] Diejenigen aktiven
Gesch�ftsangeh�rigen, welche jeweils f�r den Todesfall Pensionsanspruch
zugunsten von Familienangeh�rigen haben, k�nnen durch das Pensionsstatut
und entsprechende Bestimmungen der Arbeits- und Anstellungsvertr�ge zu
Beitr�gen f�r die Hinterbliebenenpension herangezogen werden. Die
aufzuerlegenden Beitr�ge k�nnen nach Klassen, mit R�cksicht auf Alter
und Familienstand, abgestuft werden, d�rfen aber f�r keine Klasse h�her
bemessen werden, wie auf die H�lfte der versicherungstechnischen Pr�mie
f�r das durchschnittliche Risiko, welches bei jeder Klasse durch die
Zusicherung von Reliktenpension der Firma erw�chst, und d�rfen f�r
keinen einzelnen mehr als drei Prozent seines festen Lohnes oder
Gehaltes betragen.

Wegen der Pensionen, welche den Gesch�ftsangeh�rigen selbst f�r den
Invalidit�tsfall oder als Ruhegehalt zukommen, d�rfen auch in Zukunft
Beitr�ge nicht erhoben werden.


� 75.

[Sidenote: Gew�hr gegen Verlust der Pension oder Verk�rzung der
Pensions-Anwartschaft.]

Gegen�ber solchen Gesch�ftsangeh�rigen, welche f�r den Fall ihrer
Invalidit�t Pensionsanspruch gegen ihre Firma erlangt haben, darf,
nachdem ihre Arbeitsf�higkeit durch Krankheit, oder sonst ohne grobes
Verschulden ihrerseits, erheblich herabgesetzt ist, einseitige Aufl�sung
des Arbeitsverh�ltnisses, sofern nicht die in � 79 dieses Statuts
bezeichneten Voraussetzungen verschuldeter Entlassung vorliegen, nur
unter dauernder Gew�hrung der statutenm��igen Pension erfolgen.

Die Pensionierung mu� einem solchen gew�hrt werden, sobald ihm im
Betrieb keine seiner bisherigen Arbeitsstellung angemessene T�tigkeit
mehr geboten werden kann mit h�herem Zeitlohn, als die jeweils erlangte
Pensionsanwartschaft als Pension ihm zusichert.

Wenn ein Arbeiter oder Gesch�ftsgehilfe aus Gr�nden, die in seiner
Person liegen, zu einer Arbeitsstellung im Betrieb �bergeht, die mit
geringerem Lohn als seine bisherige verbunden ist; so beh�lt er f�r den
Fall sp�terer Pensionierung Anspruch auf diejenige Pension als
Mindestleistung, welche ihm zugestanden h�tte, wenn seine Pensionierung
zur Zeit des Wechsels der Arbeitsstellung erfolgt w�re.


_Aufl�sung des Dienstverh�ltnisses._

� 76.

[Sidenote: K�ndigungsfristen.]

Die beiderseitige K�ndigungsfrist darf in den Stiftungsbetrieben f�r
Arbeiter nicht auf weniger als zwei Wochen, f�r Gesch�ftsgehilfen nicht
auf weniger als sechs Wochen festgesetzt werden.


� 77.

[Sidenote: Abgangsentsch�digung, Voraussetzungen und Inhalt des
Anspruchs.]

Die in k�ndbaren Vertr�gen stehenden Beamten, Gesch�ftsgehilfen und
Arbeiter der Stiftungsbetriebe haben nach im ganzen dreij�hriger seit
Vollendung des 18. Lebensjahres im Dienst der Stiftung verbrachter
Dienstzeit klagbaren Anspruch gegen ihre Firma auf Gew�hrung einer
Entsch�digung f�r Verlust ihrer Stellung, wenn Aufl�sung des
Dienstverh�ltnisses seitens der Firma erfolgt, ohne da� sie zur
Fortsetzung der vertragsm��igen T�tigkeit unf�hig geworden sind oder
ihrerseits schuldbare Veranlassung zur Vertragsaufl�sung gem�� � 79
dieses Statuts gegeben haben.

Diese Entsch�digung =besteht in der Fortgew�hr des von ihnen zuletzt
bezogenen festen Zeitlohns oder Gehalts, f�r die Dauer des dem Austritt
folgenden halben Jahres=[60].

F�r solche Gesch�ftsangeh�rige, die nach dem Pensionsstatut
Pensionsanwartschaft erlangt haben, soll die Entsch�digung nicht weniger
betragen, als der Gesamtbetrag der im Invalidit�tsfall zu
beanspruchenden Pension f�r einen Zeitraum gleich dem vierten Teil der
abgelaufenen, nach den Bestimmungen des Pensionsstatuts
anrechnungsf�higen Dienstzeit; =der die Bez�ge nach Abs. 2 �bersteigende
Betrag ist alsbald f�llig=.

Wer au�er Lehrvertrag, als Arbeiterlehrling, vor vollendetem 16.
Lebensjahr bei einem Stiftungsbetrieb eingetreten ist, hat auf die
zuerst bezeichnete Entsch�digung schon dann Anspruch, wenn er ohne sein
Verschulden nach vollendetem 18. Lebensjahr entlassen wird.

=Eine Abgangsentsch�digung wird schon nach sechsmonatiger Dienstzeit
gew�hrt, wenn die Entlassung nicht aus Gr�nden erfolgt, die in der
Person des Entlassenen liegen, sondern durch Einschr�nkung des
Betriebes, Einf�hrung von Fabrikationsverbesserungen oder �hnliche
betriebstechnische Ma�nahmen verursacht wird. Die Abgangsentsch�digung
besteht in diesen F�llen in der Fortgew�hr des zuletzt bezogenen festen
Zeitlohnes oder Gehaltes w�hrend des sechsten Teiles der Zeit, die der
Entlassene im Dienst der Firma zugebracht hat, jedoch h�chstens bis zur
Dauer eines halben Jahres.=

Wer die Abgangsentsch�digung einmal empfangen hat, gewinnt im Fall
seines Wiedereintritts in einen Stiftungsbetrieb neuen Anspruch bei
nochmaliger Entlassung erst nach Ablauf von drei neuen Dienstjahren, und
bis nach Ablauf des f�nften neuen Dienstjahres nur f�r denjenigen
Betrag, um welchen der neue Anspruch die fr�here Leistung
�berschreitet.


� 78[61].

=Die laufenden Lohn- und Gehaltsbetr�ge (� 77 Abs. 2) sind an den
�blichen Zahltagen im Kassenzimmer zu erheben; die Firma ist jedoch
berechtigt, die Zahlung der gesamten Betr�ge auf einmal zu bewirken.=

[Sidenote: �bertragbarkeit des Anspruchs auf Abgangsentsch�digung.]

=Der Anspruch auf Abgangsentsch�digung ist nur an solche
Familienangeh�rige vererblich, deren wesentlicher Ern�hrer der
Berechtigte zur Zeit seines Todes war. Eine Abtretung und Verpf�ndung
ist auch, insoweit die Bestimmungen des Lohnbeschlagnahmegesetzes und
der C.P.O. nicht entgegenstehen, nur mit Genehmigung der Firma
statthaft.=

=Ist der Anspruch von der Firma bestritten, so kann nur auf Gew�hrung
der Entsch�digung _oder_ Zur�cknahme der Dienstentlassung geklagt
werden. W�hlt die Firma die letztere, so hat sie f�r die Zeit von der
Entlassung bis zur tats�chlichen Wiedereinstellung das Gehalt oder Lohn
fortzugew�hren.=

[Sidenote: Erl�schen des Anspruchs auf Abgangsentsch�digung.]

=Der Anspruch erlischt, falls er nicht binnen 2 Wochen nach dem
Ausscheiden geltend gemacht und erforderlichen Falles binnen weiteren 4
Wochen eingeklagt wird.=


� 79.

[Sidenote: Verlust des Anspruchs auf Abgangsentsch�digung bei
Verschulden.]

Der Anspruch auf die in � 77 festgesetzte Abgangsentsch�digung ist wegen
schuldbarer Veranlassung nur dann hinf�llig, wenn die Aufl�sung des
Dienstverh�ltnisses seitens der Firma durch K�ndigung oder sofortige
Entlassung begr�ndeterweise erfolgt

wegen erheblicher Vertragsverletzung, n�mlich

     wegen grober Pflichtverletzung in Bezug auf einen von den in � 57
     benannten Punkten -- wobei jede dolose Handlung- oder Unterlassung,
     sofern sie gegen eine Vertragspflicht geht, als grobe
     Pflichtverletzung gilt;

     wegen fortgesetzter Vertragswidrigkeit -- wobei der Charakter des
     Fortgesetzten jedenfalls als festgestellt zu gelten hat, bei
     wiederholter Verfehlung, wenn wegen gleichartiger Verfehlung
     =innerhalb eines Jahres= ausdr�ckliche Verwarnung derselben Person
     seitens eines Mitgliedes der Gesch�ftsleitung unter Androhung der
     Entlassung vorhergegangen ist;

wegen Tatsachen, welche ohne Vertragsverletzung einzuschlie�en wichtige
Gr�nde f�r Nichtfortsetzung des Vertrages ergeben, n�mlich

     wegen solcher Tatsachen, welche das Vertrauen auf zuverl�ssige
     Erf�llung der Dienstobliegenheiten oder auf ehrliche Wahrung
     anvertrauter Interessen der Firma in Frage stellen m�ssen --
     vorbehaltlich aller in � 58 gew�hrleisteten Rechte;

     wegen Trunksucht oder wegen sonstiger fortgesetzter
     Ausschweifungen, welche geeignet sind, Gesundheitssch�digung oder
     vorzeitige Invalidit�t herbeizuf�hren;

     wegen grober Ehrverletzung, t�tlicher Beleidigung oder b�swilliger
     Sch�digung gegen Vorgesetzte, gegen Untergebene oder gegen solche
     Mitarbeiter, mit welchen der T�ter verm�ge seiner Arbeitsstellung
     dienstlich zu verkehren hat;

     wegen solcher Handlungen, welche die b�rgerliche Ehre verletzen,
     oder wegen einer Lebensf�hrung, die den guten Sitten zuwiderl�uft.

Ob die Vertragsaufl�sung nur nach vorheriger K�ndigung oder durch
sofortige Entlassung erfolgen kann, richtet sich nach dem b�rgerlichen
Recht, ohne R�cksicht darauf, ob im Fall der Vertragsaufl�sung der
Rechtsnachteil des � 79 eintritt oder nicht.


� 80.

[Sidenote: Ausschlu� des Anspruchs auf Abgangsentsch�digung bei
Arbeitsunf�higkeit.]

Ein Anspruch auf Abgangsentsch�digung nach � 77 besteht nicht, wenn der
Arbeiter oder Angestellte zur Fortsetzung der vertragsm��igen T�tigkeit
unf�hig oder durch andere Ursachen an der Fortsetzung seinerseits
gehindert wird. Die in solchen F�llen verbleibenden Anspr�che richten
sich lediglich nach den Bestimmungen der �� 67 und 72-75 dieses Statuts,
bezw. des auf Grund der letzteren in Geltung stehenden Pensionsstatuts,
und hinsichtlich der vor�bergehenden Behinderungen nach den Vorschriften
des � 82.


� 81.

[Sidenote: Desgleichen bei Pensionierung.]

Aufk�ndigung des Arbeits- oder Anstellungsvertrags seitens der Firma
unter dauernder Entbindung von weiteren Dienstpflichten und dauernder
Gew�hrung der statutenm��igen Pension ist hinsichtlich der in k�ndbarem
Vertrag stehenden Personen jederzeit zul�ssig und begr�ndet keinen
Entsch�digungsanspruch aus � 77 dieses Statuts.


� 82.

[Sidenote: Suspension des Dienstvertrages.]

Vor�bergehende Behinderung in der Erf�llung des Dienstvertrages
begr�ndet hinsichtlich aller derjenigen Betriebsangeh�rigen, welche nach
� 77 Anspruch auf Abgangsentsch�digung f�r den Fall unverschuldeter
Entlassung gewonnen haben, nicht Aufhebung, sondern nur Suspension des
Dienstvertrages f�r die Dauer der Behinderung, wenn diese veranla�t ist

     durch R�cksichten auf wichtige Interessen des Betriebsangeh�rigen
     oder seiner Familie, wofern die Dienstunterbrechung nach
     Vereinbarung mit der Gesch�ftsleitung erfolgt und nicht l�nger als
     ein Jahr dauert;

     durch Einberufung zum Heeresdienst in gesetzlich gebotener Dauer im
     Frieden oder im Krieg;

     durch Untersuchungs- oder Strafhaft, welche die Dauer von sechs
     Monaten nicht �berschreitet und im letzteren Fall nicht wegen des
     zugrunde liegenden Delikts Aufhebung des Vertrags nach � 79
     rechtfertigt.

Die Suspension bedingt in allen diesen F�llen, da� der
Betriebsangeh�rige f�r die Dauer derselben als nicht im Dienst der Firma
stehend anzusehen ist, soweit nicht hinsichtlich der Anrechnung des
Heeresdienstes auf die pensionsf�hige Dienstzeit das Pensionsstatut
besondere Bestimmungen trifft. Er beh�lt jedoch das Recht, sofort nach
Aufh�ren seiner Behinderung in das fr�here Dienstverh�ltnis und alle aus
demselben ihm vorher erwachsenen Anrechte wieder eintreten zu k�nnen,
wenn in der Zwischenzeit er nicht unf�hig zu ordnungsm��iger Fortsetzung
der fr�heren T�tigkeit geworden ist und nicht Tatsachen eingetreten
sind, welche Vertragsaufl�sung nach � 79 rechtfertigen.


� 83.

[Sidenote: Urlaub.]

Urlaub, welcher auf Grund des � 62 dieses Statuts oder auf Grund der
Anstellungsvertr�ge erteilt ist, sowie auch sonstiger Urlaub, der nach
Vereinbarung mit der Gesch�ftsleitung f�r nicht l�nger als drei Monate
oder f�r noch l�ngere Zeit aus Gesundheitsr�cksichten genommen wird,
begr�ndet, auch wenn dabei der Anspruch auf Lohn oder Gehalt zeitweise
aufh�rt, keine Suspension des Dienstvertrages. Der Beurlaubte gilt f�r
die ganze Zeit der Dienstunterbrechung in jeder Hinsicht als im Dienst
der Firma verblieben.

Das Gleiche hat Geltung bei Dienstunterbrechung durch Krankheit f�r die
Dauer der statutenm��igen Krankenverpflegung der Betriebskrankenkasse,
auch hinsichtlich solcher, welche dieser nicht angeh�ren.


� 84.

[Sidenote: Eigenm�chtiges Fortbleiben von der Arbeit.]

Eigenm�chtiges Fortbleiben von der Arbeit oder den Dienstgesch�ften kann
ohne R�cksicht darauf, ob es Vertragsaufl�sung seitens der Firma gem��
�79 rechtfertigt, als tats�chliche Aufhebung des Dienstvertrages seitens
des Arbeiters oder Angestellten dann angesehen werden, wenn die
Dienstunterbrechung drei Arbeitstage �berschreitet.


� 85.

[Sidenote: Aufhebung des Dienstvertrages bei Betriebsst�rungen.]

Wenn die Fortsetzung eines Stiftungsbetriebes im ganzen oder in
einzelnen Abteilungen unabh�ngig vom Willen der Firma, durch
Betriebsst�rung oder andere Ereignisse, f�r l�ngere oder k�rzere Zeit
verhindert wird, so begr�ndet dieses Aufhebung des Dienstvertrages wegen
h�herer Gewalt nur gegen�ber denjenigen Betriebsangeh�rigen, welche
alsdann nicht in rechtsverbindlicher Form sich verpflichten wollen:

f�r die ganze Dauer der Betriebsunterbrechung gegen Fortgew�hrung ihres
bisherigen festen Zeitlohnes oder Gehaltes ihren Wohnsitz am Ort der
Betriebsst�tte oder in dessen Umgebung zu behalten;

der Gesch�ftsleitung ihrer Firma jederzeit f�r Hilfsleistung zur
Beseitigung der St�rung und Wiederaufnahme der Arbeit zur Verf�gung zu
bleiben; nach Wiederaufnahme des gest�rten Betriebes die H�lfte des in
der Zwischenzeit empfangenen, nicht durch entsprechende Arbeitsleistung
abverdienten Lohnes als empfangenen Vorschu� durch �berstunden wieder
abzutragen, soweit solches durch Verl�ngerung der regelm��igen
Arbeitszeit um w�chentlich h�chstens neun Stunden w�hrend der Dauer
eines Jahres ang�ngig ist, wenn innerhalb dieses Zeitraumes der auf die
�berstunden im Verh�ltnis zur Gesamtarbeitszeit entfallende Zeit- und
St�cklohn von der Firma zur�ckbehalten wird;

bei Nichterf�llung dieser Verpflichtungen den gesamten ohne
entsprechende Arbeitsleistung empfangenen Lohn zur�ckzuerstatten.


_Schlu�bestimmungen._

� 86.

[Sidenote: Anrechnung �ffentlichrechtlicher Bez�ge.]

Sofern durch die jetzige oder eine zuk�nftige Gesetzgebung Angeh�rigen
der Stiftungsbetriebe �ffentlich-rechtlicher Anspruch auf Leistungen
einger�umt ist, welche der Art nach den in �� 72, 77 den
Stiftungsbetrieben auferlegten Leistungen entsprechen, k�nnen die
ersteren bei den letzteren insoweit in Anrechnung gebracht werden, als
jene nicht anteilsweise auf eigenen Aufwendungen der Betriebsangeh�rigen
beruhen, in ihrem vollen Betrag aber stets dann, wenn die
Stiftungsfirmen etwaige gesetzlich ihren Angeh�rigen obliegende
Aufwendungen ihrerseits �bernommen haben.


� 87.

[Sidenote: Rechte der Angestellten ausw�rtiger Niederlassungen.]

Die in den �� 56 bis 65 dieses Statuts enthaltenen Vorschriften
haben jederzeit auch f�r die au�erhalb Jena im Dienst von
Stiftungsunternehmungen t�tigen Personen Geltung.

Die Bestimmungen der �� 66 bis 85 brauchen hinsichtlich dieser
Personen, soweit solche nicht schon vorher einem �lteren
Stiftungsbetrieb angeh�rt haben, nicht fr�her in Wirksamkeit
gesetzt zu werden, als mit Ablauf des f�nften Jahres nach
Einrichtung oder �bernahme der betreffenden Zweigniederlassung,
Gesch�ftsstelle oder selbst�ndigen Betriebsunternehmung durch
die Stiftung.


�� 88[62] u. 89[63]

=sind weggefallen.=


� 90.

[Sidenote: Verbot abweichender Vereinbarungen.]

Die Anstellungsvertr�ge der Beamten und Gesch�ftsgehilfen, der
allgemeine Arbeitsvertrag und die Betriebsordnungen der
Stiftungsbetriebe, sowie alle f�r die Betriebe erlassenen besonderen
Satzungen (Pensionsstatut, Krankenkassenstatut etc.) m�ssen,
vorbehaltlich der durch � 93, Abs. 1 begr�ndeten zeitweiligen
Abweichungen, jederzeit mit den Vorschriften des Titels V dieses Statuts
in dem Sinne in Einklang stehen, da� sie den Angestellten und Arbeitern
in keinem Punkte mindere Rechte und Gerechtsame, als Titel V vorsieht,
gew�hren d�rfen.

Vertr�ge, Satzungen und Anordnungen, welche dem widersprechen, sollen
unzul�ssig und rechtsung�ltig sein.


� 91.

[Sidenote: Durchgehende G�ltigkeit von Tit. V.]

Alle Arbeits- und Anstellungsvertr�ge in den Stiftungsbetrieben haben
als unter der Erkl�rung abgeschlossen zu gelten: da� bez�glich solcher
Punkte, �ber welche der Vertrag Bestimmungen nicht enth�lt, zun�chst
Titel V des gegenw�rtigen Statuts zur Geltung komme und das b�rgerliche
Recht nur insoweit, als auch dieses Statut Anordnungen nicht getroffen
hat.

In den Betriebsordnungen der Stiftungsbetriebe oder in den sie
ersetzenden allgemeinen Arbeitsvertr�gen ist Titel V dieses Statuts
seinem ganzen Inhalt nach anhangsweise verlautbart zu halten und eine
dem vorangehenden Absatz entsprechende Erkl�rung besonders
auszusprechen.


� 92.

[Sidenote: Ausschlie�barkeit des Rechtsweges bei Streitigkeiten.]

Bez�glich solcher Streitf�lle aus den Arbeits- und Anstellungsvertr�gen,
welche Auslegung und Anwendung von Bestimmungen des Titels V des
gegenw�rtigen Statuts zum Gegenstand haben, darf f�r die nicht in
lebensl�nglichen Vertr�gen stehenden Angeh�rigen der Stiftungsbetriebe
der ordentliche Rechtsweg nicht durch Vertrag zum voraus allgemein,
sondern nur durch Vereinbarung der Parteien im einzelnen Fall und unter
Garantien ordentlichen Schiedsverfahrens ausgeschlossen werden, au�er
insoweit, als etwa hinsichtlich der in gew�hnlichem Lohnverh�ltnis
stehenden Personen die endg�ltige Entscheidung bestimmter Streitfragen
einer Arbeitervertretung �bertragen w�re, welche den Vorschriften des
� 64 dieses Statuts entspricht.


� 93.

[Sidenote: G�ltigkeit von Tit. V f�r das Glaswerk. Neue Betriebe.]

F�r das Personal des Glaswerks treten, so lange das jetzige
Gesellschaftsverh�ltnis bei der Firma Schott & Gen. fortbesteht, alle
Vorschriften des Titels V dieses Statuts nur insoweit in Geltung, als
solches auf Grund des gegenw�rtigen Gesellschaftsvertrages oder mit
ausdr�cklicher Zustimmung des dermaligen Sozius der Stiftung geschehen
kann.

Wenn die Carl Zeiss-Stiftung ein neues Betriebsunternehmen im
Gesellschaftsverh�ltnis mit anderen beginnt, mu� f�r dieses die
alsbaldige Geltung aller Bestimmungen des Titels V dieses Statuts,
vorbehaltlich der Einschr�nkungen nach � 87, Abs. 2, im
Gesellschaftsvertrag besonders festgestellt sein; =die Bestimmung gilt
nicht bei Beteiligung der in � 35 Abs. 3 genannten Art=.


Titel VI.

Regelung allgemeiner Interessen des Personals der Stiftungsbetriebe.


� 94.

[Sidenote: Relative H�he der Beamtengeh�lter.]

Die Bez�ge der Beamten bei den Stiftungsbetrieben sind in den
verschiedenen Beamtenklassen stets in angemessenem Verh�ltnis zu
erhalten zum durchschnittlichen Arbeitsverdienst der erwachsenen
Arbeiter in den Betrieben.

Das h�chste Jahreseinkommen, welches einem Beamten, die Mitglieder der
Gesch�ftsleitungen eingeschlossen, f�r seine vertragsm��ige
Dienstleistung gew�hrt wird, darf zur Zeit der Festsetzung nicht
hinausgehen �ber das Zehnfache vom durchschnittlichen j�hrlichen
Arbeitseinkommen der s�mtlichen �ber 24 Jahre alten und mindestens drei
Jahre im Betrieb t�tigen, in gew�hnlichem Lohnverh�ltnis stehenden
Arbeiter aller Stiftungsbetriebe, nach dem Durchschnitt der
letztverflossenen drei Gesch�ftsjahre.

Die durchschnittliche H�he aller derjenigen Beamtengeh�lter, welche
einzeln das Doppelte des vorgedachten durchschnittlichen
Arbeitseinkommens erreichen oder �berschreiten, soll nicht mehr als das
Vierfache jenes Arbeitseinkommens betragen.

Ortszulagen, welche Beamten an Pl�tzen mit besonders kostspieliger
Lebensf�hrung dieser wegen gew�hrt werden, sind bez�glich beider
Vorschriften au�er Ansatz zu lassen.


� 95.

[Sidenote: Verg�tung f�r besondere Leistungen.]

Angeh�rigen der Stiftungsbetriebe, Arbeitern sowohl wie Beamten, ist im
Fall besonderer erfinderischer oder sonst auf technischen und
wirtschaftlichen Fortschritt gerichteter Bet�tigung, wenn daraus ihrer
Firma besonderer Vorteil ohne rechtliche Verpflichtung zu Gegenleistung
erw�chst, oder im Fall von besonderen Leistungen irgend einer andern Art
zum Nutzen ihrer Firma oder der Stiftung, wenn diese Leistungen �ber die
pflichtm��ige Wahrnehmung ihrer Obliegenheiten deutlich hinausgehen,
neben der Entlohnung f�r die vertragsm��ige T�tigkeit ein der Billigkeit
entsprechender Anteil an den Vorteilen einzur�umen, welche die Stiftung
durch solche Personen gewinnt.

=Die Entscheidung der Gesch�ftsleitungen �ber Anspr�che aus Abs. 1
unterliegen nicht einer Nachpr�fung im Proze�weg. Eine Verpflichtung zur
Entscheidung besteht nicht, wenn der Anspruch sp�ter als vier Wochen
nach Aufl�sung des Dienstverh�ltnisses geltend gemacht wird.=

Bez�ge, welche im Sinne dieser Anweisung einzelnen in irgendwelcher Form
zuteil werden nicht f�r von ihnen erst zu gew�rtigende Leistungen,
sondern f�r besondere Leistungen, die sie tats�chlich vollbracht haben,
fallen nicht unter die Vorschriften des � 94.


� 96[64]

=ist weggefallen.=


� 97.

[Sidenote: Revision der Pensionsh�he.]

Wenn in Zukunft die gem�� �� 72 oder 73 normierten Maximals�tze der
pensionsf�higen Monatsl�hne und Geh�lter infolge fortschreitender
Verschiebung des Verh�ltnisses zwischen Geldwert und Arbeit dauernd in
Mi�verh�ltnis getreten w�ren zum wirklichen Lohn und Gehalt der aktiven
Betriebsangeh�rigen, so sind jene Maximals�tze zu erh�hen in dem
Verh�ltnis, in welchem das durchschnittliche j�hrliche Arbeitseinkommen
der �ber 24 Jahre alten Arbeiter der Stiftungsbetriebe gegen�ber seinem
dermaligen Stand gestiegen ist.

Eine Pr�fung des Pensionsstatuts unter dem hier bezeichneten
Gesichtspunkte hat mindestens von 10 zu 10 Jahren einmal stattzufinden.


� 98.

[Sidenote: Lohn- und Gehaltsnachzahlung. (Gewinnbeteiligung).]

Wenn[65] in einem Stiftungsbetrieb den Betriebsangeh�rigen neben den zum
voraus festgesetzten Lohn- und Gehaltsbez�gen noch Bez�ge einger�umt
werden, deren H�he in irgend einer Form vom Jahresgewinn der Firma
abh�ngig gemacht ist (=Lohn- und Gehaltsnachzahlung=)[66], so mu� die
Bemessung und Abgew�hrung solcher Bez�ge nach folgenden Grunds�tzen
geschehen:

Sie sind im ganzen f�r ein Gesch�ftsjahr auszuwerfen als nachtr�glicher
prozentualer Zuschlag auf die Summe aller L�hne und Gehalte, welche die
Firma in dem betreffenden Gesch�ftsjahr auszubezahlen hatte;

der Prozentsatz dieses Zuschlags auf das Lohn- und Gehaltkonto ist =von
Jahr zu Jahr so zu bemessen, da� unter tunlichster Ausgleichung der
Schwankungen des Gesch�ftsganges ein angemessenes Verh�ltnis zwischen
dem Anteil des Personals am wirtschaftlichen Gesamtertrag und dem
Anteil der Stiftung im Sinne der in �� 40, 41 bezeichneten Richtschnur
sich ergibt[67]=;

die Festsetzung und sp�tere Ab�nderung der speziellen Normen, nach
welchen der Prozentsatz des Zuschlags jeweils berechnet wird, ist
zwischen der Gesch�ftsleitung und dem Stiftungskommissar zu vereinbaren;

ein dem ausgeworfenen Prozentsatz entsprechender nachtr�glicher Lohn-
und Gehaltszuschlag ist ganz gleichm��ig an alle abzugew�hren, =die im
Laufe=[68] des Gesch�ftsjahres als Arbeiter oder Beamte -- nur die
Mitglieder der Gesch�ftsleitung gem�� � 28 ausgenommen -- im Dienst der
Firma standen, jedem einzelnen nach Verh�ltnis des gesamten Lohnes oder
Gehaltes, welchen er w�hrend des abgelaufenen Gesch�ftsjahres
tats�chlich bezogen hat. =Bereits ausgeschiedene Gesch�ftsangeh�rige
verlieren ihren Anspruch, wenn sie ihn nicht sp�testens bis zum 1. April
des folgenden Jahres geltend machen; falls sie Abgangsentsch�digung
erhielten oder bei ihrem Ausscheiden die Voraussetzungen des � 79
vorlagen, steht ihnen ein Anspruch auf Nachzahlung �berhaupt nicht zu.=

=Eine Abtretung oder Verpf�ndung des Anspruchs ist auch insoweit als die
Bestimmungen des Lohnbeschlagnahmegesetzes und der C.P.O. nicht
entgegenstehen, nur mit Genehmigung der Firma statthaft.=

Gewinnbeteiligung nach anderen Grunds�tzen als hier vorgesehen darf in
den Stiftungsbetrieben nicht eingef�hrt werden.


� 99.

[Sidenote: Besch�ftigung von Lehrlingen, jugendl. Arbeitern und Frauen.]

In den Stiftungsbetrieben sollen Lehrlinge, jugendliche Arbeiter und
weibliche Personen niemals behufs Erlangung billiger Arbeitskraft
besch�ftigt werden, vielmehr die beiden ersteren immer nur zum Zwecke
ihrer Ausbildung, f�r den Industriezweig im allgemeinen oder f�r die
besonderen Bed�rfnisse des Betriebs, und nur in solcher Anzahl als zur
Sicherung gen�genden Nachwuchses an gelernten Arbeitern jeweilig geboten
erscheint; die letzteren im Betrieb nur f�r solche Verrichtungen, welche
Frauen angemessener sind als M�nnern.


Titel VII.

Verwendung der �bersch�sse.


� 100.

[Sidenote: Verteilung der �bersch�sse auf die Zwecke nach � 1, A und B.]

Die �bersch�sse, welche der Carl Zeiss-Stiftung aus den Ertr�gnissen der
Stiftungsbetriebe und des Reservefonds jeweils zu freier Verf�gung
verbleiben, nachdem die in � 1 dieses Statuts sub A angef�hrten Aufgaben
der Stiftung verm�ge statutengem��er Leitung ihrer gesch�ftlichen
Unternehmungen schon vollst�ndige Erf�llung gefunden haben und nachdem
zugleich durch Dotierung des Reservefonds gem�� den Vorschriften der
�� 45-50 die statutenm��ige Sicherung f�r fortgesetzte Erf�llung jener
Aufgaben beschafft worden ist, sollen stets f�r die in � 1 sub B
bezeichneten Zwecke der Stiftung Verwendung finden.

[Sidenote: Verpflichtungen zu fortgesetzten Leistungen.]

Verpflichtungen zu fortgesetzten Leistungen f�r Zwecke nach � 1, B darf
jedoch die Stiftung niemals =�ber den Zinsbetrag des Reservefonds hinaus
�bernehmen=[69].


� 101.

[Sidenote: N�here Erl�uterung der Stiftungszwecke. � 1 B Ziff. 1.]

Im Sinne des � 1 sub B an erster Stelle namhaft gemachten Zweckes liegt
nach der Absicht des Stifters alles, was die in den Stiftungsbetrieben
vertretenen Zweige der feintechnischen Industrie �ber den n�chsten
Interessenkreis der Betriebe hinaus f�rdern und unmittelbar oder
mittelbar die Leistungen dieser Industrie gegen�ber den Aufgaben, welche
die wissenschaftliche Forschung und praktische Bed�rfnisse ihr stellen,
erh�hen kann -- mithin alles, was der Weiterbildung ihrer
wissenschaftlichen Grundlagen, der Verbesserung ihrer technischen
Hilfsmittel und erh�htem Zusammenwirken von Wissenschaft und Technik auf
ihrem Arbeitsfeld zu dienen geeignet ist, nicht minder aber auch alles,
was auf Hebung der wirtschaftlichen Lage des ganzen Industriezweiges und
F�rderung und Vertretung der gemeinsamen Interessen seiner Angeh�rigen
abzielt.


� 102.

[Sidenote: Direktiven f�r � 1 B Ziff. 1.]

Die Bet�tigung der Carl Zeiss-Stiftung zugunsten der in � 101
umschriebenen Zwecke kann im besonderen erfolgen:

durch Inangriffnahme oder Unterst�tzung wissenschaftlicher Studien und
Versuche oder sonstiger Unternehmungen, welche Aufgaben des genannten
Industriezweiges zum Gegenstand haben und dessen Interessen weiter zu
f�rdern verm�gen -- gleichg�ltig, ob solche in der T�tigkeit der
Stiftungsbetriebe selbst Ankn�pfungen finden und ganz oder zum Teil mit
deren Einrichtungen und durch deren Personal betrieben werden k�nnen,
oder ob sie von Fremden veranla�t sind und ausgef�hrt werden m�ssen;

durch Anregung oder Unterst�tzung literarischer Arbeiten irgend einer
Art, welche auf die Fachinteressen Bezug haben;

durch Heranziehen begabter Personen zu h�herer Ausbildung auf Kosten der
Stiftung f�r den Dienst des Industriezweiges, dem die Stiftungsbetriebe
angeh�ren;

durch pers�nliche Beteiligung der Beamten der Stiftungsbetriebe an den
Bestrebungen der im letzten Satz des � 101 erw�hnten Art und materielle
Unterst�tzung solcher aus Mitteln der Stiftung.


� 103.

[Sidenote: N�here Ausf�hrung zu � 1 B Ziff. 2.]

Unter dem in � 1 dieses Statuts sub B an zweiter Stelle benannten Titel
sollen alle Aufwendungen gerechtfertigt sein zugunsten gemeinn�tziger
Einrichtungen oder Veranstaltungen in Jena und seiner n�chsten Umgebung,
welche geeignet sind, das leibliche Wohl, die wirtschaftliche Lage oder
die Lebensannehmlichkeit der in industrieller und kleingewerblicher
Arbeit stehenden Volkskreise zu bef�rdern, oder gewerblicher
Fortbildung, allgemein bildender Belehrung und geistiger Anregung ihrer
Angeh�rigen zu dienen.

Einrichtungen und Veranstaltungen, welche unter einem von diesen
Gesichtspunkten zugunsten der Angeh�rigen der Stiftungsbetriebe
getroffen werden k�nnten, sind immer tunlichst so zu gestalten oder,
wenn sie zun�chst nur f�r diese Angeh�rigen getroffen w�rden, doch mit
der Zeit so auszugestalten, da� sie m�glichst weiten Kreisen der
hiesigen arbeitenden Bev�lkerung zu gute kommen.


� 104.

[Sidenote: Politische u. religi�se Neutralit�t.]

Die Bet�tigung der Carl Zeiss-Stiftung gem�� � 103 hat jederzeit strenge
Neutralit�t gegen�ber allen politischen und religi�sen Parteien zu
wahren.

Unter keinen Umst�nden d�rfen innerhalb oder au�erhalb der
Stiftungsbetriebe Mittel der Stiftung verwandt werden zugunsten von
Einrichtungen, deren Leitung oder Benutzung durch konfessionelle oder
politische R�cksichten beschr�nkt ist, oder zugunsten von Zwecken, deren
F�rderung, m�chten sie auch an sich gemeinn�tzige sein, im gegebenen
Fall mit kirchlichen oder politischen Parteibestrebungen auf irgend eine
Art in Verbindung gebracht ist.


� 104a.

[Sidenote: Verwaltung der St.-Einrichtungen nach � 101-103.]

=Die Verwaltung aller Einrichtungen zugunsten der in �� 101 bis 103
gedachten Zwecke ist den Mitgliedern der Jenaer Gesch�ftsleitungen und
dem Stiftungskommissar zu �bertragen und von diesen Personen gem�� den
Vorschriften in �� 10-15 zu f�hren.=


� 105.

[Sidenote: Erl�uterung zu � 1 B Ziff. 3.]

Im �brigen sind die verf�gbaren Mittel der Carl Zeiss-Stiftung, gem��
dem in � 1 sub B an dritter Stelle benannten Stiftungszweck, der
F�rderung rein wissenschaftlicher Studien und Forschungen im ganzen
Bereich der naturwissenschaftlichen und mathematischen Lehrf�cher, ohne
R�cksicht auf die n�heren Interessen der Stiftungsbetriebe, nach
M�glichkeit dienstbar zu machen.

Die Aufwendungen f�r diesen dritten Zweck sollen, so lange die
Universit�t Jena besteht, regelm��ig in deren Interessenkreis erfolgen,
insoweit nicht in einzelnen F�llen Anla� zur Ausf�hrung rein
wissenschaftlicher Arbeiten innerhalb der Betriebe und durch deren
Mitarbeiter gegeben ist.

Die betreffenden Mittel sind der Universit�t durch den
�Universit�tsfonds der Carl Zeiss-Stiftung� zuzuf�hren.


� 106.

[Sidenote: Erg�nzungs-Statut.]

Hinsichtlich der Verwilligung und Verwendung der Mittel des genannten
Fonds =sind die Bestimmungen des Erg�nzungs-Statuts vom 24. Februar/8.
M�rz 1900 ma�gebend=[70].


� 107.

[Sidenote: Ma� der Aufwendungen f�r wissenschaftliche Zwecke im
Verh�ltnis zur H�he des Reservefonds.]

So lange der Reservefonds der Stiftung noch nicht die in � 45 dieses
Statuts bezeichnete H�he erreicht oder nach eingetretener Minderung
wieder erreicht hat, bleibt das Ma� der Aufwendungen f�r rein
wissenschaftliche Zwecke dem pflichtm��igen Ermessen der
Stiftungsverwaltung unter billiger Ber�cksichtigung der anderen
Interessen der Stiftung anheimgestellt.

Wenn der Reservefonds die gedachte H�he �berschreitet und seine weitere
Dotierung den Beschr�nkungen der �� 49 und 50 dieses Statuts unterliegt,
soll, so lange die Universit�t Jena besteht, im Durchschnitt von je 3 zu
3 Jahren jedenfalls die H�lfte der zur Verausgabung kommenden
�bersch�sse der Stiftung zugunsten der Universit�t verwendet werden.

Die andere H�lfte dieser �bersch�sse soll nach der Absicht des Stifters
und nach den Voraussetzungen, unter welchen andere die Erweiterung des
Wirkungskreises der Stiftung bef�rdert haben, in erster Reihe f�r die in
den �� 101-103 benannten Aufgaben der Stiftung verf�gbar gehalten
werden. Insoweit aber Aufgaben solcher Art, deren Erf�llung einem
erheblichen gemeinn�tzigen Interesse im Sinne der Stiftungszwecke dienen
w�rde, zeitweilig nicht vorliegen, soll gestattet sein, auch jene zweite
H�lfte der �bersch�sse teilweise noch gem�� � 105 f�r wissenschaftliche
Zwecke der Universit�t zu verwenden.


� 108.

[Sidenote: Verf�gungsrecht der St. V. u. der G. L.]

Die Verf�gung �ber die Mittel der Carl Zeiss-Stiftung mit Bezug auf die
in � 1 dieses Statuts sub B namhaft gemachten Zwecke steht der
Stiftungsverwaltung zu. Jedoch haben der Stiftungskommissar und die
Vorst�nde der Stiftungsbetriebe das Recht, jederzeit Antr�ge aus � 1, B
stellen zu k�nnen und �ber alle Antr�ge anderer, sowie �ber Absichten
der Stiftungsverwaltung, soweit es sich nicht um innere Angelegenheiten
des Universit�tsfonds handelt, vor der Beschlu�fassung geh�rt zu werden.

�bereinstimmenden Antr�gen s�mtlicher Vorstandsmitglieder der in Jena
bestehenden Stiftungsbetriebe in bezug auf Aufwendungen zugunsten der in
den �� 101-103 benannten Zwecke ist stets stattzugeben, =sofern
statutengem�� die Mittel vorhanden sind=. Gegen das einstimmige Votum
dieser Personen sind Aufwendungen der genannten Art nicht zul�ssig.


� 109.

[Sidenote: Verg�tung der Leistungen von Staatsbeamten.]

Alle Arbeitsleistung, welche in Gem��heit des � 5 dieses Statuts oder
nach dem Auftrag der Stiftungsverwaltung Staatsbeamte in Angelegenheiten
der Carl Zeiss-Stiftung �bernehmen, ist aus Mitteln der letzteren so zu
verg�ten, da� dem Staat aus der Beteiligung seiner Beamten an der
Verwaltung der Stiftung auch nicht indirekt Lasten erwachsen.

[Sidenote: Verbot der Verwendung von St.-Mitteln f�r andere als
St.-Zwecke. ] Aufwendungen aus Mitteln der Stiftung, die nicht der
Vertretung und Verwaltung derselben dienen oder als Ehrenausgaben in
ihrem n�chsten Interessenkreis anzusehen sind, und nicht den
statutenm��igen Aufgaben nach � 1, B sowie den Bestimmungen dieses
Titels VII entsprechen, sollen jederzeit ausgeschlossen sein.


Titel VIII.

Rechnungslegung der Stiftungsverwaltung.


� 110.

So lange der Stifter lebt und verf�gungsf�hig ist, bleibt diesem
pers�nlich die Entgegennahme j�hrlicher Rechnungslegung der
Stiftungsverwaltung �ber die Verm�gensbewegung und den Verm�gensbestand
der Carl Zeiss-Stiftung vorbehalten.

[Sidenote: Zusammensetzung der Rechnungskommission.]

Nach dieser Zeit ist solche Rechnungslegung regelm��ig nach Schlu� eines
jeden Verwaltungsjahres der Stiftung an eine ehrenamtliche Kommission zu
erstatten, welche sich zusammensetzt aus

     dem Kurator der Universit�t Jena,

     einem vom akademischen Senat je auf drei Jahre zu nominierenden
     Vertrauensmann,

     einem Vertrauensmann, welchen die Gemeindevertretung (zur Zeit der
     Gemeinderat) der Stadt Jena gleichfalls je auf drei Jahre erw�hlt,

     den je der Funktionsdauer nach �ltesten Vorstandsmitgliedern der
     jeweils bestehenden Stiftungsbetriebe,

insoweit die drei erstgenannten Stellen solchen Auftrag auf
diesbez�gliches Ersuchen seinerzeit annehmen m�gen.

Der Auftrag hat f�r alle als ein rein pers�nlicher zu gelten.
Hinsichtlich seiner Erf�llung haben die Beauftragten von niemand
Instruktion zu empfangen und niemand Rechenschaft zu geben.


� 111.

[Sidenote: Verfahren bei der Rechnungslegung.]

F�r die Rechnungslegung der Stiftungsverwaltung haben die von
den Gesch�ftsleitungen ordnungsm��ig aufgestellten und vom
Stiftungskommissar anerkannten Jahresbilanzen und statistischen
Aufstellungen der Stiftungsbetriebe, die Empfangsbescheinigung
der zust�ndigen Universit�tskasse sowie die seitens einer
Staatskassenverwaltung aufgenommenen und bescheinigten Inventuren des
Reservefonds ohne weitere Nachpr�fung als ordnungsm��ige Belege zu
gelten. Jedoch sind der Kommission �berall diejenigen Nachweisungen
vorzulegen, welche die fortgesetzte �bereinstimmung der Verwaltung der
Stiftung mit den Vorschriften dieses Statuts und der dasselbe in Titel
VII erg�nzenden Paragraphen der Stiftungsurkunde vom 19. Mai 1889, bezw.
des an ihre Stelle getretenen Erg�nzungsstatuts, darzutun erforderlich
erscheinen.


� 112.

[Sidenote: Protokolle.]

Nachdem die betreffenden Rechnungsaufstellungen, Belege und erg�nzenden
Nachweisungen jedesmal den einzelnen Mitgliedern der gedachten
Kommission zu pers�nlicher, vertraulicher Einsichtnahme vorgelegen
haben, ist in einer vom Stiftungskommissar geleiteten m�ndlichen
Verhandlung ein Protokoll aufzunehmen, in welchem etwa erhobene Bedenken
oder Einwendungen gegen die Ordnungs- oder Statutenm��igkeit der
Verwaltung vollst�ndig zu verlautbaren sind. -- Die Sammlung dieser
Protokolle aus den letztvoraufgehenden 20 Jahren ist bei allen
nachfolgenden Rechnungslegungen wieder mit zur Vorlage zu bringen.


Titel IX.

Schlu�bestimmungen.


� 113.

[Sidenote: Vertretung der St. bei ev. Wegfall der jetzigen St. V.]

Sollte infolge von staatsrechtlichen Ver�nderungen die Bestimmung in � 5
dieses Statuts bez�glich der Vertretung der Stiftung einmal hinf�llig
werden, so soll diese Vertretung, einschlie�lich der Bestellung des
Stiftungskommissars in sinngem��er Anwendung des � 5, und die
statutengem��e Verwaltung der Carl Zeiss-Stiftung �bergehen an diejenige
Staatsbeh�rde, welche hinsichtlich der Universit�t Jena an die Stelle
des als Stiftungsverwaltung fungierenden Departements des Gro�herzogl.
S. Staatsministeriums tritt, wofern dieselbe innerhalb Th�ringens ihren
Sitz hat; andernfalls an die oberste Verwaltungsbeh�rde innerhalb
Th�ringens.


� 114.

[Sidenote: Verfahren bis zur Neukonstituierung der St. V.]

Sollte zu irgend einer Zeit eine den Bestimmungen des � 5 oder des � 113
dieses Statuts entsprechende Stiftungsverwaltung nicht bestehen, so soll
bis zur Neukonstituierung einer solchen die Vertretung und die
Verwaltung der Carl Zeiss-Stiftung ohne weiteres auf die jeweils in
Funktion stehende Gesch�ftsleitung der Optischen Werkst�tte, und falls
letztere nicht mehr best�nde, auf die Gesch�ftsleitung des �ltesten in
Jena oder Umgegend bestehenden Stiftungsbetriebes �bergehen.

Diese Gesch�ftsleitung soll alsdann kraft dieses Statuts verpflichtet
und legitimiert sein, sofort bei Eintritt gedachten Falls alle nicht zum
Gesch�ftsverm�gen von Stiftungsbetrieben geh�rigen Verm�gensobjekte der
Stiftung in eigene Verwahrung und Verwaltung zu nehmen, bezw. f�r
anderweitige ordnungsm��ige Verwahrung und Verwaltung unter ihrer
Verantwortung Sorge zu tragen, und jene Objekte nur an eine diesem
Statut gem��e neue Stiftungsverwaltung wieder herauszugeben.


� 115.

Die betreffende Gesch�ftsleitung soll solchen Falls in Vertretung der
Stiftung -- Dritten gegen�ber in derselben Form, in welcher sie nach den
Bestimmungen des � 9 dieses Statuts und den jeweils getroffenen
handelsgerichtlichen Anordnungen ihre Firma zu vertreten legitimiert ist
-- f�r die Dauer eines solchen Provisoriums alle Rechte der
Stiftungsverwaltung auszu�ben befugt sein und zwar nach
Majorit�tsbeschl�ssen des Kollegiums, im Falle von Stimmengleichheit
nach dem Votum des der Funktionsdauer nach �ltesten Mitgliedes, jedoch
unter der Einschr�nkung, da�, wofern nicht der Reservefonds die in � 50
bezeichnete H�he erreicht hat, Aufwendungen f�r Zwecke nach � 1, B
au�erhalb der Stiftungsbetriebe in dieser Zeit nur insoweit gemacht
werden d�rfen, als es in Erf�llung von Verbindlichkeiten oder in
Fortsetzung von Leistungen geschieht, welche die fr�here ordentliche
Stiftungsverwaltung �bernommen hatte.


� 116.

[Sidenote: Aufl�sung der Stiftung.]

Sollte die Carl Zeiss-Stiftung zu irgend einer Zeit infolge der
Aufl�sung ihrer s�mtlichen Betriebsunternehmungen, unter den
Voraussetzungen des � 37, Abs. 3 dieses Statuts oder durch andere
Ereignisse, f�r weitere ersprie�liche Fortsetzung der ihr zugedachten
praktischen T�tigkeit im Gebiet der feintechnischen Industrie keinen
Boden mehr haben und alsdann auch keine andern stiftungsgem��en
Einrichtungen dauernder Art und von erheblicher Bedeutung besitzen,
deren Fortf�hrung nicht wesentlich nur Verm�gensverwaltung w�re, so soll
sie nach Aufl�sung des letzten Stiftungsbetriebes und Abwicklung aller
Verbindlichkeiten ihr �brig bleibendes Verm�gen zur einen H�lfte an die
Gemeinden Jena und Wenigenjena =nach ihrem Ermessen verteilen=, zur
andern H�lfte der Universit�t Jena, falls diese aber nicht mehr
best�nde, nach Wahl der Stiftungsverwaltung einer andern deutschen
Hochschule, zu weiterer selbst�ndiger Verwendung f�r im Sinne der
Stiftung liegende Zwecke �berweisen und als Rechtssubjekt mit eigenen
Organen zu bestehen aufh�ren.


� 117.

[Sidenote: Statuten�nderung w�hrend der ersten 10 Jahre nach
Inkrafttreten.]

Bis zum Ablauf des zehnten Jahres nach Inkrafttreten des gegenw�rtigen
Statuts bleiben Ab�nderungen und Erg�nzungen desselben sowie
deklaratorische Zus�tze und geeigneten Falls Neuredaktion ganzer
Abschnitte der Vereinbarung zwischen der Stiftungsverwaltung und dem
Stifter vorbehalten.

F�r den Fall, da� letzterer vor Ablauf dieser zehn Jahre verstirbt oder
verf�gungsunf�hig wird, sollen diejenigen drei Personen, bezw. die
�berlebenden darunter, welche von ihm beauftragt waren, im Falle seines
vorzeitigen Todes an seiner Statt das Statut selbst in Vereinbarung mit
der Stiftungsverwaltung rechtskr�ftig festzustellen, erm�chtigt und
legitimiert sein, auch solche Ab�nderungen, Erg�nzungen etc. auf
gleichem Wege rechtskr�ftig einzuf�hren, insoweit sie solche auf Grund
der ihnen bekannten Absichten des Stifters oder besonderer schriftlicher
oder m�ndlicher Erkl�rungen desselben �bereinstimmend als seinem Willen
entsprechend bezeugen.

Das vorstehend erteilte Mandat kann von den bezeichneten Personen
jedenfalls bis zum Ablauf des f�nften Jahres nach Inkrafttreten des
jetzigen Statuts ausge�bt werden, sp�ter nur noch binnen Jahresfrist
nach dem Tode des Stifters oder dem Aufh�ren seiner Verf�gungsf�higkeit
und keinesfalls mehr nach Ablauf des im 1. Absatz bezeichneten
zehnj�hrigen Zeitraums.

Statuten�nderungen irgend einer Art, welche gem�� den Anordnungen in
diesem Paragraph und innerhalb der benannten Fristen bewirkt werden,
treten nach erfolgter Best�tigung ohne weiteres in Kraft. Nach Ablauf
dieser Fristen k�nnen solche auch bei Lebzeiten des Stifters nur noch in
dem durch die �� 118 bis 121 geregelten Verfahren rechtm��ig erfolgen.


� 118.

[Sidenote: Sp�tere Statuten�nderungen.]

Sollten in einer sp�teren Zeit wesentliche Voraussetzungen des
gegenw�rtigen Statuts hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen oder
hinsichtlich der technischen und �konomischen Bedingungen f�r die
Wirksamkeit der Stiftung in solchem Grad ver�ndert sein, da� die fernere
strenge Aufrechterhaltung aller Bestimmungen dieses Statuts entweder
direkt unm�glich, oder verm�ge ihrer Folgen in absehbarer Zeit
undurchf�hrbar, oder angesichts der erkennbaren Absichten des
Stifters offenbar zweckwidrig w�rde, so soll die statutenm��ige
Stiftungsverwaltung der Carl Zeiss-Stiftung erm�chtigt sein, das Statut
den ver�nderten Verh�ltnissen entsprechend insoweit abzu�ndern, als
geboten ist, um die vorher genannten Anst�nde zu beseitigen.

Die �nderung kann entweder f�r einen zum voraus bestimmten, zehn Jahre
nicht �berschreitenden Zeitraum, oder auf unbestimmte Zeit f�r die Dauer
des Fortbestehens bestimmt bezeichneter Umst�nde, oder endg�ltig f�r die
Zukunft eingef�hrt werden.

Jede derartige Ab�nderung des Statuts soll nur erfolgen nach Anh�ren des
Stiftungskommissars und der Vorst�nde der Stiftungsbetriebe und mit
vorl�ufiger Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbeh�rde unter Vorbehalt
der =endg�ltigen=[72] Best�tigung nach Ablauf der in � 120 bezeichneten
Frist.

=Die=[73] �nderung[74] mu� mit ihrer Begr�ndung, unter ausdr�cklicher
Bezugnahme auf diesen und den n�chstfolgenden Paragraphen dieses
Statuts, bevor sie in Wirksamkeit gesetzt wird, den Sozien der Stiftung
und den �brigen Mitgliedern der Vorst�nde, dem Personal der
Stiftungsbetriebe, den in Deutschland lebenden vollj�hrigen Nachkommen
des Stifters bis zum dritten Glied, den Mitgliedern der in � 110
eingesetzten Rechnungskommission, der Universit�t Jena und den
Gemeindebeh�rden von Jena und Wenigenjena bekannt gegeben werden.


� 119.

[Sidenote: Anfechtung von Statuten�nderungen.]

Bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Tage der erfolgten Bekanntgabe
einer Ab�nderung des Statuts soll jeder, der den in � 118 bezeichneten
Personenkreisen angeh�rt, und jede von den dort zuletzt benannten
Korporationen legitimiert sein, die Ab�nderung als nach � 118
ungerechtfertigt im Weg der Klage gegen die Stiftungsverwaltung
anzufechten.

Die Anfechtung kann sowohl gegen die Ab�nderung �berhaupt wie auch gegen
die Bestimmung ihrer Geltungsdauer gerichtet werden. Der Klaganspruch
kann jedoch nur auf Wiederaufhebung oder Modifikation der Ab�nderung vom
Tag der Klagerhebung ab, niemals auf Schadloshaltung wegen derselben
oder auf Exemption von deren Wirkungen gehen.

Das Urteil des Gerichts erfolgt nach freiem richterlichen Ermessen
=unter geh�riger Beachtung der vermutlichen Absichten des Stifters=.

Vereinbarungen oder Anordnungen, welche zum Gegenstand h�tten, bestimmte
Personen oder Personengruppen von den Wirkungen einer Statuten�nderung
auszunehmen oder wegen derselben schadlos zu halten, sind unzul�ssig und
rechtsung�ltig.


� 120.

[Sidenote: Wirkung der Statuten�nderungen.]

Jede Ab�nderung des Statuts der Carl Zeiss-Stiftung, welche seitens der
Stiftungsverwaltung ordnungsm��ig nach � 118 eingef�hrt ist und welche
nicht gem�� � 119 angefochten oder trotz solcher Anfechtung als
rechtm��ig aufrecht erhalten worden ist, hat nach Ablauf der einj�hrigen
Frist seit ihrer Bekanntgabe, bezw. nach Eintritt der Rechtskraft des im
Anfechtungsverfahren ergangenen Urteils, und nach alsdann erfolgter
Best�tigung, ihrem Inhalt nach als Teil des urspr�nglichen, vom Stifter
selbst errichteten Statuts zu gelten und unterliegt von da ab
hinsichtlich jeder sp�teren Ab�nderung den Vorschriften der
vorangehenden �� 118, 119 dieses Statuts.


� 121.

Die Bestimmungen der vier �� 1-4 und der vier hier vorangehenden
�� 117-120 k�nnen unter keinen Umst�nden und auf keine Weise mit
rechtlicher Wirkung abge�ndert oder au�er Kraft gesetzt werden.


� 122.

[Sidenote: Bekanntgabe des Statutes und sp�terer �nderungen.]

Gegenw�rtiges Statut der Carl Zeiss-Stiftung ist, nachdem dasselbe die
landesherrliche Best�tigung erhalten hat, durch Ausgabe von
vollst�ndigen Abdr�cken desselben an alle �ber 18 Jahre alte Angeh�rige
der Stiftungsbetriebe diesem Personenkreis besonders bekannt zu geben.

Das Gleiche hat von neuem zu geschehen im Jahre 1921 und dann immer
wieder nach Ablauf von je weiteren 25 Jahren.

Wenn Ab�nderungen oder Erg�nzungen in Gem��heit des � 117 oder des � 118
in den Zwischenzeiten eingef�hrt werden, so hat alsbald nach ihrem
endg�ltigen Inkrafttreten eine entsprechende Neuausgabe des Statuts
wiederum stattzufinden.

[In der alten Ausgabe folgte hier:]
    Unterschriftlich vollzogen
_Jena_, den 26. Juli 1896.
        Dr. Ernst Abbe.




Anhang.

Erg�nzungsstatut zum Statut der Carl Zeiss-Stiftung.


Behufs Regelung der besonderen Aufgaben, welche der Carl Zeiss-Stiftung
in bezug auf die Universit�t Jena zugewiesen sind, ist im Anschlu� an
das Statut der Carl Zeiss-Stiftung vom 26. Juli/16. August 1896 das
nachstehende Erg�nzungsstatut errichtet worden.

Dasselbe tritt nach erfolgter landesherrlicher Best�tigung an die Stelle
des � 106 des genannten Stiftungsstatuts, sowie der in diesem Paragraph
angezogenen Bestimmungen der urspr�nglichen Stiftungsurkunde vom 19. Mai
1889 _und hat von da ab in jeder Hinsicht als integrierender Bestandteil
des Statuts vom 26. Juli/16. August 1896 zu gelten_.


Art. 1.

[Sidenote: Zweckbestimmung des Universit�tsfonds (U.V).]

Der Universit�tsfonds der Carl Zeiss-Stiftung soll der Universit�t
Jena Mittel zu vermehrter _Pflege der mathematischen und
naturwissenschaftlichen und anderer dem Interessenkreis der Stiftung
nahestehender Lehrf�cher_ gew�hren und soll hierdurch der Universit�t
erleichtern, auf diesen Lehrgebieten, angesichts wachsender
Anforderungen der Zeit, mit den anderen deutschen Hochschulen Schritt zu
halten.

Demgem�� soll der Fonds nicht dazu dienen, den die Universit�t
erhaltenden Staaten Lasten abzunehmen, die sie bisher getragen haben,
oder die sie, um das f�r eine Universit�t Unentbehrlichste zu
beschaffen, in Zukunft zu �bernehmen h�tten, er soll vielmehr eine
reichlichere Pflege der Wissenschaften erm�glichen als ang�ngig sein
w�rde, wenn die Befriedigung wachsender Bed�rfnisse der Universit�t
g�nzlich auf die staatlicherseits gew�hrten Mittel angewiesen bliebe.


Art. 2.

[Sidenote: Dotierung des U.F. durch regelm��ige und au�erordentliche
�berweisungen.]

Die Dotierung des Universit�tsfonds seitens der Carl Zeiss-Stiftung hat
zu erfolgen:

a) durch, eine regelm��ige j�hrliche �berweisung;

b) durch au�erordentliche Zusch�sse.

Die in der einen oder der anderen Art �berwiesenen Mittel gehen,
vorbehaltlich der in Art. 14 getroffenen Bestimmung, in das Eigentum der
Universit�t �ber, sind jedoch abgetrennt von dem sonstigen akademischen
Verm�gen zu verwalten.


Art. 3.

Teilweise Unwiderruflichkeit der regelm��igen Jahresleistungen.

Die regelm��ige j�hrliche �berweisung ist zu einem jeweils bestimmten
Teilbetrag als in dem Sinne unwiderruflich zu bewilligen, da� sie in
diesem Betrag so lange ungeschm�lert fortgew�hrt werden mu�, als nicht
[die Beschr�nkung die � 48 des Stiftungsstatuts vorsieht tats�chlich in
Wirksamkeit getreten ist oder[75]] Voraussetzungen, auf welche hin die
fr�here Bemessung erfolgte, in Wegfall gekommen sind.

Anrechnung der Leistungen unter rechtlicher Verpflichtung.

Insoweit zeitweilig nach Vereinbarung wiederkehrende Leistungen
zugunsten der Universit�t direkt auf die Carl Zeiss-Stiftung unter deren
rechtlicher Verpflichtung �bernommen w�rden, ist der jeweilige
Jahresbetrag dieser Leistungen auf den unwiderruflich zugesagten Teil
der regelm��igen j�hrlichen �berweisung anzurechnen.


Art. 4.

[Sidenote: Festsetzung der �berweisungen durch die Stiftungsverwaltung.]

Die Festsetzung der regelm��igen Jahresleistung und die Bestimmung ihres
unwiderruflichen Mindestbetrags, sowie die Bewilligung au�erordentlicher
Zusch�sse nach Ma�gabe des � 107 des Statuts der Carl Zeiss-Stiftung
erfolgt durch die Stiftungsverwaltung gem�� der Vorschrift in � 108,
Abs. 1. jenes Statuts.

[Sidenote: Beschr�nkung der St. V. durch die Vorst�nde der
Stiftungsbetriebe.]

Erh�hung der regelm��igen Jahresleistung und Erh�hung ihres
unwiderruflichen Mindestbetrags, sowie Bewilligung au�erordentlicher
Zusch�sse, wenn durch letztere unter Hinzurechnung der regelm��igen
Jahresleistung dem Universit�tsfonds mehr �berwiesen w�rde als die
H�lfte der j�hrlich zur Verausgabung verf�glichen �bersch�sse der
Stiftung, sind nicht zul�ssig gegen das �bereinstimmende Votum des
Stiftungskommissars und der Mehrheit der Vorstandsmitglieder der in Jena
befindlichen Stiftungsbetriebe, sowie auch nicht gegen das einstimmige
Votum dieser Vorstandsmitglieder.

[Sidenote: Herabsetzung der nicht unwiderruflichen Leistungen.]

Herabsetzung der einmal bewilligten regelm��igen Jahresleistung
hinsichtlich des nicht unwiderruflich zugesagten Teils darf, sofern die
Voraussetzungen f�r die fr�here Bemessung fortbestehen, nur eintreten,
wenn nach �bereinstimmendem Votum des Stiftungskommissars und der
Mehrheit der Vorstandsmitglieder der hiesigen Stiftungsbetriebe die
R�cksicht auf andere Interessen der Stiftung zeitweilige Einschr�nkung
ihrer Leistungen f�r die Universit�t dringend gebieten sollte.


Art. 5.

[Sidenote: Einteilung des U.F. in Verf�gungs- und R�cklagefonds.]

Die regelm��igen und die au�erordentlichen �berweisungen der Stiftung an
den Universit�tsfonds sind auf zwei getrennte Konten des Fonds zu
verteilen, n�mlich auf

A) einen _Verf�gungs_fonds, aus dem sowohl die wiederkehrenden wie die
einmaligen Ausgaben zu bestreiten sind;

B) einen _R�cklage_fonds, dessen Kapitalbestand zu Ausgaben nur
heranzuziehen ist zu dem Zwecke, die auf den Universit�tsfonds jeweils
�bernommenen Leistungen m�glichst ungeschm�lert auch dann fortsetzen zu
k�nnen, wenn zu irgend einer Zeit die regelm��ige Jahresleistung der
Carl Zeiss-Stiftung zeitweilig eingeschr�nkt werden m��te.

[Sidenote: Vor�bergehende Entnahmen aus dem R�cklagefonds.]

Vor�bergehende Entnahmen aus dem R�cklagefonds zum Zweck rascherer
Bereitstellung der Mittel f�r gr��ere einmalige Ausgaben sind insoweit
zul�ssig, als durch solche Entnahmen der Kapitalbestand des
R�cklagefonds nicht unter den 20fachen Jahresbetrag der auf den
Universit�tsfonds �bernommenen, unter rechtlicher Verpflichtung
stehenden wiederkehrenden Ausgaben vermindert wird.


Art. 6.

[Sidenote: Beschr�nkung der Verm�gensansammlung und Ausgabezwang inbezug
auf den Verf�gungs- und den R�cklagefonds.]

Innerhalb des Verf�gungsfonds k�nnen jederzeit Separatkonten behufs
Ansammlung der Mittel zu gr��eren einmaligen Aufwendungen f�r zum voraus
bestimmte Zwecke angelegt werden. Neben dem Bestand derartiger
Separatkonten soll im Verf�gungsfonds keine gr��ere Ansammlung
stattfinden als bis zum Vierfachen des Jahresbetrags der jeweils auf den
Fonds �bernommenen wiederkehrenden Ausgaben (vergl. Art. 13, vorletzter
Absatz).

Dem R�cklagefonds ist von der _regelm��igen_ j�hrlichen Leistung der
Stiftung zu keiner Zeit mehr als ein F�nftel zu �berweisen; und nicht
mehr als ein Zehntel, wenn sein Bestand das Zwanzigfache vom jeweiligen
Jahresbetrag derjenigen vom Universit�tsfonds zu tragenden
wiederkehrenden Ausgaben, die unter rechtlicher Verpflichtung der
Universit�t oder der Stiftung �bernommen sind, schon �berschreitet.

Wenn der Bestand des R�cklagefonds so weit angewachsen w�re, da� aus ihm
alle zurzeit auf den Universit�tsfonds �bernommenen wiederkehrenden
Ausgaben durch Verbrauch von Kapital und Zinsen, unter Ber�cksichtigung
des jeweiligen Zinsfu�es f�r m�ndelsichere Kapitalanlagen, auf 40 Jahre
hin gedeckt werden k�nnten, so ist ihm, solange diese Voraussetzung
fortbesteht, nichts weiter zuzuf�hren. Der Zinsabwurf seiner Anlagen ist
alsdann dem Verf�gungsfonds zu �berweisen.


Art. 7.

[Sidenote: Interessengebiet und Art der Bet�tigung f�r den U.F.]

Die Mittel des Universit�tsfonds k�nnen, vorbehaltlich der in
Art. 11, Abs. 2 und 3 vorgesehenen Beschr�nkungen, benutzt werden
zu pers�nlichen und sachlichen, einmaligen und dauernden Aufwendungen
jeder Art, die geeignet erscheinen, die wissenschaftliche
Forschung oder die Lehrwirksamkeit in den mathematischen und
naturwissenschaftlichen Disziplinen, sowie in anderen Lehrf�chern,
die -- wie Volkswirtschaftslehre, Handels- und Gewerberecht, Hygiene,
technologische Disziplinen u. a. -- n�here Beziehung auf die Interessen
der Carl Zeiss-Stiftung haben, ohne R�cksicht auf Fakult�tsgrenzen,
unmittelbar oder mittelbar zu f�rdern.

Au�erhalb dieses Interessenkreises darf der Universit�tsfonds noch f�r
solche Zwecke herangezogen werden, die der Universit�t im ganzen oder
der Gesamtheit ihrer Angeh�rigen und insofern noch mittelbar den zuvor
benannten Interessen dienen.


Art. 8.

[Sidenote: Verwendungszwecke f�r die regelm��igen Jahresleistungen.]

Die regelm��ige j�hrliche �berweisung der Carl Zeiss-Stiftung an den
Universit�tsfonds soll im Rahmen der in Art. 7 umschriebenen Zwecke
Verwendung finden

     1. zur Dotierung neuer Professuren und Institute, die f�r
     Erweiterung der Forschungs- oder Lehrt�tigkeit der Universit�t
     erw�nscht erscheinen;

     2. zur zeitweiligen Aufbesserung von Professuren, die aus
     staatlichen oder anderen Fonds dotiert sind, sowie zu regelm��igen
     oder einmaligen Zusch�ssen f�r aus solchen Fonds dotierte
     Institute;

     3. f�r regelm��ige oder einmalige Zusch�sse zum Etat der
     Universit�tsbibliothek behufs vermehrter Aufwendungen f�r die
     Literatur der in Art. 7, Abs. 1 bezeichneten Lehrf�cher;

     4. zu au�erordentlichen Bewilligungen an Institute oder an Dozenten
     behufs Durchf�hrung von Studien, die besonderen Aufwand erfordern;

     5. zu Remunerationen an unbesoldete Dozenten f�r n�tzliche
     Mitwirkung an den Lehraufgaben der Universit�t;

     6. zur F�rderung der Wirksamkeit der Seminarien;

     7. zur Unterst�tzung von in Jena bestehenden, an die Universit�t
     sich anlehnenden Vereinen zur F�rderung der unter Art. 7, Abs. 1
     fallenden Studien, sowie zu Aufwendungen f�r andere
     Veranstaltungen, die der Universit�t mit Bezug auf solche
     Interessen n�tzen;

     8. f�r regelm��ige Zusch�sse, gem�� Art. 7, Abs. 2, zugunsten der
     Reliktenversorgung bei der Universit�t und f�r andere gemeinsame
     Universit�tsanstalten.

[Sidenote: dsgl. f�r die au�erordentlichen Zusch�sse.]

Die au�erordentlichen Zusch�sse der Stiftung zum Universit�tsfonds sind,
soweit sie nicht zum voraus f�r den R�cklagefonds bestimmt werden, dem
Verf�gungsfonds zu �berweisen, um diesem vermehrte Mittel zu
vor�bergehenden Ausgaben und namentlich zu gr��eren einmaligen
Aufwendungen zu gew�hren.


Art. 9.

[Sidenote: Verwendung f�r andere als die eigentlichen Zwecke des U.F.]

Sollte die Carl Zeiss-Stiftung fr�her oder sp�ter in der Lage sein,
Leistungen zugunsten der Universit�t mit Aussicht auf l�ngere Fortdauer
in solcher H�he zu �bernehmen, da� der Universit�tsfonds, unbeschadet
der Erf�llung des in Art. 1 benannten Zweckes, noch weiteren
Bed�rfnissen der Universit�t dienstbar gemacht werden k�nnte, so d�rfen
auf den Fonds auch solche Aufwendungen innerhalb des in Art. 7
umschriebenen Interessenkreises �bernommen werden, die bis dahin aus
staatlichen Mitteln bestritten wurden, wofern hierdurch der Universit�t
eine vermehrte Pflege anderer Interessen oder eine sonstige Verbesserung
ihrer Verh�ltnisse erm�glicht wird.

Es soll also solchen Falles nicht ausgeschlossen sein, die regelm��ige
j�hrliche �berweisung der Stiftung an den Universit�tsfonds au�er f�r
die in Art. 8, Ziffer 1-8 benannten Zwecke auch noch zu verwenden:

     zur Dotation von Lehrst�hlen und Instituten des in Art. 7
     bezeichneten Lehrgebietes, die bis dahin aus staatlichen oder
     anderen Fonds dotiert waren, um die hierdurch frei werdenden Mittel
     f�r andere Zwecke der Universit�t verf�glich zu machen,

sowie aus den au�erordentlichen Zusch�ssen zum Universit�tsfonds

     Beihilfen zu gew�hren f�r Neueinrichtungen und sonstige
     Veranstaltungen bei der Universit�t, f�r die sonst die Staaten
     Vorsorge zu treffen h�tten.


Art. 10.

[Sidenote: Weitere Voraussetzungen und Beschr�nkungen f�r Verwendung
nach � 9.]

Die �bernahme von Leistungen gem�� Art. 9 ist an die Voraussetzung zu
kn�pfen, da� f�r die Zwecke, zu deren Gunsten sie jeweils erfolgen soll,
auch staatlicherseits ein den Umst�nden nach angemessener Beitrag
gew�hrt werde.

Insoweit f�r wiederkehrende Aufwendungen dieser Art mehr als ein Drittel
von der jeweils gem�� Art. 2 festgesetzten regelm��igen j�hrlichen
�berweisung, oder f�r einmalige Aufwendungen mehr als ein Drittel des
au�erordentlichen Zuschusses verwandt werden soll, untersteht die
Bewilligung denselben Bedingungen, wie gem�� Art. 4, Abs. 2 die Erh�hung
der regelm��igen j�hrlichen �berweisung oder die Erh�hung ihres
unwiderruflichen Mindestbetrages.

Im �brigen d�rfen Leistungen gem�� Art. 9 auf den Universit�tsfonds nur
so lange �bernommen und fr�her �bernommene wiederkehrende nur so lange
fortgesetzt werden, als die Dozenten der Universit�t Jena (dem
bisherigen Rechtszustand gem��) volle Lehrfreiheit genie�en und in der
Aus�bung der allgemeinen staatsb�rgerlichen und pers�nlichen Rechte
nicht beschr�nkt sind.

Als dieser Bedingung zuwidergehend ist jedoch nicht anzusehen eine
Verpflichtung der Professoren der theologischen Fakult�t im Lehrauftrag
zur Vertretung der Lehren der evangelischen Kirche, sowie auch nicht der
Erla� und die Anwendung von Vorschriften �ber das dienstliche Vorgehen
gegen Dozenten wegen Verletzung der aus dem akademischen Amt sich
ergebenden Pflichten, wegen Zuwiderhandlungen gegen die allgemeinen
Strafgesetze und wegen eines sittlich anst��igen Lebenswandels, oder
wegen Handlungen, die der b�rgerlichen Ehre Abbruch tun.


Art. 11.

[Sidenote: Verwaltung des U.F.]

Die Verwaltung des Universit�tsfonds, einschlie�lich der
Rechnungslegung, und die Verf�gung �ber die Mittel desselben nach den
Bestimmungen dieses Erg�nzungsstatuts untersteht den gleichen Organen
und den gleichen Anordnungen wie die Verwaltung und Verwendung der
staatlicherseits gew�hrten Fonds der Universit�t.

[Sidenote: Beschr�nkung in der �bernahme laufender Verpflichtungen und
der Verwendung f�r allgem. Univers.-Zwecke.]

Von der regelm��igen j�hrlichen �berweisung der Stiftung ist mindestens
ein Zehntel f�r einmalige Ausgaben verf�gbar zu halten.

Zu wiederkehrenden Leistungen f�r Zwecke gem�� Art 7, Abs. 2 ist davon
nicht mehr als ein Zehntel zu verwenden.


Art. 12.

[Sidenote: Nutzbarmachung der aus d. U.F. erstellten Einrichtungen f�r
gemeinn�tzige Zwecke.]

Hinsichtlich solcher Geb�ude und Einrichtungen, die g�nzlich aus Mitteln
des Universit�tsfonds beschafft oder in Betrieb erhalten werden, hat die
Stiftung auszubedingen, da� ihre Benutzung f�r Zwecke, die im Sinne von
gemeinn�tzigen Veranstaltungen auf Belehrung nicht studentischer Kreise
ausgehen, den Dozenten der Universit�t insoweit gestattet werde, als
die Mitbenutzung f�r solche Zwecke ohne St�rung der bestimmungsm��igen
Verwendung ang�ngig ist.

Falls Leistungen der in Art. 9 bezeichneten Art auf den
Universit�tsfonds �bernommen werden, ist f�r die Dauer dessen die
gleiche Bedingung auch hinsichtlich solcher Geb�ude und Einrichtungen zu
stellen, die nur zum Teil aus Mitteln der Stiftung beschafft sind oder
unterhalten werden.


Art. 13.

[Sidenote: Vorschriften f�r die Rechnungslegung der
Stiftungsverwaltung.]

F�r die j�hrliche Rechnungslegung der Stiftungsverwaltung, gem��
�� 110-112 des Stiftungsstatuts, ist, au�er den Betr�gen der
regelm��igen und der au�erordentlichen �berweisung an den
Universit�tsfonds und dem Zinsabwurf des letzteren, f�r jedes Jahr
nachzuweisen:

     1. der Bestand des Verf�gungsfonds und des R�cklagefonds zu Beginn
     und zum Schlu� des Rechnungsjahres;

     2. der wiederkehrende Aufwand, seinem Gesamtbetrag nach, a) an
     Gehalten, b) an sachlichen Aufwendungen f�r solche Lehrst�hle und
     Anstalten, deren Dotation jeweilig ganz auf den Stiftungsfonds
     �bernommen ist;

     3. der Gesamtaufwand f�r wiederkehrende Zusch�sse a) zu den
     pers�nlichen, b) zu den sachlichen Ausgaben f�r andere Professuren
     und Institute des in Art. 7, Abs. 1 bezeichneten Lehrgebiets, sowie
     der wiederkehrende Aufwand f�r sonstige, diesem Interessenkreis
     dienende Einrichtungen;

     4. der wiederkehrende Zuschu� zu gemeinsamen Universit�tsanstalten
     (Art. 7, Abs. 2);

     5. der Gesamtbetrag der einmaligen Ausgaben a) pers�nlicher, b)
     sachlicher Art, f�r Zwecke des in Art. 7, Abs. 1 bezeichneten
     Lehrgebiets;

     6. der Gesamtbetrag der einmaligen Ausgaben f�r allgemeine Zwecke
     der Universit�t (Art. 7, Abs. 2).

[Sidenote: Begriff der wiederkehrenden Ausgaben.]

Als wiederkehrende Ausgaben sind alle diejenigen Leistungen in Ansatz zu
bringen, die, auch wenn sie nicht unter rechtlicher Verpflichtung der
Universit�t oder der Stiftung �bernommen sind, doch nicht ohne Nachteile
oder Schwierigkeiten wieder eingestellt werden k�nnten. Ausgaben, die
dieser R�cksicht nicht unterliegen, haben als einmalige zu gelten,
selbst wenn die Absicht einer Fortsetzung derselben f�r l�ngere Zeit
besteht.

Im �brigen ist noch, falls Leistungen in Gem��heit des Art. 9 auf den
Universit�tsfonds �bernommen sind, f�r jedes Jahr festzustellen, wieviel
an wiederkehrenden und wieviel an einmaligen Ausgaben auf solche
Leistungen entfallen ist.


Art. 14.

[Sidenote: Bestimmungen f�r den Fall der Aufhebung der Universit�t
Jena.]

Sollte die Universit�t Jena als staatliche Hochschule aufgehoben werden,
so h�rt von da ab die Verpflichtung der Carl Zeiss-Stiftung zu weiteren
Leistungen gem�� Art. 2 auf. Auch f�llt der gesamte alsdann vorhandene
Verm�gensbestand des Universit�tsfonds an die Stiftung zur�ck, wofern
letztere bereit ist, f�r Erf�llung derjenigen rechtlichen
Verpflichtungen der Universit�t aufzukommen, die vorher zu Lasten des
Fonds �bernommen waren.

Die Carl Zeiss-Stiftung hat alsdann bei Aufl�sung des
Universit�tsverbandes diejenigen Lehrst�hle und wissenschaftlichen
Anstalten, deren Dotation bis dahin wesentlich aus dem Universit�tsfonds
bestritten wurde, sowie nach M�glichkeit andere, die dem Interessenkreis
der Stiftung nahe stehen, in eigene Verwaltung zu �bernehmen, um sie als
St�tten wissenschaftlicher Forschung zu erhalten und den
Bildungsinteressen gr��erer Kreise dienstbar zu machen.

F�r alle Personen, die solchen Falls in den Dienst der Carl
Zeiss-Stiftung treten w�rden, kommen alsdann in sinngem��er Anwendung
diejenigen Bestimmungen zur Geltung, nach denen in Titel V des Statuts
der Carl Zeiss-Stiftung das Rechtsverh�ltnis der Beamten bei den
Betrieben der Stiftung geregelt ist.

_Jena_, den 24. Februar 1900.

gez. Dr. Ernst Abbe.

       *       *       *       *       *

[Bei Einreichung der von ihm unterschriftlich vollzogenen, das
�Erg�nzungsstatut� betreffenden, Urkunde vom 24. Februar 1900 gab E.
ABBE noch unter dem 14. M�rz 1900 die Erkl�rung ab,

     �da� die Vollziehung der gegenw�rtigen Urkunde, wie schon des ihr
     zugrunde liegenden Entwurfs, meinerseits unter _den_
     Voraussetzungen gestanden hat, die folgende Bemerkungen zum
     Ausdruck bringen:

Die Worte �dem bisherigen Rechtszustand gem�߫ im 3. Abs. des Art. 10
bezwecken keine deklaratorische Bestimmung des auf sie Folgenden,
besagen also nicht: soweit es dem bisherigen Rechtszustand gem�� ist;
sie sind eine lediglich informatorische Bemerkung zur Motivierung der
gestellten Bedingung: _da�_ es bisher so gewesen sei.

Der letzte (4.) Abs. des Art. 10 gibt eine _vollst�ndige_ Aufz�hlung
dessen, was nicht als dieser Bedingung zuwidergehend gelten soll.

Hierbei gebrauche ich die Worte �Lehren der evangelischen Kirche� im
Sinne der Betonung des Adjektivs �evangelisch� zum Unterschied von
katholisch usw.

Unter den Worten �Verletzung der aus dem akademischen Amt sich
ergebenden Pflichten� ist verstanden die Verletzung oder
Vernachl�ssigung der _dienstlichen_ Obliegenheiten, die das einzelne
akademische Amt f�r seinen Inhaber in bezug auf Lehrt�tigkeit,
Institutsverwaltung und sonstige amtliche Funktionen mit sich bringt.

Unter �Zuwiderhandlungen gegen die allgemeinen Strafgesetze� verstehe
ich solche Handlungen, die durch rechtskr�ftiges Urteil eines
ordentlichen Gerichts als Zuwiderhandlungen gegen diese Strafgesetze
festgestellt sind.�]

Fu�noten:

[Fu�note 45: Auch im Buchhandel erschienen, Kommissionsverlag von
_Gustav Fischer-Jena_. Cz.]

[Fu�note 46: Der Vertreter der Stiftungsverwaltung in der
Gesch�ftsf�hrung der Stiftungsbetriebe ist der Stiftungskommissar. Alle
(Verhandl. der Deutschen Physik. Gesellschaft, VII. Jahrg., Nr. 6),
KR�SS (Deutsche Mechaniker-Zeitung 1905, Nr. 2), v. ROHR (Zeitschr. f.
Instrumentenkunde 1905, 3. Heft), M. V. (Deutsche Rundschau, Jahrg.
1905/06, Bd. II), WANDERSLEB (Naturwissenschaftl. Rundschau 1905,
Nr. 14).]

[Fu�note 47: bei den Stiftungsbetrieben]

[Fu�note 48: Betrag des Zinsabwurfs des Reservefonds]

[Fu�note 49: solange nicht der Fall des � 48 vorliegt.]

[Fu�note 50: Sollte zu irgend einer Zeit Einschr�nkung der in Titel V
dieses Statuts den Stiftungsbetrieben auferlegten Leistungen gem�� � 88
n�tig geworden sein, so m�ssen f�r die Dauer dessen alle �bersch�sse
ungeschm�lert dem Reservefonds zugef�hrt werden, au�er soweit die
Stiftung vorher Leistungen gem�� � 100 rechtsverbindlich �bernommen
hatte.]

[Fu�note 51: der allm�hlich bis auf die H�lfte der durchschnittlichen
Jahresausgabe der Betriebe zu erh�hen ist, in solcher Form anzulegen,
da� er jederzeit ohne Verlust liquid gemacht werden kann.

Wenn der Reservefonds die in � 45 bezeichnete H�he �berschritten hat,
ist der gesamte �berschreitende Betrag in sichern ausl�ndischen Werten
anzulegen.]

[Fu�note 52: aller]

[Fu�note 53: ohne Verletzung]

[Fu�note 54: 3. Dezember 1888.]

[Fu�note 55: 19.]

[Fu�note 56: 80 Mk., 100 Mk., 120 Mk.]

[Fu�note 57: 100 Mk., 130 Mk., 160 Mk.]

[Fu�note 58: � 73. Sp�testens nachdem der Reservefonds der Stiftung die
in � 45 bezeichnete H�he erreicht hat, hat Erweiterung der
Pensionsleistungen mindestens in dem Umfang einzutreten, da�

     der Beginn der pensionsf�higen Dienstzeit vom vollendeten 18.
     Lebensjahr gerechnet wird;

     bei Unterbrechung des Dienstverh�ltnisses und nachherigem
     Wiedereintritt vor Ablauf von drei Jahren die fr�here Dienstzeit,
     auch wenn die Unterbrechung nicht nur Suspension gem�� � 82
     begr�ndet, f�r die pensionsf�hige Dienstzeit in Anrechnung kommt;

     die Maximals�tze der jeweils pensionsf�higen Monats-L�hne oder
     -Geh�lter f�r die Arbeiter auf 100 Mk., 120 Mk., 140 Mk., f�r die
     Angestellten auf 120 Mk., 160 Mk., 200 Mk. erh�ht werden;

     anderweitiger Arbeitsverdienst der Pensionsempf�nger nicht mehr zum
     Teil auf die Pension anzurechnen ist;

     der in � 7 Abs. 1 des �Gemeinsamen Pensions-Statuts�
     ausgesprochene, auf den Fall von Massenungl�ck und dergl.
     bez�gliche Vorbehalt g�nzlich au�er Kraft gesetzt wird.
]

[Fu�note 59: Andererseits k�nnen bei oder nach vorgedachter Erweiterung
der Pensionsleistungen]

[Fu�note 60: hat in jedem Fall nicht weniger zu betragen als die Summe
des festen Zeitlohnes oder Gehaltes, auf welche der Betroffene bei
Fortdauer seines Dienstverh�ltnisses f�r das n�chste halbe Jahr nach
seinem Austritt Anspruch gehabt h�tte.]

[Fu�note 61: � 78. Die nach � 77 normierte Abgangsentsch�digung kann
solchen, die zur Zeit ihrer Entlassung noch nicht das 21. Lebensjahr
vollendet haben, durch Fortzahlen ihres Wochen- oder Monatslohnes auf
die Dauer eines halben Jahres gew�hrt werden. Allen anderen mu� auf ihr
Verlangen der Gesamtbetrag bei der Entlassung ausbezahlt werden.]

[Fu�note 62: � 88. Die durch die �� 67, 70 bis 73, 77 und 85 dieses
Statuts den Stiftungsunternehmungen auferlegten Verpflichtungen
in bezug auf Gew�hrleistung des festen Arbeitseinkommens,
Krankenkassenleistungen, Pensionszusicherung, Abgangsentsch�digung und
Aufrechterhaltung der Arbeitsvertr�ge sollen nur dann und immer nur auf
so lange in Umfang oder H�he der zuk�nftigen Leistungen zeitweilig
herabgesetzt oder ganz suspendiert werden d�rfen, als etwa ihre
uneingeschr�nkte Erf�llung, in Ansehung der Zeit- und Gesch�ftslage und
des Verm�gensstandes der Stiftung, die wirtschaftliche Sicherheit der
Firma oder der Stiftung gef�hrden m�chte.

Dieser Fall darf jedoch f�r jeden einzelnen Stiftungsbetrieb fr�hestens
dann als gegeben gelten,

wenn der Betrieb durch drei Gesch�ftsjahre oder l�nger innerhalb der
letztverflossenen f�nf Gesch�ftsjahre Betriebsdefizit gem�� der
Bestimmung in � 23 Absatz 3 dieses Statuts gehabt h�tte und zugleich der
Reservefonds nach Abzug des gem�� � 45 auf Abteilung I entfallenden
Deckungskapitals im ganzen auf weniger als zwei Drittel einer
Jahresausgabe der Stiftungsbetriebe, nach dem Durchschnitt der letzten
drei Gesch�ftsjahre, herabgegangen w�re; oder

wenn, auch ohne vorausgegangenes Betriebsdefizit, der nicht auf
Abteilung I entfallende Teil des Reservefonds auf weniger als ein
Drittel dieser Jahresausgabe sich vermindert h�tte.

Nach Eintritt des einen oder des andern der hier gedachten F�lle k�nnen
die Arbeits- und Anstellungsvertr�ge ohne vorherige Aufk�ndigung
derselben in den auf die �� 67, 70 bis 73, 77 und 85 bez�glichen
Bestimmungen f�r die Zukunft abge�ndert werden. Anspr�che, welche schon
vorher anf�llig geworden sind, werden hierdurch nicht ber�hrt.]

[Fu�note 63: � 89. Sollten die Voraussetzungen des � 88 zu irgend einer
Zeit einmal eingetreten sein, so m�ssen die alsdann hinsichtlich des
Umfanges oder der H�he der Leistungen eingeschr�nkten oder ganz
suspendierten Bestimmungen der �� 67, 70 bis 73, 77 und 85 dieses
Statuts sp�testens dann wieder in uneingeschr�nkte Geltung gesetzt
werden, wenn f�r den Betrieb die drei letzten Gesch�ftsjahre ohne
Betriebsdefizit geblieben sind und zugleich der Reservefonds der
Stiftung nach Abzug des auf Abteilung I entfallenden Anteils im ganzen
die H�he von zwei Drittel der Jahresausgabe der Stiftungsbetriebe, nach
dem Durchschnitt der drei letzten Gesch�ftsjahre, wieder erreicht hat.

Hinsichtlich aller in der Zwischenzeit vorgekommenen Invalidit�ts- und
Todesf�lle m�ssen alsdann vom gedachten Zeitpunkt ab den Beteiligten die
regelm��igen Pensionsleistungen auf so lange gew�hrt werden, als nicht
etwa die Voraussetzungen des � 88 von neuem eingetreten sind.]

[Fu�note 64: � 96. Wenn zu irgend einer Zeit der Fall eintreten sollte,
da� die auf die �� 67, 72, 73, 77 dieses Statuts begr�ndeten Leistungen
wegen der in � 89 vorgesehenen Umst�nde gegen�ber den Arbeitern eines
Stiftungsbetriebes eingeschr�nkt oder ganz suspendiert werden m��ten, so
haben auch gegen�ber allen Beamten des Betriebes, die Mitglieder seiner
Gesch�ftsleitung nicht ausgenommen, entsprechende Einschr�nkungen
einzutreten, soweit nicht schon erworbene Rechte entgegenstehen.

In alle auf Lebenszeit abzuschlie�ende Anstellungsvertr�ge mu� ein
hierauf bez�glicher Vorbehalt ausdr�cklich aufgenommen werden.

Vorzugsrechte zur Sicherstellung vertragsm��iger Anspr�che d�rfen
niemand einger�umt werden.]

[Fu�note 65: mit R�cksicht auf die gesamte Gesch�ftslage und den vom
Reservefonds erreichten Stand]

[Fu�note 66: (Gewinnbeteiligung)]

[Fu�note 67: zu bemessen nach dem gem�� � 41, Abs. 2 auf das gleiche
Lohn- und Gehalts-Konto bezogenen prozentischen Nettogewinn des
Gesch�ftsjahres, und zwar als ein Bruchteil desjenigen Betrags, mit
welchem dieser prozentische Nettogewinn die Ziffer �berschreitet, die
gem�� der in �� 40, 41 gegebenen Richtschnur als Mindestziffer im Sinn
des � 41, Abs. 3 jeweils gelten soll;]

[Fu�note 68: welche beim Schlu�]

[Fu�note 69: f�r l�nger als zehn Jahre eingehen, und nicht f�r l�nger
als f�nf Jahre, wenn der Reservefonds den in � 45 bezeichneten Stand
nicht �berschreitet.

Neue Verpflichtungen der gedachten Art darf sie nicht �bernehmen, wenn
der Jahresbetrag der schon �bernommenen zusammen ein Viertel des
durchschnittlichen verf�gungsfreien Jahres�berschusses der
letztverflossenen drei Gesch�ftsjahre �berschreitet.]

[Fu�note 70: bei der Universit�t bleiben diejenigen Bestimmungen in
Kraft, welche hier�ber in den �� 14, 15 und 17 der Stiftungsurkunde der
Carl Zeiss-Stiftung vom 19. Mai 1889 niedergelegt sind, mit der Ma�gabe,

     da� die Verf�gung �ber denselben und dessen Verwaltung den gleichen
     Organen und den gleichen Normen wie die Verwendung der ordentlichen
     Mittel der Universit�t unterstellt sein soll;

     da� neue regelm��ige Leistungen, deren Fortsetzung nicht ohne
     Nachteil jederzeit unterbrochen werden k�nnte, auf den Fonds nicht
     �bernommen werden d�rfen, wenn der j�hrliche Gesamtbetrag der schon
     �bernommenen gr��er ist als die H�lfte der regelm��igen j�hrlichen
     Zuwendung der Stiftung im Durchschnitt der letztvergangenen f�nf
     Jahre:

     da� zwar zeitweilige Ansammlung von Mitteln innerhalb des Fonds zur
     Bestreitung gr��erer Ausgaben f�r zum voraus bestimmte Zwecke ohne
     Beschr�nkung stattfinden, au�erdem aber im �Verf�gungsfonds� nicht
     mehr als das Vierfache vom Jahresbetrag der jeweils �bernommenen
     regelm��igen Leistungen angesammelt werden darf und im
     �R�cklagefonds� keine gr��ere Kapitalansammlung zul�ssig ist, als
     nach dem jeweiligen Zinsfu� gen�gen w�rde, um n�tigenfalls durch
     Verbrauch von Zinsen und Kapital alle auf den Universit�tsfonds
     �bernommenen regelm��igen Leistungen vierzig Jahre lang ohne
     weitere Zuwendungen seitens der Stiftung fortsetzen zu k�nnen;

     da� dem �R�cklagefonds� nicht mehr zugef�hrt werden darf als ein
     Viertel der regelm��igen j�hrlichen Zuwendung der Stiftung.

Die genannten �� besagter Stiftungsurkunde (�15 mit einer nachtr�glich
vereinbarten Ab�nderung) haben f�r die Zukunft als erg�nzender
Bestandteil des Titels VII des gegenw�rtigen Statuts zu gelten, sofern
nicht noch bei Lebzeiten des Stifters eine Neuregelung in Form eines
besonderen Erg�nzungsstatuts[71] herbeigef�hrt worden ist.
Letzterenfalls hat solches Erg�nzungsstatut als dem Titel VII zugeh�rig
zu gelten.]

[Fu�note 71: [s. dieses nachstehend].]

[Fu�note 72: landesherrlichen]

[Fu�note 73: Jede]

[Fu�note 74: des Statuts]

[Fu�note 75: Diese Eventualit�t ist inzwischen durch Wegfall des � 48 in
dem Stiftungsstatut vom 5. Dezember 1905 erledigt.]




X.

Motive und Erl�uterungen zum Entwurf eines Statuts der Carl
Zeiss-Stiftung[76].

(Als Manuskript gedruckt.)


Die nachfolgenden Erkl�rungen sollen zun�chst die Vorschriften des
genannten Statuts sowohl hinsichtlich ihrer allgemeinen Tendenz, wie
hinsichtlich der wichtigeren Einzelbestimmungen gegen�ber den jetzt
Beteiligten begr�nden, des weiteren aber auch f�r die Zukunft etwa n�tig
werdender Interpretation einige Anhaltspunkte liefern.


Titel I.

Konstituierende Bestimmungen.

Zu � 1.

_Zwecke der Stiftung._


Dem Grundgedanken nach geht die CARL ZEISS-Stiftung darauf aus: gegebene
Gesch�ftsunternehmungen mit allen daran haftenden Rechten und
Anwartschaften im Sinne eines Fideikommisses in unpers�nlichem Besitz
und zugunsten unpers�nlicher Interessen unter dauernde Bindung zu
stellen, und zwar einerseits hinsichtlich der fortgesetzten Leitung und
Verwaltung jener Unternehmungen nach bestimmten Grunds�tzen, anderseits
hinsichtlich beschr�nkter Verf�gung �ber die mit ihrem Besitz
verkn�pften Nutznie�ungen.

Auf das erstere beziehen sich die Titel II und III, V und VI, auf das
zweite die Titel IV, VII und VIII des Statuts.

Dementsprechend bezeichnet � 1 die Zwecke der Stiftung unter zwei
getrennten Abschnitten in genauem Anschlu� an die Stiftungsurkunde[77],
nur mit derjenigen Erweiterung unter B, welche durch die inzwischen
ver�nderte Sachlage an die Hand gegeben ist.

Alle Leistungen, welche unter A fallen, sind gedacht als solche, die
immer namens der Handelsfirmen der Stiftung und in deren Wirkungskreis
zu erfolgen haben; namens der Stiftung selbst nur Leistungen gem��
Abschnitt B, welcher denjenigen Umkreis _gemeinn�tziger_ Bet�tigung
umschreibt, innerhalb dessen die Stiftung als Eigent�mer der
Gesch�ftsbetriebe die Nutznie�ungsvorteile aus letzteren zu verwenden
hat.

Die CARL ZEISS-Stiftung soll in keinem Punkt, namentlich aber nicht
hinsichtlich der unter A im dritten Absatz ihr zugewiesenen sozialen
Aufgaben den Charakter der �milden Stiftung� haben. Was im besonderen
dieser dritte Satz von ihr verlangt, besteht ausschlie�lich in der
Forderung: da� ihre Handelsfirmen als solche ihre Wirtschaftsf�hrung
gem�� den in Titel V ausgesprochenen Grunds�tzen einzurichten haben,
damit diese Wirtschaftsf�hrung _nichts �brig lasse_, wof�r etwa
Wohlt�tigkeitseinrichtungen irgend einer Art regelm��ig einzutreten
h�tten; und da� die Stiftung, als Eigent�mer, solcher Wirtschaftsf�hrung
die n�tige R�ckdeckung schaffe, gem�� den Vorschriften in Titel IV. Denn
das Ziel meiner Bestrebungen ist durchaus nicht, in meinem Wirkungskreis
Caritas zu bef�rdern, sondern ganz allein: die _Rechts_lage aller
derjenigen zu heben, die in diesen Wirkungskreis eingetreten sind oder
in Zukunft eintreten m�gen.


Zu � 5.

_Stiftungsverwaltung._

Da die Zwecke der CARL ZEISS-Stiftung in mehreren Punkten mit
staatlichen Angelegenheiten sich ber�hren, so mu�te es angemessen und
sachdienlich erscheinen, die oberste Leitung der Stiftung einer Instanz
zuzuweisen, welche zur st�ndigen Vertretung verwandter �ffentlicher
Interessen berufen ist -- wie schon durch die Stiftungsurkunde von 1889
geschieht. Dabei ist jedoch die Verbindung von Stiftungsverwaltung und
Staatsbeh�rde als reine Personalunion gedacht. Die Bestimmung des � 5
besagt also nur: da� diejenigen M�nner, welchen jeweils die betreffende
Funktion des �ffentlichen Dienstes anvertraut ist, durch den Stifter
ersucht und kraft landesherrlicher Best�tigung der Stiftung ein f�r
allemal erm�chtigt sind, auch der Obliegenheiten der Stiftungsverwaltung
der CARL ZEISS-Stiftung sich anzunehmen und solche immer in den gleichen
geordneten Formen zu besorgen, nach welchen sie gem�� den
Staatseinrichtungen ihr �ffentliches Amt aus�ben.

Jene Verbindung begr�ndet mithin keinerlei n�here Beziehung der Stiftung
zum Staat selbst, au�erhalb des allgemeinen Aufsichtsrechts, welches dem
Staat �ber jede Stiftung zusteht[78].


Titel II.

Organisation der gesch�ftlichen Aktion der Stiftung.

Zu Titel II wird die schwierige Frage zu beantworten gesucht: wie die
Verwaltung und Leitung von Gewerbsunternehmungen auf einem sehr
eigenartigen Arbeitsfeld, dessen technische und merkantile Interessen
g�nzlich abseits liegen von den allgemeiner zug�nglichen
Industriegebieten, in _unpers�nlicher_ Hand zweckm��ig zu organisieren
sei -- und _wie_ einer f�r zweckm��ig erkannten Organisation die Gew�hr
dauernder Anerkennung verschafft werden k�nne.

Der in Titel II zum Ausdruck kommende Organisationsplan f�r die
gesch�ftliche Aktion der Stiftung hat sich mir ergeben aus dem Inhalt
einer fast drei�igj�hrigen pers�nlichen Erfahrung �ber die feineren
Lebensbedingungen der hiesigen Unternehmungen und aus vielf�ltigen
Einblicken in die Verh�ltnisse anderer Betriebe �hnlicher Art; nicht zum
wenigsten aber auch aus den wertvollen Winken, welche das nunmehr
vierj�hrige, ausnahmslos eintr�chtige Zusammenwirken mit dem
ausgezeichneten Mann, der der erste Stiftungskommissar der CARL
ZEISS-Stiftung geworden ist, mir und meinen n�chsten Mitarbeitern
geliefert hat.

Die in Titel II des Statutenentwurfs aufgestellten Vorschriften stehen
unter den nachfolgenden Gesichtspunkten:

1. Eine sachgem��e und entsprechender Verantwortlichkeit f�hige Leitung
und Verwaltung der Stiftungsbetriebe kann, hinsichtlich aller
Angelegenheiten dieser Betriebe, kleiner und gro�er, nur mit Hilfe
solcher Personen gewonnen werden, welche in Ansehung der wesentlichen
Interessen jedes Betriebes Sachverst�ndige und mit dem Gang der
Gesch�fte in den Einzelheiten vertraut sind.

Deshalb m�ssen der Stiftung neben der Stiftungsverwaltung f�r Leitung
und Verwaltung der Gesch�ftsfirmen noch besondere Organe gegeben werden,
mit eigener Initiative und Verantwortung, und dementsprechend mit einer
bestimmten selbst�ndigen Kompetenz (Vorst�nde oder Gesch�ftsleitungen
der Stiftungsbetriebe).

Damit diesen Organen Initiative und Verantwortlichkeit wirklich
verbleibe, mu� ihre Kompetenz grunds�tzlich dahin bestimmt werden: da�
in den Angelegenheiten der Betriebe gegen ihren erkl�rten Willen nichts
angeordnet, sondern nur Veto seitens der Stiftungsverwaltung innerhalb
eines bestimmten Umfangs eingelegt werden kann.

2. Die Funktionen dieser Vorst�nde k�nnen nicht f�glich je einem
einzelnen in die Hand gegeben werden. Wegen der Vielf�ltigkeit der stets
zu ber�cksichtigenden Interessen und stets erforderlichen Sachkenntnisse
kann nur eine Mehrheit von Personen gen�gende Gew�hr f�r nicht ganz
einseitige Entschlie�ungen bieten. Jede Entscheidung mu� die Resultante
sein aus den Einzelurteilen mehrerer _gleichberechtigter_, m�glichst
verschiedene Interessen des Betriebes vertretender Personen.

Demnach m�ssen die Vorst�nde als _Kollegien_ konstituiert werden. Bei
der Optischen Werkst�tte wird, wegen der besonderen Mannigfaltigkeit der
dort in Betracht kommenden R�cksichten, die Zahl der Mitwirkenden der
Regel nach nicht unter Drei sein d�rfen. �ber vier ohne dringende
Veranlassung hinauszugehen, wird �berall unratsam sein wegen der
unvermeidlichen Schwerf�lligkeit eines vielk�pfigen Kollegiums.

3. Zur verantwortlichen Mitwirkung in der Leitung der Stiftungsbetriebe
ist ein Fremder, der unvermittelt in den Betrieb hereingesetzt w�rde,
g�nzlich ungeeignet. Ein solcher w�rde, wenn er nicht ins Blaue hinein
urteilen und dabei der Gefahr grober Mi�griffe sich aussetzen will, f�r
l�ngere Zeit, bis er eingehendere F�hlung mit den Angelegenheiten
gewonnen hat, nur das Sprachrohr anderer sein k�nnen. Daher ist
unbedingt geboten, die Erg�nzung der Vorst�nde stets im Kreis derjenigen
Personen zu suchen, welche als obere Beamte der betreffenden Firma --
wenigstens aber des andern Stiftungsbetriebes -- schon l�ngere Zeit
t�tig waren, infolgedessen mindestens einen Teil der wichtigeren
Angelegenheiten des Betriebs und die Atmosph�re des Wirkungskreises aus
eigener Erfahrung kennen und anderseits ihren Mitarbeitern und der
Stiftungsverwaltung ebenfalls schon gen�gend bekannt sind.

4. Die erforderliche Beaufsichtigung der Gesch�ftsf�hrung der Betriebe
seitens der Stiftungsverwaltung und deren, sei es beratende, sei es
mitentscheidende Einwirkung auf diese Gesch�ftsf�hrung, kann, soweit es
sich nicht um Wahrnehmung ganz allgemeiner Interessen der Stiftung oder
wesentlich verm�gensrechtlicher R�cksichten handelt, in wirksamer und
sachgem��er Art nur mittels einer Person ausge�bt werden, welche durch
fortgesetzten, regelm��igen Verkehr mit den Instituten und ihrem
Personal einen genaueren Einblick in alle sachlichen und pers�nlichen
Verh�ltnisse derselben gewonnen hat und den Gang aller Angelegenheiten
_stetig_ zu verfolgen vermag. Da bei so komplizierten Gesch�ftsaktionen,
wie hier in Frage sind, in die Beurteilung jeder wichtigeren Sache immer
vielerlei Einzelheiten hereinspielen, und R�cksichten und Erw�gungen,
die einem Fernerstehenden meist kaum verst�ndlich zu machen sind, so
w�rde jede ma�gebende Einwirkung der Stiftungsverwaltung, die aus der
Entfernung erfolgen m��te, eher l�hmend als f�rdernd sein. Hieraus folgt
die Unentbehrlichkeit eines weiteren Organs der Stiftung f�r die
Verwaltung ihrer Gewerbsinstitute -- einer st�ndigen Mittelsperson
zwischen der Stiftungsverwaltung und den Gesch�ftsleitungen der
Betriebe.

Diese Zwischeninstanz, der Stiftungskommissar, mu� nat�rlich seine
Funktionen als Vertreter und Beauftragter der Stiftungsverwaltung
aus�ben und demgem�� nach der Instruktion der letzteren handeln. Dabei
mu� ihm jedoch soviel Selbst�ndigkeit in allem einzelnen belassen werden
k�nnen, da� seine eingehendere pers�nliche Kenntnis der Verh�ltnisse und
entsprechende Verantwortlichkeit wirklich zur Geltung kommen. Er d�rfte
also nicht anzuhalten sein, etwas zu vertreten, was er mit R�cksicht auf
beides nicht glaubt vertreten zu k�nnen. Demnach darf er zur
Stiftungsverwaltung nicht im Verh�ltnis der staatlichen
Beamten-Unterordnung stehen.

       *       *       *       *       *

Gem�� diesen Grundz�gen des Organisationsplanes w�rde der
Stiftungsverwaltung selbst die ausschlie�liche Entscheidung in all
denjenigen Angelegenheiten der Stiftung vorbehalten bleiben, welche auf
die in � 1 sub B bezeichneten Zwecke Bezug haben, hinsichtlich der dort
sub A benannten Aufgaben aber eine geregelte �bertragung der Rechte und
Pflichten der Stiftung, als des Inhabers der Stiftungsbetriebe, auf
besondere Organe, Stiftungskommissar und Vorst�nde, vorgesehen sein. Die
Stiftungsverwaltung soll auf diesem Wege entlastet sein von der
Verantwortung f�r die eigentliche Gesch�ftsaktion, f�r welche sie
angesichts der besonderen Verh�ltnisse entsprechende eigene Organe
anderweitig nicht beschaffen k�nnte. In diesem Punkt w�rde ihr also nur
obliegen: Vorsorge f�r die Auswahl geeigneter Personen.

Alles dieses entspricht in den Grundz�gen durchaus den Einrichtungen,
die hinsichtlich der Leitung der jetzigen Stiftungsbetriebe teils schon
seit langer Zeit bestehen, teils in den letzten vier Jahren sich
herausgebildet haben und also der Hauptsache nach schon in l�ngerer
Erfahrung erprobt sind. Die Bestimmungen der �� 6-20 dieses Statuts
verfolgen also nur den Zweck, f�r die Zukunft zu fixieren und genauer zu
regeln, was bisher ohne f�rmliche Regelung in tats�chlicher �bung
gestanden hat.

Im einzelnen ist folgendes zu bemerken:


Zu � 5, Abs. 2 u. 3.

Durch die Verbindung der Stiftungsverwaltung mit einer Staatsbeh�rde
werden die Gesch�ftsunternehmungen der CARL ZEISS-Stiftung auch nicht
mittelbar zu Staatsbetrieben oder besonderer Staatsaufsicht, au�erhalb
der allgemeinen, im �ffentlichen Recht jeweils vorgesehenen
Beaufsichtigung der Industrieunternehmungen, unterstellt.

Im Statutenentwurf kommt dieses auch ohne den � 16 schon gen�gend zum
Ausdruck. Bei Fernerstehenden ist jedoch das durch � 5 begr�ndete
Verh�ltnis leicht Mi�verst�ndnissen ausgesetzt, wie sich schon gezeigt
hat. Die ausdr�ckliche Erw�hnung seiner richtigen Konsequenzen in � 16
erscheint also ratsam, um auch explicite erkennbar gemacht zu haben, da�
die Stiftungsverwaltung als Staatsbeh�rde f�r nichts verantwortlich ist,
was der Vorstand eines Stiftungsbetriebes bei Vertretung der Interessen
seiner Firma innerhalb der Grenzen des gesetzlich Zul�ssigen zu tun oder
zu unterlassen f�r gut findet.


Zu � 7.

Da� immer mindestens ein Mitglied den Vorst�nden beider
Stiftungsbetriebe gemeinsam sei -- wenn dabei auch unvermeidlich ist,
da� dieses gemeinsame Mitglied der Regel nach nur dem einen von beiden
Betrieben ganz im einzelnen nahe stehen kann -- erscheint nicht nur
geboten zur Sicherung des fortgesetzten, f�r beide gleich wichtigen
Hand-in-Hand-Arbeitens von Optik und Glasfabrikation, auf welchem die
Entwickelung der hiesigen Unternehmungen begr�ndet ist, sondern auch
unerl��lich unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Interessen der
Stiftung, um die Einheitlichkeit ihrer ganzen gesch�ftlichen Aktion zu
wahren -- was durch die Person des gemeinsamen Stiftungskommissars
_allein_ noch nicht gen�gend gew�hrleistet w�re.


Zu � 9.

Die Vorschriften dieses Paragraphen entsprechen dem im Handelsrecht
allgemein anerkannten Prinzip der freien und direkten Stellvertretung.
Da� diesem stets in vollem Umfang Rechnung getragen werde, ist nicht nur
Voraussetzung gen�gender Rechtssicherheit f�r alle Gesch�ftshandlungen
der Stiftungsfirmen, sondern auch deshalb geboten, damit diese
Handelsfirmen und ihre Vorst�nde das erforderliche Ansehen nach au�en
behalten.


Zu � 11.

Die Vorschriften dieses Paragraphen versuchen, eine Abgrenzung der
Kompetenz der Vorst�nde m�glichst nach objektiven Merkmalen in solcher
Art zu geben, da� dabei einerseits der Stiftungsverwaltung eine
ma�gebende Einwirkung auf alle wichtigeren Aktionen der
Gesch�ftsbetriebe gewahrt bleibt, anderseits aber auch der unerl��lichen
Forderung gen�gender Bewegungsfreiheit und ausreichender, das Bewu�tsein
wirklicher Verantwortung sichernder Initiative der Vorst�nde Rechnung
getragen wird.


Zu � 14.

Dadurch, da� dem Stiftungskommissar das Recht, geh�rt zu werden und
wenigstens beratend mitzuwirken, f�r _alle_ Angelegenheiten vorbehalten
wird, die �berhaupt besondere Entschlie�ungen erfordern, wird der
Stiftungsverwaltung eine weitgehende Einflu�nahme auf die Behandlung
auch der gew�hnlichen Gesch�fte gesichert. Zwischen einem
Stiftungskommissar, der gen�genden Einblick in die Angelegenheiten und
das Ansehen unbefangenen Urteils gewonnen hat, und einer
Gesch�ftsleitung, deren Mitglieder als sachkundig und umsichtig sich
bew�hrt haben, wird die formale Abgrenzung der Kompetenz in � 11
praktisch �berhaupt nicht zur Geltung kommen.


Zu � 15.

Wenn eine Mehrheit von sachverst�ndigen Personen in der Gesch�ftsleitung
eines Stiftungsbetriebes in irgend einer Frage einstimmig ist, so mu�
ihrem Votum pr�sumtiv eine gr��ere Autorit�t beigemessen werden, als der
etwa abweichenden Ansicht eines andern, der den betreffenden
Angelegenheiten nicht in gleichem Ma�e nahe steht. Sind aber jene
Sachverst�ndigen uneins, so geht den dissentierenden Urteilen _beider_
Teile die spezifische Sachverst�ndigen-Autorit�t verloren und
verschiedenes Gewicht beider kann nur noch begr�ndet sein in dem etwa
ungleichen Ansehen der Personen hinsichtlich ihrer Erfahrung, Umsicht,
Unbefangenheit etc. Da derartige Unterschiede sich nicht nach K�pfen
abz�hlen lassen, erscheint es angemessen, in allen solchen F�llen, ganz
ohne R�cksicht auf Majorit�t und Minorit�t, das Z�nglein an der Wage
einen Dritten bilden zu lassen, der neben dem eigenen Urteil zur Sache
auch jene Unterschiede auf Grund l�ngerer Kenntnis der Personen w�rdigen
kann.

Da� in derartigen F�llen der Stiftungskommissar nicht aliud entscheiden
k�nne, ist aus der Wortfassung des � 18 gen�gend erkennbar. -- Der Regel
nach wird nat�rlich sein Bem�hen darauf gerichtet sein m�ssen, wenn nach
versuchter Vermittelung noch ein entschiedenes Gegenvotum des einen
Teils bestehen bleibt, in wichtigeren Angelegenheiten die Entscheidung
wom�glich zu vertagen, schon wegen der gr��eren Verantwortung, die
andernfalls er selbst zu tragen h�tte.


Zu � 18.

Die Forderung eines regelm��ig _m�ndlichen_ Verfahrens ist nicht nur
berechtigt, weil andernfalls den Vorst�nden eine unbillige Arbeitslast
aus schriftlicher Korrespondenz erwachsen k�nnte, sondern auch deshalb
geboten, weil nur auf jenem Weg gen�gender Einblick in alle
Angelegenheiten und Unterlagen f�r ein begr�ndetes Urteil zu gewinnen
sind.


Zu � 22.

Die hier gegebene Vorschrift entspricht der in � 1 angedeuteten
Scheidung der beiden Aufgaben der Stiftung: als Inhaber der
Gesch�ftsbetriebe und als Nutznie�er ihrer Ertr�gnisse.


Zu �� 25 und 26.

Die in diesen Paragraphen gegebenen Anordnungen in Verbindung mit den
�� 9 und 10 besagen praktisch die Einf�hrung eines unter Aufsicht und
Leitung der Stiftungsverwaltung gestellten Kooptationsverfahrens f�r die
Erg�nzung der Vorst�nde. Ein anderer sachgem��er Modus hierf�r erscheint
auch nicht denkbar. Denn die Wahrung ungest�rter Kontinuit�t der
Gesch�ftsaktion und die Sicherung kollegialen Einvernehmens unter den
zur Leitung bestellten Personen ist die unerl��liche Voraussetzung f�r
gedeihlichen Fortgang der Unternehmungen. Jeder ernstliche Bruch hierin
w�rde eine gef�hrliche Krisis bedeuten.

Der in Rede stehende Erg�nzungsmodus wird aber auch ganz unbedenklich
sein, wenn immer Vorsorge daf�r getroffen ist, da� in den
Gesch�ftsleitungen, wenigstens aber im Kreise ihrer n�chsten
Mitarbeiter, neben �lteren und erfahreneren M�nnern stets auch solche
vorhanden und gen�genden Einflusses teilhaftig sind, die noch des
Vorzuges der Jugend sich zu erfreuen haben: nicht �ngstlich erw�gen zu
m�ssen, ob die Kr�fte neuen Aufgaben gewachsen sind.

Die �brigen in � 26 und den n�chstfolgenden aufgestellten Normen f�r die
Regelung der _pers�nlichen_ Verh�ltnisse der Vorstandsmitglieder,
einerseits gegen�ber der Stiftungsverwaltung, anderseits gegen�ber den
anderen Beamten der Stiftungsbetriebe, wollen den folgenden Erw�gungen
Rechnung tragen:

Erstens. Den Personen, denen die Vertretung einer Stiftungsfirma nach
au�en und nach innen anvertraut wird, mu� schon durch die Formen und
Bedingungen ihrer Beauftragung diejenige pers�nliche Unabh�ngigkeit
gew�hrleistet sein, die n�tig ist, sie jedem Dritten gegen�ber unter die
Pr�sumtion gestellt zu haben, da� sie ihre Funktionen ohne Beengung
durch unsachliche R�cksichten, nach ihrem eigenen besten Wissen aus�ben
_k�nnen_. Dieses Ansehen m�ssen die Vorst�nde haben nach au�en, weil
sonst den Stiftungsbetrieben das Vertrauen verloren gehen w�rde, da�
ihre Angelegenheiten auf die Dauer wirklich, nicht blo� angeblich, rein
fachm�nnischer Leitung unterstellt seien; und nach innen m�ssen sie
solches Ansehen haben, damit das gesamte Personal der Stiftungsfirmen,
Beamte und Arbeiter, zu den Vorst�nden das Vertrauen behalte, in ihnen
die Vertretung aller berechtigten eigenen Interessen, auch der Stiftung
gegen�ber, zu besitzen. Mit R�cksicht auf das letztere aber m�ssen
au�erdem noch die Personen, denen die schwierige Aufgabe zuf�llt, im
t�glichen Verkehr die Interessen des Ganzen mit den ihnen vielfach
widerstreitenden Interessen aller einzelnen in gerechtem und
vern�nftigem Gleichgewicht zu erhalten, gegen jeden m�glichen Verdacht
gesichert sein, als ob, wenn sie in irgend einem Fall den W�nschen
einzelner entgegen zu treten haben, dabei R�cksichten auf eigenen
Vorteil mitsprechen k�nnten.

Zweitens. Die T�tigkeit der Vorstandsmitglieder darf grunds�tzlich nicht
auf Erteilung von Anordnungen, Beaufsichtigung, Vollziehung von
Unterschriften u. dergl. beschr�nkt sein. Sie m�ssen vielmehr
fortgesetzt an regelm��iger Mitarbeit in den wichtigeren Angelegenheiten
interner wissenschaftlicher, technischer oder kaufm�nnischer Funktion
wie die anderen Beamten ihrer Firma sich beteiligen, wenn auch
naturgem�� in beschr�nkterem Umfang als diese. Andernfalls w�rden sie
die lebendige F�hlung mit der praktischen Aktion ihres Betriebes bald
verlieren und der Gefahr formalistischer Behandlung der Angelegenheiten
mehr und mehr verfallen.

Die relativ wenigen Personen im Beamtenkreis der Stiftungsbetriebe, auf
welche der besondere Auftrag zur Vertretung einer Firma und zur Leitung
ihrer Angelegenheiten entf�llt, k�nnen nun, wie t�chtig und
leistungsf�hig sie sein m�gen, auf Erfolg ihrer T�tigkeit nur dann
rechnen, wenn sie der bereitwilligen Unterst�tzung einer gr��eren Zahl
ebenb�rtiger Mitarbeiter sicher sind, vor welchen sie selbst im
allgemeinen nichts weiter voraus haben werden, als die sozusagen
zuf�llige Qualifikation gerade f�r die besonderen Funktionen, die ihnen
aufgetragen sind, denen gegen�ber aber die T�tigkeit der andern als
durchaus gleichwertig zu erachten ist. Es w�re deshalb v�llig
unangemessen und im Erfolg geradezu sch�dlich, wenn die Funktion der
Vorstandsmitglieder diese besonders herausheben wollte aus dem Kreis
ihrer n�chsten Mitarbeiter. Der Auftrag darf also keinerlei �berordnung
von Person zu Person begr�nden. Die notwendig gebotene Unterordnung
aller unter die verantwortliche Leitung hat ausschlie�lich Unterordnung
unter das Kollegium als _solches_ zu sein, dem auch jedes seiner
Mitglieder f�r seine Person hinsichtlich seiner gesamten T�tigkeit ganz
ebenso unterstehen mu� wie alle andern; und die einzige Ehre, welche
dieser Auftrag den davon Betroffenen als �quivalent f�r gr��ere
Verantwortung und unruhigere T�tigkeit bringt, mu� bleiben: durch die
Institutionen der CARL ZEISS-Stiftung unter die Vermutung gestellt zu
sein, da� nur sehr t�chtigen und sehr vertrauensw�rdigen Leuten
derartige Pflichten und derartige Rechte anvertraut werden k�nnen.

Die Bedeutung der Imponderabilien habe ich in gen�gend langer Erfahrung
w�rdigen gelernt. Deshalb lege ich besonderen Wert darauf, die
Grunds�tze und Maximen f�r die Regelung der pers�nlichen Beziehungen,
die in meinem Wirkungskreis bis heute gegolten haben und hierin auf
unbestrittene Erfolge sich berufen d�rfen, auch f�r die Zukunft aufrecht
erhalten zu sehen.


Zu �� 29-31.

Wenn der im vorangehenden begr�ndete Organisationsplan f�r die
praktische T�tigkeit der CARL ZEISS-Stiftung als zweckentsprechend oder
auch nur als vern�nftigerweise zul�ssig anzusehen ist, so rechtfertigt
sich auch das Bestreben, f�r seine dauernde Anerkennung in allen
grunds�tzlichen Punkten jede m�gliche Garantie zu beschaffen. In
wirksamer Form kann solches aber nicht anders erreicht werden wie durch
die Beschr�nkung der Vertragsfreiheit, die in den Paragraphen 29-31 der
Stiftung in bezug auf den n�chstbeteiligten Personenkreis auferlegt
wird.

Die versuchte Fixierung einer bestimmten Organisation der CARL
ZEISS-Stiftung nicht nur durch allgemein ausgesprochene Grunds�tze,
sondern auch durch Bezeichnung objektiver Kriterien f�r deren Anwendung,
l��t meines Erachtens immer noch ziemlich weiten Spielraum f�r die
Anpassung an wechselnde Verh�ltnisse. Indes verhehle ich mir durchaus
nicht, da� derartige Fixierung einer Einrichtung auch gewissen
Nachteilen ausgesetzt ist; und ich bin sogar vollkommen sicher, da�,
wenn diese Einrichtung auch 50 Jahre lang ununterbrochen die
beabsichtigten g�nstigen Wirkungen tats�chlich gehabt h�tte, im 51. Jahr
oder sp�ter gewi� einmal, wenigstens vor�bergehend, eine Situation
eintreten mu�, angesichts welcher mit dem Schein des Rechts wird gesagt
werden k�nnen: �welche Torheit, eine Organisation so fest zu legen!�
_Diesen_ Mangel aber teilt das Fixieren mit jeder andern Einrichtung,
die man treffen m�chte; und das Nichtfixieren w�re doch auch eine
Einrichtung, der gegen�ber kein anderer Unterschied bestehen w�rde, als
da� zuk�nftiger Tadel auf das Nichtfixieren sich richten w�rde. In
Bedenken wegen der beschr�nkten Anpassungsf�higkeit der Organisation
kann ich also einen triftigen Einwand solange nicht erblicken, als es
keinen Weg gibt, Anerkennung bestimmter Grunds�tze anders f�r l�ngere
Dauer sicher zu stellen als durch Angabe objektiver, keinem Ermessen
unterworfener Merkmale ihrer Befolgung oder Nichtbefolgung. -- Mu� die
CARL ZEISS-Stiftung zeitweiligen Schaden durch ihre Einrichtungen in
jedem Fall einmal erleiden, wie immer diese Einrichtungen jetzt
gestaltet w�rden, so mag sie ihn dann erleiden durch meine Grunds�tze --
wof�r ich die Verantwortung zu �bernehmen habe[79].


Titel III.

Allgemeine Normen f�r die gesch�ftliche T�tigkeit der Stiftung.

Zu �� 35, 36.

Die in � 35 ausgesprochene Beschr�nkung betreffs des T�tigkeitsgebietes
der Stiftung bedarf keiner besonderen Rechtfertigung, eher die im
folgenden Paragraphen zugelassene territoriale Erweiterung ihrer Aktion.
Mit dieser letzteren, wenn sie einmal eintreten sollte, w�rden
zweifellos gewisse Gefahren gegeben sein, aus der zunehmenden
Erschwerung der �bersicht und der Einheitlichkeit der Gesch�ftsaktion
und dergl. Andererseits sehe ich aber in der fortschreitenden
Verbreiterung der Grundlagen der hiesigen Unternehmungen durch
Ausdehnung ihres Arbeitsfeldes, wie solche seit Jahren planm��ig von mir
und meinen Mitarbeitern verfolgt worden ist, das wichtigste Mittel zur
Erh�hung ihrer wirtschaftlichen Stabilit�t; und au�erdem will
ich auch nicht verhindern, da� in sp�ter Zukunft die gefestigte
Arbeitsorganisation der CARL ZEISS-Stiftung m�glicherweise eine Art von
Kristallisationspunkt auf dem Gebiet der feintechnischen Industrie
abgeben k�nnte, falls etwa die fortschreitende Ausbreitung der
fabrikatorischen Arbeitsform auch auf diesem Gebiet solcher M�glichkeit
Wert verleihen sollte.


Zu � 40.

Die in diesem Paragraphen -- naturgem�� nur sehr allgemein --
angedeutete Direktive f�r die Gesch�ftspolitik der CARL ZEISS-Stiftung
soll zum Ausdruck bringen: da� diese Politik zwar, in bewu�tem Gegensatz
zum Zweck eines Aktienunternehmens oder dergl., immer als oberstes Ziel
sich setzen m�sse, den wirtschaftlichen Wert der Unternehmungen f�r die
_Gesamtheit_ der daran beteiligten, pers�nlichen und unpers�nlichen,
Interessen m�glichst zu erh�hen, andererseits aber auch v�llig fern zu
bleiben habe von jeder Tendenz zu fortschreitender Aufteilung des
Gesamtertrages unter die jeweils t�tigen Personen.

In einem wirklich organisierten Unternehmen, welches schon eine l�ngere
Vergangenheit hinter sich hat, zumal auf einem hoch entwickelten
Arbeitsgebiet, ist _nicht_, wie etwa bei einer Genossenschaft aus
wesentlich gleichartigen Elementen, die jeden Tag zu gemeinsamer Arbeit
zusammentreten k�nnte, der Wirtschaftsertrag des Ganzen der Hauptsache
nach die blo�e Summe aus den Einzelleistungen aller jeweils in ihm
t�tigen Personen; er ist wesentlich mehr als das, ganz abgesehen noch
von der Bedeutung des mitwirkenden Kapitals als Arbeitsfaktor. Denn in
solcher Organisation f�ngt die wirtschaftliche Arbeit nicht jedes Jahr
von vorn an, wie wenn sie abhinge von einem =ad hoc= zusammengelaufenen
Menschenhaufen; vielmehr wirkt in ihr kontinuierlich alles fort, was
eine lange Vergangenheit an wertvollen Antrieben, besonderen
Einrichtungen, planm��iger Schulung, geregelten Verbindungen und
Absatzwegen allm�hlich geschaffen hat. Und wie dabei einerseits der
zeitliche Gesamtertrag des Ganzen immer in ganz betr�chtlichem Anteil
bedingt bleibt durch die Nachwirkung der Arbeit, die andere, vielleicht
l�ngst Verstorbene, vor Jahrzehnten geleistet haben, so werden
andererseits auch in der Organisation und durch dieselbe die Mitt�tigen
zu Leistungen bef�higt, die sie, was immer ihre pers�nlichen Anlagen
sein m�chten, au�erhalb der vorgefundenen Organisation niemals zustande
bringen k�nnten, deren wirtschaftlicher Ertrag also auch nicht
ausschlie�lich ihr eigenes Verdienst ist.

Die Direktive des � 40 will also besagen: da� die Organe der Stiftung
zwar niemals suchen d�rfen, den Unternehmergewinn zu steigern oder
hochzuhalten durch Herabdr�cken oder Niederhalten der Arbeitsertr�ge der
einzelnen, vielmehr immer nur durch m�glichste Entwicklung der
spezifischen Kr�fte der Organisation und m�glichste Vermehrung der aus
ihr flie�enden besonderen Wirtschaftsvorteile -- da� sie aber auch
nichts, was vern�nftigerweise auf diese Kr�fte und Vorteile
zur�ckzuf�hren ist, an solche verschenken d�rfen, die es in Wahrheit gar
nicht erarbeitet haben.

Ich hoffe, da� auch die zuk�nftigen Gesch�ftsleitungen der
Stiftungsbetriebe, solange nicht eine v�llige Umw�lzung in den
Existenzbedingungen dieser eingetreten ist, es fertig bringen werden,
die wirtschaftliche Lage aller Angeh�rigen der Betriebe nach dem jeweils
gegebenen Ma�stab g�nstig zu erhalten und fortgesetzt zu heben, und
dabei doch noch neben dem marktg�ngigen Kapitalzins und einer
notd�rftigen Risikopr�mie in normalen Zeiten auch einen dem Umfang der
gesch�ftlichen Aktion und dem Wert qualifizierter Arbeit in ihr
einigerma�en entsprechenden Unternehmergewinn �brig zu behalten.
Andernfalls m��ten sie sich sagen lassen: da� sie entweder ihre Aufgabe
�berhaupt nicht begriffen, oder da� sie und ihre n�chsten Mitarbeiter
nicht verstanden h�tten, die vorgefundenen Kr�fte der Organisation
lebendig zu erhalten und allm�hlich erlahmende Antriebe durch neue zu
ersetzen.

Die schwierigere Frage: wem nun der jeweilige �berschu� im
Wirtschaftsertrag der Unternehmungen f�glich geh�re, wenn er nicht den
s�mtlichen mitarbeitenden Personen geh�rt und, meiner Auffassung nach,
auch einem pers�nlich mitt�tigen Unternehmer nicht uneingeschr�nkt und
bedingungslos, am allerwenigsten aber dem Kapitalinhaber geh�ren w�rde
-- diese Frage kann ich f�r meinen Fall erfreulicherweise als
gegenstandslos geworden ansehen. Denn wenn der Unternehmer nichts
anderes mehr ist als der unpers�nliche Repr�sentant der Organisation
selbst, und wenn zugleich seine Nutznie�ung keine andere Anwendung mehr
finden kann als zugunsten von Zwecken, die entweder ganz unmittelbar den
dauernden Interessen der Gemeinschaft dienen, oder dem allgemeinen Wohl,
an welchem alle mittelbar beteiligt sind -- so wird es nunmehr sicher
sein, da� ihm jener �berschu� geb�hrt.


Zu � 44.

Die Anerkennung der in � 44 ausgesprochenen Forderung habe ich gleich
beim ersten Eintritt in die Verbindung mit der damals noch kleinen
Optischen Werkst�tte, vor nun bald 30 Jahren, mir ausdr�cklich
ausbedungen, und es ist ihr bisher auch stets streng entsprochen worden.
Ich w�nsche, da� auch meine Nachfolger an dieser Regel festhalten,
m�chte dadurch auch einmal das Preisgeben eines erheblichen
gesch�ftlichen Vorteils bedingt sein. -- Ich halte es �berhaupt nicht
f�r anst�ndig, namentlich aber nicht f�r die CARL ZEISS-Stiftung,
Erzeugnisse, die der Absicht nach dem Dienst wissenschaftlicher
Forschung bestimmt sein sollen, hinsichtlich der gesch�ftlichen
Verwertung des Urheberrechts auf gleichem Fu� zu behandeln wie
Erzeugnisse, die dem Erwerb oder den gew�hnlichen Bed�rfnissen des
praktischen Lebens dienen. Die Stiftungsbetriebe k�nnen nat�rlich auch
die Erzeugnisse der ersteren Art nicht verschenken, sie m�ssen vielmehr
auch gegen�ber den Gelehrten und den wissenschaftlichen Instituten den
vollen Gegenwert f�r die in jenen enthaltene technische und geistige
Arbeit fordern. Es soll aber wenigstens f�r alle erkennbar sein, da� in
diesem Gegenwert _keine_ besondere Pr�mie f�r Urheberrechte enthalten
sei, da� vielmehr jedem frei gelassen ist, das gleiche billiger zu
liefern, wenn er es kann.


Titel IV.

Reservefonds.

Die Vorschriften dieses Titels bestimmen dasjenige Ma� von
verm�gensrechtlicher _Beschr�nkung_, welches dem Eigent�mer der
Stiftungsbetriebe hinsichtlich der Verf�gung �ber ihre Ertr�gnisse
auferlegt sein soll und zwar: einerseits im Sinne teilweiser Bindung
dieser Ertr�gnisse zugunsten der Unternehmungen selbst und ihres
Personals gegen�ber den sonstigen Interessen, welche die Stiftung aus
� 1, B zu vertreten hat; andererseits aber im Sinne des Zwanges zur
teilweisen Verausgabung dieser Ertr�gnisse behufs gemeinn�tziger
Bet�tigung.

Die CARL ZEISS-Stiftung soll niemals die Grundlage ihrer Wirksamkeit,
sondern stets nur den R�ckhalt daf�r in Verm�gensansammlung haben,
demnach die letztere nicht weiter fortsetzen, als zur Sicherung ihrer
industriellen Aktion und der Interessen ihres Personals erforderlich
erscheint.

F�r diesen Zweck ist nur ein gewisses Ma� von Verm�gensbesitz au�erhalb
des Betriebskapitals der Unternehmungen bestimmt geboten, und ein
gewisses weiteres Ma� noch w�nschenswert und ratsam. Hieraus ergibt sich
der Anla�, f�r die Verm�gensansammlung der Stiftung ein bestimmt
anzustrebendes Minimum, aber auch ein nicht zu �berschreitendes Maximum
zu normieren. Das letztere ist zu bemessen nach dem Bed�rfnis f�r noch
absehbare ung�nstige Eventualit�ten; ganz vagen M�glichkeiten Rechnung
tragen zu wollen, w�rde nur bedeuten, der lebenden Generation sichere
Nachteile aufzuerlegen wegen v�llig problematischer Vorteile f�r eine
folgende Generation.


Zu � 45.

Die Spezifikation des als �Reservefonds� der Bindung unterworfenen
Verm�gensbestandes der Stiftung nach vier getrennten Konten will den
verschiedenen R�cksichten der allgemeinen industriellen Aktion der
Stiftung und den besonderen ihr auferlegten Unternehmerpflichten
Rechnung tragen. -- Die beiden Konten I und II=a= haben ausschlie�lich
auf das letztere Bezug, die beiden anderen II=b= und II=c= auf die
sonstige gesch�ftliche Aktion.

Zu Konto I): Die nach �� 72 ff. des Statuts von den Stiftungsbetrieben
ihrem Personal gegen�ber zu �bernehmenden vertragsm��igen Pensionslasten
fallen zwar g�nzlich auf das Unkostenkonto der Handelsfirmen und m�ssen
unter normalen Verh�ltnissen aus den laufenden Einnahmen der Betriebe
bestritten werden k�nnen, da s�mtliche Anspr�che nur auf das
Fortgew�hren eines Teiles des fr�heren Lohnes oder Gehalts der
ehemaligen Gesch�ftsangeh�rigen, nicht auf Kapitalzahlung gehen. Die
Stiftung als Inhaber der Handelsfirmen mu� jedoch, obwohl die
Pensionsempf�nger gew�hnliche, nicht bevorrechtigte Gl�ubiger ihrer
Firma bleiben, f�r den Kapitalwert s�mtlicher jeweils laufenden
Rentenverpflichtungen volle Deckung beschaffen, damit ihre eigene
Verm�gensbilanz sichere Grundlage behalte. Diese Deckung kann indessen
unbedenklich auf einen m��igen Teil des der Stiftung selbst geh�rigen,
sonst unbelasteten Betriebskapitals der Handelsfirmen mit angewiesen
bleiben.

Zu Konto II=a=): Um die dauernde Erhaltung der bilanzm��igen
Kapitaldeckung aller Rentenverpflichtungen, sowie au�erdem die laufenden
Pensionszahlungen und diejenigen Leistungen, welche � 77 den
Stiftungsbetrieben zeitweilig auferlegen m�chte, nicht ausschlie�lich
auf die jeweiligen Betriebs�bersch�sse angewiesen zu haben, vielmehr die
Deckungsmittel f�r alle diese Lasten auch in Zeiten schlechten
Gesch�ftsganges bereit zu haben, ist das genannte zweite Konto des
Reservefonds n�tig. Seine H�he ist selbstverst�ndlich zu normieren nach
dem Personalunkostenkonto der Stiftungsbetriebe, als dem nat�rlichen Ma�
f�r die zu gew�rtigenden Risiken.

Zu Konto II=b=): Ein besonderer Erneuerungs- und
Betriebserweiterungsfonds, bemessen nach dem Buchwert der
verschlei�baren Betriebsmittel, welche die Unternehmungen jeweils n�tig
haben, erscheint geboten, um unabh�ngig von den laufenden �bersch�ssen,
also auch bei ung�nstiger Gesch�ftslage, zu deren �berwindung neue
Kapitalaufwendungen vielleicht besonders dringlich sein k�nnen, Mittel
zu solchen immer bereit zu haben.

Zu Konto II=c=): Das letzte Konto soll neben der Sicherung allgemeiner
Aktionsfreiheit der Stiftung und ihrer Handelsfirmen im besondern dienen
zur Deckung gro�er exzeptioneller Unkosten, welche pl�tzliche
Betriebsst�rungen, Gesch�ftsstockung durch Krieg oder Handelskrisen und
dergl. Vorkommnisse verursachen k�nnen, und soll die Mittel bieten, um
auch in solchen Zeiten die Leistungen fortsetzen zu k�nnen, welche Titel
V des Statuts den Stiftungsbetrieben auferlegt. -- Die H�he dieses
Postens bemi�t sich naturgem�� nach dem jeweiligen Umfang der ganzen
Gesch�ftsaktion der Stiftung, der durch die j�hrliche Gesamtausgabe
ihrer Betriebe gekennzeichnet ist.


Zu � 47, letzter Absatz.

Nachdem[80] die Stiftung fast die H�lfte des gesamten buchm��igen
Betriebskapitals der Unternehmungen als freies Eigentum besitzt und
au�erdem einen freien Reservefonds gewonnen hat, der den ganzen Rest
deckt und schon gen�gt, um auch eine schwere Krisis zu �berstehen,
betrachte ich die vertragsm��ige Verpflichtung, den Rest jenes
Betriebskapitals zu bestimmten Terminen zu �bernehmen, nur noch als eine
rein theoretische Sorge. Der Kredit der Stiftung wird gro� genug sein,
um jederzeit im Bedarfsfall anderes fremdes Kapital in solcher Form
heranziehen zu k�nnen, da� die weitere Kapital�bernahme auf l�ngere
Zeitr�ume verteilt wird. Deshalb w�rde es ungerechtfertigt sein, die
baldige Erh�hung des freien Reservefonds auf den im � 45 angenommenen
normalen Stand etwa zugunsten beschleunigter Kapitalabzahlung
hintanzuhalten.


Zu � 51.

�F�r zum voraus bestimmte Zwecke� schlie�t aus, die in Rede stehenden
�bersch�sse zur�ck zu halten, blo� um im allgemeinen gr��ere Mittel f�r
sp�tere Jahre verf�gbar zu haben. Jedoch mu� gem�� � 46 alles, was auf
den betreffenden Separatkonten vorhanden ist, also rechtlich noch im
Eigentum der Stiftung steht, den auf den Reservefonds Bezug habenden
Bestimmungen in den �� 88, 89 bedingungslos unterworfen bleiben.


Titel V.

Arbeiter- und Angestelltenrecht der Carl Zeiss-Stiftung[81].

Dieser Titel enth�lt die Pr�zisierung der in � 1 sub A, dritter Absatz,
der CARL ZEISS-Stiftung zugewiesenen sozialen Aufgabe. Ich erblicke
darin den wichtigsten Teil des Statuts, weil diese Festsetzungen f�r
mich bedeuten den �u�eren Abschlu� eines wesentlichen St�ckes meiner
ganzen Lebensarbeit und weil ich zugleich �berzeugt bin, da� den
Bestrebungen, die darin zum Ausdruck kommen, ein ganz entscheidender
Anteil an der g�nstigen Entwicklung der jetzigen Stiftungsunternehmungen
beizumessen ist, ihre fortgesetzte Anerkennung mir also auch als eine
wesentliche Bedingung f�r deren ferneren gedeihlichen Fortgang
erscheinen mu�.

Diese Bestrebungen aber haben auf meiner Seite -- seit wohl zwanzig
Jahren schon bewu�terweise -- unter folgendem ganz allgemeinen
Gesichtspunkt gestanden:

Als ein dringendes Volks- und Staatsinteresse gilt unbestritten die
Erhaltung, beziehungsweise Wiedererneuerung eines breiten gesunden
Mittelstandes, dessen Glieder noch Vollb�rger sein k�nnen, nicht
hinsichtlich der pers�nlichen und b�rgerlichen Verh�ltnisse schon auf
irgend einer Zwischenstufe zum Helotentum stehen und nicht in ihrer
wirtschaftlichen Existenz einem Proletariat, welches nichts mehr zu
verlieren hat, verfallen oder jederzeit zu verfallen bedroht sind.

Mag nun jemand �berzeugt sein, wie ich es bin, da� ein solcher
Mittelstand von gen�gender Breite, soweit die gewerblichen St�nde in
Betracht kommen, in Zukunft �berhaupt nur noch auf dem Boden der
_organisierten_ Wirtschaftst�tigkeit der Gro�industrie zu erhalten oder
wiederzugewinnen sei, oder mag er glauben, da� solches auch durch
Wiederbelebung des alten Handwerks und sonstigen Kleingewerbes
erreichbar sein werde -- in keinem Fall wird bestritten werden k�nnen:
da�, wenn sowohl die Gro�industrie solche Aufgabe erf�llen oder auch nur
neben parallel gehenden anderen Bestrebungen zu ihrer Erf�llung
mitwirken k�nnte, damit wichtigen Volks- und Staatsinteressen Vorschub
geleistet w�rde; und da�, wenn auf irgend einem, sei es auch zun�chst
ganz kleinem Gebiet, ein Anfang dieser Art mit Erfolg wirklich gemacht
w�rde, dieses dem Gemeinwohl zweifellos dienen m�sste.

Die Fortsetzung dieser ersten Erw�gung aber ist f�r mich: es gibt
_keinen_ andern Weg zu solchem Ziel als wirkliche und dauernde _Hebung
der Rechtslage_ der von industriellen Unternehmungen abh�ngigen Personen
in ihrem Verh�ltnis zum Unternehmer und seinen Organen, nach der
pers�nlichen und der wirtschaftlichen Seite hin -- damit die wichtigsten
b�rgerlichen und materiellen Interessen dieser Personen nicht l�nger der
Willk�r des Unternehmers und ganz einseitigen R�cksichten auf dessen
jeweiligen Vorteil unterworfen bleiben. Was mit anderen Absichten und
auf anderen Wegen geschehen oder empfohlen worden ist, die Lage der
Abh�ngigen zu verbessern _ohne_ den Versuch grunds�tzlicher �nderung
ihrer Rechtslage zum Unternehmer, mag im einzelnen sehr achtungswert,
sehr erfreulich und sehr n�tzlich sein; unter dem Gesichtspunkt der
sozialen Volksinteressen aber ist es nur Dekoration und nichts weiter.

Aus obigen Pr�missen begr�ndet sich f�r mich das Bestreben, welches
Titel V des Statuts in �berschrift und Inhalt zum Ausdruck bringt: f�r
den ganzen Personenkreis der jetzigen Stiftungsunternehmungen das
�ffentliche Proletarierrecht der Reichs-Gewerbeordnung und der
einschl�gigen Abschnitte des Handelsgesetzbuches durch ein besseres
_privates_ �Arbeiter- und Angestelltenrecht� zu ersetzen, n�mlich jenes
�ffentliche Recht f�r diesen Personenkreis dauernd dadurch au�er
Anwendung zu bringen, da� den Arbeits- und Anstellungsvertr�gen der
Stiftungsbetriebe �berall weitergehende Rechte zu gew�hren auferlegt und
f�r die Sicherung dessen m�glichste Garantie geschaffen wird.

       *       *       *       *       *

Als die wesentlichen und s�mtlich auch unentbehrlichen Grundlagen f�r
eine auf _diesem_ Weg erstrebte Hebung der Lage des Arbeiter- und
Privatbeamtenstandes mu� ich ansehen:

1. Genaue Pr�zisierung des vertragsm��igen _Pflicht_verh�ltnisses
zwischen Personal und Inhaber der Unternehmungen, bezgl. dessen Organen,
nach strengem Rechtsbegriff -- der gebietet, dieses Pflichtverh�ltnis
endg�ltig zu reinigen von allem ihm herk�mmlich noch anhaftenden Beiwerk
an pers�nlicher Abh�ngigkeit, Botm��igkeit etc., welches durchaus
einseitig zu Lasten des schw�cheren Teils entf�llt, weil der Unternehmer
eine materielle Gegenleistung _da_f�r nach Gesetz und guter Sitte
nicht einmal bieten d�rfte, eine entsprechende pers�nliche Gegenleistung
aber in jedem gr��eren Betrieb gar nicht bieten kann; also kurz gesagt:
feste Garantien gegen den Mi�brauch der wirtschaftlichen Abh�ngigkeit
der Arbeiter und Angestellten zur Beschr�nkung pers�nlicher und
b�rgerlicher Rechte (�� 57, 58 des Statuts).

2. Genaue Umgrenzung der zeitlichen Gebundenheit und
Freiheitsbeschr�nkung, welche das Zusammenarbeiten vieler in der
Industrie unvermeidlich macht, unter Anerkennung des Grundsatzes: da�
diese zeitliche Freiheitsbeschr�nkung nicht weiter reichen d�rfe, als
_wichtige_ Interessen des Betriebs, nicht schon R�cksichten auf jeden
beliebigen kleinen Vorteil des Unternehmers, gebieten (�� 61, 62 des
Statuts).

3. Gew�hrleistung solcher Normen f�r die Regelung der Arbeitst�tigkeit
und der Lohnbestimmung, welche geeignet sind, berechtigte
wirtschaftliche Interessen der Arbeiter wirksam zu sch�tzen (� 66 des
Statuts).

4. Gew�hrleistung des Nichtherabsetzens des einmal zugestandenen
regelm��igen Lohnes oder Gehaltes bei unver�ndert bleibender
Arbeitsstellung -- au�er im Fall erweislicher Notlage des Unternehmers
(� 67 des Statuts).

5. Beschr�nkung des Unternehmers in der einseitigen Aufk�ndigung des
Arbeits- oder Anstellungsvertrages, nachdem dieser durch einen gewissen
Zeitraum fortgesetzt worden ist -- durch rechtsverbindliche Festsetzung
einer entsprechenden Entsch�digung f�r den Fall unverschuldeter
Entlassung, auch wenn solche durch �u�ere Ursachen, die nicht dem Willen
des Unternehmers entsprechen, aber in der Industrie regelm��ig zu
gew�rtigen sind, veranla�t ist (�� 77-80 des Statuts).

6. Rechtsverbindliche Zusicherung bestimmter nicht-almosenhafter
Pensionsleistungen f�r den Invalidit�tsfall nach Ablauf einer gewissen,
m��igen Dienstzeit (�� 72-75 des Statuts).

       *       *       *       *       *

Die auf die ersten vier Punkte bez�glichen Vorschriften des Statuts
kodifizieren nur Regeln, die hinsichtlich alles Grunds�tzlichen in den
jetzigen Stiftungsbetrieben von jeher gegolten haben -- im Anfang, als
es sich nur um ein kleines Personal handelte, seitens der damaligen
Inhaber fast unbewu�t ge�bt, seit lange aber offen als feste Maximen
ausgesprochen, zum gr��ten Teil auch schon durch Jahre hin in der
Betriebsordnung schriftlich fixiert. �ber ihre praktische Wirkung habe
ich demnach eingehende eigene Erfahrung. Ich wei� also, da� die
Durchf�hrung jener Grunds�tze zwar gen�tigt hat, an die wichtigen
Mittelspersonen zwischen den oberen Organen des Unternehmers und der
Arbeiterschaft, an die Werkmeister, sehr viel h�here Anforderungen zu
stellen, als an sie zu stellen sind, wenn man sie den Polizeistock
schwingen l��t. Mit diesen Grunds�tzen ist es aber m�glich gewesen, die
Betriebe -- von denen doch der eine schon fast 20 Jahre die Formen des
Gro�betriebs und seit einer Reihe von Jahren ein Personal um die 500
herum hat -- immer in guter Ordnung und in friedlichem Zusammenwirken
aller zu erhalten, und zwar unter _g�nz_lichem Verzicht auf das meist
f�r unentbehrlich angesehene Hilfsmittel der �Strafen�. Diesen
Grunds�tzen auch, und den ihnen entsprechenden, von selbst sich
ergebenden Maximen f�r die Regelung des Zusammenwirkens und des
pers�nlichen Verkehrs zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, mu� ich es
zuschreiben, da� die Stiftungsbetriebe, im Gegensatz zu den landl�ufigen
Klagen �ber Unverl��lichkeit, Unflei�, Interesselosigkeit der
�Untergebenen�, in allen Schichten ihres Personals, vom einfachen
Arbeiter bis zu den obersten Beamten, einer ganz auff�llig _gro�en_ Zahl
von Leuten sich erfreuen d�rfen, die, Muster von Pflichttreue, mit
voller Hingabe und h�chster Zuverl�ssigkeit ihren Aufgaben obliegen --
darunter viele mit steifem R�ckgrat, die v�terliche Bevormundung sehr
geringsch�tzig ansehen, gegen Willk�r aber sehr schroff reagieren
w�rden. Auch solche haben in die hiesige Arbeitsorganisation immer
willig sich eingef�gt. -- Ich behaupte nun: was den hiesigen
Unternehmungen jenen besondern Vorzug verschafft hat, geh�rt zu den
Grundlagen ihrer Existenz. Denn auf ihrem schwierigen Arbeitsfeld,
welches an sich schon an die Leistung der Personen h�here Anspr�che
stellt als die meisten anderen Gewerbe, kann ein Betrieb, wenn er �ber
ganz m��igen Umfang hinausgewachsen ist, durchaus nicht mehr auf
hervorragende T�tigkeit weniger leitender Personen begr�ndet bleiben.
Schon die blo�e Erhaltung eines hohen Niveaus technischer Leistung, noch
viel mehr aber jeder Fortschritt in der Richtung auf neue Aufgaben,
erfordern nunmehr unbedingt, da� immer sehr _viele_ -- ein gro�er Teil
aller Mitwirkenden -- fortgesetzt mit lebhaftem pers�nlichem Interesse,
stetem Nachdenken unter eigenen Antrieben und mit weit mehr als blo�
pflichtm��igem Flei� an der T�tigkeit des Ganzen Anteil nehmen.

       *       *       *       *       *

Bez�glich der zuvor unter 5 und 6 erw�hnten, durch die �� 72-80 des
Statuts n�her geregelten _wirtschaftlichen_ Rechte der Arbeiter und
Angestellten ist zu bemerken, da� auch hierin der wichtigste und unter
dem finanziellen Gesichtspunkt schwerste Schritt, die Gew�hrung fester
Pensionsrechte, schon durch die fr�heren Inhaber der jetzigen
Stiftungsbetriebe getan worden ist, und da� also auch in diesem Punkt
der Hauptsache nach von der Stiftung nur verlangt wird, das fortzusetzen
und dauernd zu gew�hrleisten, was vor ihrem Eintreten begonnen wurde.
Meine fr�heren Genossen und ich haben, als Anla� kam, der Frage der
Invaliden- und Altersversorgung unseres Personals n�her zu treten -- in
den Vorbereitungen dazu schon vor 10 Jahren -- uns entschlossen, _keine_
�Pensionskasse� nach dem gegebenen Vorbild der Wohlfahrtseinrichtungen
zu begr�nden, sondern einfach die Erkl�rung abzugeben: es solle aus dem
_Arbeitsvertrag_ selbst jedem nach 5j�hriger Dienstzeit klagbarer
Pensionsanspruch gegen seine Firma f�r den Invalidit�tsfall, und f�r den
Todesfall zugunsten seiner Hinterbliebenen, zustehen -- gem�� den
n�heren Bestimmungen eines alsbald nach dem Tod des Begr�nders der
Optischen Werkst�tte und unter dem Datum seines Todestags erlassenen
Pensions-Statuts. Diese Ma�nahme hat auch damals schon unter dem
ausgesprochenen Gesichtspunkt gestanden: die Gro�industrie treibt zu
Lasten der Gesamtheit gemeinsch�dlichen Raubbau auf die physische
Volkskraft, wenn sie sich nicht darauf einrichtet, _von sich aus_
aufzukommen f�r den ganzen, regelm��igen und exzeptionellen, Verbrauch
menschlicher Arbeitskraft in ihren Betrieben, wenn sie also diesen
Verbrauch nicht als festen Wirtschaftsfaktor, ganz ebenso wie die
Amortisation der toten Betriebsmittel, in ihre Wirtschaftsf�hrung
aufnimmt. Denn nur unter Fiktionen, die �ber alle realen Verh�ltnisse
k�nstlich sich hinwegsetzen, k�nnte behauptet werden, da� schon im
marktg�ngigen Arbeitslohn den einzelnen eine Amortisationsquote f�r den
allm�hlichen Verbrauch ihrer Kr�fte mitgegeben sei -- welchen Gedanken
freilich das �ffentliche Recht einstweilen nur hinsichtlich der
Staatsbeamten und im �brigen noch, im Unfallversicherungs-Gesetz,
hinsichtlich des exzeptionellen Verbrauchs der Menschenkraft im Gewerbe
voll anerkennt.

Die fr�heren Inhaber der Stiftungsbetriebe haben rechtzeitig begonnen,
die Erf�llung der im obigen Sinn �bernommenen Verpflichtungen sicher zu
stellen, soweit dieses damals m�glich war, durch Begr�ndung eines ihrem
pers�nlichen Eigentum entzogenen Pensionsfonds aus j�hrlichen R�cklagen
von je 6% des ganzen Lohn- und Gehalt-Kontos der beiden Betriebe --
welcher Fonds nachher der CARL ZEISS-Stiftung als Grundstock ihres
jetzigen Reservefonds �berwiesen worden ist.

Die der CARL ZEISS-Stiftung in den �� 77-80 des Statuts weiter
auferlegten Pflichten -- unter welchen etwas sachlich Neues nur der � 77
ausspricht -- bezwecken nun in erster Reihe die endg�ltige
Sicherstellung der Pensions-Einrichtung. Diese w�rde des Ansehens und
des Wertes einer wirklichen Rechtsinstitution der Stiftung g�nzlich
verlustig gehen, wenn der Glaube an ihren dauernden Bestand auch in
Zukunft begr�ndet bleiben m��te auf das Vertrauen zu lebenden und zu
sp�ter kommenden, noch unbekannten Personen -- wenn sie also nicht noch
erg�nzt w�rde durch solche Anordnungen, die _objektive_ Garantien daf�r
schaffen, da� sie h�chstens unter ganz bestimmten, allem willk�rlichen
Ermessen entzogenen Voraussetzungen wieder au�er Wirksamkeit gesetzt
werden kann. Es m�ssen also alle Hintert�ren fest verschlossen sein,
durch welche die Bestimmungen des Pensions-Statuts, sei es auch nur =in
thesi=, jemals umgangen werden k�nnten.

Also schon zu diesem Zweck, und um jeden Verdacht beseitigt zu haben,
als sollte hierin irgend ein Vorbehalt bleiben d�rfen, bedarf es
offenbar einer Festsetzung, wie � 77 trifft; zur Sicherung dieser aber
schlie�lich noch der Verbriefung des im � 67 ausgesprochenen Grundsatzes
-- welche letztere sonst wohl als �berfl�ssig erscheinen k�nnte, weil er
an sich nichts weiter besagt, als was Treu und Glauben ohnehin gebieten.

Die Bestimmung des � 77 soll also zun�chst jedem die Sicherheit geben,
da�, wenn er die einer gewissen Dienstzeit entsprechende
Pensionsanwartschaft zu irgend einer Zeit erlangt hat und er ohne
eigenes Verschulden aus irgend welchen Gr�nden des Betriebsinteresses
nicht weiter im Dienst der Stiftung besch�ftigt werden k�nnte, ihm
alsdann eine den Geldwert der verlorenen Anwartschaft ann�hernd
darstellende Entsch�digung gew�hrt werden mu� -- und da� solchen
gegen�ber, die infolge einer langen Dienstzeit nur noch geringe
Aussichten auf anderweitiges Fortkommen haben, die _H�he_ der zu
leistenden Entsch�digung den Unternehmer _zwingen_ m�sse, von einer
Entlassung �berhaupt abzusehen.

Der � 67 endlich sichert alle gegen die M�glichkeit, durch
Herabsetzung des festen Lohnes oder Gehalts -- was das Recht der
Reichs-Gewerbeordnung und des Handelsgesetzbuchs immer nach je 14 Tagen,
bezgl. 3 Monaten dem Unternehmer gestatten w�rde -- indirekt gezwungen
werden zu k�nnen, das Arbeitsverh�ltnis seinerseits aufzugeben und auf
alle darin ihm erwachsenen Anrechte zu verzichten.

       *       *       *       *       *

Das Obige betrifft indes nur _eine_ Seite der in Betracht stehenden
Ma�regel. Das durch � 77 in die Wirtschaftsordnung der Stiftungsbetriebe
einzuf�hrende Novum hat noch seine selbst�ndige Bedeutung, sowohl unter
rechtlichem, wie ganz besonders auch unter sozialem Gesichtspunkt --
welche Bedeutung es rechtfertigt, sogar gebietet, die Anordnung des � 77
durchaus nicht zu beschr�nken auf diejenigen Personen, welche
Pensionsanwartschaft erworben haben, sondern sie zu einer allgemeinen
�Arbeitslosenversicherung� der Stiftungsbetriebe auszugestalten, wie
� 77 tut.

Wenn n�mlich jemand durch l�ngeres Verbleiben in einem industriellen
Betrieb pr�sumtiv die Absicht an den Tag gelegt hat, darin eine
bleibende T�tigkeit zu suchen -- was dem Unternehmer stets zu besonderem
Vorteil gereicht -- und wenn der andere Teil durch l�ngere
stillschweigende Fortsetzung des Arbeitsvertrags augenscheinlich
anerkannt hat, da� ihm solches genehm sei, so mu� es einer strengeren
Rechtsanschauung als unerh�rtes Spiel mit den Interessen des schw�cheren
Teils erscheinen, wenn nachher der Unternehmer, au�er im Fall wirklicher
Notlage, jenen soll beliebig entlassen k�nnen, weil es f�r ihn nunmehr
vorteilhafter geworden ist, den andern nicht weiter zu besch�ftigen,
oder wegen beliebiger Anst�nde in der Person, die eine Fortsetzung des
Arbeitsvertrags bis dahin nicht gehindert haben. Ein nicht plutokratisch
entarteter Rechtsbegriff mu� die Forderung stellen: da� in allen F�llen,
in welchen ein durch l�ngere Zeit =bona fide= fortgesetztes Arbeits-
oder Anstellungsverh�ltnis einseitig durch den Unternehmer aufgel�st
wird aus Gr�nden _seines_ Interesses -- also seines Vorteils wegen, auch
wenn dieser Vorteil nur in Vermeidung von Nachteilen best�nde -- dem
Betroffenen eine angemessene Entsch�digung _daf�r_ zu leisten sei, da�
seine Erwartung nicht erf�llt wird und er pr�sumtiv -- wie es der Regel
nach tats�chlich der Fall -- in der Zwischenzeit Gelegenheiten zu
anderweitigem Fortkommen vers�umt hat. Gleichzeitig aber gebieten auch
wichtige R�cksichten des �ffentlichen (sozialen) Interesses, da� jenen
arbeitslos Gewordenen in derartiger Entsch�digung ein gen�gender
R�ckhalt geboten sei zur Erlangung einer neuen Arbeitsstellung, die
selten in kurzer Zeit, meist nur unter erheblichen Opfern f�r den
Betroffenen zu finden ist --damit nicht ein gro�er Teil solcher, gem��
den bekannten Wirkungen des gesetzlichen Verfahrens, die Landstra�en
bev�lkern und zuletzt der Armenpflege verfallen m�sse.

       *       *       *       *       *

Im einzelnen ist zum Titel V noch folgendes zu bemerken:


Zu � 57, 58.

Die strenge Umgrenzung des vertragsm��igen Pflichtverh�ltnisses hat
bisher die Anteilnahme der Betriebsleiter und der Beamten an den
pers�nlichen Angelegenheiten der anderen niemals behindert und braucht
auch in Zukunft sie nicht zu behindern. Sie soll nur die Bet�tigung
solcher Anteilnahme in Beratung oder Warnung auf einem ethisch h�heren
Niveau erhalten, indem sie daraus das Verh�ltnis von Vorgesetzten und
Untergebenen v�llig ausscheidet, darin nur noch pers�nliches Ansehen und
pers�nliches Vertrauen gelten l��t.


Zu � 61.

Die Bestrebungen des Arbeiterstandes zugunsten einer fest geregelten und
auf m��ige Dauer beschr�nkten Arbeitszeit halte ich f�r durchaus gerecht
und dem Volkswohl dienlich, und ich trete f�r sie, unter welcher Fahne
sie gehen m�gen, r�ckhaltlos ein, auch mit dem deutlichen Ziel:
Drittelung des Tages, mindestens f�r alle besonders schwere Arbeit und
f�r alle industrielle Arbeit in geschlossenen R�umen.

Ich w�rde keinerlei Anstand sehen, auch in der Optischen Werkst�tte die
noch neunst�ndige Arbeitszeit alsbald auf 8 Stunden herabzusetzen, wie
es in einigen gro�st�dtischen Betrieben gleichen oder verwandten
Arbeitsgebietes schon geschehen ist, wenn nicht anzunehmen w�re, da� die
alsdann gebotene gr��ere �konomie hinsichtlich der Ausnutzung der Zeit
-- im besonderen das �Durcharbeiten� mit nur einer kurzen Ruhepause,
unter Verlegung der Hauptmahlzeit an das Ende des Arbeitstages -- den
Beteiligten unter den hier vorliegenden Verh�ltnissen unwillkommener
sein werde als die jetzige l�ngere Arbeitsdauer mit zwei zusammen
zweist�ndigen Ruhepausen, die in einer kleinen Stadt der Erholung
ungeschm�lert zugute kommen[82].


Zu � 62.

In bezug auf Urlaubserteilung ist hier hinsichtlich aller derjenigen,
deren Arbeitsunterbrechung nicht offensichtliche St�rung des Betriebes
herbeif�hrt, die Praxis seit lange tats�chlich liberaler, als in Form
des Rechtsanspruchs f�glich fixiert werden kann -- wie schon daraus
hervorgeht, da� die Werkmeister nach offenkundiger Instruktion
erwachsene Personen, wenn sie Urlaub nachsuchen, �berhaupt nicht nach
dem �Wozu� fragen, wofern kein besonderer Grund vorliegt wegen des �Ob�
mit ihnen zu verhandeln.


Zu � 63.

Die in diesem Paragraphen bezeichneten Grunds�tze haben f�r die
jetzige Betriebskrankenkasse der jetzigen Stiftungsbetriebe
=in praxi= seit ihrer ersten Begr�ndung vor ca. 20 Jahren gegolten.
Die Kasse ist dabei ganz verschont geblieben von der h�ufig zu
findenden Abneigung gegen die Zwangskassen, auch nachdem sie
gesetzlich eine solche geworden war. -- Generalversammlung und
Vorstand, g�nzlich aus freien Wahlen seitens aller gesetzlich
dazu befugten Versicherten hervorgehend, ohne Stimmrecht der
Gesch�ftsleitungen in ihnen, au�er f�r Statuten�nderungen, verfahren
meist etwas fiskalischer als den Gesch�ftsleitungen lieb ist und
befolgen auch sonst deren Ratschl�ge �fters nicht -- was ihr gutes
Recht ist, und im Effekt jedenfalls besser, wie wenn sie widerwillig
solche befolgen m��ten; sie verwalten aber alle Angelegenheiten der
Kasse mit Umsicht und Sorgfalt und ihren erheblichen Jahresetat von
ungef�hr 12000 M.[83] mit der Gewissenhaftigkeit einer Staatskasse.


Zu � 64.

Bisher ist in den Stiftungsbetrieben noch kein Anla� gewesen, Rechte,
welche jedem einzelnen Arbeiter und andererseits der Gesch�ftsleitung
zustehen, _st�ndig_ auf eine besondere Zwischeninstanz zu �bertragen;
man hat nur in einigen F�llen behufs Verhandlung bestimmter
Angelegenheiten die Wahl eines Ausschusses =ad hoc= herbeigef�hrt. Wenn
aber, wie es wahrscheinlich ist, �ber kurz oder lang auch hier eine
st�ndige Zwischeninstanz Bed�rfnis wird[84], so soll diese eine
_wirkliche_ Arbeitervertretung sein, nicht eine Kulisse, hinter welcher
zuletzt wieder der Unternehmer stecken kann. Sie soll also in allen
St�cken so konstituiert sein, da� sie das volle Vertrauen der
Arbeiterschaft haben mu�, eine Vertretung _ihrer_ Interessen zu sein --
damit die Gesch�ftsleitung, wenn sie in irgend einer Sache mit dieser
Vertretung ins reine gekommen ist, annehmen kann, auch mit der ganzen
Arbeiterschaft im reinen zu sein.

Sollten zu irgend einer Zeit gesetzliche Vorschriften eine
Arbeitervertretung oder dergl. Einrichtung vorschreiben, in welche etwa
auch der Betriebsinhaber oder dessen n�here Organe mit hineingeschoben
w�ren, so m��te alsdann zwar das gesetzlich Gebotene einer solchen
�berlassen werden; f�r alles, was hier�ber hinausgeht, wird aber auch
dann noch eine Vertretung meines Sinnes, z. B. als Unterausschu� oder
dergl. eingesetzt oder in Funktion belassen werden k�nnen.


Zu �� 66-69.

Die Vorschriften dieser Paragraphen sollen wohlberechtigten Anspr�chen
der Arbeiter und teilweise auch der Angestellten bez�glich der Regelung
der Arbeitst�tigkeit selbst dauernde Anerkennung sichern.

Gew�hrleistung eines fixierten Zeitlohnes, der seitens des Unternehmers,
au�er im Fall wirklicher Notlage desselben, nicht einseitig herabgesetzt
werden kann, ist die unerl��liche Bedingung f�r die Stabilit�t einer auf
kleine Einnahmen gestellten Wirtschaftsf�hrung.

Die Fortzahlung des festen Lohnes auch f�r die gesetzlichen Feiertage,
welche in den Stiftungsbetrieben seit einiger Zeit eingef�hrt ist,
erscheint als unabweisbare Billigkeitsforderung, mit R�cksicht darauf,
da� die Feiertage dem Arbeiter die Arbeitsgelegenheit -- �fters zu einer
ihm wenig gelegenen Zeit -- unbedingt entziehen. Die Bestimmung bringt
zugleich zum Ausdruck, da� die Arbeiter der Stiftungsbetriebe nicht
�Tagel�hner� sein sollen.

�bernahme einer Art von empfindlicher Konventionalstrafe f�r den
Betriebsinhaber auf den Fall, da� er seines Interesses wegen zu einer
�berschreitung der regelm��igen Arbeitszeit Veranlassung bietet -- durch
Festsetzung einer besonderen, nicht unerheblichen Erh�hung des
proportionalen Zeitlohnes f�r alle �berstunden -- ist die einzig
praktisch wirksame Garantie f�r das fortgesetzte Einhalten einer
bestimmten, m��igen Arbeitszeit im Betrieb.

Die Erkl�rung �da� zu �berstunden und Feiertagsarbeit im Betrieb niemand
verpflichtet oder angehalten werden k�nne� spricht zwar Anerkennung des
Grundsatzes aus, enth�lt aber eine praktische Garantie seiner Befolgung
noch keineswegs. Denn die Arbeiter sind der gro�en Mehrzahl nach nicht
in der Lage, ihres Standesinteresses wegen die Gelegenheit zu
zeitweiligem Mehrverdienst von der Hand zu weisen; vor allem aber mu�
auch der Unternehmer darauf rechnen, da� in allen F�llen, in welchen
dringende R�cksichten seines Interesses eine zeitweilige Mehrleistung
des Personals erfordern, die Bereitwilligkeit zu solcher auch ohne
Verpflichtung des anderen Teils vorhanden sei -- wie es bei gutem
pers�nlichen Verh�ltnis auch stets der Fall ist. Damit nun alles dieses
nicht bewu�t oder unbewu�t dazu f�hren k�nne, da� die Ausnahme
allm�hlich zur Regel und so die wohlt�tige Wirkung einer festen und
m��igen Arbeitsdauer praktisch wieder illusorisch werde, mu� den
Arbeitern Gew�hr daf�r geboten sein, da� die Inanspruchnahme
freiwilliger Mehrleistung wirklich auf F�lle _dringender_ Veranlassung
beschr�nkt bleibe, d. h. sie mu� f�r den Unternehmer zu einem
ersichtlich schlechten Gesch�ft gemacht sein.

Bei der Optischen Werkst�tte ist dieses Verfahren =in praxi= schon seit
sehr langer Zeit in �bung und zwar in gleicher Regelung wie jetzt: 25%
Lohnzuschlag f�r �berarbeit; seit einer Reihe von Jahren ist es auch
schon im Arbeitsvertrag schriftlich fixiert.

       *       *       *       *       *

Die Bestimmung endlich: da� bei aller Akkord- und St�ckarbeit der feste
Zeitlohn bedingungslos als Mindestverdienst zu gew�hrleisten sei, ist
das einzige wirksame Mittel, um die Vergebung von Arbeiten in jener
Lohnform der ihr innewohnenden Tendenz zu entkleiden, die Kr�fte der
Arbeiter zum einseitigen Vorteil des Unternehmers ungeb�hrlich
anzuspannen. Die Preisbestimmung f�r Akkord- und St�ckarbeit mu� ihren
festen Regulator haben in der Leistungsf�higkeit, die zu verlangen ist
von jedem ordentlichen Arbeiter der betreffenden Arbeitsstellung bei
demjenigen Ma� von Flei� und Anstrengung, welches ihm bei _Zeitlohn_ als
pflichtm��ig zugemutet werden kann. Was er durch besondere
Geschicklichkeit oder durch besondere Anspannung seiner Kr�fte mehr
leistet, als unter den jeweils gegebenen Bedingungen der Arbeit bei
Zeitlohn von jedem zu verlangen w�re, mu� ihm als Mehrverdienst
verbleiben, da der Unternehmer von seiner Mehrleistung schon gen�genden
Vorteil in der besseren Ausnutzung seiner Einrichtungen etc. hat. Nur
mit solchem Regulator der Preisbestimmung wird die St�ck- und
Akkordarbeit zu einer f�r beide Teile vorteilhaften Einrichtung, weil
sie nun nicht mehr dazu f�hren kann, dem Arbeiter immer gr��ere Leistung
zuzumuten, blo� um �berhaupt den seiner Arbeitsstellung entsprechenden
marktg�ngigen Lohn verdienen zu k�nnen.

Die Vereinbarung des Zeitlohnes bedarf eines besonderen Regulators
nicht, auch nicht f�r solche, die vorwiegend im St�cklohn arbeiten; denn
f�r die meisten Arbeiten hat das �Tagewerk� einen gewissen marktg�ngigen
Wert, nach welchem der Zeitlohn f�r alle verwandten, gleiche Vorbildung,
gleiche Geschicklichkeit oder gleiche Anstrengungerfordernden
Verrichtungen von selbst sich regelt.

Die in � 69 bezeichnete Einrichtung, welche in der Optischen Werkst�tte
schon seit mehreren Jahren kraft Arbeitsvertrag besteht und auch ohne
Mi�st�nde hat durchgef�hrt werden k�nnen, ist urspr�nglich aus einer
Forderung der organisierten Mechanikergehilfen hervorgegangen. Ich habe
in derselben eine sehr verst�ndige Vertretung v�llig berechtigter
Standesinteressen der industriellen Arbeiter erkennen m�ssen und bin
seitdem auch �ffentlich jederzeit f�r sie eingetreten.


Zu � 71.

Als einen Mangel der Kasse sehe ich an, da� sie noch nicht die volle
Krankenversicherung auf ein _ganzes_ Jahr ausgedehnt hat[85] und
infolgedessen ab und zu Leistungen f�r Kranke seitens einer Firma haben
eintreten m�ssen. Da die Generalversammlung, aus von ihrem Standpunkt
aus verst�ndlichen Gr�nden, einer zeitlichen Erweiterung der
regelm��igen Kasseleistungen abgeneigt geblieben ist, die Stiftung aber
das =onus honestum= hat, daf�r sorgen zu m�ssen, da� niemand von ihren
Angeh�rigen unverschuldeter Not verfalle oder gar die Armenkassen der
Gemeinden belaste, so werden solche Nachhilfsleistungen f�r die Kasse
auch in Zukunft �fters n�tig sein, bis einmal die Generalversammlung f�r
Verl�ngerung der Versicherungsdauer zu haben sein mag.


Zu � 74.

Gem�� dem oben bezeichneten Gesichtspunkt f�r die Begr�ndung der
hiesigen Pensionseinrichtung: da� der Unternehmer _von sich aus_
aufzukommen habe f�r die Amortisation der in seinem Dienst dem
fortgesetzten Verbrauch unterliegenden Menschenkraft, weil der
gew�hnliche Arbeitslohn eine Amortisationsquote hierf�r den einzelnen
nicht gew�hrt -- geh�rt die vertragsm��ige Mitversicherung der
Hinterbliebenen, _ohne_ Gegenleistung, _nicht_ zur pflichtm��igen
Obliegenheit des Unternehmers. Sie ist vielmehr, wie die
Krankenversicherung, eine den Arbeitern n�tzliche, aus R�cksicht des
Gemeininteresses auch unbedingt gebotene Wohlfahrtseinrichtung, f�r
deren Bestehen der Unternehmer wohl zu sorgen, f�r deren Leistungen aber
er nicht _einseitig_ aufzukommen hat.

Aus praktischen Gr�nden ist bei Errichtung des Pensionsstatuts von einer
Scheidung der beiden Angelegenheiten, Invalidenpension und
Hinterbliebenenversicherung, einstweilen abgesehen und auch die
letztere, _ohne_ Beitragsleistung seitens der Versicherten, statutarisch
�bernommen worden -- obwohl sie finanziell eine _erheblich_ gr��ere
Belastung bedeutet als die Hauptsache, die Invalidenpension, und
obendrein den Gesch�ftsangeh�rigen je nach Alter und Familienstand in
�u�erst ungleichem Ma� zugute kommt.

Das dauernde Fortbestehen auch der Hinterbliebenenversicherung, in engem
Anschlu� an die Invalidenpensionseinrichtung, halte ich einerseits f�r
unbedingt n�tig; andererseits aber sehe ich es f�r durchaus gerecht und
sachgem�� an, da� die Beteiligten f�r diesen Teil ihrer Anwartschaften
zu einem der H�he des Interesses der einzelnen proportionalen Beitr�ge
wenigstens dann herangezogen werden, wenn einmal die j�hrlichen
Leistungen f�r Witwen und Waisen sehr bedeutende Summen erfordern, wie
es mit der Zeit eintreten mu�. In keinem Fall aber d�rfen die
einseitigen Leistungen dieser Art der ungeschm�lerten Fortsetzung oder
auch nur der im � 73 vorgesehenen Erh�hung der Invalidenpension Abbruch
tun.

Das etwaige sp�tere Heranziehen der Beteiligten zu Beitr�gen mu�
nach dem im � 74 bezeichneten Modus deshalb erfolgen, damit die
jeweils bezahlten Monatsbeitr�ge fortgesetzt vollst�ndig verfallen,
solange der Beitragende leben bleibt, also unter keinen Umst�nden
R�ckzahlungsanspr�che begr�nden k�nnen.

Damit die Einrichtung ihren Hauptzweck nicht verfehle, m��te die
Beitragsleistung, wie die zur Krankenkasse, f�r alle obligatorisch
gemacht werden, au�er soweit einzelne etwa nachweisen, da� sie schon
ihrerseits f�r ihre Angeh�rigen entsprechend oder mehr gesorgt h�tten.
Das Obligatorische aber macht unbedingt n�tig, da� alsdann mit Eintritt
des Todes eines Beitragenden f�r denjenigen Anteil im Pensionsanspruch
der Hinterbliebenen, der auf seinen eigenen Beitrag entf�llt, seitens
der betreffenden Firma oder seitens der Stiftung Sicherstellung
geleistet werde.

Die Pr�mien f�r das laufende Risiko, welches bei jedem einzelnen die
Mitversicherung seiner Angeh�rigen der Firma jeweils auferlegt, sind mit
Hilfe der Tabellen der Renten- und Versicherungsbanken ohne besondere
M�he von Jahr zu Jahr zu berechnen.


Zu � 77.

F�r die Vorst�nde der Stiftungsbetriebe bedeuten die Bestimmungen des
� 77 eine wichtige Direktive ihrer Gesch�ftspolitik. Sie wissen, da� sie
nicht, wie sogar Staatsbetriebe noch verfahren d�rfen, �bersch�ssig
gewordene Arbeitskr�fte jederzeit haufenweis auf die Stra�e weisen
k�nnen, au�er wenn sie sehr gro�e Entsch�digung leisten wollen. Also
k�nnen sie auf irgend welche Unternehmungen, die erhebliche Vermehrung
des Personals erfordern ohne begr�ndete Aussicht auf dauernde
Besch�ftigung, nur dann sich einlassen, wenn sie die Sicherheit haben,
da� bei solchen Gesch�ften ephemerer Art auf alle F�lle so viel �brig
bleibt, um n�tigenfalls jene nachtr�glichen Lasten ohne wirklichen
Verlust �bernehmen zu k�nnen. -- Und dieses ist mir durchaus erw�nscht.
Ich will in der Tat unter _scharfe_ Repression gestellt haben, da� meine
Nachfolger jemals sich mitschuldig machen k�nnten des volkszerst�renden
Unfugs, den die Gro�industrie darin noch treiben darf, da� sie, um immer
mehr Gesch�fte zu machen, ohne R�cksicht auf die Folgen f�r andere,
beliebig viele von sonstigen Arbeitsgebieten abzieht und von ihren
Unternehmungen abh�ngig werden l��t, ohne jenen irgend eine Gew�hr f�r
ein dauerndes Unterkommen bieten zu k�nnen und ohne auch nur die
Verpflichtung anzuerkennen, im ung�nstigen Fall zur Erlangung anderen
Fortkommens _selbst_ mithelfen zu m�ssen.

Die Sonderbestimmung im drittletzten Absatz zugunsten der nicht im
Lehrvertrag, sondern als �Arbeiterlehrlinge� zur Ausbildung f�r die
eigenen Bed�rfnisse des Betriebes eingestellten jugendlichen Personen
will das im � 99 des n�chstfolgenden Titels grunds�tzlich ausgesprochene
Verbot des �Lehrlingsz�chtens� auch unter praktische Garantien stellen
-- wof�r hinsichtlich der auf Lehrvertrag (ohne Lohn) einzustellenden
eigentlichen �Lehrlinge� die Verh�ltnisse selbst schon gen�gend sorgen.

F�r den Fall, da� etwa in sp�terer Zeit die Leiter der Stiftungsbetriebe
und ihre n�chsten Gehilfen einmal finden sollten, da� die vielen, durch
die statutarischen Einrichtungen ihnen auferlegten R�cksichten auf
Interessen anderer ihre T�tigkeit erheblich schwieriger gestalte, als es
sonst in der Industrie zu sein pflegt, so soll ihnen dieses zugegeben,
aber zugleich gesagt sein: da� der Urheber dieser Einrichtungen auch
durchaus nicht die Absicht gehabt hat, _ihnen_ das Leben besonders
leicht zu machen. -- Meine Nachfolger und die anderen oberen Beamten der
Stiftungsbetriebe werden es gewi� jederzeit in der Ordnung finden, da�
sie selbst lebensl�nglich angestellt seien, ihnen gegen�ber also die
Stiftung das Risiko zu tragen habe, ihre Geh�lter auch in ganz
schlechter Zeit fortzahlen zu m�ssen. So finde ich nun auch in der
Ordnung, da� sie ab und zu den Kopf dar�ber sich zerbrechen m�gen, wie
es anzufangen sei, um einen ganz kleinen Teil solcher Vorteile wie sie
selbst haben _allen_ ihren Mitarbeitern wahren zu k�nnen.


Zu � 79.

Da� auch die durch � 77 getroffene Anordnung neben zweifellos
wohlt�tigen Wirkungen den Mangel hat, gelegentlichem Mi�brauch
ausgesetzt zu sein, teilt sie mit _allen_ menschlichen Einrichtungen.
Ich bin also durchaus darauf gefa�t, da� ab und zu einmal ein recht
raffinierter Patron die Abgangsentsch�digung zu Unrecht sich erzwingt,
weil er es so anzufangen versteht, da� man ihn mit Schaden los zu werden
suchen mu�, um gr��erem Nachteil zu entgehen. Eine t�chtige und
anst�ndige _Arbeiterschaft_, die im Besitz wertvoller Rechte sich wei�,
wird aber schon ihres eigenen Ansehens wegen daf�r sorgen, da�
derartiger Mi�brauch h�chstens ganz vereinzelt vorkommen kann. Die beste
Waffe dagegen wird sein, alle Streitf�lle, die aus � 79 sich ergeben
m�gen, pure einer Arbeitervertretung gem�� � 64 des Statuts in die Hand
zu legen, wie � 92 als zul�ssig hinstellt. Eine solche Instanz w�rde
sicher allen Versuchen jener Art das Wasser gr�ndlich abzugraben
verstehen.


Zu � 84.

Es w�rde in hohem Grad unangemessen sein, jede formell rechtswidrige
Handlung einzelner, die vielleicht nur einer Unbesonnenheit entsprungen
ist, unter die Strafe des Verlustes wertvoller Anrechte zu stellen. Der
� 84 schreibt deshalb vor, da� die Rechtsfolgen einer Aufl�sung des
Arbeits- oder Anstellungsverh�ltnisses durch einen Betriebsangeh�rigen
erst nach Ablauf einer gewissen Bedenkzeit eintreten k�nnen.

Selbstverst�ndlich schlie�t diese Bestimmung nicht aus, da� ein
willk�rliches Verlassen der Arbeit, auch wenn es noch nicht den
Tatbestand einer Aufhebung des Arbeitsvertrages seitens des Betreffenden
selbst darstellt, infolge besonderer Umst�nde unter � 79 fallen und
Aufhebung des Vertrags seitens der Firma begr�nden kann.


Zu � 88.

Dem Wert der in Titel V des Statuts getroffenen Einrichtungen als
Grundlagen einer wirklichen Rechtsordnung kann es keinen Abbruch tun,
da� durch � 88 ein Sicherheitsventil offen gelassen werden mu�, um
zerst�renden Wirkungen, welche jene Einrichtungen unter besonderen
Umst�nden einmal nach sich ziehen k�nnten, vorzubeugen. Hier handelt es
sich nicht um Hintert�ren. Denn die in � 88 ausgesprochenen Vorbehalte
kennzeichnen nach _objektiven_ Merkmalen eine wirkliche Notlage, welche,
falls sie nicht etwa durch die begleitenden Umst�nde gemildert
erscheint, zeitweilige Erleichterung der der Stiftung auferlegten Lasten
schon um deswillen unbedingt rechtfertigt, weil hierdurch die Aussicht
verbessert w�rde, �ber solche Notlage hinwegzukommen und nachher zur
Wiederaufnahme gr��erer Pflichten bef�higt zu bleiben.


Zu �� 90-92.

Die Gew�hrleistung dauernder Anerkennung der in Titel V aufgestellten
Rechtsordnungen kann nicht anders herbeigef�hrt werden als durch eine
gewisse Beschr�nkung der Vertragsfreiheit der Stiftung und ihrer Organe
gegen�ber dem Personenkreis, auf welchen jene Bestimmungen Bezug haben.


Schlu�bemerkung zu Titel V.

Wenn abgesehen wird von der M�glichkeit einer allm�hlich eintretenden
v�lligen Umw�lzung in den Wirtschaftsbedingungen gr��erer Betriebe auf
dem Arbeitsgebiet der Stiftungsunternehmungen und von v�llig
unberechenbaren Zwischenf�llen und Krisen, durch welche zeitweilige
Notlagen herbeigef�hrt werden m�chten, sind diese Unternehmungen jetzt
gen�gend gefestigt, um alle Lasten aus den in Titel V getroffenen
Einrichtungen ganz unbedenklich und mit der Aussicht auf dauernde
Leistungsf�higkeit �bernehmen zu k�nnen. Dieses darf ich nunmehr als
v�llig au�er Frage gestellt ansehen, nachdem die letzten Jahre auch
anderen au�er mir und meinen n�chsten Mitarbeitern Gelegenheit zu
genauerem Einblick in die Wirtschaftsbedingungen der hiesigen Betriebe
gegeben haben.

Ich bin aber auch des weiteren �berzeugt, da� zurzeit noch _viele_
Unternehmungen bestehen, welche ebenfalls in der Lage w�ren, das Gleiche
oder �hnliches durchzuf�hren, wenn die Beteiligten nur wollten oder dazu
angehalten werden k�nnten. Denn es gibt gl�cklicherweise auch in
Deutschland noch manche Gebiete industrieller Arbeit, auf welchen die
Umst�nde daf�r Sorge tragen, da� nicht jeder Tropf, der gern Fabrikherr
sein oder von seinem Geld h�here Zinsen als mit Hypotheken und
Staatspapieren gewinnen m�chte, durch das witzlose Mittel der
Preisunterbietung Konkurrenz treiben und damit das wirtschaftliche
Niveau fortgesetzt herunterdr�cken helfen kann. Auf allen diesen
Gebieten machen die Gro�unternehmer im Durchschnitt noch sehr gute
Gesch�fte, trotz aller Klagen bei jeder zeitweiligen Gesch�ftsdepression
-- welche Klagen �fters nur die unerwartete Schm�lerung vorheriger sehr
_gro�er_ Gewinne zum Anla� haben. Woher k�me auch sonst der regelm��ige
Zuwachs an Million�ren in den Industriebezirken, den die
Verm�gensstatistik von 10 zu 10 Jahren nachweist?

Gegen�ber solchen Industriezweigen, auf denen noch Million�re wachsen
k�nnen, w�rden keinerlei H�rten zu bef�rchten sein, wenn eine gr��erer
Aufgaben f�hige Gesetzgebung die Unternehmer anhalten wollte, von dem
�berschu� guter Jahre, soweit er hinausgeht �ber die gew�hnliche
Kapitalverzinsung, angemessene Risikopr�mie und reichliche Entlohnung
der etwa mitt�tigen Inhaber f�r ihre pers�nliche Arbeit, einen _Teil_
immer zur�ckzulegen in einen an ihr Unternehmen selbst gebunden
bleibenden, pers�nlicher Nutznie�ung entzogenen Reservefonds zur
Sicherstellung gr��erer sozialer Leistungen. Damit k�nnte vielleicht
schon f�r eine Million industrieller Arbeiter und Privatbeamten in
Deutschland eine wesentliche Erh�hung der b�rgerlichen und
wirtschaftlichen Lebenslage herbeigef�hrt werden -- was selbst bei dem
Ma�e nach beschr�nkteren Rechten einen gewaltigen Fortschritt gegen�ber
dem bestehenden Zustand und unter dem Gesichtspunkt des Staatswohls
zehnmal mehr bedeuten w�rde, -- als alle Bem�hungen um k�nstliche
Verbesserung der Lage des Kleingewerbes denkbarerweise zu erreichen
verm�chten.

Aber ganz abgesehen hiervon w�rde schon die Privatinitiative in dieser
Richtung Erhebliches leisten k�nnen. Hierf�r k�me es nur darauf an, da�
die vielen ehrenwerten, �ber blo�en Eigennutz und Standesd�nkel
erhabenen M�nner, die es in den Kreisen der Gro�industrie gibt, ihre dem
Gemeinwohl zugewandten Bestrebungen auf ein h�heres Ziel als das der
�Wohlfahrtseinrichtungen�, also auf dauernde Verbesserung der
_Rechts_lage ihrer Arbeiterschaften richten wollten. Der Wege hierf�r
w�ren gewi� vielerlei m�glich. Denn die fideikommi�artige Bindung eines
Teils der �bersch�sse eines Privatunternehmens zu einem diesem
Unternehmen dienenden, freier Verf�gung der Inhaber entzogenen
Deckungsfonds f�r fortgesetzte Erf�llung gr��erer Pflichten k�nnte wohl
in mancherlei Formen und in Anpassung an sehr verschiedenartige
Verh�ltnisse mit voller Rechtssicherheit erreicht werden. Wenn aber auf
solchen Wegen einmal, statt nur f�r ein halbes Tausend, f�r ein halbes
Hunderttausend eine erhebliche Erh�hung des Standesniveaus herbeigef�hrt
w�rde, so h�tte schon dieses f�r die Allgemeinheit gr��eren Wert als
alles zusammen genommen, was an Wohlfahrtseinrichtungen in Deutschland
bisher geschaffen worden ist.

Ich f�rchte demnach durchaus nicht, da� die interne Rechts- und
Wirtschaftsordnung der CARL ZEISS-Stiftung noch f�r lange Zeit eine
vereinzelte kleine Insel auf dem Industriegebiet werde bleiben _m�ssen_.


Titel VI.

Ordnung materieller Interessen der Arbeiter und Angestellten.

Die Vorschriften dieses Titels wollen der Forderung Rechnung tragen, in
welcher ich eine Lebensfrage f�r die gedeihliche Fortentwicklung der
Stiftungsunternehmungen sehe: Pflege der Solidarit�t der Interessen
aller, die in den Unternehmungen jeweils mitt�tig sind, und
Lebendighalten des Bewu�tseins solcher Solidarit�t.

Diese Vorschriften sind indes nur gedacht als Direktive f�r die Organe
der Stiftung, sie sollen die letzteren selbst zwar streng verpflichten,
anderen aber bestimmte Rechte nicht einr�umen.

Betreffs des Einzelnen ist zu bemerken:


Zu � 94.

In den Stiftungsbetrieben soll die Ungeb�hr nicht einrei�en, die in der
Gro�industrie vielfach zu finden ist, da� eine exorbitante Dotierung der
leitenden Personen, au�er allem Verh�ltnis zum objektiven
wirtschaftlichen Wert ihrer Arbeitsleistung, in groben Kontrast tritt zu
der notwendigerweise bescheidenen Entlohnung der T�tigkeit der gro�en
Mehrzahl. Gegen�ber allen Hinweisungen auf derartige Gepflogenheiten
anderw�rts soll die Stiftungsverwaltung in den strikten Vorschriften des
� 94 einen R�ckhalt zur Abwehr haben.

Mag immerhin infolge solcher Beschr�nkung gelegentlich einmal eine sonst
wertvolle Kraft dem Dienst der Stiftung verloren gehen, weil sie wegen
des Beispiels anderer nur gegen Gew�hrung ganz ungew�hnlicher Vorteile
zu haben w�re; die Stiftung wird doch immer auf solche Personen
angewiesen bleiben, f�r welche die eigentliche Triebfeder des Handelns
nicht in der Aussicht auf ganz besonderen materiellen Gewinn, sondern in
den inneren Antrieben zur Bet�tigung in einem t�chtigen Wirkungskreis
liegt.

Wie hoch man die qualifizierte Arbeit der oberen Beamten anschlagen mag
-- gem�� dem Gesichtspunkt, unter welchem � 40 des Statuts und die zu
ihm gegebene Erl�uterung steht, mu� _jedem_ gegen�ber einmal der Punkt
kommen, wo ihm zu sagen w�re: auch mancher andere w�rde an deiner
Stelle, in die gegebene Organisation hineingesetzt, deine Funktionen
gleich gut aus�ben k�nnen. Den richtigen Ma�stab aber f�r die Sch�tzung
des wirtschaftlichen Wertes der T�tigkeit der Beamten aller Kategorien
sehe ich gegeben in dem durchschnittlichen Ertrag, welchen unter
Vermittlung und mit Hilfe ihrer spezifischen T�tigkeit die gemeinsame
Arbeit der gro�en Mehrzahl aller Mitarbeiter jeweils abwirft. Dieser
Ertrag kennzeichnet deutlich das wirtschaftliche Niveau des
Unternehmens, nach welchem die Anspr�che aller sich zu richten haben.

Im �brigen aber lege ich auch Wert darauf, angesichts der
unvermeidlichen Unbestimmtheit der in � 40 des Statuts ausgesprochenen
Grunds�tze f�r die Gesch�ftspolitik der Stiftung, in die Institutionen
der Stiftung selbst praktisch wirksame Motive hineingelegt zu wissen,
welche auf eine vern�nftige Durchf�hrung jener Grunds�tze hindr�ngen.
Aus � 94 wissen nun die Beamten der Stiftungsbetriebe, da� f�r sie
selbst Anwartschaft auf verbesserte Lebenslage immer nur in dem Ma�e
besteht, als es ihnen gelingt, die Lebenslage aller ihrer Mitarbeiter
zu verbessern. Zugleich aber m�ssen sie sich sagen, da� solche
Anwartschaft nur dann nicht wieder illusorisch wird, wenn bei jenem auch
die Stiftung selbst noch einen befriedigenden Anteil am Gesamtertrag
�brig beh�lt; denn andernfalls m��te doch gerade an ihnen zu sparen
gesucht werden.


Zu � 95.

Der Inhalt dieses Paragraphen bedeutet durchaus nicht eine Einschr�nkung
der in � 94 ausgesprochenen Regeln, sondern nur eine Erg�nzung dieser in
Hinsicht auf wesentlich andere Verh�ltnisse. Denn es sind g�nzlich
verschiedene Dinge: Bezahlung f�r pflichtm��ige Wahrnehmung regelm��iger
Funktionen irgend welcher Art -- und Anteilnahme an Vorteilen, welche
durch _besondere_, nicht schon pflichtm��ige Leistungen einzelner
zustande kommen.

In bezug auf letzteres will ich einem liberalen Verfahren der Stiftung
keineswegs Beschr�nkungen auferlegen, wenn dieses nur _allen_ gegen�ber
gleichm��ig zur Geltung kommt und immer geleitet bleibt unter der
Fragestellung: liegt tats�chlich etwas vor, was von seinem Urheber nicht
schon kraft der Funktionen, f�r welche er regelm��ig bezahlt wird, zu
erwarten war? -- Dieses �etwas� kann von �u�erst verschiedener Art sein,
aber immer nur von solcher Art, da� man mit dem Betreffenden _nicht_
unzufrieden sein d�rfte, wenn er es nicht geleistet h�tte und in Zukunft
nicht wieder leisten w�rde.


Zu � 98[86].

Gewinnbeteiligung der Arbeiter und Beamten in industriellen.
Unternehmungen hat sich wohl �berall, wo sie eingef�hrt worden ist, als
eine f�r den Unternehmer vorteilhafte, f�r den anderen Teil wenigstens
erfreuliche Einrichtung bew�hrt. Ich w�nsche und hoffe, da� auch die
Stiftungsbetriebe in nicht allzu ferner Zeit sie werden in Anwendung
bringen k�nnen[87]. Irgend welche Bedeutung unter _sozial_politischem
Gesichtspunkt habe ich indes dieser Einrichtung nie beimessen k�nnen,
und wo sie mit dergleichen Pr�tension auftritt, und mit der Tendenz,
wegen gr��erer Pflichten damit sich abzufinden, sehe ich in ihr nur ein
gemeinsch�dliches Scheinwesen. -- Wenn dabei ein gro�er Teil des ganzen
Arbeitseinkommens auf schwankende Grundlagen gestellt w�rde, m��te die
Einrichtung f�r die Arbeiter direkt sch�dlich wirken und obendrein auch
in sich widerspruchsvoll werden, weil es nicht m�glich w�re, den
Beteiligten eine der Gr��e ihres Interesses entsprechende Einwirkung auf
diejenigen Handlungen einzur�umen, von denen die H�he des verteilbaren
Gewinnes schlie�lich abh�ngt. Ich habe also in meinem Wirkungskreis f�r
wichtiger und dringlicher gehalten, erst diejenigen Einrichtungen
gen�gend zu kr�ftigen, welche darauf abzielen, den von den Betrieben
abh�ngig gewordenen Personenkreis gegen die ung�nstigen Chancen privater
Wirtschaftst�tigkeit m�glichst zu sch�tzen.

Die Forderung ganz gleichm��iger Anteilnahme aller an einer etwaigen
Gewinnverteilung entspricht dem eingangs bezeichneten Gesichtspunkt des
Titels VI. Da� aber selbst von einer solchen ganz allgemeinen
Gewinnbeteiligung die Mitglieder der Vorst�nde -- wie auch der
Stiftungskommissar -- ausgeschlossen bleiben, scheint mir geboten, damit
diese gegen die Vermutung gesch�tzt seien, als k�nnten sie des eigenen
Vorteils wegen die schwankenden Bez�ge der Gesch�ftsangeh�rigen auf
Kosten der regelm��igen Bez�ge derselben zu erh�hen suchen.


Titel VII.

Verwendung der �bersch�sse.

F�r diesen Titel gen�gen wenige Bemerkungen zu einzelnen Paragraphen,
n�mlich:


Zu � 104.

Dieser Paragraph soll zum deutlichen Ausdruck bringen, da� die CARL
ZEISS-Stiftung als �gemeinn�tzig� im Sinne des Stifters nur solche
Einrichtungen und Zwecke ansehen darf, welche der Sache nach und auch
nach den Modalit�ten der [ihrer] Bef�rderung ganz unabh�ngig sich halten
von jedem die Menschen trennenden Tendenz oder Parteistandpunkt. Mittel
der Stiftung sollen also nicht dienen d�rfen dem Krebsengehen aller
m�glichen Tendenzbestrebungen mit gemeinn�tzigen Zwecken. Was wirklich
gemeinn�tzig sein will, mag seine F�rderung in Formen suchen, unter
welchen alle, was auch im �brigen sie scheidet, sich vereinigen k�nnen.


Zu � 108.

Die Stiftungsverwaltung wird zur Erkennung und Beurteilung von
Bed�rfnissen, welche durch Mittel der Stiftung Befriedigung finden
k�nnen, sowie zur Abw�gung der verschiedenartigen Interessen, die dabei
zu ber�cksichtigen sind, fast �berall auf Rat und Begutachtung seitens
der Gesch�ftsleitungen und des Stiftungskommissars, als der
n�chststehenden sachverst�ndigen Personen, angewiesen sein, und diese
m�ssen als verpflichtet gelten, hierin der Stiftungsverwaltung nach
besten Kr�ften zu Dienst zu sein. Hieraus ergibt sich, der zweite Satz
des � 108; denn �du solt dem Farren so da drischet das Maul nicht
verbinden.�


Titel VIII.

Rechnungslegung der Stiftung.


Zu �� 110 und 111.

Grunds�tzlich mu� ausgeschlossen sein, da� die Mittel der CARL
ZEISS-Stiftung nach dem Tode des Stifters zu irgend einer sp�teren Zeit
den Charakter geheimer Fonds in der Hand der Stiftungsverwaltung
gewinnen k�nnten. Es mu� also eine von der Stiftungsverwaltung
unabh�ngige Instanz gesucht werden, welcher die Stiftungsverwaltung
Rechnung legen und vor welcher sie angemessener Pr�fung der
Statutenm��igkeit ihres Verfahrens ausgesetzt sein kann. -- Hierf�r
scheint mir, wenn die Wahl nicht v�llig willk�rlich und ohne jede
sachliche Richtschnur getroffen werden soll, das einzig Angemessene zu
sein: die nat�rlichen Vertreter der an der CARL ZEISS-Stiftung
n�chstbeteiligten Interessenkreise zur gemeinsamen Entgegennahme solcher
Rechnungslegung zu legitimieren, wie es im � 110 des Entwurfs geschieht.
Von s�mtlichen dort namhaft gemachten ist vorauszusetzen, da� sie dem
bez�glichen Ersuchen seinerzeit nicht nur bereitwillig entsprechen,
sondern auch den Auftrag unter Wahrung aller gebotenen R�cksichten,
speziell auf die Interessen der Gesch�ftsbetriebe, sachgem�� ausf�hren
werden.


Titel IX.

Schlu�bestimmungen.


Zu � 114 u. 115.

Dieser Paragraph will Vorsorge daf�r treffen, da� unter keinen zurzeit
absehbaren Eventualit�ten die Stiftung ohne geordnete Vertretung und ihr
Besitz etwa herrenloses Gut sei.

Dieser Zweck erfordert Vorkehrungen, die gegebenen Falles von selbst in
Funktion treten, ohne hierzu irgend welcher Konstituierung oder
besonderer Ordnung des Verfahrens zu bed�rfen.


Zu � 116.

Ich will nicht, da� die CARL ZEISS-Stiftung zu irgend einer Zeit
hinauslaufen k�nne auf blo�e Verwaltung einer Verm�gensmasse in toter
Hand. Sie soll immer eine _spezifische_ Aktion haben, die eines
besonderen Rechtssubjekts und besonderer Organe wirklich bedarf, die
nicht f�glich ebensogut von irgend einer sonst vorhandenen Stelle ge�bt
werden k�nnte. W�re einmal der Boden f�r solche spezifische Aktion
verloren, h�tte die Stiftung nichts mehr in ihrem Besitz als
zinstragende Verm�gensobjekte oder gemeinn�tzige Einrichtungen
gew�hnlicher Art, so kann die Verwaltung der einen wie der andern viel
einfacher von den n�chst interessierten Stellen, der Universit�t und den
Gemeinden des Bezirks, selbst besorgt werden. Die Stiftung mag also
solchenfalls ihren noch �brig gebliebenen Verm�gensbestand einfach
aufteilen.

Da� die Stiftungsverwaltung immer unter die Alternative gestellt sei:
entweder wirkliche eigenartige Aktion oder Aufl�sung der Stiftung -- ist
mir auch noch unter einem anderen Gesichtspunkte von Wert. Da blo�e
Verm�gensverwaltung nat�rlich viel leichter und mit weniger Risiko
verkn�pft ist als industrielle oder sonstige T�tigkeit, so k�nnte ohne
jene Alternative irgend eine sp�tere -- wie ich hoffe, jetzt noch
ungeborene -- Stiftungsverwaltung in einer kritischen Zeit vielleicht
unwillk�rlich geneigt sein, solche T�tigkeit schon fr�her preiszugeben,
als es bei etwas gr��erem Interesse an ihr und etwas mehr Mut n�tig zu
sein brauchte.

_Lugano_, Mai 1895.

Dr. E. Abbe.


[Nachgef�gtes Blatt]

Zu �� 118 -- 120.

Die Einrichtungen und Anordnungen des Stiftungs-Statuts haben naturgem��
in vielen Punkten Bezug auf die _besonderen_ rechtlichen und
wirtschaftlichen Bedingungen, welche f�r die der CARL ZEISS-Stiftung
zugedachte Wirksamkeit _jetzt_, am Ende des 19. Jahrhunderts, gegeben
sind. Es mu� also mit der M�glichkeit gerechnet werden, da� infolge
pl�tzlich oder allm�hlich sich vollziehender Wandlung jener Bedingungen
die statutarischen Einrichtungen den tats�chlichen Verh�ltnissen in
einer sp�teren Zeit g�nzlich unad�quat werden und alsdann Wirkungen
hervorbringen k�nnten, die jetzt nicht vorauszusehen und nach Zweck und
Absichten der Stiftung gar nicht gewollt sind. Deshalb scheint es
ratsam, jene Einrichtungen unbeschadet aller Ma�nahmen zugunsten ihrer
Rechtsbest�ndigkeit doch nicht _absoluter_ Starrheit verfallen zu
lassen, vielmehr im Statut selbst einen Weg anzubahnen, auf welchem eine
Anpassung desselben an neue Verh�ltnisse n�tigenfalls herbeigef�hrt
werden kann. Hierbei darf es sich jedoch durchaus nicht handeln k�nnen
um Beseitigung jedes beliebigen Nachteils, den die jetzt getroffenen
Anordnungen irgend einmal, vielleicht ganz vor�bergehend, mit sich
bringen m�chten oder um Herbeif�hren der vermeintlich gr��ten jeweils
m�glichen Zweckm��igkeit, die vielleicht sehr strittig bleibt; sondern
immer nur um Abwehr so _gro�er_ Nachteile und Mi�st�nde, da� durch ihr
Fortbestehen die Existenz der Stiftung oder die Erf�llung ihrer Aufgaben
bedroht oder in Ansehung dieser Aufgaben, gem�� den erkennbaren
Absichten des Stifters, offenbare Zweckwidrigkeit gegeben w�re.
Namentlich aber darf keine Ab�nderung des Statuts die Tendenz verfolgen
k�nnen, der Stiftung als solcher, gegen�ber dem an ihren Unternehmungen
beteiligten Personenkreis, irgend welche verm�gensrechtliche Vorteile zu
verschaffen, die nicht ganz klar den Absichten des Stifters entsprechen.

Demnach mu� die in � 118 der Stiftungsverwaltung selbst, als der hierzu
allein geeigneten Instanz, einger�umte Befugnis zur Ab�nderung des
Statuts zwar materiell unbeschr�nkt sein, aber unter ganz strenge
Bedingungen gestellt werden, n�mlich:

da� _wesentliche_ Voraussetzungen hinsichtlich der rechtlichen oder
wirtschaftlichen Grundlagen f�r die Wirksamkeit der Stiftung im
Vergleich mit dem _jetzt_ Bestehenden ge�ndert seien; da� diese
Ver�nderung so _gro�_ sei, um ein Aufrechterhalten der urspr�nglichen
Bestimmungen entweder unm�glich oder widersinnig zu machen -- wobei das
�unm�glich� allerdings schon durch solche Wirkungen gegeben sein kann,
deren Fortdauer eine Krisis mit Bestimmtheit f�r absehbare Zeit
voraussehen lassen w�rde, und das �widersinnig� durch Nachteile oder
Erschwernisse erheblicher Art, deren Bestehenlassen angesichts der
ver�nderten Verh�ltnisse _keinem_ vern�nftigen Zweck mehr entspr�che;

da� jede Ab�nderung nicht weiter gehen d�rfe als zur _betreffenden Zeit_
wirklich erforderlich ist, um mit R�cksicht auf die ver�nderten
Verh�ltnisse das Unm�gliche und absolut Zweckwidrige aufgehoben zu
haben.

       *       *       *       *       *

Da eine genauere Richtschnur f�r die Auslegung und Anwendung dieser in
� 118 gegebenen Normen nicht zum voraus sich festsetzen l��t, so mu�
beides im allgemeinen unter den Schutz der jeweils geltenden
Rechtsordnung gestellt sein -- was � 119 dadurch herbeif�hren will, da�
er zum Einspruch gegen eine Statuten�nderung ausdr�cklich _jeden_
erm�chtigt, der an Aufrechterhaltung des Bestehenden ein vern�nftiges
Interesse haben kann. Wof�r etwa in einer sp�teren Zeit niemand sich
interessierte und f�r wessen Verteidigung niemand mehr eintreten m�chte,
das h�tte in der Tat kein Anrecht mehr auf weiteren Fortbestand.

Ich nehme an, da� aus � 119 zur Vertretung des jeweils geltenden
Statuts, wegen berechtigten Interesses an dessen Aufrechterhaltung im
allgemeinen, legitimiert sind: neben meinen Nachkommen und meinen
fr�heren Genossen (die unter meiner Mitwirkung und mit Bezug auf meine
Absichten Vertr�ge mit der CARL ZEISS-Stiftung abgeschlossen haben), die
Gemeinden des Bezirks, die hiesige Universit�t, die Mitglieder der
Vorst�nde der Stiftungsbetriebe, der Stiftungskommissar und die
Mitglieder der in � 110 des Statuts vorgesehenen Kommission f�r die
Rechnungslegung der Stiftung; im �brigen aber jeder Angeh�rige -- Beamte
oder Arbeiter -- der Stiftungsbetriebe hinsichtlich solcher
Statutenbestimmungen, die seine besonderen Interessen ber�hren.

Als selbstverst�ndlich betrachte ich hierbei, da� allen diesen Personen
das gleiche Einspruchsrecht auch zustehe gegen etwaige Ma�nahmen seitens
der Organe der Stiftung, die ohne formell als Statuten�nderung
verlautbart zu sein, materiell eine solche einschlie�en und demnach
gem�� � 118 h�tten verlautbart werden m�ssen. Gegen�ber den seitens der
Stiftungsverwaltung ordnungsm��ig erkl�rten Ab�nderungen des Statuts
aber w�rde niemand mehr Anspr�che aus dem vorher geltenden Statut,
abgesehen von erworbenen Rechten, geltend machen d�rfen, sondern jeder
nunmehr auf diejenigen Anspr�che beschr�nkt sein, die der zweite Absatz
des � 119 bezeichnet.

F�r das Geltendmachen _solcher_ Anspr�che eine relativ lange Frist offen
zu lassen, scheint deshalb geboten, weil die Begr�ndung einer
beschlossenen Statuten�nderung meist nicht sofort zu w�rdigen, ihre
praktische Tragweite aber wohl stets erst nach l�ngerer Wirksamkeit zu
erkennen sein wird.

       *       *       *       *       *

Nachdem durch die �� 118-120 der ganze vorangehende Inhalt des Statuts
m�glichem Wandel unterworfen worden, m�ssen nunmehr _diese_ Paragraphen
zum absolut festen Punkt in den Einrichtungen der CARL ZEISS-Stiftung
erkl�rt werden -- wie � 121 schlie�lich tut.

Fu�noten:

[Fu�note 76: [In dem vorliegenden Abdruck der �Motive und Erl�uterungen�
sind die Nummern der Paragraphen entsprechend dem Text des Statuts von
1896 (bezw. 1906) abge�ndert. Au�erdem sind gem�� der in der Ausgabe von
1896 hie und da ver�nderten Anordnung der Paragraphen die erforderlichen
Umstellungen vorgenommen. Endlich sind zwei Stellen weggelassen, da die
zugeh�rigen �� des �Entwurfs� in den Text von 1896 nicht aufgenommen
wurden; doch ist die eine auf S. 58 und 59 dieses Bandes abgedruckt.]]

[Fu�note 77: [gemeint ist die unten erw�hnte Stiftungsurkunde vom
19./21. Mai 1889.]]

[Fu�note 78: [Siehe hier�ber die weiteren Ausf�hrungen, in �Die
Verfassung der Carl Zeiss-Stiftung� unten S. 388ff.]]

[Fu�note 79: [vgl. zu Titel I und II �Die Verfassung der CARL
ZEISS-Stiftung� S. 388 ff.]]

[Fu�note 80: [Dies galt f�r das Jahr 1895; inzwischen haben sich die
Besitzverh�ltnisse der Stiftung erheblich g�nstiger gestaltet.]]

[Fu�note 81: [vgl. zu Titel V �Motive und Erl�uterungen� usw. Nachtrag
zum II. Entwurf S. 373 ff. und auch den Vortrag �Arbeiterschutz� S. 26
ff.]]

[Fu�note 82: [Inzwischen, Ostern 1900, wurde die achtst�ndige
Arbeitszeit in der Optischen Werkst�tte eingef�hrt. Vgl. oben S. 203
ff.]]

[Fu�note 83: [im Jahre 1905: 110 000 M.]]

[Fu�note 84: [Die Einrichtung der Arbeiteraussch�sse wurde gleich
nach Inkrafttreten des Stiftungs-Statuts im Herbst 1896 von E. ABBE
ins Leben gerufen und im Januar 1897 fand die erste Sitzung des
Arbeiterausschusses statt.]]

[Fu�note 85: [Ist im Jahre 1902 geschehen.]]

[Fu�note 86: [vgl. hierzu oben S. 102 ff.]]

[Fu�note 87: [Dies ist bereits bei Inkrafttreten des Statuts f�r das
Betriebsjahr 1895/96 geschehen.]]




Xa.

Motive und Erl�uterungen zum Entwurf eines Statuts der Carl
Zeiss-Stiftung.

Nachtrag zum zweiten Entwurf.

(Als Manuskript gedruckt.)


Zu Titel V.

Rechtsverh�ltnis der Angestellten und Arbeiter in den
Stiftungsbetrieben[88].


Zu � 56.

Die Vorschrift dieses Paragraphen bedeutet praktisch nur eine Direktive
f�r die Organe der Stiftung und die sonst mit leitenden Funktionen
betrauten Personen. Als solche geh�rt sie indes zu Titel V, weil es f�r
Auslegung und Anwendung nachfolgender Bestimmungen dieses Titels nicht
gleichg�ltig ist, unter _welche_ Direktive jene Organe hinsichtlich der
in � 56 ber�hrten Punkte gestellt sind. Au�erdem aber m�chte ich diese
Direktive auch an einer Stelle ausgesprochen wissen, an welcher ihre
fortgesetzte Evidenthaltung besonders gesichert erscheint. --
Einrichtungen erziehen die Menschen. Diejenigen, welche in sp�terer Zeit
die Funktionen wahrzunehmen haben, die jetzt mir und meinen Mitarbeitern
obliegen, m�gen nur auch immer lernen, was wir haben lernen m�ssen: sich
hinwegzusetzen �ber Sympathie und Antipathie, Wohlgefallen und Mi�fallen
und alles, auch wenn es die eigene Person noch so nahe ber�hrt,
betrachten zu k�nnen rein als Sache, wie unbeteiligte Zuschauer; und
sie m�gen, um das fertig zu bringen, auch zu _ver_lernen suchen, was wir
zu verlernen suchen mu�ten: durch irgend etwas, was bei Aus�bung der
Berufspflichten an sie herankommt, noch pers�nlich verletzt, gekr�nkt,
beleidigt sich f�hlen zu k�nnen. Das bringt der Beruf einmal so mit
sich, just wie der des Schiffskapit�ns oder des Lotsen es mit sich
bringt, da� er verlernen mu�, im Augenblick der Gefahr an sich selbst
oder an Weib und Kind zu denken. Auch m�gen jene nur immer �berzeugt
sein, da� es in ihrem Beruf gar keine andere _wahre_ Autorit�t gibt als
diejenige, die auf dem Boden solchen Gelernt- und Verlernthabens ihnen
erwachsen kann.


Zu � 57.

Die hier gegebene strenge Umgrenzung des Pflichtverh�ltnisses bezweckt,
den industriellen Arbeitsvertrag auf eine rechtlich gesunde, ethisch
reinliche Grundlage zu stellen -- n�mlich, unter sch�rfster Absage an
die Idee des �Brotherrn�, das Vertragsverh�ltnis zu entlasten von allem
Beipack an Gefolgschaftspflichten und Vasallendienst, den der
Rechtsgrundsatz der Starken �denn ich bin gro� und du bist klein� dem
schw�cheren Teil fast �berall noch aufgeb�rdet h�lt.

Damit der im Eingang des Paragraphen ausgesprochene allgemeine Grundsatz
f�r die Anwendung gen�gend bestimmt sei -- so da� deutlich erkennbar
ist, was er zu decken hat und was nicht -- m�ssen, weil das gemeine
Recht Normen hierf�r noch nicht gibt, in diesem Paragraphen selbst die
verschiedenen Beziehungen vollst�ndig namhaft gemacht werden, unter
welchen die industrielle Arbeitsleistung gem�� der besonderen Natur des
Vertragsgegenstandes ein Pflichtverh�ltnis des Arbeitnehmers zum
Prinzipal _notwendig_ macht. -- Was durch den Vertragsgegenstand nicht
als notwendig begr�ndet w�re, w�re durch ihn �berhaupt nicht begr�ndet,
sondern willk�rlich ihm angeh�ngt.

Das Spezifische des industriellen Dienstverh�ltnisses -- im Unterschied
von beliebigen anderen Vertragsverh�ltnissen -- sehe ich aber in
folgenden Momenten:

Da� in ihm mit jedem _einzelnen_ Arbeitnehmer zu vereinbaren ist

1. eine nach Art und Ma� bestimmte Leistung, [und diese]

2. nicht nur hinsichtlich ihres Endresultats (des fertigen Produkts der
Arbeit etc.), sondern zugleich unter der Bedingung fortgesetzter
Leitung der ganzen T�tigkeit selbst nach Plan und Absicht des
Prinzipals,

3. und als nicht mit den eigenen Mitteln des Arbeitnehmers zu
vollbringen, sondern durchaus mit Einrichtungen, Werkzeugen etc. des
Prinzipals -- also unter �bergabe von Eigentum desselben und unter
Anvertrauen mancher sonstiger Interessen an den Arbeitnehmer behufs
Erm�glichens der vereinbarten Leistung;

und da� die in solcher Art mit den einzelnen vereinbarte Leistung zur
notwendigen _Voraussetzung_ hat das gleichzeitige Bestehen gleichartiger
Vereinbarungen mit _mehreren_ oder _vielen_,

4. welche viele in gemeinsamen R�umen, unter Benutzung gemeinsamer
Einrichtungen, unter gemeinsamer Leitung, ihrer T�tigkeit in
_organisiertem_ Zusammenwirken zu erhalten sind,

5. demnach gen�tigt sind, bei Aus�bung ihrer vertragsm��igen T�tigkeit
in fortgesetzten pers�nlichen Verkehr (als Mitarbeiter, Vorgesetzte,
Untergebene) zu treten,

6. und bei dieser T�tigkeit auch unvermeidlicherweise pers�nliches
Eigentum und sonstige Interessen (sogar Leben und Gesundheit) in
gewissem Umfang den Mitarbeitern zug�nglich lassen oder anvertrauen
m�ssen.

Bis ich etwa eines Bessern belehrt werde, sehe ich in dieser Aufz�hlung
und in den ihr entsprechenden, unter � 57 angef�hrten ersten sechs
Punkten eine _ersch�pfende_ Bestimmung derjenigen Beziehungen, unter
welchen nach dem Wesen des industriellen Dienstverh�ltnisses die
Leistung der vertragsm��igen T�tigkeit seitens des einen Teils
Gegenstand einer Verpflichtung desselben gegen den andern Teil sein kann
-- und zwar in dem Sinne ersch�pfend: da� es nichts gibt, was auf das
Spezifische jener vertragsm��igen T�tigkeit eine wesentliche (d. h.
nicht rein willk�rlich hinzugetane) Beziehung h�tte und nicht unter
_einen_ von den genannten sechs Punkten fiele; und damit zugleich in dem
Sinne: da� unter diesen sechs Punkten alles gedeckt ist, was in irgend
einer Form zur Bedingung oder Voraussetzung der vertragsm��igen
Gegenleistung des andern Teils (Lohn- oder Gehaltzahlung etc.) gemacht
werden kann, da� also diese Gegenleistung ihr vollst�ndiges, sie ganz
ersch�pfendes �quivalent hat in der Erf�llung derjenigen Anforderungen,
die der Dienstvertrag hinsichtlich aller genannten Punkte im einzelnen
Fall vereinbaren mag.

Schlie�lich aber ist der _Dienst_vertrag auch noch ein Dienst_vertrag_,
d. h. er setzt die Kontrahenten in ein Rechtsverh�ltnis zueinander nicht
nur in denjenigen besonderen Beziehungen, die der Vertragsgegenstand mit
sich bringt, sondern auch noch in den andern allgemeinen Beziehungen,
die _jeder_ Vertrag, als Vertrag, zwischen den Vertragschlie�enden
einf�hrt. Also gibt es nun noch einen 7. Punkt, Pflichten betreffend,
die zwischen allen solchen bestehen, zwischen welchen _Vertrag
�berhaupt_ besteht, welche also nicht lediglich unter allgemeiner
B�rger- und Menschenpflicht miteinander verbunden sind.

F�r die Umgrenzung der auf diesen Punkt bez�glichen -- naturgem�� nicht
im einzelnen benennbaren -- Pflichten finde ich aber _zwei_ Merkmale
ganz unentbehrlich, n�mlich:

erstens, da� auch sie, um �durch den Dienstvertrag begr�ndet� zu sein,
jedenfalls eine erkennbare Beziehung haben m�ssen auf den Gegenstand des
ersteren, also auf die vertragsm��ige Arbeitsleistung -- was durch die
Unterordnung auch des 7. Punktes unter den Vordersatz des Paragraphen
gedeckt ist;

zweitens, da� sie v�lliger Gegenseitigkeit unter den Kontrahenten f�hig
sein m�ssen, hinsichtlich _aller_ Handlungen und Unterlassungen, auf
welche sie Anwendung finden sollen -- damit durch ihre Einf�hrung nicht
beliebigem Beipack zu Lasten des einen Teils wieder T�r und Tor ge�ffnet
sei. Denn die �bernahme von Pflichten _dieser_ Art seitens des einen
Kontrahenten kann kein �quivalent mehr finden in der vertragsm��igen
Gegenleistung des andern an Lohn, Gehalt, Gerechtsamen etc., weil es
unsinnig w�re, irgend eine Quote dessen auf Verpflichtungen anrechnen zu
wollen, die das Vertragsverh�ltnis _als solches_ mit sich bringt.
Folglich mu�, wenn sie dem einen Teil nicht ohne alles �quivalent, blo�
kraft �denn ich bin gro� und du bist klein� obliegen sollen, der andere
Teil oder dessen jeweiliger Repr�sentant und Vertreter bef�higt und
bereit sein, je die gleiche Verpflichtung auch dem ersteren gegen�ber zu
tragen. So ist es in der Tat hinsichtlich desjenigen, was _zweifellos_
unter diesen 7. Punkt f�llt -- wie z. B.: da� kein Teil dem andern
b�swillig oder fahrl�ssig die redliche Vertragserf�llung erschweren
d�rfe -- da� jeder Teil gehalten ist, den andern vor unn�tigem Schaden
bei der Vertragserf�llung zu bewahren -- u. a. mehr.

Mancher wird geneigt sein, in diesen R�cksichten �aus Treu und Glauben�,
die auch der industrielle Arbeitsvertrag nicht ausschlie�t, noch einen
erfreulichen Rest der sittlichen Beziehungen zu finden, welche das alte
Arbeitsverh�ltnis im Handwerk zwischen Meister und Gesellen auch jetzt
noch herstellt, soweit es auch jetzt noch Eintritt in die
Hausgenossenschaft und anderes pers�nliches Nahetreten beider Teile
wesentlich einschlie�t. Jenes tr�fe hier aber h�chstens nur in ganz
uneigentlichem Sinne zu. _In Wahrheit begr�ndet der industrielle
Dienstvertrag keinerlei sittliche Beziehungen zwischen den Kontrahenten
als solchen._ Denn sittliche Beziehungen k�nnen nur bestehen zwischen
leibhaftigen Menschen und k�nnen Bet�tigung nur finden im pers�nlichen
Verkehr zwischen solchen. Zum Wesen des industriellen Dienstvertrages
aber geh�rt, da� es f�r ihn ganz gleichg�ltig und zu einem zuf�lligen,
nebens�chlichen Umstand geworden ist, ob in ihm beide Kontrahenten
physische Personen sind oder der eine von ihnen ein blo�er juristischer
Begriff -- Firma, Aktiengesellschaft oder dergl. Zwischen einer
physischen Person und einer juristischen Person, zwischen einem Menschen
und einem Verm�gens-Inbegriff, gibt es kein _sittliches_ Verh�ltnis.
Hieran wird nichts ge�ndert durch den Umstand, da� infolge des
Dienstvertrages der Unternehmer selbst, falls er physische Person ist,
oder seine Vertreter und Beauftragten, zu den Arbeitnehmern -- wie auch
die letzteren untereinander -- in pers�nlichen Verkehr, also in
Beziehungen eintreten, welche die Quelle sittlicher Beziehungen werden
k�nnen. Diese aber bestehen dann nicht _kraft_ des Dienstvertrags; denn
sie sind keineswegs mit diesem von selbst schon gegeben, sondern sie
entwickeln sich nur m�glicherweise aus den die Vertragserf�llung
begleitenden tats�chlichen Umst�nden -- m�glicherweise aber auch nicht,
weil oft genug in der Gro�industrie mehrere jahrelang in t�glichem
Verkehr miteinander stehen k�nnen, ohne dadurch irgendwie menschlich
einander n�her zu kommen. -- Wer _jedes_ die T�tigkeit von Menschen
regelnde Rechtsverh�ltnis an _sich_ zur Quelle sittlicher Beziehungen
gemacht wissen will, mu� zuerst die Gesetzgebung dahin zu bringen
suchen, da� sie juristischen Personen verbiete, Arbeitsvertr�ge
einzugehen.

       *       *       *       *       *

Die ausdr�ckliche Beschr�nkung der durch den 5. und 6. Punkt ber�hrten
Pflichtbeziehungen auf das Tun �innerhalb des Dienstes� bezw. auf
dasjenige, was �verm�ge des Dienstverh�ltnisses� zug�nglich ist, und
die Ablehnung jeder Ausdehnung der betreffenden Pflichten auf das
au�erdienstliche Gebiet ergibt sich als unabweisbare Forderung aus dem
im Eingang des � 57 ausgesprochenen allgemeinen Grundsatz kraft der
folgenden zwei S�tze -- welche schwerlich irgend ein Jurist wird
bestreiten oder auch nur einschr�nken wollen:

Erstens. Wenn A zu B in einem Vertragsverh�ltnis irgend welcher Art
steht und B seine vertragsm��igen Pflichten gegen A vollst�ndig erf�llt,
w�hrend der Dauer des Vertrags aber eine Rechtsverletzung irgend welcher
Art gegen einen Dritten C sich zu Schulden kommen l��t, die in keiner
Beziehung steht zu seinem Vertrag mit A, so begr�ndet diese, wie schwer
sie auch sei, niemals eine Vertragsverletzung gegen A -- sondern A kann
nur, wenn ihm dieses Delikt gegen einen Dritten nicht gleichg�ltig sein
darf, daraus Motive entnehmen zur Nichterneuerung seines ablaufenden
oder Nichtfortsetzung seines k�ndbaren Vertrags mit B und �u�ersten
Falls, unter besonderen Umst�nden, �wichtige Gr�nde� f�r die Aufhebung
des noch laufenden Vertrags.

Zweitens. Wenn A gleichartige Vertr�ge abschlie�t mit _vielen_ andern B,
C, D ..., unabh�ngig voneinander, also ohne da� der eine wegen des
Vertrags mit dem andern befragt wird oder sonst dabei irgendwie
mitzuwirken hat, so begr�ndet dieses niemals irgend ein
_Rechts_verh�ltnis zwischen B, C ..., also auch keinerlei
_Pflicht_verh�ltnis zwischen ihnen, und zwar auch dann nicht, wenn die
Natur dieser Vertr�ge es mit sich bringt, da� B, C ..., damit jeder von
ihnen seinen Vertrag mit A erf�llen k�nne, zu einander in irgend welche
_tats�chliche_ Beziehungen treten m�ssen -- sondern jenes begr�ndet im
letztern Fall nur eine Pflicht der B, C ... _gegen den gemeinsamen
Kontrahenten_ A, auf die tats�chlichen Beziehungen die zur
Vertragserf�llung n�tigen _tats�chlichen_ R�cksichten zu nehmen. Denn
irgend welches _Rechts_verh�ltnis zwischen zwei oder mehreren Personen,
welches diese _zueinander_ in Pflichtbeziehungen setzt, au�erhalb der
allgemeinen Menschen- und B�rgerpflichten, kann nur dadurch zustande
kommen, da� diese Personen selbst _miteinander_ nach eigener
Entschlie�ung kontrahieren. Annehmen zu wollen, da� ein Dritter, ohne
ihr Zutun, sogar ohne ihr Vorwissen, �ber ihren Kopf hinweg in irgend
einer Form solches bewirken k�nne, sei es auch nur im Sinne einer
mittelbaren Bindung, w�re Sanktionieren juristischer Sklaverei.

Die unerbittliche Konsequenz dieser S�tze ist f�r mich:

Aus dem industriellen Arbeits- oder Dienstverh�ltnis entspringt
keinerlei besondere rechtliche Beziehung, also auch keinerlei besonderes
Pflichtverh�ltnis, zwischen den Angestellten und Arbeitern eines
Prinzipals _untereinander_ -- nicht einmal zwischen den n�chsten
Kollegen und nicht einmal zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, soweit
nicht die ersteren (wie im Eingang des � 57) als zeitweilige
Repr�sentanten des anderen Kontrahenten, des Prinzipals, gedacht werden
-- sondern es entspringt aus jenem Dienstverh�ltnis lediglich die
vertragsm��ige Verpflichtung _eines jeden einzelnen gegen den
gemeinsamen Prinzipal_, in seinem _tats�chlichen_ Verhalten zu allen
anderen (zu Mitarbeitern, Vorgesetzten, Untergebenen) den _tats�chlichen
Beziehungen_ Rechnung zu tragen, welche die Erf�llung des
Dienstvertrags, d. h. Leistung der vertragsm��igen T�tigkeit, seitens
aller einzelnen zwischen diesen einzelnen notwendig macht.

Da nun �au�erhalb des Dienstes� keiner eine vertragsm��ige T�tigkeit
aus�bt, so gibt es au�erhalb des Dienstes auch keine _durch die Leistung
der vertragsm��igen T�tigkeit bedingte_ tats�chliche Beziehung zwischen
den Arbeitern und Angestellten desselben Prinzipals -- folglich auch
keine auf diese vertragsm��ige T�tigkeit bez�gliche Pflicht gegen den
Prinzipal -- folglich �berhaupt keine Vertragspflicht mehr. Denn verm�ge
des zweiten vorher angezogenen Rechtssatzes verbleibt in R�cksicht auf
das Vertragsverh�ltnis des Prinzipals zu jedem einzelnen jeder andere
von diesen einzelnen rechtlich ein ganz gew�hnlicher �Dritter�; und
verm�ge des ersten vorher angezogenen Satzes kann ein Kontrahent durch
Verletzung eines Dritten au�erhalb des Kreises der tats�chlichen
Beziehungen zum Dritten, welche seine Vertragserf�llung mit sich bringt,
keine Vertragsverletzung begehen.

Demnach ist _kein_ Delikt irgend welcher Art, welches au�erhalb des
Dienstes gegen Fremde, und kein Delikt, welches au�erhalb des Dienstes
gegen die Person von Mitarbeitern, Vorgesetzten oder Untergebenen, oder
gegen deren Eigentums- und sonstige Interessen begangen wird, ein
_Vertrags_delikt; alles das bleibt vielmehr, was es an sich ist,
gemeinrechtliches Delikt, und gibt als solches dem Prinzipal zu nichts
anderem Anla� als zu der Erw�gung: ob er sein Vertragsverh�ltnis zum
T�ter in Zukunft weiter fortsetzen solle, bezw. ob darin nicht,
besonderer Umst�nde wegen, ein �wichtiger� Grund f�r ihn zum R�cktritt
von dem Vertrag gegeben sei.

Das letztere kommt in seinen praktischen Konsequenzen in � 79 zur
Sprache.

Die im Vordersatz des � 57 ausgesprochene Pr�misse: da� der
Dienstvertrag gerechter- und vern�nftigerweise Rechte und Pflichten
zwischen den Kontrahenten nur d�rfe begr�nden _wollen_ in bezug auf den
_Gegenstand_ des Vertrags, nicht auch noch in bezug auf Dinge, die zwar
Gegenstand verschiedener anderer Vertr�ge sein k�nnten, mit dem
Gegenstand _dieses_ Vertrags aber gar nichts zu tun h�tten -- f�hrt
demnach wirklich zu der Schlu�folgerung: da� die Angeh�rigen eines und
desselben Industriebetriebes als Mitarbeiter, Vorgesetzte und
Untergebene in bezug auf gegenseitige Rechte und Pflichten aus ihren
Dienstvertr�gen just nur in dem gleichen Verh�ltnis zueinander stehen,
rechtlich, wie Leute, die zusammen in dasselbe Eisenbahncoup�
eingestiegen sind -- die ja auch, von wegen ihres gemeinsamen
Rechtsverh�ltnisses zum Eisenbahnfiskus w�hrend der Fahrt, gewisse
tats�chliche R�cksichten aufeinander zu nehmen haben. Diese
Schlu�folgerung ist in der Tat ganz abscheulich. Man mu� aber dar�ber
sich hinwegsetzen, wenn ein anderes Resultat nicht zu begr�nden ist. Mu�
man sich doch auch gefallen lassen, da� in allen Dreiecken die
Winkelsumme immer und �berall genau 180 Grad bleibt, obwohl es (wie die
Mathematiker wissen) f�r die Menschen unter manchen Umst�nden
vorteilhafter und erfreulicher sein w�rde -- wenn die Dreiecke nicht so
halsstarrig sein wollten.

       *       *       *       *       *

Im �brigen ist noch zu bemerken:

Die Vorschriften des � 57 lassen v�llig freien Spielraum f�r die
Anpassung des Dienstvertrags in seinen Einzelheiten an die besonderen
Verh�ltnisse des Betriebs, wechselnde Zeitumst�nde u. dergl. Sie sagen
nur, was hinsichtlich der Pflichtbestimmung als _zum Gegenstand des
Vertrags geh�rig_ angesehen werden darf, und was nicht. Innerhalb dieser
Grenzen k�nnen die einzelnen Pflichten selbst beliebig mild oder
beliebig streng gefa�t werden, durch feste Vertragsartikel bestimmt oder
in beliebig weiten Grenzen der freien Beurteilung des einzelnen Falles
�berlassen sein -- wie es jeweils als zweckm��ig oder als geboten
befunden werden mag. Denn ich habe nicht das geringste Interesse, in der
Regelung des einzelnen der Zukunft irgendwie vorzugreifen, sondern ein
Interesse nur _daran_, hinsichtlich dieser Regelung die dauernde
Anerkennung solcher Grunds�tze sicher zu stellen, die, wenn sie heute
gerecht und vern�nftig sind, unter allem Wandel nebens�chlicher Umst�nde
so lange gerecht und vern�nftig _bleiben_ m�ssen, als nicht das Wesen
des industriellen Dienstverh�ltnisses eine durchgreifende Wandlung
erfahren hat.

In dem jetzt geltenden Arbeitsvertrag der Optischen Werkst�tte steht in
bezug auf mehrere sehr wichtige Punkte des Pflichtverh�ltnisses gar
nichts oder sehr wenig. So z. B. steht darin _nichts_ �ber den Verkehr
der Personen untereinander; was just so viel besagt, wie wenn darin
st�nde: �Jeder hat im Verkehr mit seinen Vorgesetzten, seinen
Untergebenen und seinen Mitarbeitern innerhalb des Dienstes
_angemessener_ Formen sich zu beflei�igen� -- wobei dann das
�angemessen�, genau so wie jetzt, vern�nftigem Urteil �ber den einzelnen
Fall unterstellt bliebe. Es k�nnte aber auch in der Arbeitsordnung unter
diesem Punkt vorgeschrieben werden z. B., da� jeder, wenn er mit einem
Vorgesetzten spricht, die Hand an die Hosennaht zu legen habe -- falls
etwa eine zuk�nftige Gesch�ftsleitung dergleichen f�r angebracht halten
sollte und die andern es sich gefallen lassen. Also nicht einmal darin,
in solchen Dingen sich l�cherlich machen zu k�nnen, wird jene durch � 57
beschr�nkt.

Auch �ber einen andern Punkt -- Schutz des Eigentums von Mitarbeitern
etc. -- schweigt die jetzige Betriebsordnung vollst�ndig. Das hat aber
nicht das Einb�rgern der festen Regel verhindert: da� jeder sofort
seiner Wege zu gehen habe, der an Eigentum von Mitarbeitern, welches in
den Werkstattr�umen oder sonst verm�ge seines Dienstverh�ltnisses ihm
zug�nglich ist, _auch nur im geringsten_ sich vergreift. Sofern nur die
Entlassung niemals als Strafe sondern lediglich als Schutzma�regel
betrachtet wird, kann solches auch in Zukunft ohne besondere
Verlautbarung der Regel in gleicher Strenge aufrecht erhalten werden.
Denn unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des im Betrieb unbeh�teten
oder nur mangelhaft beh�teten Eigentums aller Mitarbeiter kann die
vertragsm��ige Verpflichtung eines jeden, dem _Prinzipal gegen�ber_, zu
_absoluter_ Enthaltung von jedem Eingriff nie bestritten, die
Beurteilung etwaiger Delikte dieser Art also niemals von der
Erheblichkeit oder Geringf�gigkeit des Schadens, vielmehr nur von der
Frage: b�swillig oder nicht? abh�ngig gemacht werden.


Zu � 58.

Die S�tze dieses Paragraphen sind dem sonstigen Inhalt des Titels V
gegen�ber keineswegs pleonastisch. Denn an mehreren Stellen dieses
Titels ist direkt oder indirekt Bezug zu nehmen auf R�cksichten des
Interesses der Firma. Bei der unvermeidlichen Unbestimmtheit der Grenzen
der Berechtigung dieses Interesses mu� jedenfalls ausdr�cklich
ausgesprochen sein, da� jene R�cksichten, erstens, unbedingt Halt zu
machen haben vor dem Recht des freien B�rgers und, zweitens, da� sie
keinerlei _�ber_ordnung beanspruchen d�rfen �ber die vielleicht ebenso
berechtigten Interessen des andern Teils. -- Grunds�tzlich ist jede
Beschr�nkung der Rechte abzulehnen, die unter der falschen Fiktion einer
durch den Dienstvertrag begr�ndeten Interessen_gemeinschaft_ beider
Teile abzuleiten gesucht wird. Dergleichen gibt es _rechtlich_ nur in
einem genossenschaftlich organisierten Unternehmen, in welchem die
Gesamtheit der einzelnen den Prinzipal darstellt. In einem solchen darf
mit Fug und Recht die Vertretung des Interesses der einzelnen durch
Solidarit�ts_pflichten_ beschr�nkt werden. Ein Dienstvertrag aber, bei
welchem Prinzipal und Arbeitnehmer v�llig auseinanderfallende
Rechtssubjekte sind, begr�ndet keinerlei andere Interessengemeinschaft
der Kontrahenten als diejenige, die jedes beliebige Vertragsverh�ltnis
insoweit begr�ndet, als die Fortsetzung desselben f�r die Kontrahenten
vorteilhaft ist. Diese Art von Interessengemeinschaft ist indes nicht
rechtlicher sondern rein tats�chlicher Natur. Sie kann nicht Ausdruck
und Pflege finden in Vertragspflichten, sondern lediglich in
tats�chlichen _Einrichtungen_, welche geeignet sind, dem einen Teil
wirksame Motive zu schaffen zu _freiwilliger_ Unterordnung bestimmter
Parteiinteressen unter das Interesse des andern Teils, _seines eigenen
Vorteils_ wegen.

Je vollst�ndiger auch in diesem Punkt die Idee des �Brotherrn� aus den
Beziehungen zwischen Unternehmer und unselbst�ndigem Arbeiter oder
Angestellten eliminiert ist, desto freier wird die Bahn f�r die
Erkenntnis einer m�glichen tats�chlichen Interessengemeinschaft beider
Teile und -- wenn die Einrichtungen danach sind -- f�r die Pflege eines
_gesunden_ Solidarit�tsgef�hls. Wo die Arbeitsordnung jedem Arbeiter als
�Pflicht� auferlegt, �in allen St�cken� das Interesse des Arbeitgebers
d. h. des ihm gegen�berstehenden Kontrahenten zu vertreten, oder dergl.
-- da gibt es solches sicher _nicht_.


Zu � 79.

Titel V f�hrt in �77 f�r alle, welche das dritte Jahr im Dienst der
Stiftung zur�ckgelegt haben[89], eine besondere bisher noch nicht zur
Anwendung gekommene Art des Dienstvertrages ein: eine Zwischenstufe
zwischen dem lebensl�nglichen Vertrag der oberen Beamten, in welchem der
Prinzipal jedes Rechtes der K�ndigung seinerseits sich begibt, und dem
v�llig freier K�ndigung unterstellten gew�hnlichen Arbeits- oder
Anstellungsvertrag der RGO und des HGB. -- n�mlich einen Vertrag, der
zwar die K�ndigung selbst aus ganz beliebigen Gr�nden dem Prinzipal noch
frei l��t, f�r den Fall aber, da� die K�ndigung ohne schuldbare
Veranlassung seitens des andern Teils erfolgt, diesem eine besondere
Entsch�digung vertragsm��ig zusichert.

F�r jeden, Beamten oder Arbeiter, ist von dem Tag ab, an welchem er in
diese neue Vertragsform eintritt, der jener Zusicherung entsprechende
Anspruch ein Rechtsanspruch aus seinem Vertrag geworden, dessen
nicht-begr�ndete Verweigerung Verletzung des eingegangenen Vertrags
seitens des Prinzipals bedeuten w�rde. Deshalb mu�, wenn die neue
Vertragsform nicht ein leerer Schein ohne rechtlichen Inhalt bleiben
soll, die Auslegung des Vorbehalts �schuldbare Veranlassung� unter die
strengen Regeln gestellt sein, nach welchen Entbindung von der Erf�llung
eines eingegangenen Vertrags, d. h. Vertragsaufhebung, zu begr�nden ist.

Vertragsentbindung des einen Kontrahenten kann aber, abgesehen von dem
Fall h�herer Gewalt, nur gerechtfertigt werden, erstens: durch _schwere_
Vertragsverletzung seitens des einen Teils und, zweitens: durch
�wichtige� Gr�nde f�r Nichtfortsetzung des Vertrags, d. h. aber: durch
Tatsachen, welche zwar au�erhalb der vertragsm��igen T�tigkeit selbst
liegen k�nnen, _auf diese letztere aber so wesentlichen Bezug haben_,
da� sie, wenn sie schon vorher bestanden h�tten, den andern Teil vom
Eingehen des Vertrags vern�nftigerweise h�tten abhalten m�ssen.

Hieraus ergibt sich von selbst die in � 79 versuchte Spezifikation der
F�lle �schuldbarer Veranlassung� in bezug auf die besonderen
Verh�ltnisse des industriellen Arbeits- und Anstellungsvertrags, nach
den dort angef�hrten 6 Punkten. Die beiden ersten von ihnen decken die
F�lle schwerer Vertragsverletzung, n�mlich die �grobe� Pflichtverletzung
im Einzelfall und die fortgesetzten, den vertragswidrigen Animus
bekundenden Verst��e; die vier letzten aber machen diejenigen Tatsachen
namhaft, die im Sinne des Vorangehenden als �wichtige Gr�nde� f�r
Nichtfortsetzung des Vertrags gelten m�ssen. Die letzteren stehen unter
den beiden Gesichtspunkten:

erstens, dem Prinzipal kann nicht zugemutet werden, mit jemand in
Vertrag zu bleiben, wenn er dadurch sichtlicher Gefahr ungeb�hrlichen
Schadens sich aussetzt (3. und 4. Punkt);

zweitens, der Prinzipal darf einem andern, mit dem er sonst noch in
Vertrag steht, nicht zumuten, da� dieser behufs Erf�llung seines
Vertrags, d. h. in der dienstlichen T�tigkeit, sei es als Vorgesetzter
oder als Untergebener oder als Mitarbeiter, pers�nlichen Verkehr pflegen
m�sse mit jemand, der ihn selbst, in Person oder in Eigentums- oder
anderen Interessen, schwer verletzt hat, oder der in b�rgerlicher Ehre
oder menschlichem Ansehen kompromittiert ist (5. und 6. Punkt).

Erweisliche Tatsachen, welche unter den ersten oder den zweiten von
diesen Gesichtspunkten fallen, rechtfertigen Nichtgew�hrung der f�r den
Fall der Entlassung zugesicherten Entsch�digung, d. h. Entbindung des
Prinzipals von der Vertragserf�llung, deshalb, weil solche Tatsachen,
wenn dergleichen schon fr�her vorgelegen h�tte, den Prinzipal vom
Eingehen des Vertrages unbedingt h�tten abhalten m�ssen.

       *       *       *       *       *

Zum einzelnen ist nur noch folgendes zu bemerken:

Selbstverst�ndlich f�llt dolus in Hinsicht auf irgend einen
Vertragspunkt -- die �R�cksichten aus Treu und Glauben� nicht
ausgeschlossen -- stets unter die �grobe� Pflichtverletzung. Inwieweit
gravis culpa darunter zu subsumieren ist, mu� dem Judicium von Fall zu
Fall �berlassen bleiben; eine Schablone daf�r gibt es nicht. Dagegen
kann f�r die Konstatierung des vertragswidrigen Animus im Fall
fortgesetzter Vertragswidrigkeit wenigstens ein Kennzeichen, neben
andern m�glichen aber nicht allgemein bestimmbaren, mechanisch
festgestellt werden, ohne vern�nftige Anwendung des Satzes dadurch zu
beengen.

Was endlich den rein informatorischen Schlu�satz des � 79 anlangt, so
spricht derselbe explicite aus, was ohne ihn aus dem Zusammenhang des
Ganzen zu folgern w�re: da� weder die Gew�hrung der vertragsm��igen
Abgangsentsch�digung aus � 77, noch die aus � 79 begr�ndete Versagung
derselben von den sonstigen Vertragsbedingungen, insbesondere vom
Einhalten der vertragsm��igen K�ndigungsfristen, dispensieren kann --
und da� �ber die Bedingungen, unter welchen der Prinzipal von letzterem
entbunden sein soll, Titel V des Statuts nichts festsetzen _will_.
Angesichts der relativen Geringf�gigkeit des Objekts und der
untergeordneten Bedeutung der Frage im Grunds�tzlichen bek�mmert es mich
nicht weiter, die M�glichkeit bestehen zu lassen, da� einer kraft RGO.
sofort entlassen werden kann, ihm aber trotzdem kraft � 79 die
Abgangsentsch�digung mit auf den Weg gegeben werden m��te. Ein Widersinn
liegt darin nicht. Denn es ist ganz selbstverst�ndlich, da�
Rechtsnachteile von so verschiedener Gr��enordnung, wie: Lohnverlust f�r
zwei Wochen und Lohnverlust f�r ein halbes Jahr oder mehr, ganz
verschiedenen Grunds�tzen der Beurteilung unterstellt sein m�ssen.


Zu � 80.

Die Bestrebungen, welchen dieses Statut dient, stehen, wie an vielen
Stellen erkennbar wird, nirgends unter philanthropischen
Gesichtspunkten. So ist also auch die Einrichtung, die � 77 vorsieht,
keine Wohlt�tigkeits-Veranstaltung, sondern eine unter soziale Zwecke
gestellte _Rechts_einrichtung. Sie kann also nicht darauf ausgehen
wollen, die vertragsrechtlichen Konsequenzen zu verwischen, die an den
Unterschied sich kn�pfen: ob einer, sei es auch ohne das geringste
Verschulden, seinerseits an der Erf�llung des Vertrags behindert wird,
oder ob die Vertragsaufl�sung aus Gr�nden des Interesses des _andern_
Teils erfolgt. -- Der Weg zur Milderung von H�rten, die hieraus
gelegentlich sich ergeben m�ssen, ist in � 16 des Statuts dem
aufmerksamen Leser angedeutet.


Schlu�bemerkung.

Aus allem vorhergehenden ergibt sich, da� die in diesem Statut
angestrebte Ordnung des Rechtsverh�ltnisses zwischen Unternehmer und
Arbeiter oder Angestellten sich v�llig frei halten mu� einerseits von
jeder moralisierenden Tendenz und andererseits von jedem Strafanimus.
Und das ist f�r alle Beteiligten eine Wohltat. Der Unternehmer als
solcher hat keinerlei Befugnis, _aus dem Arbeitsvertrag heraus_ seinen
Kontrahenten gegen�ber die Funktionen eines Organs zur Wahrung
allgemeiner Interessen der Gesellschaft oder des Staates sich anzuma�en,
weder pr�ventiv noch repressiv. Daf�r sind Polizei oder Staatsanwalt und
Strafrichter da. -- Der moralisierende Fabrikherr oder Betriebsleiter,
der sich daf�r berufen h�lt, Ehrbarkeit und Staatswohl -- und was er von
seinem besondern Standpunkt aus just dazu zu rechnen f�r gut findet --
zu bef�rdern nicht nur durch das eigene gute Beispiel und durch den
berechtigten Einflu�, den pers�nliches Ansehen, wenn er solches hat, in
seinem Kreise ihm gew�hren mag, sondern auch mit der Peitsche
angedrohter Wirtschaftsnachteile, ist in meinen Augen eine sozial
gemeinsch�dliche Figur. Es gereicht mir zu einiger Genugtuung zu
bemerken, da� die folgerichtige Durchf�hrung der in � 57 zum Ausdruck
kommenden Rechtsidee schon f�r sich allein, ohne alles weitere Zutun,
geeignet ist, _dieser_ Figur auch in Zukunft den Eintritt in den
Wirkungskreis der CARL ZEISS-Stiftung versperrt zu halten. Was aber das
landes�bliche Hereinpfuschen der Arbeitgeber in die Gesch�fte des
Strafrichters anlangt, so ist das �berall, wo es geschieht,
handgreiflicher Hohn auf alle Gerechtigkeit. Denn geschieht es dem
Richter vorgreifend, so setzt es sich hinweg �ber die erste
Voraussetzung jeder ordentlichen Rechtspflege: die M�glichkeit sicherer
und ersch�pfender Beweiserhebung, und verf�llt zudem noch gew�hnlich
grobem Mi�verh�ltnis zwischen Delikt und Strafma�: Vergehen, f�r welche
der Richter nur auf geringe Geldstrafe oder kurze Freiheitsentziehung
erkennen darf, ma�t der Arbeitgeber, der Dienstentlassung als
Strafmittel handhabt, sich an, mit beliebig hohem materiellen Schaden
belegen zu k�nnen. Geschieht aber jenes Hereinpfuschen dem Richter
nachhinkend, also im Sinne von Strafversch�rfung, so verletzt es die
unbestrittene Forderung jeder gerechten Strafjustiz: ne bis in idem.

So stehen also alle Nachteile, welche Titel V f�r irgend welche Verst��e
anzudrohen gestattet, unter der deutlichen Richtschnur: niemals Strafe,
lediglich vertragsm��ig begr�ndeter Rechtsnachteil. Den Unterschied, den
dieses gelegentlich auch praktisch bedeutet, kann sich jeder klar
machen, wenn er die Konsequenzen erw�gt, welche die Anwendung des an
vorletzter (f�nfter) Stelle des � 79 ausgesprochenen Satzes auf den Fall
_wechselseitiger_ t�tlicher Beleidigung zwischen zweien nach sich zieht,
je nachdem die Dienstentlassung als Strafe oder als Rechtsnachteil
anzusehen ist. -- Da� aber in der gro�en Mehrzahl der F�lle der
Rechtsnachteil ungewollterweise die praktische Wirkung einer Strafe,
und �fters einer sehr harten, gewinnt, mu� vom Standpunkt sowohl der
Gerechtigkeit wie des allgemeinen sozialen Interesses als ein
unvermeidliches _�bel_ betrachtet werden. Es anders ansehen zu wollen
w�re Spott auf das Verhalten der vielen, die als Unternehmer gen�tigt
sind, einen b�rgerlich Entgleisten zu entlassen, als Privatpersonen aber
Vereinen angeh�ren oder Vereine unterst�tzen, welche solche Entgleiste
vor weiterem Verfall zu bewahren und f�r die b�rgerliche Gesellschaft
noch zu retten sich zur Aufgabe stellen.

_Jena_, Mai 1896.

Dr. E. Abbe.

Fu�noten:

[Fu�note 88: [Vgl. hierzu S. 347-364.]]

[Fu�note 89: [jetzt f�r gewisse F�lle auch bereits nach zur�ckgelegter
halbj�hriger Dienstzeit, vgl. Stiftungs-Statut � 77, vorletzter
Absatz.]]




Xb.

Die Verfassung der Carl Zeiss-Stiftung.

Erl�uterungen zu Titel I und II des Stiftungsstatuts vorn 26. Juli/16.
August 1896[90].


Der nachstehend gegebene _Kommentar_ zu den Titeln I und II des Statuts
der CARL ZEISS-Stiftung st�tzt sich lediglich auf den Text dieses
Statuts, so wie er gedruckt vorliegt. In keinem Punkt ist dabei Bezug
genommen weder auf die Motive, die den Anordnungen des Statuts zugrunde
liegen, noch auf die tats�chlichen Umst�nde, unter welchen dieses Statut
im Zusammenhang mit der Entwicklung der Stiftung selbst entstanden ist.
Es wird also ausschlie�lich dasjenige dargelegt, was jedermann aus dem
gegebenen Text herauszulesen vermag, wenn er die Paragraphen in ihrem
Zusammenhang und unter der Pr�sumtion auffa�t, die bis zum Beweis des
Gegenteils f�r die Auslegung jeder Urkunde zu gelten hat: da� sie mit
Sinn und Verstand abgefa�t sei.


I. Verh�ltnis der Stiftung zum Staat.

In allem Grunds�tzlichen ist dieses Verh�ltnis durch die �� 4, 5 des
Statuts geregelt.

Die oberste Richtschnur f�r die _Organisation_ der CARL ZEISS-Stiftung
gibt � 4, dem alle nachfolgenden Bestimmungen in Titel I des Statuts
unterstellt sind.

Dadurch, da� dieser � 4 eine �besondere� Stiftungsverwaltung
vorschreibt, diese (der �berschrift zufolge) als _Organ der Stiftung_
hinstellt und ihr au�erdem f�r bestimmte Funktionen noch andere Organe,
als Organe der Stiftung, _neben_ordnet, kommt zum Ausdruck, da� die CARL
ZEISS-Stiftung ihre _eigene selbst�ndige Verwaltung_ besitzen soll, also
nicht, wie es bei Stiftungen h�ufig geschieht, dem Staat, oder einer
Gemeinde oder irgend einer sonst bestehenden Institution zur Verwaltung
�berwiesen ist.

Gem�� dieser grunds�tzlichen Norm, die allen organisatorischen
Bestimmungen vorangestellt ist, k�nnte ein nachfolgender Paragraph des
Statuts die �Stiftungsverwaltung� _auf irgend eine_ rechtlich zul�ssige
und praktisch durchf�hrbare Art konstituieren. Das Statut k�nnte also
z. B. -- wie es bei vielen bekannten Stiftungen in Deutschland geschehen
ist -- ein Kuratorium oder einen Senat aus einer bestimmten Anzahl von
Personen einsetzen und etwa vorschreiben, da� dieses Kuratorium oder
dieser Senat erstmalig durch den Stifter zu ernennen sei und nachher
beim Ausscheiden eines Mitgliedes durch Zuwahl eines neuen seitens der
�brigbleibenden sich selbst fortdauernd zu erg�nzen habe.

Wenn nun das Statut, _statt_ derartiges oder �hnliches vorzusehen, in
� 5 die �Rechte und Obliegenheiten der Stiftungsverwaltung� der in
Abs. 1 dieses Paragraphen benannten Staatsbeh�rde zuweist, so folgt --
ganz abgesehen von den weiteren Vorschriften in Abs. 2 und 3 desselben
Paragraphen -- schon aus der logischen Beziehung des � 5 zu der
�bergeordneten _allgemeinen_ Vorschrift des � 4, da� damit diese Beh�rde
eingesetzt ist als Organ der CARL ZEISS-Stiftung f�r ihre
_Selbstverwaltung, nicht_ als Organ des _Staates_ f�r die Verwaltung der
Stiftung. Sie hat also ihr Mandat vom _Stifter_, nicht vom _Staat_, und
hat demnach hinsichtlich ihrer Funktionen in Angelegenheiten der
Stiftung lediglich die �Rechte und Obliegenheiten�, die das
Stiftungsstatut der �Stiftungsverwaltung� �bertr�gt, _nicht_ Rechte und
Obliegenheiten, die derselben Beh�rde bei Verwaltung einer Stiftung
seitens des Staates zukommen w�rden oder von Staats wegen zugewiesen
werden k�nnten.

Eine besondere Verst�rkung aber erh�lt dieser Schlu� durch die
Vorschriften in Abs. 3 des � 5. Dadurch, da� die Stiftungsverwaltung,
wie auch das andere, durch einen Staatsbeamten zu bildende Organ der
Stiftung, ausdr�cklich _auf das Stiftungsstatut verpflichtet_ und beiden
direkt _untersagt_ wird, bei Aus�bung ihrer Funktionen in
Angelegenheiten der Stiftung Staatsinteressen in anderem Umfang zu
ber�cksichtigen, als es auch f�r _Privat_personen �gesetzlich� geboten
ist, kommt ganz explizite zum Ausdruck, da� die Stiftungsverwaltung,
unbeschadet ihres Charakters als Staatsbeh�rde, in Angelegenheiten der
CARL ZEISS-Stiftung keine staatlichen Funktionen auszu�ben hat, in
diesen Angelegenheiten vielmehr durchaus die freiere Stellung eines
privaten Stiftungssenates einnimmt.

Eine weitere Bekr�ftigung des Gesagten ergibt sich noch aus mehreren
Sondervorschriften, die das Statut in anderen Titeln enth�lt.

In � 52 (Titel V) sind f�r die Verm�gensverwaltung der CARL
ZEISS-Stiftung in Hinsicht auf Art der Kapitalanlagen und
Sicherheitsanforderungen ganz _andere_ Vorschriften gegeben, als f�r die
durch Staat und Gemeinde zu verwaltenden Stiftungen gesetzlich bestehen.

� 53 schlie�t jede Haftpflicht des _Staates_ bez�glich des unter
Verwaltung des Gro�herzogl. Kultusdepartements stehenden
Stiftungsverm�gens aus.

� 109, Abs. 1 (Titel VII) schreibt ausdr�cklich vor, da� alle
Arbeitsleistung von Staatsbeamten in Angelegenheiten der CARL
ZEISS-Stiftung _aus Mitteln der Stiftung_ so zu verg�ten ist, da� dem
Staat �aus der Beteiligung seiner Beamten an der Verwaltung� auch nicht
indirekt Lasten erwachsen.

Und endlich verpflichten die �� 110-112 (Titel VIII) des Statuts die
Stiftungsverwaltung zu j�hrlicher Rechnungslegung an eine f�nfgliedrige
Kommission von g�nzlich _privatem_ Charakter. Denn den Mitgliedern
dieser Kommission wird ausdr�cklich gesagt, da� ihr Auftrag als �rein
pers�nlicher� zu gelten habe, und da� sie hinsichtlich seiner Erf�llung
�von niemand Instruktion zu empfangen und niemand Rechenschaft zu geben�
haben. Die Befugnisse dieser Kommission sind aber nicht auf Pr�fung des
Rechnungswesens beschr�nkt; sie umfassen, nach � 111, die Pr�fung der
Statutenm��igkeit der ganzen Verwaltung.

Den Anordnungen des Statuts in Hinsicht auf das Verh�ltnis der Stiftung
zum Staat steht der Umstand keineswegs entgegen, da� die Bestimmung in
� 5 nicht _einseitig_ durch den Stifter getroffen werden konnte, sondern
eine Vereinbarung mit der obersten Staatsverwaltung zur Voraussetzung
haben mu�. -- Da niemand einer Beh�rde eigenm�chtig Gesch�fte ansinnen
kann, die ihr nicht aus der Staatsverfassung zukommen, und da auch keine
Beh�rde eigenm�chtig solche Gesch�fte �bernehmen darf, so mu� allerdings
der Sanktionierung des Statuts in Hinsicht auf den � 5 eine besondere
Entschlie�ung der obersten Staatsbeh�rde, unter Genehmigung des
Staatsoberhauptes, vorangegangen sein. Angesichts des � 4 konnte aber
diese Entschlie�ung nicht darauf gehen: von Staats wegen die Verwaltung
der CARL ZEISS-Stiftung dem Gro�herzogl. Kultusdepartement zu
_�berweisen_, sondern lediglich darauf: von Staats wegen die genannte
Beh�rde zu _erm�chtigen_, da� sie, dem Antrag des Stifters
entsprechend, die Verwaltung der Stiftung dauernd �bernehme, und diese
Verwaltung im Sinne eines st�ndigen Nebenamtes, zwar in denselben
geordneten Formen, in denen sie ihre staatlichen Funktionen aus�bt, aber
im Sachlichen auf Grund und in Gem��heit des Stiftungsstatuts, also nach
dem Mandat des Stifters, f�hre.

Da� eine Beh�rde als solche auf Grund besonderer Erm�chtigung seitens
der obersten Staatsverwaltung an nicht-staatlichen Gesch�ften teilnimmt,
ist keineswegs ohne Vorbild, und jedenfalls nur hinsichtlich der
richterlichen Beh�rden zum voraus ausgeschlossen. Selbstverst�ndlich
aber h�tte diese Erm�chtigung, und damit die Genehmigung des � 5 des
Stiftungsstatuts, auch versagt werden k�nnen -- in welchem Falle dann,
in der Konsequenz des � 4, ein anderer Stiftungssenat h�tte eingesetzt
werden m�ssen. Nachdem jedoch durch die landesherrliche Best�tigung des
Statuts konstatiert ist, da� die oberste Staatsverwaltung die
Erm�chtigung erteilt hat, ist damit das in � 5 bezeichnete Departement
des Gro�herzogl. Staatsministeriums als _statutarische_
Stiftungsverwaltung eingesetzt und hat als solche der Stiftung gegen�ber
keine andern Rechte, aber auch dem Staat gegen�ber keine andern
Pflichten, als bei sonst gleichem Inhalt des Statuts jede andere
Stiftungsverwaltung haben w�rde, _die gem�� � 4 des Statuts h�tte
eingesetzt werden k�nnen_.

Der Stiftungsverwaltung deshalb, weil sie im gegenw�rtigen Falle durch
eine Staatsbeh�rde repr�sentiert ist, in Angelegenheiten der Stiftung
_staatliche_ Funktionen beizulegen, w�rde nur dann �berhaupt _zul�ssig_
sein, wenn das Statut den � 4 nicht enthielte, sondern unter dem
Abschnitt �Organe� sogleich den ersten Absatz des � 5 folgen lie�e.
Weiter aber d�rfte dann auch Abs. 3 des � 5 nicht vorhanden sein. Denn
es w�re �berfl�ssig, eine Beh�rde in Aus�bung ihrer _staatlichen_
Funktion speziell auf den Inhalt einer Stiftungsurkunde zu verpflichten,
und widersinnig, ihr dabei die R�cksichtnahme auf Staatsinteressen,
die sie in ihrer amtlichen T�tigkeit sonst zu vertreten hat, verwehren
zu wollen. Ferner d�rften die andern Organe, Stiftungskommissar
und Vorst�nde der Betriebe, nicht konstitutiv, als Organe der
_Stiftung_, sondern h�chstens instruktionell, als Hilfsorgane der
Stiftungs_verwaltung_, eingef�hrt sein, weil es nicht ang�ngig w�re,
einer Beh�rde in Hinsicht auf staatliche Gesch�fte Organe privaten
Charakters _neben_zuordnen. Und endlich d�rfte das Statut den � 110
nicht enthalten. Denn keine Beh�rde kann hinsichtlich der Aus�bung
_staatlicher_ Funktionen der Kontrolle einer _nicht_-staatlichen Instanz
unterstehen.


II. Verh�ltnis der Organe der CARL ZEISS-Stiftung zu den
Staats_beh�rden_.

Als juristische Person steht die CARL ZEISS-Stiftung, wie jede andere
Stiftung, unter staatlicher Aufsicht, und da die juristische Person
tats�chlich nur durch ihre Organe handlungsf�hig wird, so stehen diese
_Organe_ unter solcher Aufsicht.

Diese allgemeine -- gesetzliche -- Staatsaufsicht hat aber zum
Gegenstand lediglich die Wahrung von Gesetzlichkeit und
Ordnungsm��igkeit in den Handlungen und dem Verfahren der
Stiftungsorgane und die _Sicherung dauernder �bereinstimmung der
Verwaltung der Stiftung mit den Vorschriften der Urkunde, auf Grund
welcher die landesherrliche Best�tigung erteilt und das Recht der
juristischen Person verliehen_ worden ist -- welche Urkunde im
vorliegenden Fall seit dem 16. August 1896 durch das gegenw�rtige
�Statut der CARL ZEISS-Stiftung� ersetzt ist.

Da die Verleihung der juristischen Pers�nlichkeit und die Best�tigung
eines Stiftungsstatuts Akte der Staatshoheit sind, so ist die
Staatsregierung _selbst_ die Instanz, die diese gesetzliche Aufsicht
auszu�ben hat. In Hinsicht auf letztere unterstehen also alle Organe der
Stiftung im vorliegenden Falle dem Gro�herzogl. Staatsministerium,
_auch_ die Stiftungsverwaltung. Letztere ist, obschon Staatsbeh�rde,
nicht Organ der staatlichen Aufsicht �ber die Stiftung, weil sie Organ
der _Stiftung_ ist.

Weil aber die allgemeine Staatsaufsicht lediglich die Gesetzlichkeit,
Ordnungsm��igkeit und Statutenm��igkeit zu �berwachen hat, so untersteht
_innerhalb_ des statutenm��igen Handelns kein Organ der Stiftung der
Aufsicht oder der Einwirkung irgend einer Staatsbeh�rde, auch die
_Stiftungsverwaltung_ nicht. Obwohl sie nicht selbst die _oberste_
Staatsbeh�rde ist, gibt es auch f�r sie in Hinsicht auf die Aus�bung der
statutarischen Funktionen keine _vorgesetzte_ Instanz. Gem�� � 4 des
Statuts steht der Stiftungsverwaltung in dem ihr zugewiesenen
Wirkungskreis die �oberste� Leitung der Stiftungsangelegenheiten zu. Sie
ist also in allen Entschlie�ungen und Handlungen innerhalb ihrer
statutenm��igen Kompetenz v�llig souver�n. Gegen ihre Entschlie�ungen
und Handlungen in Angelegenheiten der Stiftung ist keine Berufung
m�glich; angefochten k�nnten sie im _Verwaltungsweg_ nur werden unter
Anrufen der Staatsaufsicht wegen Statutenwidrigkeit.

       *       *       *       *       *

Da� der _Stiftungskommissar_ hinsichtlich seiner Funktionen keiner
Beh�rde untersteht, ist durch die ausdr�ckliche Vorschrift in � 5
gegeben: da� er in _au�er_amtlichem Auftrag zu bestellen sei. Dadurch
ist f�r ihn in Angelegenheiten der Stiftung jedes Verh�ltnis der
Beamtenunterordnung ausgeschlossen, sowohl in bezug auf das Gro�herzogl.
Kultusdepartement, welches als Stiftungsverwaltung ihn bestellt hat, wie
in bezug auf diejenige Beh�rde, der er in seiner sonstigen T�tigkeit
amtlich unterstehen mag. Die Vorschrift des � 5, da� der
Stiftungskommissar ein aktiver Beamter des �ffentlichen Dienstes sein
soll, umschreibt also lediglich den Personenkreis, aus welchem er zu
w�hlen ist.

Hinsichtlich der kollegialischen _Vorst�nde_ (Gesch�ftsleitungen) der
Stiftungsbetriebe folgt der Ausschlu� jeder _beh�rdlichen_ Einwirkung
auf ihre Handlungen aus der selbst�ndigen Kompetenz, die das Statut in
Titel II diesen Vorst�nden in allen Angelegenheiten ihrer Firma
einr�umt. Sie sind gem�� �� 8, 9 in diesen Angelegenheiten die Vertreter
der _Stiftung als des Inhabers_ der Firma, nicht Beauftragte der
Stiftungsverwaltung. Was ein Vorstand namens seiner Firma tun oder
unterlassen mag, steht mithin jedem Dritten -- auch dem Staat --
gegen�ber rechtlich auf ganz gleichem Fu� mit den Handlungen und
Unterlassungen des _Inhabers_ einer Privatfirma, ist also lediglich nach
den jeweils geltenden Gesetzen zu beurteilen. Mithin kann auch gegen�ber
den Beschl�ssen und den Handlungen dieser Vorst�nde niemand an eine
�vorgesetzte Beh�rde� appellieren, sondern h�chstens an die allgemeine
Staatsaufsicht gegen etwaige gesetzwidrige oder statutenwidrige
Handlungen.

Die Personen endlich, aus denen die Vorst�nde (Gesch�ftsleitungen) der
Stiftungsbetriebe jeweils sich zusammensetzen, sind gem�� � 26 des
Statuts entweder Sozien der Stiftung, im handelsrechtlichen Sinn, oder
lebensl�nglich angestellte Beamte der einen oder der andern Firma -- und
weiter nichts. Denn nach � 25 Abs. 2 ist ihre Stellung nicht �Amt�,
sondern �Funktion�: sie bilden im Kreis der oberen Beamten des Betriebs
einen Ausschu�, dem die verantwortliche Leitung der Firma �bertragen
ist. Sie stehen somit zur Stiftung als dem _Inhaber_ der Firma in rein
b�rgerlichem Vertragsverh�ltnis; zum Staat aber stehen sie hinsichtlich
ihrer T�tigkeit in gar keinem andern Verh�ltnis wie jeder beliebige
Privatmann. Keine von diesen Personen ist also in irgend welchem Sinn
bez�glich ihrer statutarischen Funktion �mittelbarer Staatsbeamter�. F�r
keins von den Vorstandsmitgliedern also existiert eine �vorgesetzte
Beh�rde�; denn nicht einmal zur Stiftungsverwaltung als solcher (also
ganz abgesehen von der Staatsbeh�rde) d�rfen sie, gem�� � 31, pers�nlich
in Vertrags- oder sonstigem Abh�ngigkeitsverh�ltnis stehen.


III. Verh�ltnis der _Organe_ der Stiftung zu _einander_.

Entsprechend der grunds�tzlichen Norm des � 4, gem�� welcher
Stiftungskommissar und Betriebsvorst�nde als �Organe der Stiftung
�_neben_� der Stiftungsverwaltung� eingesetzt sind, regelt Titel II des
Statuts das Verh�ltnis zwischen den drei Organen der Stiftung auf dem
Fu� der _Abgrenzung bestimmter Funktionen und Kompetenzen_, unter
Ausschlu� jeder �ber- und Unterordnung innerhalb des einzelnen
Funktionenkreises.

Dieses liegt durchaus im Rahmen der gesetzlichen Anordnungen, die in
Hinsicht auf die Verfassung der �Stiftungen� das B�rgerl. Gesetzbuch
getroffen hat. (Vergl. BGB. � 26, letzter Satz, und � 30, in Verbindung
mit � 86.)

Der _Stiftungsverwaltung_ ist in � 4 die �oberste� Leitung der
Stiftungs-Angelegenheiten �bertragen. Da jedoch die Bestimmungen in
Titel II des Statuts alle Angelegenheiten der Gesch�ftsbetriebe den
beiden andern Organen zu selbst�ndiger _endg�ltiger_ Erledigung
�berweisen, so k�nnen die Worte �oberste Leitung� in � 4 nicht dahin
verstanden werden, da� der Stiftungsverwaltung in allen Dingen die
oberste Leitung, d. h. die _letzte_ Entscheidung vorbehalten sei,
sondern nur dahin: da� die der Stiftungsverwaltung zugewiesenen
_speziellen_ Funktionen -- die Wahl der Personen f�r die beiden andern
Organe und die Leitung der gemeinn�tzigen T�tigkeit der Stiftung gem��
� 1, B und Titel VII des Statuts -- die �oberste� Leitung der Stiftung
_bedeuten_, und da� _hierin_ keine Instanz �ber der Stiftungsverwaltung
besteht.

Ingleichen mu� die in � 4 benannte �Vertretung der Stiftung als
juristischer Person� auf diejenigen Angelegenheiten bezogen werden, in
denen die Stiftung _nur_ als juristische Person, nicht als Inhaber
einer Handelsfirma auftritt, weil in den Angelegenheiten der
Gesch�ftsbetriebe die _selbst�ndige_ Vertretung des Inhabers durch die
�� 8, 9 den Vorst�nden dieser Betriebe ausdr�cklich zugewiesen wird.

Endlich ist auch die in � 4 der Stiftungsverwaltung �bertragene
Verm�gensverwaltung, soweit eigentliche Verwaltungst�tigkeit in Frage
steht, auf dasjenige Verm�gen der Stiftung zu beziehen, welches nicht
zum Betriebskapital ihrer Handelsfirmen geh�rt. Denn das letztere ist
gem�� �� 6, 8 der Verwaltung durch deren Vorst�nde unterstellt und tritt
in der Verm�gensrechnung der _Stiftung_ nur mit den j�hrlichen
Bilanzziffern der Betriebe auf.

Unter Ber�cksichtigung dieser Einschr�nkungen �bertr�gt also das Statut
der _Stiftungs_verwaltung folgende Funktionen:

die Vertretung der Stiftung Dritten gegen�ber hinsichtlich aller
derjenigen Interessen, die nicht im Interessenkreis der
Gesch�ftsbetriebe liegen -- ohne jede n�here Anweisung;

die allgemeine Verm�gensverwaltung der Stiftung -- gem�� den
Vorschriften in Titel IV (Reservefonds);

die Ernennung des Stiftungskommissars -- gem�� � 5, Abs. 2;

die Ernennung der Mitglieder der Vorst�nde der Betriebe -- gem�� den
Vorschriften in �� 25-27;

die Verf�gung �ber die Mittel der Stiftung f�r die in � 1, B
bezeichneten Zwecke -- nach Ma�gabe der Bestimmungen in Titel VII des
Statuts.

       *       *       *       *       *

Hinsichtlich der Bestellung des Stiftungskommissars enth�lt das Statut
keinerlei weitere Vorschriften. Die Stiftungsverwaltung hat also in
bezug auf seine Ernennung wie auf seine Abberufung v�llig freie Hand.

Hinsichtlich der Ernennung neuer Vorstandsmitglieder ist dem
Stiftungskommissar und den vorhandenen Mitgliedern des betreffenden
Vorstandes insofern eine Mitwirkung einger�umt, als nach � 25 sie vorher
zu h�ren sind -- demnach jede einzelne von diesen Personen ihre Ansicht
vorzutragen berechtigt ist -- und als keine Ernennung gegen das
_einstimmige_ Votum der Vorstandsmitglieder erfolgen darf. --
Grunds�tzlich besagen diese Bestimmungen nur eine beratende Mitwirkung
bei der Wahl neuer Vorstandsmitglieder. Praktisch aber kann das
Vetorecht im Fall der Einstimmigkeit die Bedeutung des Kooptationsrechts
gewinnen. Denn falls die vorhandenen Mitglieder eines Vorstandes
�bereinstimmend eine bestimmte Person, die den Voraussetzungen der
W�hlbarkeit entspricht, f�r die bestqualifizierte halten, so sind sie
daraufhin berechtigt, jeden andern einstimmig abzulehnen; und in diesem
Fall _m��te_ die Stiftungsverwaltung ihrem Votum wenigstens dann Folge
geben, wenn der Fall, den � 7, Abs. 3 vorsieht, eingetreten ist.

In denjenigen Angelegenheiten endlich, die auf die Erf�llung der
gemeinn�tzigen Aufgaben der Stiftung (� 1, B) Bezug haben und in Titel
VII des Statuts n�her geregelt sind, ist gem�� � 108, Abs. 1 dem
Stiftungskommissar und den Vorst�nden der Stiftungsbetriebe gleichfalls,
neben dem _Recht_, Antr�ge stellen zu k�nnen, eine im allgemeinen nur
beratende Mitwirkung einger�umt. In Hinsicht auf solche Ma�regeln aber,
die unter die �� 101-104 fallen, statuiert Abs. 2 des � 108 ausdr�cklich
eine entscheidende Einflu�nahme der beiden Betriebsvorst�nde, unter der
Bedingung der Einstimmigkeit ihrer _s�mtlichen_ Mitglieder.

Die genannten Paragraphen betreffen ausschlie�lich solche Akte
gemeinn�tziger Bet�tigung, die entweder (�� 101, 102) die technischen,
wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Interessen der Betriebe selbst,
oder (�� 103, 104) die Interessen ihres Personals ganz unmittelbar
ber�hren, und die deshalb auch immer in Beziehung zu solchen Ma�nahmen
_innerhalb_ der Betriebe stehen werden, auf welche die drei letzten
Abs�tze des � 16 und die Direktiven f�r die gesch�ftliche T�tigkeit der
Stiftung in Titel III des Statuts hinweisen.

F�r dieses ganze durch die �� 101-104 umschriebene Gebiet
gemeinn�tziger Bet�tigung der Stiftung ist durch die Vorschrift
des zweiten Absatzes in � 108 die Entscheidung �ber das, was
_innerhalb des statutenm��ig Zul�ssigen_ zu geschehen oder zu
unterbleiben hat, der Stiftungsverwaltung praktisch nur insoweit
�berlassen, als die dort bezeichneten Personen betreffs des Ob oder des
Wie _nicht im Einverst�ndnis_ sind. Soweit Einverst�ndnis unter ihnen
hinsichtlich einer bestimmten Ma�nahme konstatiert ist, _mu�_ diese
Ma�nahme nicht nur �berhaupt, sondern auch in den Einzelheiten der
Ausf�hrung, gem�� ihrem �bereinstimmenden Votum ins Werk gesetzt werden
-- womit dann selbstverst�ndlich der Stiftungsverwaltung auch jede
eigene Verantwortung in der betreffenden Sache abgenommen ist.

Nach der finanziellen Seite hin ist das in diesen Angelegenheiten
statutarisch Zul�ssige durch die Vorschrift des � 107, Abs. 3 in
Verbindung mit den �� 47-51 umgrenzt.

Die _Leitung der industriellen T�tigkeit_ der Stiftung und die
Verwaltung ihrer Gesch�ftsbetriebe ist, gem�� � 4, Abs. 2, nicht der
Stiftungsverwaltung, sondern _lediglich_ den Betriebsvorst�nden und dem
Stiftungskommissar unterstellt. Nur insoweit ist auch der
Stiftungsverwaltung eine Mitwirkung in diesen Angelegenheiten
vorbehalten, als das Statut dem Stiftungskommissar die Stellung eines
Vertreters der Stiftungsverwaltung zuweist und damit der letzteren in
bezug auf seine T�tigkeit die allgemeinen Befugnisse des Vollmachtgebers
gegen�ber dem Bevollm�chtigten einr�umt.

       *       *       *       *       *

Die Funktionen des _Stiftungskommissars_ sind gem�� Titel II des
Statuts:

Beaufsichtigung der Gesch�ftsf�hrung der Betriebe in Hinsicht auf
_Ordnungsm��igkeit_ der Verwaltung und _Statutenm��igkeit_ des
Verfahrens (�� 11, 12);

Beratende Mitwirkung in allen Angelegenheiten, die eine besondere
Entschlie�ung der Betriebsvorst�nde erfordern (� 14);

Entscheidung in denjenigen Angelegenheiten, in bezug auf welche die
Mitglieder einer Gesch�ftsleitung sich nicht einigen k�nnen (� 15);

Best�tigung oder Ablehnung von Beschl�ssen in Bezug auf _bestimmte_ --
in � 16 namentlich angef�hrte -- Handlungen;

Stellung eigener Antr�ge in Sachen der Gesch�ftsbetriebe (� 17).

Der Kreis dieser dem Stiftungskommissar zugewiesenen Befugnisse bestimmt
zugleich den Umfang der -- mittelbaren -- Einwirkung der
Stiftungsverwaltung auf die gesch�ftliche T�tigkeit der Stiftung, weil
� 10 eine andere Einwirkung auf die Gesch�ftsf�hrung der Betriebe als
_durch_ den Stiftungskommissar ausschlie�t, mithin jede Einwirkung
ausschlie�t, die nicht im Rahmen _seiner_ statutarischen Befugnisse
ge�bt werden kann.

Hinsichtlich der Aus�bung seiner Funktionen regelt das Statut
die Stellung des Stiftungskommissars zur Stiftungsverwaltung
nach den Grunds�tzen _freier und direkter Stellvertretung_. Von
seiner Ernennung bis zu seiner Abberufung hat er seine T�tigkeit
nach eigenem besten Wissen und unter eigener Verantwortung auszu�ben.
Die Stiftungsverwaltung als Vollmachtgeber kann von ihm verlangen, in
jedem ihr geboten erscheinenden Umfang �ber die Angelegenheiten der
Stiftungsbetriebe fortdauernd unterrichtet zu werden und kann in allen
Punkten ihre eigenen Ansichten ihm gegen�ber geltend machen; sie kann
ihm aber _nicht_ Instruktion f�r die von ihm zu treffenden
Entscheidungen erteilen und auch nicht verlangen, vor _jeder_
Entscheidung erst selbst geh�rt zu werden. Denn da aus � 5 der
Stiftungskommissar direkt und in Person auf das Stiftungsstatut
verpflichtet ist, kann er nicht angehalten werden, etwas zu vertreten,
was nicht seinem eigenen pflichtm��igen Ermessen entspricht. Au�erdem
aber fordern auch die �� 15-18 ausdr�cklich _seine_ auf die unmittelbare
Kenntnis aller Verh�ltnisse gegr�ndete Entscheidung und schreiben ihm
vor, auf Anfordern eines Vorstandes sein Votum ohne Verzug abzugeben. --
Der Stiftungsverwaltung bleibt daher, falls sie mit seiner T�tigkeit
unzufrieden w�re, nur Zur�ckziehen des erteilten Auftrags, durch
Abberufung, �brig.

Die Konsequenz dessen nach der anderen Seite hin ist, da�, wenn eine
Gesch�ftsleitung durch Entscheidungen des Stiftungskommissars sich,
beschwert f�hlte, sie nicht Berufung dagegen an die Stiftungsverwaltung
einlegen und Ab�nderung solcher Entscheidungen beantragen d�rfte.
Vorstellungen oder Beschwerden bei der Stiftungsverwaltung �ber den
Stiftungskommissar k�nnten vielmehr nur den Sinn haben, entweder deren
g�tige Vermittlung anzurufen oder sie um Ernennung eines andern
Stiftungskommissars anzugehen.

       *       *       *       *       *

Funktion und Kompetenz der _Vorst�nde_ (Gesch�ftsleitungen) der
Stiftungsbetriebe sind durch die �� 8, 9 des Statuts ganz vollst�ndig
geregelt.

Den dortigen Bestimmungen zufolge k�nnen alle Handlungen, die irgendwie
auf die gesch�ftliche T�tigkeit der Firma oder auf ihre Vertretung nach
innen oder nach au�en Bezug haben, _nur_ durch ihren Vorstand
vorgenommen werden. Weder der Stiftungskommissar noch die
Stiftungsverwaltung kann in diesen Angelegenheiten irgend eine Anordnung
treffen. Sie k�nnen nicht an _Stelle_ des Vorstandes etwas beschlie�en
und k�nnen -- abgesehen von dem Vetorecht, welches � 16 f�r _bestimmte_
Gegenst�nde dem Stiftungskommissar einr�umt -- keinen Beschlu� des
Vorstandes inhibieren. Auch in den F�llen, in welchen das Votum des
Stiftungskommissars entscheidend ist -- sei es, da� er nach � 15 bei
Dissens unter den Mitgliedern den Ausschlag gibt, sei es, da� er gem��
� 16 einen einstimmigen Beschlu� noch zu sanktionieren hat -- ist die
Grundlage des Vorgehens lediglich der auf die eine oder die andere Art
statutenm��ig zustande gekommene _Vorstands_beschlu�.

Demgem�� ist f�r die Beamten der Betriebe und f�r deren gesamtes
Personal das Kollegium, welches den Vorstand der Firma bildet, _als
solches_, der _oberste_ Vorgesetzte. Niemand sonst kann Angeh�rigen des
Betriebes eine verbindliche Anweisung erteilen. Auch der
Stiftungskommissar kann in Aus�bung seiner Aufsichtsfunktionen gem��
�� 11, 12 dieses nicht; er kann nur gegebenen Falles den Vorstand
anhalten, zur Beseitigung von Anst�nden seinerseits die geeigneten
Anordnungen zu treffen.

Hinsichtlich der Vertretung der Firma nach au�en setzen die Vorschriften
des � 8 den betreffenden Vorstand in _allen_ Angelegenheiten der
Gesch�ftsf�hrung als den bevollm�chtigten _Vertreter des Inhabers der
Firma_ ein und erteilen ihm eine nach _au�en_ hin ganz unbeschr�nkte
Vertretungsmacht. Die Form f�r deren Aus�bung ist (in � 9) in der Art
geregelt, da� entweder: der Vorstand in seiner Gesamtheit (je zwei von
seinen Mitgliedern), oder: ein bestimmtes Mitglied desselben als
�gesetzlicher Vertreter� der Stiftung in Angelegenheiten der
betreffenden Firma, �ffentlich legitimiert sein mu� -- in welchem
letztern Fall dieses eine Mitglied (der �Bevollm�chtigte� der CARL
ZEISS-Stiftung) zugleich befugt sein mu�, sich durch ein bestimmtes
anderes -- gleichfalls �ffentlich hierzu legitimiertes -- Mitglied
zeitweilig oder in einzelnen Angelegenheiten vertreten zu lassen.

Die Selbst�ndigkeit und Unabh�ngigkeit, die gem�� diesen Anordnungen den
Vorst�nden der Stiftungsbetriebe hinsichtlich der Leitung der gesamten
gesch�ftlichen T�tigkeit der Stiftung gew�hrleistet ist, hat das Statut
nach der pers�nlichen Seite hin durch die besondern Vorschriften in den
�� 26, 27, 31 gesichert: da� alle _Mitglieder_, soweit sie nicht Sozien
der Stiftung sind, bei einem von den Stiftungsbetrieben _lebensl�nglich_
angestellte Beamte sein und demgem�� die in Titel V, � 59, bestimmten
Rechte besitzen _m�ssen_ -- da� ferner ihre Ernennung unwiderruflich ist
-- und da� ihnen endlich bei der Bestellung weder durch Vertrag noch
durch Dienstanweisung besondere Verpflichtungen hinsichtlich der
Aus�bung ihrer Funktionen auferlegt werden k�nnen, ihr Auftrag also
_lediglich_ durch das Statut selbst bestimmt bleiben mu�.

Als lebensl�nglich angestellte Beamte k�nnen sie nach � 59 nur durch
richterliches oder schiedsrichterliches Urteil entsetzt werden, und nur
�wegen grober Pflichtverletzung, wegen fortgesetzter Vernachl�ssigung
der Obliegenheiten und wegen solcher Anst�nde im au�erdienstlichen
Verhalten, die b�rgerliches Ansehen oder pers�nliches Vertrauen
aufheben�; pensioniert k�nnen sie nur aus vertragsm��igen Gr�nden
werden, und Au�erdienststellung kann nur durch Entsetzung oder
vertragsm��ig begr�ndete Pensionierung erfolgen. -- Auf _was_ dabei der
Punkt �b�rgerliches Ansehen oder pers�nliches Vertrauen� bezogen werden
darf, und auf was _nicht_, ist durch die in den n�chstvorangehenden
�� 57, 58 des Statuts enthaltene Definition der Rechte _aller_
Angeh�rigen der Stiftungsbetriebe zweifelsfrei festgestellt.

Im �brigen aber sind die Mitglieder der Vorst�nde -- gem�� Anordnungen
in den �� 13 und 28 des Statuts -- als _einzelne_ ganz wie alle anderen
Beamten dem _Kollegium_ unterstellt, das den Vorstand bildet. Gegen
Handlungen, die der einzelne in Angelegenheiten seiner Firma unternimmt,
gibt es demnach Berufung -- aber _lediglich_ Berufung an dieses
Kollegium, gleichg�ltig, _wer_ es sein mag, der durch eine solche
Handlung sich beschwert f�hlt.

       *       *       *       *       *

Die im Statut vorgesehene Nebenordnung mehrerer Organe, jedes mit
bestimmt umgrenztem Funktionenkreis und unter ausdr�cklicher _direkter_
Verpflichtung eines jeden auf die Vorschriften des Statuts, zieht als
Konsequenz nach sich, da� auch in Hinsicht auf _Auslegung_ des Statuts
jedes von diesen Organen ganz selbstst�ndig ist. Keins kann im
Zweifelfall _seine_ Auslegung den anderen oktroyieren, und auch die
Auslegung der Stiftungsverwaltung ist f�r die anderen Organe nicht
verbindlich. Falls also �ber Auslegungsfragen einmal Dissens eintreten
sollte, kann die Entscheidung �ber �statutengem�߫ oder �statutenwidrig�
lediglich durch _gerichtliche_ Feststellung herbeigef�hrt werden.

Dieses ist durch die Vorschriften im Titel IX des Statuts direkt
gegeben.

Die �� 118, 119 (Tit. IX) kn�pfen zuk�nftige _Ab�nderungen_ des Statuts
an ganz bestimmte Voraussetzungen und an ein ganz bestimmtes Verfahren,
sprechen bestimmten Personenkreisen (zu welchen namentlich der
Stiftungskommissar, die Mitglieder der Betriebsvorst�nde und die
Mitglieder der Rechnungskommission des � 110 geh�ren) ein rechtliches
Interesse an der Aufrechterhaltung des Statuts zu und legitimieren sie
ausdr�cklich zu _gerichtlicher_ Klage wegen �ungerechtfertigter�
Ab�nderungen. Damit ist also jede zuk�nftige Statuten�nderung der
Nachpr�fung durch die ordentlichen Gerichte unterstellt.
Selbstverst�ndlich gilt dann das gleiche auch f�r jede Ma�nahme, von der
ein Beteiligter mit Recht behaupten k�nnte, da� sie materielle
Ab�nderung einer Statutenbestimmung involviere, also, um rechtm��ig zu
sein, nur auf Grund des Verfahrens nach � 118 ins Werk gesetzt werden
_d�rfte_. Denn es w�re widersinnig, anzunehmen, da� die �� 118, 119 zwar
Statuten�nderungen, die formell _als solche_ verlautbart werden, der
Nachpr�fung der Gerichte unterwerfen, andere aber, die ohne die
vorschriftsm��ige Verlautbarung de facto seitens eines Stiftungsorgans
vorgenommen w�rden, dieser Nachpr�fung entziehen wollten. Hiermit aber
ist die ausschlie�liche Kompetenz der Gerichte f�r jede strittige
Auslegungsfrage von selbst gegeben -- weil Anwendung des Statuts unter
_falscher_ Auslegung genau dasselbe bedeutet wie Ab�nderung des
_richtig_ ausgelegten Statuts.

Die Entscheidung _strittiger_ Auslegungsfragen kraft �staatlicher
Aufsicht�, im _Verwaltungsweg_, ist im Fall der CARL ZEISS-Stiftung
durch die angezogenen Vorschriften in Titel IX des Stiftungsstatuts
ausgeschlossen.

Zwar hat die staatliche Aufsichtsbeh�rde, weil sie die Statutenm��igkeit
der Verwaltung von Stiftungen zu �berwachen berufen ist, auch in diesem
Fall gegen Verletzungen des Statuts, die _als solche_ anerkannt oder
festgestellt sind, im Verwaltungsweg einzuschreiten. Die _Entscheidung_
dar�ber, was statutengem�� und was statutenwidrig sei, hat sie aber in
Angelegenheiten dieser Stiftung nicht selbst zu geben -- weil deren
Statut durch die Anordnungen in Titel IX diese Entscheidung im
Streitfall den Gerichten �berwiesen hat. Und gerade weil die staatliche
Aufsicht dar�ber zu wachen hat, da� in allen Punkten die Satzungen der
Stiftungen respektiert werden, hat sie nun im Fall der CARL
ZEISS-Stiftung auch dar�ber zu wachen, da� strittige Auslegungsfragen
auf dem satzungsgem��en _gerichtlichen_ Weg zum Austrag gebracht werden.

       *       *       *       *       *

Im vorigen Sommer ist aus Anla� von Er�rterungen wegen der politischen
Neutralit�t der hiesigen Lesehalle von neuem eine �ffentliche
Kontroverse �ber die Rechtslage der CARL ZEISS-Stiftung und ihr
Verh�ltnis zum Staat und zu den Staatsbeh�rden entstanden, in deren
Verlauf unter dem Anschein von Autorit�t und Sachkenntnis auf die
�staatliche Aufsicht�, der diese Stiftung unterstehe, und auf
�vorgesetzte Beh�rden�, denen ihre Organe unterstellt seien, Bezug
genommen wurde.

Dem entgegenstehenden Erkl�rungen, die ich als Begr�nder der Stiftung
und als Verfasser ihres Statuts, schon bei einer fr�heren Gelegenheit
und wiederholt aus diesem Anla� �ffentlich abgegeben habe, ist dabei
nicht nur scharf widersprochen worden; man hat mir sogar den Vorwurf
gemacht, diese Erkl�rungen wider besseres Wissen gegeben zu haben.

Um die hierdurch hervorgerufene Rechtsunsicherheit zu beseitigen und die
Nachteile abzuwenden, die den Gesch�ftsbetrieben der Stiftung aus der
fortgesetzten Diskreditierung wesentlicher Grundlagen ihrer Verfassung
erwachsen, habe ich damals, im Einverst�ndnis mit meinen Kollegen im
Vorstand der Optischen Werkst�tte, erkl�rt, auf dem Weg der
Feststellungsklage ein gerichtliches Urteil �ber die durch das
Stiftungsstatut begr�ndete Rechtslage herbeif�hren zu wollen.

Diese Absicht habe ich indes aufgeben m�ssen, weil dringende Arbeiten,
die mich im vorigen Herbst und Winter ganz in Anspruch nahmen, mir
unm�glich machten, alle zur Klageerhebung erforderlichen Unterlagen
rechtzeitig beizubringen.

Ich beschr�nke mich daher auf _Ver�ffentlichung_ der �Erl�uterungen zu
Titel I und II des Stiftungsstatuts�, die ich aus diesem Anla�
niedergeschrieben hatte. Und ich bin auch der Meinung, da� _Dieses_
allein schon ausreichen werde, alle Beunruhigung zu beseitigen, die in
den n�chstbeteiligten Kreisen durch die Anfechtung meiner fr�heren
Erkl�rungen entstanden ist.

Den Angeh�rigen der Stiftungsbetriebe empfehle ich, diese
�Erl�uterungen� ihrem Statutenheft beizuf�gen.

_Jena_, 12. Juni 1900.

Dr. E. Abbe.

Fu�noten:

[Fu�note 90: Vgl. hierzu oben S. 329-341.]





Druck von A. K�mpfe, Jena.





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both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael
Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark.  Contact the
Foundation as set forth in Section 3 below.

1.F.

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effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
public domain works in creating the Project Gutenberg-tm
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property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a
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LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE
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that arise directly or indirectly from any of the following which you do
or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.


Section  2.  Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of computers
including obsolete, old, middle-aged and new computers.  It exists
because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need, is critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come.  In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.


Section 3.  Information about the Project Gutenberg Literary Archive
Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service.  The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541.  Its 501(c)(3) letter is posted at
http://pglaf.org/fundraising.  Contributions to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
permitted by U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
throughout numerous locations.  Its business office is located at
809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
business@pglaf.org.  Email contact links and up to date contact
information can be found at the Foundation's web site and official
page at http://pglaf.org

For additional contact information:
     Dr. Gregory B. Newby
     Chief Executive and Director
     gbnewby@pglaf.org


Section 4.  Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment.  Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States.  Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements.  We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance.  To
SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
particular state visit http://pglaf.org

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States.  U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses.  Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations.
To donate, please visit: http://pglaf.org/donate


Section 5.  General Information About Project Gutenberg-tm electronic
works.

Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
concept of a library of electronic works that could be freely shared
with anyone.  For thirty years, he produced and distributed Project
Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.


Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
unless a copyright notice is included.  Thus, we do not necessarily
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.


Most people start at our Web site which has the main PG search facility:

     http://www.gutenberg.org

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including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
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